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HANDBUCH
DER
EISENHÜTTENKUNDE.

FÜR DEN GEBRAUCH IN DER PRAXIS WIE ZUR BENUTZUNG
BEIM UNTERRICHTE BEARBEITET.

VON
A. LEDEBUR,
PROFESSOR AN DER K. BERGAKADEMIE ZU FREIBERG IN SACHSEN

MIT 305 ABBILDUNGEN.

DAS UEBERSETZUNGSRECHT BLEIBT VORBEHALTEN.

LEIPZIG.:
VERLAG VON ARTHUR FELIX.
1884.

[[II]][[III]]

Vorwort.


Das Ziel, welches mir bei der Bearbeitung des nachfolgenden
Handbuches der Eisenhüttenkunde vorschwebte, war, ein Buch zu
schaffen, welches vom Standpunkte des Metallurgen dem Leser ein
möglichst deutliches Bild von dem Verlaufe und den Eigenthümlich-
keiten der verschiedenen für die Eisendarstellung dienenden Processe,
den Hilfsmitteln zur Durchführung derselben und den Eigenschaften der
durch jene Processe gewonnenen Eisensorten zu liefern bestimmt sei.


Zur Erreichung eines solchen Zieles ist zwar eine sorgfältige Be-
rücksichtigung der Literatur über Eisenhüttenwesen unerlässlich; ande-
rerseits aber bin ich bemüht gewesen, das Buch nicht mit dem Bal-
laste eines allzu umfänglichen Eingehens auf fremde Literaturerzeug-
nisse zu beschweren. Abhandlungen, welche in einer Zeitschrift das
volle Interesse des Lesers beanspruchen können, wirken ermüdend,
wenn sie, wie es allerdings vielfach geschieht, in einem Handbuche
ihrem vollen Umfange und Wortlaute nach vorgeführt werden. Nur
der wesentlichste Theil ihres Inhaltes sollte für diesen Zweck benutzt
werden.


Hinsichtlich der Anordnung des Stoffes bin ich insoweit einem
schon vor mir vielfach betretenen Pfade gefolgt, als ich das ganze Buch
in drei Hauptabschnitte zerlegte: einen allgemeinen einleitenden Theil,
alsdann die Darstellung des Roheisens und endlich die des schmied-
baren Eisens. Die Grenze zwischen Roheisen und schmiedbarem Eisen
ist so scharf gezogen, das für die Roheisendarstellung benutzte Ver-
[IV]Vorwort.
fahren, der Hochofenbetrieb, steht so selbstständig da, dass wohl kaum
ein anderer Weg zweckmässiger erscheinen kann.


Weniger leicht war die Frage nach der geeignetsten Eintheilung
der genannten drei Hauptabschnitte, ganz besonders der Lehre von
der Darstellung des schmiedbaren Eisens, in Unterabtheilungen zu
erledigen.


Bis zur Mitte dieses Jahrhunderts pflegte man die Metallurgie des
kohlenstoffreicheren Stahles von der des kohlenstoffärmeren Schmiede-
eisens zu trennen. Die Härtbarkeit des Stahles bildete das wesentliche
Unterscheidungsmerkmal beider Eisengattungen. Durch die Einführung
neuerer hochwichtiger Processe in das Eisenhüttengewerbe ist aber die
Grenze zwischen Stahl und Schmiedeeisen undeutlich geworden; es ist
bekannt, dass man heutzutage mit der Bezeichnung Stahl keineswegs
immer den nämlichen Begriff verbindet.


Mehrfach wurde deshalb seit jener Zeit die chemische Eigenthüm-
lichkeit der verschiedenen für die Darstellung schmiedbaren Eisens
dienenden Processe als Mittel für die Eintheilung des ganzen Gebietes
gewählt. Man unterschied Reductionsprocesse (Rennarbeiten), Frisch-
processe, Kohlungsprocesse, Reinigungsprocesse.


Eine solche Eintheilung, so zweckmässig sie im ersten Augenblicke
vielleicht erscheinen mag, erweist sich indess, wenn man die Processe
eingehender prüft, als wenig zuverlässig und als noch weniger über-
sichtlich. Bei dem Martinprocesse mit Erzen wie auch bei der selte-
neren Darstellung des Uchatius-Gusstahles gehen die Oxydation der
Kohle, des Siliciums, Mangans und die Reduction metallischen Eisens
Hand in Hand. Beim Bessemern wie beim Martiniren findet anfäng-
lich reichliche Verbrennung von Silicium, Mangan, Kohlenstoff statt;
sie sind also in dem ersten Theile ihres Verlaufes wirkliche Frisch-
processe. Später aber wird eine kohlenstoff- und manganhaltige Legi-
rung zugesetzt, Eisenoxydul wird reducirt, Kohlenstoff und Mangan
werden zugeführt; aus dem Frischprocesse ist ein Reductions- und
Kohlungsprocess geworden. Wollte man also folgerecht verfahren, so
müsste man den Martinprocess und das Tiegelschmelzen, je nachdem
man mit oder ohne Erzen arbeitet, in ganz verschiedenen Abschnitten
des Buches besprechen, ja, auch den Anfang und das Ende des Besse-
mer- und Martinprocesses bei der Besprechung von einander trennen.
[V]Vorwort.
Verarbeitet man aber im Martinofen Schweisseisen, so ist der Process
nicht minder als die Tiegelgussstahldarstellung ein Reinigungsverfahren,
bei welchem Schlacke ausgeschieden wird, und er hat volle Berechti-
gung, neben dem Tiegelschmelzen an einer dritten Stelle des Buches
zu erscheinen. Die ganze Anordnung des Stoffes wird solcherart schwer-
fällig; man gelangt zu einer grossen Zahl scheinbar verschiedener Pro-
cesse, und dem Anfänger wird es schwer, eine klare Uebersicht zu
gewinnen.


Um einen kürzeren Weg einzuschlagen, wählte ich daher wie bei
der ersten Eintheilung des gesammten Gebietes die Beschaffenheit der
Fertigerzeugnisse als Ausgangspunkt für die Besprechung. Streng ge-
sondert ist alles Schweisseisen vom Flusseisen; an diese beiden Haupt-
gruppen alles schmiedbaren Eisens reihen sich das durch Glühen unter
oxydirenden Einflüssen gewonnene Eisen, das Tempereisen, und end-
lich der Cementstahl. Nicht minder scharf als die genannten Eisen-
gruppen selbst unterscheiden sich die Processe und die Oefen für ihre
Darstellung von einander; alle zu einer Eisengruppe gehörigen Arten
aber besitzen gewisse Eigenthümlichkeiten, die sich vor der Besprechung
der einzelnen Darstellungsmethoden gemeinschaftlich erörtern lassen.
Ich brauche zur Bestätigung hierfür nur an den Schlackengehalt alles
Schweisseisens, an das Verhalten alles Flusseisens beim Giessen zu
erinnern.


Auf diese Weise wird die Zahl der zu besprechenden Processe
geringer und die Uebersicht nicht wenig erleichtert.


Wo ich die Bezeichnung Stahl angewendet habe, ist nur das deut-
lich härtbare Eisen, es möge Schweisseisen oder Flusseisen sein, dar-
unter verstanden. Die Berechtigung dieser Auslegung ist in der Literatur
bereits so vielfach erörtert worden, dass es keiner besonderen Be-
gründung derselben an dieser Stelle bedarf. Hervorragende Metallurgen
auch derjenigen Völker, welche in der Jetztzeit die Worte steel, acier
in anderem Sinne gebrauchen, haben doch die grössere Zuverlässigkeit
der deutschen Auslegung anerkannt.


Mehrfach sah ich mich veranlasst, in dem theoretischen Theile
meines Handbuches von den Ueberlieferungen einer älteren Schule
abzuweichen, wo mir dieselben einer vorurtheilsfreien Erwägung und
den Fortschritten der Wissenschaft gegenüber als nicht mehr haltbar
[VI]Vorwort.
erschienen. Nirgend aber habe ich neue Theorien aufzustellen ver-
sucht, ohne zugleich die Gründe zu entwickeln, welche mich zu den-
selben führten, sei es durch den Hinweis auf schon bekannte, aber
nicht genügend beachtete, Naturgesetze, sei es durch Mittheilung der
Ergebnisse zuverlässiger Versuche über den betreffenden Gegenstand.
Nicht selten war ich selbst im Laufe der Jahre in der glücklichen Lage,
durch eigene Versuche mir Aufklärung zu verschaffen, wenn ich Zweifel
über die Ursachen dieser oder jener Erscheinung hegte; vielfach auch
bin ich in meinem Bestreben durch befreundete Eisenwerke und Fach-
genossen unterstützt worden. Ihnen sei an dieser Stelle mein auf-
richtiger Dank ausgesprochen.


Freiberg in Sachsen, im April 1884.


A. Ledebur.


[[VII]]

Inhaltsverzeichniss.



[[XIV]]

Verzeichniss der Abbildungen.


Die Ziffern an der linken Seite des Textes geben die Nummern der Figuren, die Ziffern an
der rechten Seite die Seitenzahl an.




[XV]Verzeichniss der Abbildungen.


[XVI]Verzeichniss der Abbildungen.

[[1]]

ERSTE ABTHEILUNG.
EINFÜHRUNG
IN DIE
EISENHÜTTENKUNDE.


Ledebur, Handbuch. 1
[[2]][[3]]

I. Eintheilung des Handelseisens, Historisches
und Statistisches.


Alles technisch dargestellte und in den Handel gebrachte Eisen
enthält kleinere oder grössere Mengen fremder Körper, welche dem-
selben theils absichtlich, theils unabsichtlich bei der Darstellung zu-
geführt wurden und seine Eigenschaften beeinflussen. Der wichtigste
dieser fremden Körper, welcher, wenn auch bisweilen nur in sehr
kleinen Mengen auftretend, doch in jedem Handelseisen sich findet, ist
der Kohlenstoff; andere häufige Begleiter des Eisens sind Silicium,
Phosphor, Schwefel, Mangan, Kupfer
; weniger wichtig, obschon
in kleinen Mengen fast immer nachweisbar, sind Kobalt und Nickel;
mitunter finden sich Arsen, Chrom und einige andere Körper.


Eisensorten mit abweichendem Gehalte an diesen fremden Körpern
zeigen oft stärkere Abweichungen in ihrem Aeussern und ihren sonstigen
Eigenschaften als manche ganz verschiedene Metalle; und man trennt
demnach zunächst das gesammte Handelseisen in zwei grosse Gruppen:
Roheisen mit einer reichlicheren Menge jener fremden Bestandtheile
und schmiedbares Eisen mit einer geringeren Menge derselben. Die
physikalischen Unterschiede der beiden Eisengattungen beruhen vor-
nehmlich auf der Verschiedenheit ihrer Schmelztemperaturen und ihres
Verhaltens im stark erhitzten Zustande. Roheisen schmilzt leichter,
d. h. in niedrigerer Temperatur und mit weniger Aufwand
von Wärme, als schmiedbares Eisen; geht, ohne zu erweichen
,
raschaus dem festen in den flüssigen Zustand über, wenn
die Schmelztemperatur erreicht ist und umgekehrt, ist
aber eben dieser letzteren Eigenschaft halber nicht schmied-
bar, d. h. es erträgt, ohne geschmolzen zu werden, auch im
erhitzten Zustande keine Aenderungen seiner Form durch
Einwirkung äusserer Kräfte, sondern es zerbricht; schmied-
bares Eisen lässt sich, wie der Name besagt, schmieden,
indem es bei der Erhitzung vor dem Schmelzen
allmählich
erweicht, ja es besitzt häufig auch im kalten Zustande
einen hohen Grad von Dehnbarkeit; aber sein Schmelz-
punkt liegt höher als der des Roheisens und steigt im All-
gemeinen mit der Abnahme seiner fremden Bestandtheile
.


1*
[4]Eintheilung des Handelseisens.

Sofern neben Kohlenstoff keine erheblichen Mengen von fremden
Körpern im Eisen zugegen sind, liegt die Grenze zwischen Roheisen
und schmiedbarem Eisen bei einem Kohlenstoffgehalte von etwa 2.3 Proc.;
finden sich neben Kohlenstoff aber andere Körper, insbesondere Metal-
loide (Silicium, Phosphor, Schwefel), im Eisen vor, so beeinträchtigen
dieselben die Schmiedbarkeit ebenfalls, das Eisen verliert schon bei
einem entsprechend niedrigeren Kohlenstoffgehalte seine Schmiedbarkeit
und nimmt den Roheisencharakter an.


Beide Eisengattungen zerfallen nun zunächst wieder in mehrere
Klassen.


Manche Roheisensorten besitzen infolge später zu erörternder
Ursachen die Eigenthümlichkeit, beim Erstarren und im glühenden Zu-
stande ihren Kohlenstoff zum grossen Theile als selbstständigen Körper
in Form von Graphit auszuscheiden, so dass derselbe zwischen den
Krystallflächen sich einlagert, der Bruchfläche des Roheisens eine graue
Farbe ertheilend, und dieses heisst alsdann graues Roheisen; bei
anderen Roheisensorten verharrt der Kohlenstoffgehalt auch nach dem
Erstarren im sogenannten „gebundenen“ Zustande, d. h. als ein dem
Auge nicht ohne chemische Zerlegung des Roheisens erkennbarer, auf
mechanischem Wege nicht von demselben trennbarer Bestandtheil des
Roheisens, letzteres besitzt auf der Bruchfläche weisse Farbe und wird
demzufolge weisses Roheisen genannt. In noch anderen Fällen stellt
der Eisenhüttenmann für gewisse Zwecke seines Betriebes kohlenstoff-
haltige Legirungen zwischen Eisen und Mangan dar, welche zwar in
ihrem Aussehen und ihren Eigenschaften dem weissen Roheisen ähnlich
sind, ihres hohen Mangangehaltes aber, der mitunter mehr als 80 Proc.
beträgt, nicht dem Roheisen im eigentlichen Sinne zugezählt werden
können und die man Ferromangane oder bei hohem Mangangehalte
auch wohl Rohmangane zu benennen pflegt. Die Schmelztemperatur
dieser Legirungen liegt um so höher, je reicher sie an Mangan sind;
mit allen Roheisensorten aber haben sie die Eigenschaft gemein, nicht
allmählich, sondern plötzlich ihren Aggregatzustand zu ändern.


Ist das Roheisen — insbesondere das graue Roheisen — durch
Eingiessen in Formen zu Gebrauchsgegenständen verarbeitet (Oefen,
Säulen, Gitter, Röhren u. s. w. u. s. w.), so pflegt es als Material dieser
Gegenstände Gusseisen genannt zu werden. 1)


Die an fremden Körpern, insbesondere an Kohlenstoff, reicheren
Sorten des schmiedbaren Eisens besitzen die Eigenschaft der Härtbar-
keit, d. h. sie zeigen, wenn sie auf etwa 500°C. erhitzt und dann
rasch abgekühlt werden (durch Eintauchen in Wasser, Oel oder dergl.),
eine beträchtliche Steigerung ihrer Härte, während die Härte der kohlen-
stoffärmeren Sorten durch diese Behandlung kaum merklich geändert
wird. Die Grenze liegt, sofern der Gehalt des Eisens an fremden
[5]Eintheilung des Handelseisens.
Körpern neben Kohlenstoff nicht beträchtlich ist, bei etwa 0.6 Proc.
Kohlenstoffgehalt, erniedrigt sich aber, wenn neben Kohle andere
Körper, insbesondere Mangan, Chrom, Silicium in grösseren Mengen
zugegen sind. Jene Eigenschaft der Härtbarkeit theilt das gesammte
schmiedbare Eisen in zwei Klassen und zwar in: Stahl, kohlenstoff-
reicher, härtbar, und Schmiedeeisen, kohlenstoffärmer, nicht
härtbar
.


Manche Sorten schmiedbaren Eisens erfolgen bei ihrer Darstellung
in einem teigartigen Zustande, sind dabei von Schlacke durchsetzt und
erfordern, um wenigstens so viel als möglich von dieser befreit zu werden,
einer ausgedehnten mechanischen Bearbeitung in Schweisshitze, d. h.
in derjenigen, nicht sehr weit unterhalb des Schmelzpunktes liegenden
Temperatur, in welcher das schmiedbare Eisen einen weichen, bild-
samen Zustand annimmt, und getrennte Eisenstäbe sich unter An-
wendung eines Druckes oder von Hammerschlägen zu einem Ganzen
vereinigen lassen (schweissen), während die eingeschlossenen Schlacken-
theilchen durch dieselbe mechanische Einwirkung wenigstens theilweise
aus dem Eisen herausgequetscht werden. Solches Eisen heisst Schweiss-
eisen
beziehentlich Schweissstahl. Andere Sorten dagegen erfolgen
im flüssigen Zustande; eine Einmengung von Schlacke ist hierdurch
ausgeschlossen, da die flüssige, specifisch leichtere Schlacke sich rasch
von dem flüssigen Eisen sondert, und eine grössere Gleichmässigkeit
der Eisenstäbe innerhalb desselben Querschnitts ist eine andere Folge
jenes flüssigen Anfangszustandes. Man nennt diese Eisensorten Fluss-
eisen
(auch wohl Homogeneisen wegen jener grösseren Gleich-
förmigkeit) beziehentlich Flussstahl. 1)


Folgende Tabelle lässt die besprochene Eintheilung des Handels-
eisens übersichtlicher erkennen.


I. Roheisen.


Nicht schmiedbar, beim Erhitzen plötzlich schmelzend. Gehalt an Kohlen-
stoff (Silicium, Phosphor u. s. w.) mindestens 2.3 Proc.


1. Graues Roheisen.
Der grösste Theil des Koh-
lenstoffs wird beim Erkalten
graphitisch ausgeschieden.
Farbe der Bruchfläche grau.
In der Giesserei zu Guss-
waaren verarbeitet heisst das
graue Roheisen Gusseisen.
2. Weisses Roheisen.
Der grösste Theil des Koh-
lenstoffs bleibt gebunden.
Farbe der Bruchfläche weiss.
Härter, spröder als graues
Roheisen.
3. Ferromangane.
Kohlenstoffhaltige Eisen-
manganlegirungen mit rei-
chem Mangangehalte. Der
grösste Theil des Kohlen-
stoffs bleibt gebunden. Farbe
der Bruchfläche weiss oder
gelblich.

[6]Eintheilung des Handelseisens.

II. Schmiedbares Eisen.


Schmiedbar, beim Erhitzen allmählich erweichend. Gehalt an Kohlenstoff
weniger als 2.3 Proc.


Die Anfänge der Eisendarstellung sind dunkel und reichen bei
den meisten Völkern bis in die vorhistorische Zeit hinauf. Entgegen
einer bis vor wenigen Jahrzehnten allgemein verbreiteten, jetzt noch
vielfach herrschenden Annahme, dass der Bekanntschaft mit dem Eisen
regelmässig eine sogenannte Bronzezeit vorausgegangen sei, unterliegt
es neueren Forschungen zufolge kaum einem Zweifel, dass in Ländern,
wo reine Eisenerze vorkamen, auch das Eisen schon vor der Bronze
oder doch jedenfalls neben derselben dargestellt worden sei; aber die
glänzenderen Eigenschaften der Bronze, insbesondere ihre leichtere Ver-
arbeitbarkeit, ihre prächtige Farbe und ihre grössere Widerstandsfähig-
keit gegen die Einflüsse der Feuchtigkeit, drängten das Eisen so lange
in den Hintergrund, als der Bedarf an Metall überhaupt nicht be-
deutend war. Nicht selten wird bei solchen Völkern, wo das Eisen
schon vor der Bronze bekannt war, doch die bevorzugte Anwendung
der letzteren die Eisendarstellung völlig zum Erliegen und in Vergessen-
heit gebracht haben, bis schliesslich der überhand nehmende Bedarf an
Metall dahin führte, das uralte Gewerbe wieder aufzunehmen. Denn
dem Eisen der alten Zeit fehlte eben diejenige Eigenschaft, welche das
jetzige Eisen zu dem wichtigsten aller Metalle erhoben hat: die Billig-
keit im Vergleiche zu dem Preise anderer Metalle; es wurde erst
billiger als die Noth dazu trieb, es in grösseren Mengen darzustellen
und man hierbei erkannte, wie viel reicher die Erde an Eisen sei als
an anderen Metallen.


Jedenfalls gebührt nicht einem einzigen Manne oder Volke die
Ehre, das Eisen zuerst dargestellt und die Erfindung über die Erde
verbreitet zu haben, sondern, wie noch jetzt vorhandene Spuren er-
kennen lassen, wurde das Eisen in sehr verschiedenen Gegenden bereits
von Volksstämmen dargestellt, welche gegenseitig von ihrem Dasein
keine Ahnung hatten; noch heute werden durch Afrikareisende Völker
angetroffen, welche, obwohl von dem Verkehre mit der Aussenwelt
1)
[7]Historisches und Statistisches.
vollständig abgeschlossen, doch mit der Eisengewinnung in ihrer ein-
fachsten Form sich vertraut zeigen, mit der Bronze oder dem Kupfer
aber häufig unbekannt sind.


In den Schriften der historischen Völker lassen sich meistens
Spuren ihrer Bekanntschaft mit dem Eisen bis zu den Anfängen aller
schriftlichen Tradition hinauf verfolgen. In den Büchern Mosis wird
mehrfach des Eisens erwähnt und Thubalkain, ein Abkömmling Kains
im sechsten Gliede, wird ein „Meister in Erz und allerlei Eisenwerk“
genannt, ein Beweis, dass der Erzähler selbst die Kenntniss des Eisens
als uralt betrachtet; da aber jene Bücher jedenfalls bald nach dem
Auszuge der Juden aus Aegypten (1600 v. Chr.) geschrieben wurden,
so lässt sich folgern, dass auch dort, wo die Juden sich 430 Jahre
lang aufhielten, das Eisen um jene Zeit schon bekannt gewesen sein
muss. Auch Homer erwähnt nicht selten des Eisens und Stahls, und
zwar mehr als Material für den Ackerbau als für den Krieg, da die
Waffen der damaligen Zeit noch aus Bronze gefertigt wurden. In Italien
war das Eisen schon lange vor den Römern bekannt; in einer im
Jahre 1853 zu Villanova bei Bologna aufgedeckten Todtenstadt aus
voretruskischer Zeit wurden eine grosse Zahl eiserner Geräthe gefunden.


Berühmt war im Alterthume, besonders bei den Griechen, das
Eisen der Chalyber, eines Volksstammes am schwarzen Meere; die Be-
zeichnung χάλυψ für Eisen deutet darauf hin, dass jene die Lehrer der
Griechen in der Eisendarstellung gewesen seien, und zahlreiche Reste
alter Eisenhütten wurden zur Zeit des Kaisers Augustus in dem er-
wähnten Lande gefunden. Eine ausgedehnte Eisenindustrie wurde zur
Römerzeit, als das Eisen bereits das Material für Waffen, Rüstungen,
Ackerbaugeräthe, Handwerkszeug aller Art u. s. w. bildete, in ver-
schiedenen eisenerzreichen römischen Provinzen betrieben, insbesondere
in Spanien, Gallien, England, Kärnten; noch jetzt werden in jenen
Ländern Schlackenhalden, ja selbst Oefen und Schmelzgeräthe aus der
Römerzeit gefunden. Besonderen Ruf jedoch hatte das Eisen der Serer,
eines vermuthlich ostasiatischen Volksstammes, welches gemeinschaft-
lich mit kostbaren Geweben nach Rom gebracht wurde und vermuth-
lich mit dem heutigen Wootz- oder Damascenerstahle übereinstimmte.


Sehr einfach war natürlich die Technik der Eisengewinnung im
Alterthume. Roh- und Gusseisen kannte man überhaupt nicht; durch
Schmelzen von reinen Eisenerzen mit reichem Brennstoffaufwande in
niedrigen Oefen oder Feuern stellte man unter starkem Eisenverluste
durch Verschlackung einen Klumpen schmiedbaren Eisens dar, welcher
dann ausgeschmiedet wurde. Alle Nachrichten und erhaltenen Spuren
früherer eisenhüttenmännischen Thätigkeit weisen darauf hin, dass das
Verfahren im Wesentlichen überall das nämliche war, welches noch
heute in entlegenen, von der Cultur nicht erreichten Gegenden an-
getroffen wird. Nur durch Zufall geschah es wohl mitunter, dass bei
dem Schmelzprocesse die Reduction und Kohlung zu weit getrieben
wurde, und dann entstand, wie Aristoteles von den schon erwähnten
Chalybern berichtet, ein Eisen, welches „wie Wasser“ schmolz, weisse
Farbe besass, dem Rosten weniger unterworfen war, aber erst einer
„Reinigung“ durch wiederholtes Umschmelzen bedurfte, um schmiedbar
[8]Historisches und Statistisches.
zu werden, welches also thatsächlich weisses Roheisen oder ein Mittel-
ding zwischen Roheisen und Stahl war.


So lange man keine Gebläse kannte, betrieb man die Oefen mit
natürlichem Luftzuge und baute sie deshalb gern an Bergesabhänge
oder auf Bergesspitzen; wo jedoch die Technik einigermaassen fort-
geschritten war, benutzte man auch schon im frühen Alterthume ein-
fache Gebläse (Bälge), welche durch menschliche Arbeit bewegt wurden.
Die Benutzung der Wasserkraft zum Betriebe der Gebläse datirt erst
aus dem 13. Jahrhunderte und brachte naturgemäss eine durchgreifende
Umgestaltung im Eisenhüttenwesen hervor. Denn während man früher
die Erze an ihrer Fundstätte verhüttet hatte, musste nunmehr das Vor-
handensein der Wasserkraft den Ausschlag für die Wahl des Standortes
der Hüttenanlage geben. Alte Anlagen mussten kalt gelegt und dem
Verfalle übergeben, neue eingerichtet werden. Der ersparten mensch-
lichen Arbeit für den Betrieb des Gebläses standen die bei der Mangel-
haftigkeit der Verkehrsmittel gewiss nicht unbeträchtlichen Kosten für
den weiteren Transport der Schmelzmaterialien gegenüber. Nicht ohne
manches Bedenken werden unsere Vorväter an die neue Betriebsweise
herangetreten sein, und erst dann werden sie sich zu diesem Schritte
entschlossen haben, als sie durch den mehr und mehr wachsenden Bedarf
an Eisen zu einer Ausdehnung ihres Betriebes gezwungen wurden.


Aber noch in anderer Hinsicht knüpften sich schwerwiegende
Folgen an die neue Einrichtung. Die Möglichkeit, grössere Windmengen
und stärkere Windpressungen als bisher durch Benutzung der Elementar-
kraft zu erzeugen, gab Veranlassung, die Schmelzöfen zur besseren
Wärmeausnutzung und Erzielung einer grösseren Production über ihr
bisheriges Maass hinaus zu erhöhen; in den grösseren Ofen aber fand
ein vollständigerer Reductions- und Kohlungsprocess statt, und statt des
Klumpens schmiedbaren Eisens erhielt man Roheisen, dessen flüssiger
Zustand bei der bereits in Blüthe stehenden Technik der Metallgiesserei
auf seine Verwendbarkeit zur Gusswaarendarstellung hinwies. So be-
gann die gewerbsmässige Roheisendarstellung; einen Schritt weiter, und
man fand, dass beim wiederholten Umschmelzen der beim Giessen ent-
stehenden Abfälle diese sich allmählich in schmiedbares Eisen um-
wandelten, wodurch die bis dahin gebräuchliche Darstellung schmied-
baren Eisens aus den Erzen in den Hintergrund gedrängt und die
Bahn für das heutige System der Eisendarstellung im Grossen ge-
brochen wurde.


Wesentliche Fortschritte seit jener Zeit traten dann erst wieder
hervor, als man im 18. Jahrhunderte, durch den überhand nehmenden
Holzmangel gezwungen, anfing, mineralische Brennstoffe statt der bis
dahin ausschliesslich benutzten Holzkohlen für den Eisenhüttenbetrieb
zu verwenden, und als anderntheils durch die Erfindung der Dampf-
maschine nicht allein der Eisenindustrie ein grösseres Feld als bisher
eröffnet, sondern sie auch von jener immerhin lästigen Fessel befreit
wurde, durch welche sie fast ein halbes Jahrtausend an den Lauf
fliessender Gewässer gebannt war. Rascher als früher in Jahrhunderten
schritt jetzt in Jahrzehnten die Eisenindustrie vorwärts, und rasch folgte
eine Erfindung auf die andere.


[9]Historisches und Statistisches.

Dennoch würde das Eisenhüttengewerbe niemals auch nur annähernd
jene ungeheure Ausdehnung erlangt haben, welche es in der Jetztzeit
besitzt, wenn nicht an die Erfindung der Dampfkraft sich fünfzig Jahre
später eine Anwendung derselben gereiht hätte, welche berufen war,
die tiefsten Einflüsse auf Cultur und Wirthschaft der Völker zu üben:
die Benutzung des Dampfes zum Eisenbahnbetriebe im Jahre 1825.
Ein Netz eiserner Schienen, von Jahr zu Jahr wachsend und infolge
des Verschleisses einer stetigen Ergänzung bedürftig, dehnte sich und
dehnt sich noch heute allmählich über das bewohnte Festland aus;
ausser den Schienen bestehen zahlreiche andere Hilfsmittel des Eisen-
bahnbetriebes aus Eisen. Nunmehr war der Verwendung des Eisens
ein Feld eröffnet, wie es schwerlich Jemand zuvor zu träumen gewagt
hätte, ein Feld, welches sich von Jahr zu Jahr mit reissender Schnellig-
keit erweiterte. Ein deutliches Bild dieser Steigerung des Bedarfs an
Eisen erhält man durch Ziffern. Die jährliche Eisenproduction Gross-
britanniens betrug


  • im Jahre 1806   243851 Tonnen (à 1000 kg)
  • „ „ 1830   678417 „ „
  • „ „ 1840   1396400 „ „
  • „ „ 1848   1999600 „ „
  • „ „ 1854   3115880 „ „
  • „ „ 1863   4510000 „ „
  • „ „ 1872   6741000 „ „
  • „ „ 1878   6483000 „ „
  • „ „ 1879   6092000 „ „
  • „ „ 1880   7872000 „ „

Es ist leicht erklärlich, dass in den ersten Jahrzehnten nach der
Einführung der Eisenbahnen die Zunahme der Eisenerzeugung vorzugs-
weise deutlich in Grossbritannien, dem Heimathlande der Dampfkraft
und dem an Materialien und Hilfsmitteln für die Eisenindustrie so
überaus reichen Lande, hervortrat; allmählich aber begann auch in den
übrigen Ländern ein mächtiger Aufschwung der Eisenindustrie. Bei-
spielsweise betrug die Roheisenproduction der ganzen Erde in Tonnen
(abgerundet):

Es ergiebt sich aus dieser Tabelle, dass unter allen eisenerzeugen-
den Ländern Grossbritannien den entschiedenen Vorrang behauptet;
aber sein Antheil an der Gesammtproduction der Erde verringert sich
naturgemäss mehr und mehr, je stärker die Eisenindustrie auch in
anderen Ländern sich ausdehnt, und beträgt z. B. im Jahre 1870 50 Proc.,
im Jahre 1878 46 Proc., im Jahre 1880 und 1881 43 Proc. der ge-
sammten Eisenerzeugung. Das stärkste Wachsthum zeigt die Eisen-
[10]Ueber Verbrennung, Reduction, Wärmeerzeugung und Wärmeabgabe.
industrie der Vereinigten Staaten, welche ihrer Leistung nach die zweite
Stelle, und Deutschlands, welche die dritte Stelle einnimmt; in beiden
Ländern stieg innerhalb elf Jahren die Menge des gewonnenen Eisens
auf mehr als das Doppelte.


Literatur.


a. Eintheilung des Eisens.


  • M. A. Greiner, Ueber die Definition des Stahls. Berg- und hüttenmänni-
    sche Ztg. 1876, S. 175; Revue universelle des mines 1875, p. 564.
  • R. Åkerman, Ansichten über den richtigen Begriff von Stahl. Berg- und
    hüttenmännische Ztg. 1876, S. 337; Jern-Kontorets Annaler, Bd. 67, Heft 3.
  • H. Wedding, Die Nomenklatur des Eisens. Verhandlungen des Vereins zur
    Beförderung des Gewerbefleisses 1877, S. 46.
  • Classification von Eisen und Stahl. Sitzungsberichte des Vereins zur Be-
    förderung des Gewerbefleisses 1878, S. 60; Ztschr. des berg- und hüttenmänni-
    schen Vereins für Steiermark und Kärnten 1878, S. 252.

b. Historisches.


  • A. Ledebur, Zur Geschichte des Eisens. Jahrbuch für das Berg- und Hütten-
    wesen im Königreiche Sachsen auf das Jahr 1881, S. 90.
  • A. Frantz, Eisen und Stahl im Alterthume. Berg- und hüttenmännische Ztg.
    1882, S. 178.
  • H. Wedding, Beiträge zur Geschichte des Eisenhüttenwesens im Harz.
    Zeitschrift des Harzvereins 1881.

c. Statistisches.


  • Paul Trasenster, Revue économique et statistique. Revue universelle des
    mines, tome XI (1882), p. 189; auszugsweise in „Stahl und Eisen“ 1882, S. 199.

II. Ueber Verbrennung, Reduction, Wärme-
erzeugung und Wärmeabgabe.


1. Verbrennung und Reduction.


Verbrennung im allgemeinsten Sinne nennen wir jede chemi-
sche Vereinigung eines Körpers mit Sauerstoff (Oxydation); im
engeren Sinne sprechen wir von Verbrennung nur dann, wenn eine
solche Wärmeentwickelung damit verknüpft ist, dass der brennende
Körper ein Erglühen zeigt.


Der dem Verbrennen entgegengesetzte Vorgang ist die Reduction,
d. h. die Abscheidung eines einfachen Körpers aus einem zusammen-
gesetzten, beziehentlich einer sauerstoffärmeren Verbindung aus der
sauerstoffreicheren; allgemein auch die Abscheidung eines Körpers, ins-
besondere Metalls, aus einer Verbindung (mit Schwefel, Arsen u. s. w.).


Wird bei der Oxydation eines Körpers Wärme erzeugt, so ist
genau dieselbe Wärmemenge erforderlich, um die Reduction desselben
aus der Verbindung zu bewirken, welche aus dem Verbrennungs-
[11]Verbrennung und Reduction.
processe hervorging. Die Kenntniss dieser Wärmemengen ist von
Wichtigkeit für das Verständniss und die richtige Beurtheilung metal-
lurgischer, insbesondere auch eisenhüttenmännischer Processe.


Reduction und Oxydation (Verbrennung) gehen gewöhnlich neben
einander her; zur Reduction eines Körpers wird ein anderer benutzt,
dessen Vereinigungsbestreben zum Sauerstoff (beziehentlich zum Schwefel
u. s. w.) grösser ist als das des ersten, so dass er diesem seinen
Sauerstoff u. s. w. entzieht, dabei selbst mit demselben sich chemisch
verbindend. Ist die Verbrennungswärme des reducirenden Körpers
grösser als diejenige des reducirten, so wird bei diesem Vorgange
Wärme gewonnen und es tritt Temperatursteigerung ein; im entgegen-
gesetzten Falle wird Wärme verbraucht und muss von aussen her, d. h.
aus einer besondern Wärmequelle, ersetzt werden, wenn nicht Abkühlung
eintreten soll, welche unter Umständen ein Aufhören des Reductions-
processes zur Folge haben kann.


Nur wenige Körper wirken bei gewöhnlicher Temperatur oxydirend
beziehentlich reducirend auf einander. Bei allen hüttenmännischen
Processen ist eine erhöhte Temperatur erforderlich, welche das Oxy-
dationsbestreben des als Reductionsmittel dienenden Körpers (seine Ver-
wandtschaft oder Affinität zum Sauerstoff u. s. w.) steigert; selbst-
verständlich wird aber durch diese Einwirkung der gesteigerten Tempe-
ratur überhaupt nur dann eine Reduction eintreten können, wenn nicht
auch die Verwandtschaft des anderen Körpers, welcher reducirt werden
soll, in dem gleichen Maasse zunimmt. Mit anderen Worten: Reduction
durch Einwirkung zweier Körper im erhitzten Zustande auf einander
ist die Folge einer durch die Erhitzung bewirkten einseitigen Steige-
rung der Verwandtschaft des als Reductionsmittel dienenden Körpers
zum Sauerstoff u. s. w.; unter Umständen auch einer durch die Er-
hitzung hervorgerufenen einseitigen Verringerung der Verwandtschaft
des aus einer Verbindung zu reducirenden Körpers. 1)


Diese Thatsache, so leicht verständlich sie auch ist, wird vielfach
bei dem Studium metallurgischer Processe unbeachtet gelassen, und
man erschwert sich dadurch nicht unwesentlich das Verständniss der-
selben. Es folgt aus jenen Beziehungen zwischen Temperatur und
chemischer Verwandtschaft, dass, wie die Praxis bestätigt, nicht allein
die Reductionstemperaturen für verschiedene Körper und auch bei An-
wendung verschiedener Reductionsmittel sehr verschieden sein können,
sondern dass auch Reductionsmittel, welche in dem einen Falle benutz-
bar sind, doch in anderen Fällen, d. h. bei anderen zu reducirenden
Körpern, oft vollständig wirkungslos bleiben, sofern es eben nicht gelingt,
ihre Verwandtschaft zum Sauerstoffe u. s. w. durch Erhitzung auf einen
höheren Grad als bei dem zu reducirenden Körper zu steigern. Von
diesen Umständen muss die Wahl des Reductionsmittels wie die Höhe
der anzuwendenden Temperatur abhängig sein.


Bei den Reductionsprocessen der Eisendarstellung werden fast
[12]Ueber Verbrennung, Reduction, Wärmeerzeugung und Wärmeabgabe.
ausschliesslich Sauerstoffverbindungen (Oxyde) reducirt und es kommen
dabei vorwiegend zwei Reductionsmittel zur Anwendung: Kohlenstoff
und Kohlenoxydgas. Bei der Anwendung von Kohlenstoff ist das Er-
gebniss des Zersetzungs- und Verbrennungsprocesses Kohlenoxydgas
neben dem reducirten Körper, bei Anwendung von Kohlenoxydgas
erfolgt Kohlensäure. Bezeichnet man allgemein das zu reducirende
Oxyd mit RO, so lässt sich der Vorgang in beiden Fällen darstellen
durch die Formeln:
. . . . . . (1)
. . . . . . (2)


Es bedarf keiner Erwähnung, dass unter Umständen das bei dem
Vorgange Nr. 1 erfolgende Kohlenoxydgas zu einem abermaligen Reduc-
tionsprocesse nach Formel 2 benutzbar bleiben kann. Das Verhalten
der beiden reducirenden Körper gegenüber den verschiedenen hier in
Betracht kommenden Oxyden ist jedoch ein wesentlich abweichendes.


Die Oxydationstemperatur des Kohlenstoffes liegt — abweichend
nach seiner äusseren Beschaffenheit (Holzkohle, Koks, Anthracit, Graphit
u. s. w.) — bei 400—800°C. 1); unterhalb dieser Temperatur vermag
also der Kohlenstoff nicht als Reductionsmittel zu wirken. Die Begierde
des Kohlenstoffes, sich mit Sauerstoff chemisch zu vereinigen, seine
Verwandtschaft zum Sauerstoffe, wächst aber von jener Entzündungs-
temperatur an aufwärts in sehr starkem Maasse und erreicht erst in
heller Weissgluth ihren höchsten Grad. Das Kohlenoxydgas aber,
welches aus der Oxydation des Kohlenstoffes bei der Benutzung des-
selben zur Reduction anderer Körper hervorgeht, ist auch in den
höchsten in unseren Oefen erreichbaren Temperaturen beständig, es
wird weder in merkbarem Grade dissociirt noch vermag es oxydirend
auf andere Körper zu wirken, ein Umstand, welcher in sehr naher
Beziehung zu der soeben erwähnten Steigerung der Verwandtschaft des
Kohlenstoffes zum Sauerstoffe durch Temperaturzunahme steht, und ohne
welchen diese nicht möglich sein würde. Körper, deren Verwandtschaft
zum Sauerstoffe durch Erhitzen nicht in dem gleichen Maasse wie die-
jenige des Kohlenstoffes gesteigert wird, lassen sich also häufig aus
ihren Oxyden durch starke Erhitzung mit Kohlenstoff reduciren, auch
wenn sie in weniger hohen Temperaturen — beispielsweise in Roth-
gluth — vollständig widerstandsfähig gegenüber der Einwirkung des
Kohlenstoffs sein sollten. In dieser Weise verhalten sich z. B. Kalium,
Natrium, Mangan u. s. w.; und gerade jene dem Kohlenstoffe eigenthüm-
liche Eigenschaft, durch Erhitzung seine Verwandtschaft zum Sauer-
stoffe in stärkerem Maasse als viele andere Körper zu steigern, erhebt
ihn zu einem der vorzüglichsten Reductionsmittel in hohen Tempe-
raturen.


Kohlenoxyd dagegen besitzt in niedrigeren Temperaturen eine
starke Neigung, durch Aufnahme eines zweiten Atomes Sauerstoff
Kohlensäure zu bilden. Bei einer Temperatur von 400° wird es durch
[13]Verbrennung und Reduction.
fremden Sauerstoff oxydirt; ja, durch die Anwesenheit gewisser Körper
wird es schon bei noch niedrigerer Temperatur — zwischen 300 und
400° — zum Zerfallen gebracht, indem Kohlensäure und fester Kohlenstoff
entstehen:
,
ein Vorgang, welcher später (diese Abtheilung, VII) ausführlichere Be-
sprechung finden wird. Die aus der Oxydation des Kohlenoxydes
hervorgehende Kohlensäure aber zeigt um so geringere Beständigkeit,
je höher die Temperatur steigt. Sie beginnt schon bei ca. 1200°C. in
Kohlenoxyd und Sauerstoff zu zerfallen und kann bei 2000°C. über-
haupt nicht mehr bestehen. Es folgt hieraus von selbst, dass eine Ver-
brennung des Kohlenoxydes zu Kohlensäure immer schwieriger wird,
sobald jene Temperaturgrenze überschritten ist, und es ist leicht erklärlich,
dass, wie die Erfahrung lehrt, die Kohlensäure in höheren Temperaturen
kräftig oxydirend auf andere Körper einwirkt, deren Verwandtschaft
zum Sauerstoffe in jenen Temperaturen höher als die des Kohlenoxydes
ist. Eben deshalb verliert aber das Kohlenoxyd um so mehr an redu-
cirender Kraft, je höher die Temperatur über eine gewisse Grenze hinaus
steigt, welche durch die Oxydationsfähigkeit des zu reducirenden Körpers
in höheren Temperaturen gegeben ist; und ein und dasselbe Gemisch
von Kohlensäure und Kohlenoxyd (welches stets entsteht, sobald ein
kohlenoxydhaltiger Gasstrom Reduction ausübt) kann in niedrigeren
Temperaturen reducirend, in höheren Temperaturen oxydirend auf den
nämlichen Körper einwirken. Nach Versuchen von L. Bell verhält
sich ein Gemisch beider Gase gegenüber metallischem Eisen neutral,
d. h. es wirkt weder reducirend noch oxydirend, wenn es


  • in Weissgluth . . 90 Vol. Kohlenoxyd neben 10 Vol. Kohlensäure
  • „ heller Rothgluth 68 „ „ „ 32 „ „
  • „ dunkler „ 40 „ „ „ 60 „ „

enthält.


Durch den gasförmigen Zustand des Kohlenoxydes wird seine Be-
rührung mit zu reducirenden festen Körpern erleichtert; es umhüllt
dieselben, dringt in die Poren derselben ein u. s. w. Zwischen einem
festen Körper und Kohle dagegen ist die gegenseitige Berührung um
so unvollkommener, je grobstückiger beide sind; sie wird vergrössert,
wenn Schmelzung des ersteren eintritt.


Alle diese Unterschiede in dem Verhalten der Kohle und des
Kohlenoxydes liefern eine genügende Erklärung für die Thatsache, dass
für Reductionsprocesse, welche in niedrigeren Tempe-
raturen ausführbar sind, Kohlenoxyd das geeignetere
Reductionsmittel ist, während Kohle als Reductionsmittel
um so werthvoller wird, je höher die Temperatur steigt,
und in den höchsten Temperaturen unserer Oefen einzig
und allein zur Reduction benutzbar bleibt
. Metalle, deren
Oxyde durch Kohlenoxyd reducirbar sind, nennen wir leicht redu-
cirbar
, solche, die nur noch durch Kohle in Weissgluth reducirt
werden können, schwer reducirbar.


Aus jener oxydirenden Wirkung der Kohlensäure in höheren
Temperaturen erklärt sich dann auch leicht die bekannte Erscheinung,
[14]Ueber Verbrennung, Reduction, Wärmeerzeugung und Wärmeabgabe.
dass Kohle durch Kohlensäure verbrannt werden kann, wobei Kohlen-
oxyd entsteht:
;
und zwar geht diese Verbrennung des Kohlenstoffes, beziehentlich diese
Reduction der Kohlensäure um so rascher, vollständiger vor sich, in je
höherer Temperatur beide Körper einander berühren.


Es ergiebt sich ferner aus den geschilderten Einflüssen der Tempe-
ratur auf die Verbrennung des Kohlenstoffes und des Kohlenoxydes
sowie aus dem Verhalten der Kohlensäure in hohen Temperaturen der
wichtige Satz: bei der Oxydation von Kohle durch atmo-
sphärischen Sauerstoff entsteht in niedrigerer Temperatur
vorwiegend Kohlensäure, in höherer Temperatur vor-
wiegend Kohlenoxyd, sofern die ausreichende Menge
Kohlenstoff zur Bildung des letzteren (wobei die doppelte
Menge Kohle als bei Kohlensäurebildung durch die gleiche
Menge Sauerstoff verbrannt wird) zugegen ist
. 1)


Aehnlich wie Kohlenoxyd verhält sich Wasserstoff als reducirender
Körper. Bei der Verbrennung desselben entsteht Wasserdampf; aber
derselbe wird bereits bei 1000°C. dissociirt und wirkt schon in niedrigerer
Temperatur oxydirend, wenn er mit Körpern zusammentrifft, deren Ver-
wandtschaft zum Sauerstoff durch Erwärmung gesteigert wird. So wird
glühende Kohle durch Wasserdampf in höherer Temperatur zu Kohlen-
oxyd, in weniger hoher Temperatur zu Kohlensäure verbrannt:
und das Erzeugniss dieses Processes ist das in jüngster Zeit so vielfach
besprochene Wassergas.


Es folgt hieraus, dass auch Wasserstoffgas, welches als zufälliger
Bestandtheil der Gase mancher Oefen in nicht ganz unerheblichen
Mengen auftritt, als Reductionsmaterial nur für leicht reducirbare Oxyde
geeignet ist.


Durch Gegenwart dritter Körper, welche das Bestreben
besitzen, mit den Erzeugnissen des Reductions- beziehent-
lich Oxydationsprocesses Verbindungen einzugehen, wird
dieser Process oft in merkbarer Weise befördert
. So z. B.
ist Silicium aus der Kieselsäure durch Kohle allein auch in hellster
Weissgluth nicht reducirbar, besitzt aber eine starke Verwandtschaft
zum Eisen. Hieraus erklärt sich, dass bei Gegenwart von metallischem
[15]Vollständige und unvollständige Verbrennung.
Eisen schon in Rothgluth Silicium reducirt und von dem Eisen auf-
genommen werden kann. Eine noch stärkere Verwandtschaft zum Eisen
als Silicium besitzt Phosphor. Aus geschmolzenem Eisen wird daher
auch unter kräftig oxydirenden Einwirkungen Phosphor nicht abge-
schieden, so lange eine kieselsäurereiche Schlacke, welche keine
Neigung besitzt, Phosphorsäure aufzunehmen, zugegen ist; aber die
Abscheidung gelingt bei Anwesenheit basischer Körper, welche Phos-
phate zu bilden geneigt sind. Viele andere Erscheinungen der Praxis
lassen sich auf ähnliche Vorgänge zurückführen.


2. Vollständige und unvollständige Verbrennung.


Man nennt die Verbrennung eines Körpers vollständig, wenn die
Verbrennungserzeugnisse (welche bei den gewöhnlichen Brennstoffen
gasförmig sind) keine brennbaren Bestandtheile mehr enthalten. Ver-
brennt man Kohle, so enthalten die Verbrennungserzeugnisse bei voll-
ständiger Verbrennung neben dem etwa vorhandenen überschüssig
zugeleiteten Sauerstoff nur noch Stickstoff (aus der Verbrennungsluft
stammend) und Kohlensäure; verbrennt man flammende Brennstoffe, so
tritt noch Wasserdampf als Verbrennungserzeugniss zu den soeben
genannten. Unvollkommen würde die Verbrennung sein, wenn sich
Kohlenoxyd, Kohlenwasserstoffe, Destillationserzeugnisse (Theer, Rauch)
mit den Verbrennungsgasen gemischt befänden.


Sofern es sich bei der Verbrennung eines Brennstoffes darum
handelt, eine möglichst grosse Wärmemenge zu erzeugen, wird man
darnach trachten müssen, eine möglichst vollständige Verbrennung zu
bewirken; denn jeder unverbrannt gebliebene Bestandtheil der Ver-
brennungsgase ist gleichbedeutend mit einem Wärmeverluste. Obschon
die Mittel, welche man zur Erreichung dieses Zieles anzuwenden hat,
unter verschiedenen Verhältnissen (bei verschiedenen Brennstoffen, ver-
schiedenen Feuerungseinrichtungen u. s. w.) verschieden sein können,
lassen sich doch auch einige allgemein gültige Regeln dafür aufstellen.


1. Vollständige Verbrennung ist nur bei einem Ueber-
schusse von Sauerstoff zu ermöglichen
. Verbrennt man also
gasförmige Körper durch atmosphärische Luft, so muss mit denselben
soviel der letzteren gemischt werden, dass mehr Sauerstoff zugegen ist,
als zur vollständigen Verbrennung erforderlich gewesen sein würde;
verbrennt man festen Brennstoff auf einem Roste, so muss zwischen
den Spalten des letzteren und den Stücken des ersteren hindurch so
viel Luft ihren Weg finden, dass nicht allein die vom Roste auf-
steigenden, die Flamme bildenden Gase dadurch verbrannt werden
können, sondern dass auch noch überschüssiger Sauerstoff in dem auf-
steigenden Gasgemenge zugegen ist.


2. Eine hohe Temperatur in dem Verbrennungsraume
befördert die chemische Vereinigung zwischen dem Sauer-
stoff und den brennbaren Bestandtheilen und erleichtert
somit die vollständige Verbrennung. Der nach 1) erforder-
liche Sauerstoffüberschuss kann geringer sein, wenn die
Temperatur hoch ist
.


[16]Ueber Verbrennung, Reduction, Wärmeerzeugung und Wärmeabgabe.

Die Anwendung dieses unzweifelhaft an und für sich vollständig
richtigen Lehrsatzes muss jedoch mit Vorsicht und stets unter Berück-
sichtigung des Lehrsatzes 1) geschehen, wenn nicht Irrthümer und
fälschliche Schlussfolgerungen daraus hervorgehen sollen.


Wir wissen z. B., dass Kohlensäure in Temperaturen über 2000°C.
nicht mehr bestehen kann und schon in noch niedrigerer Temperatur
(1200—2000°) theilweise dissociirt wird; und dass Wasserdampf sich
ähnlich verhält. In Säuren, wo derartige hohe Temperaturen herrschen,
kann also eine unmittelbare, rasche, vollständige Verbrennung kohlen-
stoff- oder wasserstoffhaltiger Brennstoffe (Kohle, Kohlenoxyd, Kohlen-
wasserstoffe) nicht stattfinden, sondern es wird Sauerstoff neben kohlen-
stoffhaltigen Gasen beziehentlich neben Wasserstoff zugegen sein. Bei
der Fortbewegung dieses Gasgemenges aber tritt unvermeidlich Ab-
kühlung ein; und sobald infolge davon die Temperatur sinkt, erfolgt
Vereinigung des Sauerstoffes mit den brennbaren Bestandtheilen.
Auf diese Weise erklärt sich die Entstehung einer langen Flamme in
Räumen mit sehr hoher Temperatur.


Trifft freier Sauerstoff auf Kohlen im festen Zustande, so wird eine
um so grössere Menge derselben verbrannt werden und eine um so
geringere Menge des Sauerstoffes unverzehrt bleiben, je höher die
Temperatur an der Stelle ist, wo die Kohlen sich befinden. Gerade
deshalb aber, gerade weil die Verwandtschaft des Kohlenstoffes zum
Sauerstoffe in der höheren Temperatur sich steigert, entstehen, wie schon
oben (S. 14) betont wurde, zunächst um so reichlichere Mengen von
Kohlenoxyd (bei dessen Bildung die doppelte Menge Kohlenstoff als bei
Kohlensäurebildung verbrannt wird), je stärker die Kohlen erhitzt sind.
In einem Gasgenerator, in welchem atmosphärische Luft durch eine
hohe Schicht glühender Kohlen geleitet wird, ist die Ausbeute an brenn-
barem Kohlenoxyd um so beträchtlicher, der Gehalt des Gases an Kohlen-
säure um so geringer, je höher die Temperatur im Generator ist; bei
einem Roste, auf welchem Holzkohlen oder Koks verbrannt werden,
sehen wir, so lange die Temperatur niedrig ist, keine Spur einer
Flamme, die Verbrennungsgase bestehen aus Kohlensäure nebst Stick-
stoff, wenig Kohlenoxyd und noch reichlichen Mengen unverzehrten
Sauerstoffes; steigt die Temperatur, so entwickelt sich eine blaue
Flamme, welche grösser und grösser wird, ein Beweis, dass zunächst
auf dem Roste Kohlenoxydgas entstand, welches erst oberhalb der Kohlen-
schicht durch noch vorhandenen oder von aussen zutretenden Sauerstoff
verbrannt wird.


Der scheinbare Widerspruch zwischen diesen Thatsachen und der
im Lehrsatze 2) ausgesprochenen Behauptung, dass eine hohe Temperatur
die vollständige Verbrennung befördert, löst sich ohne Schwierigkeit,
wenn man die in Lehrsatz 1) gegebene Regel in Mitberücksichtigung
zieht, nach welcher eine vollständige Verbrennung — in diesem Falle
also Kohlensäurebildung — nur bei einem Sauerstoffüberschusse möglich
ist. Wenn aber in einem Gasgenerator, auf einem Roste und in
ähnlichen Fällen durch hohe Temperatur die Verwandtschaft des Kohlen-
stoffes zum Sauerstoffe gesteigert wird, so verschwindet eben infolge
dieses Umstandes der freie Sauerstoff mehr und mehr, indem er zur
reichlicheren Kohlenoxydgasbildung verwendet wird; und die erste Be-
[17]Vollständige und unvollständige Verbrennung.
dingung zur Erzielung einer vollständigen Verbrennung bleibt somit
unerfüllt. Auch eine gewöhnliche Rostfeuerung würde bei sehr hoch
gesteigerter Temperatur, in welcher rasch der zutretende Sauerstoff zur
Kohlenoxydgasbildung verzehrt wird, zum Gasgenerator werden, wenn
nicht in der Wirklichkeit infolge des allmählichen Verbrennens der
Kohlenstücke die Zwischenräume zwischen denselben immer beträcht-
licher würden, die Menge des unverzehrt hindurchgehenden, mit dem auf-
steigenden Kohlenoxyd sich mischenden Sauerstoffes demnach immer mehr
zunähme; und wenn nicht andererseits jede Aufschüttung frischen Brenn-
stoffes auf den Rost wieder eine Temperaturerniedrigung nach sich zöge.


3. Innige Mischung der Brennstoffe mit der Verbren-
nungsluft erleichtert die vollständige Verbrennung
. Die
Gründe hierfür sind leicht einzusehen. Wie bei jedem anderen
chemischen Vorgange wird die Vereinigung durch eine ausgedehnte
gegenseitige Berührung befördert, welche durch innige Mischung hervor-
gerufen wird. Daher verbrennen gasförmige Brennstoffe, welche sich
ohne Schwierigkeit mit der Verbrennungsluft mischen lassen, durch-
schnittlich leichter und mit geringerem erforderlichen Luftüberschusse
als feste; ähnlich wie gasförmige Brennstoffe verhalten sich staubförmige,
welche, mit Luft innig gemischt, in den Verbrennungsraum eingeführt
werden (vergl. Crampton’s Puddelofen in Abtheilung III).


4. Eine Verdünnung der chemisch thätigen Stoffe
(Sauerstoff einerseits, Kohlenstoff und Wasserstoff ande-
rerseits) erschwert die vollständige Verbrennung
.


Die atmosphärische Luft besteht bekanntlich aus ungefähr 77 Ge-
wichtstheilen Stickstoff und nur 23 Gewichtstheilen Sauerstoff. Letzterer
gelangt also in stark verdünntem Zustande zur Wirkung und hieraus
erklärt sich die weit kräftigere Wirkung reinen Sauerstoffgases. Ver-
brennt aber ein Körper mit Flamme, d. h. unter Entwickelung und
Fortbewegung brennbarer Gase, so wird an irgend einer Stelle der
Flamme der noch vorhandene Sauerstoff um so stärker auch mit den
bereits entstandenen Verbrennungserzeugnissen incl. des bei der bereits
stattgehabten Verbrennung zurückgebliebenen Stickstoffes verdünnt sein,
je weiter diese Stelle vom Entzündungspunkte, d. h. von der Wurzel
der Flamme, entfernt ist. Die Verbrennung würde also nach der
Spitze der Flamme zu immer schwieriger werden, wenn sie nicht
andererseits durch die nach derselben Richtung hin stattfindende Zu-
nahme der Temperatur — eine Folge der bereits stattgehabten theil-
weisen Verbrennung — befördert würde. Trotzdem erhält man, wie
bekannt, nicht selten eine an der Spitze schmauchende Flamme, wenn
man nicht besondere Kunstgriffe anwendet, um die Verbrennung an
dieser Stelle zu erleichtern.


Aus dem benachtheiligenden Einflusse der Verdünnung der ver-
brennenden Körper durch andere Stoffe folgt auch, dass jeder Luft-
überschuss, obschon nach Lehrsatz 1) für die vollständige Verbrennung
unerlässlich, doch in anderer Hinsicht erschwerend auf dieselbe einwirkt;
oder dass, mit anderen Worten, eine Grenze für diesen Luftüberschuss
gegeben ist, abhängig von der Beschaffenheit des Brennstoffes, der
Feuerung u. s. w., über welche hinaus die Vollständigkeit der Ver-
brennung durch einen weiteren Ueberschuss leiden würde.


Ledebur Handbuch. 2
[18]Ueber Verbrennung, Reduction, Wärmeerzeugung und Wärmeabgabe.

5. Bei Anwendung stückförmiger Brennstoffe wird die
Verbrennung zu Kohlensäure durch verhältnissmässig
geringe von denselben dargebotene Oberfläche befördert;
dichte und grossstückige Brennstoffe liefern daher reich-
lichere Mengen von Kohlensäure als poröse und klein-
stückige
.


Je geringer die von dem Brennstoffe dargebotene Oberfläche ist,
desto grösser ist das Verhältniss zwischen den vorhandenen Sauerstoff-
atomen und den von denselben berührten Kohlenstoffatomen, desto
grösser mithin der augenblickliche Sauerstoffüberschuss, desto reichlicher
entsteht Kohlensäure. Daher ist das Verhältniss der entstehenden
Kohlensäure zum entstehenden Kohlenoxyd unter übrigens gleichen
Verhältnissen weit grösser, wenn Koks als wenn Holzkohlen, die eine
erheblich geringere Dichtigkeit besitzen, verbrannt werden. In der-
selben Weise wie freier Sauerstoff verhält sich Kohlensäure, wenn die-
selbe durch glühende Kohlen geleitet wird; d. h. von den letzteren wird
durch die Kohlensäure eine um so geringere Menge verbrannt, die
Kohlensäure wird um so unvollständiger reducirt, je dichter die
Kohlen sind. Bell1) fand z. B. nach dem Hinüberleiten von Kohlen-
säure über glühende Kohlen in dem Gasgemenge:

In naher Beziehung zu diesen Einflüssen der Dichtigkeit des
Brennstoffes auf die Vollständigkeit der Verbrennung steht bei An-
wendung von Gebläsewind die Thatsache, dass stark gepresster
Wind Kohlenoxydgasbildung, weniger stark gepresster
Kohlensäurebildung befördert
. Denn in je stärker gepresstem
Zustande der Wind zwischen die Stücke und in die Poren des Brenn-
stoffes eindringt, je weniger Raum er selbst also einnimmt und je
weniger Oberfläche er darbietet, desto grösser ist das Verhältniss der
vom Brennstoffe ihm gebotenen Fläche, desto mehr Atome Kohlenstoff
werden durch die gleiche Menge Sauerstoff verbrannt, desto reichlicher
wird Kohlenoxydgas entstehen. Pressung des Windes wirkt also ebenso
wie Porosität des Brennstoffes; und aus den nämlichen Ursachen.


6. Bei Verbrennung gasförmiger Brennstoffe wird die
vollständige und rasche Verbrennung befördert, wenn die
Verbrennungsluft und die zu verbrennenden Gase in ver-
schiedener Richtung und mit verschiedener Geschwindig-
keit auf einander treffen
. Die Richtigkeit dieses Lehrsatzes lässt
sich leicht aus dem Umstande herleiten, dass die Mischung von Gas
und Luft durch jene Verschiedenheiten in der Richtung und Ge-
schwindigkeit beider Ströme erleichtert wird; eine rasche und innige
Mischung beschleunigt aber auch nach Lehrsatz 3) die Verbrennung.


[19]Wärmeerzeugung und Verbrennungstemperatur.

3. Wärmeerzeugung und Verbrennungstemperatur.


a) Wärmeerzeugung.

Sofern ein Körper dazu bestimmt ist, als Brennstoff zu dienen,
d. h. sofern die Wärmeentwickelung der hauptsächlichste Zweck seiner
Verbrennung ist, hängt natürlicherweise sein Werth zum grossen Theile
ab von der Wärmemenge, welche derselbe liefert. Man pflegt die von
der Gewichtseinheit (z. B. 1 kg) des Körpers bei der Verbrennung ent-
wickelte Wärmemenge als den absoluten Wärmeeffect desselben
zu bezeichnen und misst diese Wärmemenge nach Wärmeeinheiten
(in Folgendem mit W.-E. bezeichnet) oder Calorien, wobei man be-
kanntlich unter einer Wärmeeinheit diejenige Wärmemenge versteht,
welche erforderlich ist, die Temperatur einer Gewichtseinheit (1 kg)
Wasser von Null Grad auf 1 Grad zu erhöhen.


Aber auch bei vielen solchen Körpern, welche nicht eigentlich als
Brennstoffe zu dienen berufen sind, spielt die Verbrennungswärme, d. h.
die bei ihrer chemischen Vereinigung mit Sauerstoff frei werdende
Wärme eine wichtige Rolle.


Wenn z. B. bei einem metallurgischen Processe Oxydation einzelner
Bestandtheile der in Verarbeitung begriffenen Metalle oder metallischen
Verbindungen eintritt und dabei Wärme entwickelt wird, so kann diese
entwickelte Wärme Einflüsse auf den Verlauf des betreffenden Processes
ausüben. Anderntheils ist, wie schon oben hervorgehoben wurde, zu
der Reduction eines Körpers aus seinen Verbindungen genau dieselbe
Wärmemenge erforderlich, welche bei der Bildung der Verbindungen
frei wurde, und dieser Wärmeverbrauch muss, wenn die Reduction
gelingen soll, von aussen her gedeckt werden.


Leider ist unsere Kenntniss von der durch die Verbrennung
erzeugten, beziehentlich für die Reduction erforderlichen Wärme hin-
sichtlich vieler Körper, welche in den Processen der Eisendarstellung
eine Rolle spielen, noch ziemlich unvollständig, und nicht selten müssen
wir uns mit Schätzungswerthen oder Annäherungswerthen begnügen,
wenn wir durch Rechnung uns über die Ausnutzung der Wärme bei
diesem oder jenem Vorgange Rechenschaft zu geben bemüht sind.
Besonders erschwert wird die Benutzung vorhandener Ermittelungen über
die Verbrennungswärme in solchen Fällen, wo der betreffende Körper
mehr als eine Verbindung mit Sauerstoff einzugehen im Stande ist
(Eisen, Mangan u. a.); denn in fast allen Fällen ist die Verbrennungs-
wärme nur bezüglich einer dieser Oxydationsstufen bestimmt, und die
Beobachtung in der Praxis lehrt uns ziemlich zweifellos, dass das
sogenannte Welter’sche Gesetz, nach welchem gleiche Sauerstoffmengen
auch gleiche Wärmemengen bei der Verbrennung erzeugen, selbst mit
der Einschränkung, dass ein und derselbe Körper verbrannt und nur
verschiedentlich hoch oxydirt wird, nicht immer zutrifft.


Aber nicht allein bei der Verbindung eines Körpers mit Sauerstoff
wird Wärme erzeugt. Auch die Entstehung anderer Verbindungen ist
sehr häufig, wie ja als bekannt vorausgesetzt werden darf, mit einer
Wärmeentwickelung, in einzelnen Fällen mit einem Wärmeverbrauche
2*
[20]Ueber Verbrennung, Reduction, Wärmeerzeugung und Wärmeabgabe.
verbunden; und die nämliche Wärmemenge kommt wieder im entgegen-
gesetzten Sinne in Betracht, wenn die Verbindung zerlegt wird. Bei
der Vereinigung (Legirung) von Eisen mit Mangan oder dieser Metalle
mit Kohle, Silicium, Phosphor, Schwefel u. s. w., Vereinigungen, welche
eine hochwichtige Rolle in der Metallurgie des Eisens spielen, bei der
Entstehung und Zerlegung von Silicaten, Phosphaten u. s. w., bei der
Zerlegung der Hydroxyde und Carbonate des Eisens und Mangans,
welche wichtige Erzgattungen bilden, und in ähnlichen Fällen findet
unzweifelhaft nicht selten Entwickelung oder Verbrauch von Wärme
statt; aber unsere Kenntniss derselben ist ziemlich gleich Null, und der
alte Spruch: „unser Wissen ist Stückwerk“ bewahrheitet sich kaum in
einem anderen Gebiete der Eisenhüttenkunde so deutlich als hier.


Die Ziffern für die Verbrennungswärme der wichtigsten bei der
Darstellung des Eisens in Betracht kommenden Körper sind, soweit
unsere jetzige Kenntniss es gestattet, in Folgendem zusammengestellt.


Kohlenstoff. Nach dem verschiedenen Molekularzustande der
Kohle (Graphit, Holzkohle, Diamant u. s. w.) ist, wie Favre und
Silbermann fanden 1), die Verbrennungswärme derselben nicht immer
genau die nämliche und schwankt bei der Verbrennung zu Kohlensäure
zwischen 7770 und 8080 W.-E. Der immerhin nicht sehr beträchtliche
Unterschied kann bei den calorimetrischen Berechnungen eisenhütten-
männischer Processe um so weniger in Betracht kommen, als es sich
hierbei aus den schon berührten Gründen überhaupt nur um Annähe-
rungsergebnisse handeln kann, und man kann deshalb folgende Ziffern
für derartige Berechnungen benutzen:


1 kg Kohlenstoff (im festen Zustande) entwickelt:


  • bei der Verbrennung mit 4/3 kg Sauerstoff zu 7/3 kg Kohlenoxyd 2473 W.-E.
  • „ „ „ „ 8/3 „ „ „ 11/3 „ Kohlensäure 8080

In beiden Fällen, es mag Verbrennung zu Kohlenoxyd oder zu
Kohlensäure stattfinden, ist eine Vergasung des Kohlenstoffes erforderlich,
welche einen Wärmeverbrauch erheischt. Hieraus erklärt sich der grosse
Unterschied in der Wärmeleistung, je nachdem das eine oder andere
Verbrennungserzeugniss gebildet wird. Nimmt man an — was in diesem
Falle annähernd richtig sein dürfte —, dass gleiche Sauerstoffmengen
gleiche Wärmemengen entwickeln, so ergiebt sich durch eine einfache
Rechnung die Vergasungswärme des Kohlenstoffes gleich 3134 W.-E.;
und es entwickelt alsdann 1 kg gasförmiger Kohlenstoff:


  • bei seiner Verbrennung zu Kohlenoxyd 2473 + 3134 = 5607 W.-E.
  • „ „ „ „ Kohlensäure 8080 + 3134 = 11214 „

Kohlenoxyd. Die Wärmeentwickelung bei der Verbrennung des-
selben lässt sich aus dem Vorausgehenden ableiten. Da 7/3 kg Kohlen-
oxyd bei der Verbrennung zu Kohlensäure 8080 — 2473 = 5607 W.-E.
(der Verbrennungswärme von 1 kg gasförmigem Kohlenstoffe ent-
sprechend) entwickeln, so liefert


  • 1 kg Kohlenoxyd bei der Verbrennung mit 4/7 kg Sauerstoff zu
    11/7 kg Kohlensäure 2403 W.-E. 2)

[21]Wärmeerzeugung und Verbrennungstemperatur.

Wasserstoff. Man nimmt als Verbrennungswärme desselben
29161 W.-E. an, wenn Wasserdampf gebildet wird, 34462 W.-E., wenn
flüssiges Wasser entsteht.


Verbindungen aus Kohlenstoff und Wasserstoff; natürliche
Brennstoffe.
Eine Ermittelung der Wärmeleistung dieser Körper durch
einfache Berechnung gemäss ihrer chemischen Zusammensetzung ist
nicht im Stande, richtige Ergebnisse zu liefern, da einestheils diejenige
Wärmemenge unbekannt ist, welche bei der Entstehung beziehentlich
Zerlegung dieser Verbindungen (welche häufig auch noch Sauerstoff
und Stickstoff enthalten) in Betracht kommt, und da anderntheils bei
festen oder flüssigen Körpern die ebenfalls unbekannte Vergasungs-
wärme des Wasserstoffes zu berücksichtigen sein würde. Die durch
Versuche ermittelten Ziffern für die Verbrennungswärme natürlicher
Brennstoffe (Holz, Torf, Stein- und Braunkohlen) werden unten bei der
Besprechung dieser letzteren mitgetheilt werden; für gasförmige Kohlen-
wasserstoffe, welche bei einigen Processen der Eisendarstellung eine,
wenn auch nicht sehr wichtige, Rolle spielen, fanden Favre und
Silbermann:


  • 1 kg schweres Kohlenwasserstoffgas C2 H4 (Aethylen, Elayl,
    ölbildendes Gas) entwickelt bei der Verbrennung zu Kohlensäure und
    Wasserdampf 11857 W.-E.;
  • 1 kg leichtes Kohlenwasserstoffgas C H4 (Sumpfgas, Methan)
    entwickelt bei der Verbrennung zu Kohlensäure und Wasserdampf
    13063 W.-E.

Eisen. Dasselbe besitzt bekanntlich mehrere Oxydationsstufen, und
es ist wahrscheinlich, dass bei der Entstehung derselben die Wärme-
menge nicht, wie es nach dem Welter’schen Gesetze der Fall sein
würde, der verbrauchten Sauerstoffmenge proportional ist, sondern ab-
weichend nach der Art jener Verbindungen.


Dulong fand bei der Verbrennung des Eisens mit Sauerstoff zu
Eisenoxyduloxyd per 1 kg verbranntes Eisen 1648 W.-E. 1); Andrews
auf demselben Wege 1582 W.-E. 2) Der Unterschied ist jedenfalls in
dem Umstande begründet, dass bei der Verbrennung des Eisens nicht
immer genau dieselbe Oxydationsstufe entsteht; eine Untersuchung des
verbrannten Eisens auf seinen Sauerstoffgehalt fand aber in den
erwähnten Fällen nicht statt. Da nun die höchste Oxydationsstufe,
welche das Eisen bei der Verbrennung mit Sauerstoffgas einzugehen
pflegt, nach der Formel Fe3 O4 zusammengesetzt ist, so lässt sich mit
ziemlicher Wahrscheinlichkeit annehmen, dass das Verbrennungs-
erzeugniss bei Dulong’s Versuch wenigstens annähernd jener Formel
entsprochen haben wird, während bei Andrews’ Versuchen ein etwas
weniger hoch oxydirtes Eisen erfolgte. Die von Dulong gefundene
Ziffer (1648 W.-E. bei Verbrennung zu Fe3 O4) soll deshalb auch bei
den späteren Berechnungen zu Grunde gelegt werden.


Bei Bildung von Eisenoxydul (Fe O) auf nassem Wege fanden
Favre und Silbermann die Wärmeentwickelung per 1 kg Eisen
[22]Ueber Verbrennung, Reduction, Wärmeerzeugung und Wärmeabgabe.
1352 W.-E. 1) Da Eisenoxyduloxyd (Fe3 O4) aus Fe O + Fe2 O3 bestehend
gedacht werden kann, so ergiebt unter Benutzung der von Dulong,
Favre
und Silbermann gefundenen Ziffern eine einfache Rechnung
die Wärmeentwickelung bei der Bildung des Eisenoxydes Fe2 O3 per
1 kg oxydirtes Eisen (beziehentlich den Wärmeverbrauch zur Reduction
dieser Verbindung) gleich 1796 W.-E.


Wir haben also im Ganzen folgende Werthe für die Verbrennungs-
beziehentlich Reductionswärme des Eisens:


a) auf 1 kg Eisen bezogen:


  • bei der Bildung oder Reduction von Eisenoxydul Fe O . . 1352 W.-E.
  • „ „ „ „ „ „ Eisenoxyduloxyd Fe3 O41648
  • „ „ „ „ „ „ Eisenoxyd Fe2 O3 . . 1796

b) auf 1 kg verbrauchten, beziehentlich entzogenen,
Sauerstoff bezogen
:


  • bei der Bildung oder Reduction von Eisenoxydul Fe O . . 4732 W.-E.
  • „ „ „ „ „ „ Eisenoxyduloxyd Fe3 O44326
  • „ „ „ „ „ „ Eisenoxyd Fe2 O3 . . 4190

Mangan. So wichtig auch die Rolle ist, welche die Verbrennungs-
wärme des Mangans bei manchen Processen der Eisendarstellung zu
spielen hat, so dürftig sind bis jetzt die über das Maass dieser Wärme
vorliegenden Ermittelungen. Die in der Natur vorkommenden oder
auf künstlichem Wege darstellbaren Oxydationsstufen des Mangans sind
noch zahlreicher als die des Eisens; es unterliegt kaum einem Zweifel,
dass auch hier die Wärmeerzeugung durch gleiche Mengen Sauerstoff
verschieden ist, je nachdem die eine oder andere Verbindung gebildet
wird, und dass jene Verbrennungswärme durchschnittlich um so geringer
ausfallen wird, je sauerstoffreicher das entstehende Oxyd ist.


Aus Untersuchungen von Thomsen2) lässt sich folgern, dass bei
der Höheroxydation des Oxyduls Mn O zu Mangansuperoxyd Mn O2
per 1 kg Sauerstoff 1344 W.-E. entwickelt werden. Die Verbrennungs-
wärme des metallischen Mangans bei der Oxydation zu Manganoxydul
Mn O pflegt man, da hierüber jeder Versuch fehlt, in Rücksicht auf die
annähernd übereinstimmenden Atomgewichte des Eisens und Mangans
der Verbrennungswärme des Eisens gleich zu setzen; zahlreiche Vor-
gänge der Praxis weisen jedoch unwiderleglich darauf hin, dass sie
ganz wesentlich höher ist. Man braucht nur gleiche Mengen mangan-
armen und manganreichen Eisens im Sauerstoffstrome zu verbrennen,
um durch das bedeutend stärkere Erglühen des manganreicheren Eisens
davon überzeugt zu werden; ähnliche Erscheinungen zeigen sich im
Grossen bei der Verarbeitung manganreicher Eisensorten. Man wird
der Wahrheit jedenfalls näher kommen, wenn man die bei der Oxy-
dation von 1 kg Mangan zu Mn O frei werdende Wärme zu 2000 W.-E.,
also die durch 1 kg Sauerstoff bei diesem Vorgange entwickelte Wärme
zu 6875 W.-E. annimmt. Unter Benutzung dieser letzteren Ziffer sowie
der von Thomsen gefundenen Oxydationswärme bei dem Uebergange
[23]Wärmeerzeugung und Verbrennungstemperatur.
von Mn O in Mn O2 erhält man nun folgende Werthe für die Ver-
brennungs- beziehentlich Reductionswärme des Mangans:


a) auf 1 kg Mangan bezogen:


  • bei der Bildung oder Reduction von Manganoxydul Mn O . 2000 W.-E.
  • „ „ „ „ „ „ Mangansuperoxyd MnO22410

b) auf 1 kg verbrauchten, beziehentlich entzogenen
Sauerstoff bezogen
:


  • bei der Bildung oder Reduction von Manganoxydul Mn O . 6875 W.-E.
  • „ „ „ „ „ „ Mangansuperoxyd Mn O24110

Silicium. Bei den Vorgängen der Eisendarstellung spielt nur das
eine Oxyd dieses Körpers, das Kieselsäureanhydrid Si O2 (gewöhnlich
kurzweg Kieselsäure genannt), eine Rolle. Nach Versuchen von Troost
und Hautefeuille1) beträgt die Verbrennungswärme des Siliciums
bei der Entstehung jener Verbindung 7830 W.-E. per 1 kg Silicium;
also per 1 kg Sauerstoff 6850 W.-E.


Phosphor. 1 kg Phosphor entwickelt bei seiner Verbrennung zu
Phosphorsäureanhydrid P2 O5 nach Dulong2)5760 W.-E.; also 1 kg
Sauerstoff 4500 W.-E.


b) Verbrennungstemperatur.

Die bei der Verbrennung entwickelte Wärme wird zunächst von
den Verbrennungsproducten (incl. des Stickstoffes der benutzten atmo-
sphärischen Luft, des überschüssig in das Gasgemenge geführten Sauer-
stoffes, der entstandenen Asche u. s. w.) aufgenommen, diese auf eine
Temperatur erhitzend, welche abhängig ist von der Menge jener Ver-
brennungsproducte wie von ihrer specifischen Wärme. Bezeichnet man
mit W die gesammte entwickelte Wärme in W.-E., mit T die Tempe-
ratur der Verbrennungsproducte (Verbrennungstemperatur), mit Q1 Q2 Q3
das Gewicht der Verbrennungsproducte, mit S1 S2 S3 … die specifischen
Wärmen derselben, so ist offenbar:
und hieraus ergiebt sich die theoretische Verbrennungstemperatur

Wenn z. B. Kohlenstoff von Null Grad Temperatur durch Luft von der nämlichen
Temperatur zu Kohlenoxyd verbrannt wird, wobei nach Früherem 2473 W.-E. ent-
wickelt werden, so bestehen die Verbrennungsproducte per 1 kg Kohlenstoff aus 2.33 kg
Kohlenoxyd mit der specifischen Wärme 0.248 und 4.46 kg Stickstoff 3) mit der
specifischen Wärme 0.244; demnach würde die theoretische Verbrennungstemperatur
sein:
.


[24]Ueber Verbrennung, Reduction, Wärmeerzeugung und Wärmeabgabe.

In Wirklichkeit wird diese theoretische Verbrennungstemperatur
dadurch abgemindert, dass immer ein Theil der gesammten Wärme zur
Erwärmung fremder Körper, der Ofenwände u. s. w. sofort verbraucht
wird; dennoch giebt die obige Formel ein werthvolles Hilfsmittel, die
bei Anwendung verschiedener Brennstoffe sich ergebenden Temperatur-
unterschiede vergleichsweise einander gegenüber zu stellen, um den Grad
der Verwendbarkeit des einen oder anderen Brennstoffes für diesen oder
jenen Zweck darnach zu bemessen. 1) Für die Einflüsse aber, welche
hinsichtlich der Verbrennungstemperatur in Betracht kommen, lassen
sich folgende Schlüsse aus jener Formel ableiten.


Es zeigt sich zunächst, dass die theoretische Verbrennungstemperatur
unabhängig ist von der Menge des verbrauchten Brennstoffes; denn in
dem nämlichen Verhältnisse steigt und fällt mit der Menge des Brenn-
stoffes sowohl im Zähler der Formel die erzeugte Wärmemenge als im
Nenner die Menge der Verbrennungserzeugnisse. Es lässt sich jedoch
leicht ermessen, dass die wirkliche Temperatur in irgend einem Apparate
durch Verbrennung reichlicherer Brennstoffmengen alsdann sofort ge-
steigert werden wird, wenn die Wärmeabgabe an fremde Körper, an
die Ofenwände u. s. w. nicht in dem gleichen Maasse zunimmt, eine Er-
scheinung, die sich auch im gewöhnlichen Leben häufig beobachten lässt.


Eine erhebliche Steigerung der Temperatur muss eintreten, wenn
man von aussen her, z. B. durch Vorwärmung der Verbrennungsluft
oder der Brennstoffe Wärme, welche beim Verbrennungsprocesse nutzbar
gemacht wird, zuführt; denn man erhält in diesem Falle ohne
Vermehrung der Verbrennungsproducte eine grössere
Wärmemenge bei Anwendung derselben Menge Brennstoff
als vorher; der Werth W in obiger Formel wird grösser,
während der Nenner unverändert bleibt, und die Zahl T
muss daher in gleichem Verhältnisse mit W wachsen
. In
der Benutzung dieser Thatsache ist uns ein besonders für viele eisen-
hüttenmännische Processe wichtiges Hilfsmittel zur Erzeugung hoher
Temperaturen gegeben.


Es sei z. B. in dem oben mitgetheilten Beispiele die zur Verbrennung bestimmte
Kohle innerhalb eines mit Schmelzmaterialien und Kohlen gefüllten Ofens allmählich
den aufsteigenden heissen Verbrennungsgasen entgegengerückt und dabei selbst schon
auf eine Temperatur von 1200°C. erwärmt, ehe sie in den Verbrennungsraum des
Ofens gelangt, und die specifische Wärme der Kohle sei 0.22, so dass also jedes
Kilogramm Kohle schon 1200 × 0.22 = 264 W.-E. in den Verbrennungsraum mitbringt;
ausserdem sei die zur Verbrennung bestimmte Luft in besonderen Apparaten auf 400°C.
vorgewärmt und die specifische Wärme derselben 0.237, so dass die zur Verbrennung
von 1 kg Kohle erforderliche Luftmenge (1.33 + 4.46 = 5.79 kg) dem Ofen 5.79 × 400
× 0.237 = 548 W.-E. zuführt. Es ist dann die gesammte, bei Verbrennung von 1 kg
Kohle gewonnene Wärmemenge 2473 + 264 + 548 = 3285 W.-E., während die Menge
der erfolgenden Verbrennungserzeugnisse die nämliche bleibt als in dem früheren
Beispiele; daher die Verbrennungstemperatur
.


[25]Wärmeabgabe.

Das Beispiel lässt deutlich erkennen, wie erheblich schon durch
eine mässige Vorwärmung der Verbrennungsluft die Temperatur ge-
steigert wird.


Wie die Wärmezuführung von aussen die Verbrennungstemperatur
steigert, weil hier die gewonnene Wärmemenge ohne gleichzeitige Ver-
mehrung der Verbrennungserzeugnisse vergrössert wird, so wirkt um-
gekehrt jede Vermehrung der Verbrennungsproducte ohne gleichzeitige
entsprechende Vergrösserung der Wärmemenge auf eine Verminderung
der Verbrennungstemperatur. Von zwei Brennstoffen mit gleicher
Wärmeleistung wird im Allgemeinen derjenige die höhere Verbrennungs-
temperatur liefern, welcher die geringere Luftmenge zur Verbrennung
gebraucht; jede überschüssig in das Gemisch der Verbren-
nungsgase geführte Luftmenge erniedrigt die Verbren-
nungstemperatur
. Nach Früherem aber ist eine vollständige Ver-
brennung, welche allein die volle Ausnutzung des Brennstoffes gestattet,
ohne einen Sauerstoffüberschuss nicht erreichbar, und letzterer wiederum
kann geringer ausfallen, wenn die Temperatur in dem Verbrennungs-
raume hoch ist. Hieraus ergiebt sich ein zweiter günstiger Einfluss
jener oben erwähnten Vermehrung der Wärme durch Zuführung von
aussen (Vorwärmung der Brennstoffe, der Luft u. s. w.); indem man
zunächst unmittelbar eine Temperatursteigerung hervorruft, wie bereits
nachgewiesen wurde, erleichtert man die Verbrennung, ermöglicht also
die Abminderung des erforderlichen Sauerstoffüberschusses und erhöht
dadurch abermals die Temperatur, bis eben eine Grenze erreicht ist,
wo andere Vorgänge, insbesondere die schon früher erwähnte Disso-
ciation der Verbrennungsgase, einer weiteren Steigerung ein Ziel setzen.


Neben überschüssiger Luft wirkt auch Wasserdampf, welcher, dem
Wassergehalte des Brennstoffes oder der Verbrennungsluft entstammend,
unzersetzt in das Gasgemisch geführt wurde, erniedrigend auf die Ver-
brennungstemperatur, und zwar sehr kräftig, da seine specifische Wärme
(0.475) beträchtlicher ist als die irgend eines anderen gasförmigen Ver-
brennungserzeugnisses. Es erklärt sich hieraus leicht, dass wasser-
reiche Brennstoffe niemals fähig sind, hohe Verbrennungstemperaturen
zu liefern.


Umgekehrt würde aus den nämlichen Gründen eine beträchtliche
Erhöhung der Verbrennungstemperatur zu erzielen sein, wenn es
möglich wäre, der Verbrennungsluft den Stickstoffgehalt ganz oder doch
theilweise zu entziehen (beziehentlich den Sauerstoffgehalt derselben
anzureichern), und mit weit geringerem Sauerstoffüberschusse würde
in diesem Falle die vollständige Verbrennung ermöglicht werden können.
Leider ist bis jetzt kein Mittel, dessen Benutzung im Grossen aus-
reichend billig wäre, zur Erreichung dieses Zieles bekannt.


4. Wärmeabgabe.


In den meisten Fällen ist die Erwärmung fremder Körper, durch
Wärmeabgabe an dieselben bewirkt, der nächste Zweck bei der Wärme-
entwickelung durch Verbrennung eines Brennstoffes. Die wärme-
abgebenden Körper sind die Verbrennungserzeugnisse und daher
[26]Ueber Verbrennung, Reduction, Wärmeerzeugung und Wärmeabgabe.
meistens — bei den Brennstoffen im engeren Sinne regelmässig —
gasförmig. Verschiedene Umstände können die Wärmeabgabe beein-
flussen. Sie wird begünstigt:


1. Durch grosse Temperaturdifferenz der wärmeabgebenden und
wärmeaufnehmenden Körper; also allgemein durch eine hohe Temperatur
der ersteren. Bezeichnet t die Temperaturdifferenz, so steigert sich nach
Versuchen von Dulong und Petit bei der Zunahme derselben die
Geschwindigkeit der Wärmeabgabe in dem Verhältnisse t 1·232. Es
folgt hieraus, dass alle jene besprochenen Mittel, welche die Erzielung
hoher Verbrennungstemperaturen bewirken, auch die Wärmeabgabe
begünstigen.


2. Durch längere Zeitdauer der Einwirkung. Dieser Satz bedarf
keines Beweises, erklärt aber mancherlei Vorkommnisse der Praxis. Je
länger die Verbrennungsgase innerhalb eines Ofens mit den zu erhitzenden
Körpern in Berührung bleiben, desto mehr Wärme können sie an diese
abgeben, desto abgekühlter verlassen sie selbst den Ofen.


3. Durch grosse Berührungsfläche zwischen den wärmeabgebenden
und wärmeaufnehmenden Körpern.


4. Durch ein grosses Wärmeleitungsvermögen der zu erwärmenden
Körper, welche die Wärme zunächst an ihrer Aussenfläche aufnehmen
und dann nach den inneren Theilen hin fortpflanzen.


5. Durch grosse specifische Wärme der wärmeaufnehmenden Körper.
Sie nehmen um so grössere Wärmemengen auf und werden um so
langsamer erwärmt werden, entziehen also den Verbrennungserzeugnissen
um so grössere Wärmemengen, je grösser ihre specifische Wärme ist.


6. Durch entgegengesetzte Bewegung der zu erwärmenden und der
wärmeabgebenden Körper. Dieser unter dem Namen Gegenstrom-
princip
bekannte Lehrsatz ist von grösster Bedeutung für die Wärme-
abgabe bei irgend einem Processe. Man erreicht bei diesem Vorgange
nicht allein eine längere gegenseitige Einwirkung, sondern, was noch
wichtiger ist, man bewirkt, dass die Temperaturdifferenzen zwischen
beiden Körpern weniger rasch als im andern Falle ausgeglichen werden.
Denkt man sich an dem einen Ende eines geschlossenen Apparates
(Ofens) die heissen Verbrennungsgase eintreten und den am entgegen-
gesetzten Ende eintretenden, zu erwärmenden Körpern entgegenrücken,
so werden sie auf ihrem Wege ununterbrochen Wärme an diese abgeben
können und bei ausreichend langer Einwirkung den Ofen im fast, d. h.
auf die Anfangstemperatur des zu erwärmenden Körpers, abgekühlten Zu-
stande verlassen können; treten aber beide an derselben Stelle ein
und bewegen sich in gleicher Richtung oder verharrt der zu erwärmende
Körper in Ruhe, so können die wärmeabgebenden Körper natürlicher-
weise stets nur auf diejenige Temperatur abgekühlt werden, welche bei
der gegenseitigen Einwirkung jener Körper selbst annimmt, die Er-
hitzung dieses letzteren (welche im ersteren Falle bis fast auf die Anfangs-
temperatur der wärmeabgebenden Körper gesteigert werden kann) ist
geringer, die Wärmeausnutzung erheblich ungünstiger.


[27]Die Brennstoffe. Das Holz.

Literatur.


Ueber die Wärmeentwickelung bei der Verbrennung und die Methoden zur
Ermittelung derselben giebt jedes grössere Handbuch der Physik Auskunft. Aus-
führlicheres, besonders über die in Vorstehendem behandelten Verbrennungserschei-
nungen, findet der Leser in:


  • L. Gruner, Abhandlungen über Metallurgie, übersetzt von Franz Kupel-
    wieser
    . Paris 1877, S. 43—70.
  • A. Ledebur, Die Oefen für metallurgische Processe. Freiberg 1878, S. 1—23.
  • E. F. Dürre, Allgemeine Hüttenkunde. Leipzig 1877, S. 259—275.
  • C. Schinz, Dokumente betreffend den Hohofen. Berlin 1868.

Abhandlungen.


  • A. Ledebur, Reduction und Oxydation. Berg- und hüttenm. Ztg. 1879, S. 393.
  • R. Åkerman, Verhalten von oxydirtem und metallischem Eisen zu
    Kohlenoxyd, Wasser und Wasserstoff
    . Oesterr. Zeitschr. für Berg- und
    Hüttenwesen 1876, S. 425.
  • A. Ledebur, Wird bei der Verbrennung von Kohle durch hohe Tempe-
    ratur Kohlensäure- oder Kohlenoxydgasbildung befördert
    ? „Stahl
    und Eisen“, 1882, S. 356.

III. Die Brennstoffe.


Unter der Bezeichnung Brennstoff im weiteren Sinne kann man
jeden Körper verstehen, durch dessen Verbrennung nutzbare Wärme
geliefert wird, und von diesem Gesichtspunkte aus lassen sich auch
Eisen, Mangan, Silicium, Phosphor unter die Brennstoffe des Eisen-
hüttenmannes zählen; denn die von letzteren Körpern bei ihrer Ver-
brennung entwickelte Wärme spielt thatsächlich eine wichtige Rolle bei
einzelnen Processen der Eisendarstellung, und ohne diese Wärmeent-
wickelung würden die betreffenden Processe mitunter unausführbar sein.


In Folgendem soll jedoch nur von denjenigen Brennstoffen die
Rede sein, welche auch im engeren Sinne diese Bezeichnung verdienen,
insofern die Wärmeentwickelung den hauptsächlichsten oder doch vor-
nehmsten Zweck ihrer Verwendung bildet.


1. Das Holz.


Dasselbe besteht im Wesentlichen aus der eigentlichen Holzsubstanz,
der Cellulose, nach der chemischen Formel C6 H10 O5 zusammengesetzt;
aus einer gewissen Menge anorganischer Körper, welche beim Ver-
brennen als Asche zurückbleiben; und aus Wasser.


Der Aschengehalt beträgt durchschnittlich 1 Proc., zeigt übrigens
auch an dem Holze von einem und demselben Baume Abweichungen
und ist am stärksten in den Wurzeln und Blättern. Die Asche enthält
vorzugsweise kohlensaures Calcium (50—70 Proc.), daneben kohlensaure
[28]Die Brennstoffe.
Alkalien (bis 25 Proc.), Kieselsäure (deren Gehalt zwischen 2—13 Proc.
zu schwanken pflegt), sowie kleinere Mengen von schwefelsauren und
phosphorsauren Salzen. Der Phosphorgehalt wird selten über 2 Proc.
hinausgehen und ist gewöhnlich noch geringer.


Der Wassergehalt des Holzes ist nicht nur bei verschiedenen Holz-
arten verschieden, sondern lässt sich auch durch längeres Lagern des
gefällten Holzes an der Luft verringern. Frisch gefälltes älteres Holz
enthält durchschnittlich:


  • Hainbuche   19 Proc. Wasser
  • Ahorn   27 „ „
  • Esche   29 „ „
  • Birke   31 „ „
  • Eiche   35 „ „
  • Buche   40 „ „
  • Kiefer   40 „ „
  • Fichte   45 „ „
  • Lärche   49 „ „

Bei jüngeren Bäumen dagegen steigt mitunter der Wassergehalt
bis auf 60 Proc.


Beim längeren (mindestens zweijährigen) Lagern des gespaltenen
Holzes an einem trockenen, aber luftigen Orte vermindert sich allmählich
der Wassergehalt bis auf etwa 20, bei einzelnen Holzsorten 17 Proc.;
eine weitere Austrocknung ist nur möglich, wenn das Holz bei einer
Temperatur zwischen 125—150°C. getrocknet wird. Die Zusammen-
setzung dieses vollständig trockenen, demnach nur noch aus Cellulose,
Asche und den stickstoffhaltigen Resten des Saftes bestehenden Holzes
ist durchschnittlich folgende:


  • Kohlenstoff   49.7 Proc.
  • Wasserstoff   6.0 „
  • Sauerstoff   41.3 „
  • Stickstoff   1.1 „
  • Asche  1.9 „
  • 100.0 Proc.

und zeigt überhaupt bei den verschiedenen Holzsorten keine grossen
Unterschiede.


Die Zusammensetzung des lufttrockenen Holzes lässt sich hieraus
unschwer berechnen, wenn man den Wassergehalt desselben von durch-
schnittlich 20 Proc. hinzurechnet.


Erhitzt man das Holz stärker als auf 150°C., so tritt Zersetzung ein.


Das Holz von den Laubholzbäumen, insbesondere von der Buche,
Eiche, Ulme, Birke pflegt man hartes, dasjenige von den Nadelholz-
bäumen sowie auch von der Linde, Weide, Pappel weiches Holz zu
nennen.


Das Gewicht des lufttrockenen Holzes per cbm (incl. der
Zwischenräume zwischen den einzelnen Stücken) beträgt:
bei hartem Holze 350—450 kg
„ weichem „ 250—300 „

und schwankt nach der Form und Grösse der Holzstücke, wie nach
dem noch vorhandenen Wassergehalte.


Wärmeleistung. Dieselbe, auf die Gewichtseinheit (1 kg) des
Holzes bezogen, fällt natürlicherweise um so grösser aus, je geringer
[29]Die Holzkohle.
der Wassergehalt, je trockener also das betreffende Holz ist. Als Durch-
schnittswerthe kann man annehmen 1):


  • für vollständig trockenes Holz (ohne jeden Wassergehalt) 3800 W.-E.
  • „ lufttrockenes Holz mit 20 Proc. Wasser 2900 W.-E.

Darren des Holzes. Der selbst im lufttrockenen Holze noch
ziemlich beträchtliche Wassergehalt verringert nicht allein, wie sich aus
Vorstehendem ergiebt, nicht unbeträchtlich die Wärmeleistungsfähigkeit
des Holzes, sondern auch, indem er in die Verbrennungserzeugnisse
übergeht und hier Wärme aufnimmt, in sehr erheblicher Weise die bei
der Verbrennung des Holzes erreichbare Temperatur. Für Processe, zu
deren Durchführung eine hohe Temperatur Bedingung ist, lässt sich das
Holz demnach nur verwenden, wenn man ihm durch einen künstlichen
Trocknungsprocess bei einer Temperatur von etwas über 100°C. die
grössere Menge des ihm im lufttrockenen Zustande noch gebliebenen
Wassers entzieht. Hierdurch allerdings werden die Kosten des Brenn-
materiales nicht unerheblich gesteigert.


Man benutzt zum Darren gemauerte Kammern, welche in irgend
einer Weise auf die erforderliche Temperatur erhitzt werden und in
welchen das Holz, welches am zweckmässigsten auf leichten eisernen
Wagen sich befindet, bis zur beendigten Trocknung belassen wird. Für
genügenden Luftwechsel zur Ableitung der sich bildenden Wasserdämpfe
muss natürlich gesorgt werden. In einzelnen Fällen benutzt man
erhitzten Gebläsewind zum Trocknen, welcher durch Röhren in die
Kammern geführt wird; in anderen bringt man an einer passenden
Stelle der Kammer eine Rostfeuerung an und führt die Verbrennungs-
gase durch die Kammer selbst hindurch, wobei sie das aus dem Holze
verflüchtigte Wasser mitnehmen; oder man legt ein System eiserner
Röhren in die Kammer, durch welches die Verbrennungsgase hindurch-
ziehen, solcherart mittelbar die Kammer erwärmend.


Infolge der raschen Ausdehnung der Verkehrsmittel verliert das
immerhin ziemlich kostspielige Holz als Brennstoff für die Eisenindustrie
von Jahr zu Jahr an Wichtigkeit und wird durch mineralische Brenn-
stoffe selbst in solchen Gegenden ersetzt, wohin diese aus entlegeneren
Gegenden geschafft werden müssen.


2. Die Holzkohle.


Darstellung.

Wenn man Holz bei Luftabschluss auf eine Temperatur von über
150°C. erhitzt, so tritt, wie schon erwähnt, Zersetzung ein, sauerstoff-
haltige Destillationserzeugnisse werden verflüchtigt und das Holz wird
braun; steigert man die Temperatur auf 300—350°C., so entweichen
theerige Bildungen, Holzessig, aber auch Kohlenoxyd nebst Kohlensäure,
und als schwarzer Rückstand hinterbleibt die bekannte Holzkohle.


Für die Durchführung des Verkohlungsprocesses giebt es im Wesent-
lichen drei Methoden.


[30]Die Brennstoffe.
a) Verkohlung in Meilern.

Es ist dieses die ältere und in Europa auch noch jetzt üblichere
Methode der Holzkohlendarstellung. Ein Meiler ist ein nach bestimmten
Regeln aufgestellter Holzhaufen, welcher im Innern entzündet, ringsum
aber durch eine Decke aus Rasen oder dergleichen eingehüllt ist, so
dass die Verbrennung, deren Verlauf durch Luftlöcher in der Decke
geregelt werden kann, immerhin nur eine sehr beschränkte bleibt und
nur soweit ausgedehnt wird, als für die zur Zersetzung des Holzes
nothwendige Wärmeentwickelung nothwendig ist.


Fig. 1 stellt die üblichste Form eines für Holzkohlendarstellung
bestimmten Meilers dar. Zur Herstellung desselben wird zunächst der
Boden der Kohlen- oder Meilerstätte geebnet und festgestampft, sofern

Figure 1. Fig. 1.


nicht von früheren Verkohlungen her noch eine Stätte verfügbar ist
(alte Meilerstätten eignen sich besser als neue, da letztere sehr leicht
Veranlassung zu ungleichmässigem Zuge geben). In der Mitte der
Stätte werden dann zunächst zwei oder drei „Quandelpfähle“ A, die man
wohl durch Spreizen N auseinander hält und durch Weidenruthen an-
einander befestigt, aufgestellt. Den Raum zwischen den Quandelpfählen
füllt man mit trockenem Reisig oder dergl. aus; an dem Fusse derselben
werden ringsherum einzelne trockene Brettchen auf die hohe Kante
gestellt, um das Anzünden zu erleichtern, und beim Aufbauen (Richten)
des Meilers legt man von hier aus am Boden der Stätte radial gegen
den Umfang ein starkes Holz ein, welches später herausgezogen wird
und hierbei einen von aussen nach innen führenden Canal, die Zünd-
gasse
, offen lässt, durch welche das Anzünden der im Quandel an-
gehäuften Brennstoffe bewirkt wird. Nun werden, wie es die Abbildung
darstellt, die zu verkohlenden Holzstücke rings um die Quandelpfähle
her und zwar möglichst dicht neben einander aufgestellt; zu oberst
bildet man die Haube aus kleineren Holzstücken, so dass das Ganze
[31]Die Holzkohle.
annähernd paraboloidische Form erhält. Die gesammte Höhe eines
Meilers pflegt 3—4 m zu sein, der gesammte Rauminhalt 100—150 cbm;
in einzelnen Fällen allerdings sind die Meiler erheblich kleiner und in
anderen beträgt ihr Inhalt bis zu 300 cbm.


Ist der Meiler gerichtet, so füllt man die Zwischenräume zwischen
den einzelnen Scheiten im Umfange durch Einlegen dünnerer Holz-
stücke möglichst dicht aus und geht dann daran, ihn, wie schon er-
wähnt, mit Rasen, Laub, Moos, Nadelholzreisig oder dergl. zu decken.
Ringsum am Fusse lässt man bis zu einer Höhe von etwa 15 cm die
Decke fehlen und schützt sie vor dem Hinuntergleiten durch eine auf
Steinen ruhende Umfassung von Aesten oder dünnen Holzscheiten, den
Fussrüsten oder Unterrüsten. Schliesslich wird der fertig gedeckte
Meiler noch mit einem „Bewurfe“ aus Erde, am besten gemischt mit
sogenannter „Stübbe“ (Holzkohlenklein von früheren Meilern), versehen,
den man in einer Stärke von 3—12 cm mit der Schaufel anwirft, und
ist dann, nachdem man noch an der dem herrschenden Winde vor-
zugsweise ausgesetzten Seite des Meilers ein Windschauer, gewöhn-
lich eine aus Reisig gefertigte Wand, aufgestellt hat, zum Anzünden
fertig. In der Abbildung stellt die mit B bezeichnete Lage die Decke,
die äusserste schwarze Schicht den Bewurf des Meilers dar.


Kurze Zeit nachdem das Anzünden durch die Zündgasse bewerk-
stelligt worden ist, wird letztere sowie der Fuss des Meilers zuge-
worfen, und der Köhler regelt nun durch Anbringung sogenannter
Räumlöcher das Feuer derartig, dass der Brand sich allmählich von
der Spitze nach dem Fusse hin ausbreitet. Jene Räumlöcher sind Oeff-
nungen, welche mit dem Stiele einer Schaufel durch den Bewurf und
die Decke hindurch bis auf das Holz gestossen und gürtelförmig rings um
den Meiler herum gewöhnlich in zwei Reihen übereinander angeordnet
werden. Durch Zuwerfen einer oberen Reihe und Einstossen einer neuen
weiter unten zieht man das Feuer nach und nach abwärts. Im An-
fange des Processes entstehen durch heftig entweichende Dämpfe mit-
unter Explosionen (Schütten des Meilers), durch welche ein Theil der
Decke abgeworfen wird, und in solchen Fällen ist natürlicherweise alle
Aufmerksamkeit und eine sofortige Wiederherstellung der Decke erfor-
derlich, damit nicht der Meiler durch die eindringende Luft in Flammen
gerathe; beim Verkohlen selbst schwindet der Meiler, es entstehen an
einzelnen Stellen hohle Räume und werden durch Nachfüllen frischen
Holzes geschlossen. Ein gleichmässiges Zusammenschwinden ist natür-
lich nicht zu vermeiden, und ein besonderer Vortheil der beschriebenen
Decke solcher Meiler liegt in dem Umstande, dass sie, der eintretenden
Formveränderung folgend, in jedem Zeitabschnitte der Verkohlung den
Meiler gleich gut bedeckt hält. An der lichteren Farbe des Rauches
erkennt schliesslich der Köhler, dass der Meiler „gaar“, d. h. dass die
Verkohlung beendet ist. Die Decke wird nun sorgfältig geschlossen,
um das Feuer zu ersticken; dann folgt als letzte Arbeit das Kohlen-
ziehen
, wobei täglich nur ungefähr 3 cbm Holzkohlen an einer und
derselben Stelle heraus geholt werden. Die Stelle wird dann wieder gut
verschlossen, damit nicht Entzündung des ganzen Meilers eintrete.


Die Zeitdauer der Verkohlung eines mittelgrossen Meilers pflegt
15 bis 20 Tage zu betragen.


[32]Die Brennstoffe.

Abweichend von dem beschriebenen Verfahren der Meilerverkohlung
verkohlt man in einzelnen Gegenden, jedoch seltener, die Holzscheite
liegend, zu Haufen von trapezförmigem Querschnitte und rechteckiger
Grundfläche aufgeschichtet (Haufenverkohlung oder Verkohlung
in liegenden Meilern
).


Da selbst bei völligem Luftabschlusse, wie er in Meilern niemals
zu erreichen ist, ein Theil des Kohlenstoffes des Holzes in chemischer
Verbindung mit dem Sauerstoff- und Wasserstoffgehalte desselben ent-
weicht, so folgt von selbst, dass das Ausbringen an Holzkohlen niemals
den Kohlenstoffgehalt des benutzten Holzes auch nur annähernd er-
reichen kann. Dasselbe beträgt durchschnittlich 22 Proc. von dem Holz-
gewichte; es ist grösser bei langsamer als bei allzusehr beschleunigter
Verkohlung, grösser bei älterem und trockenem als bei jungem und
nassem Holze, und fällt in einzelnen Fällen auf 17 Proc., während es
in anderen bis auf 28 Proc. steigen kann. Dem Gemässe nach erhält
man aus 1 cbm Holz etwa 0.6 cbm Holzkohlen (beides incl. Zwischen-
räume gemessen).


Da die Meilerverkohlung im Walde unweit der Gewinnungsstätte
des Holzes vor sich gehen kann, und das Gewichtsverhältniss zwischen
erfolgenden Kohlen und verbrauchtem Holze, den soeben mitgetheilten
Ziffern zufolge, ein geringes ist, so erspart man durch diese Methode
gegenüber der Verkohlung an einer Centralstelle, z. B. auf der Hütte,
nicht unbeträchtlich an Fracht, ein Umstand, welcher um so schwerer
ins Gewicht fällt, je grösser die Entfernungen und je beschränkter die
Verkehrsmittel sind. Die Beschaffenheit der Meilerkohlen ist bei rich-
tiger Leitung des Processes vortrefflich. Die Destillationserzeugnisse
aber (Holzessig u. s. w.) gehen bei der Meilerverkohlung ungenutzt
verloren, und eine Gewinnung derselben in lohnender Weise dürfte
in Rücksicht auf die besonderen Eigenthümlichkeiten des Verfahrens
kaum möglich sein, obgleich verschiedentlich dahin zielende Versuche
gemacht worden sind (Einstecken von Röhren in den Meiler zur Ab-
leitung und Condensation der sauren Dämpfe u. s. w.).


b) Verkohlung in Oefen.

Die Thatsache, dass bei der Meilerverkohlung eine fast unaus-
gesetzte Beaufsichtigung des Meilers zur Verhütung einer Entzündung
desselben erforderlich ist, ein Umstand, welcher die Thätigkeit des
Köhlers zu einer sehr anstrengenden macht, und dass trotzdem bei aller
Umsicht das Ausbringen an Holzkohle immerhin ein ziemlich geringes
bleibt, gab wohl zuerst Veranlassung zur Anwendung von Oefen, d. h.
geschlossener Räume, in welchen der Process der Verkohlung in ganz
ähnlicher Weise wie bei einem Meiler verläuft, bei welchen aber die
bewegliche Meilerdecke durch die gemauerte Umfassung ersetzt und
somit die Gefahr vermieden ist, dass durch unbeachtetes Ablösen der
Decke die Luft Zutritt erhält und den Meiler ganz oder theilweise
entzündet.


In Europa ist das Verfahren verhältnissmässig selten, häufig da-
gegen finden sich Verkohlungsöfen in Nordamerika, wohin die Ofen-
[33]Die Holzkohle.
verkohlung ursprünglich aus Schweden verpflanzt wurde. Diese Oefen
haben entweder rechteckige Grundform, sind oben durch ein Tonnen-
gewölbe überspannt und etwa 15 m lang, 3.5 bis 5 m breit und ebenso
hoch; oder sie sind cylindrisch gebaut und oben durch ein Kuppel-
gewölbe abgedeckt bei 8.5 m Durchmesser, und 3.5 m Höhe bis zum
Gewölbe; oder endlich sie haben Kegelform bei 8.5 bis 9 m Durchmesser
an der Grundfläche und 6 bis 8.5 m Höhe. Sämmtliche Oefen haben
unten rings herum in den Umfassungswänden zwei oder drei Reihen
von Oeffnungen zur Regulirung des Luftzutrittes.


Eine Gewinnung der Destillationserzeugnisse findet, wenigstens bei
den nordamerikanischen Verkohlungsöfen, nicht statt; anderweitig an-
gestellte Versuche, durch Einbauen von Röhren in die Ofenwände Ge-
legenheit zur Ableitung und Condensation der Dämpfe zu geben, scheinen
einen befriedigenden Erfolg nicht gehabt zu haben, vermuthlich wegen Be-
nachtheiligung der Güte der Kohlen und Verringerung des Ausbringens.


Die Verkohlungsöfen erheischen, wie sich von selbst versteht, ein
bestimmtes Anlagekapital, welches amortisirt werden muss, und alljähr-
liche Ausgaben der Unterhaltung, also Kosten, welche bei der Meiler-
verkohlung wegfallen; das Holz muss nach den Oefen transportirt
werden, und je weiter die Entfernung ist, desto empfindlicher wird der
Unterschied in den Kosten für den Transport des Holzes und der
Kohlen sich geltend machen; dagegen ist das Ausbringen an Holz-
kohlen in den Oefen unleugbar höher und beziffert sich auf 30 bis
50 Proc. Die Güte der ausgebrachten Kohlen aber ist nach dem
Urtheile amerikanischer Eisenhüttenleute durchschnittlich geringer als
die der Meilerkohlen. Egleston bestreitet 1), dass dieser Uebelstand
eine Folge der Ofenverkohlung an und für sich sei, und ist der Mei-
nung, dass der Grund hierfür lediglich in der üblichen zu starken Be-
schleunigung des Processes zu suchen sei. Verkohlt man ausreichend
langsam, so sei die Güte der Kohlen mindestens die nämliche wie bei
Meilerkohlen, das Ausbringen um 15 bis 20 Proc. höher, der bei der
Meilerverkohlung unvermeidliche Verlust an Holzkohlen bei dem weiten
Transporte vermieden, die Arbeitslöhne geringer.


c) Verkohlung in Retorten.

Das Bestreben, die bei der Zersetzung des Holzes auftretenden
Destillationserzeugnisse, insbesondere den Holzessig, zu gewinnen und
nutzbar zu machen, führte schon vor geraumer Zeit zu der Anwendung
von Retorten für die Verkohlung, d. h. von geschlossenen Behältern,
welche von aussen durch besondere Feuerung erhitzt werden und aus
welchen die sich verflüchtigenden Zersetzungsgebilde durch Röhren
unschwer nach Condensationsapparaten geführt werden können. In den
allermeisten Fällen beschränkte sich allerdings die Anwendung dieses
Verfahrens auf solche Verhältnisse, wo die Gewinnung des Holzessigs
u. s. w. Hauptzweck und die Gewinnung der Holzkohlen nur ein Neben-
zweck ist; indessen hat man verschiedentlich die Einführung auch auf
Eisenwerken empfohlen. Thatsächlich ist, soweit meine Kenntniss reicht,
Ledebur, Handbuch. 3
[34]Die Brennstoffe.
in Deutschland nur eine einzige derartige Anlage ins Leben getreten
(Rübeland am Harz).


Aus 1 cbm Holz erhält man nach Gillot als Enderzeugnisse der
Retortenverkohlung sowie einer Reihe von Zwischenprocessen zur Ver-
arbeitung der zuerst übergegangenen Destillationsgebilde 75 kg Holz-
kohle, 47.5 kg reine 40 procentige Essigsäure, 6 kg Holzgeist, 3 kg
Theeröl.


Den Erträgen für diese chemischen Erzeugnisse ausser Holzkohle
stehen jedoch die Mehrkosten für den Transport des Holzes, die Amor-
tisations- und Unterhaltungskosten der Anlage, die Betriebskosten für
die Durchführung der chemischen Processe, der Brennstoffverbrauch
zum Heizen der Retorten, vor allem aber die Thatsache gegenüber, dass
die Retortenkohlen einen geringeren Heizwerth besitzen als die Meiler-
kohlen, und dass der Verbrauch an denselben für den gleichen Zweck
mithin ein grösserer ist als an letzteren. Der Vortheil eines etwas
reichlicheren Ausbringens durch die Retortenverkohlung gegenüber der
Meilerverkohlung wird also durch die geringwerthigere Beschaffenheit
der ausgebrachten Kohlen annähernd ausgeglichen werden; ob der
Werth der zu erlangenden Essigsäure u. s. w. ausreichend sein wird,
die Einführung des Verfahrens für Eisenwerke an Stelle der Meiler-
verkohlung zu rechtfertigen, wird von den örtlichen Verhältnissen
abhängig bleiben. Jedenfalls ist in Rücksicht auf den schon erwähnten
Umstand, dass die Benutzung des Holzes und der Holzkohle für die
Zwecke der Eisenindustrie sich von Jahr zu Jahr mehr verringert, je
mehr die Verkehrsmittel sich ausdehnen, eine umfangreichere Ein-
führung der Retortenverkohlung auf den Eisenwerken nicht mehr zu
erwarten.


Eigenschaften der Holzkohle.

Die Holzkohle, obschon ihrer Natur nach im Wesentlichen aus
reiner Kohlensubstanz bestehend, enthält doch stets ausser den Aschen-
bestandtheilen des Holzes noch gewisse Mengen Wasserstoff, Sauerstoff
und Stickstoff, selbst wenn sie bei Weissgluth, also bei weit höherer
Temperatur dargestellt wurde, als in den beschriebenen Verkohlungs-
apparaten erreicht wird; beim Lagern an der Luft aber nimmt dieselbe
ziemlich rasch eine nicht unbeträchtliche Menge von Wasserdampf und
Gasen auf. Die durchschnittliche Zusammensetzung lufttrockener
Holzkohle kann angenommen werden zu:


  • Kohlenstoff   80.1 Proc.
  • Wasserstoff   1.8 „
  • Sauerstoff und Stickstoff   3.1 „
  • Hygroskopisches Wasser   12.0 „
  • Asche   3.0 „ ;

ihre Wärmeleistungsfähigkeit zu 6900 W.-E.


Das Gewicht eines Cubikmeters Holzkohle in Stücken (incl. der
Zwischenräume) beträgt nach Gruner:


  • bei Tannenkohle   125—140 kg
  • „ Fichtenkohle   140—180 „
  • „ harter Laubholzkohle   200—240 „

Die niederen Ziffern entsprechen Holzkohlen aus rasch gewachse-
nen Hölzern oder bei fehlerhaftem Betriebe (zu rascher Kohlung) erzeugt;
[35]Der Torf.
die höheren Ziffern dagegen erhält man bei Holzkohlen aus älteren,
langsam gewachsenen Hölzern und bei nicht allzu beschleunigtem
Betriebe.


Gute Holzkohle ist tiefschwarz, hart, klingend, wenig abfärbend;
war sie bei allzu raschem Betriebe oder bei Luftzutritt erzeugt, so ist
sie mürbe, zerreiblich, abfärbend und besitzt geringen Brennwerth;
Kohlen, die bei zu niedriger Temperatur gewonnen waren, also gewisser-
maassen aus unvollständig verkohltem Holze bestehen, haben braune
Farbe, grosse Festigkeit, brennen, wenn sie entzündet werden, mit
Flamme und heissen Bränder.


Beim Lagern im Schuppen erleidet die Holzkohle theils durch Ver-
krümelung, theils auch wohl durch langsame Oxydation zu Kohlensäure
einen Verlust, der 5 Proc. und darüber betragen kann (Krümpfeverlust).


3. Der Torf.


Der Torf ist das noch jetzt sich bildende Erzeugniss der Zersetzung
gewisser Gattungen von Pflanzen unter dem Einflusse von Luft und
Wasser, wobei aus der Pflanzensubstanz Sauerstoff austritt und der
Kohlenstoffgehalt sich anreichert, zugleich aber eine reichliche Wasser-
menge aufgenommen wird, während die mechanische Vermengung mit
zugeführten schlammigen Massen Veranlassung zu einem bedeutenden
Aschengehalte giebt.


Vorzugsweise findet sich Torf in der gemässigten Zone und zwar
theils in Thälern, theils auf Hochebenen. Besonders reich an Torf ist
Deutschland, sowohl Nord- als Süddeutschland, wo derselbe in manchen
Gegenden einen auch für metallurgische Zwecke vielfach benutzten
Brennstoff bildet; auch Frankreich, Grossbritannien, Russland, Skandi-
navien besitzen ausgedehnte Torflager.


Die Gewinnung des Torfes geschieht durch Hand- oder Maschinen-
arbeit. Bei der ersteren wird derselbe, sofern er die genügende Festig-
keit besitzt (unter Umständen nach vorausgegangener Entwässerung des
Torfmoores) mit entsprechend geformten Spaten in prismatischen Stücken
ausgestochen, um im Freien oder luftigen Schuppen getrocknet zu werden
(Stechtorf); gestattet aber die Eigenthümlichkeit der Torfmasse eine
Gewinnung in dieser Weise nicht (wegen breiiger, ungleichmässiger Be-
schaffenheit), so gräbt man dieselbe aus, mischt sie in einer Grube
durch Treten mit den Füssen oder Schlagen mit Werkzeugen durch
einander und streicht nun entweder diesen Torfbrei in Formen, um die
solcherart gewonnenen prismatischen Stücke (Torfziegel) zu trocknen
(Streichtorf, Modeltorf), oder man breitet eine grössere Menge des-
selben auf dem geschlichteten Torffelde aus, überlässt ihn hier einige
Zeit der Trocknung, dichtet ihn hierauf durch Treten oder Schlagen
und schneidet ihn mit langen Messern in einzelne Stücken, welche nun-
mehr, um vollends lufttrocken zu werden, in Haufen zusammengestellt
werden (Backtorf, Breitorf). Die Gewinnungskosten des Streich-
und Backtorfes sind um 15—20 Proc. höher als die des Stechtorfes,
wogegen jene Sorten sich durch grössere Dichtigkeit und Festigkeit vor
diesem auszeichnen.


3*
[36]Die Brennstoffe.

Die zur Gewinnung des Torfes benutzten Maschinen sind ziemlich
mannigfacher Art. Während die älteren derselben sich darauf be-
schränken, den Torf zu stechen und herauszuheben, sind die neueren
mit Einrichtungen versehen, um die Fasern des herausgehobenen Torfes
mit Messern zu zerschneiden, die Masse — ähnlich wie es bei der
Back- und Streichtorfanfertigung durch Handarbeit geschieht — innig
durch einander zu mischen, in einzelnen Fällen auch wohl zu schläm-
men, wenn anorganische Beimengungen entfernt werden sollen, und
dann entweder unter mässigem Drucke in Stücke zu formen (Presstorf)
oder nach vorausgegangener Beimengung von Wasser auf einem Trocken-
felde gleichmässig auszubreiten, so dass dann später, wie bei der Hand-
arbeit, die einzelnen Stücke daraus geschnitten werden (Maschinenback-
torf). Hinsichtlich der Einrichtung dieser verschiedenen Maschinen muss
auf die unten gegebene Literatur verwiesen werden.


Vor dem Handtorfe zeichnet sich der mit Maschinen gewonnene
Torf (auch wohl Kunsttorf genannt) durch grössere Gleichmässigkeit
und Festigkeit aus, welche letztere den Transport auf grössere Ent-
fernungen ohne Gefahr für starke Verluste ermöglicht; vor dem gewöhn-
lichen Streichtorfe besitzt der Presstorf den Vorzug einer grösseren
Dichtigkeit (wodurch nicht nur ebenfalls der Transport erleichtert,
sondern auch die Verbrennung der gleichen Menge Torf auf einen
kleineren Raum beschränkt ist) und einer verringerten hygroskopischen
Beschaffenheit.


Die Zusammensetzung der reinen Torfsubstanz (excl. Wasser und
Asche) ist nach dem verschiedenen Alter des Torfes verschieden, beträgt
jedoch durchschnittlich:


  • Kohlenstoff   60 Proc.
  • Wasserstoff   6 „
  • Sauerstoff und Stickstoff   34 „

Ein Umstand, welcher sich der Verwendung des Torfes in solchen
Fällen, wo es sich um Hervorbringung hoher Temperaturen handelt,
hemmend entgegenstellt, ist sein beträchtlicher Wassergehalt und sein
oft sehr ansehnlicher Aschengehalt. Der Wassergehalt des frischen (nicht
getrockneten) Torfes pflegt mindestens 80 Proc. zu betragen; an der
Luft gut getrockneter Torf enthält gewöhnlich noch 25 Proc. Wasser;
durch Trocknen bei 100°C. lässt sich allerdings auch dieses Wasser
bis auf kleine Mengen austreiben, der gedarrte Torf aber nimmt, sobald
er der Luft ausgesetzt ist, rasch wieder die vorige Menge Wasser auf,
eine Eigenschaft, die er mit dem gedarrten Holze theilt. Bei Erhitzung
über 120°C. beginnt bereits die Zersetzung.


Der Aschengehalt des Torfes beträgt allerdings in einzelnen seltenen
Fällen nur 0.5 Proc. und man nennt diejenigen Torfe, deren Aschen-
gehalt unter 5 Procent bleibt, aschenarme; häufiger noch sind die-
jenigen mit 5—10 Proc. Asche (mittlerer Aschengehalt), und nicht selten
kommt ein Aschengehalt bis 20 Proc. und darüber vor (aschenreiche
Torfe). Steigt jedoch der Gehalt über 25 Proc., so dürfte es kaum mög-
lich sein, ihn als Brennstoff zu verwenden.


Die Asche besteht gewöhnlich zum grössten Theile aus Kiesel-
säure, Eisenoxyd, Thonerde und Kalk mit kleineren Mengen Alkalien,
Magnesia, Phosphorsäure. Der Phosphorsäuregehalt geht selten über
[37]Die Torfkohle.
2 Proc. des Aschengewichtes hinaus und beträgt häufig erheblich
weniger.


Die Wärmeleistung der reinen Torfsubstanz lässt sich ungefähr zu
5300 W.-E. annehmen, während gewöhnlicher lufttrockener Torf mit
mittlerem Aschengehalte höchstens 3500 W.-E. zu liefern im Stande
ist. Nach Versuchen von Brix verdampft 1 kg Torf mit 8—10 Proc.
Asche und 25 Proc. Wasser bei der Heizung eines Dampfkessels etwa
1.2 mal so viel Wasser als Holz; nimmt man also die Wärmeleistung
dieses letzteren, wie oben mitgetheilt, zu 2900 W.-E. an, so würde die
Wärmeleistung des Torfes ca. 3500 W.-E. betragen.


Um den Torf auch für solche Zwecke verwendbar zu machen, wo
eine höhere Verbrennungstemperatur Bedingung ist, insbesondere also
auf Eisenhüttenwerken, unterwirft man ihn zur Austreibung seines
Wassergehaltes einem Trocknungsprocesse (Darren) bei etwa 100°C. in
ähnlichen Darrkammern als für das Trocknen des Holzes benutzt werden.
Die Form derselben und die Einrichtung zum Heizen ist ziemlich
mannigfaltig; nähere Angaben hierüber findet der Leser in den unter
„Literatur“ aufgeführten Werken von Hausding und Birnbaum.


Dass der gedarrte Torf rasch, d. h. noch warm, verbraucht werden
muss, wenn er nicht wieder Wasser anziehen soll, dass also die Darr-
vorrichtungen auch unmittelbar neben dem Verwendungsorte sich be-
finden müssen, wurde schon erwähnt.


4. Die Torfkohle.


Darstellung.

Durch Erhitzung des Torfes auf 200—300°C. wird unter Zer-
setzung der Torfmasse der Sauerstoff-, Wasserstoff- und Stickstoff-
gehalt nebst einem Theile des Kohlenstoffgehaltes ausgetrieben und es
hinterbleibt der Rest des Kohlenstoffes — allerdings nicht ohne kleine
Mengen auch der übrigen Bestandtheile der Torfmasse — nebst dem
Aschengehalte als Torfkohle zurück. Wie alle Kohle im eigentlichen
Sinne (Holzkohle, Koks), welche eine Zersetzung durch einfache Er-
hitzung nicht mehr erleiden kann, besitzt dieselbe die Eigenschaft, ohne
Flamme zu verbrennen und eine höhere Verbrennungstemperatur als
der rohe Torf zu entwickeln, bei dessen Verbrennung eine reichliche
Menge Wasser gebildet wird. Für viele, insbesondere für manche metal-
lurgische, Zwecke ist sie deshalb besser als dieser geeignet.


Die Herstellung der Torfkohle geschieht in ähnlicher Weise als die
der Holzkohle.


a) Meilerverkohlung.

Die Meiler werden in ähnlicher Weise hergestellt und betrieben
als bei der Holzverkohlung, und man unterscheidet auch hier stehende
Meiler von paraboloidischer Form und liegende Meiler oder Haufen.
Das Verfahren besitzt jedoch im Vergleiche mit der Meilerverkohlung
des Holzes mancherlei Nachtheile. Wie das Holz schwindet der Torf
beim Verkohlen; aber bei der geringen Grösse der einzelnen in dem
Meiler befindlichen Torfstücke ist die Zahl der hierbei entstehenden
[38]Die Brennstoffe.
Zwischenräume zwischen denselben weit beträchtlicher, ein Ausfüllen
derselben während der Verkohlung schwieriger, als bei der Darstellung
von Holzkohlen; der Torfmeiler schwindet ungleichmässig und die
Wartung desselben ist noch umständlicher als diejenige des Holz-
kohlenmeilers.


Die Zeitdauer des Betriebes eines Torfmeilers von etwa 80 cbm
Inhalt pflegt ungefähr 14 Tage, das Ausbringen an Gewicht durch-
schnittlich 30 Proc., an Rauminhalt 60 Proc. zu sein.


b) Ofenverkohlung.

In Rücksicht auf die soeben geschilderten Uebelstände der Meiler-
verkohlung, sowie auf den Umstand, dass die Verkohlungsöfen bei der
Gewinnungsstätte des Torfes selbst aufgestellt werden können, der bei
der Verkohlung des Holzes in Oefen erforderliche und kostspielige
Transport also wegfällt, findet die Anwendung von Oefen für die Torf-
verkohlung häufiger als bei der Verkohlung des Holzes statt. Es giebt
zahlreiche Ofensysteme für diesen Zweck, welche sich sämmtlich nicht
unwesentlich von den oben beschriebenen Holzverkohlungsöfen unter-
scheiden.


Einzelne dieser Oefen haben die Form eines senkrecht stehenden
Schachtes, nach oben sich etwas erweiternd, unten durch einen Rost
geschlossen (Wagenmann’s Ofen), und die Verkohlung schreitet von
oben nach unten hin fort, damit nicht durch die Schwindung der ver-
kohlenden Torfstücke Unregelmässigkeiten herbeigeführt werden. Da
aber bei dieser Einrichtung doch eine theilweise Verbrennung der
oberen Torfstücke unvermeidlich ist, hat man bei anderen derartig
geformten Oefen die Gichtöffnung durch einen luftdicht verkitteten
Deckel verschlossen und durch ein in dem letzteren befestigtes Rohr
Gase aus einem Generator in den Ofen geleitet, welche hier durch
zugeführte Luft verbrannt werden (Schenk’s Ofen). Bei neueren
Einrichtungen, welche auf derselben Idee wie der zuletzt erwähnte
Ofen fussen, benutzt man gusseiserne Cylinder als Oefen, von denen
mehrere um ein gemeinschaftliches, von einem Gasgenerator kommen-
des Gaszuleitungsrohr gruppirt sind. Die Gase werden bereits inner-
halb dieses Rohres mit der Verbrennungsluft gemischt, welche in rings
um die Feuerung herum angeordneten Kanälen vorgewärmt wird, und
gelangen alsdann durch gleichmässig vertheilte Oeffnungen am oberen
Rande in den eigentlichen Ofen, ziehen durch die Torfsäule hindurch
nach unten und verlassen den Ofen, mit den Destillationsgasen ver-
mischt, durch untere Oeffnungen, die auch hier rings herum am Rande
vertheilt sind. Der Boden des Ofens besteht aus einem Schieber,
durch dessen Oeffnen die Entleerung bewirkt wird (Ofen von Hall
und Bainbridge). Die Verkohlungszeit in einem solchen Ofen ist
12 Stunden.


Auch überhitzten Wasserdampf hat man zur Verkohlung des Torfes
angewendet. Der Verkohlungsofen von Barff und Thursfield besteht
aus liegenden schmalen Kammern, in welche der überhitzte Dampf
geleitet wird, nachdem der Torf auf eisernen Wagen hineingebracht
worden ist. Nach Beendigung der Verkohlung werden die Wagen sofort
[39]Die Torfkohle.
in einen, auf einer Schiebebühne stehenden, Blechkasten entleert,
welcher alsbald luftdicht verschlossen und mit seinem Inhalte einer
mehrstündigen Abkühlung unterworfen wird, damit nicht die heisse
Torfkohle unter der Einwirkung der atmosphärischen Luft sich ent-
zünde. Nach Versuchen, welche zu Wörschach angestellt wurden 1),
scheint es jedoch, als fände hierbei nur eine theilweise Zersetzung der
Torfmasse statt; die dort dargestellte Torfkohle enthielt noch 30 Proc.
brennbare Gase.


Das Ausbringen an Torf in den Verkohlungsöfen ist günstiger als
in Meilern und beträgt bei Anwendung lufttrockenen Torfes durch-
schnittlich 40 Proc. des ursprünglichen Gewichtes, in Wörschach bei
Darstellung halbverkohlten Torfes 45 Proc. Selbstverständlich spielt der
Aschengehalt des Torfes hierbei ebenfalls eine Rolle; da derselbe unver-
ändert bleibt, so werden aschenreichere Torfe auch ein scheinbar
grösseres Ausbringen geben als aschenarme.


c) Retortenverkohlung.

Auch für dieses Verfahren sind mannigfache Ofenconstructionen,
sowohl mit stehenden als liegenden Retorten, in Anwendung gebracht
worden. Mit der Retortenverkohlung des Holzes theilt dieses Verfahren
den Uebelstand ziemlich hoher Betriebskosten, welche nicht allein durch
die complicirtere Einrichtung der Oefen, sondern hauptsächlich auch
durch den hohen Brennstoffaufwand zum Heizen derselben (25—30 Proc.
von dem zu verkohlenden Torfe) hervorgerufen werden; anderntheils
aber ist der Werth der entstehenden Destillationserzeugnisse (Theer und
Ammoniakwasser) ein verhältnissmässig geringer, und hierdurch wird die
hauptsächlichste Veranlassung zur Anwendung des Verfahrens hinfällig.


Eigenschaften der Torfkohle.

In ihrem Aeusseren zeigen die Torfkohlen die Structur des be-
nutzten Torfes, sind leicht, schwammig. Eine gute, für metallurgische
Zwecke brauchbare Torfkohle lässt sich nur aus gepresstem Maschinen-
torf darstellen; Stechtorf würde nur äusserst leichte, geringwerthige
Kohlen zu liefern im Stande sein. Die schon erwähnte schwache Seite
der meisten Torfsorten, ihr grosser Aschengehalt, tritt natürlicherweise
noch empfindlicher in der Torfkohle zu Tage, in welcher der gesammte
Aschengehalt unverändert zurückbleibt, in einer kleineren Menge brenn-
barer Substanz sich vertheilend. Aus diesem Grunde pflegt man über-
haupt nur die besten, aschenarmen Torfe der Verkohlung zu unter-
ziehen.


Wie die Holzkohle enthält die Torfkohle noch gewisse Mengen
Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff und absorbirt beim Lagern Gase
und Feuchtigkeit. Die Zusammensetzung einer guten Torfkohle lässt
sich durchschnittlich annehmen zu


[40]Die Brennstoffe.
  • Kohlenstoff   70
  • Wasserstoff   2
  • Sauerstoff und Stickstoff   11
  • Feuchtigkeit   12
  • Asche   5,

ihre Wärmeleistung zu etwa 6300 W.-E.


1 cbm aschenarme Torfkohle wiegt 230—250 kg, aschenreiche
300—350 kg.


5. Die Braunkohle.


Dieselbe, aus Pflanzenresten der Tertiärzeit bestehend, bildet den
jüngsten der eigentlichen mineralischen Brennstoffe und zerfällt ihrem
Aeusseren wie ihrer chemischen Zusammensetzung nach in verschiedene
Unterabtheilungen.


a) Lignite oder fossiles Holz.

Diese Braunkohlenart zeigt noch deutlich die Structur des Holzes,
aus dem sie entstanden ist. Offenbar waren es Baumstämme, durch
die theilweise eingetretene Zersetzung gebräunt und durch die auf ihnen
lastenden Schichten theilweise zerdrückt, denen sie ihr Entstehen ver-
dankt; sie lassen sich spalten und wie gewöhnliches Holz verbrennen.


Die chemische Zusammensetzung der eigentlichen Braunkohlen-
masse der Lignite schwankt innerhalb folgender Grenzen:


  • Kohlenstoff   57—67 Proc.
  • Wasserstoff   6— 5 „
  • Sauerstoff und Stickstoff   37—28 „

Die kohlenstoffärmsten, wasserstoff- und sauerstoffreichsten Lignite
sind die am wenigsten zersetzten.


Ein grosser Uebelstand dieser Braunkohlenart ist ihr beträchtlicher
Wassergehalt, welcher bei der frisch geförderten Kohle kaum unter
30 Proc., mitunter bis zu 50 Proc. beträgt und natürlich den Brenn-
werth sehr abmindert. Nun lässt sich allerdings ein grosser Theil dieses
Wassergehaltes durch Lagern der Kohle an der Luft entfernen; hierbei
aber entsteht ein anderer Uebelstand: die Kohle zerfällt beim Trocknen
zu Pulver und eignet sich in dieser Form für sehr viele Zwecke weniger
gut als in grösseren Stücken.


Die Wärmeleistung der reinen Kohlenmasse beträgt ca. 5500 W.-E.,
während die wirklichen Kohlen wegen ihres Wasser- und Aschen-
gehaltes kaum mehr als 3400 W.-E. zu liefern im Stande sein dürften.


Der Aschengehait ist in allen Fällen bedeutender als der des frischen
Holzes und pflegt mindestens 4 Proc. zu betragen, steigt aber in ein-
zelnen Fällen bis zu 15 Proc. und darüber.


1 cbm Lignite wiegt 550—750 kg, je nachdem der Wasser- und
Aschengehalt kleiner oder grösser ist.


b) Erdige Braunkohlen, Moorkohlen.

Weiche, zerreibliche Masse, aus der Zersetzung niedriger Pflanzen
(wie der Torf) hervorgegangen. Wie die Lignite ist sie reich an Wasser,
[41]Die Braunkohle.
mitunter auch reich an Asche und steht in ihrem chemischen Verhalten
jenen sehr nahe. Wegen ihres dichten, erdigen Zustandes besitzt sie
für metallurgische Zwecke nur geringe Bedeutung.


c) Eigentliche Braunkohlen.

Im Aeusseren unterscheiden sich dieselben von den vorstehend
besprochenen Sorten durch ihre grössere Festigkeit und Härte, ihren
muscheligen Bruch, ihre grössere Beständigkeit an der Luft. In
chemischer Beziehung zeichnen sie sich vor jenen durch einen grösseren
Kohlenstoffgehalt und geringeren Wassergehalt aus; Eigenschaften, welche
ihnen einen entsprechend höheren Brennwerth verleihen. Ihre Farbe
ist braun bis schwarz, der Strich braun. Eine besondere, seltener vor-
kommende Abart derselben, ausgezeichnet durch besonders hohen
Kohlenstoff- und Wasserstoffgehalt bei geringem Sauerstoffgehalte, durch
leichte Entzündbarkeit und lange rauchende Flamme, wird bituminöse
Braunkohle, fette Braunkohle, Schweelkohle genannt.


Die reine Kohlensubstanz dieser Braunkohlensorten enthält:

Bei der Erhitzung entweichen 50—60 Proc. flüchtige Körper und
es hinterbleiben 50—40 Proc. Kohle.


Der Wassergehalt geht selten über 10 Proc. hinaus, der Aschen-
gehalt pflegt mindestens 3 Proc. zu betragen, steigt aber bei einzelnen
Sorten bis auf das 10fache dieser Menge. Häufige Beimengungen sind
Schwefel und Schwefelkies; Phosphate dagegen finden sich auch in der
Asche selten in erheblichen Mengen.


Die Wärmeleistung der reinen Kohlenmasse beträgt — abweichend
nach der chemischen Zusammensetzung — 7000—8000 W.-E.; diejenige
der wirklichen Kohlen (wasser- und aschenhaltig) durchschnittlich
5500 W.-E.


1 cbm Braunkohlen in mittelgrossen Stücken wiegt ca. 700 kg.


Auf zahlreichen Eisenwerken bildet diese Art der Braunkohlen ein
geschätztes Brennmaterial für verschiedene Zwecke.


Eine Verkohlung der Braunkohlen ist verschiedentlich versucht
worden, liefert aber wegen der Eigenschaft der Braunkohlen, beim
Erhitzen zu zerfallen, nur unbefriedigende Ergebnisse. Mitunter hat
man aus diesem Grunde die verkohlte pulverförmige Braunkohle als
Zusatzmaterial bei der Verkohlung (Verkokung) gewisser Steinkohlen-
arten verwendet, welche wegen ihrer backenden Eigenschaft als Binde-
mittel für die Braunkohlen zu dienen befähigt sind. Einestheils werden
jedoch die örtlichen Verhältnisse, insbesondere die Preise der beiden
zu vereinigenden Materialien, nur ausnahmsweise solche sein, dass dieses
Verfahren auch ökonomisch vortheilhaft erscheinen kann, anderntheils
lässt auch — so weit die bis jetzt erlangten Erfolge reichen — die
Güte der hierbei erhaltenen Kohlen (Koks) doch mancherlei zu wünschen
übrig. Sie sind zerreiblich und ertragen keinen Transport auf weitere
Strecken.


[42]Die Brennstoffe.

6. Die Steinkohle und der Anthracit.


Diese, für die gesammte Metallurgie höchst wichtigen Brennstoffe
treten in den oberen primären und unteren secundären Erdformationen,
vorwiegend aber in der nach ihnen benannten Steinkohlenformation in
oft mächtigen Flötzen auf, die sich, wie z. B. in Nordamerika, über
Hunderte von Quadratmeilen ausdehnen und nicht selten mehr als 15 m
Mächtigkeit erreichen.


Von den ihnen an Alter nachstehenden Braunkohlen unterscheiden
sie sich äusserlich durch ihre schwarze Farbe (nur wenige Braunkohlen-
arten besitzen ebenfalls eine so dunkle Farbe), schwarzes Strichpulver,
grösseres specifisches Gewicht, beim Erhitzen durch einen erheblich
grösseren Destillationsrückstand. Die Textur des Holzes, aus dem be-
kanntlich auch die Steinkohlen ursprünglich entstanden, ist nicht mehr
erkennbar.


Unter sich aber zerfallen die Steinkohlen wieder in eine Reihe
verschiedener Arten, welche in physikalischer wie in chemischer Hinsicht
ganz erhebliche Unterscheidungsmerkmale besitzen. Verfolgt man diese
Arten von denjenigen an, welche in ihrer Beschaffenheit den Braun-
kohlen am nächsten stehen, bis zu den Anthraciten hin, welche ihnen
am wenigsten ähnlich sind, in der Reihenfolge, wie sie unten gegeben
ist, so sieht man eine stete Zunahme des Kohlenstoffgehaltes unter ent-
sprechender Abnahme des Wasser- und Sauerstoffgehaltes; infolge davon
wird der Rückstand beim Erhitzen immer beträchtlicher 1), die Ent-
zündlichkeit geringer, die Flamme beim Verbrennen, welche durch ent-
weichende und verbrennende Kohlenwasserstoffe wie durch Kohlenoxyd
gebildet wird, immer kleiner, aber die Wärmeleistung des Brennstoffes
grösser, und erst bei der kohlenstoffreichsten Sorte, dem Anthracit, tritt
wieder eine Verringerung der letzteren ein. Eine eigenthümliche und
für viele Verwendungen wichtige Eigenschaft zeigen die mittleren Glieder
der Reihe: sie nehmen beim Erhitzen eine klebrige, teigartige Beschaffen-
heit an, sie backen. Sowohl denjenigen Arten, welche den Braun-
kohlen nahe stehen, als auch den anthracitartigen fehlt diese Eigenschaft;
den ersteren wegen eines zu reichlichen Sauerstoffgehaltes, den letzteren
wegen zu beträchtlichen Kohlenstoffgehaltes.


Die chemische Zusammensetzung · der reinen Steinkohlenmasse
sämmtlicher Steinkohlen bewegt sich innerhalb folgender Grenzen:


  • Kohlenstoff   75—93
  • Wasserstoff   6— 4
  • Sauerstoff und Stickstoff   19— 3.

Der Destillationsrückstand beträgt 50—90 Proc., die Menge der
entweichenden flüchtigen Erzeugnisse demnach 50—10 Proc.


[43]Die Steinkohle und der Anthracit.

Der hygroskopische Wassergehalt der Steinkohlen ist bedeutend
geringer als der aller übrigen natürlichen Brennstoffe und geht selten
über 5 Proc. hinaus; der Aschengehalt beträgt bei den besseren Kohlen
0.5—7 Proc. (selten weniger als 4 Proc.), bei mittleren 7—14 Proc., bei
aschenreicheren noch mehr. Die Analyse der Asche zeigt einen Kiesel-
säuregehalt von durchschnittlich 50 Proc., Eisenoxyd und Thonerde in
oft erheblichen Mengen, Kalk mitunter bis 20 Proc., kleine Mengen
Alkalien, Phosphorsäure bis zu 1.5 Proc. und Schwefelsäure, aus der
Zersetzung von Schwefelkies bei der Verbrennung hervorgegangen und
an Kalk gebunden. Hinderlich für die Verwendung mancher Stein-
kohlen ist ihr beträchtlicher Schwefelgehalt, von eingelagerten Kiesen
herrührend, welcher mitunter 3 Proc., nicht selten 2 Proc. des Stein-
kohlengewichtes ausmacht. Auch Arsen, Zink, Blei finden sich in
kleineren Mengen.


Für die Eintheilung der Steinkohlen sind im Laufe der Jahre eine
grössere Zahl verschiedener Gesichtspunkte aufgestellt worden. In
Folgendem ist die von Gruner entwickelte Eintheilungsmethode benutzt
worden, welche unter allen übrigen die zutreffendste sein dürfte. Dass
in der Praxis einzelne Fälle auftreten können, wo die physikalischen
Eigenschaften der Kohle nicht so, wie es nach Gruner’s Eintheilung
der Fall sein müsste, mit der chemischen Zusammensetzung beziehent-
lich dem Verhältnisse des Destillationsrückstandes zu den flüchtigen
Destillationserzeugnissen übereinstimmen, lässt sich freilich nicht in
Abrede stellen.


a) Langflammige Sandkohlen.

Sie sind im Aeusseren gekennzeichnet vornehmlich durch ihre
lange Flamme, auf einen grossen Gehalt flüchtiger brennbarer Substanzen
deutend, den verhältnissmässig geringen Rückstand bei der Destillation
(höchstens 60 Proc.) und die Eigenschaft dieses Rückstandes, die
ursprüngliche Form beizubehalten, ohne im Mindesten zu backen.
Grössere Stücke zerspringen wohl oder werden rissig, klare Kohle bleibt
in allen Fällen pulverförmig.


Ihre chemische Zusammensetzung zeigt gewöhnlich folgende Werthe:


  • Kohlenstoff   75 —80 Proc.
  • Wasserstoff   5.5— 4.5 „
  • Sauerstoff und Stickstoff   19.5—15.5 „

Der Destillationsrückstand beträgt 50—60 Proc., die flüchtigen Er-
zeugnisse 50—40 Proc.


Die Wärmeleistung der reinen Kohlenmasse beträgt 8000 bis
8500 W.-E., ihre Verdampfungsfähigkeit 6.7—7.5 kg Wasser (nach
Scheurer-Kestner und Meunier).


1 cbm dieser Kohlen wiegt ca. 700 kg.


In Deutschland finden sich diese Kohlen oder Uebergänge derselben
zu der nächsten Gattung in den oberen Schichten der Kohlenbecken
Oberschlesiens, in geringeren Mengen bei Saarbrücken; Grossbritannien
besitzt wichtige Vorkommnisse derselben in Schottland, wo sie im un-
verkohlten Zustande als fast ausschliesslich benutzter Brennstoff beim
[44]Die Brennstoffe.
Eisenhochofenbetriebe Verwendung finden, ferner in Derbyshire, Stafford-
shire u. a. O.


Eine vorzugsweise in sächsischen Steinkohlenflötzen auftretende
Abart dieser Kohlengattung ist die Russkohle, durch ihre tiefschwarze
Farbe, ihre Zerreiblichkeit, faserige Structur und ihren geringen Gehalt
an Wasserstoff gekennzeichnet, welcher oft weniger als 3 Proc. beträgt,
während der Kohlenstoffgehalt entsprechend höher ist (76—82 Proc.).


b) Langflammige Backkohlen.

Sie brennen wie die vorigen Kohlen mit langer und rauchender
Flamme; beim Erhitzen aber verändern die Bruchstücke ihre Form,
schmelzen und backen aneinander, ja, eine grössere Zahl kleinerer
Stücke vereinigt sich förmlich zu einem Ganzen. Uebergänge zwischen
dieser und der vorhergehenden Kohlengattung, welche zwar nicht völlig
erweichen und ihre ursprüngliche Form beibehalten, doch aber Neigung
zeigen, zusammen zu fritten, heissen Sinterkohlen.


Die chemische Zusammensetzung dieser Kohlen beträgt etwa:


  • Kohlenstoff   80 —85 Proc.
  • Wasserstoff   5.8— 5 „
  • Sauerstoff und Stickstoff   14.2—10 „ ,

der Destillationsrückstand 60—68 Proc., die entweichenden flüchtigen
Körper 40—32 Proc. Die erfolgende Gasmenge ist geringer als bei den
langflammigen Sandkohlen, aber die Leuchtkraft des erfolgenden Gases
bedeutender, und es bilden deshalb diese Kohlen das vornehmste Material
zur Leuchtgaserzeugung (Gaskohlen), wobei die Kohle durch Er-
hitzung in Retorten zersetzt und das entweichende Gas, nachdem es
verschiedene Reinigungsapparate zum Zurückhalten des Theers, Wassers,
der Kohlensäure wie der Schwefelverbindungen durchströmt hat, im
Gasometer aufgesammelt wird, während ein poröser Koks in den
Retorten zurückbleibt.


Die Wärmeleistung der reinen Kohlenmasse beträgt nach Scheurer-
Kestner
und Meunier 8500—8800 W.-E., ihre Verdampfungsfähigkeit
7.6—8.3 kg Wasser.


1 cbm grossstückiger langflammiger Backkohlen wiegt 700—750 kg.


Diese Kohlengattung kommt innerhalb Deutschlands vorzugsweise
in Oberschlesien, in Westfalen und bei Saarbrücken vor; sie ist ferner
in Frankreich ziemlich häufig (Kohlenbecken von Pas-de-Calais und
Loire), wird in Belgien im Becken von Mons gewonnen und in Gross-
britannien bei Newcastle wie in Schottland.


c) Gewöhnliche Backkohlen.

Dieselben sind etwas schwieriger entzündlich als die beiden vor-
stehend besprochenen Gruppen, und brennen mit nicht ganz so langer,
aber weniger rauchender Flamme. Beim Erhitzen verhalten sie sich
den langflammigen Backkohlen ganz ähnlich, nur tritt bei ihnen jene
kennzeichnende Eigenthümlichkeit aller Backkohlen durchschnittlich in
noch stärkerem Maasse zu Tage, sie schmelzen wie Harz und blähen
sich dabei infolge der Gasentwickelung stark auf. Diese stark backende
[45]Die Steinkohle und der Anthracit.
Eigenschaft erhebt diese Kohlen — welche übrigens zur Gaserzeugung,
zur Koksdarstellung und zu mannigfachen anderen Zwecken ebenfalls
Verwendung finden — zu einem ganz besonders geeigneten Materiale
für den Betrieb von Schmiedefeuern, wobei kleinstückige Kohlen dieser
Art (unter der Benennung Schmiedekohlen in den Handel gebracht)
oberhalb des zu erhitzenden Eisenstückes aufgeschüttet werden, hier
alsbald zusammenbacken und solcherart eine zusammenhängende Decke
bilden. Von Zeit zu Zeit stösst der Schmied die Decke ein, schüttet
von oben her frische Kohlen nach, und bewirkt auf diese Weise, dass
nur glühende und bereits entschwefelte Kohlen mit dem Eisen in
unmittelbare Berührung treten.


Die Zusammensetzung dieser Kohlen bewegt sich gewöhnlich inner-
halb folgender Grenzen:


  • Kohlenstoff   84—89 Proc.
  • Wasserstoff   5— 5.5 „
  • Sauerstoff und Stickstoff   11— 5.5 „

Der Destillationsrückstand beträgt 68—74 Proc., während 32 bis
26 Proc. flüchtige Körper entweichen.


Die Wärmeleistung der reinen Kohlensubstanz beträgt nach
Scheurer-Kestner und Meunier 8800—9300 W.-E. Die Ver-
dampfungsfähigkeit nach Brix 8.5—9.2 kg Wasser.


1 cbm Kohlen wiegt 750—800 kg.


Die in Rede stehenden Backkohlen bilden wichtige Vorkommnisse
am Niederrhein und in Westfalen (z. B. bei Essen und Bochum), in
Belgien, Frankreich, England.


d) Kurzflammige Backkohlen.

Zerreiblich, schwerer verbrennlich als die vorausgehend besprochenen,
mit kurzer, leuchtender, wenig rauchender Flamme verbrennend. Bei
der Erhitzung blähen sich diese Kohlen zwar noch auf und backen
zusammen, hinterlassen aber einen dichteren Rückstand als die gewöhn-
lichen Backkohlen. Je mehr sie sich in ihrer Beschaffenheit der
folgenden Gattung nähern, desto weniger leicht findet das Backen statt.
Ebenso verliert sich die backende Eigenschaft dieser Kohlen mehr und
mehr, wenn sie längere Zeit hindurch an der Luft lagern; es findet
hierbei ein theilweiser Zersetzungsprocess statt, welcher eine Ver-
flüchtigung derjenigen Bestandtheile bewirkt, auf denen die backende
Eigenschaft beruht.


Die chemische Zusammensetzung beträgt:


  • Kohlenstoff   88 —91 Proc.
  • Wasserstoff   5.5— 4.5 „
  • Sauerstoff und Stickstoff   6.5— 4.5 „ ,

der Destillationsrückstand 74—82 Proc., die Menge der verflüchtigten
Bestandtheile 26—18 Proc.


Diejenigen Kohlensorten, deren Zusammensetzung der zweiten
Vertikalreihe entspricht, bilden bereits die Uebergänge zu der nächsten
Gattung und backen nur schwierig.


Unter allen Kohlengattungen besitzen die kurzflammigen Backkohlen
[46]Die Brennstoffe.
die grösste Wärmeleistung, nämlich 9300—9600 W.-E. bei einer Ver-
dampfungsfähigkeit von durchschnittlich 9.7 kg Wasser.


Die hauptsächlichsten Gewinnungsbezirke dieser Kohlen sind in
Deutschland Westfalen und der Niederrhein, in Frankreich die Gegend
bei Creusot, St. Etienne, Gard u. a. O., in Belgien bei Charleroy, in
England in Südwales, besonders die Gegend bei Cardiff.


e) Anthracitische oder magere Kohlen und Anthracite.

Dieselben besitzen gewöhnlich geringe Festigkeit, sind schwer ent-
zündlich, verbrennen mit kurzer, fast rauchloser Flamme, welche bald
erlischt, und zerspringen im Feuer öfter in Stücke, wodurch ihre Ver-
wendung erschwert wird.


Beim Erhitzen hinterbleibt ein wenig zusammenhängender, oft
pulverförmiger Rückstand; sie backen so wenig wie die zuerst be-
sprochenen langflammigen Sandkohlen.


Die Zusammensetzung ist ungefähr folgende:


  • Kohlenstoff   90 —95 Proc.
  • Wasserstoff   4.5— 2 „
  • Sauerstoff und Stickstoff   5.5— 3 „

Destillationsrückstand 82—92 Proc., verflüchtigte Bestandtheile 18 bis
8 Proc.


Die Wärmeleistung schwankt zwischen 9200—9500 W.-E.; die Ver-
dampfungsfähigkeit ist 9—9.5 kg Wasser.


Diese Kohlen gehören zu den selteneren Vorkommnissen. In
Deutschland finden sie sich bei Aachen und an einigen Stellen West-
falens; in Frankreich am nördlichen Rande des Beckens von Valen-
ciennes und einigen anderen Orten, in Belgien bei Charleroy, in England
bei Merthyr Tydwill. Man benutzt sie hier mehr zur Dampfkessel-
und Hausfeuerung, wozu sie durch ihre fast rauchfreie Verbrennung
sich empfehlen, als für eigentlich metallurgische Zwecke. Wichtiger
sind die Vorkommnisse Nordamerikas (Pennsylvaniens), wo diese Kohlen
einen Flächenraum von ca. 120000 ha bedecken und in reichen Mengen
gewonnen werden. Der ziemlich geringe Aschengehalt und sehr
unbedeutende Feuchtigkeitsgehalt der dortigen Anthracite 1) stellt sie
hinsichtlich der chemischen Zusammensetzung den besseren Kokssorten
zur Seite und macht sie geeignet, nöthigenfalls an Stelle der letzteren
als Brennstoff beim Hochofenbetriebe benutzt zu werden; allerdings
besitzen sie den Koks gegenüber den grossen Nachtheil, beim Erhitzen
in Stücke zu zerspringen und sehr schwer verbrennlich zu sein, zwei
Eigenschaften, welche unverkennbar ihre Verwendung für den genannten
Zweck wie für andere Processe erschweren.


[47]Die Aufbereitung der Steinkohlen.
Die Aufbereitung der Steinkohlen.

Der Umstand, dass der hohe Aschen- und insbesondere der
Schwefelkiesgehalt mancher Steinkohlen ihre Verwendbarkeit sowohl für
die unmittelbare Verbrennung als auch vorzugsweise für die Herstellung
von Koks — verkohlten Steinkohlen — ganz erheblich beeinträchtigt,
führte schon in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts zu Versuchen,
die Steinkohlen durch Aufbereitung auf mechanischem Wege von einem
Theile jener fremden Beimengungen zu befreien; und die schon seit
früherer Zeit betriebene Aufbereitung der Erze, besonders der Blei- und
Silbererze, zeigte naturgemäss den Weg für die Aufbereitung der Stein-
kohlen. Eine der ersten Aufbereitungsanstalten dieser Art wurde 1830
im Plauenschen Grunde bei Dresden angelegt; bald folgten andere
Kohlenwerke dem gegebenen Beispiele. Eine ausgedehntere Anwendung
jedoch fand die Steinkohlenaufbereitung erst seit den sechziger Jahren,
nachdem die von Jahr zu Jahr zunehmende Anwendung von Koks für
den Hochofenbetrieb der Aufgabe, aschenarme Koks darzustellen, eine
grössere Wichtigkeit als zuvor verliehen hatte.


Die Aufbereitung wird entweder unmittelbar auf der Kohlengrube,
nicht selten aber auch auf dem Eisenwerke vorgenommen. Sie beruht
im Wesentlichen auf dem physikalischen Gesetze, dass Körper von
annähernd gleicher Korngrösse im Wasser um so rascher zu Boden
sinken, je grösser ihr specifisches Gewicht ist, und dass mithin, wenn
man Körper von verschiedenem specifischen Gewichte, aber gleicher
Korngrösse, im Wasser sinken lässt, sie sich in horizontalen Lagen
gemäss dem Unterschiede ihrer specifischen Gewichte von einander
sondern werden. Bei der Behandlung der Steinkohlen in dieser Weise
werden mithin die specifisch schwereren „Berge“, d. h. die beigemengten
fremden Gesteine zu unterst und die eigentlichen Kohlen zu oberst zu
liegen kommen und sich solcherart von einander sondern lassen. Wendet
man jedoch hierbei nicht ruhig stehendes Wasser an, sondern führt
man den niederfallenden Körpern einen aufsteigenden Wasserstrom ent-
gegen, so wird dadurch die Geschwindigkeit der fallenden Körper um
so mehr verlangsamt werden, je grösser die Geschwindigkeit des Wassers
ist; ja, durch entsprechende Regelung dieser Wassergeschwindigkeit wird
man im Stande sein, den leichteren Bestandtheilen des zu sortirenden
Gemisches, in diesem Falle also den Kohlen, eine mit dem Wasserstrome
aufsteigende Bewegung zu ertheilen und sie von dem Wasser fort-
führen zu lassen, um sie an einer anderen Stelle aufzufangen, während
die schwereren Bestandtheile, die Berge, nach wie vor ihre Bewegung
abwärts, dem Wasserstrome entgegen, beibehalten.


Setzt man endlich Körper von verschiedenem specifischen Gewichte,
aber gleicher Grösse, der Einwirkung eines horizontal oder mit schwacher
Neigung abwärts bewegten Wasserstromes aus, so sinken innerhalb des
Stromes zunächst die schwereren Bestandtheile, dann allmählich in
grösserer Entfernung von der ersten Stelle auch die leichteren zu Boden;
und wenn die Geschwindigkeit des Stromes allmählich sich verringert
und seine Tiefe ausreichend gross ist, so werden schliesslich auch die
feinsten Mehle aus demselben abgeschieden werden.


[48]Die Brennstoffe.

Die Geschwindigkeit des Niederfallens im Wasser ist jedoch, wie
schon angedeutet wurde, nicht allein von dem specifischen Gewichte,
sondern auch von der Grösse und Form der einzelnen Körner abhängig.
Solche Körner, welche im Wasser mit gleicher Geschwindigkeit herab-
sinken, heissen gleichfällig. Alle gleichfälligen Körner zusammen
bilden eine Sorte, alle gleich grossen eine Classe. Die Trennung
nach den verschiedenen Sorten wird durch Setzen bewirkt, d. h. durch
die geschilderte Einwirkung des ruhig stehenden, aufsteigenden oder
fliessenden Wassers auf die zu sortirenden Körner, wobei diese in ver-
schiedenen Lagen sich in dem Wasser absetzen. Die sämmtlichen zur
Durchführung dieser Arbeiten erforderlichen Apparate bilden zusammen
die Wäsche; das Verfahren der Trennung brauchbarer Bestandtheile
von den unbrauchbaren im Allgemeinen heisst die Separation.


Damit aber in der Wäsche die Aufgabe, eine möglichst vollkommene
Trennung der Berge von den Kohlen zu bewirken, gelöst werden könne,
ist es, wie schon gesagt, erforderlich, dass die zu trennenden Körper
annähernd gleiche Korngrösse besitzen. Je grösser das einzelne Stück
ist, desto rascher sinkt es im Wasser zu Boden oder desto grösser muss
die Geschwindigkeit des aufsteigenden Wasserstromes sein, um es eben-
falls aufwärts zu bewegen; wollte man also Gemenge von sehr ver-
schiedener Korngrösse in dieser Weise behandeln, so würden die
specifisch schwereren kleineren und die specifisch leichteren grösseren
Stücke mit einander niederfallen und eine Trennung der verschiedenen
Bestandtheile nicht erreicht werden.


Die Geschwindigkeit v, mit welcher ein Körper von der unregel-
mässigen Form, wie sie die Kohlenstücke zu besitzen pflegen, im ruhig
stehenden Wasser niederfällt, oder welche das aufsteigende Wasser
besitzen muss, um sein Niederfallen zu verhindern, ist nach Rittinger1)
,
in welcher Formel


D den Durchmesser einer Sieböffnung bezeichnet, durch welche
der betreffende Körper hindurchfallen kann; und


δ das specifische Gewicht desselben angiebt.


Diese Formel bestätigt in bündiger Form das Gesagte. Es ist
demnach erforderlich, die Steinkohlen, ehe sie durch Waschen gereinigt
werden können, einer Classirung, d. h. einer Sonderung nach der
Korngrösse zu unterwerfen. Da aber die einzelnen Kohlenstücke noch
um so mehr fremde Bestandtheile eingeschlossen enthalten, je grösser
sie sind, so ist es ferner erforderlich, eine Zerkleinerung der aus-
gesonderten grösseren, insbesondere auch der durchwachsenen, Kohlen-
stücke vorzunehmen; und die sämmtlichen, für die Aufbereitung der
Kohlen auszuführenden Arbeiten sondern sich deshalb in folgende drei
Gruppen:


  • 1) Zerkleinerung.
  • 2) Classirung.
  • 3) Sortirung (Waschen).

[49]Die Aufbereitung der Steinkohlen.

Selten jedoch oder niemals ist mit einer einmaligen Aufeinanderfolge
dieser Arbeiten schon der beabsichtigte Zweck erreicht. So z. B. pflegt
man schon vor der ersten Zerkleinerung eine Sonderung der gröberen
und der weniger groben Stücke vorzunehmen; nach einmaliger Zer-
kleinerung werden dann die gröberen und feineren Stücke abermals ge-
schieden, aus den gröberen aber bisweilen die besonders durchwachsenen
ausgesucht, um nochmals zerkleinert zu werden; u. s. f. Das aus den
ersten Setzapparaten abfliessende Wasser (die Trübe) enthält grössere
Mengen feiner Kohlentheilchen, welche aus demselben abgeschieden
werden müssen, theils um noch nutzbar gemacht zu werden, theils um
das Wasser aufs neue verwendbar für die Wäsche zu machen; von den
gleichfälligen Bergen lässt sich dann diese Feinkornkohle wieder durch
Classirung trennen; so zeigt die Einrichtung und der Betrieb einer
Kohlenwäsche ein oft recht complicirtes Ineinandergreifen zahlreicher
Arbeiten.


Die Zerkleinerung.

Man benutzt für dieselbe eine der folgenden Maschinen.


Walzwerke. Die zu zerkleinernde Kohle wird zwischen zwei
benachbarte, in entgegengesetzter Richtung sich drehende gusseiserne
Walzen mit horizontalen Achsen geschüttet, vermöge der stattfindenden
Reibung zwischen denselben hindurchgeführt und dabei auf die dem
Abstande der Walzenoberflächen von einander entsprechende Korngrösse
zerkleinert. Die Einrichtung der Kohlenwalzwerke im besondern stimmt
ziemlich genau mit der Einrichtung der unten beschriebenen und ab-
gebildeten Eisensteinswalzwerke überein.


Man pflegt Vor- oder Grobwalzwerke, zum Zerkleinern der
Kohlen vor dem Waschen dienend, und Nach- oder Feinwalzwerke
anzuwenden, welche zum Zermahlen der bereits gewaschenen für die
Verkokung bestimmten Kohlen bestimmt sind. Erstere pflegen gerippte
(cannelirte), letztere glatte Walzen zu erhalten. Der Durchmesser der
Vorwalzen beträgt bis 1 m, das Verhältniss der Länge derselben zum
Durchmesser 0.7—1; die Nachwalzen pflegen kleiner im Durchmesser
zu sein (0.6—0.7 m), während ihre Länge dem Durchmesser annähernd
gleich ist. Ein grösseres Vorwalzwerk zerkleinert per Stunde ca. 300 Ctr.
trockene Kohle und gebraucht dazu einen Arbeitsaufwand von ungefähr
4½ Pferdestärken.


Kohlenmühlen. Innerhalb eines cylindrischen Gusseisengehäuses
mit senkrechter Achse und einem Durchmesser von ca. 1 m bei 0.4 bis
0.5 m Höhe dreht sich ein kegelförmiger, ebenfalls gusseiserner, Läufer.
An der Innenfläche des Gehäuses und der Aussenfläche des Läufers
sind rippenförmige Zähne angegossen, welche etwas geneigt gegen die
Vertikale und zwar in entgegengesetzter Richtung angeordnet sind, so
dass die Richtung der Zähne des Läufers die Richtung der anderen
Zähne unter einem spitzen Winkel kreuzt; auch ist die Länge der
einzelnen Zähne nicht gleich, so dass nur einzelne bis zum oberen
Rande hinaufreichen, während sie unten sämmtlich in derselben Horizon-
talebene endigen. Da die Vorderflächen der Zähne sich, je weiter nach
unten, desto mehr nähern, so werden die dazwischen gebrachten Kohlen
Ledebur, Handbuch. 4
[50]Die Brennstoffe.
bei der Drehung des Läufers allmählich zermalmt und verlassen
schliesslich die Mühle in derjenigen Korngrösse, welche dem Spielraume
zwischen beiden Zahnreihen entspricht. Das Ganze hat, wie man sieht,
grosse Aehnlichkeit mit der Einrichtung und Wirkungsweise einer ge-
wöhnlichen Kaffeemühle. Die Leistung der Kohlenmühlen ist eine
ziemlich beträchtliche. Nach v. Kerpely vermag eine Mühle mit einer
Oberfläche des Läufers von 2 qm bei 9 Umgängen per Minute stündlich
400 Ctr. gemahlenes Haufwerk zu liefern; als ein besonderer Vortheil
wird gerühmt, dass der Staubfall geringer, das Korn der zerkleinerten
Kohlen gleichmässiger sei als in Walzwerken.


Backenquetschen (Steinbrecher). Da auch diese Maschinen,
wie die Walzwerke, bei der Besprechung der Aufbereitung der Eisen-
erze ausführlicher besprochen werden, so kann hinsichtlich ihrer Ein-
richtung auf das dort Gesagte Bezug genommen werden. Wie für
Erzzerkleinerung finden sie auch in den Kohlenwäschen neuerdings eine
häufige und befriedigende Verwendung. Sie gewähren den Vortheil,
dass man im Stande ist, auch grössere Stücke ohne vorausgehendes
Zerschlagen zu zerkleinern; dass der Staubfall ein sehr geringer, ihre
Leistungsfähigkeit eine sehr bedeutende ist, während Reparaturen nur
selten erforderlich sind.


Schleudermühlen (Desintegratoren).1) Zwei parallele Guss-
eisenscheiben drehen sich um horizontale Achsen in entgegengesetzter
Richtung. Jede dieser Scheiben trägt zwei in concentrischen Kreisen
angeordnete Reihen von Stahlstäben, welche der andern Scheibe zu-
gekehrt sind und bis fast an dieselbe hinanreichen; die Durchmesser
der einzelnen Kreise sind so gewählt, dass immer eine Reihe Stäbe der
einen Scheibe zwischen zwei Reihen der benachbarten Scheibe zu liegen
kommt und somit alle vier Reihen sich immer abwechselnd in entgegen-
gesetzter Richtung drehen. Die Drehungsgeschwindigkeit der Maschine
ist eine ziemlich bedeutende (ca. 20 m per Secunde in der äussersten
Stabreihe); trifft nun ein Stück des zu zerkleinernden Materiales, welches
innerhalb des kleinsten Ringes, in der Nähe der Achse, eingeworfen
wird, auf die erste Reihe der Stäbe, so erhält es hier einen kräftig
wirkenden Schlag, wird mit der empfangenen Geschwindigkeit gegen
die zweite in umgekehrter Richtung laufende Reihe geschleudert u. s. f.,
bis es alle vier Reihen durchlaufen hat und dabei infolge der statt-
gehabten Einwirkungen in kleinere Stücke zertheilt worden ist.


Die Schleudermühlen sind nur zum fernern Zerkleinern solcher
Stücke geeignet, welche bereits früher eine gröbliche Zerkleinerung
erfahren hatten und dem Waschen unterworfen worden waren. Nach
v. Kerpely’s Angaben ist zum Betriebe einer Schleudermühle, welche
stündlich 50 Ctr. Mahlgut zu liefern hat, eine mechanische Arbeit von
10—12 Pferdestärken erforderlich, so dass sich eine erheblich ungünstigere
Ausnutzung der Arbeit als bei Walzwerken ergiebt.


[51]Die Aufbereitung der Steinkohlen.
Die Classirung.

Auch hierfür sind verschiedenartige Vorrichtungen in Anwendung.


Klaubtische und Lesebänder. Dieselben werden benutzt, wenn
aus den bereits classirten Kohlen noch einzelne grössere oder stark
durchwachsene Stücke von Hand ausgelesen werden sollen. Klaub-
tische sind langsam umlaufende Gusseisenscheiben, auf welche die noch
zu scheidenden Kohlen aufgestürzt werden, während die mit dem Aus-
klauben beschäftigten Arbeiter um den Rand her aufgestellt sind; die
ausgeklaubten Stücke werden durch Lutten in tiefer stehende Wagen
geworfen, die zurückgebliebenen schliesslich durch eine Abstreifvor-
richtung nach jeder Umdrehung des Tisches ebenfalls in einen Wagen
geschüttet.


Das Leseband ist ein aus Draht oder Hanf gefertigtes Band ohne
Ende von ca. 80 cm Breite, welches über zwei Trommeln mit horizon-
talen Achsen im Abstande von ca. 4.5 m geführt ist, während die
Trommeln sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 75 mm per Secunde
drehen und das Band mit derselben Geschwindigkeit fortbewegen.
Durch Rollen, welche zwischen beiden Trommeln und parallel zu den-
selben angeordnet sind, wird das Band gestützt. Seitlich von dem
Bande sind die zum Klauben bestimmten Arbeiter aufgestellt; die Kohlen
werden oberhalb der einen Trommel aufgestürzt, mit dem Bande langsam
vorwärts bewegt, und die zurückgebliebenen Stücke fallen schliesslich
bei der zweiten Trommel durch eine Lutte in den dafür bestimmten
Wagen.


Rätter. Man bezeichnet mit diesem Ausdrucke gitterartige oder
durchlochte Siebe von rechteckiger Grundfläche, unter einem Winkel von
5—20 Graden gegen die Horizontale geneigt und durch eine maschinelle
Vorrichtung in schüttelnde oder schwingende Bewegung versetzt, so dass
die Kohlen, welche auf der höchsten Stelle aufgeschüttet werden,
allmählich die schiefe Ebene hinabrutschen, während die feineren Stücke
zwischen den Stäben beziehentlich durch die Löcher des Siebes hindurch-
fallen. Bei dem Rätter von Briart stecken zwei Gitter ineinander,
das eine liegt fest, das andere schwingt an seinem oberen Ende um
eine horizontale Achse und wird dadurch abwechselnd über und unter
die Ebene des festliegenden geführt; bei einer von Lührig eingeführten
Form dieses Briart’schen Rätters (kurzweg Briart genannt) schwingen
beide Gitter abwechselnd.


Die Rätter werden gewöhnlich zur vorläufigen Sonderung der aller-
gröbsten Kohlenstücke von den übrigen benutzt; will man eine mehr-
malige Classirung damit herbeiführen, so ist natürlich für jede neue
Classe auch ein neues Rätter erforderlich (z. B. für in Summa drei
Classen gebraucht man zwei Rätter); verschiedene Rätter für dieselben
Kohlen pflegt man dann unter einander anzuordnen.


Trommeln (Separationstrommeln). Es sind dieses die allgemein
angewendeten Vorrichtungen, um die Kohlen in mehrere Classen zu
sondern, und sie kommen somit gewöhnlich nach den Rättern zur Ver-
wendung. Sie bestehen aus conischen oder cylindrischen, an beiden
Enden offenen Behältern, entweder aus Drahtgeflecht mit bestimmter
4*
[52]Die Brennstoffe.
Maschenweite oder der grösseren Haltbarkeit halber aus gelochtem
Eisenbleche gefertigt und um eine horizontale oder schwach geneigte
Achse gedreht, so dass hierbei die feineren Stücke durch die Oeffnungen
hindurchfallen. Obgleich — wenigstens bei den conischen Trommeln
und den horizontalen Trommeln mit geneigter Achse — die Vorwärts-
bewegung der Kohle schon durch ihr eigenes Gewicht auf der geneigten
Ebene bewirkt wird, so pflegt man doch zur besseren Regelung dieser
Bewegung im Innern der Trommeln eine oder auch zwei schrauben-
förmig gewundene Rippen aus gebogenem Winkeleisen zu befestigen,
so dass Schraubengänge entstehen, in denen die Kohle vorwärts gleitet.
Indem man nun jede Trommel ihrer Länge nach in mehrere Abtheilungen
mit verschiedenen Lochweiten eintheilt, erhält man beim einmaligen
Durchgange der Kohle durch die Trommel ebenso viele Classen als
Abtheilungen vorhanden sind.


Man pflegt Vortrommeln und Vertheilungstrommeln (letztere
auch wohl im engern Sinne als Classirtrommeln bezeichnet) anzu-
wenden. Die Vortrommeln, welche in Längen von 1.25—4 m bei 1 bis
2.5 m Durchmesser gefertigt werden, sondern die gröbsten Stücke von
den übrigen und diese häufig von der Staubkohle (bis zu 5 oder 6 mm
Durchmesser). Für letzteren Zweck ist dann um die eigentliche Trommel
herum und concentrisch zu derselben noch eine zweite, im Durchmesser
grössere, Trommel angeordnet, welche nur die Staubkohle hindurchfallen
lässt. Die Ablösung des an den grösseren Stücken haftenden Staubes
erleichtert man nicht selten durch Anwendung einer kräftig wirkenden
Brause, welche Wasser gegen die Trommeln ausströmt.


Die Vertheilungstrommeln sind mit so vielen Abtheilungen ver-
sehen, als Kohlenclassen für die Wäsche gebildet werden sollen; unter
jeder Abtheilung pflegt eine eigene Lutte angeordnet zu sein, welche
die durchfallende Kohle sofort ihrem Bestimmungsorte zuführt.


Aus dem Umstande, dass bei der Wäsche stets kleinere Körner
von grösserem specifischen Gewichte neben grösseren von geringerem
specifischen Gewichte niederfallen werden, sofern der Unterschied in
der Korngrösse über ein gewisses vom specifischen Gewichte abhängiges
Maass hinausgeht, lässt sich theoretisch die erforderliche Abstufung in
den Lochdurchmessern für die einzelnen Classen ableiten. Hat man
zwei Körner von den Durchmessern D1 und D2 und den verschiedenen
specifischen Gewichten δ1 und δ2, so ergiebt sich aus der auf S. 48
mitgetheilten Formel für die Geschwindigkeit derselben im Wasser das
Verhältniss für die Gleichfälligkeit:
.


Beträgt also das specifische Gewicht der Steinkohle 1.3, dasjenige
der verunreinigenden Bestandtheile 2, so würde
sein, d. h. der Durchmesser der grössten Steinkohlenstücke darf, wenn
die Setzarbeit ein befriedigendes Ergebniss liefern soll, höchstens 3.3 Mal
so gross sein als der kleinste Durchmesser der Berge, oder, mit anderen
[53]Die Aufbereitung der Steinkohlen.
Worten, die Lochweiten der Trommeln dürfen höchstens in dem Ver-
hältnisse 1 : 3.3 auf einander folgen. Die Rücksicht auf die Bestimmung
der Kohlenclassen spricht jedoch hierbei ebenfalls mit, und nicht selten
findet man deshalb eine weit umfänglichere Classirung als gerade für
die nachfolgende Sortirung unbedingt nothwendig sein würde. 1)


Die Sortirung oder das Waschen.

Die Setzsiebe. Dieselben bilden in allen Fällen die wichtigsten
Apparate zum Sortiren, wenn auch sie nicht selten noch durch andere,
unten erwähnte Vorrichtungen ergänzt werden. Sie bestehen im
Wesentlichen aus einem unter Wasser angeordneten Siebe zur Aufnahme
der zu waschenden Kohlen. Bei den meisten Setzmaschinen liegt das
Sieb fest, das Wasser wird von unten her stossweise in die Höhe ge-
drückt, hebt dabei die leichteren Kohlen empor und entführt sie
durch eine in der Seitenwand des Behälters angebrachte Oeffnung nach
einem Sammelbehälter, während die Berge auf dem Siebe zurückbleiben
(Siebsetzapparate). Das zurückbleibende Wasser tritt dann langsam
(um nicht saugend auf die gehobenen Kohlen zu wirken) zurück, um
nach Ergänzung des verbrauchten Wassers durch frisches einen neuen
Stoss auszuführen.


Bei einer anderen, weniger gebräuchlichen Gattung von Setzma-
schinen (Marsaut’s Kohlenwäsche) wird das Setzsieb selbst, nachdem
es mit Kohlen beladen ist, stossweise um mehrere Meter im Wasser
gesenkt, und die Körner sondern sich beim Niederfallen in einzelne
Lagen, welche dann, nachdem das Sieb wieder emporgehoben wurde,
durch eine Abstreichvorrichtung horizontal von demselben abgeschoben
werden (Stauchsiebwäschen).


Eine Setzmaschine der ersteren Gattung neueren Systemes (Lührig’s
Grobkornsetzmaschine) ist in Fig. 2 und 3 in 1/30 der wirklichen Grösse
abgebildet. Der aus Holzpfosten gezimmerte und mit hölzernem Ein-
satze versehene Kasten A von 2.56 m Länge, 0.8 m Breite, 1.5 m Höhe
ist in der Mitte seiner Länge durch eine Zwischenwand in zwei unten
verbundene gleich grosse Hälften getheilt, in deren einer sich der senk-
recht bewegliche Kolben a befindet, während die zweite das aus Eisen
gefertigte, von hölzernen Stäben getragene Sieb b enthält. Der Kolben
hängt an zwei gegabelten Stangen c c und ist somit, um eine sichere
Bewegung zu erhalten, im Ganzen an vier Punkten aufgehängt; von
der Welle g aus, welche durch einen Riemen von einer Haupttrans-
missionswelle aus angetrieben wird, empfangen die Kolbenstangen durch
Vermittelung einer an der Kurbelscheibe d (Fig. 3) befindlichen Kurbel-
warze, der Schubstange e und des Kniehebels f (Fig. 2) eine auf- und
abgehende Bewegung, und zwar infolge der Einschaltung eines besonderen,
in der Abbildung nicht erkennbaren, Mechanismus (Coulissenhebel oder
[54]Die Brennstoffe.
dergl.) zwischen Kurbelwarze und Schubstange raschen Niedergang und
langsamen Rückgang, wodurch das Wasser unter dem Kolben stossartig
über dem Siebe in die Höhe gedrückt wird, um dann langsam zurück-
zugehen. Die durch das Wasser emporgehobenen Kohlen treten mit
demselben durch den die ganze Breite der Vorderwand einnehmenden
Schlitz q aus dem Kasten aus, um hier in einer Trommel oder anderen
Vorrichtung aufgefangen und vom Wasser befreit zu werden; die Berge
sinken auf das Sieb zurück und fallen, wenn sie sich hier in genügender
Menge angesammelt haben, durch die Oeffnung i, deren Höhe durch
einen Schieber geregelt werden kann (Fig. 3), in den Bergetrog k, von
wo aus sie durch ein Schöpfrad m (ein an dem Umfange mit eisernen
Bechern versehenes Rad) emporgehoben und in die Lutte p geworfen

Figure 2. Fig. 2.


werden, während die in dem Bergetroge befindliche und mit ausge-
schöpfte Trübe durch Oeffnungen in den Wänden der Schöpfbecher
nach k zurückfliesst. Damit nicht Kohlenstücke mit in den Bergetrog
gelangen, ist die Oeffnung i durch einen Schirm n von oben her abge-
deckt. Für den Fall, dass die zu waschende Kohle mit durchwachsenen,
also specifisch schwereren Stücken vermischt ist, befindet sich der
Oeffnung i gegenüber, aber etwas höher als diese, eine zweite Oeffnung
l in der Wand des Setzkastens, durch welche die über den Bergen und
unter den reineren Kohlen liegenden durchwachsenen Stücke in den
Behälter o (Fig. 3) fallen, wo sie gesammelt werden, um später einer
wiederholten Zerkleinerung unterzogen zu werden.


[55]Die Aufbereitung der Steinkohlen.

Das bei jedem Hube der Maschine mit den Kohlen abfliessende
Wasser wird durch frisch zufliessendes ersetzt, dessen Menge durch
entsprechende Oeffnung des Zulassventiles v geregelt wird.


Durch die Oeffnungen des Setzsiebes hindurch gelangt ein Theil
der klaren Berge mit dem zurückfliessenden Wasser in den unteren
Theil des Setzkastens, sammelt sich hier an der tiefsten Stelle und wird
von Zeit zu Zeit durch Oeffnung des Ventiles o (Fig. 2) in ein unter
demselben befindliches Gerinne abgelassen.


Das Eintragen der zu waschenden Kohle geschieht, wie schon
früher bemerkt wurde, durch eine von der Vertheilungstrommel kom-
mende Lutte über den Rand des Kastens hinweg, und der Betrieb geht
ununterbrochen fort. Die Maschine macht 60—70 Hübe per Minute,

Figure 3. Fig. 3.


wobei durchschnittlich 150 Ctr. Kohle per Stunde gewaschen werden
können.


Ausser den Grobkornsetzmaschinen pflegt eine Kohlenwäsche einige
Feinkorn- oder Schlammkohlensetzmaschinen zu enthalten,
dazu bestimmt, den Kohlenstaub, welcher theils schon beim Classiren,
wie erwähnt, abgeschieden, theils aus der von den Setzkasten abfliessen-
den Trübe gesammelt wird, einem Reinigungsprocesse zu unterziehen.
Von den Grobkornsetzmaschinen unterscheiden sie sich im Wesentlichen
ausser durch geringere Abmessungen durch eine grössere Zahl Hübe
(130—175 per Minute) von sehr geringer Höhe (ca. 40 mm), so dass
nur eine schwache Bewegung des Wassers auf dem Siebe sichtbar
[56]Die Brennstoffe.
wird. Letzteres ist durch ein aus Stücken Feldspath oder Quarz ge-
bildetes Bett abgedeckt.


Auf ähnlichen Grundsätzen wie die Lührig’sche Kohlenwäsche
beruhen die schon älteren Wäschen von Rexroth, Sievers, Bérard
u. a. Eigenthümlich ist die Kohlenwäsche von Evrard, bei welcher
Dampfdruck statt des Kolbens auf die Wasseroberfläche wirkt; und die
Wäsche von Coppée, bei der eine Druckpumpe die Stelle des Kolbens
vertritt.


Spitzkästen. Diese durch Rittinger zuerst für die Erzauf-
bereitung eingeführten Apparate finden in neuerer Zeit ziemlich regel-
mässige Anwendung auch in den Kohlenwäschen, um aus der von den
Setzkästen abfliessenden Trübe die mitgenommenen feineren Kohlen-
stückchen abzuscheiden. Sie bestehen aus hölzernen Gefässen mit
schrägen Seitenwänden, unten in eine Spitze endigend, gewöhnlich einer
umgekehrten Pyramide ähnlich. An der tiefsten Stelle des Spitzkastens
ist ein verschliessbarer Auslass angebracht. Die Trübe fliesst von der
einen Seite über den Rand des Kastens ein, geht langsam durch den
Kasten hindurch, hierbei nach Maassgabe ihrer Geschwindigkeit sämmt-
liche gleichfällige Körner absetzend, welche an den schrägen Wänden
hinabrutschen und sich unten sammeln, und fliesst dann an der ent-
gegengesetzten Seite ab. Durch Vereinigung mehrerer Spitzkästen,
deren Grösse in der Richtung des Wasserstromes mehr und mehr
zunimmt (so dass die Geschwindigkeit des Wassers in jedem folgenden
Kasten langsamer wird), zu einem System lässt sich eine Sortirung der
Kohlen bewirken; in dem ersten Kasten werden die stärksten nieder-
fallen, in jedem folgenden eine klarere Sorte.


Gerinne, Flutherwäschen, Klärbassins. In allen diesen Vor-
richtungen findet gemäss dem oben geschilderten Verhalten fester Körper
im Wasser eine Ablagerung von Kohlenstückchen und gleichfälligen
Bergen in mehr oder minder langsam fliessenden, beziehentlich (bei den
Klärbassins) im stehenden Wasser statt. Die Gerinne und Flutherwäschen
können demnach bei ausreichender Länge wiederum als Mittel für die
Sortirung benutzt werden, da die mitgeführten Körner sich gemäss ihrer
Grösse und ihres specifischen Gewichtes in verschiedenem Abstande von
der Eintrittsstelle ablagern werden; Klärbassins haben den Zweck, der
zuletzt übrig gebliebenen Trübe die nöthige Ruhe zum Absetzen der
noch in ihr vorhandenen Schlammtheilchen zu gewähren und solcherart
das Wasser für die Benutzung bei den Setzkästen brauchbar zu machen.


Ausser den beschriebenen Vorrichtungen zum Zerkleinern, Classiren
und Sortiren bedarf eine Kohlenwäsche einer Anzahl maschineller Vor-
richtungen, um die ankommenden Wagen rasch zu entleeren, Kohlen
und Berge auf ein höheres Niveau zu heben u. s. f. Denn aus der
gegebenen Beschreibung der einzelnen Hauptvorrichtungen folgt schon,
dass für ein regelmässiges Zusammenwirken die Aufstellung derselben
in verschiedenen Höhenabtheilungen der Kohlenwäsche erforderlich ist;
die classirten Kohlen fallen durch eine Lutte abwärts nach den Setz-
apparaten, von hier geht es abermals abwärts nach den Spitzkästen
u. s. w. Einzelne der erfolgenden Kohlen müssen wieder an die hoch
[57]Die Aufbereitung der Steinkohlen.
gelegenen Zerkleinerungsapparate zurückbefördert werden, Berge müssen,
um auf die Halde gestürzt werden zu können, gehoben werden, u. s. w.


Für die Entleerung der Kohlenwagen dienen mechanische Kipp-
vorrichtungen, mit deren Hilfe der ankommende Wagen selbst gekippt
wird. Eine der üblichsten dieser Vorrichtungen ist der sogenannte
Kreiselwipper, bestehend aus einem Paar aufrecht stehender, paralleler,
starker Eisenringe in entsprechendem Abstande von einander, durch
Querschienen unter einander verbunden und auf vier Rollen ruhend.
Durch Handkurbel und Getriebe, oder, besser noch, von einer durch
Elementarkraft betriebenen Transmissionswelle aus durch Frictionsrollen
lässt sich der Kreiselwipper in langsame Drehung um seine, durch die
Mittelpunkte beider Ringe gehende Achse versetzen. Zuvor wird der
zu entleerende Förderwagen auf Schienen, welche von einem Ringe zum
andern hinüberführen, dazwischen geschoben und durch irgend eine
einfache Vorrichtung in seiner Stellung festgehalten, so dass er die
Drehung mitzumachen gezwungen ist.


Als mechanische Vorrichtungen zum Heben der Kohlen (Eleva-
toren
) pflegt man Becherwerke (Paternosterwerke) zu benutzen.
Jedes Becherwerk besteht aus zwei endlosen parallelen Ketten mit langen,
aus flachen Stäben gebildeten Gliedern. Oben und unten ist jede dieser
beiden Ketten über einen sechsseitigen Radstern geführt und beide zu
einander gehörigen Radsterne sind durch querlaufende Eisenstäbe in den
Ecken des Sechseckes zu einem Art Korbe verbunden. Von einer
Transmissionswelle aus wird die Achse eines der beiden Körbe in
Drehung versetzt, wodurch nunmehr auch beide Ketten umlaufende
Bewegung erhalten. Letztere aber sind durch Querstäbe am Ende jedes
Gliedes ebenso wie die Radsterne unter einander verbunden und an
jedem dritten Querstabe ist ein eiserner Becher von ca. 15—20 l Inhalt
angenietet, welcher die Bewegung der Ketten mitmacht, an der tiefsten
Stelle in die Aufschüttung der zu fördernden Körper eintaucht, sich
füllt, dann emporsteigt und an der höchsten Stelle beim Beginne des
Niederganges, welchen er natürlich in umgekehrter Stellung ausführt,
sich wieder entleert.


Die Art und Weise, wie die einzelnen Arbeiten einer Kohlenwäsche
ineinander greifen, wird am besten durch folgenden, von Kreischer
mitgetheilten, Stammbaum der Lührig’schen Kohlenwäsche beim
Brückenbergschachte zu Zwickau veranschaulicht (S. 58 u. 59).


Es ist leicht erklärlich, dass auch die sorgfältigste Aufbereitung
nicht im Stande ist, die Steinkohlen vollständig von ihrem Aschen-
gehalte zu befreien. Wie weit dieses möglich ist, hängt zum grössten
Theile von der Beschaffenheit der Kohle selbst sowie der begleitenden
fremden Körper ab. Eine stark durchwachsene Kohle und eine solche,
deren fremde Bestandtheile leicht Staubform annehmen, wird immer bei
der Aufbereitung einen grösseren Aschengehalt behalten. Als Beispiel
möge die Notiz einen Platz finden, dass in der erwähnten Wäsche des
Brückenbergschachtes der Aschengehalt einer aschenreichen Kohle mit
durchschnittlich 25 Proc. Asche auf 5—6 Proc. abgemindert wird, wobei
per Stunde 800 Ctr. Kohle gewaschen werden.


[58]Die Brennstoffe.

Fördermasse.


[59]Die Aufbereitung der Steinkohlen.
[60]Die Brennstoffe.

7. Der Koks.


Darstellung.

Beim Erhitzen der Steinkohle zum Glühen entweichen Wasser,
Kohlenwasserstoffe, Ammoniakwasser, Kohlensäure u. s. w., während der
Koks zurückbleibt. Schon die früheren Mittheilungen über die Eigen-
schaften der verschiedenen Steinkohlenarten lassen erkennen, dass diese
sich ziemlich abweichend bezüglich der Menge des bleibenden Rück-
standes verhalten, und es wurde auch bereits hervorgehoben, dass in
dieser Beziehung selbst zwei Steinkohlensorten, deren chemische Zu-
sammensetzung scheinbar ganz die nämliche ist, doch ein verschiedenes
Verhalten zeigen können. Ein Umstand, welcher bei der Verkokung
noch ganz besonders in Betracht kommt, ist die Einwirkung, welche
die Structur der Steinkohlen durch das Verkoken erleidet. Während
einzelne Kohlen, wie erwähnt, mürbe werden, Risse bekommen oder
wohl gar pulverförmig zerfallen (Sandkohlen) oder doch ihre Form
unverändert beibehalten (anthracitische Kohlen), erweichen andere,
backen oder schmelzen förmlich zusammen und blähen sich dabei mehr
oder weniger auf, je nach der Menge der entweichenden flüchtigen
Erzeugnisse und der Eigenthümlichkeit ihres Aggregatzustandes in der
Wärme. Diese den Backkohlen zukommende Eigenthümlichkeit gewährt
nun nicht allein die Möglichkeit, Kohlen, welche in kleinstückigem Zu-
stande gewonnen wurden, zu grossstückigen, festen Koks zu ver-
arbeiten, sondern, was noch erheblich wichtiger ist, sie giebt uns
ein Mittel, selbst aus aschenreichen Steinkohlen noch ver-
hältnissmässig aschenarme Koks darzustellen, indem man
sie zerkleinert und einem Waschprocesse, wie oben be-
schrieben wurde, unterwirft
.


Aus diesem Grunde bilden die backenden Kohlen, nachdem sie in
der erwähnten Weise aufbereitet wurden, das vorwiegend benutzte
Material für die Verkokung. Anderntheils ist das Ausbringen an Koks,
wie sich aus früheren Mittheilungen über die Eigenschaften der Stein-
kohlenarten ergiebt, um so reichlicher, der Verkokungsprocess also um
so lohnender, je näher die backenden Kohlen in ihren Eigenschaften
den anthracitischen Kohlen stehen; d. h. die kohlenstoffreicheren und
gasärmeren Kohlen (kurzflammige Backkohlen, S. 45) eignen sich in
ökonomischer Beziehung besser für den Verkokungsprocess als die,
freilich besser backenden, aber gasreicheren gewöhnlichen Backkohlen
(S. 44) und langflammigen Backkohlen. Aber auch die Eigenschaften
des erfolgenden Koks sind von dem Verhalten der Steinkohle im Feuer
abhängig. Gasreiche, leicht backende Steinkohlen geben infolge ihres
starken Aufblähens poröse, specifisch leichte Koks, gasärmere Kohlen
geben dichte, specifisch schwerere Koks. Je poröser, specifisch leichter
der Koks ist, desto mehr neigt derselbe beim Verbrennen zur Kohlen-
oxydgasbildung, einen desto grösseren Raum nimmt er ein, desto grösser
ist mithin auch die Wärmeabgabe im Verbrennungsraume an die um-
gebenden Ofenwände u. s. w., desto niedriger seine Verbrennungstempe-
ratur, und desto leichter findet ein Zerdrücken oder Zerreiben des-
selben statt. Dichtere Koks sind, eben weil sie eine geringere Ober-
fläche darbieten, schwerer verbrennlich, neigen deshalb stärker zur
[61]Der Koks; Darstellung.
Kohlensäurebildung, liefern höhere Verbrennungstemperaturen und sind
widerstandsfähiger gegen mechanische Einflüsse. Aus diesen Gründen
zieht man dichtere Koks für die meisten Verwendungen den poröseren,
leichteren Koks vor, wenn auch nicht ausser Acht gelassen werden
darf, dass bei der Verwendung für einen reducirenden Schmelzprocess,
wie z. B. im Eisenhochofen, bei welchem aller freie Sauerstoff wie alle
Kohlensäure möglichst rasch durch Verbrennung von Kohle zu Kohlen-
oxyd zum Verschwinden gebracht werden muss, eine allzu grosse Dichtig-
keit des Brennstoffes keineswegs förderlich wirkt, sofern man nicht im
Stande ist, durch Gegenmittel — beim Eisenhochofen Anwendung stark
erhitzten Windes — der stärkeren Neigung des dichten Brennstoffes zur
Kohlensäurebildung entgegen zu wirken.


Auch aus diesem Grunde, d. h. wegen der dichteren Beschaffen-
heit der erfolgenden Koks, zieht man im Allgemeinen die gasärmeren,
weniger gut backenden Kohlen den gasreicheren als Material für den
Verkokungsprocess vor. Je schwieriger aber die Steinkohle backt, desto
höher muss die Temperatur bei der Verkokung sein, und desto schneller
muss der Verkokungsprocess verlaufen, wenn brauchbare Koks erzielt
werden sollen; anderentheils werden auch aus gasreicheren, leicht backen-
den Steinkohlen noch verhältnissmässig dichte Koks erfolgen können,
wenn die Zersetzung nicht allzu beschleunigt verläuft, und wenn wäh-
rend derselben die Kohlen einem starken Drucke ausgesetzt werden,
unter welchem der räumliche Inhalt der entweichenden Gase ent-
sprechend verringert wird.


Es folgt hieraus, dass die Regelung des Verkokungsprocesses, ins-
besondere die Wahl des anzuwendenden Apparates, grossentheils von
der Beschaffenheit der zu verwendenden Steinkohlen abhängig sein
muss; und anderentheils, dass man oft im Stande sein wird, durch
Vermischung mehrerer Steinkohlensorten — schlecht backender, kohlen-
stoffreicher mit gut backenden, gasreicheren — ein geeigneteres Material
für die Verkokung zu gewinnen, als es eine einzelne der vorhandenen
Sorten zu liefern vermag. Auch diese innige Vermischung verschiedener
Sorten wird natürlich durch den feinstückigen Zustand erleichtert, in
welchem die aufbereiteten Kohlen zur Verkokung gelangen.


Wie bei der Verkohlung des Holzes, des Torfes u. s. w. unter-
scheidet man bei der Verkokung der Steinkohlen Meiler- und Ofen-
verkokung
.


Die Meilerverkokung ist die älteste Methode und der Holz-
verkohlung in Meilern nachgeahmt. Sie gestattet selbstverständlich nicht
die Anwendung feinstückiger, also aufbereiteter Steinkohlen; zur Durch-
führung derselben muss, wie bei der Meilerverkohlung des Holzes, ein
Theil der Kohlensubstanz selbst verbrannt werden, und das Ausbringen
ist deshalb ungünstig. Es erklärt sich hieraus, dass diese Methode nur
noch verhältnissmässig selten — in England und an einigen Orten Ober-
schlesiens — und nur da in Anwendung ist, wo aschenarme, billige
Kohlen zur Verwendung stehen. In Oberschlesien (Königshütte, Borsig-
werk u. a. a. O.) verkokt man in dieser Weise jene a. S. 43 erwähnten, an
flüchtigen Körpern reichen Sinterkohlen und stellt daraus brauchbare
[62]Die Brennstoffe.
Koks für Schachtofenbetrieb dar, für welchen die rohen Kohlen eben jenes
Gehaltes an flüchtigen Körpern halber weniger geeignet sein würden.


Unter den verschiedenen Verkokungsöfen tritt uns als die ein-
fachste Form unter dem Namen Schaumburger Ofen eine Ein-
richtung entgegen, welche man sich als eine seitliche, oben offene, aus
Mauerwerk dargestellte Begrenzung eines liegenden Meilers mit lang-
gestreckter Grundfläche vorstellen kann. Die Wärme wird dadurch
besser zusammengehalten und der Zutritt der Luft regulirt, indem man
Oeffnungen in den Seitenwänden anbringt, die durch eingelegte Steine
nach Belieben geschlossen werden können. Auch für backendes Kohlen-
klein lassen sich diese Schaumburger Oefen verwenden, die übrigens
noch seltener als Meiler in Anwendung sind und mit diesen den Nachtheil
eines ziemlich geringen Ausbringens gemeinsam haben (60—65 Proc.).
Ihrer Einfachheit und billigen Herstellung halber bedient man sich ihrer
wohl, wo die Aufgabe vorliegt, rasch eine Einrichtung zur Verkokung
grösserer Kohlenmengen zu schaffen; so z. B. wurden erst im Jahre
1882 in Borsigwerk in Oberschlesien mehrere derartige Oefen gebaut.


Eine andere, aus älterer Zeit stammende Gattung von Verkokungs-
öfen pflegt man Bäckeröfen oder Backöfen zu nennen. Jeder dieser
Oefen bildet einen geschlossenen, oben überwölbten Raum von kreis-
runder oder gestreckter Grundform, unten mit einer oder zwei Thüren
zum Ein- und Ausbringen, oben mit einer Abzugsöffnung für die Gase
versehen. Der Ofen wird durch Verbrennung von Kohlen geheizt,
dann, wenn die Wände glühend geworden sind, mit Kohlen beschickt,
deren Zersetzung sofort beginnt. Die Thüren werden geschlossen und
man leitet nun durch Kanäle innerhalb des Ofengemäuers Luft in das
Innere über die Kohlen, um die sich entwickelnden Gase zu verbrennen
und hierdurch den Ofen in Gluth zu erhalten. Nach beendigter Ver-
kokung werden die Thüren geöffnet und die Koks mit der Krücke
herausgezogen, worauf der noch glühende Ofen sofort von Neuem ge-
füllt wird. Immerhin ist es unvermeidlich, dass neben den Gasen durch
die eintretende Luft auch ein Theil der Koks selbst verbrannt wird,
ja, sogar verbrannt werden muss, damit die erforderliche Temperatur
erzeugt werde; die Erhitzung aber bleibt bei dem beträchtlichen Ofen-
querschnitte trotzdem eine ziemlich ungleichmässige. Lässt man die
Gase ohne Weiteres aus dem Ofen austreten, so entwickeln sie beträcht-
lichen Rauch und belästigen die Umgebung. Es eignen sich diese
Bäckeröfen der geschilderten Eigenthümlichkeiten halber mehr für gut
backende, in niedriger Temperatur kokende, langflammige Kohlen als
für jene, welche, reich an zurückbleibendem Koks, schwierig backen
und einer hohen Temperatur für die Verkokung bedürfen. Während
sie früher vielfach in Anwendung standen, sind sie in neuerer Zeit,
besonders auf dem Continente, selten geworden; häufiger noch finden
sie sich in England, wo die Beschaffenheit der Steinkohlen ihre An-
wendung trotz des verhältnissmässig niedrigen Ausbringens und trotz
der keineswegs ganz gleichmässigen Beschaffenheit der erfolgenden Koks
rechtfertigen dürfte. Auch in Oberschlesien werden derartige Oefen
noch angetroffen (z. B. Redenhütte). An letztgenanntem Orte führt man
die aus den Oefen austretenden Gase nach höher liegenden Dampf-
[63]Der Koks; Darstellung.
kesseln, um sie hier durch frisch zugeführte Luft zu verbrennen, macht
sie in dieser Weise nutzbar und verhindert die lästige Rauchent-
wickelung.


Bäckeröfen mit kreisrundem Querschnitte und gewölbter Decke
pflegt man in England ihrer Form halber „Bienenkörbe“ (beehives) zu
nennen.


Während bei diesen Bäckeröfen und auch bei den oben erwähnten
Schaumburger Oefen die Erhitzung von innen durch die hier bewirkte
Verbrennung der Gase und eines Theiles der Kohlen stattfindet, befolgt
man bei allen neueren Verkokungsöfen die Regel, den Ofen von
aussen zu erhitzen, indem man die aus demselben bereits ausge-
tretenen Gase in Kanälen ringsum den Ofen herumführt und hier ver-
brennen lässt.


Es ist leicht zu erkennen, dass diese Methode ungleich günstigere
Erfolge liefern muss; der Ofen besteht aus einer Retorte, welche von
aussen geheizt wird, die Kohlen selbst der Einwirkung der Luft ziem-
lich vollständig entziehend, und nur die sonst unbenutzten Gase bilden
den Brennstoff. Damit aber die von aussen bewirkte Erhitzung bis in
das Innere des Ofens (der Retorte) vordringe und möglichst gleich-
mässig sei, dürfen die Wände nicht allzu stark, der Querschnitt des
Ofens nicht allzu breit und das Verhältniss zwischen der für die Er-
hitzung vorhandenen feuerberührten Aussenfläche zu dem räumlichen
Inhalte möglichst reichlich sein; je höher die erforderliche Temperatur,
je schwieriger backend also die zu verkokende Steinkohle ist, in desto
grösserem Umfange müssen jene Bedingungen erfüllt werden.


Regelmässig vereinigt man bei diesen neueren Ofensystemen eine
grössere Zahl einzelner Oefen zu einem gemeinschaftlichen Ganzen
(einer Batterie), mitunter derartig, dass die Gase zweier oder noch
mehrerer Oefen zur gemeinschaftlichen Heizung derselben vereinigt
werden. In allen Fällen werden durch eine solche Anordnung die An-
lagekosten ermässigt und die Wärmeausnutzung wird begünstigt.


Die Achse der einzelnen Oefen ist senkrecht oder — in den bei
weitem zahlreicheren Fällen — wagerecht. Bei senkrechter Achse ist
der Ofen oben und unten durch einen Deckel beziehentlich eine Klappe
geschlossen, die Füllung geschieht von oben, die Entleerung von unten;
bei wagerechter Achse befinden sich zwei oder mehr Füllöffnungen im
Scheitel des Gewölbes, welches den Ofen von oben abschliesst, die beiden
Stirnflächen aber sind durch eiserne, entweder zum Aufziehen ein-
gerichtete oder in Thürangeln sich drehende Thüren geschlossen, und
die Entleerung wird bewirkt, indem ein eiserner, dem Querschnitte des
Ofens entsprechend geformter Kolben (Schild) vermittelst Zahnstange
und Getriebe durch die eine Thür in den Ofen hineingedrückt wird,
und so das ganze, den inneren Ofenraum ausfüllende Koksprisma vor
sich her und aus der entgegengesetzten Thür hinausschiebt. Von der
Einrichtung dieser Koksausdrückmaschinen wird unten ausführlicher
die Rede sein.


Vielfach ist man neuerdings bemüht gewesen, die bei der Ver-
kokung sich bildenden Nebenerzeugnisse — Ammoniakwasser und Theer
— zu gewinnen und nutzbar zu machen. Henry Simon berechnete,
dass allein bei den englischen Eisenwerken, welche alljährlich ca. 7 Mill.
[64]Die Brennstoffe.
Tonnen Koks verbrauchen, durch die Gewinnung jener Nebenerzeug-
nisse eine jährliche Ersparniss von 27 Millionen Mark zu erzielen sein
werde (per Tonne Koks 140 kg Ammoniakwasser à 100 kg 2—2.5 ℳ.
und 33 kg Theer à 100 kg 3,8 ℳ.). Allerdings ist hierbei nicht ausser
Acht zu lassen, dass die Ausbeute an jenen Nebenerzeugnissen nach
der Beschaffenheit der zur Verkokung gelangenden Kohlen eine sehr
verschiedene sein wird, wie die früher mitgetheilten Ziffern (S. 43—46)
beweisen, und dass sie gerade bei denjenigen Kohlen am geringsten
ausfällt, welche sich am besten zur Darstellung dieser Koks eignen.
Ganz allgemein wird auch die Menge des erfolgenden Theeres um so
geringer sein, je stärker der Ofen erhitzt wird, da erfahrungsmässig
Theerbildung in hoher Temperatur, welche zerlegend auf Kohlenwasser-
stoffe unter Abscheidung von Graphit und Bildung von leichtem Kohlen-
wasserstoffgase (C H4) einwirkt, eingeschränkt wird.


Figure 4. Fig. 4.

Mehrfach scheiterten derartige Versuche an der Beeinträchtigung
der Koksqualität durch die Entziehung jener Nebenerzeugnisse; erst
in der neuesten Zeit, seitdem der Bedarf an letzteren nicht nur erheb-
lich gestiegen ist, hat man auch auf Eisenwerken angefangen, der Ge-
winnung derselben eine höhere Bedeutung beizumessen. Die aus dem
Ofen austretenden Gase werden dabei nach einer Condensationsvorrich-
[65]Der Koks; Darstellung.
tung, gewöhnlich einem durch Wasser gekühlten Rohrsysteme, geführt,
in welchem Ammoniakwasser und Theer verdichtet werden, um dann
erst nach dem Ofen zurückgeleitet und hier verbrannt zu werden. Je
weniger brennbare Gase überhaupt aus der Steinkohle entweichen, desto
empfindlicher wird sich allerdings der hierbei eintretende Wärmeverlust
für die Durchführung des Processes wie für die Qualität der Koks
bemerklich machen.


Gemäss der Einrichtung der Verkokungsöfen im Besonderen giebt
es eine ziemlich grosse Anzahl sogenannter Koksofensysteme, von denen
einige der wichtigeren nachfolgend beschrieben werden sollen.


a) Senkrechte Oefen.

Appolt’s Verkokungsofen. Derselbe, aus dem Jahre 1854 stam-
mend, bildet die älteste und noch jetzt am häufigsten benutzte Art der
Verkokungsöfen mit stehenden Kammern. Die Abbildungen Fig. 4 und 5
zeigen die Einrichtung
dieses Ofens. Zwölf, oder
bei einigen Anlagen acht-
zehn, vierseitige Oefen
oder Kammern a a von
rechteckiger Grundfläche
und schlank pyramidaler
Form sind von einem ge-
meinschaftlichen Rauh-
gemäuer umgeben. Die
Höhe der einzelnen Kam-
mern beträgt incl. des
oberen, durch Uebertre-
ten der letzten sechs Stein-
schichten sich stark ver-
engenden Halses 5 bis
5.25 m, die Breite und
Länge der Grundfläche
ca. 0.43 × 1.26 m, des
Ofenquerschnittes unter-
halb des Halses 0.29 ×
1.12 m und der quadra-
tischen Gichtöffnung 0.29
× 0.29 m. Die Kammern
werden aus feuerfesten,
besonders dafür geform-
ten Steinen mit grosser
Sorgfalt gemauert und
unter einander der grösse-

Figure 5. Fig. 5.


ren Standfestigkeit halber durch Bindesteine c c, welche von einer Kam-
mer zur andern hinübergehen, mit einander verbunden. Die langen
Seitenwände der Kammern ruhen auf eisernen Trägern, deren Enden in
den Pfeilern des Rauhgemäuers aufliegen und ausserdem durch gemauerte
Bogen gestützt werden; solcherart ist unter jeder der beiden Reihen ein
Ledebur, Handbuch. 5
[66]Die Brennstoffe.
durch den ganzen Bau hindurchführender Gang von ca. 1.8 m Höhe
gebildet, von welchem aus die Bedienung der Kammern von unten,
insbesondere die Entleerung derselben erfolgt. Die Gichtöffnung jeder
Kammer wird während des Betriebes durch einen aufgelegten und mit
Chamottemasse gut verstrichenen Deckel verschlossen gehalten; der Boden
besteht aus einer eisernen Klappe, welche durch eine Aufschüttung von
125—130 kg Kokslösche vor dem Verbrennen geschützt wird, und durch
deren Oeffnung man die Entleerung der Kammern in bereitstehende
Wagen bewirkt. Die geneigte Form der Seitenwände der Kammern
befördert hierbei das Herausstürzen der Koks, und die gusseisernen
Rutschplatten n n führen die herausstürzenden Massen unmittelbar in
die Wagen.


Die in der Kammer entwickelten Gase treten durch Spalten e e aus,
welche, gewöhnlich in zwei Reihen übereinander, in geringer Höhe
(0.6 m) oberhalb des Bodens angebracht sind, so dass die Gase die ganze
Kohlensäule durchdringen müssen, ehe sie die Kammer verlassen kön-
nen. Gewöhnlich sind 18 solcher Spalten in jeder Kammer, und zwar
vorwiegend an den beiden breiten Seiten angeordnet (an jeder Breit-
seite 7, an jeder schmalen 2). In dem oberen Theile der Kammern,
und zwar 1.5 m unter der Füllöffnung, befinden sich zwar ebenfalls
einige Oeffnungen, werden aber fast nur beim Anheizen benutzt und
später durch eingelegte Steine geschlossen.


Die austretenden Gase vereinigen sich nun in den zwischen den
einzelnen Kammern und rings um dieselben herum angeordneten Kanälen,
um hier durch Zuführung atmosphärischer Luft, welche theils von unten
her durch die Oeffnungen f f, theils durch seitliche Oeffnungen im Rauh-
gemäuer zugeführt wird, verbrannt zu werden. Von hier aus ent-
weichen die Verbrennungsgase durch Kanäle f (drei an jeder Langseite
des Ofens), welche in horizontalen Kanälen c sich vereinigen, sowie
durch ebensolche, aber von einem höheren Niveau ausgehende Kanäle
h (Fig. 4), die sich ebenfalls oben in Horizontalkanälen vereinigen, nach
den beiden Schornsteinen k k. Durch Register R ist der Zug in den
Kanälen regulirbar.


Wie bei allen Verkokungsöfen beginnt der Betrieb des Appolt’-
schen Ofens mit dem Erhitzen der Kammern bis zum Glühen; dann
wird gefüllt, und nun kann der Betrieb ununterbrochen fortgehen, indem
man sofort nach beendigter Entleerung einer Kammer dieselbe von
Neuem füllt. Der Einsatz in jede Kammer pflegt 1200—1400 kg zu
betragen.


Die Appolt’schen Oefen gewähren den Vortheil einer sehr grossen
Heizfläche im Verhältnisse zu dem räumlichen Inhalte, wie sich leicht
aus dem Umstande erklärt, dass jede Kammer vollständig mit Aus-
nahme der beiden Stirnflächen vom Feuer umgeben ist. Nach einer von
Dürre angestellten Berechnung beträgt die Innenfläche der Kammer
per cbm Rauminhalt 6—7 qm, nach Kerpely die Heizfläche per 100 kg
des Einsatzes mehr als 1 qm, in jedem Falle ist das Verhältniss der
Innen- beziehentlich Heizfläche zum Inhalte fast doppelt so gross als
bei allen Oefen mit wagerechter Achse. Das Kohlenprisma ist mit Aus-
nahme der beiden schmalen Stirnflächen vollständig dicht von dem
Mauerwerk eingeschlossen, wodurch nicht nur die Wärmeabgabe be-
[67]Der Koks; Darstellung.
günstigt, sondern auch die Verbrennung der Kohle nach Möglichkeit
beschränkt ist. Der Process verläuft infolge hiervon rasch, der Ofen
ist auch zum Verkoken magerer Kohlen geeignet und das Ausbringen
ist ein günstiges. Diesen unleugbaren Vortheilen aber stehen nicht
allzu leicht wiegende Nachtheile gegenüber. Hierher gehört vor allen
Dingen die hohe Summe der Anlagekosten, welche nach einer Berech-
nung von Gillon, bezogen auf die Leistung an erzeugten Koks, 5/3
bis doppelt so gross ist als bei allen liegenden Oefen. 1) Ferner ist die
Ausführung der Reparaturen schwierig, und besonders nachtheilig hier-
bei ist der Umstand, dass der ganze Ofen kalt gelegt werden muss,
wenn auch nur an einigen Kammern Reparaturen nothwendig sind.


In neuerer Zeit sind verschiedene Aenderungen der ursprünglichen
Form des Appolt’schen Koksofens eingeführt worden. C. Goedecke
legt statt zwei Reihen Kammern deren vier nebeneinander an und fügt
zwischen denselben statt der Bindesteine des Appolt’schen Ofens senk-
rechte Mauerzungen ein, welche ebenso wie diese die Standfestigkeit
der Kammern erhöhen, dabei aber senkrechte Kanäle bilden, in denen
die Gase gezwungen sind, sich auf- und abwärts zu bewegen, ehe sie
in die gemeinschaftlichen Essenzüge gelangen. Je vier Kammern ent-
lassen ihre Gase in einen gemeinsamen Kanal; die Austrittsspalten für
die Gase sind bei einigen Oefen dieser Art in der ganzen Höhe der
Kammern vertheilt. Eine andere wesentliche Verbesserung bei diesem
Ofen gegenüber der älteren Construction besteht in der Anwendung
eiserner Säulen und Balken zum Tragen des ganzen Oberbaues anstatt
der gemauerten Pfeiler; dadurch wird der ganze Raum unterhalb der
Retorten luftiger, leichter zugänglich, und die Entleerung der Kammern
weniger beschwerlich als früher. 2)


Auch C. Palm suchte eine günstigere Erhitzung der Kammern
des Appolt’schen Ofens zu bewirken, indem er zwischen den Kam-
mern Zungen einbaute, welche, abweichend von dem Goedecke’schen
Ofen, in wagerechter Lage übereinander angeordnet sind, und so die
Gase allmählich ansteigend hin- und herführen, bis sie aus dem obersten
Horizontalkanale in den Essenzug eintreten. 3)


b) Wagerechte Oefen.

Dieselben sind durch eine weit grössere Zahl verschiedener „Systeme“
als die senkrechten vertreten. Ihre Anlagekosten sind geringer, die
Reparaturen leichter ausführbar, die Bedienung einfacher; aber aller-
dings ist die erforderliche Grundfläche für eine gegebene Gesammt-
leistung reichlich doppelt so gross als bei jenen. Die Länge dieser
Oefen pflegt 7—9 m zu betragen; eine Ueberschreitung dieses Maasses
würde nicht nur die Bedienung, sondern auch die Erzielung einer gleich-
mässigen Erhitzung erschweren. Die Höhe beträgt gewöhnlich 1—1.5 m
bis unter das Gewölbe, welche den Ofen oben abschliesst, oder 0.9—1 m
bis zu den Austrittsöffnungen für die Gase, welche sich regelmässig an
5*
[68]Die Brennstoffe.
einer der langen Seiten des Ofens befinden, und über deren Unter-
kante hinaus der Ofen nicht gefüllt werden darf, wenn nicht eine Ver-
stopfung derselben eintreten soll. Die Breite des Ofens endlich ist zum
Theil abhängig von der Beschaffenheit der zu verkokenden Steinkohle;
je magerer dieselbe ist, je höher also die Temperatur im Inneren sein
muss, desto schmaler muss, wie schon früher erwähnt wurde, der Ofen
sein. Im Ganzen pflegt die Breite zwischen 0.40—0.90 m zu schwanken.
Da jedoch die Temperatur in einem breiteren Ofen nicht allein niedriger,
sondern auch weniger gleichmässig ist, als in einem weniger breiten,
von der Gleichmässigkeit der Temperatur aber auch die gleichmässige
Beschaffenheit der erfolgenden Koks abhängt, da ausserdem eben wegen
der stärkeren Erhitzung des schmalen Ofens der Verkokungsprocess in
demselben rascher verläuft, der Ofen also vortheilhafter ausgenutzt wird,
und da endlich jene kohlenstoffreicheren Kohlen, welche nach Früherem
das günstigste Ausbringen und die dichtesten Koks liefern, also durch-
schnittlich sich am günstigsten bei der Verkokung verhalten, wegen
ihrer geringen Backfähigkeit einer hohen Verkokungstemperatur be-
dürfen, so zieht man in der Jetztzeit durchschnittlich die schmalen Oefen
den breiteren vor und sucht, wo es angeht, durch Vermischen der gas-
reicheren Kohlen mit mageren, kohlenstoffreichen etwaigen nachtheiligen
Einflüssen einer zu plötzlichen und starken Gasentwickelung entgegen
zu wirken.


In fast allen Fällen treten die Gase an der einen Längsseite des
Ofens durch eine Anzahl Oeffnungen aus, um dann, in Kanälen zwischen
zwei benachbarten Oefen hinziehend, je eine Wand des einen und eine
Wand des andern Ofens zu heizen und schliesslich unter die Sohle
geführt zu werden, welche ebenfalls geheizt wird. Hinsichtlich dieser
Gasführung jedoch lassen sich bei sämmtlichen Oefen zwei verschiedene
Anordnungen unterscheiden. Bei der einen Gruppe von Oefen streichen
die Züge horizontal hin und her, so dass die Gase gezwungen sind,
einen ziemlich langen Weg zurückzulegen, bevor sie unter die Sohle
des Ofens gelangen; bei der andern Gruppe ziehen die Gase sofort in
senkrechten Kanälen, also auf dem kürzesten Wege, abwärts unter die
Sohle. Wenn die erstere Anordnung scheinbar eine günstigere Aus-
nutzung der Wärme mit sich bringt, da die Gase bei der längeren
Berührung mit den Seitenwänden auch eine grössere Menge Wärme
an dieselben abgeben werden, so steht doch diesem Vortheile der Um-
stand entgegen, dass bei senkrechten Zügen die Seitenwände der Oefen,
welche durch die grössere Zahl senkrechter, die Kanäle begrenzender
Zwischenwände zwischen den beiden Nachbaröfen eine grosse Festig-
keit erhalten, geringer in den Wandstärken als bei wagerechten Zügen
gebaut werden können, und dadurch natürlich die Wärmeabgabe an
den Innenraum entsprechend befördert wird; ferner dass, wenn die
Gase bereits allzu abgekühlt unter die Sohle gelangen, dieselbe un-
genügend erhitzt wird und die Beschaffenheit der erfolgenden Koks
ungleichmässig ausfällt.


Ein Uebelstand, der besonders bei Verkokung gasreicher Kohlen
zu Tage tritt, beruht auf der ungleichen Gasentwickelung in den ver-
schiedenen Stadien des Processes. Bei den senkrechten Oefen, wo zahl-
reichere Kammern ihre Gase in gemeinschaftliche Kanäle entlassen,
[69]Der Koks; Darstellung.
gleichen sich diese Unregelmässigkeiten zum grossen Theile aus, da die
Beschickung der einzelnen Kammern zu verschiedenen Zeiten erfolgt;
bei den wagerechten Oefen dagegen, wo gewöhnlich die Gase nur eines
einzigen Ofens in denselben Zügen verbrannt werden sollen, während
der Querschnitt dieser Züge der mittleren hindurchgehenden Gasmenge
angepasst ist, wird eben infolge der Veränderlichkeit dieser Gasmenge
der Zutritt der Verbrennungsluft ein ziemlich unregelmässiger; ent-
weichen weniger Gase, ist also die Gasspannung in den Zügen eine
geringere, so wird eine grössere Luftmenge angesaugt werden, bei starker
Gasentwickelung aber, also gerade dann, wenn eine reichlichere Menge
Verbrennungsluft erforderlich wäre, wird der Zutritt derselben eben
durch die stärkere Spannung der Gase verhindert. Die Folge davon ist
theils eine ungleichmässige Erhitzung der Kammern, theils eine unvoll-
ständige Verbrennung der Gase und eine Ablagerung von Graphit in
den Zügen infolge der Zersetzung von Kohlenwasserstoffen und somit
eine Verstopfung der Züge. Verschiedentlich hat man diesen Uebel-
stand zu beseitigen gesucht, indem man atmosphärische Luft in den
Ofen selbst eintreten liess, so dass schon hier eine theilweise Verbren-
nung der Gase erfolgt, ein Mittel, welches nicht ohne gleichzeitige Ver-
brennung von Kohle durchführbar ist; oder indem man die Gase wenig-
stens zweier Oefen vereinigte, um durch abwechselnde Beschickung der
letzteren einen Ausgleich herbeizuführen; oder man leitet die Gase zu-
nächst in einen geräumigen Verbrennungsraum, wo sie mit erwärmter
Luft gemischt werden, um dann erst in den Heizkanälen den Ofen zu
umkreisen (Lürmann’s Ofen, Coppée’s neuerer Ofen).


Smet’s Verkokungsofen. Derselbe kann als Beispiel eines Ofens
mit horizontaler Zugführung dienen, obgleich er, schon aus früherer
Zeit stammend, wo er im Ruhr- und Saargebiete vielfach benutzt wurde,
in der Neuzeit zum grossen Theil durch modernere Constructionen ersetzt
wurde. Die Abbildungen Fig. 6 und 7 a. f. S. zeigen die Einrichtung
desselben. 1) Die Gase treten hier durch zwei im Gewölbe angebrachte
Oeffnungen a a in zwei durch senkrechte Scheidewände b b von ein-
ander getrennte Kanäle e e an der rechten Seite jedes Ofens; jeder
der beiden Gasströme streicht dann zunächst oberhalb der wagerechten
Zunge d von der Mitte des Ofens nach dem Thürende zu, tritt durch
den Schlitz f unter die Zunge d, zieht in dem Kanale g wieder rück-
wärts, um von hier aus in die Sohlenkanäle c c1h h1 einzutreten und
schliesslich durch die in der Mitte der Ofenlänge angebrachte, durch
eine senkrechte Zunge ebenfalls in zwei Hälften getheilte Esse l l1 zu
entweichen. Jeder Ofen hat demnach, wie auch Fig. 6 deutlich er-
kennen lässt, seine eigene Esse. m in Fig. 6 ist eine der Füllöffnungen,
deren jeder Ofen zwei in entsprechendem Abstande von einander besitzt
(in Fig. 7 durch Punktirung angedeutet). Die Länge dieser Oefen pflegt
6—7 m, die Höhe 1.1—1.2 m, die Breite 0.65 m zu betragen. Die Ver-
kokung pflegt bei einem Inhalte des Ofens von ca. 2500 kg eine Zeit-
dauer von 24 Stunden zu beanspruchen. Die Kosten der Anlage per
[70]Die Brennstoffe.

Figure 6. Fig. 6.


Figure 7. Fig. 7.


[71]Der Koks; Darstellung.
Ofen schwanken nach dem Gesammtumfange sowie örtlichen und zeit-
lichen Verhältnissen zwischen 1000—2000 Mark.


Fig. 6 lässt zugleich die Verankerung der Oefen und die An-
bringung der Thüren erkennen. Letztere, welche zum Schutze gegen
die Hitze mit feuerfestem Futter an der nach innen gekehrten Seite
ausgekleidet und zu diesem Zwecke, wie in Fig. 7 ersichtlich ist, mit
einem nach innen vorspringenden Rande versehen sind, drehen sich in
Angeln und werden durch Vorreiber festgehalten. Die Fugen werden
während des Betriebes mit Lehm verstrichen; in der oberen Thürhälfte
aber sind zwei Schauöffnungen angebracht, welche zugleich den Zutritt
von Luft über die Kohlen gestatten. Der Grund hierfür (erleichterte
Verbrennung der Gase und Verhinderung der Graphitablagerung in den
Kanälen) wurde oben besprochen.


Büttgenbach’s Verkokungsofen. Derselbe, welcher auf einigen
rheinischen Eisenwerken, im Plauenschen Grunde bei Dresden und an
einigen anderen Orten in Anwendung ist, kann als eine neuere Form
des Smet’schen Ofens betrachtet werden. Wie bei diesem ist durch
eine senkrechte Zunge der gesammte für die Anordnung der Züge vor-
handene Raum an der einen Seite des Ofens in zwei Hälften getheilt;
die Gase aber werden nicht, wie bei dem Smet’schen Ofen, ebenfalls
getheilt, sondern sie treten sämmtlich, und zwar durch elf Austritts-
spalten statt der zwei des vorerwähnten Ofens, in die erste jener Hälften
ein, ziehen über der horizontalen Zunge, die wie beim Smet’schen
Ofen angeordnet ist, nach vorn, unter derselben bis zur Mitte zurück,
treten hier, ebenfalls wie bei jenem, unter die Sohle, unter welcher sie
in deren ganzen Längenausdehnung hin- und zurückgeführt werden,
um nunmehr an der andern Seite der vorerwähnten senkrechten Zunge
in die zweite Hälfte der seitlichen Züge einzutreten und hier in ent-
gegengesetzter Richtung als in der ersten wieder nach dem Scheitel
des Ofens aufzusteigen, wo sie von einem gemeinschaftlichen, quer über
sämmtliche Oefen hinweg führenden Hauptkanale aufgenommen und
nach einer gemeinschaftlichen Esse geführt werden.


Vor dem älteren Smet’schen Ofen besitzt der Büttgenbach’-
sche den Vortheil zahlreicherer Gasausströmungen (die sich übrigens
auch bei jenem anordnen lassen würden) und einer gemeinschaftlichen
Esse; zu befürchten ist, dass die Erhitzung der zweiten Hälfte der
Kammer, welche erst von den Gasen geheizt wird, nachdem diese bereits
die vordere Hälfte und die Sohle erwärmt haben, mitunter merklich
geringer als die der ersten Hälfte ausfallen werde.


Jedenfalls ist die Zugführung nicht für eine sehr starke Erhitzung
geeignet und der Ofen deshalb auch vorwiegend zur Verkokung gas-
reicherer, gut backender Kohlen bestimmt. Aus diesem Grunde auch
giebt man ihm einen beträchtlichen Querschnitt, 0.87 m Breite bei 1.5 m
Gesammthöhe und 1.37 m Höhe bis an die Gasausströmungen; die Länge
beträgt 7.5 m, das Gewicht des Einsatzes bei diesen Abmessungen
5000 kg und die Zeitdauer der Verkokung 36 Stunden.


Bei noch anderen Koksofensystemen mit wagerechter Gasführung
(Haldy’s Oefen) ist die senkrechte Zunge des Smet’schen und Bütt-
genbach’s
chen Ofens ganz weggelassen, während die wagerechte
[72]Die Brennstoffe.
Zunge, wie bei jenen Oefen, den Seitenkanal in eine obere und untere
Hälfte theilt. Die Gase treten durch 12 Oeffnungen, welche ziemlich
gleichmässig auf die ganze Ofenlänge vertheilt sind, in die obere Kanal-
hälfte ein, ziehen in derselben nach dem einen Ende des Ofens, treten
hier in die untere Hälfte unterhalb der wagerechten Zunge, in welcher
sie zurück an das entgegengesetzte Ende geführt werden, gelangen hier
unter die Sohle, unter welcher sie abermals hin- und zurückziehen, um
dann in einen gemeinschaftlichen unterirdisch angelegten Hauptkanal
einzutreten.


Durch die erwähnte Weglassung der senkrechten Zunge ist zwar
die Construction vereinfacht, die Standfestigkeit der Wände aber auch
vermindert, so dass man gezwungen ist, dieselben aus dicken Stein-
lagen (160 mm, ca. 10 mm stärker als beim Büttgenbach’schen Ofen)
herzustellen; die Breite dieser Oefen beträgt 0.8—1 m, ist also beträcht-
lich, und die Verkokungsdauer ist 48 Stunden. Für Herstellung dichter
Koks aus mageren Steinkohlen sind derartige Oefen, welche überhaupt
zu den älteren Constructionen gehören, nicht geeignet.


Eine aus jüngster Zeit stammende Form der Verkokungsöfen mit
wagerechter Zugführung ist endlich der Ofen von Wintzek (D. R.
Patent Nr. 2005). Bei diesem wird die Hauptmenge der Gase in
ganz ähnlicher Weise geführt wie beim Smet’schen Ofen; die am
Boden sich entwickelnden Gase aber gelangen durch Oeffnungen in der
Sohle abwärts in den Sohlenkanal, um hier durch Zuführung von
erwärmter Luft verbrannt zu werden. Der Ofen ist, wie alle ähnliche,
zum Verkoken gasreicher Kohlen bestimmt und auf oberschlesischen
Kohlen- und Eisenwerken mehrfach in Anwendung.


François’ Verkokungsofen. Dieser Ofen bildet eine der ältesten
Formen der Oefen mit senkrechten Seitenzügen. Die Gase treten durch
eine grössere Zahl (12—14) seitlicher Oeffnungen in ebenso viele senk-
rechte Parallelkanäle, welche, nur durch schmale Seitenwände von ein-
ander getrennt, sie unmittelbar abwärts unter die Sohle führen, wo sie
ein Mal vor- und rückwärts ziehen, um dann nach dem unterirdischen
Essenkanale auszutreten. Die François-Oefen waren ursprünglich für
gasreiche, gut backende Kohlen bestimmt und deshalb mit ca. 0.9 m
Breite construirt, wobei die Verkokungszeit 48 Stunden beträgt; für
weniger gut backende Kohlen hat man jedoch derartige Oefen auch
mit nur 0.6 m Breite eingerichtet und die Verkokungsdauer dabei auf
24 Stunden eingeschränkt.


Coppée’s Verkokungsofen. Derselbe, welcher als eine verbesserte
und vorzugsweise zur Verkokung magerer Kohlen bestimmte Form des
François’schen Ofens betrachtet werden kann, erlangte, nachdem er
zu Anfang der sechziger Jahre zuerst ins Leben trat, besonders in den
siebenziger Jahren eine sehr starke Verbreitung auf Eisen- und Kohlen-
werken und bildet in der Jetztzeit in Deutschland, Frankreich und
Belgien wohl den am häufigsten benutzten Verkokungsofen.


Die zu verschiedenen Zeiten gebauten Coppéeöfen lassen zwar in
den Einzelheiten verschiedene Abweichungen — Verbesserungen, welche
die Erfahrung ins Leben rief — erkennen; die allgemeinere Einrichtung
derselben jedoch dürfte bei den meisten vorhandenen Anlagen ziemlich
genau mit den in Fig. 8—10 gegebenen Abbildungen, eine Anlage auf
[73]Der Koks; Darstellung.
den Ebbw-Vale Eisenwerken darstellend, übereinstimmen. 1) Die Gase
des Ofens b treten an der einen Seite desselben durch eine grosse Zahl
gleichmässig vertheilter Oeffnungen (28—30) in die senkrechten Kanäle
c c und durch diese in den geräumigen Sohlenkanal e, vereinigen sich
hier mit den Gasen des Nachbarofens b, gelangen, nachdem sie die
Sohle des ersten Ofens erhitzt haben, unter die Sohle des zweiten und
entweichen schliesslich durch die von i aus verschliessbare Oeffnung g1
in den gemeinschaftlichen Kanal h, welcher sie durch Schlitze j j der
gemeinschaftlichen Esse k zuführt. Die Oeffnung g in dem Kanale e

Figure 8. Fig. 8.


des ersten Ofens b ist gewöhnlich durch einen von i aus darüber ge-
legten Ziegel geschlossen und wird nur geöffnet, wenn man die Gase
wegen zufälliger Störungen im Betriebe des Ofens b1 nicht nach diesem
hinüber leiten darf, wobei natürlich auch die Verbindungskanäle f f
(Fig. 9) geschlossen werden müssen. Durch Vereinigung der Gase
zweier Oefen ist also wenigstens theilweise der Uebelstand beseitigt,
der auf der ungleichmässigen Gasentwickelung eines einzigen Ofens
beruht und oben ausführlicher besprochen wurde.


[74]Die Brennstoffe.

Die Verbrennungsluft tritt hier nicht, wie bei den bisher be-
sprochenen Ofensystemen, durch die Thüren in den Ofen selbst ein,
sondern sie gelangt durch einzelne senkrechte, mit Regulirungsschie-
bern versehene Röhren d d zunächst in Horizontalkanäle, welche un-
mittelbar oberhalb der senkrechten Feuerzüge in der Längsrichtung
des Ofens sich erstrecken, um hier vorgewärmt und dann durch
einzelne Oeffnungen den aus den Oefen austretenden Gasen zuge-
führt zu werden.


Figure 9. Fig. 9.

Die senkrechte Anordnung der Züge mit den dazwischen befind-
lichen Scheidewänden sowie eine gut durchdachte Form der zum Bau der
Coppéeöfen benutzten feuerfesten Ziegel verleihen denselben eine grosse
Standfestigkeit, welche es ermöglicht, die Wandstärke zwischen dem
Ofeninnern und den Kanälen auf ein sehr kleines Maass (bei einzelnen
Anlagen nur 110 mm) zu beschränken, ohne dass der Ofen im Minde-
sten Gefahr läuft, sich unter dem Drucke der sich aufblähenden Kohlen
zu bauchen.


Diese geringe Wandstärke im Verein mit der Eigenthümlichkeit
[75]Der Koks; Darstellung.
der Gasführung, insbesondere der geringen Längenausdehnung der Züge
und der Vereinigung der Gase unter der Sohle ermöglicht nun die Er-
zielung sehr hoher Temperaturen, welche, wie schon erwähnt wurde,
gerade den Coppéeofen zur Verkokung magerer Kohlen geeignet machen;
aber eben jene starke Sohlenheizung legt auch die Gefahr einer Be-
schädigung des Ofenfundaments nahe, wenn nicht besondere Vorsichts-
maassregeln hiergegen getroffen werden. Zu diesem Zwecke ist innerhalb
des Fundaments ein System von Kanälen angeordnet, durch welche
Luft hindurchgeleitet wird, um das Fundament zu kühlen. Durch die
beiden an den Enden der Ofengruppe befindlichen Oeffnungen q tritt
diese Luft in die senkrechten Kanäle r und aus diesen in die bis zur

Figure 10. Fig. 10.


Mitte der Oefen sich erstreckenden Horizontalkanäle s s, steigt von hier
durch kurze Kanäle t t in die eigentlichen unter den Feuerzügen ge-
legenen Kühlkanäle, indem sie aus dem ersten dieser Kühlkanäle u sich
allmählich nach u1u1 .... vertheilt, und entweicht schliesslich aus dem
Sammelkanale w durch die kurze Esse x ins Freie.


Bei dem letzten Ofen an der rechten Seite müssen, damit derselbe
ausreichend erhitzt werde, die Gase auch die rechte Seitenwand be-
streichen. Sie treten also, wie aus der Abbildung ersichtlich ist, nach-
dem sie, wie bei den übrigen Oefen, die Sohlen e e〟 erhitzt haben, durch
[76]Die Brennstoffe.
die Schlitze l l in die horizontalen Kanäle m n und von hier erst durch o
in den zur Esse führenden Sammelkanal h.


Damit die Entleerung der Kammern besser und ohne Gefahr für
eine Beschädigung der Seitenwände vor sich gehe, laufen die letzteren
nicht vollständig parallel, sondern divergiren etwas nach der Richtung
hin, nach welcher die Koks ausgedrückt werden. Bei dem abgebildeten
Ofen beträgt die Breite jeder Kammer an dem einen Ende 430, an
dem gegenüber liegenden 480 mm.


Auf den Oefen ist zur Verminderung der Wärmeabgabe eine
0.5—0.6 m starke Schicht von schlechten Wärmeleitern angebracht, die
durch Ziegelmauerwerk zusammengehalten wird; zum Füllen der Kam-
mern dienen drei Füllschächte a in jeder derselben, welche, wie ge-
wöhnlich, durch Deckel verschlossen gehalten werden.


Die Thüren bestehen aus zwei Theilen. Die obere Hälfte von ca.
0.3 m Höhe wird beim Ebnen der eingeschütteten Kohlen geöffnet, die
untere beim Entleeren.


Die Länge der Coppéeöfen pflegt 9 m, die Höhe 1—1.2 m, die
Breite 0.4—0.5 m zu betragen und in diesem Falle beträgt die Ver-
kokungszeit 24 Stunden; für 48 stündigen Betrieb giebt man eine Breite
von 0.6 m bei 1.7 m Höhe.


Die Anlagekosten per Kammer beziffern sich auf ca. 2000 Mark.


Sehr bemerkenswerthe Aenderungen gegenüber den beschriebenen
und jetzt noch am häufigsten verbreiteten Coppéeöfen zeigen die neue-
sten von demselben Erfinder geplanten Constructionen (D. R. Patent
9908). Die Form der Kammern im Allgemeinen, die Anwendung senk-
rechter Züge, die Sohlenheizung, die Kühlung des Fundamentes u. s. w.
ist im Wesentlichen unverändert geblieben; statt der 28—30 Austritts-
öffnungen für die Gase an einer Seite des Ofens sind bei der neueren
Einrichtung 18 Oeffnungen an jeder der beiden Seiten (in Summa also
36 Oeffnungen) angeordnet. Die Gase theilen sich mithin in zwei
Hälften, welche nach beiden Seiten hin getrennt abziehen und sich
beim Heraustreten sofort mit den ebenso abgeleiteten Gasen
des Nachbarofens in den gemeinschaftlichen Kanälen ver-
einigen
. Der Vortheil dieser Einrichtung springt sofort in die Augen.
Indem man die benachbarten Oefen zu verschiedenen Zeiten beschickt,
erreicht man vollkommener als bei dem älteren Systeme eine ununter-
brochene, annähernd gleichmässige Erhitzung, denn auch der entleerte
Ofen wird noch an beiden Seiten durch die ihm zuströmenden Gase
seiner beiden Nachbaröfen geheizt; und durch die Vereinigung der
Gase wird jener Uebelstand der ungleichmässigen Gasentwickelung eines
einzigen Ofens erheblich abgemindert.


Die aus den Oefen austretenden Gase aber — und hierin beruht
zweifellos eine andere wesentliche Verbesserung — gelangen nicht un-
mittelbar in die senkrechten Feuerzüge, sondern zunächst in einen
geräumigen Horizontalkanal, oberhalb der letzteren in der Längenrich-
tung der Oefen sich erstreckend, in welchem die Gase der beiden Nach-
baröfen vereinigt und mit der zutretenden, im Gemäuer des Ofens wie
früher erwärmten, Verbrennungsluft gemischt werden; erst von hier
[77]Der Koks; Darstellung.
ziehen sie, wie bei den früheren Oefen, durch die senkrechten Kanäle
abwärts, um sich unten mit den von der andern Seite des Ofens herab-
kommenden Gasen zu vermengen und dann die Sohlen der beiden Nach-
baröfen wie bisher zu heizen. Die Anordnung dieses Horizontalkanales
bezweckt eine gleichmässigere Mischung der von beiden Seiten kommen-
den Gase sowohl unter sich als mit der Verbrennungsluft und befördert
daher ebensowohl die Gleichmässigkeit wie die Vollständigkeit der
Verbrennung.


Carvès’ Verkokungsofen mit Gewinnung von Theer und
Ammoniak.
Derselbe bietet insofern ein besonderes Interesse dar, als
er zu den ersten Oefen gehört, bei welchen jene Gewinnung der Neben-
erzeugnisse bereits längere Zeit hindurch (seit 1867) mit gutem Erfolge
durchgeführt wird, so dass man wohl hauptsächlich auf Grund der bei
diesem Ofen erlangten günstigen Betriebsergebnisse nunmehr auch bei
anderen Ofensystemen anfängt, die Gewinnung der Nebenerzeugnisse
mit der Gewinnung von Koks zu verbinden. 1)


Die Carvèsöfen sind auf dem Eisenwerke Bessèges und einigen
anderen französischen Eisenwerken im Betriebe (z. B. in Terrenoire
eine Batterie von 100 Oefen). Fig. 11 zeigt die Einrichtung derselben.
a a sind wie gewöhnlich Füllöffnungen im Scheitel des Ofengewölbes.
Die Gase treten durch das Rohr b aus dem Ofen, welches zur Regu-
lirung oder zur Absperrung mit einem, beim Niederlassen in Theer
eintauchenden und somit vollständig luftdicht abschliessenden Ventile c
versehen ist. Von hier gelangen die Gase von 30—50 Oefen gemein-
schaftlich in ein System auf- und abziehender Röhren, welche durch
kaltes, dagegen gespritztes Wasser kühl erhalten werden (Kühlschlange)
und in welchen also Theer und Ammoniakwasser condensirt werden.
Mit den unteren offenen Enden tauchen die Röhren in einen gemein-
schaftlichen Sammelraum für die Condensationsproducte; die Einrichtung
ist also im Wesentlichen die nämliche, wie man sie bei vielen Gas-
anstalten zur Anwendung bringt. Die aus dem Condensator kommen-
den Gase werden nunmehr, ebenfalls wie in Gasanstalten, durch ge-
räumige Behälter (Scrubber) geführt, die mit feucht erhaltenen Koks
gefüllt sind, und in welchen ihnen die letzten Reste von Ammoniak
entzogen werden. Von hier strömen sie zurück zu den Oefen, um diese
zu heizen. Sie treten bei d durch horizontale Mundstücke in den Sohlen-
kanal des Ofens oberhalb eines Rostes, welcher mit glühenden Koks-
abfällen bedeckt gehalten wird, um die Verbrennung zu unterhalten;
die Verbrennungsluft strömt von unten her durch die Rostspalten zu.
Unter der Sohle des Ofens streichen die verbrennenden Gase ein Mal
vor- und rückwärts, steigen dann zwischen zwei Nachbaröfen empor,
um von hier in horizontalen punktirt gezeichneten Kanälen, wie die
Richtung der Pfeile andeutet, allmählich abwärts und zum gemeinschaft-
lichen Sammelkanale e geführt zu werden.


[78]Die Brennstoffe.

Es ist leicht ersichtlich, dass die Haupteigenthümlichkeiten des
Carvèsofens, die Gasentziehung in der beschriebenen Weise, sich leicht
mit jeder andern Zugführung verbinden lässt.


Die Erfahrung hat gelehrt, dass die Bewegung der Gase in den Rohr-
leitungen regelmässiger vor sich geht, überhaupt der Betrieb günstiger
verläuft, wenn man in die Rohrleitung einen Exhaustor einschaltet,
wie es auch in Gasfabriken üblich ist, als wenn man sich auf den
Essenzug allein verlässt.


Die Oefen sind 0.6—0.75 m breit und 1.70—2 m hoch. Eine grössere
Breite hat sich nicht bewährt. Die Verkokungszeit bei 0.75 m breiten Oefen
beträgt 60—72 Stunden. Das Ausbringen ist günstig (bis 75 Proc.),

Figure 11. Fig. 11.


die Koks besitzen angestellten Festigkeitsversuchen zufolge eine aus-
reichende, sogar theilweise beträchtliche Widerstandsfähigkeit gegen Zer-
drücken und werden mit gutem Erfolge beim Eisenhochofenbetriebe be-
nutzt. Auf den Bessèges-Werken betrug im Jahre 1879 die Menge der
in 96 solcher Oefen gewonnenen Koks 33092 Tonnen, die Menge des
gewonnenen Theers 1099 Tonnen, des Ammoniakwassers 4399 Tonnen.
Der Verbrauch an Koksabfällen auf dem Roste betrug per Tonne dar-
gestellter Koks 15.9 kg.


Lürmann’s Verkokungsofen mit mechanischer Beschickung
und ununterbrochenem Betriebe.
Bei den gewöhnlichen, bisher
[79]Der Koks; Darstellung.
besprochenen Verkokungsöfen findet, wie aus der gegebenen Beschreibung
sich ergiebt, der Betrieb intermittirend statt; d. h. der Ofen wird gefüllt,
dann beginnt die Verkokung, und schliesslich wird der Ofen entleert,
um aufs Neue beschickt zu werden. Die mit einem solchen Betriebe
verknüpften Uebelstände wurden bereits mehrfach erwähnt; sie beruhen
zum Theil auf der Ungleichmässigkeit in der Gasentwickelung in den
verschiedenen Verkokungsstadien, zum Theil auf der starken Abkühlung,
welche der Ofen durch das plötzliche Einfüllen einer grossen Kohlen-
menge erleidet.


Jene Uebelstände werden offenbar vermieden, wenn, wie bei dem
in Fig. 12 abgebildeten Ofen von Fritz Lürmann in Osnabrück, der
Betrieb ununterbrochen stattfindet, d. h. stetig kleine Mengen Kohle

Figure 12. Fig. 12.


eingeschüttet werden, während die gebildeten Koks an einer andern
Stelle des Ofens von Zeit zu Zeit herausgeholt werden. A ist die Ver-
kokungskammer mit geneigter Sohle, aus ganz dünnen feuerfesten Steinen
hergestellt. Auf dem Scheitel der Kammer ist in der Längsrichtung
derselben eine gemauerte Zunge z angeordnet, an deren beiden Seiten
sich horizontale Kanäle befinden. Die Destillationsgase treten durch den
in der Decke der Kammer in der Nähe der nach innen gekehrten
Oeffnung derselben angebrachten Spalt o1) in den an der linken Seite
jener Zunge (von B aus gesehen) befindlichen Kanal und werden hier
durch zugeführte atmosphärische Luft verbrannt, welche durch die
[80]Die Brennstoffe.
Kanäle c1c2c4 zuströmt und innerhalb des Ofengemäuers bereits auf
eine hohe Temperatur vorgewärmt worden war. Die Verbrennungsgase
vertheilen sich nun in eine Anzahl senkrechter, abwärts ziehender
Kanäle, deren Fortsetzung durch die unter der Sohle der Kammer liegen-
den Horizontalkanäle e e … gebildet ist, um dann an der andern Seite
der Kammer in eben solchen Kanälen emporzusteigen und sich in der
an der rechten Seite der Zunge z befindlichen Kammer wieder zu ver-
einigen. Von hier aus gelangen sie durch den Kanal g i, dessen Durch-
gangsöffnung mit Hilfe des wassergekühlten Schiebers h regulirbar ist,
in den für sämmtliche Kammern gemeinschaftlichen Essenkanal i1.


Durch die beschriebene Anordnung der Züge, welche die ganze
Kammer umziehen und nur die schmalen Zwischenwände zwischen sich
lassen, wird die Heizfläche eine sehr grosse und beziffert sich auf
80 Proc. der gesammten Oberfläche der Kammer.


Die fertigen Koks fallen in den Raum E, um hier abzukühlen
und dann durch die mit luftdicht schliessender Thür versehene Oeff-
nung F entfernt zu werden. Der Raum E ist rings von den Luft-
kanälen c1c2 u. s. w. umgeben, um auf diese Weise kühl erhalten zu
werden, während die durch die erwähnten Kanäle hindurchstreichende
Luft, welche, wie schon erwähnt, zur Verbrennung der Destillations-
gase bestimmt ist, erhitzt wird.


Um jene für den ununterbrochenen Betrieb in der beschriebenen
Weise erforderliche langsame Fortbewegung der Kohle nach dem Füll-
raume E hin zu bewirken, ist jedoch eine mechanische Beschickungs-
vorrichtung erforderlich, welche bei B angeordnet ist. Die Kohlen,
welche den Fülltrichter n anfüllen, fallen durch die untere Oeffnung
desselben in den Ofen und werden nun entweder durch eine sich stetig
in derselben Richtung drehende Schraube oder, wie in der Abbildung,
durch einen abwechselnd vor- und rückwärts sich bewegenden Kolben
vorwärts geschoben, während am andern Ende die Koks unter dem
Drucke der Kohlenschicht in den Raum E hineinstürzen. Die Bewegung
jenes Mechanismus kann von Hand oder von einer Transmissionswelle
aus bewirkt werden; der durch denselben auf die Beschickung aus-
geübte Druck ist in jedem Falle beträchtlich und beziffert sich auf
mindestens 3750 kg.


Wenn jene, durch die reichliche Heizfläche bewirkte starke Er-
hitzung der Retorten die Verkokung sehr magerer Kohlen ermöglicht,
welche an und für sich schon dichte Koks zu liefern befähigt sind, so
wird durch den ausgeübten mechanischen Druck während des Verkokens
ihre Dichtigkeit noch in fernerem Grade erhöht.


Der nämliche Ofen lässt sich auch mit einer Einrichtung zur Ge-
winnung von Theer, Ammoniak u. s. w. verbinden. In diesem Falle
werden die Gase statt durch den Schlitz o durch ein im Scheitel oder in
der Seitenwand des Entleerungsraumes E angebrachtes Rohr nach dem
Hauptsammelrohre für sämmtliche Kammern und in diesem, wie bei
den Carvèsöfen, nach dem Condensator geleitet, um von hier nach dem
Ofen zur Heizung desselben zurückgeführt zu werden. Eine Wieder-
entzündung der Gase durch irgend eine Feuerung, wie bei den Carvès-
öfen, ist bei den Oefen mit ununterbrochenem Betriebe entbehrlich, da
bei der ununterbrochenen Verbrennung der Gase und der Vermeidung
[81]Der Koks; Darstellung.
einer Abkühlung des Ofens durch plötzliches Entleeren und Wieder-
füllen alle Theile ohnehin so stark erhitzt sind, dass ein Erlöschen der
Gase nicht eintritt.


Für den Betrieb der Verkokungsöfen ist, wie sich schon aus dem
bisher Gesagten ergiebt, eine Anzahl von Hilfsapparaten nothwendig,
theils zum Füllen, theils zum Entleeren derselben bestimmt.


Zum Herbeifahren der zu verkokenden Steinkohlen und Einfüllen
in den Ofen pflegt man, wie es z. B. in Fig. 11, S. 77 und Fig. 4,
S. 64 angedeutet ist, vierseitig trichterförmige Wagen zu benutzen, deren
Boden aus einem horizontalen Schieber besteht. Ist der Wagen über
der geöffneten Füllöffnung angelangt, so wird der Schieber geöffnet,
und die Kohlen stürzen in den Ofen hinein. Mit langen Krücken wird
dann die Kohlenschicht geebnet.


Die Entleerung der Kammern erfolgt bei senkrechter Achse der-
selben (Appolt’s Ofen) durch das eigene Gewicht der Koks, wobei
diese in einen bereit stehenden Wagen hineinstürzen, nachdem die
Bodenklappe geöffnet wurde; bei dem Lürmann’schen Ofen mit
ununterbrochenem Betriebe durch Auskrücken der Koks aus dem be-
schriebenen Sammelraume; bei fast allen übrigen Oefen mit wagerechter
Achse dagegen durch eine Koksausdrückmaschine, wie schon
erwähnt wurde.


Dieselbe besteht im Wesentlichen aus einem gusseisernen Schilde
an dem den Oefen zugekehrten Ende einer langen horizontalen, den
Ofenachsen parallelen Zahnstange, welche durch Kurbel und Getriebe
mit mehrfachen Uebersetzungen vorwärts in die geöffnete Kammer hin-
ein bewegt wird, solcherart das Koksprisma vor sich her und aus dem
entgegengesetzten Ende des Ofens hinaus schiebend. Der ganze Mecha-
nismus ist auf einem eisernen, auf Schienen laufenden Wagen angeordnet,
so dass er bequem von einem Ofen zum andern bewegt und nach der
Reihe zur Bedienung sämmtlicher Kammern benutzt werden kann.


Der Betrieb dieser Maschine erfolgt entweder von Hand durch
mehrere an der Kurbel stehende Arbeiter oder häufiger durch eine
eigene Dampfmaschine, welche in diesem Falle nebst dem zugehörigen
Dampfkessel auf dem Wagen selbst angeordnet ist und bei einer Lei-
stungsfähigkeit von 10—15 Pferdestärken die Arbeit in weit kürzerer
Zeit verrichtet (ca. 2 Minuten für Hin- und Rückgang), als es durch
Menschenarbeit möglich ist. Gewöhnlich wird in diesem Falle durch
die Dampfmaschine auch die Fortbewegung des Wagens bewirkt; und
endlich hat man bei Oefen mit senkrecht aufgehenden Schiebethüren
dieselbe auch bisweilen benutzt, um durch Vermittelung eines auf den
Wagen gestellten Krahnes die Thür aufzuziehen.


Da die Schienen, auf denen der Wagen läuft, den ganzen Druck
des Koksprisma auszuhalten haben, so müssen sie in solider Weise
befestigt sein, und man pflegt den Wagen mit drei Räderpaaren, auf
drei parallelen Schienensträngen laufend, zu versehen; und damit der
Wagen auch bei der äussersten Stellung des Schildes nicht sein Gleich-
gewicht verliere, muss er ausreichend breit sein. Die Stange, an welcher
das Schild befestigt ist, gleitet auf Rollen, die im Wagen gelagert sind,
Ledebur, Handbuch. 6
[82]Die Brennstoffe.
und trägt an der nach oben gerichteten Seite die Zähne, in welche das
betreffende Getriebe eingreift.


Für die Aufstellung und Bewegung der Koksausdrückmaschine
muss natürlich ein entsprechend breiter Raum an derjenigen Seite der
Koksofenbatterie (Rückseite) frei gehalten werden, von welcher aus das
Ausdrücken erfolgen soll; und an der gegenüberliegenden Vorderseite
muss eine, von den Oefen her um einige Grade abfallende Ebene von
mindestens 12 m Breite zur Aufnahme der herauskommenden Koks
eingerichtet werden, welche mit guten, harten Ziegeln in Rollschichten
gepflastert oder mit Eisenplatten belegt wird. Zum Ablöschen der glühen-
den Koks, damit sie nicht an der Luft verbrennen, werden auf dieser
Ebene den Oefen gegenüber mehrere Hochdruckwasserständer mit
Schlauchhähnen aufgestellt.


Den Transport der Koks schliesslich bewirkt man, wo es angeht,
durch Verladen in Wagen, welche auf einer so tief gelegenen Ebene
auf Schienen laufen, dass ihre Oberkante in gleichem Höhenstande mit
der Vorderkante der soeben besprochenen Koksrampe sich befindet und
die Koks durch Krücken ohne Weiteres in die Wagen hinübergeschoben
werden können.


Es folgt aus dieser Anordnung, dass jede derartige Koksofenanlage
aus drei Terrassen besteht: zu oberst die Scheitelebene (Gichtebene) mit
den Schienengleisen für die Kohlenwagen, welche von der Kohlenwäsche
oder dem Abladeplatze auf wagerechter oder schwach geneigter Ebene
hierher gerollt werden; dann die Koksrampe in der Ebene der Ofen-
sohlen; zu unterst die Ebene für die Abfuhr mit den Schienengleisen
für die Transportwagen.


Bei den Appolt’schen Oefen beschränkt sich die Anlage auf zwei
Terrassen, die aber in erheblich grösserem Abstande als bei den wage-
rechten Oefen auseinander liegen.


Die Betriebsergebnisse der einzelnen Koksofensysteme wurden
theilweise schon bei der Besprechung der letzteren mitgetheilt. Es
handelt sich hierbei vornehmlich um das Ausbringen an Koks und
um die Zeitdauer der Verkokung. Ersteres wird bei denjenigen Oefen,
bei welchen der Luft der Zutritt in das Ofeninnere vollständig ab-
geschnitten ist, also bei den Oefen von Appolt, Coppée, Lürmann,
Carvès
u. a. durchschnittlich höher sein, als bei den älteren Oefen,
bei denen man aus angeführten Gründen der Luft schon durch Oeffnungen
in der Ofenthür Zutritt in das Innere verstattet; aber das Ausbringen
ist auch, wie leicht begreiflich, gar sehr abhängig von der chemischen
Zusammensetzung, d. h. dem Gasgehalte der Kohle und ihrem Aschen-
gehalte. Aus diesem Grunde ist ein Vergleich des Ausbringens ver-
schiedener Ofensysteme nur dann zuverlässig, wenn auch ganz die näm-
lichen Kohlen in denselben verkokt wurden. Im Ganzen schwankt das
Ausbringen gemäss dieser Verschiedenheiten zwischen 65—80 Proc.


Die Zeitdauer der Verkokung richtet sich, wie natürlich, von der
Temperatur des Ofeninnern, also von der Grösse der feuerberührten
Fläche und der Breite des Ofenquerschnittes, und schwankt zwischen
24—60 Stunden. Der breitere Ofen erfordert die längere Zeit, fasst
dafür aber auch die grössere Menge Kohlen, so dass hierdurch wenigstens
[83]Der Koks; Eigenschaften.
theilweise jener Zeitverlust ausgeglichen wird. Dass die Beschaffenheit
der Kohlen selbst für die anzuwendende Verkokungstemperatur und
Verkokungszeit entscheidend sein muss, wurde bereits erwähnt.


Die Güte der erfolgenden Koks endlich hängt von dem Koksofen-
systeme insofern ab, als gleichmässig erhitzte Oefen auch gleichmässigere
Koks als ungleichmässiger erhitzte liefern werden, ein Grund, weshalb
schmalere Oefen in dieser Beziehung sich durchschnittlich günstiger
als breitere verhalten; und als ferner Oefen, in denen die Koks einem
höheren Drucke ausgesetzt sind, vorzugsweise zur Darstellung dichter
Koks auch aus gasreicheren Steinkohlen sich eignen (Appolt’scher
Ofen, Lürmann’s Ofen mit mechanischer Beschickung). Dass übrigens
nicht in allen Fällen Dichtigkeit und Güte der Koks gleichbedeutend
sind, dass vielmehr die Verwendung derselben hierbei mitzusprechen
hat, wurde schon oben erläutert.


Die abziehenden Gase der Verkokungsöfen lassen sich vielfach,
wenn sie durch einen gemeinschaftlichen Hauptcanal abgeführt werden,
noch zu anderen Zwecken, insbesondere zum Heizen von Dampfkesseln,
benutzen (Coppéeöfen u. a.). Eine Anordnung der Kessel auf den
Oefen, wie man früher wohl sie baute, ist jedenfalls unzweckmässig;
besser ist es und jetzt allgemeine Regel, sie zwischen Verkokungsöfen
und Esse einzuschalten.


Eigenschaften der Koks.

Die Koks besitzen, wie alle verkohlten Brennstoffe, die Eigenschaft,
ohne Flamme und ohne Rauch zu verbrennen, wodurch sie schon von
vorn herein für viele Processe geeigneter sind als die zu ihrer Dar-
stellung benutzten Steinkohlen. Es kommt hinzu, dass die backende
Eigenschaft der meisten für die Verkokung dienenden Steinkohlen eben-
falls in nicht seltenen Fällen ihre Verwendung im rohen Zustande
(z. B. in Schachtöfen) erschwert, während gerade die nämliche Eigen-
schaft es ermöglicht, aus diesen Kohlen nach vorausgegangener Zer-
kleinerung und Reinigung noch vortreffliche Koks zu gewinnen. Diese
Möglichkeit der Aufbereitung vor der Verkokung giebt eine ausreichende
Veranlassung zur Verkokung selbst solcher Steinkohlen, welche in ihrer
Zusammensetzung den Anthraciten nahe stehen, nur schwierig backen,
und auch an und für sich ohne erhebliche Flammenbildung brennen
würden.


Aber noch ein anderer wichtiger Umstand kommt hinzu, die An-
wendung verkokter Kohlen zweckmässiger als diejenige roher erscheinen
zu lassen. Es ist die Thatsache, dass von dem Schwefelgehalte der
Kohlen, welcher in manchen Fällen sehr nachtheilige Einwirkungen
ausüben würde, ein grosser Theil durch die Verkokung entfernt wird.
Die Entschwefelung der Steinkohlen bildete sogar ursprünglich — im
Anfange des 17. Jahrhunderts — den hauptsächlichsten Zweck, welchen
man bei der Verkokung derselben im Auge hatte.


Der Schwefelgehalt der Steinkohlen stammt zum grössten Theil aus
den eingesprengten Kiesen (Markasit, Pyrit), welche vorwiegend aus
Doppeltschwefeleisen (FeS2) bestehen. Es wurde schon früher erwähnt,
dass es auch durch sorgfältigste Aufbereitung der Kohlen nicht möglich
6*
[84]Die Brennstoffe.
sei, sie vollständig von ihren fremden Begleitern, also auch von
diesen schwefelreichen Mineralien, zu befreien. Durch einfache Er-
hitzung aber wird alles Doppeltschwefeleisen zersetzt, ein Theil des
Schwefels entweicht und es hinterbleibt eine Verbindung, deren Zu-
sammensetzung ungefähr durch die Formel Fe7 S8 (Zusammensetzung
des Magnetkieses) ausgedrückt wird. Die Gegenwart glühender Kohle,
welche mit dem Schwefel flüchtige Verbindungen eingeht, befördert die
Entschwefelung; und ein, wenn auch verhältnissmässig nicht bedeutender
Theil wird noch als Schwefelwasserstoff beim Ablöschen der Koks mit
Wasser entfernt.


Dass die Beschaffenheit der Koks, die Porosität, die Dichtigkeit,
das Aussehen theils von der Beschaffenheit der Kohlen, theils von der
Einrichtung der verwendeten Oefen abhänge, geht aus früher Gesagtem
hervor. Von Wichtigkeit für die meisten Verwendungen der Koks ist
eine gewisse Widerstandsfähigkeit gegen das Zerdrücken; gewöhnlich,
doch nicht regelmässig, geht diese mit der Dichtigkeit Hand in Hand,
und es ist dies ein besonderer Grund, weshalb man — besonders für
ihre Verwendung in hohen Oefen, wo ein ansehnliches Gewicht auf
den Koks lastet — dichte Koks den weniger dichten vorzieht. Nach
Versuchen, welche auf den Bessèges-Eisenwerken angestellt wurden,
betrug die Widerstandsfähigkeit gegen das Zerdrücken per qcm bei
Kokssorten aus verschiedenen Oefen:


  • aus englischen Bäckeröfen (Bienenkörben)   43.9 kg
  • Carvèsöfen von 0.70 m Breite   66.5 „
  • „ „ „ 0.66 „ „   79.7 „
  • „ „ „ 0.50 „ „   92.3 „
  • Coppéeöfen „ 0.50 „ „   80.5 „

Die Proben aus den Carvèsöfen von verschiedener Breite lassen
eine deutliche Zunahme der Festigkeit mit Abnahme der Ofenbreite
erkennen.


Infolge des Schwindens und Reissens des glühenden, aus dem
Ofen kommenden, Koksprismas pflegen die Koks in basaltartig geformten
Stücken aufzutreten, welche jedoch, besonders bei den Koks aus gas-
reicheren Kohlen, häufig mit traubenartigen Bildungen, von der Graphit-
ablagerung bei Zersetzung von Kohlenwasserstoffen herrührend, über-
zogen sind. Die Farbe des kalt durchgebrochenen Koks pflegt grau
mit Metallglanz zu sein, an den mit Wasser abgelöschten Stellen wird
er schwarz. Aus der Farbe auf die Güte der Koks schliessen zu wollen,
ist nicht thunlich.


Die chemische Zusammensetzung zeigt neben dem Kohlengehalte
einen Aschengehalt, dessen Höhe mindestens 4 Proc., nicht selten über
15 Proc. zu betragen pflegt, ferner einen Wasserstoffgehalt von 0.3 bis
0.5 Proc., einen Sauerstoff- plus Stickstoffgehalt von 2—2½ Proc. und
einen hygroskopischen Wassergehalt, der auch bei poröseren Koks,
welche längere Zeit an der Luft lagerten, selten erheblich über 10 Proc.
hinausgeht, während frisch abgelöschte Koks allerdings grössere Mengen
und in Wasser eingetauchte Koks bis zu 50 Proc. Wasser enthalten
können.


Vorzugsweise wichtig für die Werthbestimmung der Koks ist
natürlich ihr Aschengehalt. Koks mit mehr als 12 Proc. Asche ver-
[85]Die Gase.
wendet man für Schmelzprocesse nicht gern; Koks mit erheblich weniger
als 10 Proc. Asche gehören schon zu den vorzüglicheren. Aber auch
die chemische Zusammensetzung der Koksasche kommt hierbei in
Betracht. Im Grossen und Ganzen entspricht sie natürlich der Zu-
sammensetzung der Steinkohlenasche, und wie bei dieser findet man
als vorwiegende Bestandtheile Kieselsäure, Thonerde, Eisenoxyd, bis-
weilen Kalkerde; aber auch der Schwefelgehalt fehlt trotz der bei der
Verkokung stattfindenden Entschweflung niemals ganz und ein Schwefel-
gehalt = 2 Proc. des Koksgewichtes oder noch darüber gehört keines-
wegs zu den Seltenheiten.


Als Wärmeleistung der Koks (nach Abrechnung des Aschen-
gewichtes) pflegt man 8000 W.-E. per kg anzunehmen.


Das Gewicht eines Cubikmeters stückförmiger Koks beträgt, ab-
weichend nach dem Aschengehalte, der Dichtigkeit und der Stückgrösse,
350—450 kg.


8. Die Gase.


Allgemeines.

Die Anwendung brennbarer Gase zur Heizung metallurgischer
Oefen ist eine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Zwar versuchte schon
im Jahre 1792 ein Schotte Alexander Christie auf der Devon-
Eisenhütte zu Schottland, die aus dem Eisenhochofen entweichenden
und mit langer Flamme verbrennenden Gase nutzbar zu machen; doch
ohne Erfolg. 1) 1811 nahm in Frankreich ein Eisenwerksbesitzer
Aubertot ein Patent auf die Benutzung der Hochofengichtgase als
Brennstoff für andere Zwecke; ihm folgte im Jahre 1832 ein Engländer
Teague mit einem englischen Patent für das im Wesentlichen nämliche
Verfahren. Eine erhöhte Bedeutung jedoch erlangte die Gasfeuerung
erst durch die Bemühungen des würtembergischen Bergrathes Faber
du Faur
in Wasseralfingen in den dreissiger und vierziger Jahren,
welcher nicht allein Gichtgase sondern auch künstlich erzeugte brenn-
bare Gase zum Heizen verschiedener Oefen benutzte. Gegen Ende der
vierziger Jahre waren bereits in mehreren Gegenden Gasfeuerungen in
Anwendung; seitdem breitete sich die neue Feuerungsmethode von Jahr
zu Jahr weiter aus, und in der Jetztzeit bilden die brennbaren Gase
im Hüttenwesen einen ebenbürtigen Brennstoff neben den verkohlten,
einen bevorzugten neben den rohen unverkohlten Brennstoffen.


Gegenüber der Anwendung dieser letzteren, an deren Stelle die
gasförmigen Brennstoffe vorzugsweise benutzt zu werden pflegen, besitzt
die Heizung mit Gasen mancherlei Vortheile. Da eine innige Mischung
mit atmosphärischer Luft leichter als bei der Verbrennung fester Brenn-
stoffe auf dem Roste (der sogenannten directen Feuerung) zu erzielen
ist, so genügt ein geringerer Ueberschuss der Luft, eine vollständige
Verbrennung herbeizuführen. Die Folge davon ist eine höhere Ver-
brennungstemperatur und eine günstigere Ausnutzung der erzeugten
Wärme. Eine fernere Steigerung der Verbrennungstemperatur lässt
[86]Die Brennstoffe.
sich erzielen, wenn man den den Gasen beigemengten Wasserdampf
(z. B. bei Gasen, die aus wasserhaltigen Brennstoffen, Holz, Torf, Braun-
kohlen erzeugt waren) durch Verdichtung entfernt, ehe sie an den
Verbrennungsort gelangen, und theils aus diesem Grunde, theils wegen
der Möglichkeit, auch feinkörnige, für Rostfeuerung weniger geeignete
Brennstoffe zu vergasen, erhält man durch Anwendung der Gasfeuerung
ein geeignetes Mittel, selbst geringwerthige Brennstoffe mit Vortheil
zu verwenden.


Der Ursprung der Gase kann ein verschiedener sein.


Mitunter entweichen brennbare Gase als Nebenerzeugniss
eines zu einem andern Zwecke angestellten Processes und lassen sich
dann weiter verwenden. Dieser Fall tritt in besonderer Wichtigkeit
beim Eisenhochofenprocesse zu Tage, wo die Gichtgase des Hochofens
einen werthvollen Brennstoff für Heizung anderer Apparate bilden.
Erwähnt wurde bereits, dass gerade diese Gichtgase den ersten Anstoss
zur Einführung der Gasfeuerung überhaupt gegeben haben. Von der
Zusammensetzung, Entziehung und Fortleitung derselben wird in der
zweiten Abtheilung bei Besprechung der Roheisendarstellung im Hoch-
ofen die Rede sein.


Zweitens benutzt man, freilich nur in einer einzigen Gegend der
Erde, für die Eisenindustrie brennbare Gase, welche in der Natur
vorkommen. Es sind dieses die Petroleumgase Pennsylvaniens, welche
theilweise an Ort und Stelle zum Heizen von Dampfkesseln benutzt
werden, theilweise sogar ungenutzt entweichen, während ein anderer
Theil derselben nach Wedding’s Berichte über das Eisenhüttenwesen
der Vereinigten Staaten durch eine 22 km lange Röhrenleitung nach
Pittsburg geführt wird, um dort zum Betriebe von Puddel- und Schweiss-
öfen zu dienen. Das Gas enthält 90 Proc. leichten Kohlenwasserstoff,
ca. 4 Proc. schweren Kohlenwasserstoff, 4 Proc. Wasserstoff, übrigens
Kohlensäure u. s. w. und bildet deshalb einen werthvollen Brennstoff
mit hoher Verbrennungstemperatur.


Drittens lassen sich brennbare Gase aus festen Brennstoffen dar-
stellen; und dieses Verfahren bildet in der Jetztzeit das am häufigsten
für die Gasfeuerung angewendete. Diese Vergasung fester Brennstoffe
lässt sich wiederum in zweierlei Weise oder, richtiger gesagt, unter
Anwendung zweier verschiedener Oxydationsmittel durchführen. In
dem einen dieser Fälle dient Sauerstoff der atmosphärischen Luft dazu,
den Kohlenstoff des Brennstoffes zu Kohlenoxyd zu verbrennen (soge-
nannte unvollständige Verbrennung), während — bei Anwendung
unverkohlter Brennstoffe — die bei jener Verbrennung entwickelte
Wärme zugleich die Zersetzung des Brennstoffes, d. h. die Austreibung
der flüchtigen und theilweise brennbaren Bestandtheile bewirkt, so dass
diese sich mit dem gebildeten Kohlenoxydgas mischen. Der hierzu
erforderliche Apparat wird Generator genannt; von der gewöhnlichen
Verbrennung fester Brennstoffe auf dem Roste (der directen Feuerung)
unterscheidet sich diese Generator-Gasfeuerung demnach im Wesentlichen
dadurch, dass bei jener die zur vollständigen Verbrennung erforderliche
Verbrennungsluft bereits durch die Rostspalten hindurch ihren Weg
nimmt (dass trotzdem die eigentliche Verbrennung oft erst weit von
dem Roste ihr Ende erreicht, beweist die mehr oder minder lange, vom
[87]Die Gase.
Roste aufsteigende Flamme), während bei letzterer, der Gasfeuerung,
nur soviel Luft zu dem festen Brennstoffe geführt wird, als zur Um-
wandlung desselben in gasförmiges Kohlenoxyd nothwendig ist, und
die Verbrennung dieses Kohlenoxydes nebst den etwa entwickelten
brennbaren Zersetzungserzeugnissen erst durch später zugeführte Luft,
unter Umständen nach bewirkter Fortleitung des Gases an irgend eine
von dem Generator entlegene Stelle, bewirkt wird.


In dem zweiten erwähnten Falle der Gaserzeugung dient hoch-
erhitzter Wasserdampf als Mittel zur Vergasung des festen Brennstoffes.
Derselbe zerlegt sich in Berührung mit glühender Kohle und bildet
Wasserstoff einerseits und Kohlenoxyd andererseits, also ein Gemisch
brennbarer Gase, welches Wassergas genannt wird.


Diese beiden aus festen Brennstoffen gewonnenen Gasarten und
ihre Darstellung sollen in Folgendem ausführlicher besprochen werden.


Gewöhnliches Generatorgas (Luftgas) und seine Darstellung.

Alle zur Darstellung von Heizgas benutzten Generatoren haben
die Form eines Schachtes, in welchem die zur Vergasung bestimmte
Luft den in Stücken aufgehäuften Brennstoff durchdringt. Die Schüttung
des letzteren muss dabei so hoch sein, dass nicht freier, unverzehrter
Sauerstoff durch die Stücke desselben hindurch seinen Weg finde, das
gebildete Gas im Generator selbst verbrennend. Die Zuführung der
Luft geschieht meistens durch Essenzug, seltener durch ein Gebläse;
in dem ersteren Falle dient ein Rost dazu, der Luft den Eintritt in
den Generator zu ermöglichen.


Der Vorgang der Vergasung ist ziemlich einfach, wenn verkohlte
Brennstoffe, die also vorwiegend aus Kohlenstoff bestehen, als Material
dafür benutzt werden. Der Sauerstoff der eintretenden Luft bildet in
Berührung mit dem glühenden Brennstoffe, je nachdem die Temperatur
höher oder weniger hoch ist, der Brennstoff eine grössere oder geringere
Oberfläche darbietet, zunächst Kohlenoxyd oder Kohlensäure. Unmittel-
bar über dem Roste wird stets, wenn man Luft von gewöhnlicher
Temperatur zutreten lässt, wegen der dadurch unausgesetzt hervor-
gerufenen Abkühlung eine gewisse Menge Kohlensäure entstehen, um
so mehr, je dichter der Brennstoff ist, d. h. je weniger Oberfläche er
darbietet. Durch diese Verbrennung wird Wärme entwickelt, welche
von den aufsteigenden Gasen aufgenommen und nach oben, den,
gemäss der unten stattfindenden Verbrennung niederrückenden, Brenn-
stoffen entgegen geführt wird. Diese werden dadurch erwärmt und
allmählich zum Glühen erhitzt; die aufsteigende Kohlensäure in Be-
rührung mit den glühenden Kohlen vergast ein zweites Atom Kohle
und wandelt sich dabei in Kohlenoxyd um (CO2 + C = 2 CO). Zu
dieser Umwandlung aber wird Wärme verbraucht und zwar wie aus
den auf S. 20 gegebenen Ziffern hervorgeht, per kg Kohle, welches
durch die Kohlensäure verbrannt (vergast) wird, 3134 W.-E. Es tritt
also wieder Abkühlung ein, welche die Reduction der aufsteigenden
Kohlensäure hindern kann; und unter diesen entgegengesetzten Ein-
wirkungen bildet sich dann ein Gleichgewichtszustand für das Ver-
hältniss zwischen dem entstehenden Kohlenoxydgase und der unver-
[88]Die Brennstoffe.
ändert durch die Brennstoffschicht hindurchgehenden Kohlensäure aus,
welcher so lange unverändert bleibt, als nicht durch äussere Ein-
wirkungen die Temperatur im Generator geändert wird. Je höher die
Brennstoffschüttung im Generator ist, desto länger bleiben die nieder-
rückenden Kohlen dem aufsteigenden Gasstrome ausgesetzt, desto stärker
werden sie von diesem erhitzt, desto vollständiger wird die anfänglich
entstandene Kohlensäure zu Kohlenoxyd reducirt werden.


Verwendet man jedoch rohe Brennstoffe (Steinkohle, Braunkohle,
Torf, Holz) als Material zur Gaserzeugung, so gesellt sich zu diesem
soeben geschilderten Vorgange ein zweiter: die Zerlegung der rohen
Brennstoffe unter dem Einflusse der im unteren Theile des Generators
entwickelten Wärme in entweichende flüchtige Erzeugnisse und zurück-
bleibende Kohle, welche nun, wie im ersten Falle, den Gasen entgegen
rückt und unten verbrannt wird. Man hat diese durch einfache Er-
hitzung bewirkte Zersetzung passend mit Entgasung, jene durch
sogenannte unvollständige Verbrennung bewirkte Gaserzeugung mit
Vergasung des Brennstoffes bezeichnet.


Der Vorgang bei der Verwendung roher Brennstoffe zur Gasdar-
stellung im Generator ist also kurz folgender: die dem warmen Gas-
strome entgegen rückenden Brennstoffe werden allmählich erwärmt,
geben zunächst Wasser ab, dessen Menge natürlich von der chemischen
Zusammensetzung abhängig ist, und welches sich in Dampfform mit
den übrigen Gasen mischt, dann beginnt bei stärkerer Erhitzung die
Entgasung, schliesslich, wenn diese beendigt ist, die Vergasung durch
schon gebildete Kohlensäure, beziehentlich durch freien Sauerstoff, wie
oben beschrieben wurde.


Bei der Entgasung aber wird durch die stattfindende Verflüchti-
gung von vorher festen Körpern eine gewisse Menge Wärme verbraucht;
und dieser Wärmeverbrauch wirkt natürlich abkühlend auf den Gene-
rator. Dadurch werden wiederum die Vorgänge im unteren Theile des-
selben mehr oder minder beeinflusst, die Kohlensäurebildung wird
befördert, die Kohlenoxydbildung erschwert. Auch in diesem Falle
wird zwar eine hohe Brennstoffschüttung, da sie die Temperatur im
unteren Theile des Generators erhöht, die Reduction der Kohlensäure
befördern. Zu diesem Vortheile der hohen Schüttung gesellt sich jedoch
hier ein Uebelstand. Je höher dieselbe ist, desto niedriger wird die
Temperatur im oberen Theile des Generators sein, desto langsamer
wird hier die Zersetzung der frisch aufgeschütteten Brennstoffe vor
sich gehen. Die Erfahrung lehrt aber, dass bei dieser Zersetzung um
so grössere Mengen theeriger, für die Verwendung des Gases nach-
theiliger Bildungen entstehen, in je niedrigerer Temperatur sie vor
sich ging.


Aus dieser Schilderung der Vorgänge im Generator ergiebt sich
zunächst, dass alle Generatorgase eine ziemlich beträchtliche Menge
Stickstoff enthalten werden, da der Sauerstoffgehalt der Luft, welcher
zur Gasbildung nothwendig ist, nicht ohne den dazu gehörigen Stick-
stoffgehalt in den Generator und das Gasgemisch geführt werden kann.
Dieser Stickstoffgehalt der Generatorgase beträgt thatsächlich 55—65
Volumprocente oder etwa 60—70 Gewichtsprocente von dem Volumen
beziehentlich Gewichte des trockenen (wasserfreien) Gases. Die Schwan-
[89]Die Gase.
kungen erklären sich theils aus der Verschiedenheit der Menge der durch
Entgasung (bei Anwendung roher Brennstoffe) in das Gasgemisch ge-
führten Gase, theils aus dem verschiedenen Verhältnisse der Kohlen-
säure zum Kohlenoxyd in den Gasen. Denn ein Volumen beziehent-
lich Gewichtstheil Sauerstoff giebt bei der Verbrennung zu Kohlensäure
auch nur 1 Volumen beziehentlich 1.375 Gewichtstheile Kohlensäure,
bei der Verbrennung zu Kohlenoxyd dagegen 2 Volumina oder 1.75 Ge-
wichtstheile Kohlenoxyd, führt aber natürlich in beiden Fällen die
gleiche Menge Stickstoff den Gasen zu; und je mehr Gas überhaupt
durch die gleiche Menge Sauerstoff gebildet war, d. h. je mehr Kohlen-
oxyd und je weniger Kohlensäure in den Gasen enthalten war, desto
niedriger wird im Allgemeinen der durchschnittliche Gehalt an Stick-
stoff sein.


Es erklärt sich ferner aus den geschilderten Vorgängen, dass kaum
irgend ein Generatorgas ganz frei ist von Kohlensäure. Die Menge der-
selben wird beträchtlicher sein bei dichten und unverkohlten Brenn-
stoffen, bei kaltem Gange des Generators, als im umgekehrten Falle
und geht mitunter über 10 Proc. hinaus. Je grösser die Menge der
Kohlensäure plus Stickstoff, dieser unverbrennbaren, lediglich als Ver-
dünnungsmittel wirkenden Gase, ist, desto werthloser wird nicht nur
das Gas, sondern desto schwieriger wird auch die Verbrennung des-
selben und desto niedriger die Verbrennungstemperatur.


Ein anderer Bestandtheil aller Generatorgase ist Wasserstoffgas,
theils aus dem Brennstoffe selbst stammend (auch verkohlte Brennstoffe
enthalten, wie früher erwähnt worden ist, noch Wasserstoff), theils aus
der Zersetzung des Feuchtigkeitsgehaltes der verbrauchten atmosphäri-
schen Luft in Berührung mit glühenden Kohlen hervorgegangen.


Endlich finden sich Kohlenwasserstoffe (leichte und schwere), vor-
zugsweise natürlich in den aus rohen Brennstoffen bereiteten Gasen,
in welchen die Menge derselben 1—6 Volumprocent zu betragen pflegt.


Als durchschnittliche Zusammensetzung der trockenen Generator-
gase wird man folgende annehmen können:

Ausser diesen eigentlichen Bestandtheilen aber enthalten alle Gene-
ratorgase Wasserdampf, theils aus der hygroskopischen Feuchtigkeit aller
Brennstoffe, theils aus der Zersetzung unverkohlter Brennstoffe her-
rührend; und theerige Bildungen, sofern man unverkohlte Brennstoffe
verwendete. Der Wasserdampf, dessen Menge bei Anwendung wasser-
reicher Brennstoffe ein ganz beträchtlicher sein kann, wirkt, wie der
Stickstoff- und Kohlensäuregehalt, verdünnend auf die brennbaren Be-
standtheile, erschwert also die Verbrennung und erniedrigt die Ver-
brennungstemperatur; wegen der grossen specifischen Wärme des Wasser-
dampfes aber wirkt die gleiche Menge desselben bedeutend ungünstiger
[90]Die Brennstoffe.
in dieser Beziehung als jene Gase. Durch Abkühlung des Gases vor
der Verbrennung lässt sich die Menge des Wasserdampfes auf den-
jenigen Gehalt zurückführen, welcher dem Sättigungsgrade des Gases
bei der niedrigeren Temperatur entspricht, und dadurch der Brenn-
werth wasserreicher Gase nicht unerheblich erhöhen.


Auch jene theerigen Bildungen erschweren die Verbrennung des
Gases und, wenn sie in den Leitungen sich verdichten, können sie zu
Verstopfungen derselben Veranlassung geben.


Bei der Darstellung von Generatorgas ist also das anzustrebende
Ziel: möglichst reichliche Bildung von Kohlenoxydgas, möglichste Ver-
meidung der Entstehung von Kohlensäure, Theer, Wasser. Das wich-
tigste Mittel zur Erreichung dieses Zieles ist eine hohe Temperatur des
Generators. Kohlenoxyd ist, wie früher erörtert, das Erzeug-
niss einer Verbrennung von Kohle in hoher, Kohlensäure
in niedriger Temperatur; hohe Temperatur bei der Ent-
gasung beeinträchtigt die Entstehung von Wasser und
Theer, niedrige Temperatur befördert sie
.


Als selbstverständlich ist hierbei vorausgesetzt, dass die Brennstoff-
schicht in allen Fällen eine solche Höhe besitze, um das Hindurch-
treten unverzehrten Sauerstoffes unmöglich zu machen. Je heisser aber
der Generator ist, desto leichter wird auch dieser Bedingung genügt,
desto rascher wird — bei derselben Geschwindigkeit der Luft — der
eintretende Sauerstoff verschwinden. Als lehrreiches Beispiel für den
Einfluss der Temperatur auf die Zusammensetzung der Generatorgase
mögen folgende zwei von Stöckmann1) mitgetheilte Analysen von
Gasen bei heissem und kaltem Gange des Generators dienen. Die Gase
wurden aus Steinkohlen erzeugt; bei kaltem Gange enthielt das Gas
eine bedeutende Menge Theer, bei heissem Gange nicht.


Dass eine hohe Schüttung zwar die Entstehung einer hohen Tempe-
ratur im unteren Theile des Generators befördert, bei Vergasung roher
Brennstoffe aber auch die Bildung von Theer begünstigt, wurde schon
oben hervorgehoben. Es kommt ferner in Betracht, dass mit der Höhe
der Schüttung auch die Widerstände wachsen, welche sich dem Auf-
steigen der Gase entgegensetzen, und man deshalb auch einen stärkeren
Essenzug beziehentlich eine stärkere Windpressung anzuwenden hat,
um den Generator im Betriebe zu erhalten.


Es giebt also eine Grenze für die Höhe der Schüttung, abhängig
von der Beschaffenheit des Brennstoffes und der Stärke des Luftzuges,
welche nicht ohne Nachtheil überschritten werden kann.


[91]Die Gase.

Durchschnittlich dürfte die Höhe der Schüttung in den Generatoren
1 m betragen; es folgt aber aus dem Gesagten, dass die zweck-
mässigste
Höhe nicht in allen Fällen dieselbe sein kann. Je grob-
stückiger der Brennstoff ist, je weniger flüchtige Körper bei der ein-
fachen Zersetzung desselben entweichen, je schärfer der vorhandene
Zug ist, desto höher kann die Schüttung sein. Ein scharfer Zug be-
fördert nicht nur die Ausnutzung des Generators durch Lieferung
grösserer Gasmengen, sondern verringert auch aus demselben Grunde
die relativen Wärmeverluste durch Ausstrahlung u. s. w. (bezogen auf
die Gewichtseinheit vergaster Kohlen) und erleichtert also in doppelter
Hinsicht die Erzielung eines heissen Ganges im Generator.


Vorwärmung der Luft ist ein anderes erfolgreiches Mittel zur
Temperaturerhöhung des Generators und somit zur Erzielung reicherer
Gase. Der Grund hierfür ist S. 24 ausführlicher erörtert worden: durch
Anwendung warmer Luft wird die bei der Verbrennung gewonnene
Wärmemenge vermehrt ohne Vermehrung der Verbrennungserzeugnisse,
mithin die Temperatur gesteigert. Bei neueren Generatoranlagen er-
wärmt man bisweilen die Luft, indem man sie durch Kanäle im Mauer-
werk des Generators hindurchführt. 1) Der Aschenfall muss dann luft-
dicht geschlossen sein, damit nicht von aussen her kalte Luft zutrete.
Das Mittel würde zweifellos häufiger, als es in Wirklichkeit geschieht,
benutzt werden, wenn nicht eine praktische Schwierigkeit sich der
Anwendung entgegen stellte: die geringere Haltbarkeit der Roststäbe,
welche durch kalte Luft ununterbrochen gekühlt werden. Eine künst-
liche Kühlung derselben aber, wie sie u. a. bei dem erwähnten
Möller’schen Generator in Anwendung ist, beeinträchtigt wieder nicht
unwesentlich die Einfachheit der Construction.


In Rücksicht auf den schädlichen Einfluss, welchen die durch die
Entgasung roher Brennstoffe hervorgerufene Abkühlung auf den Ver-
lauf der Vergasung ausübt, und umgekehrt in Rücksicht auf den un-
günstigen Verlauf der Entgasung, wenn man durch allzu hohe Schüttung
die Temperatur im Vergasungsraume zu steigern sucht, ist man neuer-
dings vielfach bemüht gewesen, den Vorgang der Entgasung örtlich
von dem der Vergasung zu trennen. Die unten mitgetheilten Beispiele
ausgeführter Generatoren werden hierfür die Erläuterung geben.


Jede Aufschüttung frischen Brennstoffes in den Generator ruft
natürlich eine Abkühlung desselben und somit eine Aenderung (Ver-
schlechterung) in der Zusammensetzung des Gases hervor. Um diese
Ungleichmässigkeiten zu umgehen oder doch abzuschwächen, legt man
nicht selten mehrere Generatoren, welche zu verschiedenen Zeiten be-
schickt werden, zu einer Gruppe zusammen und vereinigt die Gase der-
selben in einer gemeinschaftlichen Leitung (Siemens’sche Generatoren).
Bei einem Betriebe in grösserem Maassstabe erreicht man dadurch den
Vortheil einer Centralisirung der gesammten Gaserzeugung und kann
dieselbe in besonderen Räumlichkeiten, getrennt von dem Orte der Ver-
wendung des Gases, ausführen. Je länger aber die Gasleitung ist, desto
mehr wird das aus dem Generator kommende, immerhin noch heisse
[92]Die Brennstoffe.
Gas in derselben abgekühlt, desto mehr Wärme, die andernfalls hätte
nutzbar gemacht werden können, geht ungenutzt verloren. Wie später
bei Besprechung des Siemens’schen Feuerungssystemes noch erörtert
werden wird, ist sogar bei derartigen Anlagen gewöhnlich eine Ab-
kühlung des Gases erforderlich, um es den tiefer liegenden Oefen zuzu-
führen, und den erforderlichen Zug im Generator hervorzubringen. Aus
diesem Grunde ist eine solche Einrichtung vorzugsweise da am Platze,
wo ohnehin eine Abkühlung des Gases zur Verdichtung von Wasser
oder Theer erforderlich ist.


In anderen Fällen dagegen, besonders bei Verarbeitung wasser-
armer Brennstoffe, befolgt man, um die von den Gasen aus den Gene-
ratoren mitgenommene Wärme nach Möglichkeit auszunutzen, den ent-
gegengesetzten Weg: man giebt jedem Ofen seinen eigenen Generator
und lässt die Gase unmittelbar aus diesem in den Ofen hinübertreten.


Die übliche Einrichtung eines gewöhnlichen Generators für gross-
stückiges Brennmaterial, sowie die Art und Weise der Gruppirung
mehrerer Generatoren zu einem Ganzen ist in den Abbildungen Fig. 13,
14 und 15 erkennbar. a a sind zwölf, in zwei parallelen Reihen auf-
gestellte Generatoren. Zur Erleichterung der Bedienung sind dieselben
vertieft eingebaut, so dass ihre Oberkante in einer Horizontalebene mit
der Erdoberfläche liegt und man die Kohlen in Wagen auf Schienen
bis zur Füllöffnung heranfahren kann. Die Füllöffnung ist durch einen
eisernen Deckel t (Fig. 14) verschlossen, welcher mit einem Rande in
eine ringförmige, ebenfalls aus Eisen gefertigte und mit Wasser, Theer,
oder dergleichen gefüllte Rinne eingreift, so dass in einfacher Weise
ein luftdichter Abschluss erzielt ist. In einiger Entfernung unter dem
Deckel ist eine um eine horizontale Achse drehbare, durch einen Hebel
mit Gegengewicht l (Fig. 13) emporgedrückte Klappe angebracht. Die
Kohlen werden auf die Klappe gestürzt, dann wird der Deckel auf-
gesetzt und nun erst die Klappe durch Empordrücken des Hebels ge-
öffnet, so dass die Kohlen durch den eisernen Füllcylinder b in den
Generator hineinstürzen. Die entwickelten Gase treten durch den Seiten-
kanal h in den gemeinschaftlichen Hauptkanal c. Jeder einzelne Gene-
rator kann durch Schliessung des Ventiles m, dessen Einrichtung mit
der des oben besprochenen Deckels t übereinstimmt, abgestellt und nach
Erforderniss ganz kalt gelegt werden; ausserdem lässt sich der Zug im
Hauptkanale durch das Ventil n abstellen. Theer und Wasser, welche
im Hauptkanale condensirt sein sollten, fliessen durch die Oeffnung o ab.


Damit beim Beginne des Betriebes ein rascher Zug erzeugt und
die in den Kanälen vorhandene Luft entfernt werden könne, sind in
dem Hauptkanale mehrere Oeffnungen f f mit aufgesetzten Blechschorn-
steinen f1f1 angebracht, durch welche die Luft entweicht. Während des
eigentlichen Betriebes werden diese Schornsteine durch eine Klappe
geschlossen.


Alles Uebrige dürfte aus den Abbildungen leicht verständlich sein.
Die Generatoren sind zur Vergasung grossstückiger Braunkohlen be-
stimmt und demnach mit Planrost versehen. Mit entsprechenden Aende-
rungen würden die nämlichen Generatoren auch für andere Brennstoffe
brauchbar gemacht werden können. Für kleinstückiges Brennmaterial
z. B. würde ein Treppenrost an Stelle oder neben dem Planroste am
[][]

[figure]

[]

[figure]

[][93]Die Gase.
Platze sein. Den Steinkohlengasgeneratoren pflegt man in Rücksicht
auf die ohnehin feinstückigere Beschaffenheit der Steinkohlen stets ent-
weder einen Treppenrost oder doch einen geneigten Planrost zu geben.
Um einen grösseren Fassungsraum bei geringerer Schütthöhe (die für
dicht liegende Steinkohlen unerlässlich ist) zu erlangen, giebt man der
Rückwand eine Neigung nach aussen, so dass der Generator sich nach
oben erweitert, und überspannt denselben durch ein Gewölbe, in welchem
die Füllöffnung sich befindet (vergl. unten die Abbildungen Fig. 26
und 28, Oefen mit Steinkohlengasgeneratoren darstellend).


Die Aufgabe, den Entgasungs- und Vergasungsraum im Generator
örtlich von einander zu trennen, wird in vollkommener Weise durch
den Gröbe-Lürmann’schen Gasgenerator gelöst, welcher u. a. im
Eisen- und Stahlwerk Osnabrück mit befriedigendem Erfolge in An-

Figure 13. Fig. 16.


wendung ist. Fig. 16 zeigt in perspectivischer Ansicht die Einrichtung
desselben. A A sind retortenartige Entgasungsräume, von denen einer
oder mehrere angeordnet sein können, den Verkokungsräumen der auf
S. 79 besprochenen Lürmann’schen Verkokungsöfen ähnlich eingerichtet
und mit mechanischer Beschickungsvorrichtung b versehen, welche die
einfallenden Kohlen mit einer der fortschreitenden Zersetzung entspre-
chenden Geschwindigkeit allmählich vorwärts schiebt. Die geneigte Sohle
des Entgasungsraumes erleichtert diese Bewegung. Sämmtliche Ent-
gasungsräume münden in den gemeinschaftlichen Vergasungsraum B,
welcher die aus jenen herausgedrückten, bereits entgasten Kohlen auf-
nimmt und unten mit Rost versehen ist, durch welchen die für die
Vergasung erforderliche atmosphärische Luft zutritt. Jedem Entgasungs-
[94]Die Brennstoffe.
raume A gegenüber befindet sich in der Stirnwand des Vergasungs-
raumes eine, auch in der Abbildung sichtbare, durch eine Glimmer-
platte oder in anderer Weise geschlossene Schauöffnung zur Beobachtung
der Vorgänge im Inneren.


Die in beiden Räumen entwickelten Gase mischen sich und ge-
langen durch eine in der Abbildung nicht sichtbare Oeffnung in der
Seitenwand oder dem Gewölbe des Generators nach dem in unmittel-
barer Nähe des letzteren — über, neben oder unter demselben — an-
geordneten Ofen, um hier durch zugeführte Luft, welche in den Kanälen
i i vorgewärmt wird, verbrannt zu werden. Aus diesem Ofen nun treten
die noch heissen Verbrennungsgase in die Kanäle D, umkreisen in den-
selben die Retorten (Entgasungsräume), um diese auf die für die Ent-
gasung erforderliche Temperatur zu erhitzen und schliesslich nach der
Esse oder einem andern, fernerhin durch die ihnen noch innewohnende
Wärme (Abhitze) zu heizenden Apparat geführt zu werden. Der Kanal e
hat den Zweck, diejenigen Verbrennungsgase aufzunehmen, welche bei
sehr starker Gasentwickelung oder ungenügendem Essenzuge nicht rasch
genug durch die engen Kanäle D entweichen können und dient also
gewissermaassen als Reservekanal für die aus dem Ofen abziehen-
den Gase.


Die Breite eines solchen Generators (von der Beschickungsseite
nach der gegenüber liegenden Seite gemessen) ist 3.65 m, die Länge ist
abhängig von der Anzahl der Entgasungsräume und beträgt für zwei
Entgasungsräume 3.78 m, für jeden folgenden 1.15 m mehr. Die Menge
der innerhalb 24 Stunden zu vergasenden Steinkohlen beträgt per Ent-
gasungsraum 1200—1800 kg, die Bewegungsgeschwindigkeit derselben
innerhalb des Entgasungsraumes ca. 12 mm per Minute.


Ausser den schon geschilderten Vortheilen, welche überhaupt eine
Trennung der als Entgasung und Vergasung bezeichneten Vorgänge bei
Verarbeitung roher Brennstoffe mit sich bringt, gewährt die Einrichtung
des Gröbe-Lürmann’schen Generators noch verschiedene andere. Die
Entgasung beginnt an dem äussersten Ende der Retorte, und die ent-
wickelten Gase und Dämpfe sind gezwungen, durch die den Entgasungs-
raum A anfüllende Kohlenschicht hindurch ihren Weg zu nehmen, um
in den Raum B zu gelangen. Dabei werden sie immer stärker erhitzt,
treffen auf immer heissere Kohlen und werden infolge davon derartig
zerlegt, dass Wasserdampf sich in Kohlenoxyd und Wasserstoff, theerige
Bildungen sich in gasförmigen Kohlenwasserstoff und feste Kohle um-
wandeln. Der Umstand aber, dass die entgasten Kohlen bereits hoch
erhitzt in den Vergasungsraum gelangen, befördert hier die Entstehung
einer hohen Temperatur, die Kohlenoxydbildung ist reicher, die Kohlen-
säurebildung geringer als in niedrigerer Temperatur, und alle diese
Umstände vereinigen sich, die Erzeugung eines an nachtheiligen Bestand-
theilen reineren, an brennbaren Körpern reicheren Gasgemisches als in
gewöhnlichen Generatoren zu befördern. Zur Erhitzung und Zerlegung
der rohen Kohlen aber dient nur die abziehende Wärme (Abhitze) des
zu heizenden Ofens, nicht, wie bei anderen Generatoren, die durch die
Vergasung (Verbrennung des Kohlenstoffes zu Kohlenoxyd) gewonnene
Wärme. Die Gase treten heiss in den Ofen ein und machen somit eine
entsprechende Menge jener abziehenden Wärme aufs Neue nutzbar.
[95]Die Gase.
Es entsteht eine hohe Verbrennungstemperatur und eine günstige Aus-
nutzung der Wärme.


Ein ähnliches Ziel, als es im Gröbe-Lürmann’schen Generator
erreicht wird — Trennung der Entgasung und Vergasung —, ist auch
in anderer Weise verschiedentlich angestrebt worden.


Bei einem von Thum vorgeschlagenen Gasgenerator (vergl. Literatur)
sind zwei in Verbindung mit einander gesetzte Schächte angeordnet.
Ist der eine derselben beschickt, so treten die mit Wasser und Theer
beladenen Gase desselben in den zweiten Schacht, ziehen hier abwärts
durch die auf dem Roste desselben befindliche glühende Kohlenschicht
hindurch und werden dann ihrem Bestimmungsorte zugeführt; ist die
Entgasung in dem ersten Schachte vollendet und sind die Kohlen in
demselben zum Glühen erhitzt, so wird der zweite Schacht beschickt
und mit Hilfe einer Umsteuerung (Klappe) zwingt man nun die sich
hier entwickelnden Gase, den umgekehrten Weg als zuvor zu nehmen;
u. s. f. Verschiedene praktische Bedenken, die Abhängigkeit des Ver-
laufs des Processes von der Aufmerksamkeit der Arbeiter, die jedenfalls
geringe Haltbarkeit der Roste, die Schwierigkeit, sie zu reinigen u. a. m.
stellen sich jedoch der Thum’schen Construction entgegen, welche auch
eine ausgebreitetere Anwendung nicht gefunden zu haben scheint.


In zweckmässigerer Weise dürfte ein von W. Gorman gebauter
Generator die gleiche Aufgabe lösen (D. R.-P. Nr. 2155; vergl. auch
unter Literatur: Pütsch, Sachliche Würdigung etc.). Hier ist, wie ge-
wöhnlich, ein einziger Generatorschacht angeordnet, unten durch Plan-
roste, oben durch eine Füllvorrichtung geschlossen. Derselbe wird bis
oben hin mit Brennstoff gefüllt; die Gase entweichen durch Oeffnungen,
welche am Umfange des Generators ungefähr in der Mitte seiner
Höhe
gleichmässig vertheilt sind und in einen aussen rings herum
laufenden Sammelraum münden. Der Betrieb erfolgt durch Gebläse-
wind; ein Theil desselben strömt von unten aus dem geschlossenen
Aschenfalle durch den Rost, wie gewöhnlich, aufwärts, ein anderer Theil
wird über die frisch aufgeschütteten Kohlen von oben her eingeführt
und nimmt von hier seinen Weg abwärts. Während also in der unteren
Hälfte des Generators Vergasung stattfindet und die Kohlen dabei zum
Glühen erhitzt werden, ziehen die im oberen Theile entstandenen Ent-
gasungs-Erzeugnisse abwärts, treffen hierbei auf jene glühenden Kohlen
und werden zersetzt.


Bei Verarbeitung wasserreicher Brennstoffe (Lignite, Braunkohlen,
Holz, Torf) ist es, wie schon erwähnt wurde, mitunter erforderlich, eine
Condensationsvorrichtung für den gebildeten Wasserdampf und Theer in
die Gasleitung einzuschalten, sofern man hohe Verbrennungstemperaturen
erzielen will. Diese Vorrichtung besteht gewöhnlich aus mehreren über-
einander kreuzweise angeordneten horizontalen Lagen von Eisenstäben,
welche gitterartig neben und übereinander gelegt sind, solcherart die
hindurchziehenden Gase auf eine grosse Fläche vertheilend. Das Ganze
ist in einem gemauerten thurmartigen Kanale angeordnet. Oberhalb
der Eisenstäbe liegt ein Wasserleitungsrohr mit zahlreichen Oeffnungen,
aus welchen die Stäbe mit einem feinen Regen benetzt werden. Das
[96]Die Brennstoffe.
Einspritzwasser wie das condensirte Wasser und der Theer sammeln
sich unterhalb der Stäbe und lassen sich durch einen mit dem äusseren
Raume communicirenden Kanal entfernen. Derartige Condensatoren
sind u. a. auf dem Eisenwerke zu Riesa (für Braunkohlengas) sowie auf
einigen kärntnischen und schwedischen Eisenwerken (für Braunkohlen-
und Holzgas) in Anwendung.


Selbst Sägespäne sind durch Einschaltung eines derartigen, aus-
reichend geräumigen Condensators in die Leitung noch in gut brauch-
bares Gas für Schweissöfen umgewandelt worden (Lundin’s Conden-
sator, vergl. Literatur).


Zu erwägen bleibt immerhin bei einer derartigen Anlage, ob nicht
eine Zerlegung der gebildeten nachtheiligen Körper und Umwandlung
in brennbare Gase durch Einwirkung glühender Kohle, wie sie z. B.
in dem Gröbe-Lürmann’schen Generator stattfindet, aber auch in
anderer Weise zu erreichen sein würde, vortheilhafter als die Con-
densation sei; denn jede Condensation ist gleichbedeutend mit einem
Verluste von Wärme.


Das Wassergas und sein Gemisch mit Luftgas.

Mehrfach war bereits in Vorstehendem jenes Vorganges gedacht,
dem das Wassergas seine Entstehung verdankt: ein Zerfallen von
Wasserdampf in Berührung mit glühender Kohle unter Bildung von
Kohlenoxyd und Wasserstoff. Dieser Process findet in gewöhnlichen
Generatoren nicht selten neben der Bildung des eigentlichen Generator-
gases (Luftgases) statt, wenn man wasserhaltige Brennstoffe verarbeitet
und die Temperatur hoch genug zur Zerlegung der Wasserdämpfe u. s. w.
ist (z. B. im Gröbe-Lürmann’schen Generator); er ist auch als
selbstständiger Process zur Darstellung brennbarer Gase, des eigentlichen
Wassergases, seit einer Reihe von Jahren in die Praxis eingeführt worden.


Schon in den dreissiger Jahren dieses Jahrhunderts wurden —
zuerst durch Donnovan in Dublin, bald darauf durch Selligue in
Paris — mehrfache Versuche in grösserem Maassstabe gemacht, Wasser-
gas technisch darzustellen und zu verwerthen, sei es zu Heizzwecken
oder zur Beleuchtung, nachdem ihm für letzteren Zweck entweder durch
Beimengung flüchtiger Kohlenwasserstoffe die Eigenschaft, mit leuchten-
der Flamme zu brennen, ertheilt worden war, oder auch, indem man
es unter einem Korbe aus Platindrahtgewebe verbrennen liess, welcher
ins Weissglühen gerieth und dabei ein klares, ruhiges Licht ausstrahlte.
In dieser Weise wurde z. B. die Stadt Narbonne in den Jahren 1855
bis 1865 erleuchtet.


Die allgemeinere Anwendung des Wassergases, insbesondere auch
die Anwendung desselben zu Heizzwecken, scheiterte jedoch lange Zeit
hindurch an dem Umstande, dass die Erzeugung des Gases einen ganz
erheblichen Verbrauch an Wärme erheischt, der nur durch Verbren-
nung anderweitiger Brennstoffe gedeckt werden kann.


Denkt man sich den ideellen Vorgang bei der Wassergaserzeugung
folgendermaassen:
,
so lässt sich unschwer berechnen, dass für jedes kg zerlegten Wasser-
dampfes 1591 W.-E. oder für jedes kg vergasten Kohlenstoffes 2387 W.-E.
[97]Das Wassergas und sein Gemisch mit Luftgas.
mehr verbraucht als durch die Oxydation des Kohlenstoffes gewonnen
werden 1); wird diese Wärmemenge nicht ersetzt, so tritt Abkühlung
und demnächstige Unterbrechung des Processes ein.


In der Wirklichkeit nun gestaltet sich der Verlauf des Processes
etwas anders, indem ein Theil der Kohle zu Kohlensäure statt zu
Kohlenoxyd verbrennt:
.
Bei der Kohlensäurebildung aber ist, wie bekannt, die Wärmeentwicke-
lung beträchtlich höher als bei Kohlenoxydbildung, sofern man dieselbe
auf die Gewichtseinheit vergasten Kohlenstoffes bezieht (S. 20); und die
Rechnung ergiebt, dass bei dem Vorgange nach letzterer Formel der
Mehrverbrauch an Wärme per kg zerlegten Wasserdampfes 658 W.-E.
oder per kg vergaster Kohle 1974 W.-E. beträgt. Auch in diesem
Falle tritt also, wenn auch langsamer, Abkühlung und somit ein Er-
löschen des Processes ein, sofern nicht die verbrauchte Wärme (zu der
noch die durch Ausstrahlung u. s. w. verloren gehende hinzukommt)
in anderer Weise ersetzt wird; und da Kohlenoxyd, wie früher erörtert,
das Ergebniss einer Verbrennung in hoher Temperatur ist, Kohlen-
säure dagegen in niedriger Temperatur entsteht, so reichert sich zunächst,
sofern jener Ersatz an Wärme nicht stattfindet, der Kohlensäuregehalt
des Gasgemisches mehr und mehr an, während der Kohlenoxydgehalt
abnimmt, bis schliesslich die Temperatur auf jene Grenze gesunken ist,
wo die Gasbildung aufhört.


Bei ausschliesslicher Bildung von Kohlenoxyd liefert 1 kg Kohle
obiger Formel zufolge ⅙ kg Wasserstoff mit einer Wärmeleistung von
⅙ × 29161 = 4860 W.-E. und 7/3 kg Kohlenoxyd mit einer Wärme-
leistung von 7/3 × 2403 = 5607 W.-E., also ein Gasgemisch mit einer
Gesammtwärmeleistung von 10467 W.-E. Bei ausschliesslicher Bildung
von Kohlensäure dagegen entsteht als brennbarer Bestandtheil des Gas-
gemisches per kg vergaster Kohle mit der doppelten Menge Wasser als
in jenem Falle nur ⅓ kg Wasserstoff mit einer Wärmeleistung von
⅓ × 29161 = 9720 W.-E. Der Rauminhalt des erfolgenden Gases
aber ist bei Wasserstoff- und Kohlensäurebildung anderthalbfach so gross
als bei Wasserstoff- und Kohlenoxydbildung, ein Umstand, der für
die praktische Verwendbarkeit des ersteren Gemisches jedenfalls nicht
günstig ist.


Bei den neueren Apparaten zur Wassergaserzeugung für Heiz-
zwecke 2) wird ein Theil der zu vergasenden Kohle zunächst durch
Luftzuführung verbrannt, um die für die Zersetzung erforderliche
Wärme zu liefern, alsdann wird der überhitzte Wasserdampf zugeleitet.
Der Strong’sche Apparat z. B. besteht aus einem schachtförmigen
Generator 3), der in seinem unteren verjüngten Theile einen Rost trägt
Ledebur, Handbuch. 7
[98]Die Brennstoffe.
und oben in eine, für gewöhnlich geschlossene, Oeffnung endigt, durch
welche das Brennmaterial, beispielsweise Steinkohle, eingefüllt und
nachgetragen wird. An diesen Generator schliessen sich, durch Wände
aus feuerfesten Steinen geschieden und durch Kanäle mit dem Generator
wie unter sich verbunden, mehrere gleich hohe Vertikalkammern, so-
genannte Regeneratoren an, welche mit Ziegeln gitterförmig aus-
gesetzt sind, und von denen sich einer an der linken, zwei an der
rechten Seite des Generators befinden. Die mit Ventilen versehenen
Ausgänge der beiden an den Enden befindlichen Regeneratoren ge-
statten, die durch Einblasen von Luft, beziehentlich Wasserdampf,
erzeugten gasförmigen Körper je nach ihrer Beschaffenheit entweder in
eine Esse oder als Heizgas in die zur Fortleitung desselben bestimmte
Leitung eintreten zu lassen.


Es sei nun die Steinkohlenfüllung des Generators in Brand gesetzt
und ein unter dem Roste desselben mündendes Gebläse angelassen.
Es erfolgt dann lebhafte Verbrennung, und man richtet hierbei die
Ventilstellung so ein, dass sämmtliche Gase nach den beiden rechts-
seitig gelegenen Regeneratoren abziehen können, derartig, dass sie den
ersten Regenerator von oben nach unten, den zweiten von unten nach
oben durchstreichen, worauf sie in den Schornstein eintreten. Zur Ver-
brennung des in dem Gase noch enthaltenen Kohlenoxydes, Theer-
dampfes u. s. w. lässt man bei dem Eintritte in den ersten Regenerator
einen zweiten Windstrahl zutreten. Die entwickelte Wärme aber wird
nun beim Hindurchziehen der Gase durch die mit Ziegeln ausgesetzten
Regeneratoren an diese abgegeben, gewissermaassen in denselben auf-
gespeichert, bis diese sowohl als auch die im Generator befindlichen
Kohlen in hohe Temperatur gebracht worden sind. Nun wird das Ge-
bläse abgestellt, der Schornstein geschlossen und umgesteuert, während
man am Ausgangsende des letzten rechtsseitigen Generators einen
Dampfstrahl einbläst. Derselbe nimmt den entgegengesetzten Weg als
vorhin die Verbrennungsgase, erhitzt sich innerhalb der Regeneratoren
durch Aufnahme eines Theiles der dort aufgespeicherten Wärme und
durchzieht nun in diesem stark überhitzten Zustande die glühende
Kohlensäule von oben nach unten, dabei in Wassergas sich umwandelnd,
welches schliesslich in den linksseitigen Regenerator übertritt, dort seine
Hitze abgiebt und als fertiges Gas der Verbrauchsstelle zugeleitet wird.


Ist nun durch das Sinken der Temperatur der Gaserzeugung eine
Grenze gesetzt, so ist eine neue Luftzuführung zur abermaligen Ent-
wickelung von Wärme nothwendig. Man bläst nunmehr die Luft in
umgekehrter Richtung als vorher, also von oben nach unten durch den
Generator und führt, sobald die zur Wassergaserzeugung erforderliche
Temperatur wieder erreicht ist, auch den Wasserdampf in umgekehrter
Richtung, also durch den inzwischen erhitzten linksseitigen Regenerator
zu. Das gebildete Wassergas wird dann auf der rechten Seite abgeführt,
nachdem es seine Wärme an die hier gelegenen Regeneratoren ab-
gegeben hat. Indem man also bei der Behandlung der im Generator
befindlichen Kohle abwechselnd mit Luft und mit Wasserdampf einmal
nach rechts und einmal nach links arbeitet, erzielt man unter Wieder-
gewinnung eines grossen Theiles der von den Gasen entführten Wärme
eine intermittirende Wassergaserzeugung, die sich durch Anwendung
[99]Das Wassergas und sein Gemisch mit Luftgas.
zweier abwechselnd arbeitender Apparate selbstredend zur continuir-
lichen gestalten lässt.


Bei Versuchen von Bunte mit dem Strong’schen Gaserzeuger
ergab sich, bei Anwendung von Koks, dass 1 kg Kohlenstoff incl.
des zum Heizen verbrauchten (d. h. durch Zuführung von Luft ver-
brannten) Kohlenstoffes 1.53 cbm Wassergas lieferte 1), dessen Zusammen-
setzung durchschnittlich folgende war:


  • Kohlenoxyd   34.5 Vol.
  • Wasserstoff   50.0 „
  • Kohlensäure   7.3 „
  • Sauerstoff   0.7 „
  • Stickstoff   7.5 „

Dagegen zeigte sich, wie aus den oben gegebenen Erläuterungen
leicht erklärlich ist, eine stetige Zunahme des Kohlensäuregehaltes von
dem Augenblicke des Einlassens des Dampfes an bis zum erneuerten
Umschalten; der Kohlensäuregehalt des Gases betrug nach 5 Minuten
4.6 Volumproc., nach 10 Minuten 6.0, nach 30 Minuten 12.5 Volumproc.


Es ist leicht einzusehen, dass eine günstigere Ausnutzung der
Kohlen bei der Bildung von Wassergas im Vergleiche mit der Bildung
von gewöhnlichem Luftgase keineswegs erreicht wird; denn dieselbe
Wärmemenge, welche der im Wassergase enthaltene Wasserstoff bei
seiner Verbrennung zu entwickeln fähig ist, muss im Generator durch
einen äquivalenten Verbrauch von Kohle gedeckt werden, und zu diesem
theoretisch erforderlichen Kohlenverbrauche kommt noch der durch die
unvermeidlichen Wärmeverluste in den Regeneratoren u. s. w. hervor-
gerufene Mehrverbrauch. Der eigentliche Vorzug des Wassergases liegt
deshalb in zwei ganz anderen Umständen. Erstens ist der Rauminhalt
des aus der gleichen Menge Kohlen gewonnenen Wassergases erheblich
geringer als bei Vergasung jener Kohlen durch Luft; und dieser Unter-
schied tritt noch deutlicher hervor, wenn man die Wärmeleistungs-
fähigkeit gleicher Gasvolumina berücksichtigt. Die Wärmemenge, welche
bei der Verbrennung von Wassergas nach der von Bunte gefundenen
Zusammensetzung entwickelt wird, verhält sich zu der durch das
gleiche Volumen
aus verkohlten Brennstoffen dargestellten Luft-
gases 2) entwickelten Wärme annähernd wie 2.2 : 1, wie sich unschwer
berechnen lässt; d. h. also, man gebraucht nur ungefähr das halbe
Volumen Wassergas, um die gleiche Wärme als durch das ganze Vo-
lumen Luftgas zu erzeugen, ein Umstand, welcher die Fortleitung des
Gases erheblich erleichtert.


Zweitens aber kommt bei der Erzeugung und Verwendung von
Wassergas in Betracht, dass jene Wärme, welche zur Zerlegung des
Wasserdampfes erforderlich ist, an der Erzeugungsstelle verbraucht
wird, während die durch Verbrennung des erfolgenden Wasserstoffgases
7*
[100]Die Brennstoffe.
frei werdende Wärme erst an dem Verbrennungsorte, der beliebig weit
von jener entfernt sein kann, nutzbar gemacht wird. Wenn also that-
sächlich, wie schon hervorgehoben wurde, ein eigentlicher Wärme-
gewinn durch die Umwandlung von Kohle und Wasserdampf in Wasser-
gas nicht erreicht wird, ja sogar gewisse Wärmeverluste dabei unver-
meidlich sind, so erreicht man doch bei diesem Verfahren den Vortheil,
dass Wärmeverbrauch und Wärmeerzeugung örtlich getrennt sind oder,
mit anderen Worten, dass man, ohne die Kohlen selbst transportiren
zu müssen, im Stande ist, an ihrem Fundorte sie gewissermaassen
— man gestatte den Vergleich — zu einer Einzahlung von Wärme zu
benutzen, um an einem beliebig entfernten Orte durch Verbrennung
des Gases die Auszahlung zu erhalten. Auch gewöhnliches Generator-
gas lässt sich beliebig weit in Leitungen fortführen; bei diesem aber
fällt jener durch die Wasserzersetzung hervorgerufene Wärmeverbrauch
bei der Erzeugung — die Einzahlung — fort, welcher am Verbrauchs-
orte wieder gewonnen wird; es wird sogar bei der Kohlenoxydbildung
durch atmosphärischen Sauerstoff freie Wärme entwickelt, und dieselbe
geht unwiederbringlich verloren, wenn das Gas in langen Leitungen
abgekühlt wird.


Es folgt aus diesen Eigenthümlichkeiten des Wassergases, dass
dasselbe als besonders geeignet für solche Verwendungen erscheinen
muss, wo die Fundstätte der Kohlen und der Verbrauchsort weit ausein-
ander liegen; und in diesem Falle auch nur dann, wenn der gesammte
Bedarf an Wärme grossartig genug ist, um eine örtliche Trennung des
Erzeugungsortes und Verbrauchsortes, welche getrennte Anlagen, ge-
trennte Betriebsführung, Anlage von Leitungsröhren u. s. w., also in
jedem Falle ein grosses Anlage- und Betriebscapital erforderlich macht,
auch ökonomisch vortheilhaft erscheinen zu lassen. Wenn daher alle
Aussicht ist, dass für Heizung grösserer Städte und zu ähnlichen Zwecken
das Wassergas in nicht ferner Zeit eine ausgedehntere Verwendung
finden wird, so ist doch kaum zu erwarten, dass es auf Eisenwerken
das in einfacherer Weise gewinnbare Generatorgas (Luftgas) verdrängen
werde, es sei denn, dass die Lage dieses oder jenes Eisenwerkes einen
leicht zu ermöglichenden Anschluss an eine für allgemeinere Zwecke
hergestellte Anlage für Wassergaserzeugung gestattet.


Da bei der Erzeugung von Luftgas Wärme gewonnen, bei der
Erzeugung von Wassergas Wärme verbraucht wird, so lässt sich
schliessen, dass bei einer Vereinigung beider Processe durch gleich-
zeitige Zuführung von Luft und Wasserdampf, welche mit einander
gemischt sind, es möglich sein wird, einen Gleichgewichtszustand her-
zustellen, in welchem weder eine Abkühlung noch eine fernere Er-
hitzung des Generators eintritt, und in welchem ununterbrochen ein
Gemisch von Luftgas und Wassergas erfolgt. Diese Erzeugung von
Mischgas wurde bereits früher mehrfach berührt; sie tritt in jedem
Luftgenerator ein, sobald bei der Zersetzung wasserhaltiger Brennstoffe
die entwickelten Wasserdämpfe durch glühende Kohlen hindurchgeführt
werden; auch der nie ganz fehlende Wassergehalt der in den Generator
[101]Literatur.
geführten Luft ruft eine gleiche Wirkung hervor. Wie gross das Ver-
hältniss des von aussen zugeführten Wasserdampfes zu der Menge der
vergasten Kohlen sein kann, ohne dass die Vergasung unterbrochen
wird, hängt von der Beschaffenheit der Kohlen, der Einrichtung des
Generators und der Temperatur des Wasserdampfes selbst ab. Je mehr
Wärme im Generator zur Zerlegung roher Brennstoffe, zur Verdampfung
von hygroskopischem Wasser verbraucht wird, je grösser die Wärme-
verluste durch Ausstrahlung u. s. w. sind, desto niedriger wird sich
die Menge des zulässigen Wasserdampfes beziffern. Bunte fand bei
diesbezüglichen Versuchen, dass in einem heiss gehenden, mit Koks
betriebenen Generator per kg Kohlenstoff bis 0.75 kg Wasserdampf
zugeführt werden könne, ohne dass Abkühlung unter die für die Gas-
bildung erforderliche Grenze eintritt; es würde also in diesem Falle
die Hälfte der Kohlen zu Luftgas-, die andere zu Wassergaserzeugung
verbraucht werden.


In der Praxis macht man von diesem Umstande mitunter Ge-
brauch, indem man Luft, die mit Wasserdampf gesättigt ist, oder auch
Wasserdampf neben der Luft unter den Rost des gewöhnlichen Gas-
generators führt. Ob thatsächlich dadurch eine günstigere Ausnutzung
des Brennstoffes herbeigeführt werde, bleibt mindestens zweifelhaft; denn
in demselben Maasse, wie durch Zersetzung von Wasserdampf der
Wasserstoffgehalt des Mischgases zunimmt, mehrt sich auch infolge des
grösseren Wärmeverbrauches im Generator der Kohlensäuregehalt und
mindert sich der Kohlenoxydgehalt. Was also auf der einen Seite
gewonnen wird, geht auf der andern zum Theil wieder verloren; und
vollständig nutzlos für die Brennstoffausnutzung bleibt das erwähnte
Verfahren jedenfalls dann, wenn die Gase noch heiss, also ohne Ein-
schaltung einer längeren Leitung, an den Verbrennungsort gelangen.
Die im Generator entwickelte überschüssige Wärme wird in diesem
Falle vortheilhafter zur Erhitzung der austretenden Gase als zur Zer-
legung von Wasserdampf verwendet.


Ein anderer, praktisch nicht unwichtiger Grund zur Anwendung
feuchter Luft für den Betrieb gewöhnlicher Gasgeneratoren ist die
dadurch bewirkte grössere Schonung der Ofenwände, welche in heiss
gehenden Generatoren durch die aus der Asche sich bildende Schlacke oft
erheblich angegriffen werden. Durch die Temperaturerniedrigung, welche
die Zerlegung des Wasserdampfes mit sich bringt, wird dieser Uebel-
stand abgemindert oder ganz beseitigt. Häufig lässt sich ein merk-
licher Erfolg in dieser Beziehung schon erreichen, indem man im Aschen-
falle einen Wassertümpel erhält, aus dem das Wasser allmählich ver-
dunstet, um sich mit der aufsteigenden Luft zu mischen.


Literatur.


A. Ueber sämmtliche Arten von Brennstoffen.


  • J. Percy, Die Metallurgie. Erster Band, deutsch bearbeitet von F. Knapp.
    S. 53—211. Braunschweig 1862.
  • J. Percy, Metallurgy, the art of extracting metals. 2nd edition, vol. I. Lon-
    don 1875.
  • L. Gruner, Abhandlungen über Metallurgie, übersetzt von Franz Kupel-
    wieser
    . Band I, S. 70—168. Paris 1877.

[102]Die Brennstoffe.
  • E. F. Dürre, Die Anlage und der Betrieb der Eisenhütten. 1. Band,
    S. 200 ff. Leipzig 1881.
  • E. F. Dürre, Allgemeine Hüttenkunde. S. 91—253. Leipzig 1877.
  • B. Kerl, Grundriss der Allgemeinen Hüttenkunde. S. 64—198. Leipzig 1879.
  • H. Grothe, Die Brennmaterialien und die Feuerungsanlagen für Fabri-
    ken, Gewerbe und Haus
    . Weimar 1870.
  • P. W. Brix, Untersuchungen über die Heizkraft der wichtigeren Brenn-
    stoffe des preussischen Staates
    . Berlin 1853.

B. Ueber Holz und Holzkohlendarstellung.


a. Grössere Werke.


  • A. v. Kerpely, Die Anlage und Einrichtung der Eisenhütten. S. 412.
    (Darren des Holzes.) Leipzig 1873.
  • C. v. Berg, Anleitung zum Verkohlen des Holzes. 2. Aufl. Darmstadt 1860.
  • Gillot, De la carbonisation du bois. Paris 1872.
  • Dromart, Traité de la carbonisation en forêts. Paris 1880.

b. Abhandlungen.


  • R. Martin’s zerlegbarer Holzverkohlungsofen. Dingler’s Polyt. Journal,
    Bd. 233, S. 132.
  • T. Egleston, The manufacture of charcoal in kilns. Transactions of the
    American Institute of Mining Engineers, Vol. VIII, p. 373; auszugsweise in der
    Ztschr. d. berg- und hüttenm. Ver. f. Steierm. u. Kärnten 1880, S. 516.
  • J. Birkinbine, The production of charcoal for Iron Works. Transactions of
    the American Institute of Min. Eng., Vol. VII, p. 149; auszugsweise in Berg-
    und hüttenm. Ztg. 1878, S. 194.
  • P. Tunner, Das Trocknen der Holzkohle bei den Hochöfen zu Dalkarls-
    hyttan
    . Aus Jern-Contorets Annaler 1881 in der Ztschr. des berg- und
    hüttenm. Ver. f. Steierm. und Kärnt. 1881, S. 411.

C. Ueber Torf, seine Aufbereitung und Verkohlung.


a. Grössere Werke.


  • A. Vogel, Der Torf, seine Natur und Bedeutung. Braunschweig 1859.
  • A. Hausding, Industrielle Torfgewinnung und Torfverwerthung. Ber-
    lin 1873.
  • E. Birnbaum und K. Birnbaum, Die Torfindustrie und die Moorcultur.
    Braunschweig 1880.

b. Abhandlungen.


  • C. Schlickeisen, Verbesserungen an Torfmaschinen. Dingler’s Polyt. Journ.,
    Bd. 234, S. 181.
  • Derselbe, Zur Geschichte der Torfmaschinen. Dingler’s Polyt. Journ.,
    Bd. 238, S. 199.
  • Mecke und Sander’s Torfmaschinen. Dingler’s Polyt. Journ., Bd. 238, S. 199.
  • A. M. Balling, Die Verwendung des Torfes bei dem Eisenhüttenwerke
    Josefsthal
    . Oestr. Ztschr. für Berg- und Hüttenwesen 1877, S. 495 (mit
    Abbildung der Torfverkohlungsöfen).
  • A. Enigl, Ueber Mitverwendung von Maschinentorf beim Hochofen-
    betriebe
    . Ztschr. d. berg- und hüttenm. Ver. f. Steierm. u. Kärnt. 1879, S. 41.

D. Ueber Braunkohle.


a. Grössere Werke.


  • C. F. Zincken, Die Braunkohle und ihre Verwendung. 2 Bände. Hannover
    1867 und 1871.

[103]Literatur.

b. Abhandlungen.


  • A. Scheurer-Kestner et Meunier, Composition et chaleur de combustion des
    lignites. Annales de chim. et de phys. série 4, vol. 26, p. 80.
  • F. Kupelwieser, Studien über die Verwendung von Braunkohlen beim
    Hochofenbetriebe
    . Ztschr. des berg- und hüttenm. Ver. für Steierm. und
    Kärnt. 1881, S. 260.

E. Ueber Steinkohle, ihre Aufbereitung und Verkokung.


a. Grössere Werke.


  • H. B. Geinitz, H. Fleck und E. Hartig, Die Steinkohlen Deutschlands
    und anderer Länder Europas, ihre Natur, Lagerungsverhältnisse,
    Verbreitung, Geschichte, Statistik und technische Verwendung
    .
    2 Bände. München 1865.
  • Fr. Muck, Grundzüge und Ziele der Steinkohlenchemie für Lehrende
    und Lernende
    . Bonn 1881.
  • E. Noeggerath, Untersuchungen über die Heizkraft der Steinkohlen
    des Niederschlesischen Reviers
    . Waldenburg 1881.
  • A. v. Kerpely, Die Anlage und Einrichtung der Eisenhütten. S. 424 ff.
    (Aufbereitung und Verkokung). Leipzig 1873.
  • A. Burat, Epuration de la houille, criblage, triage et lavage. Paris 1881.

b. Abhandlungen.


  • A. Scheurer-Kestner et Meunier, Recherches sur la combustion de la
    houille
    . Bulletin de la Société de Mulhouse t. 38, p. 195, 311; t. 39, p. 385;
    Comptes rendus vol. 66, p. 1047, 1220; vol. 67, p. 659, 1002; vol. 68, p. 608;
    vol. 69, p. 412; auszugsweise in Dingler’s Polyt. Journ., Bd. 196, S. 22 u. 38;
    auch Ann. de chim. et de phys. sér. 4, vol. 20, p. 66.
  • M. L. Gruner, Pouvoir calorifique et classification des houilles. Annales
    des mines, sér 7, t. 4, p. 169; Berg- und hüttenm. Ztg. 1874, S. 96; Dingler’s
    Polyt. Journ., Bd. 213, S. 244.
  • C. Hilt, Die Beziehungen zwischen Zusammensetzung und technischen
    Eigenschaften der Steinkohlen
    . Dingler’s Polyt. Journ., Bd. 208, S. 424;
    Polyt. Centralblatt 1873, S. 1018; Ztschr. d. Ver. Deutsch. Ing. 1873, S. 193.
  • J. Stutz, Coal Washing. Transactions of the Amer. Inst. of Min. Eng. vol. 9, p. 461.
  • Kreischer, Die Lührig’sche Kohlenwäsche Jahrb. f. d. Berg- und Hütten-
    wesen im Königr. Sachsen auf das Jahr 1878, S. 83.
  • Kreischer, Ueber Veränderungen und Verbesserungen bei den Lührig-
    schen Kohlenwäschen
    . Jahrb. f. d. Berg- und Hüttenwesen im Königr.
    Sachsen 1881, S. 123.
  • A. Rheingruber, Die Construction von Koksöfen. Ztschr. d. Ver. Deutsch.
    Ing., Bd. 19, S. 551.
  • J. Fulton, What is the best oven for coking coal for furnace use. Iron,
    vol. 13, p. 718, 745; vol. 14, p. 11.
  • H. Simon, On an improved Method of Utilising Byeproducts in the
    Manufacture of Coke
    . Journal of the Iron and Steel Institute, 1880, I, p. 137.
  • Ueber Neuerungen an Koksöfen. Dingl. Polyt. Journ., Bd. 237, S. 385, 453.
  • Fr. Lürmann, Ueber Entgasungsräume mit continuirlichem Betriebe.
    Stahl und Eisen 1882, S. 17.
  • Fr. Lürmann, Neuerungen an Koksöfen. Stahl und Eisen 1882, S. 240.
  • A. Gillon, Note sur quelques fours à coke. Rev. univ. t. 34, p. 193; Berg-
    u. hüttenm. Ztg. 1874, S. 241.
  • Th. M. Drown, The condition of sulphur in coal and its relation to coking.
    Transact. of the Amer. Inst. of Min. Eng. vol. 9, p. 656.
  • S. Jordan, Album du cours de métallurgie. Paris 1875; pl. 1—13 (Abbil-
    dungen von Verkokungsöfen).

[104]Die Brennstoffe.
  • Koksöfen zur gleichzeitigen Gewinnung von Theer und Ammoniak.
    Stahl und Eisen 1882, S. 310.
  • G. Wolf, Darstellung der Koks in Meilern auf Königshütte. Oestr. Ztschr.
    für Berg- und Hüttenwesen, Jahrg. 1867, S. 173.

F. Ueber Gase und Gaserzeugung.


a. Grössere Werke.


  • L. Ramdohr, Die Gasfeuerung. 2. Aufl. Leipzig 1881.
  • H. Stegmann, Gasfeuerung und Gasöfen. 2. Aufl. Berlin 1881.
  • F. Steinmann, Compendium der Gasfeuerung. 2. Aufl. Freiberg 1876.
  • F. Steinmann, Bericht über die neuesten Fortschritte auf dem Gebiete
    der Gasfeuerung
    . Berlin 1879.
  • C. Stöckmann, Die Gase des Hochofens und der Siemens-Generatoren.
    Eine einfache Methode zur Analyse derselben. Ruhrort 1876.
  • A. Pütsch, Ueber Gasfeuerungen. Sachliche Würdigung der in Deutschland
    ertheilten Patente. Berlin 1881. Sonderabdruck aus der Ztschr. d. Ver. z.
    Beförd. des Gewerbfleisses 1880, S. 445 (enthält eine übersichtliche, durch
    Abbildungen erläuterte Besprechung der neueren Generator-Constructionen).
  • J. Quaglio, Das Wassergas als Brennstoff der Zukunft. Wiesbaden 1880.

b. Abhandlungen.


  • P. Charpentier, Ersparniss an Brennmaterial durch Umwandlung der
    Brennstoffe in Gase und Verbrennung derselben unter constantem
    Volumen
    . Dingl. Polyt. Journ., Bd. 211, S. 421.
  • Thum, Gasgenerator. Berg- u. hüttenm. Ztg. 1874, S. 180; Dingl. Polyt. Journ.
    Bd. 213, S. 121.
  • B. v. Styern, Gasgeneratoren zu Falun. Berg- u. hüttenm. Ztg. 1875, S. 17.
  • H. Hermann, Ueber Gasgeneratoren. Ztschr. d. berg- u. hüttenm. Ver. für
    Steiermark und Kärnten 1878, S. 284.
  • B. Kosmann, Einwirkung von Koksschlacken auf die feuerfesten Steine
    der Gasgeneratoren
    . Dingl. Polyt. Journ., Bd. 238, S. 345.
  • F. Lürmann, On gas-generating furnaces. Iron, vol. XVI, p. 204.
  • Thelen, Ueber den Gröbe-Lürmann-Generator. Wochenschr. d. Ver. Deutsch.
    Ing. 1879, S. 191.
  • A. Pütsch, Ueber die neuesten Gesichtspunkte bei Herstellung von
    Generatorgasen
    . Wochenschr. d. Ver. Deutsch. Ing. 1880, S. 346.
  • F. Lürmann, Herstellung von Generatorgasen. Wochenschr. d. Ver. Deutsch.
    Ing. 1880, S. 364.
  • H. Bunte, Untersuchungen über den Wassergasprocess. Deutsche In-
    dustriezeitung 1881, S. 440.
  • Cl. Winkler, Der „Brennstoff der Zukunft“. Jahrb. für Berg- und Hütten-
    wesen im Königr. Sachsen 1881, S. 107.
  • Prof. Erhard, Ueber die Wirkung des Wasserdampfes in Generatoren.
    Berg- u. hüttenm. Ztg. 1881, S. 147.
  • Prof. v. Marx, Das Wassergas. Ztschr. d. Ver. Deutsch. Ing. 1882, S. 313.
  • A. Holley, On the use of natural gas for puddling and heating at Leech-
    burg in Pennsylvania
    . Transact. of the Amer. Inst. of Min. Eng. vol. IV,
    p. 32; Engineering and Mining Journal vol. 22, p. 185.
  • Fr. C. G. Müller, Beiträge zur Charakteristik moderner Feuerungen.
    „Stahl und Eisen“ 1882, S. 395, 465.

[105]Die Oefen. Allgemeines.

IV. Die Oefen und feuerfesten Materialien.


1. Allgemeines. Wirkungsgrad der Oefen.


Ofen nennt man einen jeden Apparat, in welchem durch Ver-
brennung Wärme entwickelt wird, um durch Abgabe an andere Körper
nutzbar gemacht zu werden.


Als Wirkungsgrad eines Ofens bezeichnet man das Verhältniss der
in oder durch denselben wirklich nutzbar gemachten Wärme zu der
Wärmeleistungsfähigkeit des für diesen Zweck verbrauchten Brenn-
stoffes. Wenn z. B. ein Ofen den Zweck hat, Roheisen mit Koks um-
zuschmelzen, ohne chemische Veränderungen desselben hervorzurufen,
und man per kg umzuschmelzendes Roheisen 0.12 kg Koks gebraucht,
so ist die nutzbar gemachte Wärme lediglich diejenige, welche von
dem flüssigen Roheisen aufgenommen war und welche sich am leichte-
sten durch Eingiessen einer gewissen Menge desselben in eine bestimmte
Menge Wasser, dessen Temperatur vor und nach dem Eingiessen
ermittelt worden war, bestimmen lässt; die Wärmeleistungsfähigkeit der
Koks lässt sich annähernd mit Hilfe einer Aschenbestimmung sowie
der bekannten Ziffern über die Wärmeleistungsfähigkeit der reinen
Kokssubstanz (S. 85) ermitteln. Die von 1 kg flüssigen Roheisens auf-
genommene Wärme betrage z. B. 250 W.-E., die Wärmeleistung von
1 kg Koks mit 10 Proc. Asche 7200 W.-E., so ist in diesem Falle der
Wirkungsgrad des Ofens .


Nicht immer jedoch gestaltet sich die Ermittelung des Wirkungs-
grades so einfach als in dem vorliegenden Falle. Soll der Ofen zur
Durchführung chemischer Processe verwendet werden, bei denen Wärme
verbraucht oder Wärme frei wird (Reduction, Oxydation), so müssen
diese Wärmemengen, die sich nur durch Rechnung ermitteln lassen,
gebührend berücksichtigt werden. Die zur Durchführung des Processes
verbrauchte Wärme ist thatsächlich nutzbar gemacht, da eben nur
mit ihrer Hilfe jener Process möglich wurde, und kommt in den Zähler
des Bruches zu der wirklich aufgenommenen, messbaren Wärme; die
erzeugte Wärme kommt in den Nenner.


Wenn für einen und denselben Zweck verschiedene Arten von
Oefen benutzbar sind, so bildet die Vergleichung ihres Wirkungsgrades
ein wichtiges Hilfsmittel zur Beurtheilung ihrer verschiedenen Zweck-
mässigkeit.


2. Die verschiedenen Ofengattungen.


Für die Eintheilung der Oefen lassen sich verschiedene Gesichts-
punkte aufstellen.


Man kann allgemein direct wirkende Oefen, in welchen die
Wärmeübertragung durch unmittelbare Berührung zwischen den ver-
brennenden und den zu erhitzenden Körpern stattfindet, unterscheiden
[106]Die Oefen und feuerfesten Materialien.
von den indirect wirkenden oder Gefässöfen, bei welchen der zu
erhitzende Körper in ein Gefäss (Tiegel, Kessel, Muffel) eingeschlossen
und solcherart der Berührung mit den verbrennenden Körpern entzogen
ist. Die Wärme muss bei dieser letzteren Gattung von Oefen durch
die Wand des Gefässes hindurch transmittirt werden; die Wärme-
abgabe ist sehr ungünstig, der Wirkungsgrad des Ofens niedrig, und
man benutzt deshalb diese Oefen nur in solchen Fällen, wo die chemi-
schen Einwirkungen vermieden werden sollen, welche eine Berührung
der Brennstoffe oder Verbrennungserzeugnisse mit dem zu erhitzenden
Körper herbeiführen könnten.


Nach der Beschaffenheit des zur Verwendung stehenden Brenn-
stoffes kann man Oefen für verkohltes, nicht flammendes Brenn-
material
und Oefen für flammendes Brennmaterial unterscheiden;
und bei letzteren wieder Oefen mit sogenannter directer oder Rost-
feuerung,
bei welchen die zur Zersetzung und Vergasung des unver-
kohlten Brennstoffes wie die zur Verbrennung der bei dieser Zersetzung
entstehenden brennbaren Gase erforderliche Luft gemeinschaftlich durch
die Rostspalten zugeleitet wird; und Oefen mit Gasfeuerung, bei
welchen in der früher geschilderten Weise der ursprüngliche Brennstoff
zunächst in brennbare Gase verwandelt wird, welche dann erst durch
getrennt zugeführte Luft verbrannt werden, so dass eine örtliche Tren-
nung des Erzeugungsortes (Generators) von dem Verbrennungsorte (dem
Ofen) möglich, wenn auch nicht immer zweckmässig ist. Die Vortheile,
welche die Gasfeuerung gegenüber der directen Feuerung bietet, wurden
bereits auf S. 85 besprochen.


Endlich kann man gemäss der Form der Oefen folgende Gattungen
unterscheiden.


a) Schachtöfen.

Die Hauptachse derselben ist senkrecht und die Höhe mindestens
gleich dem grössten Durchmesser, häufig beträchtlich grösser. Das Ofen-
innere (der Schacht) besitzt cylindrische, kegelförmige oder combinirte
Form, je nachdem der Zweck des Ofens diese oder jene Gestalt als die
geeignetere erscheinen lässt; der Querschnitt durch den Schacht (Hori-
zontalschnitt) ist am zweckmässigsten kreisförmig. Da der Kreis von
allen Figuren den geringsten Umfang für eine gegebene Fläche besitzt,
so ist auch der Wärmeverlust durch Abgabe nach aussen bei einem
Schachte mit kreisförmigem Querschnitte am geringsten; und dasselbe
ist hinsichtlich der Widerstände der Fall, welche durch Reibung der
sich im Schachte bewegenden Körper (Gase oder feste Körper) an den
Ofenwänden hervorgerufen werden und die Gleichmässigkeit der Be-
wegung beeinträchtigen.


Fast ausnahmslos findet die Verbrennung in dem unteren Theile
des Schachtofens statt, in welchen zu diesem Zwecke Luft eingeleitet
wird, sei es durch einen Rost, sei es durch seitliche Oeffnungen. Die
Erzeugung des Luftzuges geschieht bei niedrigeren Oefen, oder für lang-
samere Verbrennungen auch in höheren Oefen (Röstöfen) durch Essen-
wirkung (wobei der Ofen selbst unter Umständen die Stelle der Esse
vertritt), bei allen höheren Schachtöfen dagegen, in denen rasche Ver-
[107]Die verschiedenen Ofengattungen.
brennungen stattfinden sollen, die aufsteigenden Gase also auch grössere
Widerstände finden, durch Gebläse.


In einigen Fällen dient Gas zur Heizung des Ofens und wird
alsdann neben oder unmittelbar über der Verbrennungsluft in den Ofen
geleitet, um mit derselben sich zu mischen; häufiger benutzt man feste
Brennstoffe, welche in die obere Oeffnung des Ofens, die Gicht, ein-
geschüttet werden, so dass der Ofen bis zum Rande gefüllt ist, und
nun von hier aus allmählich abwärts sinken, um die Stelle der im
Verbrennungsraume vergasten Körper einzunehmen. Wollte man in
dem letzteren Falle unverkohlte Brennstoffe zur Anwendung bringen,
so würden ähnliche Vorgänge wie in einem Gasgenerator bei Vergasung
solcher Brennstoffe entstehen: in dem oberen Theile des Ofens würde
eine Entgasung stattfinden und unten würden sich nur entgaste, d. h.
verkohlte Brennstoffe vorfinden. Der Vorgang der Entgasung aber
würde — in den meisten Fällen wenigstens — nicht allein nutzlos für
den Zweck des Ofens sein, sondern durch den dabei nothwendigen
Wärmeverbrauch sogar jenen Zweck schädigen können; wollte man
backende Steinkohlen anwenden, so würden sie zusammenfritten und
Verstopfungen des Schachtes herbeiführen. Deshalb ist es Regel, für
den Betrieb der Schachtöfen verkohlte Brennstoffe zu verwenden; un-
verkohlte, nicht backende, Materialien finden jedoch ausnahmsweise Ver-
wendung, sofern die Eigenthümlichkeit des durchzuführenden Processes
oder der zur Verwendung stehenden Brennstoffe (Braunkohlen, lang-
flammige, unverkokbare Steinkohlen, Anthracite) diese Verwendung zu
rechtfertigen vermögen.


Benutzt man den Schachtofen als Gefässofen (Tiegelschmelzofen),
so befindet sich das Gefäss (der Tiegel) in dem unteren Theile des Ofens
unmittelbar über dem Verbrennungsraume, also da, wo die höchste
Temperatur herrscht; bei direct wirkenden Schachtöfen werden die zu
erhitzenden Körper in die Gicht eingebracht, um von hier allmählich
sich abwärts zu bewegen in dem Maasse, wie in dem unteren Theile
des Ofens eine Entfernung der erhitzten Körper aus dem Ofen bewirkt
wird. Es kann auf diese Weise ein ununterbrochener regelmässiger
Betrieb eines solchen direct wirkenden Schachtofens aufrecht erhalten
werden, indem man in angemessenen Zeiträumen unten die erhitzten
Körper entfernt, beziehentlich abfliessen lässt, und oben frische nachfüllt.


In allen Fällen steigen die im unteren Theile des Ofens gebildeten
Verbrennungsgase aufwärts, um aus der Gicht zu entweichen. Bei
einem direct wirkenden Schachtofen (auch bei einem mit festen Brenn-
stoffen geheizten Tiegelofen), besitzen sie also die entgegengesetzte Be-
wegungsrichtung als die niederrückenden festen Körper; und dieser
Umstand ist von grosser Wichtigkeit für die Ausnutzung der Wärme
im Ofen. Es findet dadurch eine ausgedehnte Berührung der wärme-
abgebenden Körper (Gase) wie der zu erhitzenden Materialien und somit
eine beförderte Wärmeabgabe an die letzteren statt; gerade die entgegen-
gesetzte Bewegung beider (Gegenstromprincip) ist aber hierbei ausser-
ordentlich förderlich, wie auf S. 26 ausführlich erörtert wurde. Die
niederrückenden Körper nehmen, je länger sie im Ofen verweilen und
je weiter sie nach unten gelangen, um so mehr Wärme auf und führen
dieselben wieder nach unten. Die Brennstoffe gelangen also schon
[108]Die Oefen und feuerfesten Materialien.
hoch erhitzt in den Verbrennungsraum und die von ihnen mitgebrachte
Wärme wird hier wieder nutzbar gemacht; sie ersetzt demnach eine
äquivalente Menge Brennstoff, ohne dass die Menge der Verbrennungs-
gase sich mehrt. Es entsteht eine höhere Verbrennungstemperatur und
eine erleichterte Wärmeabgabe, wie es früher ausführlicher geschildert
wurde. Auch die durch Erhitzung zu verarbeitenden Substanzen (Erze,
Metalle) werden in dem direct wirkenden Schachtofen bei ihrem Nieder-
gange allmählich erhitzt, indem sie mit immer heisseren Gasen in
Berührung treten; bedeutend vorgewärmt gelangen sie schliesslich in
den unteren Raum und bedürfen hier nur noch einer verhältnissmässig
unbedeutenden Aufnahme von Wärme, um auf die erforderliche End-
temperatur erhitzt zu werden.


Je grösser der Rauminhalt des Schachtofens im Verhältnisse zu
der Menge der per Zeiteinheit niederrückenden Körper, beziehentlich
aufsteigenden Gase ist, je länger also die gegenseitige Berührung
stattfindet, desto abgekühlter werden im Allgemeinen die Gase den
Ofen verlassen, desto günstiger wird die Wärmeausnutzung in dem-
selben sein. 1)


Diese ausgedehnte Wärmezurückführung durch die niederrückenden
festen Körper erhebt den direct wirkenden Schachtofen zu dem voll-
kommensten aller Erhitzungsapparate, sofern die Eigenthümlichkeiten
des durchzuführenden Processes seine Anwendung gestatten. Werden
chemische Einwirkungen zwischen den aufsteigenden Gasen und den
niederrückenden Körpern beabsichtigt (z. B. Reduction durch Kohlen-
oxyd), so giebt auch hierzu die lange ausgedehnte gegenseitige Berührung
eine ausgiebige Gelegenheit.


Der Wirkungsgrad der direct wirkenden Schachtöfen pflegt sich
auf mindestens 0.30, mitunter erheblich günstiger zu beziffern. Weit
niedriger dagegen ist der Wirkungsgrad der Tiegelschachtöfen. Eines-
theils fällt hier jene Vorwärmung des zu schmelzenden Metalls beim
Niederrücken fort; anderntheils ist die Wärmeübertragung erheblich
schwieriger. Selten daher erhält man beim Tiegelschmelzofen im Schacht-
ofen einen höheren Wirkungsgrad als 0.04; häufig einen niedrigeren.


b) Herde oder Feuer.

Niedrige, oben offene, gruben- oder kastenförmige Räume, in
welchen der Körper gewöhnlich in directer Berührung mit den ver-
kohlten Brennstoffen erwärmt wird. Die Luftzuführung, welche fast
stets mit Hilfe eines Gebläses bewirkt wird, geschieht entweder von
unten her oder auch über den Rand des Feuers hinweg durch eine
[109]Die verschiedenen Ofengattungen.
abwärts geneigte Düse. 1) In gewisser Beziehung können demnach die
Feuer als sehr niedrige Schachtöfen betrachtet werden; aber während
die Schachtöfen, wie erwähnt, die vollkommenste Form aller Erhitzungs-
apparate bilden, gehören die Feuer zu den allerunvollkommensten. Bei
der geringen Höhe derselben ist die gegenseitige Einwirkung der wärme-
abgebenden Gase und wärmeaufnehmenden Körper eine sehr beschränkte;
bei dem geringen Rauminhalte der Feuer überhaupt ist das Verhältniss
ihrer wärmedurchlassenden Aussenfläche zu ihrem nutzbaren Innern
ein beträchtliches. Ihr Wirkungsgrad ist daher selten höher als 0.05.


Man pflegt die Feuer nur dann zu benutzen, wenn so kleine
Mengen von Erzen, Metallen oder sonstigen Substanzen mit einem Male
verarbeitet werden sollen, dass aus diesem Grunde die Anwendung
eines grösseren, vollkommneren Ofens nicht thunlich erscheint.


c) Flammöfen.

Die Erhitzung in denselben geschieht in allen Fällen durch Be-
rührung einer gebildeten Flamme mit den betreffenden Körpern oder
den dieselben enthaltenden Gefässen; die Hauptachse dieser Oefen aber
ist, abweichend von den Schachtöfen mit Gasfeuerung, horizontal oder
geneigt, häufig auch mehr oder weniger gekrümmt oder gebrochen.
Der ganze Ofen kann als ein in horizontaler oder geneigter Richtung
sich fortziehender Kanal betrachtet werden, innerhalb dessen sich die
zu erhitzenden Körper befinden. In den für metallurgische Zwecke
bestimmten Oefen pflegt man zur Aufnahme jener Körper innerhalb
des erwähnten Feuerkanales eine Erweiterung mit ebener, geneigter
oder muldenförmiger Sohle, den Herd des Ofens anzuordnen und
nennt in diesem Falle den Ofen insbesondere Herdflammofen. 2)


Der zum Betriebe des Ofens erforderliche Luftzug wird, da die
zu überwindenden Widerstände niemals sehr bedeutend sind, fast immer
durch die Wirkung einer Esse hervorgebracht.


Es folgt aus dieser allgemeinen Schilderung eines Flammofens, dass
eine Bewegung der zu erhitzenden Körper dem Gasstrome entgegen,
welche im Schachtofen so ausserordentlich günstig auf die Leistung
desselben wirkt, hier gar nicht oder in nur sehr untergeordnetem Maasse
zu erreichen ist. Die Körper befinden sich von Anfang an in dem
heissesten Theile des Ofens, den die Gase im noch hocherhitzten Zu-
stande und ohne wieder mit jenen Körpern in Berührung zu treten,
verlassen; die Gase nehmen demgemäss einen sehr grossen Theil der
überhaupt entwickelten Wärme mit fort, und diese grosse Menge aus-
tretender Wärme lässt sich für den eigentlichen Zweck des Flammofens
nur dann theilweise wieder nutzbar machen, wenn man sie zur Er-
hitzung der zuströmenden Verbrennungsluft beziehentlich — bei Gas-
feuerung — der als Brennstoff dienenden Gase benutzt und solcherart
wieder in den Ofen zurückführt.


[110]Die Oefen und feuerfesten Materialien.
Herdflammöfen mit directer Feuerung.

Bei denselben liegt naturgemäss der Rost unmittelbar hinter dem
Herde, auf welchem die grösste Wärmeentwickelung stattfinden soll.
Fig. 17 und 18 zeigen schematisch die innere Einrichtung eines solchen
Herdflammofens. a ist der Rost, welcher gemäss der Beschaffenheit
des Brennmateriales als Planrost, Treppenrost u. s. w. eingerichtet sein
kann. a1 ist die Einschüttöffnung für den Brennstoff. c ist der Herd,
dem man für Processe, bei denen eine Schmelzung nicht eintritt
(Schweissöfen, Glühöfen), die Form einer horizontalen oder geneigten
Ebene (wie in der Abbildung), bei Schmelzprocessen die Form einer
Mulde zu geben pflegt. Zwischen Rostfläche und Herdfläche muss ein
gewisses Verhältniss bestehen, abhängig von der Beschaffenheit des
Brennstoffes und der auf dem Herde hervorzurufenden Temperatur.

Figure 14. Fig. 17.


Figure 15. Fig. 18.


Bei den in der Eisenindustrie zur Anwendung kommenden Flamm-
öfen pflegt jenes Verhältniss nicht kleiner als 1 : 4 und selten grösser
als 1 : 2 zu sein. Die Länge des Herdes muss sich nach der Länge
der Flamme richten, darf aber auch bei langflammigen Brennstoffen,
sofern eine gleichmässig hohe Temperatur erreicht werden soll, nicht
über 4 m betragen, während in Fällen, wo dieser Bedingung nicht genügt
zu werden braucht, Herdlängen bis zu 8 m zur Anwendung kommen.


Die Grenze zwischen Feuerungsraum und Herd wird durch die
Feuerbrückeb gebildet. Die Länge derselben (in der Breitenrich-
tung des Ofens gemessen) ist gleich der Breite des Rostes, und es
stimmt hiermit auch die grösste Breite des Herdes überein. Unzweck-
mässig würde es sein, dem Herde eine grössere Breite durch Aus-
bauchung zu geben, wenn nicht ganz besondere Gründe eine solche
Form nothwendig machen.


[111]Die verschiedenen Ofengattungen.

Je höher die Oberkante der Feuerbrücke über dem Roste liegt,
eine desto höhere Schüttung kann man auf dem letzteren halten, desto
geringer ist die Menge des mit den Gasen vom Roste aufsteigen-
den freien Sauerstoffes, desto stärker schmauchend, reducirend die
Flamme, aber desto geringer auch ihre Wärmeentwickelung und die
erzeugte Temperatur. Wo also Oxydation der auf dem Herde befind-
lichen Körper nach Möglichkeit vermieden werden soll und eine hohe
Temperatur nicht erforderlich ist (z. B. bei Glühöfen für Bleche u. s. w.),
wird man jene Abmessung gross nehmen (bis 1 m), will man hohe
Temperaturen mit oxydirender Flamme hervorrufen, so geht man damit
wohl bis auf 0.3 m herunter.


Für die auf dem Herde befindlichen Körper bildet die Feuerbrücke
einen Schutz sowohl gegen das Herunterfallen auf den Rost als auch
gegen die unmittelbare Einwirkung der Flamme. Je höher die Feuer-
brücke über die Herdoberfläche emporragt, desto mehr sind zwar die
dahinter liegenden Körper vor den chemischen Einwirkungen der Flamme
geschützt, aber desto mehr sind sie auch der Wärmeabgabe entzogen,
desto schwieriger ist ihre Erhitzung. Deshalb findet man auch hin-
sichtlich dieser Abmessung Schwankungen von wenigen Centimetern
bis zu 0.5 m, je nachdem eine starke Erhitzung oder eine möglichste
Vermeidung der Oxydation der Hauptzweck ist.


Der freie Ofenquerschnitt oberhalb der Feuerbrücke, durch welchen
die verbrennenden Gase auf den Herd gelangen, heisst das Flammen-
loch
. Die Grösse desselben ist das Product aus der Breite des Ofens
an dieser Stelle (Länge der Feuerbrücke), welche in Rücksicht auf die
erforderliche Bedienung des Rostes selten grösser als 1.5 m ist, und der
Höhe der Ofendecke über der Oberkante der Feuerbrücke. Letztere
Abmessung muss sich zum grossen Theile nach dem Zwecke des
Ofens richten, insbesondere auch nach der Grösse der auf den Herd
zu bringenden Stücke. Je kleiner diese Abmessung sein kann, desto
stärker wird begreiflicherweise die Erhitzung des Herdes und desto
günstiger die Wärmeabgabe ausfallen. Bei den meisten Oefen pflegt
die Grösse des Flammenloches zwischen 0.3—0.7 der Grösse der totalen
Rostfläche zu betragen.


Je weiter sich die Flamme von ihrer Wurzel, d. i. dem Roste,
entfernt, desto mehr häufen sich in ihr die Verbrennungsgase, die noch
übrig gebliebenen unverbrannten Gase verdünnend, und desto mehr
Wärme wird allmählich der Flamme durch die Ofenwände wie durch
die auf dem Herde befindlichen Körper entzogen. Wollte man einen
Flammofen bauen, dessen Querschnitt von der Feuerbrücke an bis zum
Ende des Herdes gleich gross bliebe, so würde infolge jener Umstände
die Temperatur sich mehr und mehr verringern und eine sehr unvoll-
ständige Verbrennung eintreten. Damit diese Uebelstände vermieden
werden, muss der Querschnitt des Ofens oberhalb des Herdes von der
Feuerbrücke an stetig abnehmen; die Gase erhalten dadurch eine zuneh-
mend beschleunigte Bewegung, ihre Abkühlung wird verringert. Am
vollkommensten erreicht man diesen Zweck, wenn man die Decke des
Ofens mehr und mehr der Herdsohle sich nähern lässt und zugleich,
wie in der Abbildung, dem Grundrisse des Herdes Trapezform giebt.
Letzteres ist nun freilich in Rücksicht auf den Zweck des Ofens nicht
[112]Die Oefen und feuerfesten Materialien.
immer möglich; man ist vielfach gezwungen, eine rechteckige oder
unregelmässige Grundform anzuwenden, wird dann aber um so mehr
darnach trachten, durch starke Näherung der Decke gegen den Boden
jener Bedingung Rechnung zu tragen.


Die Ofendecke pflegt aus einem Gewölbe zu bestehen, dessen
erzeugende Linien parallel der Ofenachse liegen. Von diesem Gewölbe
aus wird ein Theil der von der Flamme ausgesandten Wärmestrahlen
auf den Herd zurückgestrahlt, und in Rücksicht auf diesen Vorgang,
dem man in früherer Zeit eine jedenfalls übertriebene Bedeutung bei-
legte, pflegte man diese Oefen mit der auch jetzt mitunter noch an-
gewendeten Bezeichnung „Reverberiröfen“ (Rückstrahlungsöfen) zu
benennen. Je stärker gewölbt die Decke ist, desto mehr wird die Wirkung
jener Strahlung auf die Mitte des Ofens concentrirt werden, desto un-
gleichmässiger wird die Erwärmung des Herdes ausfallen.


An einer dem Zwecke des Ofens entsprechenden Stelle befindet
sich die Einsetzöffnung f, welche durch eine, gewöhnlich zum Auf-
ziehen eingerichtete, eiserne Thür mit feuerfestem Futter an der Innen-
seite geschlossen gehalten wird.


An dem Ende des Herdes erreicht nun jene nothwendige Abnahme
des Ofenquerschnittes ihren höchsten Grad; die Gase treten hier in
einen stark verengten Kanal d ein, welcher sie aus dem Ofen entführt
und der Fuchs genannt wird. Für die Aufrechterhaltung einer hohen
und gleichmässigen Temperatur im Ofen ist ein geringer Querschnitt
des Fuchses von Wichtigkeit und man pflegt dafür häufig nicht mehr
als 1/10, höchstens ⅙ der totalen Rostfläche zu rechnen. Je enger aber
der Fuchs ist, desto grösser sind die Widerstände, welche die Gase in
demselben finden, desto grösser muss also auch die Zugwirkung der
Esse sein, welche schliesslich die Gase aufnimmt. Ist der Fuchskanal
lang, so empfiehlt es sich deshalb, jene Verengung auf eine kürzere
Abmessung am Ausgange des Herdes zu beschränken und von hier
aus wieder eine Erweiterung eintreten zu lassen.


Um die Wirkung des Fuchses zu verstehen, braucht man sich nur
die Wirkung eines oberhalb der Flamme verengten Lampencylinders
zu vergegenwärtigen. Die Gase und die beigemischte Luft werden ge-
zwungen, in stark convergirender Richtung und mit zunehmender Ge-
schwindigkeit nach dem Fuchse hinzueilen und sich dabei innig zu
mischen; die Wände des Fuchses sind bei dem raschen Hindurch-
strömen der Gase hoch erhitzt und wirken dadurch auch erhitzend auf
die rückwärts gelegenen Theile des Ofens; alle diese Umstände ver-
einigen sich, die schliessliche vollständige Verbrennung der im Gas-
strome noch vorhandenen unverbrannten Theilchen zu bewirken. Bei
einem zu weiten Fuchse entsteht ebenso wie bei einem zu weiten
Lampencylinder eine schmauchende Flamme.


Die Lage des Fuchses ist nicht immer die nämliche wie bei dem
skizzirten Ofen. Mitunter, wenn man eine allzu energische Einwirkung
der Gase auf den zu erhitzenden Körper vermeiden will, legt man ihn
in die Decke des Ofens, so dass die Gase nach oben abziehen; in
anderen Fällen führt man ihn senkrecht vom Herde aus nach unten
und lässt die Gase wohl unter dem Herde zurückströmen, um diesen
auch von unten zu erwärmen. Bei Oefen mit hohen Temperaturen und
[113]Die verschiedenen Ofengattungen.
ununterbrochenem Betriebe (Puddelöfen, Schweissöfen), deren Erzeug-
nisse mit Hilfe von Dampfkraft weiter verarbeitet werden, ist es dagegen
gebräuchlich, zwischen Fuchs und Esse e einen Dampfkessel einzubauen,
welcher durch die Wärme der abziehenden Gase (die Abhitze des Ofens)
geheizt wird. Statt jedem Ofen eine eigene Esse zu geben, pflegt man
in solchen Fällen eine gemeinschaftliche Centralesse für eine grössere
Zahl von Oefen und Kesseln anzulegen, welcher die Gase durch unter-
irdische Kanäle zugeführt werden. Ebenso kann man zwei oder noch
mehr Oefen um einen gemeinschaftlichen Dampfkessel gruppiren, indem
man ihre Gase sich vereinigen lässt. Während für die Esse eines ein-
zelnen Ofens ohne eingebauten Dampfkessel häufig schon eine Höhe
von 15—20 m vollständig ausreicht, pflegt man solchen Centralessen
Höhen von mindestens 40—50 m zu geben, den Querschnitt derselben
aber derartig zu bemessen, dass die Gase innerhalb der Esse sich mit
mindestens 2 m Geschwindigkeit fortbewegen, und dass diese Geschwin-
digkeit auch dann nicht unterschritten wird, wenn einige der Oefen
kalt liegen sollten. 1) Für die Wirkung einer solchen Centralesse ist
es von Wichtigkeit, dass die eintretenden Gasströme in paralleler Rich-
tung in dieselben gelangen, damit nicht durch den Stoss der auf ein-
ander treffenden Gase eine Stauung eintrete. Wo also Kanäle von ver-
schiedenen Richtungen einmünden, scheidet man sie durch eine in die
Esse eingebaute senkrechte Zwischenwand von solcher Höhe, dass sie
eine gleichmässige aufwärts gerichtete Bewegung erlangt haben, ehe die
Vereinigung stattfindet.


Eine Zurückführung der abziehenden Wärme durch Vorwärmung
der Verbrennungsluft findet bei diesen Flammöfen selten statt; wohl
aber führt man die Luft mitunter durch Kanäle im Mauerwerk des
Ofens, um sie vorzuwärmen und letzteres zu kühlen. Natürlich muss,
wenn der Zweck der Vorwärmung erreicht werden soll, der Aschenfall
geschlossen gehalten werden, damit nicht von aussen her kalte Luft
zutrete.


Anwendung von Unterwind (eines bei geschlossenem Aschenfalle
unter den Rost geleiteten, durch ein Gebläse erzeugten Windstromes)
statt des Essenzuges ist bei diesen Oefen ziemlich selten. Zwar ist
verschiedentlich nachgewiesen worden, dass der für die vollständige Ver-
brennung erforderliche Luftüberschuss bei Unterwind geringer zu sein
braucht als bei Essenzug, man also leichter höhere Temperaturen erzielt
und thatsächlich mit geringerem Brennstoffaufwande arbeitet; diesem
Vortheile stehen aber verschiedene Nachtheile gegenüber. Hierher ge-
hören u. a. der erforderliche Arbeitsaufwand für den Betrieb des Ge-
bläses, die schwierigere Bedienung des Rostes und eine stärkere Oxy-
dationswirkung der erzeugten Flamme, welche nur in seltenen Fällen
Ledebur, Handbuch. 8
[114]Die Oefen und feuerfesten Materialien.
erwünscht ist, beim Erhitzen von Metall dagegen zu stärkeren Ver-
lusten (Abbrand) Veranlassung giebt.


Herdflammöfen mit Gasfeuerung.

Wie schon früher erwähnt wurde, verdanken wir die ersten mit
Erfolg gekrönten Versuche, Gase zum Heizen metallurgischer Oefen
zu benutzen und eigens für diesen Zweck darzustellen, dem Würtem-
berger Faber du Faur in den dreissiger und vierziger Jahren
dieses Jahrhunderts. Ziemlich lange dauerte es jedoch, bis die Ein-
richtungen für diesen Zweck zu einer solchen Vollkommenheit aus-
gebildet waren, dass die Gasfeuerung nicht mehr auf vereinzelte Fälle
beschränkt blieb, wo örtliche Verhältnisse ihre Anwendung besonders
empfahlen, sondern ebenbürtig überall neben der directen Feuerung
auftreten und diese, wie es in der Neuzeit mehr und mehr geschieht,
verdrängen konnte.


Die bereits oben erörterte Thatsache, dass Gase leichter und mit
geringerem Luftüberschusse als feste Brennstoffe zu verbrennen sind,
gab zunächst häufige Veranlassung, Gasfeuerung da anzuwenden, wo
geringwerthigere Brennstoffe — Holz, Torf, Braunkohlen — zur Ver-
wendung standen, welche bei der Verbrennung auf dem Roste nicht
gut geeignet sind, hohe Verbrennungstemperaturen zu erzeugen; diese
älteren Gasflammöfen, welche in den österreichischen Alpenländern, am
Harze, in Schweden u. a. a. O. eine ziemliche Ausbreitung fanden und
zum Theil noch existiren, wurden grösstentheils mit Hilfe eines Ge-
bläses betrieben, indem man sowohl die Vergasung als die Verbren-
nung durch einen zugeführten Luftstrom bewirkte. Es ist unläugbar,
dass Gebläsewind, zumal wenn er, in feine Strahlen vertheilt, in das
Gas geführt wird, die rasche und vollständige Verbrennung desselben
sehr erleichtert; und indem man in jenen älteren Oefen den zur Ver-
brennung bestimmten Wind (Oberwind) in besonderen, durch die Ab-
hitze des Ofens geheizten Röhren auf mehrere Hundert Grad C. erhitzte,
also zur Wärmezurückführung benutzte, ermöglichte man es, auch mit
Gasen aus geringwerthigeren Brennstoffen — zumal, wenn sie einem
vorausgehenden Darrprocesse unterworfen wurden — Temperaturen
hervorzurufen, welche bei Rostfeuerung unmöglich erreichbar gewesen
sein würden.


Die Anwendung eines Gebläses aber macht die ganze Anlage
schwerfällig und ruft, wie schon bei den Oefen mit directer Feuerung
erwähnt wurde, gar leicht stark oxydirende Wirkungen hervor; die
erforderlichen umfänglichen Darrvorrichtungen für Holz, Torf u. s. w.
machten die ganze Anlage ausserordentlich kostspielig. Bei allen neueren
Herdflammöfen mit Gasfeuerung pflegt man deshalb sowohl die für die
Erzeugung als für die Verbrennung des Gases erforderliche Luft mit
Hilfe der einfacheren Wirkung einer Esse (gewöhnlich einer für zahl-
reiche Oefen gemeinschaftlichen Centralesse, wie oben besprochen) zuzu-
führen. Wo es angeht, benutzt man schon für die Gaserzeugung
Materialien, die ein wasserärmeres Gas liefern (Steinkohlen), wo aber
geringwerthigere Brennstoffe benutzt werden müssen, befreit man häufig
[115]Die verschiedenen Ofengattungen.
das Gas durch eine in die Leitung eingeschaltete Condensationsvor-
richtung, wie oben beschrieben wurde, von seinem Wassergehalte.


Von Wichtigkeit ist bei diesen Gasöfen mit natürlichem Luftzuge
wie überhaupt bei jeder Gasfeuerung die Art und Weise, wie Gas und
Luft mit einander gemischt werden und wie der Verbrennungsraum
beschaffen ist. Wie schon mehrfach betont wurde, wird die Verbren-
nung durch hohe Temperatur und ausgedehnte gegenseitige Berührungs-
fläche — also innige Mischung — von Gas und Luft erleichtert.


Der Raum, in welchem beide Körper sich vereinigen, muss daher
von schlechten Wärmeleitern — feuerfesten Steinen — eingeschlossen
sein; bleibt der zu heizende Apparat selbst verhältnissmässig kühl
(Dampfkessel, Winderhitzungsapparat aus eisernen Röhren), so ist es
aus diesem Grunde rathsam, vor demselben eine sogenannte Verbren-
nungskammer aus feuerfesten Steinen anzuordnen, in welcher die
Mischung und Verbrennung stattfindet, und aus welcher nunmehr die
Gase erst durch Schlitze oder Oeffnungen an den Ort ihrer Verwendung
geführt werden.


Die Mischung erfolgt leichter, wenn Gas und Luft unter einem
Winkel, welcher bis 90 Grad betragen kann, als wenn sie in paralleler
Richtung auf einander treffen; leichter wenn beide Ströme verschiedene,
als wenn sie gleiche Geschwindigkeit besitzen. Dieser Umstand erklärt
auch die schon oben berührte Thatsache, dass Gebläsewind, welcher mit
grosser Geschwindigkeit in das Gas geführt werden kann, die Verbren-
nung befördert.


Je rascher die Verbrennung erfolgt, desto kürzer wird natürlich
die Flamme werden, desto höher wird die Temperatur innerhalb des
Verbrennungsraumes steigen, desto rascher wird sie aber auch abnehmen
oder, mit anderen Worten, auf eine desto geringere Ausdehnung wird
diese hohe Temperatur beschränkt bleiben. Eine Grenze ist allerdings
dieser Concentration der Verbrennung durch die Dissociation der
Kohlensäure und des Wasserdampfes gesetzt. Sobald die Dissociations-
temperatur überschritten ist, kann eben die chemische Vereinigung der
brennbaren Gase mit dem Sauerstoffe der Luft nicht mehr erfolgen;
das Gemisch zieht unverbrannt weiter, bis durch die unausgesetzt statt-
findende Wärmeabgabe Abkühlung eingetreten ist; nun erfolgt chemische
Vereinigung und neue Wärmeerzeugung u. s. f.


Um also kurze Flammen zu erzeugen, soweit es in Rücksicht auf
den soeben geschilderten Vorgang möglich ist, wird man Gas und Luft
unter verschiedenen Richtungen und mit verschiedener Geschwindigkeit
auf einander treffen lassen; oder man wird, wo es angeht, eine grössere
Zahl einzelner Ströme bilden und dieselben nebeneinander, aber in ab-
wechselnder Reihenfolge, in den Verbrennungsraum eintreten lassen,
so dass immer ein Gasstrom zwischen zwei Luftströmen sich befindet.


Zur Hervorbringung einer langen Flamme wird man die Ströme
parallel neben oder über einander einführen.


In Folgendem sollen einige der wichtigsten Gasfeuerungen ein-
gehender besprochen werden.


8*
[116]Die Oefen und feuerfesten Materialien.

Siemens’sche oder Regenerativ-Feuerung. Dieses im Jahre
1861 durch W. Siemens in London und Fr. Siemens in Dresden
in die Praxis eingeführte Feuerungssystem war es hauptsächlich,
welches die älteren bis dahin üblichen, oben beschriebenen Gasöfen
verdrängte und der Gasfeuerung überhaupt in verhältnissmässig kurzer
Zeit eine erheblich ausgedehntere Verwendung verschaffte. Die Ein-
richtung eines Siemensofens ist im Wesentlichen folgende.


An jeder Seite des Ofens liegen, tiefer als dieser und mitunter in
den Erdboden unterhalb des Ofens eingebaut, ein Paar Kammern, aus
feuerfestem Materiale hergestellt und mit feuerfesten Ziegeln in solcher
Weise ausgesetzt, dass ohne Behinderung des Durchzuges der Gase
eine grosse Oberfläche dargeboten wird. Diese Kammern werden —
freilich nicht gerade zutreffend — Regeneratoren genannt; in Wirk-
lichkeit sind sie Wärmespeicher, dazu bestimmt, die Abhitze des Ofens
in möglichst umfänglicher Weise aufzunehmen. Gas und Luft steigen,
ehe sie in den Ofen gelangen, getrennt in je einer dieser Kammern
empor und mischen sich oberhalb derselben, um hier zu verbrennen
und bei ihrem Hindurchziehen durch den Ofen denselben zu erhitzen.
Die noch heissen Verbrennungsgase aber entweichen durch die beiden
am entgegengesetzten Ende des Ofens gelegenen Kammern, diese erwär-
mend, um dann nach einer gemeinschaftlichen Esse zu entweichen.
Sind die zuletzt erwähnten beiden Kammern nunmehr auf eine gewisse
Temperatur erhitzt, so wird mit Hilfe einer Umsteuerungsvorrichtung
die Richtung des Gas- und Luftstromes umgekehrt; sie steigen jetzt
durch die heissen Kammern empor, hierbei Wärme aufnehmend und
dieselbe in den Ofen zurückführend. Ihre Abhitze aber dient wiederum
zum Heizen der entgegengesetzten Kammern, bis diese erhitzt, die
anderen um ein bestimmtes Maass abgekühlt sind; dann folgt abermalige
Umsteuerung, u. s. f.


Die Abbildungen Fig. 19—24 lassen die Einrichtung eines Siemens-
ofens erkennen. 1)a ist der Herd des Ofens, hier zur Aufnahme von
Tiegeln bestimmt, daher sehr kurz, und durch Scheidewände in drei
Abtheilungen getheilt, wie Fig. 20 erkennen lässt. Durch Oeffnungen
in der Decke des Ofens, welche durch Deckel geschlossen werden, ist der
Herd von aussen zugänglich (Fig. 22); und um die Bedienung zu erleich-
tern, ist in diesem Falle der ganze Ofen in das Erdreich eingebaut, so
dass seine Oberkante mit der Hüttensohle in einer Horizontalebene liegt.
Seitlich vom Herde liegen die Regeneratoren b b1 für Luft und c c1 für
Gas, die ganze Breite des Herdes einnehmend. Wie Fig. 22 erkennen
lässt, ist der Querschnitt der Luftregeneratoren um ca. 50 Proc. grösser
als derjenige der Gasregeneratoren, und man findet bei fast allen Sie-
mensö
fen ein ähnliches Verhältniss, theils weil die eintretende Luft
kälter als das Gas zu sein pflegt, theils auch, weil für die voll-
ständige Verbrennung ein Luftüberschuss nicht zu entbehren ist, wäh-
rend theoretisch das erforderliche Luftvolumen annähernd ebenso gross
sein müsste als das Volumen der Generatorgase.


Die Gase gelangen aus dem Kanale d, nachdem das Ventil v (Fig. 19
[][]

[figure]

[]

[figure]

[][][]

[figure]

[]

[figure]

[][117]Die verschiedenen Ofengattungen.
und 23) geöffnet worden ist, in das mit gusseiserner Wechselklappe
versehene Rohr e; die Luft tritt nach Oeffnung des Ventiles w in das
ebenfalls mit Wechselklappe versehene Rohr f. Mit Hilfe der beiden
Ventile lässt sich der Zufluss von Gas und Luft beliebig regeln, so dass
man nach Bedarf mit reducirender wie mit oxydirender Flamme arbeiten
kann. Die beiden Wechselklappen können jede eine Drehung um an-
nähernd 90 Grad machen, wie in Fig. 23 und 24 erkennbar ist; ihre
Bewegung wird durch zwei Zugstangen bewirkt, welche an mit Gegen-
gewichten beschwerte Hebelarme auf den horizontalen Drehungsachsen
der Klappen angeschlossen sind (Fig. 19), so dass es nur eines Zuges
an den Stangen bedarf, um die Klappe sofort in die entgegengesetzte
Stellung zu bringen.


In der Stellung, welche die Klappen in Fig. 23 und 24 einnehmen,
gelangen Gas und Luft durch die Kanäle e1f1 nach den Regeneratoren
b c, steigen hier empor, vereinigen sich, ziehen über den Herd hinweg,
fallen in die Regeneratoren b1c1 und entweichen schliesslich durch die
Kanäle e2f2 nach dem gemeinschaftlichen Essenkanal g. Wird nun
umgesteuert, so treten sie, wie bei Betrachtung von Fig. 20, 23 und 24
leicht verständlich sein wird, zunächst in die Kanäle e2f2, dann in die
erhitzten Regeneratoren b1c1 und gelangen schliesslich durch die Kanäle
e1f1 ebenfalls zum Essenkanale g.


Der Kanal h unter dem Herde (Fig. 19) dient in dem vorliegen-
den Falle, wo der Herd sehr stark erhitzt wird, zum Hindurchleiten
von Luft, welche denselben von unten zu kühlen bestimmt ist. Der
Herd wird durch Eisenplatten getragen und ist aus feuerfestem Material
hergestellt.


Da der Herd des abgebildeten Ofens, wie erwähnt, sehr kurz ist,
muss auch, damit derselbe gehörig erhitzt werde und die Verbrennung
nicht etwa erst in den jenseitigen Regeneratoren stattfinde, für eine
rasche Mischung gesorgt werden. Die Decke des Ofens ist aus diesem
Grunde nach dem Herde zu geneigt, so dass die unter derselben hin-
ziehende Luft die nämliche Richtung bekommt und die aus den Rege-
neratoren c c1 aufsteigenden Gase schräg gegen dieselbe treffen; um den-
selben diese schräge Bewegungsrichtung zu geben und ihnen zugleich eine
gewisse Austrittsgeschwindigkeit zu verleihen, sind die beiden Regene-
ratoren, wie Fig. 22 erkennen lässt, am oberen Ende so weit geschlossen,
dass nur ein schmaler Spalt für den Austritt übrig bleibt. Oberhalb
der Regeneratoren ist der ganze Raum durch Mauerzungen in neun
einzelne Kanäle getheilt, in denen die Mischung stattfindet und aus
welchen die verbrennenden Gase unmittelbar auf den Herd gelangen
(Fig. 19 und 20).


Statt der erwähnten Wechselklappen, welche den Nachtheil haben,
sich leicht zu verziehen, benutzt man auch vielfach cylindrische Blech-
hauben, durch einen senkrechten Quersteg in zwei Hälften getheilt und auf
ein senkrechtes Rohr passend, welches durch zwei, unter rechtem Winkel
sich kreuzende, Stege in vier Kanäle getheilt ist, deren jeder also im
Querschnitte die Form eines Viertelkreises besitzt. Zwei einander gegen-
überliegende Kanäle führen nach einem rechts- und einem linksseitigen
Regenerator, der dritte führt die Gase von der Leitung aus zu, der
vierte, diesem gegenüberstehende, führt die verbrauchten Gase nach
[118]Die Oefen und feuerfesten Materialien.
der Esse. Durch Drehung der Haube um 90 Grad findet, wie leicht
zu ermessen ist, Umsteuerung statt. Der Rand der Haube taucht in
eine mit Wasser oder Theer gefüllte Rinne, wodurch vollständige Dich-
tung erzielt ist.


Die Ziegeln aus feuerfester Masse, welche den Inhalt der Regene-
ratoren bilden, werden in horizontalen, sich kreuzenden Lagen über
einander aufgestellt (Fig. 25). Gewöhnliche prismatische Chamotteziegel,

Figure 16. Fig. 25.


welche auf die lange Kante gestellt wer-
den, lassen sich ganz gut dafür benutzen.
Der Zwischenraum zwischen zwei be-
nachbarten Ziegeln entspricht einer Ziegel-
stärke, so dass also der räumliche Inhalt
des Regenerators zur Hälfte mit Ziegeln
ausgefüllt ist, während die andere Hälfte
für den Durchzug der Gase bleibt. Häufig
stellt man, wie in der Abbildung, die
Ziegel so auf, dass sie in den über ein-
ander befindlichen Reihen gegen ein-
ander versetzt sind. Die Gase werden
dadurch gezwungen, in Krümmungen
aufzusteigen beziehentlich sich abwärts
zu bewegen, und ihr Weg wird dadurch
verlängert.


Die Wirkung der Regeneratoren ist
leicht verständlich. Wenn der Ofen angeheizt wird, treffen Luft und
Gas im kalten Zustande auf einander. Die Verbrennung geht schwieriger
von statten, die Verbrennungstemperatur ist verhältnissmässig niedrig,
der Herd wird ungenügend erhitzt, zumal da erst in den Regeneratoren
die Verbrennung vollendet wird. Von der abziehenden Wärme nehmen
die Regeneratoren einen beträchtlichen Theil auf; immerhin geht ihre
Erhitzung ziemlich langsam vorwärts, da das Gewicht der zu erhitzen-
den Steine wie auch ihre specifische Wärme (0.23 für höhere Tempera-
turen) nicht unbedeutend ist. In keinem Falle darf auch die Abküh-
lung der Gase so weit getrieben werden, dass die Temperatur derselben
bei ihrem Eintritte in die Esse weniger als 150 Grad C. beträgt, weil
sonst die Zugwirkung der Esse zu gering sein würde.


Nach einiger Zeit wird umgesteuert. Gas und Luft ziehen durch
die erwärmten Regeneratoren nach dem Herde, nehmen hierbei Wärme
auf und treffen demzufolge im erwärmten Zustande auf einander. Die
Verbrennung geht leichter von statten, die Flamme wird kürzer, heisser,
die Temperatur auf dem Herde steigt. Inzwischen werden die beiden
anderen Regeneratoren erhitzt; je mehr Wärme aber in den ersten
beiden bei einer gewissen Temperatur aufgespeichert war, je grösser also
das Gewicht der in ihnen enthaltenen, wärmeaufnehmenden Steine ist,
je länger es gewährt hatte, bis sie jene Temperatur angenommen hatten,
desto langsamer wird auch diese Temperatur sich wieder verringern,
während sie von Gas und Luft erhitzt werden. In jedem Falle wird aufs
Neue umgesteuert, sobald eine erhebliche Abnahme der Temperatur
eintritt. Die Regeneratoren nehmen frische Wärme auf und werden
jetzt stärker erhitzt als zuvor, da sie ohnehin schon eine beträchtliche
[119]Die verschiedenen Ofengattungen.
Wärmemenge zurückhielten, und da die Verbrennungstemperatur der
Gase, wie erwähnt, bereits gestiegen ist. Die Folge davon ist, dass
auch nach abermaliger Umsteuerung Gas und Luft stärker als vorhin
erhitzt werden, und dass somit auch die Verbrennungstemperatur eine
neue Steigerung erfährt. Diese Steigerung würde durch wiederholte
rechtzeitige Umsteuerungen bis ins Unendliche hin sich ausdehnen
lassen, wenn ihr nicht theils durch die Schmelzbarkeit der Ofenbau-
materialien, theils durch den Umstand ein Ziel gesetzt wäre, dass,
sobald die Dissociationsgrenze für die Verbrennungsgase (Kohlensäure
und Wasser) erreicht ist, auch selbstverständlich die Temperatur nicht
mehr zunehmen kann; die Flamme wird länger und die Gase treten
heisser in den Schornstein. In der Wirklichkeit wird man durch ent-
sprechende Verminderung der in bestimmter Zeit zutretenden Gas- und
Luftmengen die überhaupt stattfindende Wärmeentwickelung in solcher
Weise regeln, dass sie dem Wärmeverbrauche im Ofen u. s. w. ent-
spricht, sobald die für den durchzuführenden Process erforderliche
Temperatur erreicht ist, dass also von vorn herein jene übermässige
Steigerung der Essentemperatur, gleichbedeutend mit Wärmeverlust,
vermieden wird.


Thatsächlich lassen sich die geschilderten Vorgänge in der Praxis
durch den Augenschein wahrnehmen. So lange der Ofen noch kalt ist,
zeigt sich eine dunkelrothe Flamme; nach bewirkter Umsteuerung wird
sie heller, weisslicher, hierauf kurz und blendend weiss; wird die
Dissociationstemperatur überschritten und man verringert nun nicht die
Menge des zuströmenden Gases, so wird die Flamme wieder lang, ist
anscheinend aber von geringer Kraft, bläulich weiss und fliesst wolken-
artig dahin.1)


Es folgt hieraus aber, dass die Wirkung eines Siemensofens erst
zur Geltung gelangen kann, wenn derselbe längere Zeit — mindestens
einige Stunden — im Betriebe gewesen ist, und dass mithin ein der-
artiger Ofen für solche Processe ungeeignet sein würde, welche über-
haupt nur zeitweise betrieben werden und dann nur kurze Zeit zu ihrer
Durchführung bedürfen.


Aus der geschilderten Wirkung der Regeneratoren ergiebt sich,
dass, je kleiner dieselben sind, um so öfter umgeschaltet werden muss,
wenn nicht erhebliche Temperaturschwankungen eintreten sollen. Ist
die mittlere Temperatur, auf welche die Regeneratoren erhitzt werden
sollen, gegeben, und weiss man, wie viel der überhaupt entwickelten
Wärme in den Regeneratoren aufgenommen wird (aus dem Wirkungs-
grade des Ofens annäherungsweise zu ermitteln), so würde sich aus der
specifischen Wärme der Ziegeln und der Wärmeleistung des Brenn-
stoffes ermitteln lassen, wie gross das Gewicht der erforderlichen Ziegeln
für jedes Kilogramm innerhalb zweier Umsteuerungen verbrannter
Kohle sein muss. Gruner berechnet auf diese Weise2), dass bei Ver-
wendung von Gas aus Steinkohlen, welche eine Wärmeleistung von
8000 W.-E. besitzen, und einer mittleren Temperatur der Regeneratoren
[120]Die Oefen und feuerfesten Materialien.
von 575°C., die beiden, zusammen ein Paar bildenden, Regeneratoren
für jedes Kilogramm innerhalb zweier Umschaltungen vergaster Kohle
50 kg Ziegeln enthalten müssen; häufig giebt man indess zur grösseren
Sicherheit 60 kg und rechnet als Zeitdauer zwischen zwei Umschal-
tungen eine Stunde. Siemens giebt, auf Erfahrungssätzen fussend,
als Regel eine erforderliche Erhitzungsfläche der Ziegeln von 1.25 bis
1.50 qm für jedes Kilogramm Kohle, was bei dem üblichen Ziegelformat
(ca. 240 × 120 × 60 mm) ganz gut mit jener Rechnung übereinstimmt.
Nun sind, wie oben erwähnt wurde, die Ziegeln gewöhnlich derartig
angeordnet, dass sie die Hälfte des Rauminhaltes der Regeneratoren
einnehmen, während die andere Hälfte für die Kanäle bleibt. Bei einem
spec. Gewichte der Ziegeln = 1.80 würden also in 1 cbm Raum 900 kg
Ziegeln enthalten sein, welche nach Obigem 15—18 kg innerhalb zweier
Wechsel zu verbrennender Kohle entsprechen würden; oder es muss
umgekehrt der Rauminhalt eines Paares Regeneratoren für jedes Kilo-
gramm Kohle 1/15 bis 1/18 cbm mit 1/30 bis 1/36 cbm Ziegeln betragen. Bei stünd-
licher Umsteuerung würde also für die Construction eines Ofens zu-
nächst der zu erwartende stündliche Kohlenverbrauch zu veranschlagen
sein; beträgt derselbe k kg, so hätte man jedem Paare Regeneratoren
einen Rauminhalt von k/15 bis k/18 cbm zu geben.


Das Verhältniss zwischen Höhe und Querschnitt der einzelnen
Regeneratoren hängt zum Theil von localen Umständen und der Form
des Ofens selbst ab; je grösser indessen der Querschnitt ist, desto
weniger gleichförmig werden die Gase innerhalb desselben vertheilt
sein. Gewöhnlich giebt man eine Höhe von 1.5—2 m, oder einen Quer-
schnitt des Regeneratorenpaares von 0.025—0.030 qm per stündlich ver-
brannter Kohle. Ein Kilogramm Kohle liefert ca. 13 kg Gase, welche
bei 575°C. einen Rauminhalt von ca. 30 cbm einnehmen; bei dem an-
gegebenen Querschnitte beträgt alsdann ihre mittlere Geschwindigkeit
in den Kanälen 2000—2400 m per Stunde oder 0.5—0.6 m per Secunde.


Dass der Querschnitt der zur Erhitzung der Luft bestimmten Rege-
neratoren etwas reichlicher bemessen werde als der Querschnitt der Gas-
regeneratoren, wurde bereits oben erwähnt und durch Gründe gerecht-
fertigt.


Ein neu zugestellter Siemensofen muss, ehe er in Betrieb ge-
nommen werden kann, zunächst vollständig durch ein auf dem Herde
desselben unterhaltenes Koksfeuer, dessen Gase man durch die Rege-
neratoren hindurchziehen lässt, ausgetrocknet werden. Damit nicht beim
Entzünden der Gase eine Explosion entstehe, ist es erforderlich, zunächst
allen freien Sauerstoff aus den Kanälen zu verdrängen. Der Zweck
lässt sich erreichen, indem man in einem der Generatoren mit niedriger
Schüttung arbeitet, wie bei directer Feuerung, so dass die Verbrennung
schon hier erfolgt und die Verbrennungsgase den Ofen anfüllen; nun
steigert man die Schütthöhe, so dass brennbares Gas entsteht, welches
in den bereits durch ein Feuer erhitzten Ofen eingeführt und hier
durch Zuführung von Luft entzündet wird.


Zwischen den Generatoren und dem Ofen ist bei allen Siemens-
öfen eine längere Gasleitung eingeschaltet. Dieselbe steigt von den
Generatoren an zunächst thurmartig aufwärts, zieht sich dann in Form
[121]Die verschiedenen Ofengattungen.
eines weiten Eisenblechrohres wagerecht bis zu den Oefen hin, um
hier wieder senkrecht nach den Wechselklappen hin abwärts zu gehen.
Werden, wie bei allen grösseren Anlagen, mehrere Oefen von einer
gemeinschaftlichen Gasleitung und von gemeinschaftlichen Generatoren
aus (wie in Fig. 13—15 abgebildet und auf S. 92 beschrieben wurden)
gespeist, so pflegt man die Oefen in einer Reihe neben einander
aufzustellen, das wagerechte Rohr parallel zu der Ofenreihe in der
Höhe anzuordnen und nun nach jedem Ofen ein senkrechtes Zweig-
rohr hinzuführen.


Die beschriebene Einrichtung hat einen doppelten Zweck. Die aus
dem Generator kommenden noch heissen Gase steigen infolge ihrer
höheren Temperatur in dem senkrechten Rohre empor, werden dann
beim Hindurchstreichen durch das weite wagerechte Rohr abgekühlt,
verdichten sich dabei und erhalten dadurch das Bestreben, in dem
zweiten senkrechten Rohre abwärts sich zu bewegen. Die Abkühlung
der Gase ist nothwendig, damit sie überhaupt in die tief liegenden
Regeneratoren eintreten, und die Zugwirkung der Esse wird durch diese
Einrichtung verstärkt. Bei der stattfindenden Abkühlung aber werden
theerige Dämpfe, welche den heissen Gasen beigemengt waren und
deren Ablagerung in den Regeneratoren diese verstopfen und unbrauch-
bar machen würde, verdichtet und durch geeignete Vorrichtungen in
dem Leitungsrohre entfernt. Dass man bei Verwendung wasserreicher
Brennstoffe diese Verdichtung noch durch Einschaltung eines Conden-
sators verstärkt, wurde schon auf S. 96 besprochen.


Durch diese Abkühlung aber geht ein nicht unbeträchtlicher Theil
Wärme verloren, und dieser Verlust wird nur theilweise durch den
Umstand ausgeglichen, dass eben infolge des hervorgerufenen stärkeren
Luftzuges auch die Gase mit einer niedrigeren Temperatur, als es sonst
der Fall sein würde, in die Esse eintreten dürfen und solcherart ihre
Wärme in den Regeneratoren vollständiger abgeben können. Die Ein-
richtung der Siemensöfen ist, wie sich aus der Beschreibung der-
selben ergiebt, ziemlich complicirt, die Anlage- und Reparaturkosten
(z. B. für die Reinigung der Regeneratoren bei eintretenden Ver-
stopfungen) infolge dessen ziemlich hoch.


Aus diesen Gründen ist man seit Erfindung der Siemensöfen
vielfach bemüht gewesen, in einfacherer Weise, aber auf ähnlichen
Grundsätzen fussend, das nämliche Ziel, eine günstige Ausnutzung des
Brennstoffes zu erreichen. Eine solche Vereinfachung ist möglich, wenn
man, wie bei den nachfolgend beschriebenen Ofensystemen, die Gase
mit der aus dem Generator mitgenommenen Wärme, also mit einer
Temperatur, welche durchschnittlich 350°C. betragen dürfte, nicht selten
aber noch höher ist, in den Ofen eintreten lässt und sich darauf be-
schränkt, die Verbrennungsluft vorzuwärmen. Da für den letzteren
Zweck nur ein Theil der gesammten Abhitze erforderlich ist, so erlangt
man bei einer solchen Einrichtung neben der Vereinfachung der An-
lage den andern, besonders im Eisenhüttenbetriebe nicht zu unter-
schätzenden Vortheil, dass der übrige Theil der Abhitze noch für andere
Zwecke, insbesondere auch zur Heizung von Dampfkesseln, verfügbar
bleibt.


Damit die Aufgabe, die Gase noch heiss in den Ofen zu führen,
[122]Die Oefen und feuerfesten Materialien.
erfüllt werde, muss der Generator in unmittelbarer Nähe des Ofens
liegen; und die meisten der hierher gehörigen Ofensysteme unterscheiden
sich daher von den Oefen mit directer Feuerung im Wesentlichen nur
durch die grössere Schütthöhe auf dem Roste, wodurch der Feuerungs-
raum zum Generator wird, und durch die Zuführung der erwärmten
Verbrennungsluft oberhalb des Rostes.


Boëtius’ Feuerung. Dieselbe, aus den sechziger Jahren stam-
mend, und ziemlich häufig benutzt, ist in den Abbildungen Fig. 26 und 27
in etwa 1/75 der wirklichen Grösse dargestellt. A ist der Generator,
1.8—2 m hoch, 0.9 m breit. Unten ist derselbe durch einen schräg
liegenden Rost a a, an der Rückseite durch eine geneigte Wand be-

Figure 17. Fig. 26.


Figure 18. Fig. 27.


grenzt, deren Anordnung eine solche ist, dass zwischen ihrer Ober-
kante und der Rückwand des Ofens ein schmaler Spalt zum Einfüllen
des Brennmateriales bleibt, welcher durch dieses selbst verschlossen
gehalten wird. Oeffnungen b b in dieser Wand in geringer Entfernung
über dem Roste dienen dazu, auch hier noch Luft zuzuführen, sowie
nöthigenfalls zur Beseitigung von Versetzungen durch zusammengebackte
Kohlen oder gesinterte Asche. Ein Theil der Verbrennungsluft wird
in einem innerhalb der Feuerbrücke hin- und herführenden, von unten
nach oben aufsteigenden Kanale m m erhitzt und strömt dann aus den
in der oberen Fläche der Feuerbrücke angebrachten Schlitzen d recht-
winklig gegen die über die Feuerbrücke hinziehenden Gase; ein anderer
[123]Die verschiedenen Ofengattungen.
Theil steigt in ähnlich angeordneten Kanälen n n innerhalb der Seiten-
wände des Generators aufwärts, gelangt von hier aus in die Kanäle
c c an der Rückwand und tritt endlich durch mehrere Spalten im
Scheitel des Ofens in schräger Richtung abwärts gegen den Gasstrom.
Die Erhitzung der Luft geschieht also nicht eigentlich durch die Ab-
hitze des Ofens, sondern durch die an die Generatorwände abgegebene
Wärme, und die Luft dient hierbei zugleich zur Kühlung der letzteren.
Die gesammte Abhitze bleibt für andere Zwecke verfügbar.


Der Boëtiusofen zeichnet sich durch Einfachheit in der Anlage
aus. Nicht zu verkennen ist jedoch, dass die Erhitzung der Luft in
den Kanälen rings um den Generator herum eine erheblich geringere
bleiben muss als in Siemens’schen Regeneratoren; und auch die Gase
werden kaum mit jener Temperatur den Generator verlassen können,
mit welcher sie in einen Siemensofen eintreten. Wenn daher ein
Boëtiusofen an Stelle eines Herdflammofens mit directer Feuerung
von Vortheil sein kann, so ist er dennoch nicht im Stande, einen
Siemensofen in solchen Fällen zu ersetzen, wo eine sehr hohe Tempe-
ratur hervorgerufen werden muss.


Bicheroux’s Feuerung.1) Ihrer allgemeinen Einrichtung zufolge
der Boëtiusfeuerung ähnlich unterscheidet sie sich von dieser zunächst
durch die bedeutend grössere Breite des Generators (gewöhnlich 2—2.5 m
in der Breitenrichtung des Ofens gemessen), welche die Anhäufung
grösserer Brennmaterialmassen im Generator ermöglicht und hierdurch
die Gleichmässigkeit der Gasentwickelung befördert. Nicht allein die
Rückwand des Generators ist, wie bei dem Boëtiusofen, geneigt,
sondern auch die an der Seite der Feuerbrücke den Generator begren-
zende Wand neigt sich unter einem Winkel von etwa 60 oder 65 Grad
nach aussen, wodurch ebenfalls der Fassungsraum des Generators ver-
grössert wird. Wegen der grossen Breite des letzteren ist es nicht
immer möglich, ihn unmittelbar an den Ofen zu legen, und man ver-
bindet ihn mit demselben in solchen Fällen durch einen sich allmählich
verengenden gemauerten Kanal.


Die Verbrennungsluft wird, ebenfalls wie bei dem Boëtiusofen,
in Kanälen erwärmt, welche im Gemäuer des Ofens angeordnet sind,
deren Anordnung im Einzelnen jedoch nicht immer übereinstimmt;
aus der Rückwand des Ofens gelangt schliesslich die Luft durch eine
Anzahl horizontal gerichteter, in einer Reihe neben einander angebrachter
Schlitze in den Kanal hinter der Feuerbrücke, in welchem die Gase
emporsteigen, um sich mit diesen zu mischen und die Verbrennung zu
bewirken.


Der Bicherouxofen hat seiner Einfachheit und seiner unläugbar
günstigen Ergebnisse halber eine ziemlich ausgedehnte Verwendung
gefunden, vornehmlich in Rheinland und Westfalen. Bei Processen
jedoch, wo sehr hohe Temperaturgrade erforderlich sind, ist er ebenso
wenig als der Boëtiusofen geeignet, die Siemens’sche Feuerung zu
ersetzen.


[124]Die Oefen und feuerfesten Materialien.

Ponsard’s Feuerung. Die Abbildungen Fig. 28 und 29 zeigen
die Einrichtung derselben. A ist ein gewöhnlicher Steinkohlengasgene-
rator, in der Nähe des zu heizenden Ofens angeordnet, so dass die Gase
noch heiss in diesen gelangen. a ist die Füllöffnung, in der schon
früher besprochenen Weise durch eine Klappe mit Gegengewicht und
einen Deckel mit Wasserverschluss geschlossen; die daneben befindliche
Oeffnung in der gewölbten Decke des Generators dient zum Losbrechen
von Versetzungen u. s. w. B ist der Herd des Ofens, von welchem
aus die Verbrennungsgase durch den Kanal h in den Raum C ge-
langen. Dieser dient als Erhitzungsapparat für die zuströmende Ver-
brennungsluft, welche hier durch die Abhitze des Ofens erwärmt wird.
Man pflegt diesen Ponsard’schen Lufterhitzungsapparat mit dem
Namen Recuperator zu bezeichnen. Er wird gebildet durch eine

Figure 19. Fig. 28.


ziemlich grosse Zahl von senkrecht stehenden Kanälen mit vierseitigen
Querschnitten und dünnen Scheidewänden. In der einen Hälfte dieser
Kanäle strömen die heissen Gase, wie es durch die Pfeile in Fig. 29
angedeutet ist, abwärts, um durch den Kanal g nach dem Dampfkessel
beziehentlich der Esse zu entweichen; zwischen diesen Gaskanälen, so
dass sie auf allen vier Seiten von denselben umgeben sind, befinden
sich nun die Luftkanäle für die aufwärts strebende Luft. Die Luft-
kanäle sind natürlich, damit die Luft nicht in die Gaskanäle gerathe,
oben und unten geschlossen; die Luft tritt aus dem in Fig. 28 an
der rechten Seite des Ofens sichtbaren geräumigen Kanale durch hori-
zontale Oeffnungen (welche in Fig. 28 im Längsschnitte gezeichnet, in
Fig. 29 als fünf schwarz gehaltene, rechteckige Schlitze gezeichnet sind),
in die senkrechten Kanäle ein, steigt empor und gelangt am obern
Ende durch eben solche Austrittsöffnungen in den Kanal d und von
[125]Die verschiedenen Ofengattungen.
hier nach e, um sich mit den in f aufsteigenden Gasen zu mischen.
Die geschilderte Anordnung gewährt eine ausgedehnte Berührungsfläche
zwischen der zu erhitzenden Luft und den als Heizmaterial dienenden
Verbrennungsgasen; um dieselbe jedoch noch zu vergrössern sowie
auch, um die Bewegung von Gas und Luft innerhalb des Recuperators
zu erschweren, sind je zwei benachbarte Gaskanäle wie auch zwei
benachbarte Luftkanäle durch eingemauerte horizontale Chamotteröhren
(Hohlsteine) von rechteckigem Querschnitte mit innerer, der grösseren
Haltbarkeit halber angebrachter, Zwischenwand unter einander ver-
bunden. Fig. 28 lässt diese horizontalen Verbindungsröhren in der
Stirnansicht, Fig. 29 im Längsschnitte erkennen. Indem man die in
zwei über einander befindlichen Reihen angeordneten Verbindungsstücke
gegen einander versetzt (vergl. Fig. 28), zwingt man Gas und Luft,
sich in Windungen zu bewegen, ähnlich wie es in vielen Siemens-
regeneratoren durch Ver-
setzung der Steine über
einander erreicht wird
(vergl. oben Fig. 25).


In dem Ponsard-
ofen lässt sich, wie aus
der gegebenen Beschrei-
bung sich leicht erklärt,
eine sehr bedeutende Er-
hitzung der Verbrennungs-
luft erreichen, so dass der-
selbe in seiner Wirkung
dem Siemensofen kaum
nachsteht; er hat vor die-
sem den Vortheil voraus,
dass die Zugrichtung un-
verändert bleibt, ein Um-
stand, der allerdings in
manchen Fällen die Con-
struction wie die Bedie-
nung des Ofens erleich-
tert; und er ermöglicht eine
fernere Verwendung der

Figure 20. Fig. 29.


Abhitze zur Kesselheizung, was bei den Siemensöfen unmög-
lich ist.


Dagegen ist die Herstellung wie die Reinigung und Reparatur
des Ponsard’schen Lufterhitzers schwierig und kostspielig; trotz der
von dem Erfinder angewendeten sorgfältigen Zusammenfügung der
Steine ist es jedenfalls unvermeidlich, dass infolge der wechselnden
Ausdehnung und Zusammenziehung in den Wänden der Kanäle Risse
entstehen, durch welche die Luft, den kürzeren Weg wählend, aus-
treten kann, um sich mit den abwärts ziehenden Verbrennungsgasen
zu mischen, ohne ihre Bestimmung zu erfüllen.


Dieser Uebelstand ist es hauptsächlich, welcher sich einer aus-
gedehnteren Anwendung der übrigens vorzüglichen Ponsardöfen ent-
gegen gestellt hat und es erklärlich macht, dass dieselben bislang fast
[126]Die Oefen und feuerfesten Materialien.
nur auf französischen Eisenwerken, im Vaterlande des Erfinders, in
Benutzung gekommen sind.


A. Pütsch’s Feuerung. Dieselbe, neuer als die zuletzt be-
sprochenen Constructionen, ist in Fig. 30 und 31 dargestellt. A ist ein
Generator, welcher, entsprechend der Verschiedenheit des zur Ver-
wendung kommenden Brennstoffes, verschiedene Abweichungen zeigen
kann, in jedem Falle aber in unmittelbarer Nähe des Ofens angeordnet
wird. C ist der Herd des Ofens; von diesem gelangen die Gase durch
einen Kanal b nach dem Raume D, in welchem neben einander zwei
abwärts führende Oeffnungen d1d2 angeordnet sind. Durch einen von

Figure 21. Fig. 30.


Figure 22. Fig. 31.


aussen beweglichen horizontalen Schieber wird je eine dieser Oeffnungen
verschlossen, während die andere geöffnet ist. Diese Oeffnungen stehen
in Verbindung mit unter dem Ofen angeordneten geräumigen, voll-
ständig von einander geschiedenen Kanälen E1E2 (die in Fig. 31 theil-
weise sichtbare Scheidewand zwischen beiden Kanälen verläuft bis zur
Stirnwand des Ofens zwischen den Oeffnungen d1 und d2 hindurch).
In jedem dieser Kanäle ist durch eingesetzte Steine ein Wärmespeicher,
ähnlich den Siemens’schen Regeneratoren angeordnet; und durch
Stellung der erwähnten Schieber sowie der Wechselklappe F bewirkt
man, dass die Gase abwechselnd den einen und den andern dieser
Wärmespeicher heizen.


[127]Die verschiedenen Ofengattungen.

Die Verbrennungsluft wird zunächst durch die Oeffnung f (Fig. 31)
angesaugt, tritt dann je nach der Stellung der Wechselklappe F in den
Horizontalkanal e1 oder e2, erhitzt sich in dem zuvor geheizten Wärme-
speicher E1 oder E2 und gelangt durch eine der beiden Oeffnungen g1
und g2, von denen die zweite wiederum durch einen Schieber ver-
schlossen gehalten wird, in den Raum G, um von hier unter dem Herde
des Ofens hin durch den Kanal a nach B zu strömen, wo sie sich mit
dem aus A kommenden Gase vereinigt. So findet, wie bei den Sie-
mensö
fen, durch Umsteuerung der Schieber und Wechselklappe F
eine abwechselnde Erhitzung der Wärmespeicher durch die abziehenden
Gase und der zutretenden Luft durch die aufgespeicherte Wärme statt;
aber die Zahl der Wärmespeicher (Regeneratoren) ist hier gegenüber
den Siemens’schen Oefen auf die Hälfte verringert, wodurch die Con-
struction einfacher und billiger wird; die Flammenrichtung bleibt unver-
ändert, und die von den Gasen aus dem Generator mitgebrachte Wärme
wird ausgenutzt.


Bei Anwendung des Ofens für solche Zwecke, welche eine hohe
Temperatur erheischen, dürfte eine geänderte Führung der heissen, aus
den Wärmespeichern kommenden, Luft erforderlich sein. Derartige Oefen
erfordern eine Kühlung des Herdes von unten durch hindurchstreichende
kalte Luft, damit derselbe vor raschem Wegschmelzen geschützt sei
(vergl. u. a. den in Fig. 19—24 abgebildeten Ofen); bei dem Pütsch-
ofen in der abgebildeten Anordnung wird der Herd nicht nur nicht
gekühlt, sondern durch die erhitzte Luft noch obenein von unten erwärmt.


Herdflammöfen mit beweglichem Herde.

Wenn auf dem Herde eines Flammofens chemische Einwirkungen
hervorgebracht werden sollen, sei es, dass verschiedene feste oder
flüssige Körper dort gemischt sind und auf einander wirken sollen, sei
es, dass durch die vorüberziehenden Gase oxydirende oder reducirende
Einflüsse geübt werden sollen, so wird man bei den Oefen der bisher
besprochenen Art mit fest stehendem Herde meistens genöthigt sein,
durch Rühren, Umschaufeln oder dergleichen eine stetig erneuerte Be-
rührung der auf einander wirkenden Körper herbeizuführen. Diese
Arbeit wird entbehrlich, wenn man den Herd selbst durch eine mecha-
nische Vorrichtung in eine solche Bewegung versetzt, dass auch die
auf demselben angehäuften Körper in Bewegung gerathen, sich mischen,
ihre Oberfläche erneuern. Für die Lösung dieser Aufgabe sind die
Herdflammöfen mit beweglichem (drehbarem oder schwingendem) Herde
bestimmt. Die Oefen mit drehbarem Herde pflegen Drehöfen, die-
jenigen mit schwingendem Herde Schaukelöfen genannt zu werden.


Der Form des Herdes gemäss lassen sich hierbei zwei Haupt-
gruppen unterscheiden.


a) Cylinderöfen oder Eiöfen. Der Herd hat cylinderähnliche
(gewöhnlich tonnenartige) oder auch eiförmige Gestalt. Die Bewegung
erfolgt fast immer durch Drehung um die Achse des Herdes, welche
horizontal oder geneigt sein kann. Die meisten der hierher gehörigen
Oefen dienen ganz besonderen Zwecken und werden deshalb bei
[128]Die Oefen und feuerfesten Materialien.
Besprechung des betreffenden Processes ausführlichere Erörterung
finden.


b) Telleröfen. Der Herd ist tellerartig geformt und dreht sich
entweder um seine Achse, die in diesem Falle eine schwache Neigung
gegen die Vertikale zu haben pflegt, oder schwingt in horizontalen
Zapfen. Ein Ofen der ersteren Art, von Pernot construirt und für
verschiedene Zwecke verwendet, ist in Fig. 32 und 33 abgebildet. l ist
der Herd, aus starkem Eisenblech construirt und mit einem geeigneten
feuerfesten Material ausgefuttert. In der Mitte desselben sitzt die Achse

Figure 23. Fig. 32.


d, in einer Nabe h der starken Eisenplatte e drehbar. Zur Unter-
stützung des Herdes dienen ausserdem die Rollen c c, welche auf einer
entsprechend geformten Bahn der Platte e laufen. An dem äusseren
Umfange des Gussstückes a, auf welchem der Herd befestigt ist, befindet
sich der Zahnkranz b, im Eingriffe mit einer Schraube k, welche von
aussen her vermittelst einer Transmission gedreht wird und die Drehung
auf den Zahnkranz und somit auf den Herd selbst überträgt. Die
Platte e wird von Rädern f f getragen, welche es ermöglichen, den
ganzen Herd nebst Zubehör wie einen Wagen aus dem Ofen seitlich
heraus zu schieben, wenn Reparaturen vorgenommen werden sollen
und in ähnlichen Fällen. Damit aber während des Betriebes ein dichter
Anschluss des Herdes an den feststehenden Theil des Ofens erzielt
werde, ohne dass jene Bewegung des Wagens erschwert werde, ruht
die Platte e nicht unmittelbar auf den Rädern, sondern auf Hebeln mit
Gegengewichten, wie in Fig. 33 erkennbar, welche den Herd empor-
drücken und solcherart den dichten Anschluss herstellen, sobald der
Wagen an Ort und Stelle ist, sich aber unschwer anheben lassen, wenn
der Herd herausgefahren werden soll. i sind die Schienen, auf welchen
[129]Die verschiedenen Ofengattungen.
der Wagen läuft, m ist die Feuerung des Ofens, die beliebig als directe
oder Gas-Feuerung eingerichtet sein kann, o der Fuchs.


Die geneigte Stellung der Herdachse bewirkt, dass, wenn flüssige
Körper sich auf dem Herde befinden, sie sich an der tiefsten Stelle
desselben sammeln, statt auf der ganzen Herdfläche ausgebreitet oder
vermöge der Centrifugalkraft während der Drehung nach dem Rande
hin getrieben zu werden. Hierdurch wird einestheils die gleichmässige
Mischung verschiedenartiger Körper befördert, anderntheils auch der
Herd selbst, da er an der höchsten Stelle unbedeckt ist, während der

Figure 24. Fig. 33.


Drehung nach und nach vollständig der unmittelbaren Einwirkung der
Flamme preisgegeben und hierdurch stark erhitzt.


Der ersparten menschlichen Arbeit bei Benutzung von Drehöfen
steht der erforderliche Aufwand an mechanischer Arbeit, sowie die
grössere Kostspieligkeit der Anlage gegenüber. Ausserdem ist die An-
wendung jener Oefen naturgemäss auf solche Fälle beschränkt, wo
Mischungen herbeigeführt oder die Oberfläche eines flüssigen Körpers
stetig erneuert werden soll. Es erklärt sich hieraus, dass die Drehöfen
in weit selteneren Fällen als Oefen mit feststehendem Herde zur An-
wendung gelangen.


Wirkungsgrad der Flammöfen.

Bei den mannigfachen Formen des Flammofens ist sein Wirkungs-
grad ein sehr verschiedener. Er wird günstiger sein, wenn, wie bei
den Siemensöfen und Ponsardöfen, ein Theil der Abhitze wieder
Ledebur, Handbuch. 9
[130]Die Oefen und feuerfesten Materialien.
in den Ofen zurückgeführt wird als wenn, wie bei den Oefen mit
directer Feuerung, dieselbe für den eigentlichen Ofenprocess verloren
geht; er wird ferner günstiger sein, wenn der zu erhitzende Körper
auf eine grosse Fläche ausgebreitet als wenn er in einem kleinen Raume
zusammengedrängt oder gar in einen Tiegel eingeschlossen ist.


Auch die am günstigsten arbeitenden Flammöfen besitzen indessen
einen nicht unerheblich niedrigeren Wirkungsgrad als direct wirkende
Schachtöfen mit entgegengesetzter Bewegungsrichtung der wärmeab-
gebenden und zu erhitzenden Körper. Der Grund hierfür liegt theils
in dem Umstande, dass die Aussenfläche der Flammöfen im Verhält-
nisse zu ihrem nutzbaren Rauminhalte d. h. zu der Menge der in ge-
wissen Zeiträumen zu verarbeitenden Körper, beträchtlich ist, haupt-
sächlich aber in dem Wegfalle jener für den direct wirkenden Schacht-
ofen so charakteristischen Bewegung der zu erhitzenden Körper dem
heissen Gasstrome entgegen, welche eine allmähliche Erhitzung durch
die Abhitze und dadurch eine sehr günstige Ausnutzung der Wärme
ermöglicht.


Bei Herdflammöfen mit directer Feuerung und directer Erhitzung
pflegt der Wirkungsgrad 0.08—0.10 zu betragen; bei Gasfeuerung mit
Zurückführung der Abhitze durch die Verbrennungsluft beziehentlich
durch die Gase (Siemens’sche, Ponsard’sche Oefen) steigt derselbe
auf 0.14—0.18; bei Anwendung von Tiegeln sinkt er — selbst in Sie-
mensö
fen — auf 0.03—0.04, und wenn directe Feuerung dabei an-
gewendet wird, auf 0.02.


3. Einbau der Oefen.


In dem Vorstehenden war nur von dem Profile und der Verwendung
des innern Raumes der Oefen, welcher zur Wärmeerzeugung und
Wärmeabgabe bestimmt ist, sowie von den Beziehungen zwischen der
Form dieses Raumes und seiner Bestimmung die Rede. Dieser innere
Raum nun ist naturgemäss von einem Ofenkörper eingeschlossen, welcher
vollständig oder zum grössten Theile aus Mauerwerk zu bestehen pflegt,
und dessen Herstellung (Einbau des Ofens) alle Aufmerksamkeit des
Praktikers erfordert, wenn der Ofen seine Bestimmung erfüllen soll.
Denn jener Ofenkörper, der ja erst den eigentlichen Ofen bildet, muss
widerstandsfähig genug sein, um nicht durch die auf ihn wirkenden,
oft recht beträchtlichen physikalischen und chemischen Einflüsse (Aus-
dehnung durch die Wärme und Zusammenziehung beim Erkalten, Weg-
schmelzen u. v. a.) zerstört oder unbrauchbar gemacht zu werden; er
darf aber auch, wenn er als zweckmässig bezeichnet werden soll, in
seiner ganzen Einrichtung nicht zu schwerfällig und kostspielig sein
und soll andererseits auch nicht Veranlassung zu vermeidlichen, dem
Zwecke des Ofens nachtheiligen Wärmeverlusten geben.


Je höher die in einem Ofen entwickelte Temperatur ist, desto
leichter sind natürlich alle dieser Temperatur ausgesetzten Theile des
Ofens dem Wegschmelzen unterworfen. Man verwendet daher zur Her-
stellung des Ofens oder wenigstens des Ofeninnern in allen den Fällen,
wo dunkle Rothgluth überschritten wird, sogenannte feuerfeste Mate-
rialien, von deren Beschaffenheit unten ausführlicher die Rede sein
[131]Einbau der Oefen.
wird. Da es aber keinen Körper giebt, welcher in den hohen Tempe-
raturen, und unter den chemischen Einflüssen, welche in den Oefen
des Eisenhüttengewerbes vielfach sich geltend machen, durchaus feuer-
fest, unschmelzbar wäre, so kühlt man vielfach künstlich die der Er-
hitzung vorzugsweise ausgesetzten Stellen, sei es durch äussere Beriese-
lung mit Wasser, sei es, indem man in die Ofenwand entsprechend
geformte Hohlstücke aus Gusseisen, Bronze, Schmiedeeisen einlegt,
durch welche ununterbrochen kaltes Wasser hindurchfliesst. Letztere
Methode ist jedenfalls die vorzüglichere und ist gefahrlos, sobald man
Sorge trägt, dass das betreffende Kühlstück vollständig mit Wasser
gefüllt bleibt (indem man das von einem höher gelegenen Behälter
kommende Wasser an der tiefsten Stelle ein- und an der höchsten
austreten lässt) und das Wasser ununterbrochen zu- und abfliesst, so
dass seine Temperatur nicht über 40—50°C. steigt. Unläugbar ist mit
einer solchen Kühlung ein Wärmeverlust verknüpft, dessen Höhe sich
ohne Schwierigkeit aus der Temperaturzunahme und Menge des ver-
brauchten Kühlwassers berechnen lässt; dieser Nachtheil ist aber ver-
schwindend klein gegen die durch die Kühlung erreichte grössere Halt-
barkeit vieler Oefen, und zahlreiche Erfahrungen beweisen, dass auch
eine sehr weit getriebene Kühlung eines Ofens selten im Stande ist,
eine merkliche Beeinträchtigung der Wärmeausnutzung (des Wirkungs-
grades des Ofens) herbeizuführen.


Statt des Wassers bedient man sich auch wohl der Luft als Küh-
lungsmittel, wenn eine weniger starke Kühlung erforderlich ist, und
benutzt nicht selten die hierbei erhitzte Luft später als Verbrennungs-
luft bei der Heizung des Ofens. In dieser Weise kühlt man häufig
den Herdboden und die Seitenwände von Herdflammöfen, die Wände
der Gasgeneratoren. Da die Luft jedoch 770 mal leichter als das Wasser
und ihre specifische Wärme nur = 0.237 ist, so ist die kühlende Wirkung
des gleichen Volumens Luft auch ganz bedeutend geringer als die des
Wassers, und ein sehr rascher Luftwechsel ist nöthig, wenn überhaupt
eine Wirkung erreicht werden soll.


Von Wichtigkeit ist die Bemessung der richtigen Wandstärke eines
Ofens. Es kommen hierbei vornehmlich zwei Gesichtspunkte in Betracht:
erstens die Standfestigkeit und Haltbarkeit des Ofens und zweitens die
durch Wärmetransmission hervorgerufenen Wärmeverluste bei zu dünnen
Wänden.


Bis vor nicht allzu langer Zeit legte man auf den zuletzt genannten
Gesichtspunkt den grösseren Werth und gab deshalb Oefen, in denen
beträchtliche Wärmemengen entwickelt werden und eine hohe Tempe-
ratur herrschen soll, weit stärkere Wände als lediglich für ihre Halt-
barkeit nothwendig gewesen sein würde. Dadurch wurde der Ofen
oft ausserordentlich schwerfällig und kostspielig; und die Haltbarkeit
des Ofens wurde oft geringer als bei weniger starken Wänden. Um
diese Thatsache zu verstehen, möge man sich einestheils vergegenwär-
tigen, dass eine dicke Mauer, wenn sie einseitig erhitzt und abgekühlt
wird, leichter Risse bekommt als eine dünnere, welche gleichmässiger
erwärmt wird und leichter der stattfindenden Ausdehnung und Zusam-
menziehung nachgiebt; anderntheils, dass Ofentheile, die von dicken,
schlecht wärmeleitenden Wänden umgeben und einer hohen Temperatur
9*
[132]Die Oefen und feuerfesten Materialien.
ausgesetzt sind, auch selbst stärker hierbei erhitzt werden und daher
dem Wegschmelzen weit eher unterworfen sind, als wenn die Wände
dünner sind und dabei unter dem Einflusse der umgebenden Luft auch
kühler als jene gehalten werden.


Ausserdem lehrte nun aber allmählich die Praxis, dass jene Ein-
flüsse auf die Ersparung an Wärme im Ofen, die man früher von der
Anwendung dicker Wände als selbstverständlich erwartete, bei weitem
nicht so bedeutend sind, als man allerdings im ersten Augenblicke
anzunehmen versucht ist; ja es zeigte sich nicht selten, dass ein Ofen
mit dünneren Wänden zur Durchführung desselben Processes nicht
mehr Brennstoff erforderte als ein anderer mit dicken Wänden.


Es lassen sich verschiedene Ursachen für diese Erscheinung an-
führen.


In einem Ofen mit rascher Verbrennung, in welchem also die
erzeugten Gase mit grosser Geschwindigkeit sich fortbewegen, wie es
thatsächlich bei den meisten Oefen für metallurgische Zwecke der Fall
ist, bildet die durch die Wände des Ofens hindurch verloren gehende
Wärme, auch wenn sie an und für sich nicht unbedeutend sein sollte,
doch immerhin einen nur geringen Theil der überhaupt entwickelten
und von den Gasen mitgenommenen Wärme; eine Vermehrung oder
Verminderung der ersteren beeinflusst die gesammte Wärmeausnutzung
im Ofen daher auch nur in unbedeutendem Maasse. Bei einem Schacht-
ofen mit senkrechter Achse kommt noch ein anderer Umstand hinzu.
Man kann sich denselben angefüllt denken mit einer sich aufwärts
bewegenden und stetig sich erneuernden Gassäule und einer sich abwärts
bewegenden Säule aus Stücken fester Körper (Brennstoffe, Erze u. s. w.),
welche von jener Gassäule durchdrungen wird. Beide sind schlechte
Wärmeleiter, die Gase an und für sich, die Säule der festen Körper,
weil sie aus einzelnen sich nur unvollkommen berührenden Stücken
besteht, zwischen denen wieder Gase sich befinden. Die Abkühlung
von den Wänden des Ofens her würde daher, auch wenn jene Körper
nicht in Bewegung wären, nur sehr allmählich auf die im Inneren be-
findlichen Theile des Ofeninhalts einwirken können; jene stetige Erneue-
rung der sich bewegenden Schichten aber bringt es mit sich, dass diese
Abkühlung nur in einer sehr geringen Entfernung von den Wänden
noch bemerkbar bleibt, den bei weitem grössten Theil des Ofenquer-
schnittes aber unbeeinflusst lässt. Es entsteht gewissermaassen an den
Wänden eine schmale ringförmige Uebergangszone, innerhalb welcher
die Temperatur sehr rasch von aussen nach innen steigt. So erklärt
es sich unschwer, dass man thatsächlich im Stande ist, in einem voll-
ständig aus Eisenblech ohne irgend einen Einsatz aus schlechteren
Wärmeleitern (feuerfesten Steinen) hergestellten Ofen, welcher ringsum
von Wasser gekühlt ist, Eisen zu schmelzen und auf Weissgluth zu
erhitzen, ohne dass der Brennstoffverbrauch übermässig gross wäre und
ohne dass der Eisenblechmantel Schaden leidet.1)


Gestützt auf derartige Erfahrungen nimmt man mit vollem Rechte
bei neueren Ofenconstructionen nicht die Verhinderung der Wärme-
[133]Einbau der Oefen.
transmission, sondern die Haltbarkeit des Ofens als Ausgangspunkt für
die Bemessung der Wandstärken und erhält dabei erheblich leichtere,
billigere Oefen als in früherer Zeit. Nur bei Oefen mit langsamer
Verbrennung in grossen Räumen und ununterbrochenem Betriebe, in
denen also das Verhältniss der durch die Wände hindurchgehenden
Wärme zu der überhaupt entwickelten bedeutender ist als gewöhnlich,
würden dickere Wände, als gerade für die Haltbarkeit nothwendig ist,
von Vortheil sein können (Trockenöfen der Eisengiessereien).


Da, wie oben erwähnt wurde, der innere Theil der Oefen aus feuer-
festem Materiale hergestellt wird, dieses aber erheblich kostspieliger zu
sein pflegt als gewöhnliches Ziegel- oder Bruchsteinmauerwerk, so bildet
man wohl, wenn aus besonderen Gründen dicke Wände nöthig sind,
dieselben aus zwei Schichten, einer innern aus feuerfestem Material,
das Futter oder bei Schachtöfen der Kernschacht genannt, und einer
äussern aus gewöhnlichem Mauerwerke, welche das Rauhgemäuer
heisst. Um der grösseren Ausdehnung des stärker erhitzten Futters
Rechnung zu tragen, werden beide Schichten ohne Verband unter ein-
ander aufgeführt; nicht selten lässt man, wo es ohne Beeinträchtigung
der Haltbarkeit des Ofens geschehen kann, zwischen ihnen einen Zwi-
schenraum von einem oder mehreren Centimetern Breite, der entweder
nur mit Luft gefüllt bleibt oder auch wohl mit Asche, Schlackenstück-
chen oder anderen schlechten Wärmeleitern ausgefüllt wird (Füllung).


Bei dem Aufbaue eines aus Rauhgemäuer und Futter bestehenden
Ofens wird zunächst das erstere fertig gestellt und dann das Futter
eingesetzt.


Um den nachtheiligen Einflüssen der Ausdehnung und Zusammen-
ziehung des Ofengemäuers bei wechselnder Temperatur entgegen zu
wirken, pflegt man die Oefen mit einer eisernen Rüstung zu ver-
sehen, welche der äussern Form des Ofens entsprechend verschieden
eingerichtet ist. Für Schachtöfen mit kreisförmigen Querschnitten be-
nutzt man nicht selten einen aus Eisenblech zusammengenieteten Mantel;
oder man begnügt sich mit ringförmigen, um den Ofen herum gelegten,
Ankern. Herdflammöfen pflegt man mit senkrecht stehenden, guss-
eisernen Platten an den Seitenwänden einzufassen, welche durch schmiede-
eiserne, oberhalb und unterhalb des Gemäuers hindurchgehende Quer-
anker zusammen gehalten werden und zugleich für den Schub der
gewölbten Decke den nöthigen Widerstand bilden. Wegen der leichteren
Anbringung dieser Platten pflegt man den Herdflammöfen äusserlich
einen rechtwinkligen Grundriss zu geben.


Da jede Fuge, jeder Riss in dem Ofenfutter den im Innern herr-
schenden zerstörenden Einflüssen eine vergrösserte Oberfläche, einen
neuen Angriffspunkt darbietet, so muss man der Herstellung dieses
Futters eine um so grössere Aufmerksamkeit widmen, je kräftiger jene
Einflüsse sind, je höher insbesondere die herrschende Ofentemperatur
ist. Das Einsetzen jenes Futters heisst das Zustellen des Ofens. Es
giebt hierfür zwei verschiedene Methoden.


Bei der einen Methode wird die als Material für die Zustellung
bestimmte Substanz im angefeuchteten, plastischen Zustande mit Hilfe
von Schablonen und Modellen erst innerhalb des Ofens selbst in die
[134]Die Oefen und feuerfesten Materialien.
erforderliche Form gebracht, mit eisernen Stampfern festgestampft, dann
allmählich getrocknet.1) Es ist also erforderlich, Körper zu verwenden,
welche jene hierfür erforderliche Eigenschaft der Bildsamkeit besitzen
(sogenannte Masse, daher Massezustellung); der Hauptvortheil dieses
Verfahrens liegt in der Vermeidung aller Fugen. Das nöthig werdende
Trocknen aber erfordert eine ziemlich lange Zeit, während welcher der
Ofen ausser Benutzung bleiben muss, und wenn es nicht mit der
nöthigen Sorgfalt geschieht, entstehen Risse, die unter Umständen ge-
fährlicher sein können als Fugen einer gemauerten Zustellung. Die ganze
Arbeit erfordert grosse Umsicht und Erfahrung.


Bei der zweiten, durchschnittlich weit häufiger angewendeten,
Methode werden Steine, natürlich vorkommende oder künstlich dar-
gestellte, zur Herstellung des Futters durch Aufmauerung in Verband
benutzt. Wo das Ofenprofil gekrümmte Linien zeigt, müssen diese
Steine der betreffenden Form entsprechend gestaltet sein (Façonsteine),
damit ein guter Verband und dichter Anschluss erzielt werde.


Aber auch wenn die Steine im Grossen und Ganzen derartig vor-
gearbeitet sind, dass sie dieser Bedingung entsprechen, schliessen sie
doch niemals so dicht zusammen, dass nicht beim Einlegen selbst ein
Nacharbeiten erforderlich wäre. Man bewirkt dasselbe am vollkommen-
sten, indem man Stein an Stein schleift, bis beide genau an einander
passen und die Fuge vollständig dicht schliesst.


Als Bindemittel beim Einbauen der Steine benutzt man am geeig-
netsten das beim Schleifen derselben entstehende Mehl, welches mit
etwas Wasser, unter Umständen unter Zusatz von etwas Thon, zu einem
wässerigen Brei angerührt wird. Wollte man nun aber, wie es bei
Herstellung von gewöhnlichem Mauerwerk üblich ist, die Steine förm-
lich in eine Lage dieses Mörtels einbetten, so würde nicht allein jener
durch Schleifen erzielte dichte Anschluss der benachbarten Steine wieder
beeinträchtigt werden, sondern die zwischen den Steinen befindliche
dicke Lage des Bindemittels würde beim Trocknen und Erhitzen zu-
sammenschwinden, Risse bekommen, theilweise herausfallen und eine
klaffende Fuge hinterlassen. Das gesammte Mauerwerk würde in Kurzem
zerstört sein. Man taucht deshalb den einzulegenden Stein mit den
betreffenden Flächen nur eben in die als Bindemittel dienende flüssige
Masse, bringt ihn dann an Ort und Stelle und reibt ihn nun so lange
hin und her, bis ein genauer Anschluss an die benachbarten, vorher
eingelegten Steine erreicht ist. Das Bindemittel (der Mörtel) hat eben
nur den Zweck, eine vollständige Ausfüllung der etwa zufällig ge-
bliebenen Zwischenräume zu bewirken, und die Festigkeit des Gemäuers
muss vorwiegend durch guten Verband erzielt werden.


4. Die feuerfesten Materialien.


Unter feuerfesten Materialien versteht man diejenigen zum Ofenbau
benutzten Körper, welche fähig sind, den in den Oefen für technische
[135]Die feuerfesten Materialien.
Zwecke entwickelten höheren Temperaturen, sowie den in diesen höheren
Temperaturen zur Geltung gelangenden physikalischen und chemischen
Vorgängen längere Zeit hindurch zu widerstehen. Diese Vorgänge sind
ausser der einfachen Schmelzung die Ausdehnung und Zusammen-
ziehung bei wechselnder Temperatur, die Berührung mit anderen hoch-
erhitzten Körpern und die dabei gegebene Gelegenheit, mit diesen Ver-
bindungen von niedrigerem Schmelzpunkte einzugehen; u. a. m.


Es folgt hieraus, dass der Begriff der Feuerfestigkeit keineswegs
ein scharf umgrenzter, sondern vielmehr abhängig ist von der Art des
Processes, bei dessen Durchführung die feuerfesten Materialien benutzt
werden sollen. Ein Körper, der in dem einen Falle ausreichend haltbar
ist, kann in einem andern Falle vollständig unbrauchbar sein, wenn
entweder die Temperatur höher ist oder wenn andere chemische Ein-
flüsse sich geltend machen. Ein an und für sich fast unschmelzbarer
Körper wird nicht selten verhältnissmässig leicht schmelzbar, wenn er
in Berührung mit gewissen anderen Körpern — beispielsweise Asche
von bestimmter Zusammensetzung — gebracht wird. Es folgt hier-
aus, dass die Wahl des feuerfesten Materials abhängig sein
muss von der Art des durchzuführenden Processes, und
zwar ebensowohl von der dabei entwickelten Temperatur
an und für sich, als von den während des Processes herr-
schenden chemischen Einflüssen
.


Die feuerfesten Materialien kommen entweder als bestimmte Ge-
steine, die nur noch einer äusseren Bearbeitung (Formgebung) bedürfen,
um verwendbar zu sein, in der Natur vor, oder sie werden — und
zwar in weit grösseren Mengen als jene — künstlich aus natürlich
vorkommenden mineralischen Rohstoffen dargestellt.


Die Grundbestandtheile der meisten feuerfesten Materialien sind
folgende:


Kieselsäure (Quarz), an und für sich fast unschmelzbar.


Thonerde, im reinen Zustande auch in den höchsten Temperaturen
kaum sinternd und nach Bischof noch schwieriger schmelzbar als
Kieselsäure.


Kalkerde und Magnesia. Beide sind an und für sich un-
schmelzbar.


Eisenoxyd und Eisenoxyduloxyd. Beide Verbindungen
erweichen nur in sehr hoher Temperatur und werden daher mitunter
als feuerfeste Materialien benutzt, wo die Eigenthümlichkeit des Pro-
cesses, insbesondere der beabsichtigten chemischen Wirkungen, die An-
wendung anderer Körper ausschliesst. Eisenoxyd giebt in hoher Tempe-
ratur einen, wenn auch geringen, Theil seines Sauerstoffgehaltes ab, ohne
jedoch dadurch an Strengflüssigkeit einzubüssen.


Selten oder nie gelangen jedoch diese genannten Grundbestand-
theile der feuerfesten Materialien im ganz reinen Zustande zur Ver-
wendung. Auch die natürlich vorkommenden, als feuerfestes Material
brauchbaren Gesteine enthalten neben einander stets mehrere jener
Stoffe in mechanischer Mengung, theilweise auch wohl in chemischer
Vereinigung (Thonerde im reinen Zustande z. B. kommt überhaupt nie
[136]Die Oefen und feuerfesten Materialien.
vor, sondern stets in chemischer Verbindung mit Kieselsäure als „Thon“).
Die reinen Körper würden nicht die erforderliche Haltbarkeit besitzen,
sie würden reissen, springen, in Pulver zerfallen.


Durch diesen Gehalt an Nebenbestandtheilen kann nun allerdings,
indem dadurch die Gelegenheit zur Entstehung chemischer, in niedrigerer
Temperatur schmelzender Verbindungen gegeben ist, die Feuerfestigkeit
des betreffenden Körpers mehr oder weniger beeinträchtigt werden.
Kieselsäure kann sich mit Thonerde, Kalkerde, Magnesia u. s. w. zu
schmelzbaren Silikaten vereinigen; Eisenoxyd und Kalkerde liefern
ebenfalls, unter gewissen Verhältnissen zusammengebracht, eine schmelz-
bare Verbindung; u. s. f.


Die Schmelztemperatur solcher gemengten Körper ist nach der
Zusammensetzung des Gemenges verschieden; sie liegt im Allgemeinen
um so höher, je mehr der eine der im Gemische befindlichen, an und
für sich unschmelzbaren, Körper seiner Menge nach vorwiegt und sinkt,
wenn der Gehalt des zweiten Körpers steigt und sich dem des erstern
nähert. Die Schmelztemperatur pflegt bedeutend erniedrigt
zu werden, wenn neben jenen zwei Körpern ein dritter
oder vierter in das Gemenge eintritt
.


Ein Gemenge von reinem Quarz mit Eisenoxyd, Kalkerde, Mag-
nesia bleibt unschmelzbar, so lange nur einer dieser letzteren Körper
zugegen ist, selbst wenn die Menge desselben bis 10 Proc. beträgt; es
wird sofort schmelzbar, wenn ein Theil desselben durch Thonerde ersetzt
wird. Ein im reinen Zustande fast unschmelzbares Thonerdesilikat
wird schmelzbar, wenn Magnesia, Kalk, Eisen, Alkalien u. s. w. hinzu-
treten; u. s. f.


Es folgt hieraus, dass, obschon die Anwesenheit zweier verschiedener
Körper, eines Haupt- und eines Nebenbestandtheiles, in den feuerfesten
Materialien aus den angeführten Gründen gewöhnlich unerlässlich ist,
doch die zufällige Anwesenheit dritter Körper, welche mit jenen
chemische Verbindungen einzugehen fähig sind, auch bei kleinen Mengen
derselben höchst nachtheilig auf die Feuerbeständigkeit einwirkt, und
man um so mehr Bedacht nehmen muss, nur solche Materialien zu
verwenden, welche möglichst frei von solchen zufälligen Beimengungen
sind, einer je höheren Temperatur das betreffende Material ausgesetzt
werden soll.


Glücklicherweise wird der nachtheilige Einfluss der gleichzeitigen
Anwesenheit zweier oder mehr verschiedenartiger Körper auf die Feuer-
beständigkeit eines Materials durch den Umstand etwas abgemindert,
dass in sehr vielen Fällen diejenige Temperatur, bei der aus
einem Gemenge eine schmelzbare Verbindung entsteht,
nicht unerheblich höher liegt als die Schmelztemperatur
der bereits fertigen Verbindung
. Man wird also in solchen
Fällen Gemenge von zwei Körpern Temperaturen ohne Gefahr der
Schmelzung aussetzen können, welche sie nicht ertragen würden, wenn
sie sich unter den nämlichen Gewichtsverhältnissen bereits in chemi-
scher Vereinigung befunden hätten.


[137]Die feuerfesten Materialien.
A. Feuerfeste Materialien mit Kieselsäure als Grundbestandtheil.

Quadersandstein, aus Quarzkörnchen mit thonigem Bindemittel
bestehend, bildet ein geschätztes Zustellungsmaterial für Holzkohlen-
hochöfen und andere Zwecke, wo der Stein nicht mit einer allzu basi-
schen Schlacke (welche denselben durch Auflösung von Kieselsäure
angreifen würde) in Berührung kommt. Zu vermeiden sind Steine mit
sogenannten eisenschüssigen, durch ihre braune Farbe kenntlichen
Stellen. Beim Einbauen der Steine ist Rücksicht darauf zu nehmen,
dass die Lagerungsflächen (Spaltungsflächen) normal gegen das Ofen-
innere gerichtet sind, weil sonst leicht ein Abspalten der Stücke beim
Erhitzen eintritt.


Puddingstein, abgerundete, nuss- bis faustgrosse Concretionen,
oder Gerölle von Feuerstein mit feuerstein- oder hornsteinartigem
Bindemittel verkittet. Derselbe kommt vorwiegend in England und
Belgien vor und wird dort als feuerfestes Material benutzt.


Kieselschiefer, ein schiefriges, im Wesentlichen aus Quarzkörnern
bestehendes Gestein von weissgrauer Farbe. Ein als Ofenbaumaterial
besonders geschätztes Vorkommniss desselben wird in der Gegend von
Brieg in Schlesien gefunden und mit Vorliebe für den Bau von Herd-
flammöfen, insbesondere der Decke derselben, verwendet.


Granit mit ca. 72 Proc. Kieselsäure, 16 Proc. Thonerde, daneben
Eisen, Kalkerde, Magnesia und Alkalien enthaltend, ist mitunter, wenn
auch selten, als feuerfestes Material benutzt worden.


Ganister, ein bei Sheffield unter den Steinkohlenschichten sowie
in der Gegend von Düsseldorf vorkommendes Gestein mit 1—7 Proc.
Thonerde und Eisenoxyd, übrigens aus feinen Quarzkörnern bestehend,
wird vielfach als Material zum Auskleiden der Bessemerbirnen be-
nutzt. Gewöhnlich wird er für diesen Zweck zerkleint, mit wenig
Thon als Bindemittel vermengt, mit Wasser angefeuchtet und, wie oben
erwähnt, durch Einstampfen verarbeitet.


Dinassteine. Diese aus Quarzkörnern künstlich hergestellten,
ausserordentlich werthvollen Steine für alle Zwecke, wo eine sehr hohe
Temperatur entwickelt wird, ohne dass chemische Einflüsse, insbesondere
die Einwirkung basischer Körper, sich geltend machen können, ver-
danken ihren Namen dem Umstande, dass das ursprünglich für ihre
Anfertigung benutzte Material von dem Dinasfelsen im Thale von Neath
in Glamorganshire stammt. Sie bestehen aus Quarzkörnern — der
eigentliche Dinasquarz enthält 97 Proc. Kieselsäure —, welche durch
Mahlen des Quarzfelsens gewonnen, dann mit sehr wenig gebranntem
Kalk (ca. 1 Proc.) und Wasser vermischt, zu Steinen geformt und ge-
brannt werden.


B. Feuerfeste Materialien mit Thonerde als Grundbestandtheil.

Bauxit. Dieses, vorwiegend in Frankreich1) vorkommende Mineral
enthält 50—65 Proc. Thonerde, 35—10 Proc. Eisenoxyd, daneben Kiesel-
[138]Die Oefen und feuerfesten Materialien.
säure (bis zu 25 Proc.), mitunter etwas Titansäure und Wasser. Nach
dem Brennen, welches zur Austreibung des Wassers erforderlich ist,
bildet es ein sehr widerstandsfähiges Material, welches zu einzelnen
Zwecken des Eisenhüttenbetriebes, wo sich andere Körper weniger be-
währten, benutzt wird. Man formt Ziegel daraus, brennt sie und benutzt
sie zur Ausfutterung der Oefen.


Feuerfester Thon, Chamotte und Chamottesteine. Den Haupt-
bestandtheil des unter dem Namen Chamotte ausserordentlich häufig und
für die mannigfachsten Zwecke angewendeten Materials bildet der in
der Natur vorkommende sogenannte feuerfeste Thon, im Wesentlichen
bestehend aus einem Silikate der Thonerde mit mechanisch beigemengtem
Quarze, daneben aber auch kleinere Mengen Eisenoxyd, alkalische
Erden, Alkalien u. s. w. enthaltend. Wie aus Früherem hervorgeht,
beeinträchtigt die Anwesenheit dieser fremden Körper die Feuerbestän-
digkeit des Thones, und wenn ihr Gehalt eine gewisse Grenze über-
schreitet, so verliert derselbe überhaupt die Brauchbarkeit für Her-
stellung feuerfester Materialien. In den feuerfesten Thonen übersteigt
der Gesammtgehalt an jenen Körpern (excl. des Wassers) selten 6 Proc.
und bleibt in den besten Sorten gewöhnlich erheblich hinter dieser Ziffer
zurück; in den gewöhnlichen für die Töpferei benutzbaren Thonen
pflegt er ganz beträchtlich höher zu sein.


Das reine Thonerdesilikat, dessen Zusammensetzung jedoch inner-
halb gewisser Grenzen schwankt, ist in den Temperaturen unserer Oefen
unschmelzbar; sein Schmelzpunkt steigt mit dem Thonerdegehalte und
die thonerdereichsten Thone sind daher für die Benutzung als feuerfeste
Materialien durchschnittlich am werthvollsten. Der dem Thone mecha-
nisch beigemengte Quarz vermag, wie sich von selbst versteht, die
Feuerfestigkeit des Thones erst dann zu beeinträchtigen, wenn er mit
demselben in chemische Vereinigung tritt, d. h. in das Silikat übergeht;
diese Bildungstemperatur der Silikate liegt jedoch, wie schon oben
angedeutet wurde, höher als ihre Schmelztemperatur und im Allgemeinen
um so höher, je grösser die Menge der anwesenden Kieselsäure ist.
Es folgt hieraus, dass dem Thone eine ziemlich beträchtliche Menge
Quarz mechanisch beigemengt sein kann, ohne erheblich benachtheiligend
auf die Feuerfestigkeit desselben einzuwirken.


Nach Analysen von Bischof enthielten z. B.:

Der Thonerdegehalt der meisten feuerfesten Thone schwankt von
25—35 Proc., der Kieselsäuregehalt (incl. des mechanisch beigemengten
[139]Die feuerfesten Materialien.
Quarzes) von 45—65 Proc., der Wassergehalt von 10—15 Proc. Es
folgt aber aus dem oben Gesagten, dass die Bestimmung des Kiesel-
säure- und Thonerdegehaltes allein nicht für die Feuerfestigkeit maass-
gebend sein kann, sofern man nicht ermittelt, wie viel Kieselsäure im
freien Zustande zugegen und wie viel an Thonerde gebunden ist.1)


Alle Thone besitzen, wenn sie mit Wasser angefeuchtet sind, eine
grosse Bildsamkeit, und die aus ihnen geformten Gegenstände erhärten
bekanntlich, wenn sie getrocknet und gebrannt werden. Bei diesem
Trocknen und Brennen aber zieht sich der Thon, insbesondere der feuer-
feste Thon, während er seinen Wassergehalt entlässt, zusammen, er
schwindet, und die Folge davon ist die Entstehung von Rissen.


Gebrannter Thon hat, auch wenn er aufs Neue mit Wasser an-
gefeuchtet oder eingeweicht wird, seine Bildsamkeit eingebüsst und
schwindet nicht mehr, wenn er abermals gebrannt wird.


Jene Eigenschaft des Schwindens und Reissens beim Trocknen und
Brennen würde die Verwendung des Thones zur Herstellung feuer-
fester Körper erheblich erschweren; man nimmt sie ihm oder führt sie
doch auf ein bedeutend geringeres Maass zurück, indem man ihn mecha-
nisch mit anderen Körpern in Körnerform vermengt, welche an und
für sich wie in Berührung mit dem Thone unschmelzbar sind und
Magerungsmittel genannt werden.2)


Die Wirkung dieser Magerungsmittel ist sehr einfach. Da inner-
halb desselben Raumes um so weniger Thonmasse zugegen ist, je mehr
Magerungsmittel man zugesetzt hatte, so wird auch die Schwindung
entsprechend kleiner ausfallen. Zwischen den eingemengten Körnchen
und dem sie umschliessenden Thone aber entsteht bei dem Schwinden
des letzteren ein kleiner Zwischenraum; auf diese Weise erhält das
Ganze eine gewisse Porosität, durch welche das Entweichen der sich
bildenden Wasserdämpfe erleichtert wird, und welche zugleich die
Sprödigkeit des gebrannten Thonkörpers abmindert. Derselbe erträgt
deshalb auch leichter Temperaturveränderungen ohne zu reissen. Die
Menge dieser Zusätze muss sich natürlich nach der Beschaffenheit des
benutzten Thones richten und ist durchschnittlich um so grösser, je
fetter derselbe ist. Nicht selten kann man mehr als doppelt so viel
Magerungsmittel geben als die Menge des rohen Thones beträgt.


Als solche Magerungsmittel benutzt man vorwiegend folgende Körper.


Gebrannten feuerfesten Thon (Chamotte). Da derselbe, wie
erwähnt, die Eigenschaft zu schwinden verloren hat, so bildet er ein
vorzügliches Magerungsmittel. Derselbe wird entweder für diesen Zweck
besonders hergestellt oder, was jedenfalls billiger ist, man zerkleinert
die auf den Werken entstehenden Abfälle von schon benutzten feuer-
festen Steinen, Tiegeln u. dergl. und benutzt sie für diesen Zweck.


Quarz. Dass derselbe mechanisch dem feuerfesten Thone bei-
gemengt werden könne, ohne die Feuerbeständigkeit desselben erheblich
zu verringern, wurde schon mehrfach erwähnt. Nicht alle Vorkomm-
[140]Die Oefen und feuerfesten Materialien.
nisse des Quarzes aber verhalten sich in dieser Beziehung ganz gleich.
Sehr geeignet sind Feuersteine. Um die erforderliche, an und für sich
schwierige Zerkleinerung derselben zu erleichtern, brennt man sie in
irgend einem geeigneten Apparate (z. B. einem Eisensteinsröstofen) und
begiesst sie dann, während sie noch heiss sind, mit Wasser.


Kohlenstoffhaltige Körper: Graphit, Koks- oder Holz-
kohlenstückchen und dergleichen
. Die Unschmelzbarkeit derselben
macht sie zu einem in vielen Fällen sehr geeigneten Magerungsmittel.
Am häufigsten wird, insbesondere für Anfertigung von feuerfesten Tiegeln,
Graphit benutzt; die eigentlichen Graphittiegel bestehen oft zu zwei
Drittel ihres Gewichtes aus Graphit mit einem Drittel Thon, dem unter
Umständen auch noch andere Magerungsmittel schon beigemischt sind.


Bei der Auswahl des Graphits muss natürlich Sorge getragen
werden, dass derselbe nicht selbst Körper enthalte, welche unter sich
oder mit dem Thon leicht schmelzbare Verbindungen bilden: Alkalien,
Erden, Eisenoxyd u. s. w.


Berühmt und für Schmelztiegelanfertigung geschätzt sind die
Graphite von Passau in Bayern, Ceylon, Sibirien, Krumau in Böhmen.


Einige Graphite werden durch Schlämmen, andere durch Glühen
für sich allein oder mit Alkalien und späteres Behandeln mit Säuren
von ihren schädlichen Beimengungen befreit. Die Beschaffenheit des
Graphits selbst kann nur darüber entscheiden, welcher Weg für die
Reinigung der geeignetste sei.


Der mit den Magerungsmitteln versetzte und mit etwas Wasser
angefeuchtete feuerfeste Thon wird entweder als sogenannte „Masse“
zum Ausstampfen der Oefen benutzt, wie oben erwähnt wurde, oder
man verwendet ihn zur Herstellung feuerfester Steine (Chamottesteine)
durch Einschlagen beziehentlich Pressen in Formen. Von der Ge-
winnung des Thones an bis zur Erlangung des fertigen feuerfesten
Steines reihen sich eine grössere Zahl Arbeiten an einander, welche
zum Theil die Anwendung maschineller Hilfsmittel erfordern. Der aus-
gegrabene Thon wird zunächst seiner Beschaffenheit nach sortirt, durch
Ausklauben grösserer Stücke fremder Körper so viel als thunlich ge-
reinigt und dann häufig längere Zeit hindurch, oft Jahre lang, den
Einwirkungen der Atmosphärilien ausgesetzt, wobei manche der schäd-
lichen Beimengungen in lösliche Salze umgewandelt und durch das
Regenwasser ausgelaugt werden. Der Thon wird dann getrocknet, in
einem Walzwerke oder Kollergange gemahlen und gesiebt. Hierauf folgt
der Zusatz der ebenfalls entsprechend vorbereiteten Magerungsmittel
und das Einsumpfen, d. h. der Zusatz von soviel Wasser, dass das
Ganze die erforderliche Bildsamkeit erhält, ohne allzu feucht zu
sein, und die gleichmässige Mischung. Auch für die letztere Arbeit,
das gleichmässige Durcharbeiten des Thones, benutzt man in grösseren
Fabriken maschinelle Vorrichtungen (Thonschneider). Die solcherart vor-
gerichtete Masse wird nun geformt, sei es durch Einstampfen von
Hand, sei es mit Hilfe von Pressen. Hierauf folgt das Trocknen, zu-
nächst an der Luft oder in ganz schwach (20—25°C.) erwärmten
Räumen, dann in immer heisseren Räumlichkeiten, schliesslich das
Brennen in besonderen Oefen.


[141]Die feuerfesten Materialien.
C. Feuerfeste Materialien mit Kalkerde oder Magnesia als
Grundbestandtheil.

Dieselben werden im rohen Zustande ziemlich selten verwendet.
Kalkstein und Dolomit, obschon unschmelzbar, eignen sich doch
nicht gut ohne Weiteres zur Benutzung als feuerfeste Materialien, da
die bei ihrer Erhitzung stattfindende Kohlensäureentwickelung ein Zer-
fallen der Steine herbeiführen würde; Serpentin, Speckstein, Talk-
schiefer
und ähnliche magnesiareiche Gesteine sind mitunter wohl,
doch nicht häufig, als feuerfeste Materialien benutzt. Ihr Wassergehalt
und das Entweichen desselben in hoher Temperatur wird immerhin
ihre Verwendung für diesen Zweck erschweren.


Eine grosse Wichtigkeit dagegen haben in neuerer Zeit die so-
genannten basischen Ziegel oder allgemein basischen feuerfesten
Materialien,
welche der Hauptsache nach aus Kalkerde und Magnesia
oder auch aus Magnesia ohne Kalkerde, mitunter auch aus Kalkerde
ohne Magnesia mit geringen Mengen Thonerde und Kieselsäure zu
bestehen pflegen, für solche Zwecke erlangt, wo eine grosse Feuer-
beständigkeit erforderlich, die Bildung einer kieselsäurereichen Schlacke
aber ausgeschlossen ist und ausgeschlossen sein muss (basischer Besse-
merp
rocess oder Thomasprocess; siehe Abtheilung III).


Es sind zahlreiche Vorschläge für die Gewinnung eines geeigneten
Rohmaterials zur Herstellung dieser basischen Ziegeln sowie eines ge-
eigneten Zusatzes als Bindemittel gemacht worden. Das einfachste und
bis jetzt üblichste Verfahren beruht auf der Verarbeitung eines eisen-
armen Dolomits, welcher neben ca. 45 Proc. Kohlensäure ca. 30 Proc.
Kalkerde, 20 Proc. Magnesia, 1—2 Proc. Kieselsäure und ebenso viel
Thonerde, daneben kleine Mengen unwesentlicher Körper zu enthalten
pflegt.1)

Der Dolomit wird zur Austreibung der Kohlensäure und des
Wassers gebrannt, dann gemahlen, gesiebt und mit gekochtem Theer
(auf 8 Volumina Dolomit ca. 1½ Volumina Theer) gemischt, um ihn
bildsam zu machen (Befeuchten mit Wasser zu diesem Zwecke würde
selbstverständlich eine sofortige chemische Vereinigung des letzteren
mit dem gebrannten Kalk zur Folge haben und die Benutzbarkeit der
Masse aufheben). Dann formt man Steine daraus und brennt sie in
Oefen mit hoher Temperatur.


Solche kalkerdereichen Steine nehmen beim längeren Lagern an
der Luft Feuchtigkeit und Kohlensäure auf, zerfallen und werden un-
brauchbar. Beim Einbauen ist aus demselben Grunde die Berührung
mit Wasser sorgfältig zu vermeiden, und man muss sich flüssiger
Kohlenwasserstoffe (Theer, Petroleum) statt des Wassers dabei bedienen.


Todtgebrannte Magnesia dagegen ist gegen Wasser und Kohlen-
säure weit weniger empfindlich und geht nur ganz allmählich bei stetiger
Berührung in chemische Verbindung mit diesen Körpern. Magnesia-
[142]Die Oefen und feuerfesten Materialien.
steine ohne erheblichen Kalkgehalt sind deshalb an der Luft weit halt-
barer als jene aus Dolomit hergestellten; und in diesem Umstande
würde eine triftige Veranlassung zu ihrer Herstellung und Benutzung
liegen, wenn nicht die Kosten des dafür brauchbaren Rohmateriales
sich erheblich höher als bei Anfertigung von Dolomitsteinen stellten.


Magnesit (in Schlesien, Euböa, Steiermark vorkommend) hat gewöhn-
lich den Nachtheil eines nicht unbeträchtlichen Kieselsäuregehaltes.
Verschiedentlich hat man deshalb vorgeschlagen, die an und für sich
ziemlich werthlosen Chlormagnesiumlaugen der Chlorkaliumfabriken auf
Magnesia zu verarbeiten und diese für die Darstellung feuerfester Steine
zu benutzen.


P. Clossen behandelt diese Laugen mit gebranntem Dolomit und
fällt dadurch ebensowohl die Magnesia der Lauge als diejenige des
Dolomits aus: Mg Cl2 + Ca O, Mg O = Ca Cl2 + 2 Mg O. Das gefällte
Magnesiumhydroxyd wird in Filterpressen abgepresst, ausgewaschen und
gebrannt; die gebrannte wasserfreie Masse mit Wasser angefeuchtet und
geformt.


C. Scheibler trägt gebrannten und mit Wasser angerührten
Dolomit in eine Melasselösung mit 10—15 Proc. Zucker. Es entsteht
hierbei löslicher Zuckerkalk, während Magnesia ausfällt. Aus der Zucker-
kalklösung wird der Kalk durch Einleiten von Kohlensäure ausgeschieden,
so dass dieselbe aufs Neue brauchbar wird.


Beide Methoden sind auf dem Eisenwerke zu Hörde versuchsweise
eingeführt worden, scheinen jedoch bislang eine grössere Ausdehnung
nicht gefunden zu haben.


Analysen basischer feuerfester Steine.



D. Feuerfeste Materialien mit Eisenoxyden als Grundbestandtheil.

Als solche dienen natürlich vorkommende Rotheisenerze, theils
in ganzen Stücken, theils in Pulverform mit etwas Thon als Bindemittel
gemengt; ausgelaugte Schwefelkiesrückstände von der Schwefel-
säuredarstellung, aus Eisenoxyd bestehend und wie die Rotheisenerze
[143]Literatur.
benutzt; Hammerschlag, beim Schmieden und Walzen glühenden Eisens
sich von diesem ablösend, seiner Zusammensetzung nach Eisenoxydul-
oxyd mit nicht immer gleichem Sauerstoffgehalte; auch wohl Schlacken
von einigen Processen der Eisendarstellung mit reichem Eisenoxydul-
oxyd- und geringem Kieselsäuregehalte (Gaarfrischschlacken), in ihrem
Verhalten dem Hammerschlag ähnlich.


Literatur.


A. Grössere Werke.


  • Die auf S. 101 genannten Werke von Gruner-Kupelwieser, Dürre und Kerl
    enthalten sämmtlich Abschnitte über Oefen und zum Theil über feuerfeste
    Materialien; am ausführlichsten sind die letzteren in der ebenfalls erwähnten
    Metallurgie von Percy, Bd. I, bearbeitet von Knapp, S. 211—244, beziehent-
    lich der englischen Ausgabe dieses Werkes, behandelt.
  • A. Ledebur, Die Oefen für metallurgische Processe. Freiberg 1878.

Besondere Werke über feuerfeste Materialien.


  • Carl Bischof, Die feuerfesten Thone mit Berücksichtigung der feuer-
    festen Materialien überhaupt
    . Leipzig 1876.
  • Bruno Kerl, Abriss der Thonwaarenindustrie. Zweite stark vermehrte Aufl.
    Braunschweig 1879 (enthält einen lehrreichen Abschnitt über feuerfeste Thone
    und andere feuerfeste Körper, deren Gewinnung und Verarbeitung).

B. Einzelne Abhandlungen.


a. Ueber Oefen.


  • P. Havrez, Fours et fourneaux comparés au point de vue de l’économie,
    du combustible, de la main-d’oeuvre, des frais d’installation et
    d’entretien
    . Revue univ. tome XI, p. 383.
  • C. Schinz, Ueber den Nutzeffect und die Construction von Oefen für
    metallurgische und technische Zwecke
    . Dingl. Polyt. Journ. Bd. 159,
    S. 200.
  • L. Gruner, De l’utilisation de la chaleur dans les fourneaux des usines
    métallurgiques
    . Annales des mines, série 7, tome 8, p. 175.
  • E. F. Dürre, Ueber die Ausnutzung der Wärme in den Oefen der Hütten-
    werke
    . Dingler’s Polyt. Journ. Bd. 220, S. 247.

  • P. v. Tunner, Der Gasschweissofen mit Gebläseluft, Wärmeregenera-
    toren und einem Condensator des Herrn Lundin zu Munkfors
    . Oestr.
    Jahrbuch, Bd. 16 (1867), S. 273.
  • A. Pütsch, Ueber Gasschweissöfen mit Regeneratoren, besonders über
    Lundin’s Gasschweissofen
    . Dingler’s Polyt. Journ. Bd. 183, S. 368; Berg-
    und hüttenm. Ztg. 1867, S. 166 u. 317.
  • Resultate des Lundin’schen Schweissofens zu Munkfors. Berg- und
    hüttenm. Ztg. 1868, S. 179.
  • F. Dagmer, Der Lundin’sche Sägespän-Gasschweissofen zu Prevali.
    Ztschr. d. berg- und hüttenm. Ver. für Kärnten 1871, Nr. 4; Berg- und hüttenm.
    Ztg. 1871, S. 311; Dingler’s Polyt. Journ. Bd. 202, S. 352.

  • E. Zetzsche, Beitrag zur Geschichte der Regeneratoren. Polyt. Centralbl.
    1872, S. 1441.
  • Hennecort, Ueber den Siemens’schen Gasregenerativofen. Berg- und
    hüttenm. Ztg. 1871, S. 403; Dingler’s Polyt. Journ. Bd. 202, S. 417.
  • R. Åkerman, Ueber Regenerativ-Puddelöfen. Berg- und hüttenm. Ztg. 1874,
    S. 353.

[144]Die Oefen und feuerfesten Materialien.
  • L. Gruner, Four Boëtius. Annal. d. min. série 6, t. 16, p. 291; Dingler’s Polyt.
    Journ. Bd. 197, S. 498.
  • M. J. Macar, Note sur l’application du système Boëtius au puddlage.
    Rev. univ. 1877, t. I, p. 202; auszugsweise in Berg- und hüttenm. Ztg. 1877,
    S. 255.

  • M. L. Taskin, Notice sur le four à gaz du système Bicheroux. Rev. univ.
    t. 36, p. 138; Dingler’s Polyt. Journ. Bd. 219, S. 220.
  • M. A. Raze, Note sur l’application du système Bicheroux aux fours à
    puddler
    . Rev. univ. 1877, t. I, p. 196.

  • M. Perissé, Note sur le four à gaz avec récupérateur de chaleur, système
    Ponsard
    . Rev. univ. t. 39, p. 131.
  • Ponsard’s Gasofen. Dingler’s Polyt. Journ. Bd. 219, S. 125.
  • The Ponsard furnace. Iron, vol. XII, p. 342 (mit schöner Abbildung des Recu-
    perators).

  • A. Holley, The Pernot furnace. Transactions of the American Institute of
    Mining Engineers, vol. VII, p. 241; daraus Ztschr. d. berg- und hüttenm. Ver.
    f. Steiermark und Kärnten 1879, S. 105.

b. Ueber feuerfeste Materialien.


  • C. Bischof, Praktische Versuche zur Bestimmung der Güte feuerfester
    Thone
    . Dingler’s Polyt. Journ. Bd. 159, S. 54.
  • C. Bischof, Die Feuerbeständigkeit der Thone nach den Resultaten syn-
    thetischer Versuche, analytischer Untersuchungen und der Er-
    fahrungen in technischer wie mineralogischer Beziehung
    . Dingler’s
    Polyt. Journ. Bd. 170, S. 43.
  • E. Richters, Ueber die Feuerbeständigkeit der Thone. Dingler’s Polyt.
    Journ. Bd. 191, S. 59.
  • C. Bischof, Versuch einer empirischen in Procenten ausgedrückten
    Werthstellung der feuerfesten Thone
    . Dingler’s Polyt. Journ. Bd. 194,
    S. 420.
  • C. Bischof, Analyse der Normalthone, welche zur Werthstellung der
    feuerfesten Thone dienen
    . Dingler’s Polyt. Journ. Bd. 196, S. 431.
  • C. Bischof, Verfahren zur pyrometrischen Werthbestimmung kiesel-
    reicher Materialien
    . Dingler’s Polyt. Journ. Bd. 196, S. 525.
  • E. Richters, Die Feuerbeständigkeit der Thone betreffend; einige Be-
    merkungen zu den neuesten Aufsätzen Dr. Bischof’s über denselben
    Gegenstand
    . Dingler’s Polyt. Journ. Bd. 197, S. 268.
  • C. Bischof, Nachtrag, meinen Versuch einer Werthstellung der feuer-
    festen Thone betreffend
    . Dingler’s Polyt. Journ. Bd. 198, S. 407.
  • T. Egleston, Refractory Materials. Engin. and Min. Journ. vol. 22, p. 103;
    Iron, vol. VIII, p. 297.
  • P. Tunner, Ueber Quarzziegel, ihre Erzeugung und Anwendung. Berg-
    und hüttenm. Jahrbuch der k. k. Bergakademieen zu Leoben und Přibram,
    Bd. XV (1866), S. 132.
  • J. Khern, Erfahrungen über die Fabrikation von feuerfesten Quarz-
    ziegeln
    . Berg- und hüttenm. Jahrbuch der k. k. Bergakademieen zu Leoben
    und Přibram, Bd. XV (1866), S. 156.
  • R. Keller, Ueber die Verwendung feuerfester Steine. Wochenschr. d. Ver.
    deutsch. Ing. 1877, S. 41.

[145]Einiges über Schlacken; Begriff und Constitution.
  • J. Massanez, Fortschritte in der Fabrikation von basischen Ziegeln und
    basischen Ofenausfütterungen
    . „Stahl und Eisen“ 1881, S. 98.
  • Zeichnungen der Hütte 1870, Taf. 12 (6 Blätter, Fabrikanlage für feuerfeste
    Steine
    ).
  • F. Lürmann, Verfahren zur Herstellung von feuerfestem Mauerwerk
    mit Mörtel, welcher an sich bindet
    . „Stahl und Eisen“ 1882, S. 433.

V. Einiges über Schlacken.


1. Begriff und Constitution.


Schlacken nennt man die beim Schmelzen oder beim Glühen von
Metallen erfolgenden, ihrer chemischen Zusammensetzung nach grössten-
theils aus oxydirten Körpern bestehenden Nebenerzeugnisse, welche
in der Temperatur des erhitzten Metalls flüssig, in gewöhnlicher Tempe-
ratur fest sind.1)


Alle bei der Darstellung und Verarbeitung des Eisens gewonnenen
Schlacken enthalten Eisen als Oxydul oder Oxyduloxyd; die Menge
desselben ist jedoch nach der Art des Processes — ob Reductions- oder
Oxydationsprocess stattfand — eine sehr verschiedene und schwankt
von wenigen Zehntel bis nahe an 70 Proc. Einige Eisenschlacken be-
stehen in Wirklichkeit aus fast reinem Eisenoxyduloxyd.


Neben dem Eisen finden sich in den Eisenhüttenschlacken natur-
gemäss solche Körper, welche bei Reductionsprocessen schwieriger redu-
cirbar, bei Oxydationsprocessen leichter oxydirbar als das Eisen sind.
Hierher gehören Silicium (als Kieselsäure), Alkalien (selten in
grösseren Mengen als 3 Proc.), alkalische Erdmetalle (unter denen
sich besonders Calcium und Magnesium in oft beträchtlichen Mengen
in den Schlacken finden), Aluminium (Thonerde), Mangan, unter
bestimmten Verhältnissen auch Phosphor in bisweilen ansehnlichen
Mengen, mit den Metallen und Sauerstoff zu Phosphaten vereinigt.
Ausserdem bildet Schwefel in kleineren Mengen (bis zu etwa 3 Proc.)
einen selten fehlenden Bestandtheil bestimmter Schlacken, und zwar
häufiger in unmittelbarer Vereinigung mit den Metallen (Calcium,
Mangan) zu Sulfiden als mit Metallen und Sauerstoff zu Sulfaten.
Man vergegenwärtige sich, dass die meisten der letzteren durch hohe
Temperatur unter Austreibung der Schwefelsäure zersetzt werden.


Dass neben den schon erwähnten Phosphaten auch mitunter kleine
Mengen von Phosphormetallen auftreten können, ist mindestens
wahrscheinlich; selten finden sich Chloride und Fluoride, welche
in der Schmelztemperatur der Schlacken meistens flüchtig sind oder
flüchtige Verbindungen bilden.


Ledebur, Handbuch. 10
[146]Einiges über Schlacken.

Alle jene Bestandtheile der Schlacken, insbesondere die erwähnten
Oxyde, aus denen die Schlacke im Wesentlichen besteht, treten in
ausserordentlich wechselnden gegenseitigen Gewichtsverhältnissen und
ohne jede Rücksicht auf stöchiometrische Verhältnisszahlen neben ein-
ander auf. Hieraus folgt zunächst, dass eine Schlacke nicht aus einer
einzigen bestimmten chemischen Verbindung (z. B. einem Silikate von
bestimmter Formel) zu bestehen braucht, sondern als eine erstarrte
Lösung verschiedener chemischer Verbindungen in ein-
ander
zu betrachten ist. Dass diese Verbindungen der Hauptsache
nach Sauerstoffverbindungen der Metalle und Metalloide seien,
wurde schon erwähnt.


Diese Theorie hat durchaus nichts Auffälliges, wenn man erwägt,
dass zahlreiche andere Körper ein gleiches Verhalten zeigen. Wasser
vermag verschiedenartige Körper zu lösen und mit ihnen zu erstarren,
ohne dass eine chemische Verbindung nach stöchiometrischen Verhält-
nissen dabei einzutreten braucht; Borax und Phosphorsalz dienen be-
kanntlich im geschmolzenen Zustande als vortreffliche Lösungsmittel
für Oxyde der mannigfachsten Art und erstarren mit denselben zu
gleichmässig zusammengesetzten „Gläsern“, gleichviel, wie gross das
gegenseitige Gewichtsverhältniss ist.


Welche chemische Vereinigungen nun aber die einzelnen der in
gegenseitiger Lösung sich befindenden Körper (Oxyde) unter einander
eingegangen sind, darüber fehlt uns jeder sichere Nachweis, da die
Analyse uns nur über die Gewichtsmengen der anwesenden einfachen
Körper, beziehentlich ihrer Oxyde, Aufschluss zu geben im Stande ist.


Kieselsäurereichere Schlacken pflegt man als Gemenge verschiedener
Silikate zu betrachten, deren jedes einer bestimmten chemischen Formel
entspricht; und da die chemische Zusammensetzung der Schlacke nur
selten gestattet, die Anwesenheit gleichartiger Silikate (d. h. Silikate
mit verschiedenen Basen aber gleichem Silicirungsgrade) anzunehmen,
so hat man sich mit der Annahme zu helfen gesucht, dass auch ver-
schiedenartige Silikate (mit verschiedenem Silicirungsgrade) sich in ein-
ander zu lösen befähigt seien. Die deutliche Krystallisationsfähigkeit
vieler Schlacken aber hat die in manchen metallurgischen Schriften aus-
gesprochene Schlussfolgerung nahe gelegt, dass krystallisirte Schlacken
in allen Fällen als wirkliche chemische Verbindungen der Silikate unter
einander zu betrachten seien, und man hat sich vielfach bemüht, für
derartige Schlacken auf Grund der gefundenen chemischen Zusammen-
setzung chemische Formeln aufzustellen, welche das Verhältniss der
verschiedenen in der Schlacke anwesenden Silikate zu einander nach-
zuweisen bestimmt sind, eben dadurch aber häufig ein ziemlich ver-
wickeltes Ansehen bekommen.


Für den Mineralogen, welcher aus einer derartigen Formel Ueber-
einstimmung mit der Formel ebenso krystallisirender Mineralien erkennt
und hierdurch mitunter Schlüsse auf die Genesis derselben zu ziehen
befähigt wird, sind derartige Berechnungen nicht ohne Interesse; für
die Praxis des Eisenhüttenbetriebes besitzen sie keinen eigentlichen
Werth.


Manche Bedenken stellen sich jedoch der allgemeinen Anwendung
jener Theorie entgegen. Hierher gehört zunächst der Umstand, dass
[147]Begriff und Constitution.
auch Lösungen beim Erstarren krystallisiren können, ohne dass ihre
Bestandtheile gerade in chemischer Verbindung nach stöchiometrischen
Gewichtsverhältnissen zugegen zu sein brauchen.1) Ferner gehört hierher
die Thatsache, dass nicht nur Kieselsäure sich mit den Basen zu Sili-
katen zu vereinigen vermag, sondern dass auch jene Basen selbst Ver-
bindungen unter einander eingehen können. Thonerde vereinigt sich
mit Magnesia, Kalkerde, Eisenoxyd zu Aluminaten, Kalkerde und Eisen-
oxyd schmelzen ebenfalls zusammen. Auch für diese Verbindungen
sind keineswegs stöchiometrische Gewichtsverhältnisse erforderlich. In
manchen Schlacken endlich hat das Silikat eine nur untergeordnete
Bedeutung; an seine Stelle ist ein Phosphat getreten oder die Schlacke
besteht auch nur aus Metalloxyden (Eisenoxyden) mit sehr wenig
Kieselsäure.


Welche chemischen Verbindungen der Bestandtheile unter einander
in der Schlacke wirklich vorhanden sind, wird theils von der Zusam-
mensetzung an und für sich, theils auch von der Temperatur abhängig
sein, in welcher die Schlacke entstand oder welcher dieselbe nach ihrer
Bildung ausgesetzt wurde. In einer Schlacke mit geringem Kiesel-
säure-, hohem Thonerde-, Phosphorsäure- u. s. w. Gehalte werden neben
den Silikaten Aluminate, Phosphate, auch freie Oxyde vorhanden sein,
einfach mit den Silikaten gemischt, in ihnen gelöst; bei hohem Kiesel-
säuregehalte dagegen werden jene Verbindungen zerlegt, die Oxyde mit
der Kieselsäure zu Silikaten vereinigt werden, sofern die Temperatur
ausreichend hoch ist. Aus einem Magnesiaaluminat entsteht ein Mag-
nesia-Thonerde-Silikat, gelöste Oxyde gehen in chemische Verbindung,
Phosphate werden zerlegt, Phosphorsäure tritt entweder unter Reduction
zu Phosphormetall, sofern die Gelegenheit dazu gegeben ist, aus der
Schlacke aus oder bleibt im freien Zustande in derselben gelöst.


Wo aber die Grenze des Kieselsäuregehaltes liegt, bei welcher
diese Veränderungen in der Constitution der Schlacke vor sich gehen,
ist unbekannt. v. Kerpely betrachtet, von praktischen Beobachtungen
ausgehend, die sogenannten Singulosilikate von der allgemeinen chemi-
schen Formel R2 Si O4 beziehentlich (beim Thonerdesilikat) R2 Si3 O12
(die Benennung der Silikate ist unten ausführlicher erläutert) als Nor-
malsilikate
und nimmt an, dass die im Ueberschusse vorhandenen
Basen in dem einen Falle, wie die im Ueberschusse vorhandene Kiesel-
säure im andern Falle, in diesem Normalsilikate gelöst sei. In einer
Schlacke, welche ärmer an Kieselsäure ist als jenes Normalsilikat, zu-
gleich aber Thonerde neben anderen Basen enthält, würden dann Alu-
minate neben dem Silikate vorhanden sein; in einer kieselsäurereicheren
Schlacke würde die Thonerde sich in chemischer Vereinigung mit der
Kieselsäure befinden; u. s. f. Immerhin aber ist, wenn man diese
Theorie als richtig annehmen will, die Einschränkung erforderlich, dass
die Temperatur bei der Bildung der Schlacke hoch genug sei, um die
10*
[148]Einiges über Schlacken.
betreffenden chemischen Vorgänge zu ermöglichen. Es ist nicht unwahr-
scheinlich, dass zwei Schlacken von gleicher chemischer Zusammen-
setzung doch anders „constituirt“ sein und demnach auch ein anderes
Verhalten zeigen können, wenn ihre Entstehungstemperaturen ver-
schieden waren; ja, die Annahme ist keineswegs ausgeschlossen, dass
in einer und derselben Schlacke bei verschiedenen Temperaturen auch
verschiedene Verbindungen vorhanden sind, die bei dem Temperatur-
wechsel entstehen und zerfallen; dass also die Schlacke im erkalteten
Zustande anders constituirt sein könne als im flüssigen.


Auf die Richtigkeit dieser zuletzt erwähnten Theorie deutet ein
Vorgang, der sich auch bei anderen Lösungen häufig beobachten lässt:
ein Zerfallen der im erhitzten Zustande gleichartigen Lösung unter
vorzeitiger Ausscheidung einzelner Bestandtheile.1) Manche erstarrte
Schlacken lassen auf der Bruchfläche deutlich eingemengte Krystalle
von anderer Farbe u. s. w. erkennen; häufiger noch gewahrt man die
Anwesenheit solcher vorzeitig auskrystallisirten Bestandtheile mit Hilfe
des Mikroskopes, mit welchem man feine Splitterchen der Schlacken
oder, besser noch, Dünnschliffe derselben untersucht (vergl. die unter
„Literatur“ erwähnte Abhandlung von H. Vogelsang).


2. Eintheilung und Benennung.


Ihrer allgemeinen chemischen Zusammensetzung nach würde man
die Schlacken eintheilen können in


Silikatschlacken mit dem ausgeprägten Charakter eines Silikats;


Phosphatschlacken, in welchen die Kieselsäure zum grösseren
Theile durch Phosphorsäure ersetzt ist, und


Oxydschlacken, in welchen nur verhältnissmässig unbedeutende
Mengen von Kieselsäure oder Phosphorsäure auftreten und Oxyde der
Metalle, insbesondere der Schwermetalle (Eisen und Mangan), den Haupt-
bestandtheil ausmachen.


Es versteht sich von selbst, dass auch, wenn man diese Eintheilung
im Allgemeinen festhalten will, doch zahlreiche Uebergänge von der
einen zur andern Gattung zu beobachten sein werden. Ganz reine
Phosphat- oder Oxydschlacken kommen in der Praxis überhaupt kaum
vor; Silikatschlacken, wenn auch selten ganz rein2), sind unter allen die
häufigsten.


Da nun von dem Kieselsäuregehalte dieser Silikatschlacken wesent-
lich ihr chemisches und physikalisches Verhalten bei den verschiedenen
Schmelzprocessen abhängt, so ist man von Alters her gewöhnt, sie
gemäss diesem Kieselsäuregehalte in verschiedene Silicirungsstufen —
Classen — mit bestimmten Benennungen einzutheilen.


Die Bestimmung des Silicirungsgrades lässt sich am einfachsten
bewirken, indem man den Sauerstoffgehalt der bei der Analyse ge-
[149]Eintheilung und Benennung.
fundenen Kieselsäure dem Sauerstoffgehalte sämmtlicher Basen gegen-
überstellt.1) Man erhält dann, wenn man mit R O allgemein die in der
Schlacke anwesenden Monoxyde (Ca O, Mg O, Fe O, Mn O u. s. w.),
mit R2 O3 Thonerde und Eisenoxyd bezeichnet, folgende Formeln und
Benennungen:


  • Trisilikat.Der Sauerstoffgehalt der Kieselsäure ist
    dreifach so gross als der der Basen
    .
    Dualistische Formel:
    2 R O, 3 Si O2 beziehentlich 2 R2 O3, 9 Si O2.
    Molekularformel:
    R2 Si3 O8 beziehentlich R4 Si9 O24.
  • Bisilikat.Der Sauerstoffgehalt der Kieselsäure ist
    doppelt so gross als der der Basen
    .
    Dualistische Formel:
    R O, Si O2 beziehentlich R2 O3, 3 Si O2.
    Molekularformel:
    R Si O3 beziehentlich R2 Si3 O9.
  • Sesquisilikat.Der Sauerstoffgehalt der Kieselsäure ist
    anderthalbfach so gross als der der Basen
    .
    Dualistische Formel:
    4 R O, 3 Si O2 beziehentlich 4 R2 O3, 9 Si O2.
    Molekularformel:
    R4 Si3 O10 beziehentlich R8 Si9 O30.
  • Singulosilikat.Der Sauerstoffgehalt der Kieselsäure ist
    gleich dem Sauerstoffgehalte der Basen
    .
    Dualistische Formel:
    2 R O, Si O2 beziehentlich 2 R2 O3, 3 Si O2.
    Molekularformel:
    R2 Si O4 beziehentlich R4 Si3 O12.
  • Subsilikat.Der Sauerstoffgehalt der Kieselsäure ist
    zweidrittel so gross als derjenige der Basen
    .
    Dualistische Formel:
    3 R O, Si O2 beziehentlich R2 O3, Si O2.
    Molekularformel:
    R3 Si O5 beziehentlich R2 Si O5.

[150]Einiges über Schlacken.

Kieselsäurereichere Schlacken als Trisilikate kommen in den Eisen-
hütten nicht vor; kieselsäureärmere als Subsilikate dagegen (Oxyd-
schlacken) sind nicht selten.


Dass die Zusammensetzung einer in der Praxis entstandenen
Schlacke genau einer der obigen Formeln nur ausnahmsweise ent-
sprechen wird, wurde bereits oben angedeutet; der Silicirungsgrad jeder
Schlacke lässt sich jedoch mit einer für die Zwecke der Praxis aus-
reichenden Genauigkeit bezeichnen, indem man angiebt, welcher der
Formeln die Schlacke ihrer Zusammensetzung nach nahe oder zwischen
welchen beiden sie in der Mitte steht.


3. Schmelztemperatur und Flüssigkeitsgrad.


Für die Durchführung der Processe, bei welchen Schlacken ent-
stehen, ist die Schmelztemperatur derselben eine Eigenschaft von
hoher Wichtigkeit, und nicht selten ist der Fall, dass die Durchführung
jenes Processes unmöglich oder doch erheblich erschwert wird, wenn
die Schmelztemperatur der betreffenden Schlacke zu hoch oder zu
niedrig liegt.


Dennoch kennen wir über das Verhalten der Schlacken in dieser
Beziehung wenig mehr als ganz allgemeine Regeln. Dieser Mangel
findet eine triftige Entschuldigung in dem Umstande, dass jede Aende-
rung in der Zusammensetzung der Schlacken, jedes Hinzutreten eines
neuen Körpers auch die Schmelztemperatur ändert; und die Combina-
tionen, welche sich aus den verschiedenen schlackenbildenden Körpern
in den verschiedenen Gewichtsmengen zusammenstellen lassen, sind
zahllos. Ermittelt sind nur die Schmelzpunkte einiger binären, d. h.
aus Kieselsäure und einer Base bestehenden Silikate; sobald aber ein
dritter Körper hinzutritt, ändert sich auch der Schmelzpunkt.


Untersuchungen über die Schmelztemperaturen der Schlacken, ins-
besondere der Silikate, sind von Berthier, Plattner, Percy, Sef-
ström, Schinz, Bischof
u. A. angestellt worden; und wenn auch
die von einzelnen der genannten Forscher gefundenen Zahlenwerthe
anfechtbar sind1), so lassen sie doch immerhin Schlüsse über das Ver-
halten der verschiedenen Silikate im Allgemeinen zu, welche nicht ohne
Wichtigkeit sind.


Es ergiebt sich aus jenen Arbeiten Folgendes:


1. Die Schmelztemperatur eines bereits gebildeten
Silikats liegt häufig oder gewöhnlich tiefer als die Ent-
stehungstemperatur desselben
.2) Schon bei Besprechung der
[151]Schmelztemperatur und Flüssigkeitsgrad.
feuerfesten Materialien wurde von diesem Lehrsatze Anwendung ge-
macht zur Erläuterung für den Umstand, dass feuerfeste Thone von
scheinbar gleicher chemischer Zusammensetzung doch verschiedene
Schmelztemperaturen besitzen können, je nachdem ihre Kieselsäure
mechanisch beigemengt oder chemisch gebunden ist.


2. Die Schmelztemperatur der Schlacken liegt durch-
schnittlich um so tiefer, je grösser die Zahl der in ihnen
vertretenen Körper ist
. Auch dieses Lehrsatzes wurde bei Be-
sprechung der feuerfesten Materialien bereits erwähnt.


Es folgt hieraus, dass ein Kalkerdesilikat im Allgemeinen leichter
schmelzbar wird, wenn Magnesia, Thonerde u. s. w. hinzutreten. Be-
sonders kräftig in dieser Beziehung wirken Alkalien, Eisenoxydul,
Manganoxydul, Calciumfluorid (Flussspath); d. h. verhältnissmässig
kleine Mengen dieser Körper vermögen die Schmelztemperatur einer
aus anderen Bestandtheilen zusammengesetzten Schlacke erheblich zu
erniedrigen.


Naturgemäss muss, sobald die Menge der neu hinzutretenden Körper
sich über ein gewisses Maass hinaus steigert, bei welchem das Minimum
der Schmelztemperatur liegt, ein fernerer Zusatz entweder wirkungslos
bleiben oder den entgegengesetzten Erfolg — eine Steigerung der
Schmelztemperatur — hervorrufen. Bei den zahllosen zu ermöglichen-
den Zusammenstellungen der hier in Betracht kommenden Körper —
in qualitativer und quantitativer Beziehung — ist unsere Kenntniss, wo
in einem bestimmten Falle jene Grenze liegt, sehr dürftig.


Beobachtungen in der Praxis lehren, dass die erwähnte Grenze
ziemlich rasch erreicht wird, wenn der zu einer Schlacke, insbesondere
zu einem Silikate, hinzutretende Körper aus Thonerde besteht; ebenfalls
ziemlich rasch, wenn Magnesia hinzutritt. Kleinere Mengen von Thon-
erde, Magnesia u. s. w. erniedrigen also die Schmelztemperatur eines
Kalkerde- oder andern Silikats; grössere Mengen dieser Körper steigern
dieselbe.


Ein thonerdehaltiges Kalkerdesilikat soll nach Bodemann’s An-
gabe 1) am leichtesten schmelzen, wenn es aus 56 Thln. Kieselsäure,
30 Thln. Kalkerde, 14 Thln. Thonerde, also aus einem Bisilikate besteht,
dessen Zusammensetzung annähernd der Formel 4 Ca Si O3 + Al2 Si3 O9
entsprechen würde. Berthier fand, dass alle kalk- plus thonerde-
haltigen Silikate die niedrigste Schmelztemperatur besitzen, wenn die
Menge der anwesenden Thonerde ungefähr ein Drittel von der Menge
der Kalkerde beträgt 2); dass mit der Zunahme des Kalkerdegehaltes
die Schmelztemperatur nur sehr allmählich, mit der Zunahme des Thon-
erdegehaltes ziemlich rasch steigt, derartig, dass Silikate mit dem Ver-
hältnisse der Thonerde zur Kalkerde wie 2 : 3 (1 Aequ. Thonerde : 3 Aequ.
Kalkerde) noch schmelzbar, mit dem Verhältnisse 4 Gewichtstheile Thon-
erde auf 3 Gewichtstheile Kalkerde (2 Aequ. Thonerde : 3 Aequ. Kalk-
erde) fast unschmelzbar seien.


[152]Einiges über Schlacken.

Wenn auch derartigen Versuchen, wie schon die Abweichung in
den von verschiedenen Forschern erlangten Ergebnissen erkennen lässt,
eine unbedingte Zuverlässigkeit nicht beizumessen ist, so lassen sie doch
erkennen, dass die erwähnten Silikate sowohl bei einem zu hohen als
zu niedrigen Thonerdegehalte strengflüssiger sind, als wenn derselbe
einen gewissen Bruchtheil des Kalkerdegehaltes — etwa ein drittel bis
ein halb — ausmacht.


Ersetzt man in den erwähnten Silikaten einen Theil der Kalkerde
durch eine äquivalente Menge Magnesia, so lässt sich hierdurch die
Schmelztemperatur erniedrigen; aber praktischen Beobachtungen zufolge
wird die Grenze ziemlich rasch erreicht, wo eine fernere Anreicherung
des Magnesia- und Abminderung des Kalkerdegehaltes eine Steigerung
statt Erniedrigung der Schmelztemperatur zuwege bringt. Im Uebrigen
wird die Silicirungsstufe der Schlacke hierbei nicht ohne Einfluss sein.


3. Die in den Schlacken der Eisenhütten auftretenden
einfachen Oxyde (Kieselsäure, Thonerde, Kalkerde, Magne-
sia, Eisenoxyde u. s. w.) sind meistens an und für sich un-
schmelzbar. Unter den verschiedenen vorkommenden Sili-
katen besitzen durchschnittlich diejenigen die niedrigsten
Schmelztemperaturen, deren Zusammensetzung annähernd
derjenigen eines Bisilikats entspricht oder zwischen Sin-
gulo- und Bisilikat steht; mit steigendem Kieselsäure- wie
mit steigendem Basengehalte nimmt die Schmelztempe-
ratur zu
.


Es liegen hierüber folgende Versuchsergebnisse vor:


Unter den Kalkerdesilikaten ist das Bisilikat am leichtesten
schmelzbar; mit steigendem Kalkerde- wie mit steigendem Kieselsäure-
gehalte steigt auch die Schmelztemperatur. Das Singulo- wie das Tri-
silikat schmelzen nur in sehr hoher Temperatur; das Subsilikat ist in
unseren Oefen kaum schmelzbar.


Magnesiasilikate sind sämmtlich strengflüssig und ähneln in
dieser Beziehung den Thonerdesilikaten, zeigen unter sich aber keine
so deutlichen Unterschiede als die Kalkerdesilikate. Nach Berthier’s
und Percy’s Versuchen scheint das Trisilikat das am wenigsten streng-
flüssige zu sein, Bischof dagegen fand gerade dieses strengflüssiger
als die kieselsäureärmeren.


Unter den Kalkerde-Magnesiasilikaten mit gleichen Aequi-
valenten Kalkerde und Magnesia (Gewichtsverhältniss der Kalkerde zur
Magnesia wie 1.4 : 1) ist nach Berthier’s Versuchen das Bisilikat am
leichtesten schmelzbar, das Trisilikat sehr strengflüssig.


Thonerdesilikate sind sämmtlich sehr schwierig schmelzbar.
Das Verhalten der Thonerde-Kalksilikate wurde bereits oben
erwähnt.


Eisenoxydulsilikate schmelzen durchschnittlich in niedrigerer
Temperatur als die bisher besprochenen. Das Singulo- und Bisilikat
sind am leichtflüssigsten.


Eisenoxydsilikate sind weit strengflüssiger als die Oxydulsilikate.
Berthier erhielt weder bei dem Singulo- noch bei dem Bisilikat eine
[153]Dünnflüssigkeit. Structur.
Schmelzung. Silikate, in welchen beide Oxydstufen vorkommen, scheinen
ihrem Verhalten nach, soweit Beobachtungen in der Praxis eine Schluss-
folgerung zulassen, zwischen jenen sich einzureihen und um so streng-
flüssiger zu sein, je höher ihr Oxydgehalt ist.


Manganoxydulsilikate schmelzen in verhältnissmässig niedriger
Temperatur und verhalten sich ähnlich wie die Eisenoxydulsilikate.
Auch das Subsilikat wie das Trisilikat sind ohne Schwierigkeit schmelzbar.


Ein Titansäuregehalt der Schlacken vermag, sofern er einiger-
maassen beträchtlich ist, die Strengflüssigkeit der Schlacken erheblich
zu erhöhen. Vermuthlich ist der Einfluss stärker in kieselsäure- und
thonerdereichen Schlacken als in kalkerdereichen; genauere Unter-
suchungen hierüber liegen nicht vor. Der Fall kommt vor bei Ver-
hüttung gewisser titansäurehaltiger Roth- und Magneteisenerze.


Eine ihrem Wesen nach mit der Schmelzbarkeit verwandte, doch
aber wesentlich andere Eigenschaft ist der Flüssigkeitsgrad oder
die Dünnflüssigkeit geschmolzener Körper. Die in niedrigerer Tem-
peratur schmelzbaren Körper sind keineswegs immer die dünnflüssigeren.
Je allmählicher der Uebergang aus dem festen in den flüssigen Zustand
stattfindet, desto weniger dünnflüssig pflegt der geschmolzene Körper
zu sein.


Schlacken, welche allmählich erweichen, dabei einen bildsamen
Zustand durchlaufend, in welchem sie sich wie erhitztes Glas in Formen
drücken und zu langen Fäden ausziehen lassen, nennt man saiger;
hierher gehören vornehmlich die kieselsäurereicheren Schlacken (Trisili-
kate), zumal, wenn sie zugleich Thonerde und Magnesia enthalten. Ein
grosser Magnesiagehalt giebt den kieselsäurereichen Schlacken eine eigen-
thümliche klebrige Beschaffenheit.


Schlacken, welche ihren Aggregatzustand plötzlich wechseln und
im geschmolzenen Zustande dünn fliessen, heissen frisch. Hierher
gehören vornehmlich alle kalkerdereichen Schlacken, auch wenn ihre
Schmelztemperatur wegen des geringen Kieselsäuregehaltes hoch liegt;
ferner die eisenoxydul- und manganoxydulhaltigen Schlacken; u. a. m.
Schon ein Gehalt von wenigen Procenten Eisen- oder Manganoxydul in
übrigens saigeren Schlacken steigert beträchtlich deren Dünnflüssigkeit.


4. Structur.


Der Beschaffenheit der Bruchfläche gemäss kann man glasige
Schlacken, derbe
oder steinige Schlacken und krystallini-
sche
, beziehentlich krystallisirte Schlacken unterscheiden.


Auf die Entstehung der Structur wirken theils die chemische Zu-
sammensetzung theils die Abkühlungsverhältnisse.


Glasige Beschaffenheit erhalten nur die kieselsäurereicheren Schlacken
bei nicht allzu verlangsamter Abkühlung. Einen Uebergang zwischen
den glasigen zu den steinigen Schlacken, jedoch den ersteren näher
stehend, bilden die sogenannten Emailschlacken, schwach durchscheinend,
hell gefärbt, mit reicherem Gehalte an Erden.


[154]Einiges über Schlacken.

Langsame Abkühlung verwandelt eine glasige Schlacke
in eine steinige oder krystallinische
.


Daher gewahrt man nicht selten auf der Bruchfläche grösserer
erstarrter Schlackenklumpen verschiedene Structuren neben einander;
äusserlich, wo rasche Abkühlung stattfand, glasige, im Innern krystal-
linische.


Schlacken, welche auch bei rascher Abkühlung steinige Beschaffen-
heit behalten, pflegen reich an Erden zu sein. Bei grossem Gehalte an
Eisenoxyd entsteht eine derbe, dichte, mehr metall- als steinartige
Bruchfläche.


Eigentliche, ausgebildete Krystalle entstehen nur bei allmählicher
Abkühlung in den Drusenräumen, welche im Innern grösserer Schlacken-
stücke sich bilden. Nicht alle Schlacken jedoch krystallisiren mit der-
selben Leichtigkeit. Sehr kieselsäurereiche Schlacken z. B. liefern selten
ausgebildete Krystalle, ein Umstand, der mit der leichten Entstehung
ihrer glasigen Beschaffenheit und ihrem allmählicheren Uebergange aus
einem Aggregatzustande in den andern in nahem Zusammenhange steht.
Eisenoxydulreiche Schlacken krystallisiren dagegen leicht; schön aus-
gebildete Krystalle finden sich auch in manchen zwischen Singulo- und
Bisilikat stehenden Schlacken der Erden.


Dass dagegen häufig einzelne Bestandtheile der Schlacken sich im
krystallisirten Zustande inmitten der nichtkrystallisirenden Grundmasse
beim Erstarren ausscheiden und hier in Dünnschliffen mit Hilfe des
Mikroskops deutlich erkennbar sind, wurde schon oben hervorgehoben.


Einzelne stark kalkerdereiche und thonerdearme Schlacken (Sub-
silikate) zerfallen beim Erstarren oder — bei etwas geringerem Kalk-
gehalte — einige Zeit nachher zu Pulver und würden demnach ihrer
Structur nach als Pulverschlacken zu bezeichnen sein. Die Ursache
dieses Verhaltens liegt in der Einwirkung der Feuchtigkeit und der
Kohlensäure der atmosphärischen Luft. Wie beim Löschen und späteren
Erhärten des gebrannten Kalkes entsteht zunächst Calciumhydroxyd,
dann Carbonat. Die stark basische Beschaffenheit der Schlacken wie
das starke Bestreben des Calciumoxyds (der Kalkerde), jene Verbindungen
einzugehen, erklärt ausreichend diesen Vorgang. Enthält eine solche
Schlacke Schwefelcalcium, so wird auch dieses unter dem Einflusse der
Atmosphärilien zersetzt; Schwefelwasserstoff entweicht, Calciumsulfat
wird gebildet und freier Schwefel ausgeschieden. 1)


Viele saigere Schlacken haben die Eigenschaft, beim Begiessen
mit Wasser im flüssigen Zustande sich aufzublähen und vollständig
poröse, bimssteinartige Structur anzunehmen (Bimssteinschlacken).
[155]Farbe.
Man benutzt dieses Verhalten wohl zur Darstellung des künstlichen
Bimssteins, welcher als Schleifmittel für Holz benutzt wird. Auch
hierbei wird vorhandenes Schwefelcalcium zersetzt, und derartige Bims-
steinschlacken lassen oft noch nach vielen Jahren einen deutlich wahr-
nehmbaren Geruch nach Schwefelwasserstoff erkennen.


Ein Eisenoxydulgehalt der Schlacke von wenigen Procenten hebt
diese soeben beschriebene Eigenschaft auf.


5. Farbe.


Ausserordentlich mannigfaltig sind die Färbungen der in den Eisen-
hütten dargestellten Schlacken. Zwischen dem fast reinen Porzellan-
weiss bis zum Tiefschwarz sind fast alle Farbentöne in Blau, Grün,
Violett, Roth u. s. w. vertreten. Selten. kommen rein gelbe Schlacken
vor; deutlich rothe Schlacken finden sich mitunter, sind aber ebenfalls
selten; am häufigsten sind grünliche und schwarze Schlacken.


Wie die Structur ist die Farbe der Schlacken theils eine Folge der
chemischen Zusammensetzung, theils der Abkühlungsverhältnisse. Eine
und dieselbe Schlacke kann vollständig verschiedene Färbung erhalten,
je nachdem sie rasch abgekühlt wird und dabei glasige Structur erhält
oder je nachdem sie bei verzögerter Abkühlung mit krystallinischer
Bruchfläche erstarrt. So findet man nicht selten Schlacken mit grüner,
glasig erstarrter Rinde und violettgrauem, krystallinischem Kern; oder
violetter Kruste und weisslichgrauem Kern, u. s. f.; aber die chemische
Zusammensetzung der Rinde ist die nämliche wie die des Kerns. Auch
entstandene Krystalle besitzen nicht selten eine wesentlich andere Farbe
als die Grundmasse, aus der sie entstanden.


Die Einflüsse, welche die verschiedenen Bestandtheile der Schlacke
auf ihre Färbung ausüben, sind nur zum Theil bekannt.


Schlacken, welche frei sind von Eisen- und Manganoxyden, also nur
aus Silikaten der Erden bestehen, haben durchgängig helle, weiss-
liche Farben.


Ein Eisenoxydulgehalt ertheilt schon in geringen Mengen grün-
liche
Färbung, welche besonders in Bi- und Trisilikaten deutlich her-
vortritt. Steigt der Eisengehalt, so wird die Schlacke schwarz.


Manche Schlacken zeigen auch schon bei geringem Eisenoxydul-
gehalte schwarze Färbung; in diesem Falle pflegt Schwefel neben dem
Eisen zugegen zu sein, und darf als wahrscheinliche Ursache der Färbung
betrachtet werden.


Ein Manganoxydulgehalt neben Eisenoxydul ruft gelblichgrüne
Farbentöne (gurkengrün, olivengrün) hervor, sofern kein Schwefel
in erheblichen Mengen zugegen ist
; sehr manganreiche Schlacken,
im flüssigen Zustande der Luft ausgesetzt, laufen äusserlich schwarz an
und überziehen sich mit einem irisirenden Häutchen.


Ein mässiger Mangangehalt neben wenig oder gar keinem Eisen-
oxydul ruft in kieselsäurereicheren Schlacken bei Anwesenheit von
Schwefel
, soweit meine eigene Beobachtung reicht, blaue Farben-
töne hervor. 1)


[156]Schlacken. Literatur.

6. Specifisches Gewicht.


Dasselbe bewegt sich gemäss der verschiedenen chemischen Zu-
sammensetzung der Schlacken innerhalb ziemlich weiter Grenzen. Am
schwersten sind naturgemäss die an schweren Oxyden reichsten Schlacken
(Eisenoxydschlacken), deren specifisches Gewicht bis 5.0 steigen kann,
während die erdigen Schlacken, besonders die an Kieselsäure reicheren
(Trisilikate) oft nur ein specifisches Gewicht von 2.5—3.0 besitzen.


Literatur.


A. Grössere Werke.


  • Percy-Knapp, Metallurgie, S. 22—51, sowie die schon früher erwähnte eng-
    lische Ausgabe (2. Auflage) von Percy, Metallurgy. 1)
  • B. Kerl, Grundriss der Allgemeinen Hüttenkunde, S. 390—410. Leipzig 1879.
  • K. C. v. Leonhard, Hüttenerzeugnisse und andere auf künstlichem
    Wege gebildete Mineralien als Stützpunkte geologischer Hypo-
    thesen
    . Stuttgart 1858. (Empfehlenswerthe Lectüre zum Studium der Structur,
    Krystallisation u. s. w.)
  • P. Berthier, Traité des essais par la voie sèche. Paris 1848.

B. Abhandlungen.


  • Sefström, Versuche über die Bildung und Eigenschaften der in den
    Eisenhochofenschlacken vorkommenden Verbindungen und deren
    Einfluss bei der Roheisenerzeugung
    . Erdmann’s Journal für technische
    und ökonomische Chemie, Bd. X (1831), S. 145; aus Jern-Contorets Annaler
    Jahrgang 12.
  • P. Berthier, Ueber das Verhalten einiger Mischungen von Erden und
    anderen Basen im Feuer, besonders über die künstliche Darstel-
    lung einiger Silikate und Aluminate
    . Erdmann’s Journal für praktische
    Chemie Bd. IV, S. 457; Bd. V, S. 273.
  • C. Fr. Plattner, Ueber die Bestimmung der Schmelzpunkte mehrerer
    Hüttenproducte und der Hitzgrade, bei denen sich verschiedene
    Silikate bilden
    . Beilage zu dem Werke von F. Th. Merbach: die An-
    wendung der erwärmten Luft im Gebiete der Metallurgie. Leipzig 1840.
  • C. Rammelsberg, Beiträge zur Kenntniss der Hochofenschlacken. Pog-
    gend. Annalen, Bd. 74, S. 95; Berg- u. hüttenm. Ztg. 1848, S. 477.
  • C. Bischof, Relative Schmelzbarkeit der Silikate des Eisens, des Kalks,
    der Magnesia und der Thonerde
    . Dingler’s Polyt. Journ. Bd. 165, S. 378.
  • Th. Erhard und A. Schertel, Die Schmelzpunkte der Prinsep’schen Le-
    girungen und deren pyrometrische Verwendung
    . Jahrbuch für das
    Berg- und Hüttenwesen im Königreiche Sachsen auf das Jahr 1879, S. 154.
    (Enthält Berichtigungen der von Plattner gefundenen Schmelztemperaturen
    der Schlacken u. s. w.)
  • M. J. Fournet, Sur la cristallisation des silicates vitreux et sur la
    couleur bleue des laitiers
    . Annales de chimie et de physique. Série III,
    tome IV (1842), p. 370.

1)


[157]Die Erze.
  • H. Vogelsang, Ueber die mikroskopische Structur der Schlacken und
    über die Beziehungen der Mikrostructur zur Genesis der krystalli-
    nischen Gesteine
    . Poggend. Annalen Bd. 121, S. 101; Berg- und hüttenm.
    Ztg. 1864, S. 236.
  • E. Mène, Ueber die blaue Färbung der Eisenhochofenschlacken. Dingl.
    Polyt. Journal Bd. 182, S. 469; aus den Comptes rendus t. LXIII, p. 608.
  • W. Muirhead, Formation of aluminates in the blast furnase slags. Iron,
    vol. XVI, p. 292; Revue univers. 1880, t. VIII, p. 594; Ztschr. f. Berg-, Hütten-
    und Salinenwesen, Bd. 28, S. 641.
  • A. Kerpely, Molekular-Formeln der Schlacken. Berg- und hüttenm. Ztg.
    1872, S. 201.

VI. Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vor-
bereitung für die Verhüttung.


1. Die Erze.


Eisenerze nennt man die in der Natur vorkommenden Verbindungen
des Eisens mit anderen Körpern, welche ihres Eisengehaltes halber
als Rohmaterialien für die technische Darstellung des Eisens benutzt
werden.


Gediegenes Eisen findet sich überhaupt nur in seltenen Ausnahmen,
die für den Eisenhüttenmann eine praktische Wichtigkeit nicht besitzen.
So z. B. bestehen die Meteorsteine zum grössten Theil aus metallischem
Eisen (neben Kobalt, Nickel und einigen anderen Körpern); auf Disco
in Nordgrönland fand Nordenskiöld 1870 grössere Mengen gediegenen
Eisens.


Damit aber die Benutzung jener eisenhaltigen Gesteine als Eisen-
erze möglich sei, dürfen sie erstens nicht solche fremde Körper ent-
halten, welche die Abscheidung des Eisens bei der Verhüttung in einer
Weise erschweren würden, dass die Benutzung dieser Gesteine als Erze
dadurch unmöglich wird; und zweitens muss ihr Eisengehalt ein solcher
sein, dass ihre Verarbeitung auf Eisen auch in ökonomischer Beziehung
noch als nutzenbringend erscheinen kann.


Die Grenze des Eisengehaltes, welche nicht unterschritten werden
darf, wenn die zuletzt erwähnte Bedingung erfüllt werden soll, ist nun
freilich theilweise von örtlichen Verhältnissen abhängig. Je niedriger
der Preis des Erzes an dem Orte der Verhüttung (also incl. der Fracht-
kosten) sich stellt, je geringer auch die übrigen Verhüttungskosten
(Brennstoffe, Löhne u. s. w.) sind, desto geringer wird der Eisengehalt
zu sein brauchen, ohne dass das Gestein seine Eigenschaft als eigent-
liches Eisenerz einbüsse. Auch die Beschaffenheit der übrigen, dem
Erze gewöhnlich beigemengten Gesteine spricht hierbei mit. Einzelne
derselben erfordern, um in eine schmelzbare Schlacke umgewandelt zu
werden, beträchtliche Mengen fremder „Zuschläge“, andere sind ohne
[158]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.
solche Zuschläge schmelzbar. Letztere werden auch schon bei niedrigerem
Eisengehalte als erstere noch als schmelzwürdig erscheinen.


Erze mit einem Eisengehalte von weniger als 30 Proc. pflegt man
im Allgemeinen nicht gern zu verhütten; doch finden sich allerdings
Eisenwerke, welche noch mit Erzen von 25 Proc. Eisengehalt vortheil-
haft arbeiten. Sind die fremden, dem Eisen beigemengten Gesteinsarten
derartig beschaffen, dass durch Vermischung mehrerer Erze eine Schlacke
von entsprechender Schmelzbarkeit entsteht, also die Anwendung eigent-
licher Zuschläge, d. i. eisenfreier, nur zum Zwecke der Schlacken-
bildung zugesetzter Gesteine entbehrlich wird, so kann mitunter auch
ein noch geringerer Eisengehalt ausreichend sein, jene Gesteine als
„Erze“ erscheinen zu lassen. Sie bilden alsdann den Uebergang zu den
sogenannten eisenhaltigen Zuschlägen, d. h. Gesteinen, welche
zwar lediglich der Schlackenbildung halber den Erzen zugesetzt werden,
doch aber einen gewissen, wenn auch nicht sehr bedeutenden, Eisen-
gehalt (bis etwa 15 Proc.) mitbringen, welcher bei der Verhüttung
nutzbar wird.


Neben den eigentlichen Eisenerzen haben in der zweiten Hälfte
dieses Jahrhunderts, insbesondere seit Anfang der siebenziger Jahre, für
den Eisenhüttenmann auch Manganerze eine gewisse Bedeutung ge-
wonnen. Sie sind zur Darstellung manganreicher Eisenlegirungen (Ferro-
mangane, Rohmangane) erforderlich und sollen deshalb in Folgendem
neben den Eisenerzen besprochen werden.


Fast sämmtliche Eisenerze bestehen aus Oxyden, Hydroxyden oder
Carbonaten des Eisens.


Die in der Natur vorkommenden Schwefelverbindungen des Eisens
(Kiese) können als Erze nicht betrachtet werden; denn obgleich man
die bei der Röstung derselben für die Darstellung von Schwefelsäure
hinterbleibenden Rückstände nach stattgehabtem Auslaugen nicht selten
in den Eisenhütten auf Eisen verarbeitet, so bleibt doch die Darstellung
der Schwefelsäure immerhin der Hauptzweck ihrer Gewinnung und
Verarbeitung, und die Eisendarstellung aus denselben ist neben-
sächlich.


Natürlich vorkommende Silikate des Eisens werden, da sie sehr
schwierig reducirbar und auch nicht gerade häufig sind, nur in seltenen
Ausnahmen als Eisenerze benutzt. Dagegen bilden manche eisen-
reiche Schlacken
, welche bei der Verarbeitung des Eisens selbst
entstehen und als künstlich dargestellte Eisensilikate zu betrachten sind,
ein häufig benutztes Material, um das Eisen daraus auf hüttenmänni-
schem Wege wieder zu gewinnen. Als „Erze“ im eigentlichen Sinne
aber können dieselben nicht bezeichnet werden, sondern sie sind, ebenso
wie die erwähnten Schwefelkiesrückstände, Nebenerzeugnisse eines
anderen technischen Processes.


A. Die Spatheisensteine (Eisenspathe).

Diese Erzgattung, jedenfalls durch Ablagerung von Eisen, welches
in kohlensäurehaltigem Wasser gelöst war, entstanden und eine der
primären Entstehungsformen aller Erze bildend, würde im reinen und
[159]Die Erze. Spatheisensteine.
unzersetzten Zustande aus Eisencarbonat F Ce O3 mit 48.2 Proc. Eisen
(61.9 Proc. Fe O) bestehen; fast regelmässig jedoch enthält das Erz neben
dem Eisencarbonate kleinere oder grössere Mengen von isomorphen
Carbonaten des Mangans, Calciums oder Magnesiums, und der gesammte
Eisengehalt des Erzes ist daher stets niedriger, als derselbe obiger
Formel gemäss sein müsste.


Der Spatheisenstein krystallisirt rhomboedrisch, theils grob- theils
feinkörnig oder derb. Selten erscheint er in trauben- oder nieren-
förmigen Bildungen und wird dann bisweilen Sphärosiderit (im
engeren Sinne) genannt. Die Farbe des frischen, unzersetzten Erzes
ist gelblich weiss (Weisserz, unreifer Eisenspath); an der Luft aber und
unter dem Einflusse der Feuchtigkeit verwandelt es sich theilweise in
Eisenhydroxyd und nimmt dabei allmählich eine dunkle, braune, auch
wohl blauschwarze Farbe an (Braunerz, Blauerz, reifer Eisenspath).


Der Spatheisenstein tritt in häufig sehr mächtigen Gängen und
Lagern in älteren Formationen bis zum Buntsandstein auf. Berühmt
schon seit Alters sind die Spatheisenstein-Vorkommnisse des Sieger-
landes; andere für die Eisenindustrie wichtige Fundstätten in Deutsch-
land sind Thüringen (Schmalkalden, Kamsdorf), das sächsische Voigt-
land, der Harz (Gegend von Stolberg). In der österreichischen Monarchie
liefern vorzugsweise die Alpenländer (Hüttenberg, Lölling) sowie Ungarn
grosse Mengen von Spatheisenstein. Auch in Frankreich und Spanien
treten einige, wenn auch den deutschen und österreichischen Vorkomm-
nissen gegenüber unbedeutendere Vorkommnisse auf; ziemlich arm an
Spatheisensteinen dagegen ist Grossbritannien und Nordamerika.


Beimengungen des Spatheisensteines, welche bei seiner Verhüttung
Beachtung verdienen, damit sie nicht schädliche Einflüsse auf die
Qualität des daraus erzeugten Roheisens ausüben, sind Kiese, neben
dem Eisenkies insbesondere Kupferkies; ferner Bleiglanz, Schwerspath,
Zinkspath, Galmei; sehr selten dagegen enthält der Spatheisenstein
erhebliche Mengen von Phosphaten.


Diese letztere Eigenschaft erhebt denselben zu einem der vorzüg-
lichsten Materialien für Herstellung phosphorreinen Eisens; die Leicht-
reducirbarkeit des Erzes, besonders im gerösteten Zustande 1), erleichtert
wesentlich die Verhüttung desselben, und der selten ganz fehlende
Mangangehalt weist auf die Verwendung desselben zur Erzeugung
manganhaltiger Eisensorten hin (Weisseisen, Spiegeleisen, Bessemerroh-
eisen). Da nun solche manganhaltige Roheisensorten auch schon in
früherer Zeit ein geschätztes Material für die Stahldarstellung bildeten,
so erklärt sich hieraus, dass nicht allein der Spatheisenstein selbst in
einzelnen Gegenden „Stahlstein“ genannt wird, sondern dass man auch
die Fundstätten desselben nicht selten mit demselben Beiworte bezeich-
nete (Stahlberg bei Müsen im Siegenschen u. a.).


[160]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.

Beispiele der Zusammensetzung verhütteter Spatheisensteine.1)


  • 1. Spatheisenstein von Struthütten im Siegenschen; ausgestellt in der Düssel-
    dorfer Ausstellung 1880.
  • 2. Grube Wingertshart bei Niederhövels im Siegenschen; ausgestellt in der
    Düsseldorfer Ausstellung 1880.
  • 3. Durchschnittliche Zusammensetzung der Kamsdorfer Spatheisensteine, welche
    auf der Maximilianshütte zu Unterwellenborn (Thüringen) verhüttet werden („Stahl
    und Eisen“ 1882, S. 36).
  • 4. Spath von Grube Karl Abbau in Ungarn, Gömörer Comitat. Wird auf der
    Eisenhütte Betlér verarbeitet (A. v. Kerpely, Ungarns Eisensteine und Eisenhütten-
    erzeugnisse, S. 18).
  • 5. Kupfer- und schwefelreiches Erz von Igló, der österr.-ungarischen Hoch-
    ofengesellschaft Witkowitz gehörig (A. v. Kerpely a. a. O.).
  • 6. Spath von Grube Köhlergrund, dem Eisenwerk Krompach im Zipser Comitat
    (Ungarn) gehörig. Analyse des Verfassers.
  • 7. Spath von Grube Zahura; übrigens wie 6.
  • 8. Gerösteter Spath von Rottleberode am Harz; wird in der Dortmunder Union
    verhüttet (Dürre, Anlage und Betrieb der Eisenhütten, Bd. I, S. 121).
  • 9. Gerösteter Spath von Innerberg in Kärnten, in Dortmunder Union verhüttet
    (Dürre, a. a. O., S. 123).
  • 10. Gerösteter Spath von Grube Köhlergrund (Eisenwerk Krompach in Ungarn).
    Analyse des Verfassers.

B. Die Sphärosiderite.

Unter dieser Benennung kann man eine grössere Zahl von Eisen-
erzen zusammenfassen, deren Grundbestandtheil übereinstimmend aus
kohlensaurem Eisen, wie bei den Spatheisensteinen, gebildet wird, wäh-
rend ihnen die deutlich krystallinische Beschaffenheit des eigentlichen
Spatheisensteines fehlt. Dass man auch den reineren, in trauben- oder
nierenförmigen Bildungen auftretenden Spatheisenstein als Sphärosiderit
zu bezeichnen pflege, wurde bereits erwähnt; die meisten der als Sphäro-
siderite bezeichneten Erze sind jedoch stärker als der eigentliche Eisen-
[161]Die Erze. Sphärosiderite.
spath mit fremden, mechanisch beigemengten Körpern — Thon, Sand,
organische Substanz — vermengt. Hierdurch eben ist das eigenthüm-
liche Gefüge des Spatheisensteines unterdrückt und an dessen Stelle ist
eine dichte, erdige oder körnige Beschaffenheit getreten.


Die Sphärosiderite bilden wegen ihres häufigen Vorkommens in
oft mächtigen Lagern eine der wichtigsten Eisenerzgattungen der Erde.
Fast 90 Proc. der gesammten Eisenerzeugung Grossbritanniens ist auf
das Vorkommen von Sphärosideriten in Cleveland, Staffordshire, Wales,
Schottland begründet; nicht unbedeutend ist ferner das Vorkommen von
Sphärosideriten in Rheinland und Westfalen; auch Schlesien, Frank-
reich, Ungarn, Pennsylvanien enthalten bemerkenswerthe Vorkommnisse.


Wie die Spatheisensteine enthalten die Sphärosiderite häufig ein-
gesprengte Kiese und Glanze (sind daher blei-, kupfer- und zinkhaltig);
stärker als jene aber sind sie, wie erwähnt, mit thonigen und organi-
schen Substanzen vermengt, und in sehr vielen Fällen enthalten sie
ansehnliche Mengen von Phosphor.


Sie sind, besonders im gerösteten Zustande, leicht reducirbar und
werden, je nachdem ihr Gehalt an fremden Körpern die eine oder
andere Verwendung thunlicher erscheinen lässt, sowohl für Grau- als
Weisseisendarstellung benutzt.


Ihrer Beschaffenheit nach lassen sie sich in folgende Unterabthei-
lungen eintheilen.


a) Gewöhnlicher oder thoniger Sphärosiderit. Dicht, grau,
grünlich oder bräunlich gefärbt; thonhaltig, nicht selten reich an orga-
nischer Substanz (Kohle). Erscheint in verschiedenen Erdformationen,
vorzugsweise in der Kohlenformation, dem Keuper, Jura und der Kreide.


Beispiele für die Zusammensetzung.


  • 1. Aus Yorkshire. Nach Percy (Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde, 1. Abth.
    S. 295 ff.).
  • 2. Aus Südstaffordshire. Uebrigens wie 1.
  • 3. Aus Stanton in Derbyshire. Uebrigens wie 1.
  • 4. Aus Bleanavon in Monmouthshire. Uebrigens wie 1.
  • 5. Thoneisenstein von Euskirchen. Auf dem Eisenwerke Hörde verarbeitet
    (Dürre, Anlage und Betrieb der Eisenhütten, Bd. 1, S. 139).
  • 6. Aus Grube Sperber zu Ruppichteroth. Auf Eisenwerk Phönix in Ruhrort
    verarbeitet (Dürre, a. a. O.).
  • 7. Sphärosiderit von Schmiedewalde bei Meissen. Auf Eisenwerk Gröditz ver-
    hüttet. Im Laboratorium des Verfassers untersucht.

Ledebur, Handbuch. 11
[162]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.

b) Kohleneisenstein oder Blackband. Häufig enthält der Sphäro-
siderit so beträchtliche Mengen von Kohle, dass er vollständig schwarz
gefärbt ist und, entzündet, mitunter sogar fortbrennt. Er wird dann
Kohleneisenstein oder (mit der englischen Bezeichnung) Blackband ge-
nannt. Der Kohlegehalt desselben pflegt mindestens 10 Proc. zu be-
tragen, steigt aber mitunter bis auf 25 Proc. Im Uebrigen stimmt sein
Verhalten mit dem des gewöhnlichen Sphärosiderits überein. Man ver-
arbeitet ihn nur im gerösteten Zustande, und es ist hierzu um so eher
Veranlassung gegeben, als sein eigener Kohlenstoffgehalt gewöhnlich
ausreichend ist, die zur Durchführung der Röstung nothwendige Wärme
zu liefern, ja mitunter noch die Röstung anderer Erze in Vermischung
mit dem Kohleneisenstein ohne Aufwand fremden Brennstoffes zu
gestatten.


Beispiele für die Zusammensetzung.


  • 1. Von Shelton Kohlengrube in Staffordshire. Nach Percy (Percy-Wedding,
    Eisenhüttenkunde Abth. 1, S. 300 ff.).
  • 2. Von Klosterbusch bei Kupferdreh. Auf der Wiener Ausstellung durch Eisen-
    werk Phönix in Ruhrort ausgestellt (Dürre, Bericht u. s. w., S. 90).
  • 3. Aus Westfalen; wird in Friedrich-Wilhelmshütte zu Mülheim a. d. Ruhr
    verhüttet. In Düsseldorf 1880 ausgestellt.
  • 4. Gerösteter Blackband aus Westfalen (Dürre, Anlage und Betrieb der Eisen-
    hütten, Bd. I, S. 136).
  • 5. Gerösteter Blackband von Klosterbusch bei Kupferdreh (Dürre, Anlage u. s. w.,
    S. 136).
  • 6. Gerösteter Blackband aus Westfalen. Auf Friedrich-Wilhelmshütte ver-
    hüttet. In Düsseldorf 1880 ausgestellt.

C. Brauneisenerze.

Seiner chemischen Natur nach ist der Brauneisenstein durch einen
Gehalt an chemisch gebundenem Wasser, seinem Aussehen nach durch
braune bis schwarze Farbe und braunen Strich gekennzeichnet.


Die chemische Formel des eigentlichen normalen Brauneisensteines
würde sein: H6 F2 O9 mit ca. 60 Proc. Eisen; doch kennt der Minera-
loge eine grössere Anzahl bestimmt ausgebildeter Formen des Braun-
[163]Die Erze. Brauneisenerze.
eisensteins, deren Zusammensetzung von der obigen mehr oder minder
abweicht (Göthit u. a.), und die Uebergänge sowohl zu den wasser-
freien Eisenoxyden als den oxydul- und kohlensäurehaltigen Spatheisen-
steinen und Sphärosideriten, aus deren Zersetzung gar häufig der Braun-
eisenstein unmittelbar hervorging, sind ziemlich zahlreich. Hieraus
erklärt es sich, dass auch der Wassergehalt der Brauneisenerze sich
zwischen ziemlich weiten Grenzen bewegt.


Die Brauneisenerze sind ausserordentlich verbreitet und finden sich
in fast allen Erdformationen. Eben deshalb treten sie uns in ziemlich
mannigfaltigen äusseren Formen entgegen. Ausgezeichnet sind fast alle
Brauneisenerze durch Leichtreducirbarkeit; die fremden Beimengungen
derselben aber, welche neben jener Eigenschaft den Grad ihrer Ver-
wendbarkeit bedingen, sind in den verschiedenen Vorkommnissen sowohl
ihrer Menge als ihrer Beschaffenheit nach ziemlich verschieden. Mit-
unter finden sich Brauneisensteine unmittelbar neben den Spatheisen-
steinen, aus deren Umwandlung sie hervorgingen, und lassen dann nicht
selten die Structur des Spatheisensteines noch deutlich erkennen, ent-
halten auch, wie diese, nicht unbeträchtliche Mengen Mangan.


Im Wesentlichen lassen sich folgende Arten des Brauneisensteines
unterscheiden:


a) Brauner Glaskopf. Derselbe bildet ein durch Reinheit von
fremden Körpern ausgezeichnetes Erz von dunkelbrauner bis schwarzer
Farbe und krystallinisch fasriger Structur bei oft kugliger oder nieren-
artiger äusserer Form. Er erscheint vorwiegend in den ältesten Erd-
formationen.


b) Gewöhnlicher Brauneisenstein. Unter dieser Benennung lassen
sich alle diejenigen Brauneisenerze zusammenfassen, welche nicht durch
ganz besondere Eigenthümlichkeiten sich vor den übrigen auszeichnen.
Einzelne derselben sind, wie der braune Glaskopf, ausgezeichnet durch
grosse Reinheit; andere, und zwar vorwiegend die erdigeren und derben
Sorten, enthalten Kiese, Glanze, Zinkerze, auch mitunter nicht ganz
unbeträchtliche Mengen von phosphorsauren Verbindungen. Besondere
Benennungen für einzelne Formen dieser Erze sind Schaleneisen-
stein
oder Eisenniere (in schaligen oder nierenartigen Bildungen
vorkommend), dichter Brauneisenstein, mulmiger oder erdiger
Brauneisenstein
.


Vorzügliche ältere Brauneisenerze, sowohl glaskopfartige als gewöhn-
liche, finden sich in den österreichischen Alpen neben den erwähnten
Spatheisensteinen, in Thüringen, am Harz, in Spanien, Nordafrika (Algier),
Nordamerika (Kentucky, Tenessee, Canada) u. a. a. O.; in Oberschlesien
bilden die dortigen im Trias vorkommenden mulmigen Brauneisenerze
das Hauptmaterial der dortigen grossartigen Eisenindustrie.


Die Erze aus Algier und Spanien haben im Laufe der siebenziger
Jahre ihres hohen Eisengehaltes bei einem gewissen Mangangehalte und
ihrer Reinheit von Phosphor halber eine nicht unbeträchtliche Bedeutung
für die Eisenindustrie erlangt und werden in grossen Mengen auch auf
deutschen, französischen und englischen Eisenwerken verarbeitet (Bilbao,
Carthagena, Almeïra).


11*
[164]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.

Beispiele für die Zusammensetzung von gewöhnlichen Brauneisenerzen
und braunem Glaskopf.


  • 1. Brauneisenerz vom Rothen Berge bei Schwelm, in Dortmunder Union ver-
    hüttet (Dürre, Anlage und Betrieb der Eisenhütten, Bd. 1, S. 62).
  • 2. Brauneisenerz von Bilbao („Stahl und Eisen“ 1882, S. 339).
  • 3. Von den Sulzbacher Gruben in Thüringen, auf Maximilianshütte verarbeitet
    („Stahl und Eisen“ 1882, S. 35).
  • 4. Von den Crumbacher Gruben. Uebrigens wie 3.
  • 5. Ochriger Brauneisenstein vom Büchenberge am Harz (Preuss. Ztschr. für
    Berg-, Hütten- und Salinenwesen 1868, S. 206).
  • 6. Von Grube Tännichen bei Elbingerode am Harz. (Wie Nr. 5.)
  • 7. Ochriger Glaskopf vom Kärntner Erzberge (Verhandl. der k. k. Geologischen
    Reichsanstalt 1876, Bd. 26, S. 49).
  • 8. Erz von Neubeuthen in Schlesien. (Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde,
    Abth. 1, S. 338).
  • 9. Erz von Tarnowitz (Preuss. Ztschr. 1874, S. 277).
  • 10. Brauner Glaskopf aus dem Gömörer Comitat in Ungarn, in Eisenwerk Betlér
    verhüttet (A. v. Kerpely, Ungarns Eisensteine u. s. w., S. 32).
  • 11. Eisenerz aus Pennsylvanien (F. Kupelwieser, das Hüttenwesen in den
    Vereinigten Staaten Nordamerikas, Wien 1877).

c) Bohnerze und oolithische Erze. Es sind dieses kugelförmige
oder körnerförmige, auch wohl nierenförmige Erze, gewöhnlich von
Nadelknopf- bis Nussgrösse, entweder in den einzelnen Körnern als
loses Gerölle auftretend, häufiger durch eisenschüssigen Thon oder Quarz
zu grösseren Massen verbunden. Sie finden sich in der Trias und im
Tertiärgebirge in oft mächtigen Ablagerungen. Fast immer enthalten
sie Phosphor und zwar in oft verhältnissmässig beträchtlichen Mengen;
ihre Gewinnungskosten aber pflegen verhältnissmässig gering zu sein,
und aus diesem Grunde verwendet man sie, wo sie vorkommen, nicht
ungern für die Eisendarstellung.


Bohnerze finden sich im Breisgau, an einigen Orten Würtembergs,
am Rande des Harzes (Wilhelmshütte, Salzgitter), u. a. a. O. Eine Ge-
winnung derselben in besonders grossartigem Maassstabe findet in der
Gegend von Peine statt und die dort gewonnenen Erze werden in den
Hochöfen zu Ilsede bei Peine verhüttet. Sie treten dort in 7—10 m
mächtigen Lagern zwischen Hilsthon als Liegendem und, wo sie nicht
zu Tage ausgehen und nur von Dammerde bedeckt sind, Kalkmergel
[165]Die Erze. Bohnerze und oolithische Erze.
als Hangendem auf und bestehen aus Nieren und Kugeln, welche durch
kohlensauren Kalk oder Thon unter einander verbunden sind. Zwischen
den Brauneisenknollen finden sich in gleichmässiger Vertheilung Phos-
phoritknollen, theils winzig klein, theils bis zu Faustgrösse, mit einem
Phosphorgehalte von ca. 10—12 Proc. Da eine Trennung derselben
von den Erzen nur in sehr beschränktem Maasse zu bewirken ist, so
besitzen auch die letzteren, wie die unten mitgetheilten Analysen be-
weisen, einen beträchtlichen Durchschnittsgehalt an Phosphor.


Auch Frankreich ist reich an Bohnerzen (Franche Comté, Berry,
Champagne).


Ein eigenthümliches feinkörniges Erz, welches erst seit Anfang
der sechziger Jahre Beachtung fand und den Namen Minette erhielt,
seitdem aber für eine nicht unbedeutende Zahl grosser Hochofenwerke
zum hauptsächlich oder ausschliesslich benutzten Material geworden
ist, gehört ebenfalls den oolithischen Erzen an. Es enthält nicht selten
neben dem Eisenhydroxyd noch kohlensaures Eisen (Eisenoxydul), aus
dessen Umwandlung es hervorgegangen ist; seine Farbe ist, je nachdem
es noch reicher an diesem kohlensauren Eisen ist oder bereits voll-
ständig in Oxydhydrat überging, grünlich grau oder braun, auch wohl
schwarz oder röthlich. Es ist fast immer reich an Phosphor. Eine
Hauptlagerstätte dieses Erzes zieht sich von Nancy durch Elsass-
Lothringen, Luxemburg bis nach Longwy in Frankreich und Athus in
Belgien. Dieselbe erreicht an einzelnen Stellen, z. B. an der Luxem-
burger Grenze, eine Mächtigkeit bis zu 30 m und bildet die Grund-
lage eines grossartigen Hochofenbetriebes sowohl in Luxemburg als in
Elsass-Lothringen und den angrenzenden deutschen und französischen
Bezirken.


Beispiele für die Zusammensetzung.


  • 1. Bohnerz von Grube Eschwege bei Gebhardshagen im Braunschweigischen
    (Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde, Abth. 1, S. 360).
  • 2. Oolithisches Liaserz aus Bayern. Im Laboratorium des Verfassers untersucht.
  • 3. Thoniges Erz von Adenstedt bei Peine, in den Ilseder Hochöfen verhüttet.
    Vom Verfasser untersucht.

[166]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.
  • 4. Eben solches Erz wie Nr. 3, jedoch von einer anderen Gewinnung. In Ilsede
    untersucht. Nach erhaltener Privatmittheilung.
  • 5. Thoniges Erz von Bodenstedt bei Peine; in den Hochöfen zu Ilsede ver-
    hüttet. Nach einer Privatmittheilung.
  • 6. Braunes Kalkerz von Bülten bei Peine; wie 5.
  • 7. Weisses Kalkerz von Bülten bei Peine; wie 5.
  • 8. Grünliche Minette von Moyeuvre. Vom Verfasser untersucht.
  • 9. Rothe Minette von Belvaux (Dürre, Anlage und Betrieb der Eisenhütten,
    Bd. 1, S. 75).
  • 10. Braune Minette, Grube von der Heydt bei Redange (Dürre a. a. O., S. 79).

d) Rasenerze (Wiesenerze). Ablagerungen aus Wasser in
sumpfigen Niederungen von oft beträchtlicher Ausdehnung, wenn auch
selten in grosser Mächtigkeit. Sie besitzen theils erdige Beschaffenheit,
theils kommen sie in festen Stücken vor; erstere pflegen lichtbraune
Farbe, letztere dunkelbraune bis schwarzbraune Farbe zu besitzen.
Rasenerze finden sich in grosser Verbreitung auf der ganzen norddeut-
schen Tiefebene von Holland bis nach Russland; auch in verschiedenen
anderen Gegenden Russlands, in Canada, Pennsylvanien u. a. a. O.
Wichtig für die Eisenindustrie sind sie vornehmlich durch ihre ausser-
ordentlich billige Gewinnung. Da sie sich dicht unter der Erdober-
fläche finden und hier selten eine Mächtigkeit von mehr als 0.5 m
erreichen, ja, in sehr vielen Fällen in erheblich schwächeren Lagern
auftreten, dabei aber eine grosse Fläche zu bedecken pflegen, so findet
ein eigentlich bergmännischer Abbau dieser Erze gar nicht statt. Sie
werden mit Hacke und Spaten ausgegraben, dann wird das abgehobene
Erdreich wieder in die Grube gefüllt, und wo in einem Jahre die
Arbeiter der Eisenhütte für diese das metallspendende Erz zu Tage
förderten, zieht im folgenden Jahre häufig der Landmann mit dem
Pfluge seine Furchen, den Boden für die Körnersaat vorzubereiten;
ergiebiger aber als in früherer Zeit pflegt seine Ernte auszufallen,
nachdem die oft dichte, undurchlässige Erzschicht aus seinem Boden
entfernt ist.


Gewöhnlich sind die Rasenerze reich an eingemengten Quarz-
körnern, ein Umstand, der sie zur Darstellung siliciumreicherer Eisen-
sorten (grauem Roheisen) geeigneter als für siliciumarmes Eisen (Weiss-
eisen) erscheinen lässt; ein kaum jemals fehlender Begleiter ferner ist
Vivianit (Eisenphosphat), der dem Erze einen oft recht beträchtlichen
und für manche Eisensorten sehr nachtheiligen Phosphorgehalt zuführt.
Zwischen manchen Rasenerzen finden sich solche Eisenphosphate in
Form dichter weisslicher Knollen bis zu Faustgrösse, mitunter knetbar
wie Thon, an der Luft aber blau werdend. Durch Auslesen derselben
bei und nach der Gewinnung des Erzes lässt sich der Phosphorgehalt
des letzteren abmindern.


Den Rasenerzen ihrer Entstehung nach, den Bohnerzen ihrer Form
nach ähnlich sind die sogenannten Seeerze, welche auf dem Boden
schwedischer und finnländischer Seen gefunden und auf dortigen
Eisenwerken verarbeitet werden. Sie kommen in Körnerform von der
Grösse eines Hirsekornes bis einer Nuss vor, haben meistens eine ab-
geplattete, bohnenartige Form und werden mit Netzen vom Boden
heraufgeholt.


[167]Die Erze. Rotheisenerze.

Beispiele für die Zusammensetzung.


  • 1. Rasenerz von Elsterwerda. Auf Eisenwerk Gröditz verhüttet; vom Verfasser
    untersucht.
  • 2. Rasenerz aus Wittenberg. Wie 1.
  • 3. Holländisches Rasenerz, in Friedrich-Wilhelmshütte bei Mülheim a. d. Ruhr
    verhüttet. Privatmittheilung.
  • 4. Belgisches Rasenerz. Wie 3.
  • 5. Rasenerz von Quebeck (Fr. Kupelwieser, das Eisenhüttenwesen der Ver-
    einigten Staaten).
  • 6. Rasenerz aus Wolhynien, Kreis Nowogradwolhynsk; vom Verfasser untersucht.
  • 7. Seeerz aus Finnland. Im Laboratorium des Verfassers untersucht.
  • 8. Seeerz aus Småland; von Svanberg untersucht (Karsten, Handbuch der
    Eisenhüttenk. II, 48).

D. Rotheisenerze.

Der chemischen Zusammensetzung nach aus Eisenoxyd Fe2 O3
bestehend zeichnen sich diese Erze, sofern sie nicht etwa fremde Körper
in grösseren Mengen enthalten, den bisher besprochenen Eisensteins-
gattungen gegenüber durch hohen Eisengehalt aus, da sie weder den
für die Spathe und Sphärosiderite charakteristischen Kohlensäuregehalt
noch den den Brauneisenerzen eigenthümlichen Wassergehalt besitzen.
Sie besitzen rothe bis röthlich schwarze Färbung und rothen Strich.


Der äusseren Form nach unterscheidet man: Eisenglanz, rhom-
boëdrisch krystallisirt, eisenschwarz bis grau von Farbe; Eisenglimmer
und Eisenrahm, als dünnschalige, feinschuppige Varietäten des Eisen-
glanzes zu betrachten; rothen Glaskopf (fasriges Rotheisenerz) in
nierenförmigen, traubenförmigen, stalaktitischen Formen mit fasriger
Structur, der Form nach mit dem braunen Glaskopf übereinstimmend,
jedoch roth von Farbe; gewöhnliches erdiges oder dichtes Roth-
eisenerz
ohne bestimmte Form; oolithisches Rotheisenerz, den
oolithischen Brauneisensteinen seiner Structur nach analog; u. a.


Der Rotheisenstein tritt in Gängen und Stöcken wie auf Lagern
auf; die mächtigsten Vorkommnisse desselben bilden gleichförmige Ein-
lagerungen zwischen Talk- und Chloritschiefern, Quarziten und Jaspis
der azoischen Formationen; dichte Rotheisensteine finden sich vorwiegend
zwischen Kalkstein und Diabas. Einige dieser Vorkommnisse sind hoch-
berühmt; so die Rotheisenerze (Eisenglanze) von Elba, welche schon
[168]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.
im Alterthume zur Eisendarstellung benutzt wurden; die Rotheisenerze
von Missouri (im Iron Mountain und Pilot Knob) und vom Oberen See
(Lake Superior) in Michigan; von Cumberland und Nord-Lancashire;
u. a. m. Deutschlands Rotheisenerze finden sich vorwiegend im Gebiete
der Lahn; nicht ganz so bedeutend sind einige Vorkommnisse an der
Eiffel, in einigen Gegenden Westfalens, im Harze, im Thüringerwalde
und im Erzgebirge. Oolithische Rotheisenerze in beträchtlicher Mächtig-
keit werden in Belgien gewonnen; reich an vorzüglichen Rotheisen-
erzen ist Spanien und Algier, und die dortigen Erze werden neben den
schon erwähnten, von dort stammenden Brauneisenerzen auch in Eng-
land, Belgien, Frankreich und Deutschland mehrfach verhüttet.


Das Vorkommen der Rotheisensteine im Grossen und Ganzen ist
nicht so massenhaft als dasjenige der Brauneisenerze; wo sie aber auf-
treten, bilden sie ein sehr geschätztes Material für die Eisendarstellung.
Denn ihr Eisengehalt ist, wie erwähnt, hoch, sofern er nicht durch
eingewachsene fremde Körper herabgedrückt wird, und die reineren
Erze (Eisenglanz, Glaskopf) ertragen deshalb auch einen Transport auf
weitere Strecken als solche Erze, bei welchen die Frachtkosten einem
geringeren Eisenausbringen zur Last fallen; der Phosphorgehalt sehr
vieler Rotheisenerze ist sehr gering und diese eignen sich daher vor-
zugsweise zur Darstellung reiner, phosphorfreier Eisensorten. Einzelne,
übrigens vorzügliche, Erze allerdings sind von Apatit durchzogen und
somit phosphorhaltig; auch manche erdige und dichte, besonders die
oolithischen, Erze enthalten Phosphor in solchen Mengen, dass die Her-
stellung phosphorfreier Eisensorten daraus nicht möglich sein würde.
Immerhin bleibt der durchschnittliche Phosphorgehalt der Rotheisenerze
hinter dem durchschnittlichen Phosphorgehalte der Brauneisenerze erheb-
lich zurück, um so mehr, wenn man nicht den Procentgehalt an
Phosphor im Erze, sondern das Verhältniss dieses Phosphor-
gehaltes zu dem anwesenden Eisengehalte
, welches doch allein
den Ausschlag zu geben hat, für den Vergleich heranzieht. Einem so
hohen Phosphorgehalte, wie ihn die jüngeren Brauneisenerze (Bohnerze,
Minette, Rasenerze) ziemlich regelmässig besitzen, begegnen wir in den
Rotheisenerzen nur in Ausnahmefällen.


Nicht selten dagegen findet sich Schwefelkies; viele Rotheisenerze
enthalten eingesprengte grössere oder kleinere Quarzkrystalle und eignen
sich dann vorzugsweise zur Darstellung von grauem Eisen. Der Man-
gangehalt der Rotheisenerze ist selten erheblich. Erzlager im Kalkstein
enthalten häufig nicht unerhebliche Mengen von kohlensaurem Kalk;
einzelne Rotheisenerze führen kleine Mengen Titansäure. 1)


Die Rotheisenerze, selbst die dichten Arten derselben, sind ziem-
lich leicht reducirbar; doch pflegt man anzunehmen, dass ihre Reducir-
barkeit derjenigen der Brauneisenerze nachstehe.


[169]Die Erze. Magneteisenerze.

Beispiele für die Zusammensetzung.


  • 1. Glaskopf aus Cumberland. Im Laboratorium des Verfassers untersucht.
  • 2. Festes Rotheisenerz vom Oberen See. Durchschnittsanalyse (Wedding, das
    Eisenhüttenwesen in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, S. 14).
  • 3. Nordafrikanisches Erz aus dem Departement Constantine (Fr. Kupelwieser,
    Oesterr. Ausstellungsbericht 1879, S. 10).
  • 4. Nordafrikanisches Erz, sogenanntes Moktaerz; in Dortmunder Union ver-
    hüttet (Dürre, Anlage und Betrieb der Eisenhütten, Bd. 1, S. 45).
  • 5. Nassauisches Rotheisenerz, in Friedrich-Wilhelmshütte verhüttet (Privat-
    mittheilung).
  • 6. Nassauisches Rotheisenerz, in Gutehoffnungshütte bei Oberhausen verhüttet
    (Dürre, Anlage u. s. w., S. 33).
  • 7. Kalkspathreiches Erz aus Grube Christiane in Westfalen; in Dortmunder
    Union verhüttet (Dürre, Anlage u. s. w., S. 34).
  • 8. Harzer Rotheisenstein von Grube Johannes bei Elbingerode. Analysirt im
    Laboratorium der Berliner Bergakademie (Ztschr. f. Berg-, Hütten- und Salinenwesen
    1868, S. 206).
  • 9. Eisenocher aus Falun. Im Laboratorium des Verfassers untersucht.

E. Magneteisenerze.

Dieselben bestehen aus Eisenoxyduloxyd von der durchschnitt-
lichen Zusammensetzung Fe3 O4, bisweilen jedoch auch Abweichungen
in der Zusammensetzung zeigend. Die Farbe ist schwarz oder grünlich
schwarz, der Strich schwarz; bekannt ist die magnetische Eigenschaft
dieses Erzes.


Die Magneteisenerze krystallisiren im regulären Systeme, treten
aber gewöhnlich in derben körnigen oder dichten Massen auf; mitunter
auch an den Küsten als Magneteisensand. In Lagern, Flötzen und
Stöcken findet sich das Erz zwischen den Gesteinen der Gneiss- und
Glimmerschieferreihe, nicht selten in der unmittelbaren Nähe von Roth-
eisenerzen. Obgleich durchschnittlich die Magneteisenerze seltener als
die bisher besprochenen, auch als die Rotheisenerze, auftreten, besitzen
doch einzelne dieser Vorkommnisse durch ihre ausserordentliche Mächtig-
keit hohe Bedeutung und sind weit berühmt. Besonders reiche Erz-
lagerstätten finden sich in Skandinavien (Dannemora in Schweden,
Arendal in Norwegen, Gellivara in Lappland); am Ural; in den Ver-
einigten Staaten Nordamerikas am Lake Champlain, am Lake Superior
u. a. a. O.; nicht unbedeutend sind ferner einzelne Vorkommnisse Ungarns
sowie im Sächsischen Erzgebirge; auch am Harze, in Thüringen, in
[170]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.
Schlesien werden Magneteisenerze gewonnen, obschon in geringeren
Mengen. Nordafrika liefert neben den erwähnten Roth- und Braun-
eisenerzen auch vortreffliche Magneteisenerze an europäische Eisenwerke;
auch in Corsika und Sardinien werden Magneteisenerze gewonnen. Arm
an diesen Erzen dagegen ist Grossbritannien.


Unter allen Erzen besitzt das reine Magneteisenerz seiner chemi-
schen Zusammensetzung gemäss den höchsten Eisengehalt. Beachtens-
werth ist allerdings, dass vollständig oder annähernd reine Erze weit
seltener unter den Magneteisenerzen als unter den Rotheisenerzen vor-
kommen; und daher wird der Eisengehalt, wie ihn manche Eisenglanze,
Glasköpfe u. s. w. besitzen, kaum jemals von den Magneteisenerzen
überboten. Sein Phosphorgehalt ist in den meisten Fällen ausserordent-
lich gering, obschon einzelne der Magneteisenerze durch eingewachsene
Apatite verunreinigt sind. Aus diesem Grunde ist das Magneteisenerz
ein besonders für Darstellung phosphorfreien Eisens gesuchtes Material
und das schwedische, seiner vortrefflichen Eigenschaften halber be-
rühmte Eisen, welches zum grossen Theile aus Magneteisenerzen er-
blasen wurde, verdankt jenen guten Ruf zumeist seiner Reinheit von
Phosphor. Einzelne Erze sind mit Quarz durchwachsen; andere enthalten
Kalkspath in ansehnlichen Mengen. Häufig findet sich ein grösserer
Gehalt an Schwefel-, Kupfer- oder Arsenkies; sonstige nicht seltene
Begleiter des Magneteisenerzes sind Hornblende, Chlorit, Granat, Zink-
blende, Bleiglanz. Eigenthümlich für manche, insbesondere skandinavi-
sche und nordamerikanische Erze ist ein Gehalt an Titansäure, welcher
häufiger und in beträchtlich grösseren Mengen als in Rotheisensteinen
auftritt, mitunter bis zu 10 Proc. steigt und dann allerdings nachtheilig
auf die Verwendbarkeit des Erzes einwirkt. 1)


Den erwähnten vortrefflichen Eigenschaften der Magneteisenerze
steht als eine seine Verwendung erschwerende Eigenschaft seine Schwer-
reducirbarkeit gegenüber. Unter allen bisher besprochenen Erzen ist
der Magneteisenstein der am schwierigsten reducirbare. Durch oxydi-
rende Röstung, welche das Eisenoxyduloxyd in Eisenoxyd überführt,
wird das Erz in ein leichter reducirbares umgewandelt; daher ist es
Regel, die Magneteisenerze nur im gerösteten Zustande zu verarbeiten.


Beispiele für die Zusammensetzung.


[171]Die Erze. Manganerze.
  • 1. Von der Lugnasgrube bei Carlstad in Schweden. Analysirt von Lundstrom
    (Jern-Kontorets Annaler 1875, S. 356).
  • 2. Von der Danielgrube in Grängesberg. Wie 1.
  • 3. Magneteisenerz von Norberg. Im Laboratorium des Verfassers untersucht.
  • 4. Schwedisches Magneteisenerz. Wie 2.
  • 5. Magneteisenerz von Berggiesshübel bei Pirna. In Königin-Marienhütte ana-
    lysirt (Dürre, Anlage und Betrieb der Eisenhütten, Bd. 1, S. 14).
  • 6. Von Grube Röddecker bei Elbingerode am Harz. Im Laboratorium der Ber-
    liner Bergakademie untersucht (Dürre, Anlage u. s. w., S. 15).
  • 7. Vom Lake Champlain (Wedding, Das Eisenhüttenwesen der Vereinigten
    Staaten von Nordamerika, S. 5).
  • 8. Aus New-Jersey (Wedding, a. a. O., S. 6).

Ein eigenthümliches Erz, welches sowohl zur Zink- als zur Eisen-
gewinnung benutzt wird, ist der Franklinit. Man betrachtet denselben
als ein Magneteisenerz, in welchem ein Theil des Eisenoxyduls durch
Zinkoxyd, ein Theil des Eisenoxyds durch Manganoxyd vertreten ist
[Formel: (Zn, Fe, Mn) O + (Fe2, Mn2) O3]. Derselbe findet sich im Staate
New-Jersey in einem mächtigen Lager zwischen Franklin und Ogdens-
burg. Die Erze werden zunächst in einer Zinkhütte auf Zink ver-
arbeitet, welches sich verflüchtigt und in Vorlagen oder (bei Zinkweiss-
darstellung) in Kammern aufgefangen wird; die Rückstände kommen
zum Eisenhochofen und werden hier zur Darstellung eines mangan-
haltigen Roheisens (Spiegeleisens) benutzt.


F. Kieseleisensteine.

Mitunter, jedoch, wie erwähnt, selten wegen der Schwerreducir-
barkeit dieser Erze, setzt man den Beschickungen für Eisendarstellung
solche natürlichen Eisensilikate zu. Hierher gehören Chamosit mit
ca. 47 Proc. Eisen, 14 Proc. Kieselsäure; Knebelit mit 27.5 Proc. Eisen,
27 Proc. Mangan, 29.5 Proc. Kieselsäure; u. a. m.


G. Manganerze.

Man verwendet geröstete Manganspathe (Mn CO3), Manganite
(H2 Mn2 O4), häufiger die unter dem Namen Braunstein auftretenden
sauerstoffreichen Manganverbindungen (Pyrolusit, chemische Zusammen-
setzung Mn O2), oder das als Wad bezeichnete Manganerz, im Wesent-
lichen aus Mangansuperoxyd mit Manganoxydul und Wasser bestehend.


Reine Manganspathe und Manganite würden sich vortrefflich zur
Darstellung von manganreichen Eisensorten eignen, sind aber verhält-
nissmässig selten. In weit grösseren Mengen finden sich Braunsteine,
theils verhältnissmässig rein, theils mit Kiesel, Kalkspath, Eisenoxyd
vermengt. Für die Verwendung zur Darstellung manganreicher Eisen-
legirungen sind diejenigen die werthvollsten, deren Kieselsäuregehalt
möglichst gering ist; auch ein grösserer Eisengehalt ist aus nahe liegen-
den Gründen nicht erwünscht.


Erschwerend auf die Verhüttung dieser Erze wirkt ihr hoher Sauer-
stoffgehalt aus Gründen, welche später ausführlichere Erörterung finden
werden. Derselbe lässt sich durch einfache Röstung in höherer Tempe-
ratur oder durch reducirende Röstung in niedrigerer Temperatur (unter
Einwirkung von Kohlenoxyd) abmindern, und das Mangansuperoxyd
[172]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.
(Mn O2) wird hierbei in Manganoxyduloxyd (Mn2 O4) umgewandelt. 1)
Auch ein nicht ganz unbeträchtlicher Phosphorgehalt findet sich bis-
weilen und verringert den Werth dieser Erze.


Fundstätten dieser Erze sind Nassau, Ungarn, Spanien (Huelva),
der Kaukasus, Canada, Sardinien u. a. m.


Beispiele für die Zusammensetzung.


  • 1. Pyrolusit von Huelva. Wird auf dem französischen Eisenwerke Terrenoire
    sowie auf deutschen Eisenwerken verarbeitet (Kerpely, Eisen und Stahl auf der
    Weltausstellung zu Paris im Jahre 1878, S. 75).
  • 2. Nassauisches Manganerz, in Hörde verarbeitet (Dürre, Anlage und Betrieb
    der Eisenhütten, Bd. 1, S. 196).
  • 3. Canadisches Eisenerz. Wie 2.
  • 4. Ungarisches Manganerz, auf Schmelzwerk Oláhpatak verarbeitet (Kerpely,
    Ungarns Eisensteine, S. 42).
  • 5. Ungarisches Manganerz aus dem Eisenburger Comitat (Kerpely, Ungarns
    Eisensteine, S. 42).

2. Die Zuschläge.


Zweck der Zuschläge ist, die den Erzen beigemengten sogenannten
„Gangarten“ d. h. fremden Gesteine in solcher Weise zu verschlacken,
dass die Schmelztemperatur und chemische Beschaffenheit der Schlacke
den Erfordernissen des Schmelzprocesses entspricht; mitunter auch,
obschon in nur seltenen Fällen, die Menge der überhaupt entstehenden
Schlacke, welche verschiedene Aufgaben beim Schmelzen des Eisens zu
erfüllen hat, anzureichern.


Hieraus folgt schon von vorn herein, dass die Wahl der Zuschläge
nicht nur von der Art des Schmelzprocesses, sondern auch vornehmlich
von der Zusammensetzung der zur Verwendung stehenden Eisenerze
abhängig sein muss.


Einem an Kieselsäure, beziehentlich Thonerde, reichen Erze wird
man kalk- oder magnesiahaltige Zuschläge geben müssen. Dieser Fall
ist der bei weitem häufigste und mindestens 90 Proc. aller Eisenwerke
sind gezwungen, Zuschläge dieser Art zu verwenden. Man benutzt
hierfür Kalkstein oder, sofern man auch den Magnesiagehalt anzu-
reichern wünscht, oder sofern ökonomische Rücksichten es vortheilhaft
erscheinen lassen, Dolomit.


[173]Die Zuschläge.

Die weite Verbreitung des Kalksteines in der Natur, welche in
den meisten Gegenden die Möglichkeit für die billige Beschaffung
grösserer Mengen desselben gewährt, bildet eine nicht unwichtige Unter-
stützung der Eisenindustrie. Wenn man erwägt, dass manchen Erzen
mehr als 40 Proc. ihres Eigengewichtes an Kalkstein zugeschlagen
werden müssen, so wird man ermessen können, dass für die Dar-
stellungskosten des Eisens der Preis jenes Zuschlagsmaterials nicht ohne
Wichtigkeit ist.


Der Kalkstein (Calciumcarbonat Ca C O3) enthält im ganz reinen
Zustande 56 Gewichtstheile Kalkerde und 44 Gewichtstheile Kohlensäure,
so dass man, um 100 Thle. Kalkerde den Erzen zuzuführen, 178.6 Ge-
wichtstheile des Carbonats verwenden muss. Da der Kalkzuschlag, wie
erwähnt, vorzugsweise zur Verschlackung der Kieselsäure oder, richtiger,
zur Herstellung eines bestimmten Verhältnisses zwischen Kieselsäure
und Basen dienen soll, so verliert der Kalkstein um so mehr Werth als
Zuschlagsmaterial, je reicher er selbst an Kieselsäure ist; denn nicht
allein wird unmittelbar der Procentgehalt seines nutzbaren Bestand-
theils dadurch abgemindert, sondern die von dem Kalkstein zugeführte
Kieselsäure bindet auch wieder eine entsprechende Menge seines eigenen
Kalkgehaltes und entzieht dieselbe dadurch ihrer eigentlichen Be-
stimmung.


Versteinerungsreiche Kalksteine enthalten mitunter Phosphorsäure
in grösseren Mengen und sind deshalb, wenn phosphorreine Eisensorten
dargestellt werden sollen, nur mit Vorsicht zu verwenden; noch reicher
an Phosphorsäure und zugleich reich an Kieselsäure und daher wenig
brauchbar für Eisendarstellung ist sogenannter Kalktuff oder Wiesen-
mergel
.


Manche Kalksteine enthalten Schwefel- und Kupferkies, Bleiglanz,
Galmei, Gips. Einige sind reich an Eisen und bilden, sofern ihre
sonstige Zusammensetzung nicht ihre Verwendung für Eisendarstellung
ausschliesst, die schon früher erwähnten Uebergänge zu den Eisenerzen.


Am werthvollsten für die Zwecke des Eisenhüttenmannes pflegt der
krystallinisch körnige Kalkstein (Marmor) zu sein, weil er durch-
schnittlich den grössten Gehalt an Kalk, den geringsten an schädlichen
Bestandtheilen besitzt. Wo dieser nicht zu einem ausreichend billigen
Preise zu erhalten ist, pflegt man einen möglichst reinen sogenannten
dichten Kalkstein als Zuschlag zu verwenden, der aber mitunter
durch eingeschlossene Reste von Thieren phosphorhaltig, auch nicht
selten durch Thon oder Sand stark verunreinigt ist. Auch oolithischer
Kalkstein,
welcher jedoch ebenfalls etwas phosphorhaltig zu sein
pflegt, wird an verschiedenen Orten als Zuschlag verschmolzen. Weniger
häufige Verwendung für diesen Zweck findet die Kreide, theils wegen
des Umstandes, dass ihr Auftreten an einzelne Gegenden gebunden ist
(Dover, Rügen), theils auch wegen der eingeschlossenen Feuerstein-
knollen und Thonlagen. Reiner Kreidekalk soll von Dover aus nach
verschiedenen Eisenwerken Englands als Zuschlagsmaterial geliefert
werden. 1)


[174]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.

Wo man Magnesia neben Kalkerde in die Beschickung zu führen
wünscht, schlägt man Dolomit zu, im reinen Zustande bekanntlich
aus Calcium- und Magnesiumcarbonat in nicht immer gleichen gegen-
seitigen Verhältnissen bestehend, durchschnittlich etwa 60 Thle. Cal-
ciumcarbonat neben 40 Thln. Magnesiumcarbonat enthaltend. Derselbe
tritt theils körnig, theils dicht auf; einige Dolomite enthalten als nach-
theilige Beimengung grössere Mengen von Kieselsäure; auch Zinkblende,
Arsenkies, Schwefelkies finden sich nicht selten.


Beispiele von der Zusammensetzung der Zuschlags-
Kalksteine und Dolomite.


  • 1. Krystallinischer Kalkstein von Meissen. Auf Eisenwerk Gröditz verhüttet.
    Vom Verfasser untersucht.
  • 2. Ungarischer krystallinischer Kalkstein. Auf Eisenwerk Krompach verhüttet.
    Vom Verfasser untersucht.
  • 3. Kalkstein von Limburg a. d. Lenne, in Dortmunder Union verarbeitet (Dürre,
    Anlage und Betrieb der Eisenhütten, Bd. 1, S. 189).
  • 4. Dolomitischer Zuschlagskalkstein aus der Eiffel, in Eisenwerk Jünkerath ver-
    hüttet (Dürre, Anlage u. s. w., S. 191).
  • 5 Dolomitischer Zuschlagskalkstein von Ostrau in Sachsen. Auf Eisenwerk
    Gröditz verhüttet. Vom Verfasser untersucht.

Mitunter, jedoch nur in Ausnahmefällen, schlägt man wohl Fluss-
spath
an Stelle der Kalksteine oder neben denselben den Eisenerzen
zu. Es wurde schon früher erwähnt, dass man durch Flussspathzusatz
den Schmelzpunkt einer Schlacke zu erniedrigen vermöge. Wo also
diese Aufgabe vorliegt, bildet derselbe ein zweckdienliches Mittel. Für
den regelmässigen Gebrauch aber besitzt er zwei nachtheilige Eigen-
schaften: erstens sein hoher Preis und zweitens die starke Abnutzung
der Ofenwände durch flussspathhaltige Schlacken.


Nach Berthier’s Ansicht, welcher über die Einwirkung des Fluss-
spaths auf Silikate und andere Verbindungen mehrfache Versuche an-
stellte 1), beruht die durch den Zusatz desselben bewirkte Erniedrigung
des Schmelzpunktes theils unmittelbar auf der Bildung von leichtflüssigen
Doppelverbindungen (Silikaten und Fluoriden), theils auch auf Ver-
flüchtigung eines Theils des in der Kieselsäure enthaltenen Siliciums
als Siliciumfluorid und Anreicherung des Kalkgehaltes. Letzterer Vor-
[175]Die Vorbereitungsarbeiten. Zerkleinerung.
gang würde freilich nur dann eine Erniedrigung des Schmelzpunktes
zur Folge haben können, wenn die Schlacke wegen allzu hohen Kiesel-
säuregehaltes strengflüssig wäre, bei basischen Schlacken dagegen den
entgegengesetzten Erfolg haben.


Verschiedene Erze, insbesondere Spatheisensteine, führen übrigens
schon als natürliche Beimengung Flussspath in die Schlacke und be-
sitzen aus diesem Grunde die Eigenschaft, leicht schmelzbare, dünn-
flüssige Schlacken zu liefern.


Hat man Erze mit grossem Kalk- oder Magnesiagehalte zu ver-
hütten, fehlt es also an Kieselsäure und Thonerde, so benutzt man
mitunter Thonschiefer als Zuschlag, welcher beide Körper den Erzen
zuführt. Die durchschnittliche Zusammensetzung des Thonschiefers lässt
sich folgendermaassen annehmen:

In anderen Fällen wendet man Gabbro, Diabas, Granit an, um
den Kieselsäure- und in geringeren Mengen den Thonerdegehalt anzu-
reichern. Als typische Durchschnittswerthe der chemischen Zusammen-
setzung dieser Gesteine lassen sich folgende annehmen:

3. Die Vorbereitungsarbeiten.


A. Die Zerkleinerung.

Für die erfolgreiche Verhüttung der Erze und Zuschläge ist es
erforderlich, dass dieselben eine bestimmte, von der Art des Schmelz-
processes abhängige Korngrösse besitzen.


Je kleiner die einzelnen Stücke sind, desto grösser ist das Ver-
hältniss ihrer Oberfläche zu ihrem Rauminhalte, desto günstiger ge-
staltet sich mithin die Wärmeabgabe an dieselben, desto zugänglicher
sind sie den reducirenden Einflüssen. Wenn von diesem Gesichtspunkte
aus eine möglichst weit getriebene Zerkleinerung der in Rede stehen-
den Materialien unläugbar von Vortheil ist und eine Ersparung an
Brennstoff und Reductionsmaterial mit sich bringt, so ist doch anderer-
seits für die allzu starke Zerkleinerung eine Grenze durch den Um-
stand gesteckt, dass die Gase des Schmelz-, beziehentlich Reductions-
ofens, welche in den allermeisten Fällen, und zwar in jedem für diesen
Zweck dienenden Schachtofen, ihren Weg durch die Anhäufung der
Erze u. s. w. hindurch nehmen müssen, um so grössere Widerstände
auf diesem Wege finden, je dichter jene auf einander liegen, d. h. je
feinstückiger sie sind. Selbst wenn man durch grösseren mechanischen
[176]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.
Arbeitsaufwand (durch Anwendung eines kräftigen Gebläses) jenen
grösseren Widerstand überwinden und die Gase durch die Erzsäule hin-
durchtreiben wollte, so wächst doch mit jenem Widerstande auch die
Ungleichmässigkeit in der Bewegung der Gase, und auch aus diesem
Grunde darf ein gewisses Maass bei der Zerkleinerung der Erz- und
Zuschlagsstücke nicht überschritten werden.


Jene Gleichmässigkeit in der Bewegung der Gase durch die ange-
häuften Erze u. s. w. hindurch wird nicht minder beeinträchtigt, wenn
Stücke von sehr verschiedener Grösse zusammengehäuft sind. Es ist
deshalb wünschenswerth, wenn auch praktisch nicht immer durchführ-
bar, Erze u. s. w. von möglichst gleichartiger Korngrösse in einem und
demselben Ofen zu verarbeiten.


Aus dem Gesagten folgt aber, dass die zweckmässigste Korngrösse
der zur Verhüttung bestimmten Erze und Zuschläge von der Länge
des Weges der Gase durch die Beschickungssäule hindurch, bei Schacht-
öfen also von der Höhe des Ofens abhängig sein muss. Je niedriger
der Ofen ist, desto stärker zerkleint man zweckmässigerweise die ein-
zelnen Stücke. In den meisten Fällen dürfte Nuss- bis Faustgrösse
die geeignetste sein; in grossen Kokshochöfen verarbeitet man allerdings
mitunter Erzstücke von mehr als Kopfgrösse (obschon dieses Verfahren
nicht gerade als nachahmungswerth empfohlen werden soll), und um-
gekehrt ist man nicht selten gezwungen, auch natürlich vorkommende,
fast pulverartige Erze — manche Rasenerze, Bohnerze u. a. — mit den
anderen zu verhütten.


Alle jene Erze und Zuschläge, welche in übermässig grobstückigem
Zustande von der Grube angeliefert werden, bedürfen also einer mecha-
nischen Zerkleinerung auf der Hütte.


Selten geschieht diese Zerkleinerung von Hand durch Zerklopfen
mit eisernen Hämmern. Das Verfahren hat allerdings den Vortheil,
dass man hierbei arme oder durch schädliche Bestandtheile verunreinigte
Stücke auslesen kann; ist aber kostspielig und würde bei nur einiger-
maassen umfänglichem Betriebe die Anstellung einer grossen Arbeiter-
reihe erforderlich machen.


Die Maschinen, welche man zur Zerkleinerung benutzt, sind folgende:


a. Pochwerke.

Dieselben bilden die älteste 1), aber auch — wenigstens für Eisenerze,
welche nur bis zu einer bestimmten, nicht allzu kleinen Korngrösse
zerkleinert werden dürfen — die am wenigsten vollkommene Zer-
kleinerungsvorrichtung. Während man andere Erze (Bleierze u. s. w.),
welche stärker zerkleint werden, nass, d. h. unter Zufluss von Wasser
zu pochen pflegt, um Verstäubung zu vermeiden, werden die Eisenerze,
bei deren Zerkleinerung überhaupt kein Staub gebildet werden soll, nur
trocken gepocht.


[177]Die Vorbereitungsarbeiten. Pochwerke.

Fig. 34 zeigt die übliche Einrichtung eines Eisensteinspochwerkes
in 1/60 der wirklichen Grösse. 1) Drei oder fünf hölzerne, in anderen
Fällen gusseiserne oder auch schmiedeeiserne PochstempelD D D
tragen an ihrem unteren Ende die aus Gusseisen oder besser noch aus
Gussstahl gefertigten PochschuheG G G, welche mit Zapfen in die
Pochstempel (die an dem unteren Ende durch umgelegte eiserne Bänder
gerüstet sind) eingesteckt und mit Keilen befestigt werden, so dass sie

Figure 25. Fig. 34.


ohne Schwierigkeit ausgewechselt werden können. In entsprechender
Höhe oberhalb der Pochschuhe tragen die Pochstempel die Heblinge
a a a, durchgesteckte, an der Rückseite um das erforderliche Maass vor-
ragende Hölzer, an welchen die Stempel von den auf der Daumen-
welle
B angebrachten Hebedaumen ergriffen und angehoben werden,
um dann bei weiterer Drehung der Welle wieder niederzufallen. Die
Ledebur, Handbuch. 12
[178]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.
Vertheilung der Hebedaumen auf der Welle ist eine solche, dass der
Anhub der Pochstempel in gleichmässiger Reihenfolge vor sich geht;
von der Hubhöhe und dem Gewichte der letzteren ist natürlich die
mechanische Wirkung jedes einzelnen Schlages abhängig. Stempeln der
Eisensteinspochwerke pflegt man ca. 150 kg Gewicht und 20 cm Hub
bei 60 Hüben per Minute zu geben. Es lässt sich hieraus unschwer
die erforderliche Betriebskraft für den Betrieb berechnen, wobei man
erfahrungsmässig den Nutzeffect des Pochwerkes = 0.75 zu setzen hat.


Die Pochstempel sind zwischen zwei Paar wagerechter Leit-
hölzer
F F geführt; diese werden an den PochsäulenE E befestigt,
welche an dem oberen Ende durch ein Querhaupt verbunden sind und
mit diesem zusammen das Pochgerüst bilden.


Als Unterlage für die zu zerkleinernden Erze dient die starke
gusseiserne PochsohleH, gewöhnlich gitter- oder rostartig geformt,
so dass die Erze, sobald die Zerkleinerung das erforderliche Maass
erreicht hat, zwischen den Oeffnungen der Pochsohle hindurch in den
Raum J J fallen, um hier entfernt zu werden.


Das abgebildete Pochwerk wird durch das Wasserrad A getrieben
und die Daumen sitzen hier unmittelbar auf der Wasserradwelle B.
Man pflegt dieselben aus Gusseisen zu fertigen und an einen Ring
anzugiessen, welcher über die Welle geschoben wird. C ist eine Brems-
scheibe mit Bremse, um das Pochwerk rasch zum Stillstand bringen
zu können.


Ein Nachtheil der Pochwerke liegt in dem Umstande, dass, je
dicker das unter dem Pochstempel befindliche Erzstück ist, desto ge-
ringer die Fallhöhe und desto geringer also auch die Schlagwirkung
ausfällt. Gerade die grösseren Stücke, welche kräftigere Schläge ver-
tragen würden, ohne zu Mehl zerstampft zu werden, erhalten schwächere
Schläge, die kleineren stärkere. Aus diesem Grunde ist es trotz der
erwähnten Anwendung einer rostförmigen Pochsohle schwierig, Ungleich-
förmigkeiten in der Korngrösse des zerkleinten Erzes ganz zu ver-
meiden. Die Ausnutzung der mechanischen Arbeit ist ausserdem, wie
sich schon aus dem oben mitgetheilten Coëfficienten ergiebt, eine ziem-
lich ungünstige; man rechnet, dass ein Pochwerk per Pferdestärke der
Betriebsmaschine in 12 stündiger Arbeit 3000—3500 kg Erz zu zer-
kleinern im Stande sei, weniger, als bei den nachfolgend beschriebenen
Zerkleinerungsmaschinen.


Aus diesen Gründen sind die vor dreissig Jahren noch ziemlich
allgemein angewendeten Pochwerke in den Eisenhütten mehr und mehr
verschwunden und haben zweckmässigeren Einrichtungen Platz gemacht.
Nicht ohne einen gewissen Vortheil benutzt man sie jedoch auch jetzt
noch in solchen Fällen, wo sehr harte Erze, die leicht eine Beschädi-
gung des arbeitenden Theiles der Maschine herbeiführen, zerkleint
werden sollen. Zwar erleiden auch die Pochschuhe eine allmähliche
Abnutzung, welche von Zeit zu Zeit eine Ergänzung erforderlich macht;
ihre Herstellungskosten aber sind verhältnissmässig unbedeutend, und
die Härte der Erze kommt bei der Abnutzung der Pochschuhe weniger
in Betracht als bei den betreffenden Theilen anderer Maschinen.


[179]Die Vorbereitungsarbeiten. Walzwerke.
b. Walzwerke.

Zwei gusseiserne horizontale Walzen mit glatten oder häufiger
mit geriffelten Oberflächen, welche parallel neben einander in einem
entsprechend eingerichteten Gerüste gelagert sind, werden durch Ge-
triebe, deren Wellen durch einfache Kupplungen mit den verlängerten
Walzenzapfen verbunden sind, und deren Zähne in gegenseitigem Ein-
griffe stehen, in entgegengesetzte Drehung versetzt, so dass die zu zer-
kleinernden Erze (Kohlen u. s. w.), welche von oben her auf die Walzen
geschüttet werden, vermöge der Reibung zwischen ihnen hindurch ge-
führt und dabei auf die dem Abstande der Walzenoberflächen von ein-
ander entsprechende Korngrösse zerkleinert werden.


Die Anwendung geriffelter Walzen erleichtert hierbei die Mitnahme
der aufgeschütteten Erzstücke; je stärker aber bei dem einmaligen
Durchgange die Zerkleinerung, also auch der von den Erzen ausgeübte
Widerstand ist, desto leichter sind die Riffeln (Cannelirungen) der Walzen
selbst einer Beschädigung durch Abbrechen ausgesetzt. Aus diesem
Grunde findet man nicht selten zwei Paar Walzen über einander an-
geordnet; die oberen mit gröberen Riffeln und im weiteren Abstande
von einander für die erste Zerkleinerung der aufgeschütteten Erze, die
darunter befindlichen, feiner geriffelten und näher zusammengestellten
für die letzte Zerkleinerung.


Um aber fernerhin eine Beschädigung der Walzen durch ausnahms-
weise harte Stücke, welche dazwischen gerathen sollten, nach Möglich-
keit zu vermeiden, pflegt man die Lager der einen Walze des Walzen-
paares in horizontaler Richtung verschiebbar zu machen und mit einer
Vorrichtung zu versehen, dass die Walze, wenn der Druck ein gewisses
Maass übersteigt, ausweicht und nach beendigtem Durchgange wieder
an ihre Stelle zurückkehrt.


Ein Eisensteinswalzwerk mit zwei Walzenpaaren, wie es auf ver-
schiedenen Harzer und anderen Eisenhütten in Anwendung ist, ist in
Fig. 35, S. 180 abgebildet. Zwei kräftig gebaute Gusseisenständer A
dienen zum Tragen der Walzenlager. Von diesen sind die an der rechten
Seite befindlichen in ihrer Lage festgehalten; die Lager an der linken
Seite dagegen sind in Führungen der Ständer nach links verschiebbar,
während diejenige Stellung derselben, welche dem normalen Abstande
der Walzenoberflächen von einander entspricht, durch angegossene Vor-
sprünge an den Ständern bezeichnet ist, über welche hinaus eine Ver-
schiebung nach rechts nicht mehr möglich ist. In dieser Lage werden
sie durch die mit Gegengewichten beschwerten Hebel b b festgehalten,
deren kürzere Arme gegen die Bolzen c c und durch diese gegen die
Lager drücken. Statt der, ihren Zweck übrigens vollständig erfüllen-
den und nur etwas schwerfälligen Hebel mit Gegengewichten wendet
man bei neueren Walzwerken auch wohl Gummibuffer zu demselben
Zwecke an.


Damit die Verschiebung der Walzenlager ohne Gefahr für die Ge-
triebezähne möglich sei, müssen die letzteren stark und mit breiter
Theilung construirt sein.


Alles Weitere wird ohne Erläuterung verständlich sein. Die Erze
werden von der in der Ebene der Oberkante der Ständer angebrachten
12*
[180]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.
Bühne aus, welche gewöhnlich vermittels einer schiefen Ebene von
unten her zugänglich gemacht ist, durch den Trichter d zwischen die
Walzen geschüttet.


Um die bei eintretender Abnutzung der Walzenoberflächen erfor-
derliche Auswechselung weniger kostspielig zu machen, stellt man die
Walzen aus zwei Theilen her, wie in der Abbildung erkennbar: einem
äusseren, zum Auswechseln bestimmten Ringe aus hartem Gusseisen (am
besten Hartguss) und dem Kerne, an dessen Verlängerung sich die
Lauf- und Kupplungszapfen befinden. Beide Theile sind auf gleiche
Durchmesser aus- beziehentlich abgedreht; bei der Befestigung erwärmt
man den Ring etwas, so dass sein Durchmesser sich ein wenig ver-
grössert, schiebt ihn über den Kern und befestigt ihn vollends mit

Figure 26. Fig. 35.


einem Keile, der, wie gewöhnlich, in eine entsprechende Nuth ein-
geschoben wird.


Man pflegt den Walzen der Eisensteinswalzwerke 500—700 mm
Durchmesser bei 500—900 mm Länge (excl. der Zapfen) und eine
Umfangsgeschwindigkeit von 500—900 mm per Secunde zu geben. Die
Leistungsfähigkeit der Walzwerke ist selbstverständlich von dem Härte-
grade der Erze wie von dem Maasse der Zerkleinerung abhängig, immer-
hin aber günstiger als bei Pochwerken. Durchschnittlich wird man per
Pferdestärke der Betriebsmaschine in 12 stündiger Arbeit eine Leistung
von 4000 kg zerkleinertem Erz veranschlagen können; Wedding führt
als Beispiel an, dass ein von der Fabrik Humboldt in Kalk gebautes
einpaariges Walzwerk mit ca. 700 mm starken Walzen bei 20 Um-
drehungen per Minute in 12 Stunden 60000 kg Erz zerkleinere und
dabei eines Arbeitsaufwandes von 15 Pferdestärken bedürfe.


Vor den Pochwerken haben die Walzwerke den Vortheil, dass die
Korngrösse der in ihnen zerkleinerten Erze gleichmässiger und leichter
regulirbar ist. Seit dem Anfange dieses Jahrhunderts, wo sie zuerst in
[181]Die Vorbereitungsarbeiten. Erzquetschen.
Cornwall für die Aufbereitung der Erze eingeführt wurden, haben sie
daher gerade in den Eisenhütten jenes Vorzuges halber vielfach die
Pochwerke verdrängt, bis sie in neuester Zeit wiederum selbst durch
die sogleich zu besprechenden Steinbrecher in den Hintergrund ge-
drängt wurden.


c. Erzquetschen oder Steinbrecher.

Diese im Jahre 1858 von dem Amerikaner Blake erfundenen
Maschinen haben, nachdem die ihnen zuerst anhaftenden Mängel glück-
lich beseitigt wurden, eine zunehmende Verbreitung gefunden und
bilden jetzt auf den Eisenwerken die am häufigsten benutzten Zerkleine-
rungsmaschinen für Erze und Zuschläge. Ihre Vorzüge gegenüber den
bisher besprochenen Maschinen bestehen vornehmlich in einer geringen
Raumbeanspruchung bei grosser Leistungsfähigkeit; den Pochwerken
gegenüber zeichnen sie sich ausserdem durch grössere Gleichmässigkeit
in der Korngrösse der zerkleinten Körper und Leichtregulirbarkeit dieser
Korngrösse vortheilhaft aus.


Fig. 36 und 37 zeigen die Einrichtung einer solchen verbesserten
Erzquetsche, von der Georgs-Marienhütte gebaut und dort zum Zer-
kleinern der Erze für den Hochofenbetrieb benutzt. 1) Der arbeitende
Theil derselben besteht aus einer festen und einer beweglichen Backe
c und d, aus Hartguss oder Gussstahl gefertigt und mit geriffelter Ober-
fläche versehen. Die feste Backe ist in der Giebelwand des kräftigen
gusseisernen Rahmens, welcher zum Tragen sämmtlicher Theile der
Maschine dient, eingesetzt und mit Keilen befestigt; die Backe d ist in
ähnlicher Weise in einer starken Gusseisenplatte befestigt, welche pendel-
artig um die Achse C schwingt und auf diese Weise bei ihrer Hin-
und Herbewegung die Backen in rascher Aufeinanderfolge abwechselnd
einander nähert und von einander entfernt. Die von oben zwischen
die Backen geworfenen Erzstücke rücken hierbei immer tiefer und
werden zu einer dem Abstande der Backen von einander an der engsten
Stelle entsprechenden Korngrösse zerdrückt. Zur Hervorbringung dieser
Bewegung ist in der Mitte der Maschine die von einer Riemenscheibe
aus angetriebene, mit zwei Schwungrädern versehene gekröpfte Welle
A gelagert, welche die an ihrer Kröpfung angreifende Zugstange a in
auf- und abgehende Bewegung versetzt. Hierdurch wird der aus zwei
starken Eisenplatten gebildete Kniehebel f f abwechselnd gebeugt und
gestreckt und ertheilt hierbei, wie aus Fig. 36 unschwer zu erkennen ist,
der Backe d die beschriebene Bewegung. Zur grösseren Sicherung der-
selben ist die erwähnte Backe an ihrer Rückseite an eine bufferartige,
ebenfalls in der Abbildung erkennbare Vorrichtung angeschlossen, welche
den Hub der Backe begrenzt und sie rasch zurückführt, somit ver-
hindert, dass der nur lose eingesetzte Hebel zwischen Backe und Zug-
stange herausfalle.


Durch Einsetzen verschieden langer Hebel lassen sich verschiedene
Korngrössen erzielen; innerhalb gewisser Grenzen jedoch ist die Korn-
grösse auch ohne Hebelauswechselung durch Verschiebung des an einer
[182]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.
Schraube aufgehängten Keilstücks e regulirbar, wie ohne besondere
Erläuterung leicht verständlich sein wird.


Die abgebildete Maschine ist mit Rädern versehen, um ohne
Schwierigkeit transportirt werden zu können; an dem Orte ihrer Ver-
wendung wird sie in irgend einer Weise befestigt und die an den
Rahmen seitlich angegossenen Laschen ermöglichen die Verschraubung
auf einem entsprechend hergestellten Fundamente.


Figure 27. Fig. 36.

Figure 28. Fig. 37.

Man giebt den Erzquetschen ca. 200 Hübe per Minute und kann
nach Wedding rechnen, dass mit einem Arbeitsaufwande von 5—10
Pferdestärken in 12 Stunden durchschnittlich 60000 kg Erz zerkleint
werden. Bei weniger harten Erzen ist die Leistung noch grösser. Die
abgebildete Georgs-Marienhütter Maschine zerkleint mit einem Arbeits-
aufwande von 3—4 Pferdestärken 10000 kg Spatheisenstein und Kalk
in etwa 1½ Stunden auf Faust- bis Eigrösse.


[183]Die Vorbereitungsarbeiten. Das Waschen.
B. Das Waschen.

Mitunter, wenn auch nicht gerade häufig, unterwirft man die Erze
einem Waschprocesse, um sie eines Theiles ihrer fremden Beimengungen,
insbesondere des anhaftenden Thones und Sandes zu befreien. Vor-
zugsweise sind es die mit Thon durchsetzten Bohnerze, welche in dieser
Weise behandelt werden.


Das Verfahren beruht im Wesentlichen auf denselben Vorgängen
wie das Waschen der Steinkohlen (S. 53), d. h. auf der verschiedenen
Geschwindigkeit, welche verschieden schwere Körper beim Falle in
ruhig stehendem oder bei der Bewegung in fliessendem Wasser anneh-
men; während aber bei den Steinkohlenwäschen die nutzbaren Körper
die leichteren, die schädlichen Körper die schwereren Bestandtheile des
Gemisches sind, tritt bei dem Waschen der Erze der umgekehrte Fall
ein: die Erze sind specifisch schwerer, die thonigen und sandigen
Körper leichter und, was in diesem Falle noch die Trennung erleichtert,
auch durchschnittlich von geringerer Korngrösse.


Eine Classirung der Erze nach der Korngrösse vor dem Waschen,
welche aus früher erörterten Gründen in den Steinkohlenwäschen un-
umgänglich ist, pflegt deshalb bei den Eisenerzwäschen entbehrlich zu
sein; das ganze Verfahren ist schon aus dem Grunde gewöhnlich ein-
facher als dort, weil eine so gründliche Sonderung der Erze von den
Gangbestandtheilen überhaupt nicht erforderlich ist.


Die einfachste Vorrichtung zum Waschen besteht aus Gerinnen
(Gräben)
mit einer Neigung von 5—10 Grad gegen die Horizontale,
in welchen die Erze der Einwirkung fliessenden Wassers ausgesetzt
und durch eine Reihe am Rande des Grabens aufgestellter Arbeiter
mit Krücken dem Strome wiederholt entgegengeführt werden. Nach
Rittinger1) soll man den aus Holz gezimmerten Gerinnen ca. 0.65 m
Breite, 0.30 m Tiefe und 2.5—3.75 m Länge bei einer Neigung von
höchstens 18 mm auf 1 m Länge geben. Zweckmässig kann es sein,
in diesen Gerinnen einzelne quer durchgehende Schwellen anzuordnen,
hinter welchen das Wasser und Erz sich stauen; die obere Seite der
Schwelle wird abgeschrägt, so dass sie nach rückwärts gegen den Boden
des Gerinnes sich als schiefe Ebene ansetzt und die Schwelle drei-
seitigen Querschnitt erhält. Das Wasser mit den Schlammtheilchen
lässt man in die wilde Fluth ablaufen, die Erze werden nach beendigter
Wäsche mit siebartig durchlochten Schaufeln ausgeschöpft. Bei einem
Verbrauche von ¼—½ cbm Wasser per Minute und per Gerinne
beträgt die Menge des gewaschenen Erzes bis zu 10000 kg per Stunde,
sofern es nicht an Arbeitskräften fehlt.


Bei den hohen Arbeitslöhnen jedoch, welche ein derartiges Ver-
fahren erheischt, wendet man, wo das Waschen in grösserem Umfange
durchgeführt werden soll, maschinelle Vorrichtungen dafür an.


Mitunter benutzt man halbcylindrische Tröge, in welchen eine
Schraube mit horizontaler Achse sich dreht und das an einem Ende
eingeschüttete Erz vorwärts schiebt, dabei vermöge der stattfindenden
Reibung Sand, Thon und dergl. ablösend, während ein Wasserstrom
[184]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.
in entgegengesetzter Richtung eingeführt wird und den Schlamm
fortführt.1)


Häufiger und auch wohl vollkommener in ihrer Wirkung sind
rotirende Trommeln aus Eisenblech. In ihrer äusseren Form sind sie
den früher beschriebenen Classirtrommeln für Steinkohlenaufbereitung
ähnlich und, wie diese, cylindrisch oder conisch, wobei die Vorwärts-
bewegung des Erzes entweder durch spiralförmig an der Innenwand
angebrachte Gänge aus Winkeleisen oder durch die geneigte Richtung
der Trommelwand hervorgerufen wird; sie sind aber, da sie nicht zur
Classirung verschiedener Korngrössen dienen sollen, sondern nur dazu
bestimmt sind, bei ihrer Umdrehung die Erze in stetige Reibung unter
sich wie mit dem eingeleiteten Wasser zu bringen, entweder gar nicht
oder nur so weit gelocht, als zur Ableitung des schlammhaltigen Wassers
erforderlich ist. Das Wasser wird in den meisten Fällen in umgekehrter
Richtung als die Erze zu- und abgeleitet. Die Stirnflächen der Trom-
meln sind so weit geschlossen, als erforderlich ist, die nöthige Wasser-
menge in der Trommel zu erhalten.


Die Einrichtung der Eisenerz-Waschtrommeln im Besondern zeigt
mannigfache Abweichungen. Eine ziemlich einfache derartige Wasch-
vorrichtung, welche nach Kerpely’s Bericht über die Weltausstellung zu
Paris im Jahre 1878 von Austruy construirt wurde und auf dem Eisen-
werke zu Cuzon, Departement Lot-et-Garonne, mit gutem Erfolge sich
im Betriebe befindet, ist in Fig. 38 abgebildet.2) Die conische, an dem

Figure 29. Fig. 38.


weiteren Ende mit einem cylindrischen Ansatze B versehene Trommel A
ist auf der geneigten Achse a befestigt; die Neigung der letzteren ist
eine solche, dass das Erz, welches aus dem Fülltrichter C bei B in
die Trommel eintritt, auf dem schwach ansteigenden Boden der letzteren
langsam vermöge seines eigenen Schubes nach dem entgegengesetzten
Ende fortgleitet, während das Wasser, welches in einem regulirbaren
Strome durch das Rohr v zutritt, den umgekehrten Weg nimmt und
schliesslich sammt den mitgenommenen Thon- und Sandtheilchen über
den Rand der Trommel bei D abfliesst. Acht Sieböffnungen c c an dem
[185]Die Vorbereitungsarbeiten. Das Rösten.
engeren Ende der Trommel dienen dazu, schon hier einen Theil des
Wassers mit den letzten, den Erzen noch anhaftenden Schlammtheilchen
abzuführen und hierdurch die Reinigung der nachrückenden Erze zu
erleichtern. Die regelmässige Zuführung der Erze wird durch eine in
der Abbildung angedeutete Rüttelvorrichtung unter dem Fülltrichter C
bewirkt; die gewaschenen Erze stürzen durch die Lutte E in bereit
stehende Wagen. Die Bewegung der Trommel erfolgt durch einen am
Anfange derselben befestigten Zahnkranz h von einem an der Trans-
missionswelle befindlichen Getriebe g aus.


Die Leistung einer solchen Waschtrommel soll 10000 kg Roherz
per Stunde betragen, wobei das Erz etwa 10 Minuten in der Trommel
verweilt; der erforderliche mechanische Arbeitsverbrauch incl. des An-
hebens des gewaschenen Erzes auf eine Höhe von 10 m sechs Pferde-
kräfte.1)


Die Kosten des Waschens der Erze werden sich dem abweichenden
Gehalte an fremden Körpern wie den abweichenden benutzten Ein-
richtungen entsprechend verschieden hoch beziffern. Wedding giebt
als Beispiel die Kostenberechnung einer Wäsche auf der Königl. Eisen-
steinsgrube zu Mardorf in Hessen in den Jahren 1867—1869, wobei
sich ein durchschnittlicher Kostenaufwand von 7.8 Pf. per Centner (50 kg)
gewaschenen Erzes (Bohnerzes) ergiebt (also 1.56 Mark per Tonne); auf
französischen Wäschen sollen einer von Dürre aus einem französischen
Werke entnommenen Notiz zufolge die Kosten für Eisenerze nur
0.16 Mark per Tonne betragen2), eine Angabe, welche so niedrig ge-
griffen erscheint, dass man an einen Druckfehler zu glauben versucht ist.


C. Das Rösten.

a. Allgemeines.

Rösten der Erze nennt man eine vorbereitende Erhitzung der Erze
ohne eigentliche Schmelzung. Im geschmolzenen Zustande der Erze
würden chemische Einwirkungen der Bestandtheile auf einander statt-
finden, welche beim Rösten nicht beabsichtigt sind und die spätere
Verhüttung erschweren würden. Es würde eine Verschlackung der
Eisenoxyde mit den fremden Bestandtheilen eintreten und die Erze
würden durch diesen Vorgang an Reducirbarkeit verlieren, wie ja
alle eisenhaltigen Schlacken schwieriger reducirbar sind, als die freien
Eisenoxyde.


Aus diesem Grunde ist es beim Rösten der Eisenerze
Regel, die Temperatur auch nicht einmal bis zum Sintern
der Erze, d. h. beginnenden Zusammenbacken, zu steigern
;
Ausnahmen von dieser Regel kommen allerdings vor und sind durch
besondere, später zu erörternde, Gründe gerechtfertigt.


[186]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.

Der Zweck des Röstens kann ein verschiedener sein.


In einzelnen Fällen, wenn auch verhältnissmässig selten, beab-
sichtigt man eine Auflockerung harter und dichter Erze durch
die Temperaturveränderungen, also durch rein physikalische Einflüsse
herbeizuführen. Es entstehen Risse und Spalten in den Erzstücken,
das Erz wird mürbe, lässt sich weit leichter zerkleinern und ist den
Einflüssen reducirender Gase leichter zugänglich. Der beabsichtigte
Erfolg des Röstens wird in diesem Falle erleichtert, wenn man das noch
heisse Erz mit kaltem Wasser ablöscht.


Häufiger beabsichtigt man, durch die Röstung eine Zersetzung
gewisser chemischer Verbindungen, sei es der Erze selbst
oder der fremden Beimengungen derselben, unter Ver-
flüchtigung nachtheiliger Bestandtheile
zu bewirken.


Unter den Erzen selbst treten uns als solche zersetzbare Ver-
bindungen zunächst die Hydrate (Brauneisenerze) und Carbonate (Spath-
eisensteine) entgegen. Brauneisenerze werden unter Abgabe ihres
Wassergehaltes in Eisenoxyde, wirkliche Rotheisenerze, umgewandelt;
Spatheisensteine und Sphärosiderite entlassen bei der Zersetzung ein
Gemisch von Kohlensäure und Kohlenoxyd und hinterbleiben als Eisen-
sauerstoffverbindungen, deren Sauerstoffgehalt in jedem Falle höher ist
als der des Eisenoxyduls Fe O, jedoch nach der Höhe der angewendeten
Temperatur und den sonstigen bei der Zersetzung thätigen Einflüssen
Abweichungen zeigt, so dass ihre Zusammensetzung zwischen Fe6 O7
und Fe2 O3 schwanken kann.1)


Auch kohlensäurehaltige Zuschläge — Kalksteine und Dolomite —
werden durch Röstung zersetzt und es hinterbleiben die einfachen Oxyde.


Die Erfahrung hat jedoch im Laufe der Jahre gelehrt, dass jene
Austreibung von Wasser und Kohlensäure aus den Erzen und Zu-
schlägen durch vorausgehende Röstung nicht immer diejenigen Vortheile
bei der nachfolgenden Verhüttung gewährt, als man früher, noch in der
Mitte dieses Jahrhunderts, allgemein annahm. Die Ursachen dafür
werden bei der Besprechung der Processe selbst, insbesondere des Hoch-
ofenprocesses, verständlich werden. Insbesondere hat sich die Zersetzung
der Hydrate vor der Verhüttung als vollständig erfolglos erwiesen.
Deshalb sieht man jetzt ziemlich allgemein von der Röstung der Braun-
eisenerze ab, sofern nicht andere Gründe dafür vorliegen.


Ebenso ist die Röstung von Kalksteinen und Dolomiten, welche
als Zuschläge für die Verhüttung von Erzen im Hochofen bestimmt
sind, nicht im Stande, einen wirklichen Nutzen hervorzurufen. Nur
bei einem in neuester Zeit eingeführten Processe, bei welchem zur
Bildung basischer Schlacken Kalk zu geschmolzenem Eisen gesetzt werden
muss — dem basischen Bessemerprocesse oder Thomasprocesse — ist
eine vorausgehende Röstung des Kalksteins erforderlich, damit nicht
durch die starke Wärmebindung beim Zerlegen der Carbonate eine Ab-
kühlung des geschmolzenen Eisens herbeigeführt werde.


Spatheisenerze und Sphärosiderite werden, wenn auch nicht sämmt-
lich, so doch zum grossen Theile vor der Verhüttung geröstet. Die zur
[187]Die Vorbereitungsarbeiten. Das Rösten.
Zersetzung der Carbonate erforderliche Temperatur — ca. 800°C. —
ist höher als diejenige, bei welcher die Reduction des gerösteten Erzes
beginnt, so dass aus diesem Grunde die spätere Reduction des Erzes
durch die Röstung erleichtert wird; ausserdem aber wirkt aus sogleich
zu erörternden Gründen auch die bei oxydirender Röstung stattfindende
Umwandlung in Eisenoxyd günstig auf die Reducirbarkeit des Erzes.


Manganerze mit reichem Sauerstoffgehalte — jene oben besproche-
nen Braunsteine oder Pyrolusite — entlassen bei starker Röstung einen
Theil ihres Sauerstoffgehaltes und wandeln sich in Manganoxydoxydul
Mn3 O4 um. Letzteres ist leichter verarbeitbar als jene, und diese
Desoxydation durch Röstung wirkt daher förderlich auf die Verhüttung.
Erleichtert wird dieselbe durch reducirende Atmosphäre (Kohlenoxydgas)
beim Rösten.


Unter jenen Körpern, welche aus den fremden Gemengtheilen
der Erze durch Röstung sich austreiben lassen, ist der wichtigste der
Schwefel.


Als schwefelhaltige Beimengung der Eisenerze tritt uns vorzugs-
weise häufig der Schwefelkies (Fe S2) entgegen; auch nicht selten der
chemisch ebenso als jener zusammengesetzte Strahlkies oder Markasit;
ferner Magnetkies (Fe8 S9), Kupferkies (Cu Fe S2), Arsenkies (Fe S As),
Zinkblende (Zn S), Bleiglanz (Pb S). Besonders reich an diesen schwefel-
haltigen Mineralien pflegen Magneteisenerze und Spatheisensteine zu sein.
Das Verhalten des Schwefels beim Rösten aber kann ein verschiedenes
sein, je nachdem er in dieser oder jener Verbindung auftritt.


Schwefelkies und Strahlkies werden schon in niedriger Temperatur
zersetzt, indem annähernd die Hälfte Schwefel verflüchtigt wird (bei
Luftzutritt zu schwefliger Säure verbrennend, bei Abschluss der Luft
als Schwefeldampf entweichend) und eine Verbindung zurückbleibt, deren
Zusammensetzung ungefähr der des Magnetkieses entspricht. Durch ein-
fache Erhitzung ohne Luftzutritt ist nun diese niedrigere Schweflungs-
stufe des Eisens nicht mehr zersetzbar. Hat jedoch der atmosphärische
Sauerstoff Zutritt zu dem glühenden Schwefeleisen, so verbrennt ein
weiterer Theil des Schwefels, um als schweflige Säure sich zu ver-
flüchtigen; der Rest bildet zunächst mit dem übrig gebliebenen Eisen
Ferrosulfat (Eisenvitriol), welches jedoch schon in Rothgluth ebenfalls
zerlegt wird. Ein Theil des Sauerstoffs der Schwefelsäure wird zur
Höheroxydation des Eisens benutzt, basisch schwefelsaures Eisenoxyd
wird gebildet und schweflige Säure verflüchtigt; bei noch weiterer
Steigerung der Temperatur wird auch dieses basische Eisensalz zerlegt,
Schwefelsäure wird ausgetrieben und Eisenoxyd bleibt zurück.


Da bei dem beschriebenen Verlaufe des Zersetzungsprocesses aus
dem Schwefelkies beziehentlich Strahlkies zuerst Magnetkies entsteht, so
folgt von selbst, dass dieser, wo er natürlich auftritt, sich beim Rösten
auch ebenso wie jener verhalten, d. h. bei ausreichendem Luftzutritt
und ausreichend hoher Temperatur sich in Eisenoxyd umwandeln und
seinen Schwefelgehalt abgeben wird. Theoretisch ist also durch eine
entsprechend geleitete Röstung eine vollständige Entschwefelung der
Eisenerze möglich, wenn deren Schwefelgehalt auf dem Vorkommen der
erwähnten drei Mineralien beruht. In der Wirklichkeit wird diesem Vor-
gange allerdings durch den Umstand ein Ziel gesteckt, dass zu dem
[188]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.
Schwefelgehalte, der im Innern der Erzstücke eingeschlossen ist, die
Luft immerhin nur beschränkten Zutritt erhält. Eine Zersetzung und
Entschweflung dieser im Innern dichter Erzstücke eingeschlossenen Kiese
ist jedoch ebenfalls möglich, wenn die Temperatur sehr hoch, d. h. bis
zum Sintern der Erze gesteigert wird. Das Erz selbst dient dann ver-
möge seines Sauerstoffgehaltes als Oxydationsmittel für den Schwefel;
ein anderer Theil des bei der Erhitzung in jedem Falle zuerst ent-
stehenden Einfachschwefeleisens schmilzt, saigert aus dem hocherhitzten
Erzstücke aus und wird an der Oberfläche desselben dann ebenfalls
oxydirt. 1)


Kupferkies wird ohne Luftzutritt nicht zerlegt; durch oxydirende
Röstung dagegen entstehen schwefelsaure Salze, welche in Wasser lös-
lich sind, in sehr hoher Temperatur aber unter Hinterlassung der Oxyde
und Austreibung der Schwefelsäure zersetzt werden.


Arsenkies entlässt schon in dunkler Rothgluth einen Theil seines
Schwefel- und Arsengehaltes als Schwefelarsen; in höherer Temperatur
und unter Luftzutritt entsteht zunächst schwefelsaures und arsensaures
Eisen, welches ersteres wie bei der Schwefelkiesröstung zerlegt wird, wäh-
rend das letztere unzersetzbar ist. Ein Theil des Arsens bleibt also bei
dem Eisen zurück; das verflüchtigte Arsen, dessen Anwesenheit beim
Rösten arsenhaltiger Erze sich gewöhnlich durch den bekannten knob-
lauchartigen Geruch deutlich verräth, wird bei Luftzutritt ganz oder
theilweise zu Arsenigsäureanhydrid verbrannt.


Zinkblende bildet beim Rösten unter Luftzutritt Zinkoxyd neben
Zinksulfat; letzteres aber ist durch Erhitzung nur in sehr hoher Tempe-
ratur zerlegbar. Seine Leichtlöslichkeit in Wasser giebt trotzdem ein
Mittel an die Hand, es nach vollbrachter Röstung aus den Erzen zu
entfernen.


Bleiglanz entlässt bei Luftzutritt schon in niedriger Temperatur
einen Theil seines Schwefels als schweflige Säure; ein anderer Theil
desselben bildet mit dem entstehenden Bleioxyd schwefelsaures Salz,
welches wie das Zinksulfat einer sehr hohen Temperatur zur Zerlegung
bedarf, dagegen nicht, wie dieses, in Wasser löslich ist.


Aus dem geschilderten Verhalten der verschiedenen in
den Erzen auftretenden Schwefelverbindungen ergiebt sich,
dass in jedem Falle ein grosser Theil des Schwefels durch
Röstung der Erze ausgetrieben werden kann; dass die Ent-
schweflung, in welcher Verbindung der Schwefel auftreten
möge, um so vollständiger sein wird, je kleiner die Erz-
stücke sind, je stärker der Luftzutritt und je höher die
Temperatur beim Rösten ist; und dass in vielen Fällen die
Wirkung des Röstens durch eine nachfolgende Behandlung
des Erzes mit Wasser zum Ausziehen der gebildeten lös-
lichen Sulfate wesentlich unterstützt werden kann
.


Die in früheren Jahren verschiedentlich vorgeschlagene und ver-
suchsweise durchgeführte Anwendung von Wasserdampf beim Rösten
[189]Die Vorbereitungsarbeiten. Das Rösten.
zur vollständigeren Zerlegung der anwesenden Schwefelmetalle hat
einen praktischen Erfolg nicht gehabt. Wenn auch die chemische Ein-
wirkung des Wasserdampfes nicht zu läugnen ist, so ist doch die Ent-
schweflung nicht vollständiger, als sie auch durch stark oxydirende
Röstung ohne Wasserdampf zu erreichen ist, die Kosten des Verfahrens
aber sind natürlich entsprechend höher.


Ausser in den genannten Schwefelmetallen findet sich Schwefel
mitunter in natürlich vorkommenden, mit den Erzen verwachsenen Sul-
faten, vornehmlich Gips, Anhydrit, Schwerspath. Eine Zerlegung der-
selben durch die beim Rösten erreichbare Temperatur ist nicht möglich;
eine Abminderung des in dieser Form auftretenden Schwefelgehaltes
(der übrigens von vorn herein geringere Bedeutung besitzt als in den
zuvor besprochenen Fällen) durch Röstung also auch nicht zu erreichen.
Aus demselben Grunde wirkt auch die Anwesenheit von Kalkspath
neben Zinkblende u. s. w. nachtheilig. Es entsteht Calciumsulfat, welches
nicht mehr zersetzt wird und auch im Wasser sich schwierig löst.


Ein dritter Zweck der Röstung ist die Höheroxydation eisen-
oxydulhaltiger Erze
. Diese Erze sind Spatheisensteine, Sphäro-
siderite und Magneteisensteine. Die Erfahrung lehrt und durch wissen-
schaftliche Versuche ist es unzweifelhaft festgestellt worden 1), dass das
Eisenoxyd Fe2 O3 reducirenden Einflüssen, insbesondere den Einflüssen
reducirender Gase, leichter zugänglich ist als die niedrigeren Oxydations-
stufen des Eisens, ganz besonders auch als das Oxyduloxyd, wie es
uns im Magneteisenerze entgegentritt.


Dass Spatheisensteine und Sphärosiderite schon bei einfacher Röstung
ohne Luftzutritt sich in Oxyduloxyde mit abweichendem Sauerstoff-
gehalte umwandeln, wurde bereits erwähnt; bei Röstung in oxydirender
Atmosphäre gehen sie schliesslich mehr oder minder vollständig in wirk-
liches Eisenoxyd, durch die rothe Farbe deutlich gekennzeichnet, über.


Magneteisenerze erfordern, um in Eisenoxyd umgewandelt zu wer-
den, einer längeren Einwirkung oxydirender Gase als die erwähnten
Carbonate. Eine ganz vollständige Umwandlung in Oxyd wird bei jenen
wie bei diesen Erzen in der Praxis kaum jemals zu erreichen sein, da
immerhin die inneren Theile der Erzstücke der Einwirkung der oxy-
direnden Einflüsse nur unvollständig ausgesetzt sind; je mehr Ober-
fläche die Erzstücke darbieten, je kleiner also die einzelnen Stücke
sind, je anhaltender die Erhitzung ist und mit je reichlicherem Luft-
zutritte dieselbe vor sich geht, desto mehr wird man sich jenem Ziele
— der vollständigen Umwandlung des Oxyduls in Oxyd — nähern.


Selbst eisenreiche Schlacken (Frischschlacken, Schweissofenschlacken),
deren Eisengehalt theils als Oxyd, zum grösseren Theile aber als Oxydul
zugegen zu sein pflegt und welche nicht selten neben den Erzen als
Material zur Eisendarstellung benutzt werden, lassen sich durch oxy-
dirende Röstung höher oxydiren. Nach Tholander’s Versuchen tritt
hierbei eine förmliche Zerlegung derselben unter Ausscheidung von
Kieselsäure ein, und ihre Reductionsfähigkeit wird durch diesen Vorgang
bedeutend erhöht. Die Zeitdauer für diese Höheroxydation der Silikate
[190]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.
aber ist erheblich länger, der ganze Process schwieriger durchführbar
als bei den eigentlichen Erzen; und hierin liegt wohl der Grund, wes-
halb man von der Röstung der Schlacken, obgleich deren erfolg-
reiche
Durchführung die Verhüttung erheblich erleichtern würde, doch
in der Praxis nur ausnahmsweise Gebrauch macht.


Aus den bisherigen Ausführungen erklärt es sich zur Genüge,
dass nur ein Theil der gesammten Erze, und zwar der kleinere Theil
derselben, einer Röstung vor der Verhüttung unterworfen wird. Nicht
allein die Beschaffenheit des Erzes selbst wie seiner Beimengungen,
auch die Art des Verhüttungsprocesses ist hierbei maassgebend.


In den allermeisten Fällen werden die Erze im Hochofen auf Roh-
eisen verarbeitet. Wird hierbei eine basische, insbesondere kalkerde-
reiche Schlacke gebildet, wie es bei dem Betriebe mit Koks oder mine-
ralischen Brennstoffen im Allgemeinen der Fall zu sein pflegt, so besitzt
dieselbe die Fähigkeit, den Schwefel der Erze aufzunehmen; für das
erfolgende Roheisen also wird derselbe unschädlich, sofern nicht die
Erze eine ungewöhnlich grosse Menge von Kiesen u. s. w. enthalten.
Entsteht aber, wie in den meisten mit Holzkohlen betriebenen Hoch-
öfen, eine kieselsäurereichere, kalkerdeärmere Schlacke (Bi- bis Tri-
silikat), so geht ein grosser Theil des anwesenden Schwefels an das
Eisen und benachtheiligt dessen Eigenschaften. In diesem Falle würde
demnach eine Röstung schwefelreicher Erze nicht allein zweckmässig
sondern sogar nothwendig sein, wenn brauchbares Eisen daraus dar-
gestellt werden soll.


Rotheisenerze werden nur ausnahmsweise geröstet, wenn ent-
weder ein grosser Schwefelgehalt ausgetrieben werden oder eine mürbere
Beschaffenheit der Erze hervorgerufen werden soll.


Brauneisenerze werden, wie schon erwähnt wurde, auch nur
in denselben Ausnahmefällen wie die Rotheisenerze der Röstung unter-
zogen, nachdem die bei der Röstung stattfindende Austreibung ihres
Wassergehaltes sich als nutzlos für die spätere Verhüttung gezeigt hat.


Spatheisensteine und Sphärosiderite (sowie Kohleneisen-
steine und verwandte Erzsorten) werden der Regel nach geröstet, um
in Eisenoxyd umgewandelt zu werden, theilweise auch zur Austreibung
ihres mitunter nicht unbeträchtlichen Schwefelgehaltes. Für Darstellung
gewisser Eisensorten pflegt man allerdings neben den gerösteten Erzen
auch kleinere oder grössere Mengen ungeröstete derselben Gattung mit
zu verhütten.


Magneteisenerze werden fast ohne Ausnahme zur Höheroxy-
dation geröstet.


Manganerze werden mitunter zur Abminderung ihres Sauerstoff-
gehaltes geröstet. Je höher derselbe ist, desto zweckmässiger ist die
Röstung.


Zuschlagskalksteine und Dolomite werden, sofern sie für
den Hochofenbetrieb bestimmt sind, selten, für den basischen Bessemer-
betrieb dagegen regelmässig geröstet (gebrannt).


[191]Die Vorbereitungsarbeiten. Das Rösten.

Eisenreiche Schlacken, sofern sie als Material für den Hoch-
ofenbetrieb bestimmt sind, werden in Rücksicht auf die oben erwähnte
Schwierigkeit der Erlangung eines Erfolges, d. h. einer durchgreifenden
Höheroxydation, nur ausnahmsweise geröstet.


Da bei der Röstung aller derjenigen Erze, bei welchen entweder
eine Entschweflung oder eine Höheroxydation beabsichtigt wird, der
Zweck nur erreicht werden kann, wenn eine genügende Menge freien
Sauerstoffes während des Röstens Zutritt findet, in den selteneren Fällen
aber, wo Eisenerze oder Zuschläge aus anderen Gründen geröstet
werden, jener Zutritt der Luft wenigstens nicht nachtheilig auf den
Erfolg einwirkt 1), so pflegt man die Röstung der Eisenerze und Zu-
schläge stets in oxydirender Atmosphäre vorzunehmen.


Nur beim Rösten von sauerstoffreichen Manganerzen würde, wie
erwähnt, die beabsichtigte Umwandlung derselben in Manganoxyd durch
eine Röstung in reducirender Atmosphäre nicht unerheblich erleichtert
werden.


Die am zweckmässigsten anzuwendende Temperatur beim Rösten
muss von der Beschaffenheit der Erze abhängig sein.


Je leichter die Erze mit den beigemengten Gangarten verschlacken,
desto niedriger muss die Rösttemperatur gehalten werden. Erze, welche
mit Quarz fein durchwachsen sind, ertragen deshalb durchschnittlich
geringere Temperaturen als quarzfreie.


Eisenoxyd und Kalk schmelzen in hoher Temperatur zu einer
weniger leicht reducirbaren Verbindung als das reine Eisenoxyd zusam-
men. 2) Es folgt hieraus, dass auch für kalkige Rotheisenerze, sofern
diese ausnahmsweise dem Röstprocesse unterworfen würden, eine allzu
hohe Temperatur nachtheilig sein würde.


Jene Höheroxydation der Carbonate und Magnetite aber, welche
in den allermeisten Fällen der Hauptzweck der Röstung ist, wird voll-
ständiger durch eine längere Zeitdauer der Einwirkung freien Sauer-
stoffes als durch übermässig gesteigerte Temperatur erreicht. Helle Roth-
gluth ist für diesen Zweck die geeignetste Temperatur. Bei stärkerer
Erhitzung wird im Gegentheile vorhandenes Eisenoxyd unter Sauer-
stoffabgabe theilweise zu Oxydoxydul reducirt, der beste Beweis dafür,
dass eine zu hohe Temperatur nicht förderlich für die Höheroxydation
der in Rede stehenden Erze sein kann. 3)


Ist dagegen der Hauptzweck der Röstung eine weitgehende Ent-
schweflung, so ist allerdings eine höhere Temperatur erforderlich als
für einfache Höheroxydation der Erze; und es rechtfertigt sich hieraus
[192]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.
der Umstand, dass man in diesem Falle, z. B. auf schwedischen Eisen-
werken, schwefelkiesreiche Magneteisenerze selbst bis zur beginnenden
Schmelzung erhitzt. Die Vorgänge, welche hierbei eine Austreibung
des Schwefels selbst aus dem Innern dichter Erzstücke bewirken, wurden
bereits auf S. 188 besprochen.


Da der Zweck der Röstung in allen Fällen, wo derselbe in einer
Höheroxydation oder einer Entschweflung besteht, um so vollständiger
erreicht wird, je grössere Oberfläche die einzelnen Erzstücke darbieten
und je kleiner ihr Rauminhalt ist, so empfiehlt es sich, zuerst die Zer-
kleinerung der Erze vorzunehmen und auf diese erst die Röstung folgen
zu lassen. Wenn man trotzdem nicht selten den umgekehrten Weg
einschlägt, die Zerkleinerung auf die Röstung folgen lässt, so liegt der
Grund zu diesem Verfahren in dem Umstande, dass die Erze durch
die Röstung weit mürber werden, sich im gerösteten Zustande also mit
einem geringeren Aufwande von Arbeit zerkleinern lassen und die Zer-
kleinerungsapparate weniger abnutzen.


Wo die Arbeitslöhne niedrig, die zum Rösten verwendbaren Brenn-
stoffe billig, die gesammten Röstkosten also nicht hoch sind, bringt man
in Rücksicht auf diese Verhältnisse wohl ein zweimaliges Rösten zur
Anwendung, das erste vor, das zweite nach der Zerkleinerung.


Kennzeichen gut gerösteter Erze. Da verschiedene Erze für
ihre Röstung verschiedene Temperaturen erfordern, so sind die Merk-
male für ein gut geröstetes Erz auch nicht immer genau dieselben. In
den meisten Fällen darf die Temperatur aus den erörterten Gründen
nicht bis zum beginnenden Schmelzen der Erzstücke gesteigert werden;
zeigen sich also zusammengebackene verschlackte Massen, so ist das
ein Zeichen, dass die Temperatur zu hoch war.


Die Farbe der gerösteten Erze muss, da bei der Röstung Eisenoxyd
gebildet werden soll, roth sein, und im Allgemeinen lässt sich ein Erz
als um so besser geröstet betrachten, je deutlicher, gleichmässiger dieses
Roth hervortritt. Nur jene Erze, welche zum Zwecke einer völligen
Entschweflung bis zum Sintern erhitzt wurden, machen hiervon eine
Ausnahme; sie zeigen gewöhnlich eine blaugraue Farbe, welche ebenso-
wohl dem Eisenoxyduloxyd als dem geschmolzenen Eisenoxyd eigen-
thümlich ist.


Zerschlägt man ein Stück gerösteten Erzes, so muss das Innere
dasselbe Aussehen zeigen als die Oberfläche; zeigt sich ein Kern, dessen
Beschaffenheit an diejenige des ungerösteten Erzes erinnert, so war die
Zeitdauer der Röstung zu kurz. Dass es jedoch um so schwieriger ist,
die Wirkungen des Röstprocesses gleichmässig bis auf das Innere der
Erzstücke auszudehnen, je grösser der Durchmesser der letzteren ist,
und dass aus diesem Grunde eine der Röstung voraufgehende Zer-
kleinerung sehr am Platze ist, wurde schon öfter hervorgehoben.


Das Zerschlagen der Erzstücke muss ohne Schwierigkeit von statten
gehen; einzelne Erze, insbesondere die Carbonate, lassen sich nach gut
gelungener Röstung häufig schon mit der Hand in kleinere Stücke
zerbrechen.


[193]Die Vorbereitungsarbeiten. Das Rösten in Haufen.
b. Die Ausführung des Röstens.

Aus der Erklärung des Begriffs „Rösten“ ergiebt sich von selbst,
dass die Ausführung des Verfahrens durch Erhitzung des Erzes unter
Anwendung irgend eines Brennstoffes geschieht. Derselbe kann fest
oder gasförmig sein. Bei Kohleneisensteinen, welche selbst reich an
brennbarer Substanz sind, pflegt ein fremder Brennstoff nicht erforder-
lich zu sein, ja nicht selten reicht die bei der Röstung derselben ent-
wickelte Wärme aus, auch noch andere Erze, welche zu diesem Zwecke
mit jenen gemischt werden, ohne besonderen Brennstoff zu rösten.


Das Rösten in Haufen.

Wie bei der Verkohlung und Verkokung roher Brennstoffe die
Anwendung von Haufen (Meilern) das älteste und einfachste Verfahren
bildet, aus welchem sich erst später zur besseren Ausnutzung der
erzeugten Wärme und zur sichereren Regelung des Processes die An-
wendung besonderer Apparate entwickelte, so tritt uns auch als das
einfachste und älteste Verfahren der Eisenerzröstung die Anwendung
von Haufen entgegen, in welchen das Erz mit dem Brennstoffe ge-
schichtet ist und durch die allmähliche, durch die stete Berührung mit
der äusseren Luft bewirkte Verbrennung des letzteren geröstet wird.


Als Brennstoff für die Haufenröstung pflegt man, sofern nicht selbst-
röstende Kohleneisensteine geröstet werden, Holzkohlen- oder Stein-
kohlenklein zu benutzen.


Den Haufen giebt man die Form ganz flacher abgestumpfter Pyra-
miden mit rechteckiger Grundfläche. Die Breite derselben muss, damit
die äussere Luft bis in das Innere vordringen kann, von der Grösse
und Form der einzelnen Erzstücke abhängig sein und pflegt bei Erzen,
welche mit fremdem Brennstoffe geröstet werden, 4—6 m zu betragen,
während man bei der Röstung von Kohleneisensteinen Haufen bis zu
10 m Breite anwendet. Die Länge der Haufen richtet sich nach der
Menge des zu röstenden Erzes sowie der Grösse des verfügbaren Platzes
und erreicht bei Kohleneisensteinen mitunter ein Maass von 60 m. Die
Höhe muss sich, damit die Gase Durchgang haben, wie die Breite
nach der Beschaffenheit der Erzstücke richten und schwankt zwischen
1—5 m, geht aber nur in selteneren Fällen über 2.5 m hinaus.


Man benutzt einen ebenen trockenen Platz neben der Lagerstätte
der Erze, den man erforderlichen Falls durch Aufstampfen von Lehm,
Pflasterung oder dergl. entsprechend vorbereitet. Bei der Röstung von
Erzen ohne eigene Kohle schüttet man auf diesem Platze zunächst eine
Schicht leicht entzündlichen Brennmateriales, am besten Holzscheite
mit dazwischen geschütteten Spänen, Torf, Tannzapfen oder dergl.,
sonst auch wohl nur Holzkohlenlösche, in der Länge und Breite auf,
welche die Grundfläche des Haufens erhalten soll. Diese unterste Schicht
heisst das Röstbett. Nun kommt eine Schicht Erzstücke, ca. 40—50 cm
hoch, dann wieder eine Schicht Brennstoff (Holzkohlenklein, Steinkohlen-
klein), hierauf wieder Erz u. s. f. Die einzelnen Schichten werden mit
Karren aufgefahren und mit Krücken sorgfältig geebnet; da die oberen
Schichten von sämmtlichen aufsteigenden Gasen durchdrungen und hierbei
erhitzt werden, so macht man die Kohlenschichten um so schwächer,
Ledebur, Handbuch. 13
[194]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.
die Erzschichten um so stärker, je weiter nach oben sie sich befinden,
damit eine möglichst gleichmässige Erhitzung des ganzen Haufens
erzielt werde.


Bei dem Auffahren der Schichten übereinander entsteht schon von
selbst, wenn man nicht etwa durch künstliches Aufbauen besonders
dazu geeigneter Erzstücke senkrechte Umfassungswände herstellt, die
Form einer flachen abgestumpften Pyramide gemäss dem Böschungs-
winkel des Materials.


Der ganze Haufen wird schliesslich noch mit einer Decke aus Kohlen-
klein versehen und nun rings herum am Fusse entzündet.


Bei der Röstung von Kohleneisensteinen fällt, wie schon erwähnt,
die Einschichtung von Brennstoff fort. Sind dieselben schwer entzünd-
lich, so legt man beim Setzen des Haufens mit Hilfe grösserer Erz-
stücke Zündkanäle an der Sohle an, welche bis zur Mitte führen und
mit leicht brennbarem Materiale gefüllt werden.


Sehr lange Haufen steckt man auch wohl nur an einer Seite in
Brand, so dass das Feuer sich von hier aus nach dem anderen Ende hin
fortpflanzt; die abgerösteten Erze werden entfernt, und man kann schon
das Auffahren eines neuen Haufens beginnen, ehe der alte völlig durch-
geröstet ist.


Die Brennzeit beträgt je nach der Grösse der Haufen zwei Wochen
bis mehrere Monate. Sehr verschieden ist auch der Brennstoffverbrauch
bei den Erzen, welche nicht selbst ihren Brennstoff mitführen. Die Art
des Brennstoffes, die erforderliche Rösttemperatur, die Grösse der Haufen
sind hierbei maassgebend. Bei Anwendung von Steinkohlenklein wird
man als durchschnittlichen Verbrauch zum Rösten von 1000 kg Erz
100 kg Kohlen rechnen dürfen; die Löhne dürften sich in den meisten
Fällen auf 40—50 Pf. für dasselbe Erzquantum beziffern. 1)


Da der Rösthaufen an allen Seiten wie an der Oberfläche voll-
ständig frei liegt und einem steten Luftwechsel ausgesetzt ist, so ist die
Ausnutzung des Brennstoffes beim Rösten in Haufen eine sehr un-
günstige. Zu diesem Uebelstande kommt der andere, dass der Verlauf
des Verbrennungsprocesses durch Witterungseinflüsse, insbesondere durch
Stärke und Richtung des herrschenden Windes nicht unwesentlich be-
einflusst wird, und dass es, ganz abgesehen von diesen zufälligen Ein-
wirkungen, doch in Rücksicht auf die schon oben angedeutete Eigen-
thümlichkeit der Erhitzung, welcher die oberen Schichten stärker als
die unteren ausgesetzt sind, auch bei sorgfältigster Aufstellung des
Haufens kaum möglich ist, eine ganz gleichmässige Röstung der Erze
zu erreichen. Stets werden sich einzelne zu schwach und andere zu
stark geröstete Erze in einem und demselben Haufen befinden.


Von Jahr zu Jahr hat deshalb die Haufenröstung abgenommen,
seitdem man mehr als in alter Zeit durch äussere Verhältnisse ge-
zwungen war, bei jedem Processe der Eisenerzeugung auf Brennstoff-
ersparung und möglichste Vervollkommnung des Arbeitsverfahrens Rück-
[195]Die Vorbereitungsarbeiten. Das Rösten in Stadeln.
sicht zu nehmen. Am häufigsten kommt die Haufenröstung noch bei
Kohleneisensteinen in Anwendung, weil hier jene Rücksicht auf Brenn-
stoffersparung weniger in Betracht kommt, im Uebrigen aber das Ver-
fahren ausserordentlich einfach und mit geringen Kosten durchzuführen
ist; und während die übrigen Erze in der Jetztzeit nur noch äusserst
selten in Haufen geröstet werden, dürfte für Kohleneisensteine die
Haufenröstung noch häufiger als ein anderes Röstverfahren in An-
wendung sein.


Das Rösten in Stadeln.

Stadel oder Röststadel nennt man eine oben offene, gemauerte
seitliche Einfassung eines Rösthaufens. Durch Oeffnungen in den Wänden,
welche durch eingesetzte Steine nach Belieben geschlossen werden
können, lässt sich der Luftzutritt von der Seite her reguliren; von unten
her wird ebenfalls gewöhnlich Luft durch einen von aussen kommen-
den Kanal zugeführt, welcher unter einem oder mehreren Rosten in
der Sohle des Stadels mündet. An einer Seite ist in der Umfassungs-
wand ein ausreichend breiter Schlitz ausgespart, welcher zum Füllen
und späteren Entleeren des Stadels dient und während des Röstens ver-
mauert oder durch eingesetzte Eisenplatten verschlossen wird.


Ein Stadel verhält sich demnach zu einem Rösthaufen ähnlich wie
ein Schaumburger Verkokungsofen (S. 62) zu einem Steinkohlenmeiler.
Die Wärmeverluste werden zwar bei Anwendung der Stadelröstung im
Vergleiche zur Haufenröstung abgemindert, so dass man mit etwas
geringerem Brennstoffverbrauche arbeitet; und durch Oeffnen und
Schliessen der Zugöffnungen ist eine Regelung der Verbrennung bei
wechselnder Windrichtung zu ermöglichen. Wie in einem Rösthaufen
aber sind im Stadel die oberen Schichten, durch welche sämmtliche von
unten aufsteigende Gase hindurchziehen, der Erhitzung in stärkerem
Maasse ausgesetzt als die unteren, und an der Oberfläche des Stadels
entweicht immerhin ein beträchtlicher Theil Wärme ungenutzt. Die
Uebelstände der Haufenröstung sind daher bei der Stadelröstung wohl
abgemindert, aber nicht beseitigt; und den durch Anwendung eines
Stadels erlangten Vortheilen stehen die, wenn auch nicht beträchtlichen,
Anlage- und Unterhaltungskosten und der Umstand gegenüber, dass
man hinsichtlich der Menge der in einem Male zu röstenden Erze an
den Fassungsraum des Stadels gebunden ist. Diese Umstände machen
es erklärlich, dass die Stadelröstung in der Jetztzeit noch seltener als
die Haufenröstung angetroffen wird. In Schweden, wo sie in den ersten
Jahrzehnten dieses Jahrhunderts sehr allgemein war, ist sie ziemlich
vollständig verschwunden; auch auf deutschen Eisenwerken, wo sie ver-
einzelt noch in den sechziger Jahren in Anwendung war (Ilsenburg am
Harz), dürfte sie inzwischen gänzlich erloschen sein.


Das Rösten in Oefen.

Man benutzt zum Rösten der Eisenerze fast ausschliesslich Schacht-
öfen. Von dem Röststadel unterscheidet sich der Röstofen theils durch
seine grössere Höhe und geringere Weite, vornehmlich aber dadurch,
dass in dem Ofen, welcher in dem unteren Theile mit Ausziehöffnungen
für die abgerösteten Erze versehen ist, eine allmähliche Bewegung der
13*
[196]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.
in die Gicht des Ofens eingeschütteten Erze nach unten stattfindet und
auf diese Weise ein ununterbrochener Betrieb des Ofens möglich ist;
die Verbrennungsgase aber, welche in dem unteren Theile des Ofens,
wo die Luft Zutritt hat, gebildet werden, steigen empor und begegnen
den niederrückenden Erzen. Diese entgegengesetzte, allen direct wirken-
den Schachtöfen eigenthümliche Bewegungsrichtung der wärmeauf-
nehmenden und wärmeabgebenden Körper befördert aber früheren Dar-
legungen zufolge (S. 26) in hohem Maasse die Wärmeausnutzung;
und da sämmtliche in die Gicht eingeschütteten Erze auch denselben
Weg zurücklegen, also der Erhitzung in dem gleichen Maasse aus-
gesetzt sind, so ist die Röstung durchschnittlich auch gleichmässiger
als in Haufen und Stadeln.


Diese Vortheile der Ofenröstung — ununterbrochener Betrieb, ge-
ringer Brennstoffverbrauch und grössere Gleichmässigkeit in der Be-
schaffenheit der gerösteten Erze — lassen dieselbe als die bei weitem
vollkommenste aller Röstmethoden erscheinen, so dass in der Jetztzeit
die Ofenröstung die Regel bildet, während Haufen- und Stadelröstung
zu den Ausnahmen zählen.


Verwendet man festes Brennmaterial — Kohlenklein — zum Rösten,
so wird dasselbe in abwechselnden Schichten mit dem Erze in die Gicht
eingeschüttet und sinkt wie dieses abwärts, um allmählich durch den
aufsteigenden Luftstrom verbrannt zu werden; verwendet man Gase
(Gichtgase des Hochofens, Generatorgase), so werden dieselben durch
entsprechend angeordnete Oeffnungen im unteren Theile des Ofens ein-
geleitet. Die Verbrennungsluft lässt man gewöhnlich durch die zum
Ziehen der Erze bestimmten Oeffnungen zutreten; sie muss hierbei
zwischen den noch warmen Erzstücken hindurch ihren Weg nehmen,
kühlt diese ab und führt die aufgenommene Wärme in den Ofen zurück.
Nicht selten jedoch ordnet man ausser diesen Oeffnungen noch beson-
dere Luftzuführungsöffnungen an, insbesondere dann, wenn eine stark
oxydirende Röstung beabsichtigt ist. Der Luftzug wird fast immer
durch den Ofen selbst, welcher hierbei als Esse wirkt, hervorgerufen;
nur in wenigen Ausnahmefällen — bei dicht liegenden Erzen in hohen
Oefen — hat man den kostspieligeren Gebläsewind zur Anwendung
gebracht.


Gasfeuerung hat vor der Feuerung mit festen Brennstoffen ausser
den früher schon erwähnten allgemeineren Annehmlichkeiten in diesem
Falle noch den Vorzug voraus, dass die Erze nicht durch Asche der
Brennstoffe verunreinigt werden; und bei der Aufgabe, eine annähernd
vollständige Entschweflung kiesiger Erze herbeizuführen, giebt sie leichter
die Möglichkeit, die hierfür erforderliche hohe Temperatur bei stark
oxydirender Gasatmosphäre herbeizuführen. Wenn trotzdem die Gas-
feuerung der Röstöfen nicht ganz so häufig als die Feuerung mit
festem Brennmaterial angetroffen wird, so ist der Grund dafür zum
grossen Theile in dem Umstande zu suchen, dass jenes Kohlenklein,
welches in dem letzteren Falle als Brennstoff zu dienen pflegt, auf
den meisten Eisenwerken fast kostenlos zu haben ist, seine Umwand-
lung in brennbares Gas dagegen nicht ohne Ausgabe für Anlage
und Wartung der betreffenden Gaserzeuger zu bewerkstelligen sein
würde, deren Betrag nicht immer im Einklange zu dem erreichten
[197]Die Vorbereitungsarbeiten. Das Rösten in Oefen.
Erfolge stehen dürfte; ferner, dass die Wartung des Röstofens selbst
grössere Aufmerksamkeit bei Gasfeuerung als bei jener Feuerung mit
Kohlenklein erheischt. Es ist ausserdem in Betracht zu ziehen, dass
Gase, obwohl sie leichter als feste Brennstoffe hohe Verbrennungstempe-
raturen liefern, doch auch wieder einer höheren Temperatur im Ver-
brennungsraume bedürfen, um entzündet und vollständig verbrannt zu
werden, und dass nur in ganz bestimmten Fällen, wie oben erläutert
wurde, eine so hohe Rösttemperatur zulässig oder zweckmässig ist. Jenes
oben erwähnte Missverhältniss in den Kosten des verschiedenen Brenn-
stoffes erklärt es aber auch zur Genüge, dass Gasröstöfen vorzugsweise
da zur Anwendung gelangen, wo Hochofengichtgase, also ein an und
für sich kostenlos erfolgendes Nebenerzeugniss des Hochofens, für die
Heizung derselben zur Anwendung stehen. Wo aber, wie bei der
grösseren Zahl aller Eisenwerke, diese Gichtgase zur Heizung von
Dampfkesseln und Winderhitzungsapparaten vollständig ausgenutzt werden
können, man also bei ihrer Benutzung zum Rösten für die letzteren
Zwecke noch einen Extraaufwand an werthvollerem Brennstoff, als für
die Heizung der Röstöfen ausreicht, zu tragen haben würde, da wird
fast immer vom haushälterischen Standpunkte aus das Rösten mit Kohlen-
klein dem Rösten mit Gas vorzuziehen sein.


Ein Mittelding zwischen den eigentlichen Gasröstöfen und den Oefen
mit eingeschichtetem Kohlenklein bilden solche Oefen, bei denen auf
Rosten, welche ausserhalb des Ofenschachtes angebracht sind, mit dem
Ofeninneren aber in Verbindung stehen, die Brennstoffe (Holz, Stein-
kohlen) verbrannt werden, so dass die Verbrennungsgase durch den
Ofen und die in demselben aufgeschichteten Erze hindurch ihren Weg
nehmen müssen. Derartige Oefen haben mit den Gasröstöfen den Vor-
theil gemein, dass jede Verunreinigung der Erze durch Asche aus-
geschlossen und stärkere Oxydationswirkung als bei der Berührung der
Erze mit glühenden Kohlen möglich ist; sie erfordern aber immerhin
die Anwendung kostspieligerer Brennstoffe als die gewöhnlichen Röst-
öfen für Kohlenklein. Man benutzt sie in einzelnen Fällen, wo die
Erlangung jener Vortheile der Gasfeuerungen besonders wünschenswerth
ist, Gase aber nicht zur Verwendung stehen und die Anlage besonderer
Gaserzeuger nicht als zweckdienlich erscheint (so z. B. zum Brennen
des Kalksteines für den basischen Bessemerprocess; in Schweden auch
seit 1826 neben den Gasröstöfen zum Rösten kiesiger Magneteisenerze).


Die Form und Grösse der verschiedenen auf den Eisenwerken zur
Verwendung gebrachten Röstöfen ist ausserordentlich mannigfaltig. Da
von sämmtlichen vorkommenden Eisenerzen nur der kleinere Theil der
Röstung unterworfen wird, so erklärt es sich leicht, dass wir den Bau
und den Betrieb der Röstöfen vorwiegend in bestimmten Ländern und
Bezirken ausgebildet finden, wo eben jene der Röstung bedürftigen
Eisenerze (Carbonate und Magnetite) in grösseren Mengen auftreten,
während in anderen Gegenden, wo man ausschliesslich Roth- und Braun-
eisenerze verhüttet, auch auf bedeutenden Eisenwerken oft nicht ein
einziger Röstofen angetroffen wird. Anderntheils, da die Ansprüche,
welche an die Röstung gestellt werden, wiederum nach der Beschaffen-
heit der Erze selbst wie nach der Art der späteren Verhüttung ver-
schieden sein können (wie schon oben erläutert wurde), so lassen sich
[198]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.
auch wiederum gewisse charakteristische Eigenthümlichkeiten in der Ein-
richtung der Oefen eines ganzen Bezirkes erkennen, welche eben durch
jene verschiedenen Ansprüche begründet sind.


So z. B. bilden in Cleveland und Südwales thonige Sphäro-
siderite den Hauptreichthum an Eisenerz. Sie bedürfen, um leicht-
reducirbar zu werden, einer oxydirenden Röstung; da sie mit Koks
oder Steinkohlen verhüttet werden, ihr durchschnittlicher Schwefelgehalt
überhaupt nicht sehr hoch ist, die Aufgabe der vollständigen Ent-
schweflung also geringere Wichtigkeit besitzt, braucht die Temperatur
nicht jenes höchste Maass zu erreichen, wie es für den letztgenannten
Zweck des Röstens erforderlich sein würde; aber der massenhafte Ver-
brauch an jenen Erzen stellt erhöhte Ansprüche an die Leistungsfähig-
keit der Oefen. Daher zeichnen sich die Oefen jener Bezirke meistens
durch bedeutende Grösse aus, welche eine entsprechend grosse Leistung
mit sich bringt; als Brennstoffe dienen grösstentheils die billig zu
erlangenden Steinkohlen, da Gasröstung hier wenig Vortheil bringen
würde.


Ganz anders gestalten sich die Verhältnisse, wo kiesige Magnet-
eisenerze mit Holzkohlen verhüttet werden sollen, also nicht allein
Höheroxydation dieser schwerreducirbaren Erze sondern auch möglichst
vollständige Entschweflung unerlässlich ist. In dieser Beziehung bieten
die Verhältnisse Schwedens ein besonders anschauliches Bild. Für die
Lösung jener Aufgabe ist nicht allein starke Oxydationswirkung, sondern
auch sehr hohe Temperatur bis zur Sinterung der Erze erforderlich;
hier also ist Gasheizung der Röstöfen vorwiegend am Platze. Schweden,
dessen Eisenhüttenleute von jeher ihre besondere Aufmerksamkeit der
Ausbildung des Röstverfahrens zugewendet haben, ist die Heimath der
Gasröstöfen wie der diesen nahestehenden Röstöfen mit Rostfeuerung
ausserhalb des Schachtes. Von hier aus wurden diese Constructionen
nach anderen Gegenden verpflanzt, wo ähnliche Verhältnisse obwalteten
(Nordamerika, Ungarn, Ural); aber eine Röstung der Erze in dem Um-
fange wie in Schweden findet in kaum einem anderen Lande statt.


In den österreichischen Alpenländern sind es vorwiegend Spathe,
die, um mit Holzkohlen verhüttet zu werden, zum Rösten gelangen.
Ein Theil dieser Erze ist ziemlich schwefelfrei und es bedarf nur einer
Zersetzung und Höheroxydation des Carbonates; andere, wie die zu
Mariazell und Neuberg verhütteten Erze, sind stark mit Kiesen durch-
wachsen und bedürfen der Entschweflung; jene hohe Temperatur aber,
wie sie für die dichten Magneteisenerze Schwedens behufs der voll-
ständigen Entschweflung erforderlich ist, würde die Spatheisensteine
vollständig verschlacken und ist um so eher entbehrlich, als diese Erze
bei ihrer Zersetzung ohnehin eine mürbe, poröse Beschaffenheit an-
nehmen, welche auch das Innere derselben der Einwirkung der Gase
leichter zugänglich macht. Einzelne Erze zerfallen sogar vollständig
beim Rösten, behindern dadurch den Luftzug im Ofen und erfordern
deshalb Oefen von geringer Höhe. Die Röstofenconstructionen der
alpinen Eisenwerke sind daher ziemlich mannigfaltig. Reichliche und
auf eine grössere Fläche vertheilte Luftzuführung, durch welche theils
eine kräftige Oxydationswirkung hervorgerufen, theils eine übermässige
locale Temperatursteigerung im Ofen verhindert wird, ist fast allen der-
[199]Die Vorbereitungsarbeiten. Das Rösten in Oefen.
selben gemeinsam. 1) Für dicht liegende Erze sind ganz niedrige Oefen
mit Gasheizung in Verwendung.


In Deutschland bilden die zu röstenden Erze durchschnittlich einen
geringeren Theil der gesammten Beschickung, als in den genannten
Ländern; man schmilzt in den allermeisten Fällen mit Koks, so dass
eine vollständige Entschweflung kaum erforderlich ist, und die Röstung
besitzt im Allgemeinen nicht jene hohe Wichtigkeit als dort. Einzelne
Werke allerdings, deren Erzreichthum vorzugsweise aus Spathen und
Sphärosideriten besteht, sind auch mit umfänglichen Anlagen für die
Röstung derselben versehen. Die deutschen Röstöfen pflegen, diesen
Verhältnissen entsprechend, mittlere Grösse zu besitzen und sich durch
Einfachheit der Construction auszuzeichnen. Nicht selten röstet man
mehrere Erzgattungen (Spathe, Magnetite) nach einander in dem-
selben Ofen.


In früherer Zeit gab man, geleitet durch die damaligen Ansichten
über Wärmeverluste durch dünne Wände, den Röstöfen einen Kern-
schacht und umhüllte denselben mit einem Rauhgemäuer von oft ansehn-
licher Stärke. Solche ältere Röstöfen, schwerfällig in ihrer Construction,
sind noch heute auf verschiedenen Werken in Anwendung, da gewöhn-
lich kein Grund vorliegt, sie, wo sie einmal vorhanden sind, abzubrechen,
um sie durch moderner eingerichtete zu ersetzen.


Wo man indessen neue Oefen anlegt, pflegt man den früher
erörterten Grundsätzen für den Ofenbau gemäss zu verfahren: man um-
schliesst den Ofenschacht mit einer Rüstung, die bei kreisförmigem Quer-
schnitte desselben aus einem aus Blechtafeln zusammengenieteten Mantel
zu bestehen pflegt, mitunter auch wohl nur aus umgelegten Eisenringen
gebildet ist, und lässt das Rauhgemäuer fehlen. Der ganze Ofen wird
dadurch leichter, billiger und beansprucht erheblich weniger Platz, ohne
deshalb an Haltbarkeit einzubüssen. Die unten gegebenen Beispiele
moderner Eisenerzröstöfen werden geeignet sein, diese Construction näher
zu erläutern.


Die Leistungsfähigkeit eines Röstofens, d. h. die Menge des in
bestimmten Zeitabschnitten von demselben gerösteten Erzes, ist selbst-
verständlich zum grossen Theile von seinem Rauminhalte abhängig;
aber auch die Beschaffenheit der zu röstenden Erze, die Art der Feue-
rung und selbst der Bedarf an geröstetem Erz sprechen hierbei mit.
Erfahrungsmässig lässt sich der Betrieb der meisten Röstöfen, ins-
besondere der mit festen Brennstoffen geheizten, innerhalb ziemlich
weiter Grenzen beschleunigen oder verlangsamen, je nachdem es der
Betrieb verlangt, ohne dass andere Nachtheile daraus erwachsen, als
vielleicht ein bei allzu raschem Betriebe etwas erhöhter Brennstoffauf-
wand. So erklärt es sich, dass, während bei zahlreichen Oefen die täg-
[200]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.
lich verarbeitete Erzmenge per cbm Rauminhalt des Ofens nicht über
400—450 kg hinausgeht, andere Oefen die vierfache Leistungsfähigkeit
besitzen, sofern man einen etwas höheren Aufwand an Brennstoff nicht
zu scheuen braucht.


Eine besondere Vorrichtung ist erforderlich, um die Gicht des
Ofens zugänglich zu machen. Es ist hierbei zu berücksichtigen, dass
die Wagen, welche Erze und Brennstoffe zuführen, bis an die Gicht-
öffnung geschoben werden müssen, um hier entleert zu werden.


Ist der Grund, auf dem das Eisenwerk liegt, abschüssig, so stellt
man die Röstöfen gern an einer tieferen Stelle auf und führt eine hori-
zontale oder schwach ansteigende Brücke von dem höher liegenden Erz-
lagerplatze nach der Ofengicht hinüber.


Ist eine derartige Anordnung nicht möglich, die Höhe der Oefen
aber nicht sehr beträchtlich, so sucht man sich wohl zu helfen, indem
man eine geneigte Ebene, aus Bohlen gezimmert oder aus Eisen con-
struirt, von der Sohle nach der Gicht hinaufführt.


Für grössere Anlagen dagegen pflegt man mechanische Gichtauf-
züge zu benutzen. Mehrere Röstöfen werden in diesem Falle durch
Brücken (Bühnen) unter einander verbunden, und ein einziger Aufzug
genügt für die Bedienung derselben. Die Einrichtung dieser Aufzüge
ist im Wesentlichen die nämliche als man bei Hochöfen zum Hinauf-
befördern der Beschickung auf die Gicht in Anwendung bringt (vergl.
Abtheilung II: Darstellung des Roheisens).


Ist indessen der Stürzplatz für die rohen Erze weit entfernt von
den Röstöfen, oder machen es locale Verhältnisse wünschenswerth, ihn
fern von denselben anzulegen, so erlangt man durch Anlage einer Draht-
seilbahn die Möglichkeit, die Erze von dort aus unmittelbar nach der
Gichtbühne der Röstöfen hinauf zu befördern, ohne hierbei durch Un-
ebenheiten des Bodens, ja selbst durch dazwischen liegende Gebäude
und dergl. behindert zu werden.


Der Betrieb der Röstöfen pflegt sehr einfach zu sein. In gewissen
Zeitabschnitten, gewöhnlich alle 6—12 Stunden, bei Gasröstöfen noch
häufiger (1—3 Stunden), wird eine bestimmte Menge geröstetes Erz her-
ausgeholt — „gezogen“ —, die darüber befindlichen Erze rücken zur
Ausfüllung des entstandenen leeren Platzes abwärts und man füllt in
die Gicht eine entsprechende Menge frischen Erzes nach. Verwendet
man Kohlen als Brennstoff, so werden diese zu unterst und die Erze
darauf geschüttet in Lagen, deren Stärke von der Grösse der Oefen
wie der Beschaffenheit der Erze abhängig ist.


Die Verbrennung schreitet bei Anwendung festen Brennstoffes von
unten nach oben hin fort, „das Feuer steigt auf“, und beim neuen
Ziehen pflegt auch die oberste Kohlenschicht bereits ins Glühen ge-
kommen zu sein, wenn der Ofen nicht sehr hoch ist. Bei Gasröstöfen
bleibt die Verbrennung dagegen, wie sich von selbst versteht, auf den
gleichen Raum beschränkt, so lange die Gas- und Luftzuführung sich
nicht ändert.


[201]Die Vorbereitungsarbeiten. Das Rösten in Oefen.

In Oefen, welche leicht eine höhere Temperatur entwickeln und
bei Erzen, welche zum Sintern geneigt sind, kann es geschehen, dass
durch das Zusammenbacken der Erze Versetzungen entstehen und
förmliche Gewölbe sich bilden, welche das Nachrücken der darüber
befindlichen Erze unmöglich machen. In diesem Falle ist es natürlich
erforderlich, diese Versetzungen mit Stangen loszustossen, um den Ofen
im Betriebe zu erhalten. Oefen, bei welchen eine öftere Entstehung
solcher Versetzungen zu befürchten ist, versieht man deshalb mit Oeff-
nungen im Mauerwerk an denjenigen Stellen, wo die stärkste Tempe-
ratur herrscht, also in einiger Höhe über den Lufteinströmungsöffnungen,
um durch diese hindurch die zum Losbrechen der gesinterten Erze
bestimmten Werkzeuge in den Ofen zu führen. Solche Oeffnungen zu
diesem Zwecke heissen Störräume und die Arbeit das Stören. Zweck-
mässig ist es ausserdem in solchen Fällen, die Oefen nach unten sich
allmählich erweitern zu lassen; das Niederrücken der Erze wird dadurch
wesentlich erleichtert, das Ansetzen der sinternden Massen an die Wände
erschwert.


In der geschilderten Weise kann ein Röstofen ununterbrochen im
Betriebe erhalten werden, bis er etwa infolge der allmählichen Abnutzung
reparaturbedürftig geworden ist.


Dass die Wartung eines Röstofens, in welchem behufs der voll-
ständigen Entschweflung Sintertemperatur herrschen muss (wie beim
Rösten schwedischer Magneteisenerze), ungleich grössere Schwierigkeiten
verursacht und grössere Umsicht erheischt, als die Wartung eines ge-
wöhnlichen Röstofens, bedarf keiner weiteren Erläuterung.


Die Inbetriebsetzung eines kalten Ofens pflegt sehr einfach zu sein.
Man bringt zu unterst eine Lage leicht entzündliches Brennmaterial,
setzt dieselbe in Brand, schüttet Kohlen nach, dann, wenn diese glühen,
Erze u. s. f., bis der Ofen gefüllt ist. Je höher der Ofen ist, und je
dichter die Erze liegen, desto allmählicher geht man mit dem Füllen
zu Werke, damit das Feuer nicht erstickt werde. Auch bei Oefen mit
Gasfeuerung bringt man zunächst in die Nähe der Einströmungsöffnungen
Holzstücke und dergleichen, in die Mitte derselben Erzstücke, darüber
wieder Erz mit Kohle gemengt, bis der Ofen etwa zu einem Drittel
oder der Hälfte gefüllt ist. Alsdann wird das Holz entzündet und der
Ofen allmählich weiter gefüllt. Erst wenn im unteren Theile des Ofens
durch diese Art der Feuerung Rothgluth herrscht, wird das Gas zu-
gelassen, worauf nun der Betrieb seinen regelmässigen Verlauf nimmt.


Beispiele von Röstöfen.

Einen jener ungeheueren Röstöfen, wie sie in Cleveland zum
Rösten der dortigen thonigen Sphärosiderite benutzt werden, zeigt die
Abbildung Fig. 39 a. f. S., einen von John Gjers construirten Ofen
darstellend. Der mit Blechmantel versehene Ofenschacht wird von einem
Gusseisenkranze getragen, welcher auf niedrigen gusseisernen Säulen
ruht. Auf diese Weise entsteht ein ringförmiger Raum zwischen der
Sohle und dem Schachte, angefüllt mit den abgerösteten Erzen, zwischen
denen hindurch die Luft reichlichen Zutritt in das Innere findet. Um
[202]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.
das Abstürzen der Erze nach aussen hin zu befördern, ist in der Mitte
des Ofens ein sogenannter Abrutschkegel a angebracht. b b .. sind Stör-
öffnungen, um nöthigenfalls bei zu hoch gestiegener Temperatur Ver-
setzungen losbrechen zu können. Der Ofenschacht ist, wie die Abbildung

Figure 30. Fig. 39.


zeigt, oben cylindrisch und verengt sich nach unten auf einen kleineren
Durchmesser. Bei Erzen, welche einer hohen Rösttemperatur bedürfen
und aus diesem Grunde leicht sintern, würde eine derartige Form,
[203]Die Vorbereitungsarbeiten. Das Rösten in Oefen.
welche das Niederrücken erschweren und die Entstehung von Ver-
setzungen in starkem Maasse befördern würde, durchaus verwerflich
sein; bei Oefen mit niedriger Rösttemperatur und grossem Durchmesser
dagegen ist sie zweckmässig. Die von aussen zutretende Luft nämlich
wie die entwickelten Verbrennungsgase besitzen naturgemäss das Be-
streben, denjenigen Weg zum Aufsteigen im Ofen zu wählen, wo sich
ihnen die geringsten Widerstände entgegensetzen. Dieser Weg findet
sich an den glatten Wänden des Ofens. Bei einem Ofen mit cylindri-
scher Gestalt würden daher die in der Nähe der Ofenachse befindlichen
Erzstücke um so weniger von dem Röstprocesse, insbesondere von der
Oxydation durch die zugeführte Luft beeinflusst werden, je grösser der
Ofendurchmesser ist; es würde durch die stattfindende Erhitzung mit
der nur unvollständig verbrennenden Kohle eher ein Reductions- als ein
Oxydationsprocess hervorgerufen werden. Indem man nun dem Ofen
unten einen kleineren Durchmesser giebt, zwingt man die Luft, in einem
geringeren Abstande von der Ofenachse in den Schacht einzutreten und
solcherart vollständiger als in jenem Falle die Erzsäule zu durchdringen.


Quer über die Gicht des Ofens hinüber sind zwei Schienengleise
von normaler Spurweite gelegt, so dass die mit den Erzen beziehent-
lich mit Brennstoff beladenen Eisenbahnwagen ohne Weiteres bis hierher
gerollt und hier entleert werden können. Bühnen neben den Gleisen
ermöglichen den Zugang für die Arbeiter, welche das Ausladen be-
wirken.


Wo mehrere solche Oefen vorhanden sind, werden sie in einer
Reihe aufgestellt und durch Brücken mit Schienengleisen unter ein-
ander verbunden. Gestattet es das Terrain nicht, die Oefen so tief zu
legen, dass ihre Gicht ohne Weiteres zugänglich ist, so werden die
Wagen mit Hilfe eines mechanischen Aufzuges emporgehoben.


Bei den zahlreichen nach diesem Systeme ausgeführten Oefen
stimmen die Abmessungen nicht immer genau mit den in der Abbildung
eingeschriebenen Maassen überein. Die Höhe der Oefen schwankt zwi-
schen 9—15 m, während der innere Durchmesser des weitesten Theiles
gewöhnlich nicht erheblich über 7.5 m hinausgeht, bei den kleinsten Oefen
aber nicht geringer als in der Abbildung zu sein pflegt. Der Raum-
inhalt dieser Oefen beträgt demnach 230—450 cbm.


Als Brennstoff dient Steinkohlenklein und man gebraucht per 1000 kg
zu röstenden Erzes ca. 40 kg Kohle. Die von einem Ofen der kleineren
Art, wie in der Abbildung, täglich verarbeitete Erzmenge beträgt ca.
100 Tonnen (à 1000 kg), bei grösseren Oefen steigert sich dieselbe auf
160 Tonnen und bei den grössten vermuthlich noch etwas mehr.


Auf 1 cbm Rauminhalt bezogen beziffert sich das Gewicht des
täglich verarbeiteten Roherzes auf 400—450 kg.


Ganz ähnliche Röstöfen als der abgebildete wurden, ebenfalls in
den allergrössten Abmessungen, von John Borrie auf den Cleveland-
Werken von Bolckow, Vaughan \& Co. erbaut. Von den beschriebe-
nen Gjersöfen unterscheiden sich die Borrieöfen vornehmlich dadurch,
dass die Schachtmauerung nebst dem zugehörigen Blechmantel, statt auf
Säulen zu ruhen, bis auf das Fundament herunter geht, hier aber
durch sechs Ausziehöffnungen unterbrochen ist, welche durch eiserne,
abwärts geneigte Lutten das Erz heraus und in bereit gestellte Wagen
[204]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.
hineinstürzen lassen, sobald ein in die letzteren eingeschalteter Schieber
geöffnet wird. Die tägliche Leistung eines solchen Borrieofens von
14.25 m Höhe bei 6.25 m innerem Durchmesser wird zu 150—200 Tonnen
verarbeitetes Roherz angegeben.


Figure 31. Fig. 40.

Als eine den deutschen Verhältnissen angepasste Abart des Gjers’-
schen Clevelandröstofens kann der in Fig. 40 abgebildete Schlesische
[205]Die Vorbereitungsarbeiten. Das Rösten in Oefen.
Röstofen betrachtet werden, welcher in Königshütte in Anwendung
ist. Wie jener besitzt er ein cylindrisches Obertheil mit sich verengen-
dem Untertheile. Der Zweck dieser Verengung ist der nämliche wie
bei jenen Oefen. Während aber bei den Clevelandöfen der Gusseisen-
kranz, auf dem der Schacht ruht, unmittelbar auf den kurzen Säulen
ruht, wird bei dem schlesischen Ofen jener Kranz lediglich von dem
Blechmantel, in welchem er eingeschraubt ist, getragen und letzterer
hängt, wie die Abbildung erkennen lässt, mit einem angeschraubten
Gusseisenringe auf vier ausserhalb aufgestellten Gusseisenständern.
Letztere sind auf diese Weise der Beschädigung durch die herausrollen-
den heissen Erze offenbar weniger unterworfen, als wenn sie unter
dem Schachte selbst ständen. Ausser dem erwähnten Gusseisenringe
dient ein weiter unten angenieteter Kranz aus Winkeleisen, welcher
sich auf angegossene Consolen an den Ständern legt, für die Befestigung,
und schmiedeeiserne Streben führen von der Unterkante des Blech-
mantels hinüber nach dem Fusse der Ständer, um hier eine dritte Ver-
bindung herzustellen.


Man benutzt diese Oefen in Königshütte mit gutem Erfolge zum
Rösten von Magneteisenerzen. Die tägliche Leistung bei den in der
Zeichnung angegebenen Abmessungen und beim Rösten von Magnet-
eisenerz beträgt 16—17 Tonnen; also, da der räumliche Inhalt des
Ofens sich auf ca. 36 cbm beziffert, per cbm ca. 400 kg. Als Brenn-
stoff gebraucht man per 1000 kg geröstetes Magneteisenerz 47—52 kg,
durchschnittlich also etwa 50 kg Steinkohlenklein.


Die Magneteisenerze werden vor dem Rösten auf eine Grösse von
20—25 cm Durchmesser gepocht. Als Lohn für das Pochen und Rösten
zusammen zahlt man 45—48 Pf. per 1000 kg, je nachdem das Erz —
man verarbeitet schlesische kalkhaltige und sächsische kalkfreie Magnet-
eisenerze — eine leichtere oder schwierigere Zerkleinerung und Röstung
ermöglicht.


Als der einfachste aller Röstöfen dürfte der in Fig. 41 abgebildete
Siegensche Röstofen erscheinen. Man benutzt denselben vorzugs-
weise zum Rösten von Spatheisensteinen und Sphärosideriten, sowohl
auf Siegerländer als anderen deutschen Eisenwerken. Die Abmessungen
sind gewöhnlich annähernd dieselben als in der Abbildung 1); in Eng-
land jedoch (auf den Normanby Ironworks bei Middlesborough) hat man
die nämliche Form, nur mit etwas schlankerem Profile (Neigungswinkel
der Seitenflächen etwa 80 Grad), auch für weit grössere Oefen benutzt,
deren Fassungsraum demjenigen der oben beschriebenen Clevelandöfen
nahe steht und welche in Rücksicht auf den grossen Durchmesser mit
eben solchem Abrutschkegel am Boden wie letztere versehen sind.


Die Einrichtung wird ohne besondere Erläuterung verständlich sein.
Von dem oben besprochenen schlesischen Röstofen unterscheiden sich
[206]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.
diese Siegerländer vornehmlich dadurch, dass hier der ganze Schacht
und nicht blos der untere Theil desselben trichterförmig gestaltet ist.
Die Construction wird dadurch noch einfacher.


Die Leistungsfähigkeit dieser Oefen beim Rösten von Spathen und
Sphärosideriten (wozu sie in der abgebildeten Grösse allein benutzbar
sein dürften) ist eine ausserordentlich grosse. Nach Dürre röstet man
zu Geisweid in einem derartigen Ofen von ca. 15 cbm Rauminhalt täg-
lich 20000 kg Spatheisensteine. Auf den der Königin-Marienhütte bei
Zwickau zugehörigen Gruben zu Könitz in Thüringen werden in eben-
solchen Oefen mit 3.2 m oberem Durchmesser, 1.5 m unterem Durch-
messer, 3.2 m Höhe des Schachtes und 0.7 m Abstand der Schachtöffnung
vom Boden — also ca. 17 cbm Inhalt — täglich 31600 kg Spatheisen-

Figure 32. Fig. 41.


steine mit einem Kohlenverbrauche von 55.3 kg per 1000 kg Erz ge-
röstet, und es ergiebt sich ein Röstverlust von 29 Proc. In Königin-
Marienhütte selbst röstet man in einem ebensolchen Ofen als in Könitz
täglich 58680 kg Zwickauer Kohleneisensteine ohne Aufwand fremden
Brennstoffes mit einem Röstverluste von 30 Proc. Durchschnittlich
ergiebt sich in den erwähnten Fällen eine Tagesleistung per cbm Raum-
inhalt von 1500 kg rohem Spatheisenstein oder 3400 kg rohem Kohlen-
eisenstein. Die Rösterlöhne betragen in Königin-Marienhütte wie in
Könitz 25 Pf. per 1000 kg Roherz.


In ebensolchen Röstöfen zu Gleiwitz endlich mit 3.14 m oberem,
1.57 m unterem Schachtdurchmesser, 2.82 m Schachthöhe, 0.8 m Abstand
[207]Die Vorbereitungsarbeiten. Das Rösten in Oefen.
vom Boden, also ca. 15 cbm Inhalt, welche ebenfalls zum Rösten von
Spatheisensteinen bestimmt sind, erhält man täglich, je nach Bedarf des
Hochofens, 6300—10000 kg geröstetes Erz per Ofen bei 27 Proc.
Röstverlust und einem Brennstoffaufwande von 48 kg Steinkohle per
1000 kg Röstgut. Die Löhne betragen nur 17 Pf. per 1000 kg Röstgut.


Figure 33. Fig. 42.

Ein Röstofen, von Bergrath Wagner zum Rösten von Spatheisen-
steinen des Erzberges erbaut, ist in Fig. 42 abgebildet. Derartige Oefen
sind u. a. zu Eisenerz und Hüttenberg in den österreichischen Alpen,
auch in Rhonitz in Ungarn in Anwendung. Wie die Abbildung er-
kennen lässt, sind sie noch mit ziemlich starkem Rauhgemäuer f ver-
sehen und können in dieser Hinsicht den Bau eines älteren Röstofens
[208]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.
veranschaulichen; unten ist der Schacht zusammengezogen und an zwei
gegenüberliegenden Seiten oberhalb der vorhandenen beiden Auszieh-
öffnungen durch Treppenroste, aus starken eingemauerten Eisenbalken
gebildet, begrenzt, welche der Luft freien Zutritt bis in das Innere des
Ofens gewähren. Ein Abrutschdach führt die Erze nach den beiden
unter den Treppenrosten angebrachten Ziehöffnungen hin, von wo sie
durch eine Lutte in die tiefer stehenden Wagen hinabstürzen. Dieser
etwas schwerfällige Unterbau ist durch locale Verhältnisse (Anordnung
der Oefen am Abhange des Berges) bedingt.


Die Abmessungen der in verschiedenen Zeiten und an verschiede-
nen Orten erbauten Oefen dieses Systems sind nicht immer dieselben.
Bei den neueren Oefen zu Eisenerz ist der Schacht vierseitig prisma-
tisch geformt; die Breite misst 2.85 m, die Länge 4.50 m und bei anderen
6.50 m; die Höhe 4—5 m. Die grösseren Oefen haben einen Raum-
inhalt von 85 cbm und liefern täglich 15—20 Tonnen geröstetes Erz;
röstet man nur gröbere Stücke, so steigt die Leistung auf 30—40 Tonnen. 1)
Rechnet man, dass die Spatheisensteine beim Rösten durchschnittlich
25 Proc. ihres Gewichtes verlieren, so würde jene Gesammtleistung einer
täglichen Leistung von ca. 300 kg klarem beziehentlich 450—550 kg
grobem Roherz per cbm, durchschnittlich etwa 450 kg per cbm ent-
sprechen.


Der Brennstoffverbrauch beträgt ca. 50 kg Holzkohlenklein per
1000 kg Roherz.


Für schwefelkiesreichere Spathe, wie sie u. a. in Mariazell ver-
hüttet werden, ist durch Wagner noch eine geänderte Form dieses
Ofens eingeführt worden. Der Ofen ist durch eine in seiner ganzen
Länge sich erstreckende Scheidewand in zwei Hälften, richtiger in zwei
mit dem Rücken aneinander stossende Oefen getheilt worden, deren
Breite verhältnissmässig gering ist (0.95 m), während sie eine Längen-
ausdehnung von fast 20 m erhalten haben. Sowohl die äusseren Um-
fassungswände als die in der Mitte befindliche Scheidewand sind von
Kanälen durchzogen, welche durch zahlreiche auf den Wandflächen ver-
theilte Oeffnungen Luft in den Ofen führen, so dass bei der geringen
Breite des letzteren die ganze Erzsäule daran durchdrungen wird.
Obschon der Brennstoffverbrauch infolge der reichlicheren Luftzuführung
ungünstiger ausfällt (ca. 70 kg per 1000 kg Erz), ist die Oxydations-
wirkung eine stärkere. 2)


Es möge hier zugleich der zum Rösten klarer, dicht liegender
Erze bestimmten, schon oben kurz erwähnten kärntnischen Gasröstöfen
gedacht werden, welche man nach ihrem Erfinder Fillafer’sche
Röstöfen
zu benennen pflegt. Sie wurden zuerst auf dem Eisenwerke
[209]Die Vorbereitungsarbeiten. Das Rösten in Oefen.
Fridau bei Vordernberg gebaut und sind dann auch auf einigen anderen
Werken eingeführt worden.


Man benutzt Hochofengase zur Heizung; und die Veranlassung
dazu ist in dem Umstande gegeben, dass für den Betrieb des Werkes
Dampfkraft nicht erforderlich ist, also eine genügende Menge Gase für
den Röstprocess zur Verwendung steht. Damit die Gase ohne An-
wendung eines Gebläses die dicht liegende Erzsäule durchdringen, darf
der Ofen weder hoch noch breit sein; die Höhe des vierseitig prisma-
tischen Schachtes oberhalb der Gaseinströmungen beträgt nur 2.20 m, die
Breite 0.55 m, die Länge 1.25 m. Je zwei Oefen stehen mit ihrer schmalen
Seite aneinander und sind durch eine gemeinsame Kuppel mit Schorn-
stein zur Verstärkung des Luftzuges überdeckt; in der Kuppel befinden
sich die Thüren für das Einfüllen des Erzes. Von diesen Doppelöfen
ist nun wieder eine grössere Zahl in einer fortlaufenden Reihe neben
einander angeordnet, so dass im Ganzen zwei Reihen, mit dem Rücken
(der schmalen Seite) an einander stossender Oefen gebildet sind. Zwischen
je zwei benachbarten, in derselben Reihe befindlichen Oefen steigt das
Gas, aus einem tiefer liegenden Kanale kommend, empor und gelangt
durch eine Anzahl schmaler Spalten in den Ofen. Jeder Ofen hat dem-
nach zwei einander gegenüber an den Langseiten angeordnete Reihen
solcher Gaseintrittsöffnungen.


Dicht unter diesen Oeffnungen liegt, von eingemauerten Balken
getragen, ein aus Eisenstäben gebildeter Rost, welcher die Erzsäule
trägt und durch welchen hindurch die von unten zutretende Luft auf-
wärts steigt, um auf das Gas zu treffen und dieses zu verbrennen. Die
Roststäbe lassen sich durch eine mit Thür versehene Oeffnung in der
Vorderwand des Ofens herausziehen. Die Erze stürzen dann hinunter
in den unterhalb des Rostes angeordneten, mit Ziehöffnungen versehenen
Kühlraum; die durch die Ziehöffnung eintretende Luft aber streicht
durch die heissen Erze hindurch und erwärmt sich hier, ehe sie in den
Ofen eintritt. 1)


Der Rauminhalt eines solchen Ofens beträgt nur 1.3 cbm; die Leistung
in 24 Stunden 4—4½ Tonnen, also per cbm etwa 350 kg. Für einen
nur einigermaassen beträchtlichen Bedarf an geröstetem Erz würde dem-
nach eine sehr grosse Zahl solcher Oefen erforderlich sein.


Um auch bei dicht liegenden Erzen eine längere gegenseitige Be-
rührung zwischen diesen und den aufsteigenden Gasen zu ermöglichen
als sie in den soeben besprochenen niedrigen Oefen von Fillafer zu
erreichen ist, wurden von Moser Gasröstöfen gebaut (in Eisenerz,
Neuberg u. a. a. O.), welche einem Herdflammofen mit geneigter lang-
gestreckter Sohle zu vergleichen sind. Die Neigung des Herdes beträgt
Ledebur, Handbuch. 14
[210]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.
etwa 45°C.; parallel der Herdsohle ist die gewölbte Decke angeordnet,
so dass der ganze Ofen einem unter dem angegebenen Winkel auf-
steigenden Kanale gleicht, in welchen oben das Erz eingeschüttet wird,
um allmählich auf der Sohle herabzugleiten, während unten das Gas
eintritt. Die Länge des Ofens, welcher ursprünglich mehr zum Trocknen
sehr feuchter mulmiger Erze bestimmt war, später aber auch zum eigent-
lichen Rösten benutzt wurde, beträgt 3.5—5.5 m, die Breite 1.25—1.5 m,
die Höhe der Erzschicht etwa 0.15 m. Bei ausschliesslicher Verwendung
des Ofens zum Trocknen beträgt die tägliche Leistung ca. 15 Tonnen
Erz, beim Rösten dagegen höchstens die Hälfte. 1)


Unter allen Gasröstöfen nimmt der in Fig. 43—46 abgebildete,
zum Rösten grobstückiger Magneteisenerze in Sintertemperatur bestimmte
Röstofen des Schweden Westman seiner Grösse wie seiner Leistung
nach die hervorragendste Stellung ein. 2) Seit der Erbauung des ersten
dieser Oefen im Jahre 1851 auf dem Werke Söderfors bei Dannemora
sind nicht allein in Schweden die schon damals sehr gebräuchlichen
älteren Gasröstöfen — die sogenannten Tenninge-Oefen — mehr und
mehr von demselben verdrängt worden, sondern er ist auch ausserhalb
Schwedens, wo ähnliche Verhältnisse vorliegen, mehrfach in Anwendung
gekommen.


Die Heizung dieses Ofens wird in Schweden ausschliesslich durch
Hochofengase bewirkt; mit gleich gutem Erfolge würden voraussichtlich
auch Generatorgase benutzt werden können, sofern ihr Wassergehalt
nicht zu bedeutend ist. Wo aber nicht Gichtgase für den Röstprocess
zur Verwendung stehen, fällt, wie schon mehrfach betont wurde, eine
Hauptveranlassung zur Anwendung der Gasfeuerung in Röstöfen fort;
und der andere Grund zur Einführung von Gasröstöfen, die in den-
selben erreichbare vollständigere Entschweflung kiesiger und dichter
Magneteisenerze, verliert, sofern der Schwefelgehalt der Erze nicht etwa
ausnahmsweise hoch ist, an Bedeutung, wenn man die Erze nicht mit
Holzkohlen, sondern mit mineralischen Brennstoffen verarbeitet.


Wenn unter solchen Verhältnissen die Anwendung des Westman’-
schen Ofens fast ausschliesslich auf diejenigen Bezirke der Eisenindustrie
beschränkt bleibt, wo eben noch Holzkohlen als Brennstoff für die
spätere Verhüttung der gerösteten Magneteisenerze zur Verwendung
stehen, so verdient dennoch jener Ofen, da er immerhin ein bedeut-
sames Glied unter den Apparaten eines für die gesammte Eisen-
industrie nicht unwichtigen Landes bildet, eine etwas ausführlichere
Besprechung.


Der Schacht zeigt, abweichend von den Röstöfen für niedrigere
Temperaturen, eine Erweiterung nach unten, um das Ansetzen sintern-
der Erze an die Wände zu erschweren, das gleichmässige Niederrücken
zu erleichtern; und zwar ist diese Erweiterung am stärksten in dem
[][]

[figure]

[]

[figure]

[][211]Die Vorbereitungsarbeiten. Das Rösten in Oefen.
unteren Theile unmittelbar über den Gaseinströmungsöffnungen, wo der
sogenannte Röstgürtel sich bildet, d. h. wo die stärkste Temperatur
herrscht und das Erz infolge derselben einen teigartigen Zustand an-
nimmt. Der Ofen besteht aus Kernschacht und Rauhgemäuer; ersterer
wird von einem ringförmigen, aus einzelnen Stücken zusammengesetzten
Gusseisenträger g g getragen, welcher zugleich den innern Rand der
Ausziehöffnungen b b . . bildet und zwischen den letzteren auf dem Mauer-
werke ruht.


Die Gase treten durch zwei bis vier senkrechte Rohre a (Fig. 44
und 45) in das auf einem Vorsprunge ruhende, rings um den Ofen
herum führende Rohr c, welches unmittelbar über den Ausziehöffnungen
b b . . liegt. Aus diesem Rohre c gelangen die Gase durch die Rohr-
stutzen d d und die im Mauerwerke angebrachten senkrechten Kanäle e e
in die Einströmungskanäle f f . . und von hier in den Ofen. Letzt-
genannte Kanäle, welche unmittelbar über dem Ringträger g angeordnet
sind, sind nach rückwärts verlängert und hier durch eine Kapsel oder
Thür verschlossen, so dass man im Stande ist, durch dieselben hindurch
Werkzeuge zum Losbrechen der Erze in den Ofen zu führen. Die
Anzahl der Gaseinströmungen ist doppelt so gross als diejenige der
Ziehöffnungen, und sie liegen so dicht bei einander, dass das Erz rings
herum vollständig zugänglich für jene Werkzeuge bleibt; ausserdem
sind sie so dicht über den Ziehöffnungen angebracht, dass auch durch
diese hindurch erforderlichen Falles Versetzungen im unteren Theile des
Schachtes beseitigt werden können. So nahe über den Einströmungen
f f . ., als es in Rücksicht auf die Haltbarkeit des Ofengemäuers irgend
thunlich ist, befindet sich eine zweite Reihe Störöffnungen h h . . und
über diesen eine dritte Reihe i i … Sie alle liegen so dicht bei ein-
ander und sind nach innen derartig erweitert, dass das sinternde Erz
in der Ebene derselben gleichfalls vollständig zugänglich für die Werk-
zeuge der Arbeiter ist. Ueber diesen Störöffnungen sind nun ausserdem
noch vier Reihen engerer Schauöffnungen angebracht, durch welche
hindurch man die Temperatur im Innern beobachten kann. Auch diese
sind wie sämmtliche Störöffnungen durch Thüren geschlossen.


Die Gicht ist während des Betriebes durch einen schräg liegenden
Deckel l geschlossen, welcher von dem mit Erz beladenen, durch eine
mechanische Vorrichtung auf der schiefen Ebene emporgezogenen
Wagen m selbstthätig zurückgeschoben wird, sobald dieser über der
Gicht anlangt, worauf die ebenfalls selbstthätige Entleerung des Wagens
erfolgt. Die Gichtgase aber entweichen durch vier seitlich angebrachte
Rohre n n . ., welche in dem gemeinschaftlichen Kasten o münden, und
werden von hier aus in die mit Klappe q zur Regelung des Zuges ver-
sehene, ca. 10 m hohe Esse p geführt.


Die Verbrennungsluft tritt durch die Ziehöffnungen in den Ofen
und hat zunächst, ehe sie auf das Gas trifft, die im unteren Theile des
Ofens befindlichen glühenden Erze zu passiren. Zur besseren Regelung
des Luftzutrittes sind die Ziehöffnungen mit Thüren verschlossen, in
denen sich je fünf, durch Drehschieber ganz oder theilweise verschliess-
bare Zugöffnungen befinden.


Die Anzahl der Ziehöffnungen richtet sich nach dem Durchmesser
des Ofens; bei den grösseren Oefen, wie in der Abbildung, welche die
14*
[212]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.
gebräuchlichsten sein dürften, sind acht Ziehöffnungen vorhanden; bei
den kleinsten Oefen von 1.9 m Durchmesser im unteren Theile ist deren
Zahl auf fünf beschränkt.


Bei einzelnen Westman’schen Oefen hat man Gebläseluft statt
des natürlichen Luftzuges zur Anwendung gebracht, welche in das hohl
gegossene Trägereisen g und durch feine Oeffnungen aus demselben in
den Ofen geführt wird. Es hat sich jedoch gezeigt, dass besondere
Vortheile hierdurch nicht erreicht werden.


Als Leistung des Ofens rechnet man per Ziehöffnung in 24 Stunden
5000 kg; bei 8 Ziehöffnungen mithin 40000 kg. Bei einem räumlichen
Inhalte des Ofens von ca. 31 cbm würde diese Erzmenge einer Leistung
von ca. 1300 kg Erz per cbm Rauminhalt entsprechen. Man pflegt in
8 stündiger Arbeitsschicht durchschnittlich sechs Mal Erze zu ziehen.
Das herauskommende Erz ist noch so glühend, dass man eiserner Wagen
zum Fortschaffen desselben bedarf.


Als Brennstoffverbrauch giebt Rinman ca. 300 cbm Hochofengas
per 1000 kg Erze an. 1) Um einen Vergleich mit dem Brennstoffver-
brauche der bisher besprochenen Röstöfen zu erhalten, würde man an-
nehmen können, dass jene 300 cbm Gichtgase annähernd gleichwerthig
sind mit einer gleich grossen Menge von Generatorgasen, aus Stein-
kohlen erzeugt. Zur Darstellung derselben würden etwa 70—80 kg
Steinkohlen erforderlich sein. Der Brennstoffverbrauch in diesem Ofen
ist also höher als bei den sämmtlichen bisher besprochenen Oefen für
festes Brennmaterial, ein Umstand, der sich zur Genüge erklärt, wenn
man erwägt, dass die Erhitzung der Erze eine bedeutend stärkere ist
und sein soll als in jenen Oefen, und dass anderntheils auch von den
noch glühend aus dem Ofen herauskommenden Erzen allerdings ein
nicht ganz unbeträchtlicher Theil Wärme ungenutzt entführt wird.


Als ein Beispiel eines Röstofens mit äusserer Rostfeuerung
kann der in Fig. 47—49 abgebildete Ofen zum Brennen von Kalkstein
dienen, welcher im Jahre 1882 von der Gräfl. Stolbergschen Factorei
zu Ilsenburg am Harz für das neu angelegte Bessemerwerk zu Peine
gebaut wurde. Die Einrichtung dieses Ofens im Allgemeinen entspricht
im Wesentlichen derjenigen, welche schon seit 1826 in Schweden zum
Rösten von Magneteisenerzen in Anwendung ist (Röstöfen von af Uhr);
aber die Höhe ist weit beträchtlicher als die der schwedischen Oefen,
welche nicht über 4.5 m hoch waren. Das Einfüllen des Kalksteines
geschieht durch drei mit Verschlussklappe versehene Füllöffnungen A,
welche von einer entsprechend eingerichteten Gichtbühne aus zugäng-
lich sind. Fünf Rostfeuerungen B, deren Einrichtung deutlich erkenn-
bar ist, dienen zum Heizen des Ofens und entlassen ihre Verbrennungs-
gase durch Spalten von 580 mm Breite und 400 mm Höhe in den Ofen.
Die Gase treffen hier zunächst auf hoch erhitzten Kalk und werden
durch Luft, welche sowohl durch die Ziehöffnungen C als durch die
Störräume (Schaulöcher) D zutreten kann, vollends verbrannt, um dann
aufwärts zu steigen und durch die Esse zu entweichen. Zwischen je zwei
[]

[figure]

[][213]Die Vorbereitungsarbeiten. Das Verwittern und Auslaugen.
Feuerungen befindet sich eine Ziehöffnung C, so dass deren ebenfalls
fünf vorhanden sind, und der Boden des Ofens fällt nach den Zieh-
öffnungen hin ab.


Der Ofen lieferte sowohl hinsichtlich der Beschaffenheit des erfolgen-
den gebrannten Kalkes als in quantitativer Beziehung sehr befriedigende
Ergebnisse. Zuverlässige Durchschnittsziffern für Brennstoffverbrauch
und tägliche Leistung liessen sich bei der Kürze der Zeit, während
welcher er im Betriebe war, noch nicht feststellen.


D. Das Verwittern und Auslaugen.

Das Verwittern der Erze, d. h. die längere Zeit andauernde
Einwirkung der Atmosphärilien, übt theils physikalische theils chemi-
sche Einflüsse aus, welche beide die Verarbeitbarkeit der Erze erhöhen
können, allerdings in dem einen Falle mehr, in dem andern weniger.


Unter dem Einflusse von Sonne und Feuchtigkeit, welche letztere
in das Innere der Erzstücke eindringt, bekommen dieselben feine Risse,
sie werden leichter zugänglich für die reducirenden Gase und lassen
sich leichter zerkleinern. Einzelne Erze trennen sich hierbei von ihrer
anhaftenden Gangart. Manche Sphärosiderite aus der Steinkohlenfor-
mation z. B. kommen mit fest anhaftendem Thonschiefer aus der Grube;
beim längeren Lagern an der Luft blättert derselbe ab. Nach Percy
sollen durch Anwendung dieses Processes alljährlich in Südwales grosse
Summen gespart werden, welche sonst für Scheidung ausgegeben werden
müssten. In kälteren Klimaten werden durch Frostwetter diese Vor-
gänge besonders befördert; das in die Poren eingedrungene Wasser
erstarrt zu Eis und sprengt hierbei gewissermaassen die Stücke aus ein-
ander (Ausfrieren der Erze).


Die chemischen Einflüsse des Verwitterns beruhen grösstentheils
auf der Umwandlung vorhandener Schwefelmetalle in lösliche Sulfate,
welche dann entweder durch die natürlichen Niederschläge im Laufe
der Zeit aufgelöst und entfernt werden, oder, wo man den Process zu
beschleunigen wünscht, durch künstliches Auslaugen dem Erze ent-
zogen werden können.


Die in den Erzen vorkommenden Schwefelmetalle (Kiese, Bleiglanz,
Zinkblende) sind jedoch dieser Umwandlung unter dem Einflusse der
Atmosphärilien nicht in gleichem Maasse unterworfen; manche bleiben
auch nach jahrelanger Einwirkung unverändert. Selbst die beiden
chemisch ganz übereinstimmend nach der Formel Fe S2 zusammen-
gesetzten Mineralien: Schwefelkies (Pyrit) und Strahlkies (Markasit) ver-
halten sich in dieser Beziehung abweichend. Der im regulären Systeme
krystallisirende Schwefelkies ist den Witterungseinflüssen gegenüber sehr
beständig, der rhombisch krystallisirende Markasit, welcher nicht selten
neben jenem in demselben Erze vorkommt, wird schon in Kurzem zer-
setzt, wobei theils Sulfat, theils Schwefelsäure entsteht. Dass durch
Röstung sämmtliche Schwefelmetalle zersetzt und theilweise in Sulfate
übergeführt werden können, wurde früher ausführlich erörtert.


Wenn in der soeben geschilderten Weise durch länger fortgesetztes
Verwittern eine Verbesserung der Beschaffenheit mancher Eisenerze
zu erzielen ist, so kommt doch anderntheils dabei in Betracht, dass
[214]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.
nicht allein in den zur Verwitterung Jahre lang aufbewahrten Erz-
vorräthen ein gewisses Kapital steckt, welches, so lange die Erze nicht
ihrer Bestimmung gemäss verwendet werden, zinsenlos daliegt; andern-
theils, dass zum Verwittern so grosser Erzmengen, wie sie von moder-
nen, mit Koks betriebenen Hochöfen verarbeitet werden, ein ungeheueres
Areal erforderlich sein würde, welches ebenfalls als ein todtes Kapital
erscheinen müsste. Während man daher bei dem verhältnissmässig
schwachen Betriebe der früheren Zeit (in den ersten fünf Jahrzehnten
dieses Jahrhunderts) das Verwittern der Erze oft ganz systematisch be-
trieb, einzelne Erzhaufen nicht selten zehn Jahre hindurch und länger
den Einflüssen der Atmosphärilien aussetzte, ist das Verfahren mehr
und mehr ausser Gebrauch gekommen, je umfangreicher der Betrieb
sich gestaltete, wenn nicht etwa, wie bei den erwähnten thonschiefer-
haltigen Sphärosideriten von Südwales, in verhältnissmässig kurzer Zeit
ein bestimmter Erfolg zu erreichen ist.


Das zweite erwähnte Verfahren, das Auslaugen der Erze, be-
zweckt eine Entfernung löslicher Bestandtheile, insbesondere also gebil-
deter Sulfate, in rascherer und vollständigerer Weise als es durch das
Verwittern allein zu erreichen ist. Da solche löslichen Sulfate vor-
wiegend beim Rösten entstehen, so ist es erklärlich, dass man auch
fast nur geröstete Erze dem Verfahren unterwirft. Die Ausführung des
Verfahrens ist, den örtlichen Verhältnissen entsprechend, mehr oder
minder einfach. Gewöhnlich beschränkt man sich darauf, aus irgend
einer höher gelegenen Wasserleitung von Zeit zu Zeit Wasser über die
Erzhaufen hinweg zu leiten, um dann dasselbe, nachdem es die Sulfate
aufgenommen hat, an einer tieferen Stelle wieder abzuleiten. Von Zeit
zu Zeit wird wohl der Erzhaufen umgeschaufelt und das Verfahren
wiederholt.


In besonders systematischer Weise wurde vor mehreren Jahren
das Auslaugen auf der Adelbertshütte zu Cladno in Böhmen betrieben.
Gemauerte mit Cement ausgekleidete Behälter von 22 m Länge, 15.5 m
Breite, 2 m Tiefe dienten zur Aufnahme der Erze. Je vier solcher im
Rechteck zusammenliegender Behälter bildeten zusammen eine Gruppe
derartig, dass das Wasser, welches am Boden eintrat und am Rande
der gegenüberliegenden Seite wieder abfloss, von dem einen in den
andern Behälter hinübergeleitet wurde, wobei das frische zugeleitete
Wasser stets die am längsten ausgelaugten Erze traf. Durch Bestim-
mung des Schwefelsäuregehaltes in dem zuletzt abfliessenden Wasser
wurde der Verlauf des Processes controlirt. Nicht uninteressant ist die
Zusammensetzung des beim Eindampfen des Laugwassers bleibenden
Rückstandes. Derselbe enthielt:

Die hohen Kosten des Verfahrens haben indess später die Ein-
stellung desselben zur Folge gehabt.


In der oben beschriebenen einfacheren Ausführung ist das Aus-
laugen vorzugsweise bei solchen Eisenwerken in Anwendung, welche
geröstete, ursprünglich stark kiesige Erze (Spathe, Sphärosiderite, Mag-
neteisenerze) mit Holzkohlen verhütten, ein Umstand, der sich genügend
[215]Literatur.
aus der mehrfach erwähnten Verschiedenheit der Wichtigkeit erklärt,
welche ein Schwefelgehalt der Erze bei der Verhüttung derselben mit
Holzkohlen oder mit mineralischen Brennstoffen besitzt.


Wie sich aus Vorstehendem ergiebt, erstrecken sich die Wirkungen
des Auslaugens wie die chemischen Wirkungen des Verwitterns in der
Regel nur auf eine Abminderung des Schwefelgehaltes der Erze. Phos-
phor kann bei dem Auslaugen mit Wasser höchstens in kleinen Spuren
entfernt werden, da die Phosphate, als deren Bestandtheil er in den
Erzen erscheint (Vivianit, Apatit) so gut wie unlöslich in Wasser sind.
Wohl aber lösen sich solche Phosphate in verdünnten Säuren (wässerige
schweflige Säure, Salzsäure) und lassen sich, wenn man diese zum
Auslaugen der Erze benutzt, zum grossen Theile den Erzen entziehen.
In der That ist dieses Verfahren längere Zeit hindurch in Cladno in
den oben beschriebenen Behältern neben der Entschweflung der Erze
in Anwendung gebracht, wobei man schweflige Säure als Lösungsmittel
benutzte, die durch Rösten von Kiesen erzeugt und in Wasser geleitet
wurde. Der Erfolg war den über diese Versuche vorliegenden Nach-
richten zufolge insofern befriedigend, als den Erzen der grössere Theil
ihres Phosphorgehaltes entzogen wurde; aber die Kosten werden auch
hier nicht im Einklange zum Erfolge gestanden haben, und dieser Um-
stand wird die Ursache gewesen sein, dass auch dieses Verfahren zum
Erliegen kam.


Seitdem durch neuere Erfindungen es möglich geworden ist, dem
Roheisen bei seiner Umwandlung in schmiedbares Eisen den Phosphor-
gehalt weit vollständiger als früher zu entziehen, spielt auch der Phos-
phorsäuregehalt der Erze und die Entphosphorung derselben eine weniger
wichtige Rolle als ehedem.


Literatur.


A. Grössere Werke.


  • Percy-Wedding, Handbuch der Eisenhüttenkunde, Abtheilung 1, S. 269
    bis 446 (Vorkommen der Eisenerze), Abtheilung 2, S. 410—533 (Zerkleinern,
    Waschen, Rösten, Auslaugen).
  • E. F. Dürre, Die Anlage und Betrieb der Eisenhütten, Bd. 1, S. 7—199
    (Vorkommen und Zusammensetzung sowie Vorbereitung der Erze und Zuschläge).
  • A. v. Kerpely, Die Anlage und die Einrichtung der Eisenhütten. S. 278,
    315, 351 (Vorrichtungen zum Zerkleinern, Waschen, Rösten).
  • A. v. Kerpely, Ungarns Eisensteine und Eisenhütten-Erzeugnisse. Wien
    1877, S. 8—44.
  • Zahlreiche Notizen über Vorkommen und Zusammensetzung verschiedener Erze und
    Zuschläge enthalten ausserdem die Ausstellungsberichte über die Weltaus-
    stellungen zu Wien, Paris, Philadelphia von Dürre, Kerpely, Kupelwieser,
    Wedding
    (letzterer berichtete über das nordamerikanische Eisenhüttenwesen in
    der Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen, Bd. XXIV).

Ueber Aufbereitung.


  • P. Rittinger, Lehrbuch der Aufbereitungskunde, Berlin 1867, S. 24 ff. (Poch-
    und Walzwerke, Wäschen).

[216]Die Erze nebst Zuschlägen und ihre Vorbereitung für die Verhüttung.

Ueber Rösten.


  • R. Åkerman, Om jernmalmers rostning. Stockholm 1879. Dasselbe Werk in
    deutscher Uebersetzung: Das Rösten der Eisenerze, Leipzig 1880.
  • H. Tholander, Experimentelle Untersuchungen über die Reduction von
    Eisenerzen und die Wirkung der Röstung auf Magneteisensteine
    und Hämatite
    . Aus „Iron“ ins Deutsche übertragen von J. v. Ehrenwerth.
    Wien 1878.
  • C. F. Plattner. Die metallurgischen Röstprocesse, theoretisch be-
    arbeitet
    . Freiberg 1856.

B. Abhandlungen.


Ueber das Vorkommen von Eisenerzen.1)


  • Hauchecorne, Die Eisenerze der Gegend von Elbingerode am Harz.
    Ztschr. für Berg-, Hütten- und Salinenwesen im preussischen Staate 1868, S. 199.
  • Das Eisenerz „Minette“. Berggeist 1865, Nr. 73; Dingl. Polyt. Journ., Bd. 178,
    S. 164.
  • M. Habets, Les minerais de fer oolithiques du Luxembourg et de la
    Lorraine
    . Rev. universelle, tome 34, p. 40.
  • Aug. Jaeger, Ueber die Eisenerzablagerungen von Lothringen-Luxem-
    burg und ihre Bedeutung für die Eisenindustrie
    . „Stahl und Eisen“,
    1881, S. 138 und 171.
  • E. Gruner, Mémoire sur la situation de la métallurgie du fer en Styrie
    et en Carinthie. Première partie: Combustibles et minerais
    . Ann.
    d. mines, série VII, tome IX, p. 471.
  • H. A. Tappe, Der Bergbau und Mineralreichthum Algeriens. Berg- und
    hüttenm. Ztg. 1877, S. 432.
  • E. Giesler, Das oolithische Eisensteinsvorkommen in Deutsch-Loth-
    ringen
    . Ztschr. für Berg-, Hütten- und Salinenwesen 1875, S. 9.
  • W. Gill, Der Eisenerzdistrict von Bilbao. „Stahl und Eisen“, 1882, S. 337.

Ueber Rösten, Auslaugen etc.


  • Fr. Kupelwieser, Fortschritte der Verröstung der Eisenerze in Steier-
    mark
    . Berg- und hüttenm. Jahrb. der k. k. Bergakademieen zu Leoben etc.
    Bd. XVI (1867), S. 373.
  • J. v. Ruttner, Röstung und Abwässerung schwefelkieshaltiger Spath-
    eisensteine zu Mariazell. Rittinger
    , Erfahrungen etc. Jahrg. 1868, S. 15.
  • E. Gruner, Grillage des minerais en Styrie et en Carinthie. Annales des
    mines, série VII, tome IX, p. 540 (enthält eine ausführliche Beschreibung der
    Röstmethoden in den österr. Alpenländern nebst Abbildungen der Oefen).
  • Eisenerzröstöfen (Borrie’s Röstofen, Wagner’s Oefen). Berg- und hüttenm. Ztg.
    1870, S. 60.
  • John Borrie, Röstofen für Eisenerze. Berggeist 1870, Nr. 4; Polyt. Centralbl.
    1870, S. 536.
  • Calcination. Iron, vol. XIII, p. 163 (Abbildungen englischer Röstöfen).
  • Calcining kilns at the Ayresome Iron Works, Middlesborough. Enginee-
    ring vol. 13, p. 170
  • Aufzug und Senkvorrichtung für die Röstöfen der Ayresome Iron Works.
    Aus Engineering 1872, p. 296 im Polyt. Centralbl. 1872, S. 1181.

[217]Literatur.
  • Devi, Raschette’s Eisenerzröstofen. Oestr. Ztschr. für Berg- u. Hüttenwesen
    1875, Nr. 43; Berg- und hüttenm. Ztg. 1875, S. 419; Polyt. Centralbl. 1875,
    S. 1475.
  • W. J. Taylor, An Ore roasting furnace. Transact. of the Amer. Inst. of Min.
    Eng. vol. IX, p. 304.
  • P. W. Hofmann, Verwerthung der Schwefelkiesrückstände auf Eisen.
    Ztschr. d. Ver. Deutsch. Ing., Bd. 18, S. 522; Polyt. Centralbl. 1874, S. 1477.
  • E. Röhrig und R. Hass, Die Eisenerze der Bidasoa und ihre Behandlung
    durch Rösten und Auslaugen
    . Berg- und hüttenm. Ztg. 1873, S. 357.
  • Verarbeitung von Kupferkies haltenden Spatheisensteinen auf Roh-
    eisen
    . Ztschr. d. Ver. Deutsch. Ing. 1872, S. 480.
  • J. Zeman, Notizen aus der Adelberthütte in Cladno. (Rösten, Auslaugen).
    Technische Blätter 1870, S. 149; Dingler’s Polyt. Journal, Bd. 198, S. 32.
  • J. Jacobi, Neue Methode zur Entfernung und Verwerthung der Phos-
    phorsäure aus Eisenerzen
    . Bayrisches Industrie- u. Gewerbeblatt 1871,
    S. 187; Dingl. Polyt. Journ., Bd. 201, S. 245.
  • Gautier, Ueber das Entphosphorn der Eisenerze in Cladno. Berg- und
    hüttenm. Ztg. 1876, S. 8.

VII. Das metallurgisch-chemische Verhalten
des Eisens und seiner Begleiter.


1. Allgemeines.


Chemisch reines Eisen lässt sich zwar auf chemischem Wege her-
stellen, besitzt aber keine technische Wichtigkeit. Man erhält es durch
Reduction von reinem Eisenoxyd oder auch reinem Eisenchlorür im
trockenen und von fremden Gasen (Arsenwasserstoff, Schwefelwasserstoff)
reinem Wasserstoffstrome. Aus Eisenoxyd entsteht hierbei in niedriger
Temperatur ein graues pyrophorisches Pulver; in höherer Temperatur
erhält man weisslich glänzende Blättchen. Aus Eisenchlorür dagegen
entsteht eine glänzende Schicht metallischen Eisens, in welcher sich
mitunter deutlich ausgebildete Würfel erkennen lassen. Das reine Eisen
krystallisirt demnach im regulären Systeme.


Wie sämmtliche übrige Metalle besitzt das Eisen die Fähigkeit,
sich mit anderen Metallen sowohl als Metalloiden zu legiren, d. h.
mit ihnen Vereinigungen von metallischem Charakter einzugehen, deren
physikalische Eigenschaften oft nicht unerheblich von denen der Be-
standtheile im nicht legirten Zustande abweichen, deren Zusammen-
setzung aber — abweichend von der Zusammensetzung einer chemi-
schen Verbindung im eigentlichen Sinne — unabhängig ist von den
Atomgewichten und innerhalb gewisser Grenzen in beliebigen Gewichts-
verhältnissen erfolgen kann, ja, nicht selten vollständig unbeschränkt ist.1)


[218]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.

Eine solche Legirung kann demnach als eine gegenseitige Lösung
zweier oder mehrerer einfacher Körper betrachtet werden, innerhalb
welcher zwar wirkliche chemische Verbindungen der Bestandtheile ent-
stehen können, ohne dass aber die Anwesenheit dieser Verbindungen
nothwendig ist oder das Wesen der Legirung bedingt. 1) Es ist nicht
unwahrscheinlich, dass äussere Verhältnisse, z. B. die Temperatur,
welcher eine Legirung ausgesetzt ist, auf das Entstehen (beziehentlich
Zerfallen) solcher chemischen Verbindungen innerhalb einer Legirung
Einfluss haben, und dass auf diesem Umstande Abweichungen beruhen,
welche mitunter in den Eigenschaften scheinbar ganz übereinstimmend
zusammengesetzter Legirungen sich beobachten lassen.


Alle die verschiedenen Sorten Handelseisen, deren
Haupteintheilung und wichtigste Unterschiede schon auf
S. 1—6 kurz besprochen worden sind, lassen sich demnach
als Legirungen des Eisens mit anderen Metallen und Me-
talloiden betrachten, deren Menge in einzelnen Sorten
schmiedbaren Eisens oft wenige Zehntel Procente nicht
übersteigt, beim Roheisen mindestens
2.3Procente, häufiger
8—12 Procente beträgt, in den Eisenmanganlegirungen
aber nicht selten die Menge des Eisens überwiegt
.


Wie andere Metalle zeigt das Eisen verschiedenen Körpern gegen-
über verschiedene Legirungsfähigkeit. Dieselbe ist unbegrenzt, d. h. es
kann Legirung des Eisens in jedem beliebigen Gewichtsverhältnisse statt-
finden mit Mangan, Chrom, Wolfram, Nickel, Kobalt, Kupfer, Gold,
Platin, Aluminium, Antimon, Arsen, Schwefel, Phosphor, Silicium u. a.;
sie ist beschränkt, d. h. es kann die gegenseitige Legirung nur bis zu
einem gewissen Gehalte des einen oder andern Körpers ausgedehnt
werden, mit Zink, Zinn, Wismuth, Kohle; fast gar nicht legirt sich
das Eisen mit Blei, Silber, Quecksilber.


Obgleich die Veränderungen, welche die Eigenschaften eines ein-
fachen Metalles, und somit auch des Eisens, durch die Legirung mit
einem andern Körper erleiden, nach der Beschaffenheit und der Menge
dieses letzteren sehr verschiedenartig sein können, so ist doch anderer-
1)
[219]Allgemeines.
seits eine gewisse Regelmässigkeit in der Richtung jener durch Legirung
im Allgemeinen ausgeübten Einflüsse nicht zu verkennen. Es zeigt sich
ziemlich übereinstimmend Folgendes.


Die Festigkeit des legirten Metalles ist gewöhnlich grösser als
die des einfachen, sofern eine gewisse Grenze in dem Gehalte des
zweiten Körpers nicht überschritten wird; sobald aber diese Grenze
erreicht ist, tritt rasche Abnahme der Festigkeit ein. Bei der Legirung
mit Metalloiden pflegt die Grenze früher als bei der Legirung mit
Metallen erreicht zu werden.


Die Härte des legirten Metalles ist regelmässig grösser als die
des einfachen.


Umgekehrt wie die Härte verhalten sich die Dehnbarkeit,
Schmiedbarkeit
und Zähigkeit1) der Metalle; aber das Maass des
Einflusses, welchen verschiedene Körper in dieser Richtung ausüben,
ist sehr abweichend.


Die Schmelztemperatur legirter Metalle liegt in Wirklichkeit
gewöhnlich niedriger als die aus den Schmelztemperaturen der Bestand-
theile der Legirung berechnete Durchschnittstemperatur; häufig sogar
niedriger als die Schmelztemperatur jedes einzelnen Bestandtheiles.


Die Leitungsfähigkeit für Wärme und Elektricität wird
durch Legirung häufig geschwächt; d. h. sie ist geringer, als sich durch
Rechnung aus dem Maasse dieser Eigenschaften bei den legirten ein-
fachen Körpern ergeben würde.


Eine eigenthümliche Eigenschaft vieler Legirungen ist die Saige-
rung
. Man versteht unter dieser Bezeichnung ein Zerfallen einer
flüssigen Legirung beim allmählichen Erstarren in mehrere Legirungen
von abweichender Schmelztemperatur, beziehentlich in Legirungen und
ausgeschiedene einfache Körper, so dass der eine Bestandtheil vor dem
andern fest wird und sich von diesem sondert. Der gleiche Vorgang,
d. h. eine Trennung verschieden zusammengesetzter Körper mit ver-
schiedenen Schmelztemperaturen lässt sich auch, obschon nicht so häufig,
bei dem allmählichen Uebergange der Legirungen aus dem festen in
den flüssigen Zustand beobachten. Je langsamer in beiden Fällen der
Uebergang aus dem einen in den andern Aggregatzustand stattfand,
desto stärker pflegt die Saigerung zu sein. Auch die verschiedenen
im technisch dargestellten Eisen auftretenden Legirungen zeigen nicht
selten diesen Vorgang, und in gewissen Fällen spielt derselbe sogar
eine hochwichtige Rolle.


[220]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.

2. Krystallisation des Eisens.


Dass das chemisch reine Eisen im regulären Systeme krystallisire,
wurde bereits erwähnt.


Auf der Bruchfläche und in Hohlräumen des technisch dargestellten
Eisens aber lassen sich zwei ganz verschiedene Krystallformen unter-
scheiden.


Die eine derselben gehört ebenfalls dem regulären Systeme an.
Die betreffenden Krystalle jedoch erscheinen niemals in vollkommener
Ausbildung, sondern sie bestehen aus Gerippen, deren Umrisse das
reguläre Oktaeder erkennen lassen und welche nur aus rechtwinkligen
Balken erster, zweiter und dritter Ordnung mit abnehmenden Graden
der Vollkommenheit zusammengesetzt sind. 1) Fig. 50 zeigt das gewöhn-

Figure 34. Fig. 50.


liche Aussehen dieser Krystalle, die man in
der Praxis einer gewissen Aehnlichkeit mit
der Form eines Tannenbäumchens halber wohl
als „Tannenbaumkrystalle“ bezeichnet. Am
häufigsten und grössten (mitunter mit einem
Durchmesser von mehreren Centimetern) fin-
den sie sich in Drusenräumen des grauen
Roheisens, deren Wände oft vollständig mit
diesen Krystallen bedeckt sind; aber auch im
weissen Roheisen wie im gegossenen schmied-
baren Eisen lassen sie sich, obschon sie hier
selten die Grösse wie im grauen Roheisen
erreichen, theils mit unbewaffnetem Auge,
theils mit der Lupe oder dem Mikroskope
deutlich erkennen.


Man pflegt nach Tunner2) diese Kry-
stalle als krystallisirtes „reines“ oder „freies“
Eisen zu betrachten, welches beim Erstarren infolge einer stattfindenden
Saigerung aus dem mit anderen Körpern legirten Eisen sich trennte.
Der Umstand, dass gerade solche Eisensorten besonders reich an der-
artigen Bildungen zu sein pflegen, welche bei einem verhältnissmässig
hohen Gehalte an reinem Eisen eine Neigung besitzen, beim Erstarren
zu „saigern“, d. h. in verschieden zusammengesetzte Körper zu zer-
fallen (die von fremden Stoffen reineren Sorten grauen Roheisens), ver-
leiht jener Annahme einen ziemlich hohen Grad von Wahrscheinlich-
keit. Dass bei der Analyse dieser Krystalle nicht etwa blos chemisch
reines Eisen gefunden wird, sondern dass die Zusammensetzung der-
selben ziemlich genau mit derjenigen übereinstimmt, welche das Mutter-
eisen besitzt, spricht nicht etwa gegen die erwähnte Theorie. Die Kry-
stalle sind aus der Krystallisation des erstarrenden freien Eisens her-
vorgegangen; mechanisch aber enthalten sie die fremden Stoffe ein-
geschlossen, welche im flüssigen Zustande mit dem Eisen legirt waren.
Ihre unfertige Form ist vielleicht eine Folge der Anwesenheit dieser
fremden Körper; und thatsächlich pflegen diejenigen Krystalle die
[221]Reduction des Eisens aus seinen Verbindungen.
schärfsten Umrisse zu zeigen, welche aus den reinsten Eisensorten aus-
krystallisirten.


Auf Grund dieses Umstandes hat man beim Roheisen nicht ohne
allen Erfolg versucht, aus der Form der Krystalle Schlüsse auf seine
Reinheit und Festigkeit zu ziehen. 1)


Die zweite, im technisch dargestellten Eisen auftretende Gattung
von Krystallen sind Prismen (Säulen, Nadeln) des rhombischen Systemes.
Sie fehlen gänzlich in den reinsten Eisensorten (im schmiedbaren Eisen)
wie in demjenigen Eisen, welches bei der Erkaltung einem starken Zer-
fallen der Bestandtheile unterlag, und treten am deutlichsten in den
Legirungen des Eisens mit Mangan und Kohlenstoff hervor, in welchen
sie mitunter, wenn der Mangangehalt 30—40 Proc. beträgt, eine Länge
bis zu 8 cm bei einem Durchmesser von 5—8 mm erreichen. Bei noch
höherem Mangangehalte sind sie gewöhnlich kleiner, aber häufig sehr
deutlich ausgebildet; bei abnehmendem Mangangehalte werden sie un-
deutlicher, sind aber bei genauer Untersuchung auch noch in vielen
Roheisensorten zu entdecken, deren Mangangehalt nur wenige Procente
beträgt. Man kann diese Krystalle als legirtes Eisen betrachten, welches,
ohne zu saigern, erstarrte. 2)


Die Anwesenheit jenes oktaedrisch krystallisirenden Bestandtheiles
der Eisensorten, des freien Eisens, pflegt sich durch eine körnige Be-
schaffenheit der Bruchfläche zu verrathen, sofern eben die Menge des-
selben vor der des legirten Eisens vorwiegt; letzteres dagegen ist, ab-
weichend nach der Zusammensetzung der Legirung, durch eine blättrige,
feinkrystallinische oder auch dichte Bruchfläche gekennzeichnet.


3. Reduction des Eisens aus seinen Verbindungen.


Wie schon früher besprochen wurde, verwendet man für die Dar-
stellung des Eisens ausschliesslich Sauerstoffverbindungen (beziehentlich
Carbonate und Silikate), und als Reductionsmittel für dasselbe aus
diesen Verbindungen werden vorwiegend Kohlenstoff im festen Zustande
oder gasförmiges Kohlenoxyd benutzt. Der chemische Vorgang bei
dieser Reduction wurde durch entsprechende Formeln auf S. 12 ver-
anschaulicht, wobei allerdings nur auf den Fall Rücksicht genommen
wurde, dass die Zusammensetzung des zu reducirenden Körpers dem
Typus R O entspricht (also Eisenoxydul reducirt wird); es wird jedoch
dem Leser nicht schwer fallen, die betreffenden Formeln auch für andere
Oxydstufen des Eisens (Fe3 O4, Fe2 O3) zu entwickeln. 3)


[222]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.

Die Reduction durch feste Kohle pflegt man directe Reduction,
diejenige durch Kohlenoxyd indirecte Reduction zu nennen, wobei
man die letztere Bezeichnung aus der Thatsache herleitet, dass hier der
Kohlenstoff, welcher doch in beiden Fällen das eigentliche Reductions-
mittel bildet, zunächst in Kohlenoxyd übergeführt werden muss.


Bei der Reduction durch Kohlenstoff ist, wie sich aus den erwähnten
Formeln ergiebt, das Verbrennungserzeugniss desselben mit dem ent-
zogenen Sauerstoff im Wesentlichen Kohlenoxyd, bei der Anwendung
von Kohlenoxyd als Reductionsmittel entsteht Kohlensäure. Da nun,
wie früher (S. 20) ausführlicher erörtert wurde, 1 kg Kohlenstoff, wenn
derselbe im festen Zustande sich befindet und zu Kohlenoxyd verbrennt,
nur 2473 W.-E. entwickelt, wenn er dagegen gasförmig (im Kohlenoxyd)
vorhanden war, 5607 W.-E. zu liefern fähig ist, so wird auch hinsicht-
lich des für die Reduction der Eisenoxyde erforderlichen Wärmever-
brauches sich ein gleich grosser Unterschied bemerkbar machen, je nach-
dem Kohlenstoff oder Kohlenoxyd als Reductionsmittel dient.


Wenn z. B. Eisenoxydul durch festen Kohlenstoff nach Formel 1
auf S. 12 zu metallischem Eisen unter Bildung von Kohlenoxyd redu-
cirt wird, so verläuft der Vorgang, den Atomgewichten der Elemente
entsprechend, nach folgenden Gewichtsverhältnissen, wobei der Einfach-
heit halber 1 kg als Gewichtseinheit angenommen ist:


(56 kg Eisen + 16 kg Sauerstoff) + 12 kg Kohle = 56 kg Eisen +
28 kg Kohlenoxyd.


Bezieht man den Vorgang auf 1 (statt 12) kg Kohle, so erhält man


a) (14/3 kg Eisen + 4/3 kg Sauerstoff) + 1 kg Kohle = 14/3 kg Eisen
+ 7/3 kg Kohlenoxyd.


Da nun früheren Erörterungen gemäss der Wärmeverbrauch zur
Zerlegung einer chemischen Verbindung ebenso gross ist als der Wärme-
gewinn bei der Entstehung derselben (S. 10), 1 kg Eisen aber bei der
Verbrennung zu Eisenoxydul 1352 W.-E. entwickelt (S. 22), so ist das
Verhältniss zwischen verbrauchter und gewonnener Wärme bei diesem
Vorgange Folgendes:


  • 14/3 kg Eisen erheischen, um aus dem Eisenoxydul reducirt
    zu werden, einen Wärmeverbrauch = 14/3 × 1352 6309 W.-E.
  • 1 kg Kohle liefert bei der Verbrennung zu 7/3 kg Kohlen-
    oxyd einen Wärmegewinn =  2473 „
  • also erforderlicher Nettoverbrauch an Wärme   3836 W.-E.

Man kann die Rechnung in derselben Weise auch auf 1 kg des
dem Eisen entzogenen Sauerstoffes oder auch auf 1 kg reducirten Eisens
beziehen und erhält alsdann:


b) Netto-Wärmeverbrauch bei der Reduction des Eisenoxyduls
durch Kohle


  • per 1 kg entzogenen Sauerstoffes   2877 W.-E.
  • „ 1 „ reducirten Eisens   822 „

Geschieht die Reduction nicht durch feste Kohle, sondern durch
Kohlenoxyd, so gestaltet sich der Vorgang folgendermaassen:


(56 kg Eisen + 16 kg Sauerstoff) + 28 kg Kohlenoxyd = 56 kg
Eisen + 44 kg Kohlensäure.


[223]Reduction des Eisens aus seinen Verbindungen.

Auf 1 kg des im reducirenden Kohlenoxyd enthaltenen Kohlen-
stoffes bezogen:


c) (14/3 kg Eisen + 4/3 kg Sauerstoff) + 7/3 kg Kohlenoxyd = 14/3 kg
Eisen + 11/3 kg Kohlensäure.


Demnach beträgt das Verhältniss zwischen verbrauchter und ge-
wonnener Wärme:


  • 14/3 kg Eisen erheischen einen Wärmeverbrauch (wie
    in Formel a)   6309 W.-E.
  • 7/3 kg Kohlenoxyd liefern bei ihrer Verbrennung einen
    Wärmegewinn = 7/3 × 2403 (S. 20)  5607 „
  • also erforderlicher Netto-Wärmeverbrauch   702 W.-E.

Durch eine gleiche Rechnung erhält man den Netto-Wärmever-
brauch bei der Reduction des Eisenoxyduls durch Kohlenoxyd:


  • d) per 1 kg entzogenen Sauerstoffes   527 W.-E.
  • „ 1 „ reducirten Eisens   150 „

Prüft man den Vorgang bei anderen Oxydationsstufen des Eisens,
so gelangt man zu ähnlichen Ergebnissen. So z. B. ist der Vorgang
bei der Reduction des Eisenoxydes Fe2 O3


  • durch Kohle   Fe2 O3 + 3 C = 2 Fe + 3 C O
  • „ Kohlenoxyd   Fe2 O3 + 3 C O = 2 Fe + 3 C O2.

Durch Einschaltung der betreffenden Zahlenwerthe unter Benutzung
der auf S. 22 gegebenen Ziffern für den Wärmeverbrauch bei der Zer-
legung des Eisenoxydes erhält man alsdann:


e) Wärmeverbrauch bei der Reduction des Eisenoxydes durch Kohle


per 1 kg als Reductionsmittel benutzter Kohle:


  • 28/9 kg Eisen erheischen 28/9 × 1796   5587 W.-E.
  • 1 „ Kohle liefert  2473 „
  • Netto-Wärmeverbrauch   3114 W.-E.

und ebenso


  • per 1 kg entzogenen Sauerstoffes   2336 W.-E.
  • „ 1 „ reducirten Eisens   1000 „

f) Wärmeverbrauch bei der Reduction des Eisenoxydes durch
Kohlenoxyd


per 1 kg des im reducirenden Kohlenoxyd enthaltenen Kohlen-
stoffes:


  • zur Zerlegung von 28/9 kg Eisen wie oben   5587 W.-E.
  • durch Verbrennung von 7/3 kg Kohlenoxyd erzeugt
    7/3 × 2403  5607 „
  • Netto-Wärmegewinn (statt Verbrauch)   20 W.-E.

und ebenso


  • per 1 kg entzogenen Sauerstoffes Wärmegewinn   15 W.-E.
  • „ 1 „ reducirten Eisens Wärmegewinn   7 „

[224]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.

Es zeigt sich in allen Fällen bei der Reduction durch
Kohle ein erheblicher Mehrbedarf an Wärme als bei der
Reduction durch Kohlenoxyd, wie sich aus der geringeren
Verbrennungswärme des festen Kohlenstoffes im Vergleiche
zu der Verbrennungswärme des im Kohlenoxyde vorhande-
nen gasförmigen Kohlenstoffes erklärt; und dieser Mehr-
verbrauch muss natürlich, damit der Reductionsprocess
möglich werde, durch einen entsprechend höheren Aufwand
an Brennstoff gedeckt werden
.


Während bei der Reduction des Eisenoxydes durch Kohlenoxyd
der Wärmeverbrauch und der Wärmegewinn sich annähernd decken
(Formel f), ein Aufwand fremder Wärme also nicht erforderlich ist, sofern
die Körper die zur Durchführung der Reaction erforderliche Temperatur
besitzen, ist bei der Reduction durch Kohlenstoff im festen Zustande
für jedes zur Reduction verbrauchte Kilogramm Kohle ein Wärmeauf-
wand von 3114 W.-E. erforderlich (Formel e), welches nur durch Ver-
brennung einer ferneren Menge Kohlenstoff erzeugt werden kann.


Diese erhebliche Verschiedenheit in dem Wärmeverbrauche bei der
Reduction der Eisenoxyde durch Kohle und Kohlenoxyd ist von grosser
Wichtigkeit und liefert die Erklärung für manche sonst unverständliche
Vorgänge bei der Eisendarstellung.


In wirthschaftlicher Beziehung lässt sich nun allerdings ein Aus-
gleich dieses Missverhältnisses herbeiführen, sofern man das bei der
Reduction durch Kohle entstandene Kohlenoxyd als Brennstoff benutzt;
für die Durchführung des Reductionsprocesses selbst aber bleiben offen-
bar ganz andere Maassregeln erforderlich, je nachdem Reduction in der
einen oder andern Weise stattfindet.


In dem einen Falle bleibt die Temperatur durch den Reductions-
process unverändert, da Wärmegewinn und Wärmeverbrauch sich aus-
gleichen; in dem andern Falle muss von aussen stetig Wärme zu-
geführt werden, um den stattfindenden Wärmeverbrauch zu ersetzen.
Geschieht dieses nicht, so sinkt naturgemäss die Temperatur im Re-
ductionsraume und der Process hört auf.


Die Reduction der Eisenoxyde durch festen Kohlen-
stoff
beginnt bei einer Temperatur von ca. 400°C., verläuft aber in
dieser Temperatur äusserst langsam, auch wenn beide Körper innig
gemischt sind. Parry, welcher künstlich dargestelltes Eisenoxyd mit
einer ausreichenden Menge von Kohle zur Bildung von Kohlenoxyd
(1 g Eisenoxyd mit 0,25 g Kohle) im luftleeren Raume glühte, fand,
dass nach 7½ stündiger Einwirkung nur 1½ Proc. des Sauerstoffgehaltes
dem Erze entgegen waren und zum grössten Theile Kohlensäure ge-
bildet hatten (87,2 Vol. Kohlensäure, 12,8 Vol. Kohlenoxyd). In höherer
Temperatur steigerte sich das Verhältniss des entstehenden Kohlen-
oxydes zur Kohlensäure selbst dann, wenn man dem Eisenoxyd nur
eine solche Menge Kohle beigemengt hatte, welche bei vollständiger
Reduction eben zur Kohlensäurebildung ohne Bildung von Kohlenoxyd
ausgereicht haben würde. 1) Es erklärt sich diese Erscheinung zur Genüge
[225]Reduction des Eisens aus seinen Verbindungen.
aus dem früher (S. 13—14) geschilderten Verhalten der Kohle und des
Kohlenoxydes gegenüber dem Sauerstoff, wie der Kohlensäure gegen-
über dem metallischen Eisen. Ein Gasgemisch aus Kohlensäure und
Kohlenoxyd kann bei Gegenwart von metallischem Eisen um so weniger
des ersteren Gases enthalten, je höher die Temperatur ist.


Theils wegen der mangelhaften gegenseitigen Berührung zwischen
fester Kohle und ungeschmolzenen Eisenoxyden, theils wegen der ge-
ringen Einwirkung in niedriger Temperatur ist Kohle, wie schon auf
S. 13 hervorgehoben wurde, ein geeignetes Reductionsmittel vorzugs-
weise in solchen Fällen, wo eine reducirende Einwirkung auf ge-
schmolzene Massen hervorgerufen werden soll.


Die reducirende Einwirkung des Kohlenoxydes beginnt
nach Versuchen von L. Bell — wenigstens auf geröstete Cleveland-
erze (Sphärosiderite) — schon bei einer Temperatur von etwa 200°C. 1),
ist aber hier nur sehr schwach, so dass bei einem derartigen Versuche
100 Theilen Erz (welche ca. 20 Proc. an Eisen gebundenen Sauerstoff
enthalten dürften) per Stunde nur 0.05 Proc. Sauerstoff (also ca. 0.25 Proc.
des ursprünglichen Sauerstoffgehaltes) entzogen wurden. Mit der Tem-
peratur aber steigert sich das Maass der Einwirkung; dasselbe ist bei
Zinkschmelzhitze (430°) etwa 20 Mal so stark als in jener Anfangs-
temperatur, und nach Versuchen von Schinz2) in Temperaturen
zwischen 800—900°C. etwa 3 Mal so stark als in Zinkschmelzhitze.
Auch bei Versuchen, welche Tunner innerhalb eines Hochofens an-
stellte 3) und auf welche inskünftige noch öfter Bezug genommen werden
wird, zeigte sich, dass eine rasche, kräftige Einwirkung erst in jener
Temperatur von nahezu 900°C. erreicht werde.


Immer jedoch kommt hierbei wieder der Umstand in Betracht, dass
bei der Reduction der Gase durch Kohlenoxyd die entstehende Kohlen-
säure vermöge ihrer Fähigkeit, oxydirend auf metallisches Eisen zu
wirken, die reducirende Kraft des noch vorhandenen Kohlenoxydes um
so mehr abschwächt, je höher die Temperatur ist; und dass aus diesem
Grunde bei der Einwirkung eines kohlenoxydhaltigen Gasstromes auf
Eisenoxyde die Erneuerung desselben um so rascher vor sich gehen,
d. h. die Geschwindigkeit des Gasstromes um so grösser sein muss, je
höher die in dem Reductionsraume herrschende Temperatur ist. Im
andern Falle tritt Stillstand der Reduction ein. Die Verhältnisse zwi-
schen Kohlenoxyd und Kohlensäure, unter denen ein Gasstrom sich in
verschiedenen Temperaturen neutral sowohl gegen oxydirtes als gegen
metallisches Eisen verhält, wurden auf S. 13 mitgetheilt. 4)


Jene Abminderung der reducirenden Kraft des Kohlenoxydes durch
die entstehende Kohlensäure wird offenbar vermieden, wenn neben den
Eisenoxyden feste Kohle zugegen ist, welche wieder reducirend auf die
Ledebur, Handbuch. 15
[226]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.
entstehende Kohlensäure wirkt und somit einen Gleichgewichtszustand
herstellt. Der Vorgang lässt sich durch die Formel
darstellen.


Der Wärmeverbrauch hierbei ist nun freilich derselbe, als wenn
feste Kohle unmittelbar als Reductionsmaterial dient; d. h. er ist ent-
schieden ungünstiger, als wenn Kohlenoxyd nicht wieder reducirt wird und
Kohlensäure als das Enderzeugniss des Processes erscheint. Günstiger
aber, als bei directer Reduction durch festen Kohlenstoff ist der Ver-
lauf insofern, als das gasförmige Kohlenoxyd, so lange Schmelzung nicht
eingetreten ist, kräftiger, rascher auf die Eisenoxyde einzuwirken ver-
mag als jener. Ueber die grossen Abweichungen in der Einwirkung
verschiedener Kohlensorten auf Kohlensäure vergl. S. 18.


Dass eine Verdünnung des Kohlenoxydes auch durch indifferente
Gase (Stickstoff) die Reduction verzögern müsse, lässt sich von vorn
herein muthmaassen, wurde aber auch durch die von Schinz angestellten,
schon erwähnten Versuche über die Reduction der Eisenerze bestätigt.
Derselbe fand, dass nach den Durchschnittsergebnissen mehrerer Ver-
suche, bei welchen theils ein Gasstrom mit 49.3 Proc. Kohlenoxyd,
theils ein solcher mit nur 34.6 Proc. dieses Gases benutzt wurde, in
gleicher Zeit die doppelte Menge Sauerstoff durch das erstere als durch
das letztere Gas entzogen wurde. Allerdings war bei den Versuchen
mit den reicheren Gasen auch die Temperatur durchschnittlich um
ca. 50°C. höher (755°C. gegenüber 707°C. bei Anwendung des ärmeren
Gases) und die Geschwindigkeit des Gasstromes, d. i. die Menge des
zugeleiteten Gases in der Zeiteinheit um 2 Proc. beträchtlicher; auch
unter Berücksichtigung dieser etwas günstigeren Verhältnisse bleibt
jedoch die Abschwächung der Einwirkung des Kohlenoxydes durch die
stärkere Verdünnung unverkennbar.


Die Thatsache, dass jede Reduction, also auch die durch Kohlen-
oxyd bewirkte, einer gewissen Zeit bedarf, ist so selbstverständlich,
dass sie keiner besondern Erläuterung bedarf. Tunner zog aus seinen
oben erwähnten Versuchen über die Reduction der Erze im Hochofen
den allerdings nur in sehr allgemeiner Form zulässigen Schluss, dass
bei dieser Reduction eine gesteigerte Temperatur (800—900°C.) kräf-
tiger wirke als eine längere Zeitdauer in niedrigerer Temperatur.


Dass die Reducirbarkeit verschiedener Eisensauerstoffverbindungen
eine ziemlich abweichende sein könne, dass einige in niedrigerer Tempe-
ratur und in kürzerer Zeit als andere ihren Sauerstoff an den redu-
cirenden Körper, also vorwiegend an Kohlenoxyd, abgeben als andere,
wurde schon mehrfach, insbesondere auch bei Besprechung der Eisen-
erze, hervorgehoben. Unter letzteren pflegt man, auf praktische Er-
fahrungen sich stützend, die Brauneisenerze, gerösteten Spathe und
gerösteten Sphärosiderite als die durchschnittlich am leichtesten redu-
cirbaren zu betrachten; an diese reihen sich die Rotheisenerze, dann
die ungerösteten Spathe und Sphärosiderite, welche erst bei Tempe-
raturen von ca. 800°C. zersetzt und der Einwirkung reducirender
Körper zugänglich werden, hiernach folgen die Magneteisenerze und
zuletzt die Silikate. Dass die Reducirbarkeit der Magneteisenerze wie
[227]Reduction des Eisens aus seinen Verbindungen.
der Silikate (Frischschlacken) durch oxydirende Röstung nicht unerheb-
lich gesteigert werden könne, wurde ebenfalls schon erwähnt; jedoch
pflegen sie auch im gerösteten Zustande den Rotheisenerzen an Redu-
cirbarkeit nachzustehen.


Im Uebrigen lassen sich nur ganz allgemeine Regeln hierfür auf-
stellen, da die äussere Beschaffenheit, insbesondere die Porosität, jedes
einzelnen Erzstückes wie auch die Art der fremden Beimengungen des
Erzes hierbei von grossem Einflusse sind. Erze, deren Gangarten bei
der Erhitzung zersetzt werden, hierbei ein theilweises Zerfallen des
Erzstückes oder doch eine Auflockerung desselben bewirken (kalkspath-
haltige Erze), werden im Allgemeinen den reducirenden Einflüssen zu-
gänglicher sein als andere, welche ihre dichte Beschaffenheit unver-
ändert beibehalten oder wohl gar schon in verhältnissmässig niedriger
Temperatur mit den Gangarten zusammenschmelzen; u. s. f. Wie grosse
Unterschiede sich in dieser Beziehung selbst bei Erzen ergeben, welche
an und für sich einander ziemlich ähnlich sind, zeigen folgende von
J. L. Bell angestellte Versuche. 1)


Sechs Erzsorten und zwar


  • Nr. 1 Gerösteter unverwitterter Spatheisenstein,
  • „ 2 „ etwas verwitterter Spatheisenstein,
  • „ 3 „ in Braunerz umgewandelter Spatheisenstein,
  • „ 4 „ in braunen Glaskopf umgewandelter Spatheisenstein,
  • „ 5 „ in Blauerz umgewandelter Spatheisenstein,
  • „ 6 „ Clevelandeisenstein (Sphärosiderit)

wurden 8 Stunden hindurch bei etwa 400°C. (Zink erweicht) einem
Strome von Kohlenoxydgas ausgesetzt. Die Menge des entzogenen
Sauerstoffgehaltes betrug in Procenten des ursprünglichen Sauerstoff-
gehaltes:

Als man statt des reinen Kohlenoxydgases ein Gemenge von gleichen
Volumtheilen Kohlensäure und Kohlenoxydgas 2) anwendete, ergab sich
der Sauerstoffverlust


Nicht uninteressant sind ferner die Ergebnisse, welche man erhielt,
als man eine Probe der gerösteten Spatheisensteine einerseits, gemengt
mit 35 Proc. ihres eigenen Gewichtes Holzkohlenpulver, und eine Probe
der gerösteten Clevelanderze andererseits, gemengt mit 40 Proc. ihres
eigenen Gewichtes Kokspulver, in heller Rothgluth 45 Minuten lang der
Einwirkung eines Gasstromes aussetzte, welcher bei dem zuerst ge-
nannten Erze aus 64 Vol. Kohlenoxyd und 36 Vol. Kohlensäure, bei
dem zweiten Erze aus 60 Vol. Kohlenoxyd und 40 Vol. Kohlensäure
bestand.


15*
[228]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.

Die Spatheisensteine verloren 46.2 Proc. Sauerstoff, die Holzkohle
22 Proc. Kohle;


die Clevelanderze verloren 22.3 Proc. Sauerstoff, die Koks 5 Proc.
Kohle.


Die durchschnittliche Zusammensetzung der aus dem Reductions-
processe hervorgehenden Gase war



Letztere Ziffern lassen aufs Neue die stärkere Fähigkeit der Holz-
kohle erkennen, Kohlensäure, welche bei der Reduction der Erze ent-
standen war, wieder zu Kohlenoxyd zu reduciren.


Nicht ohne Wichtigkeit ist die Beantwortung der Frage, ob die
Reduction höherer Oxydationsstufen des Eisens, insbesondere des Eisen-
oxydes Fe2 O3, durch irgend einen reducirenden Körper plötzlich, ohne
dass das Oxyd allmählich niedrigere Oxydationsstufen durchläuft, statt-
findet, oder wie im anderen Falle diese Oxydationsstufen zusammen-
gesetzt sind.


Es ist durchaus nicht zweifelhaft, dass man Eisenoxyden einen
grossen Theil ihres Sauerstoffgehaltes entziehen kann, ohne dass Re-
duction zu metallischem Eisen stattzufinden braucht. Besonders deut-
lich ist diese Thatsache bei der Einwirkung reducirender Körper in
niedrigeren Temperaturen bemerkbar. Das Eisenoxyd nimmt allmäh-
lich eine schwärzliche Farbe an und die Analyse zeigt den stattgehabten
Sauerstoffverlust, aber metallisches Eisen braucht deshalb noch nicht
gegenwärtig zu sein. J. L. Bell ermittelte durch Versuche, dass, wenn
man ein Gemisch von gleichen Volumtheilen Kohlenoxydgas und Kohlen-
säure in heller Rothgluth über Eisenoxyd leitet, die Reaction aufhört,
sobald das letztere ein Drittel seines Sauerstoffgehaltes abgegeben hat,
also in Oxydul umgewandelt ist; und dass andererseits metallisches
Eisen (Eisenschwamm, durch Reduction von Eisenoxyd dargestellt) unter
denselben Einflüssen so lange oxydirt wird, bis es ebenfalls in Eisen-
oxydul umgewandelt worden ist. 1) Einem Gasstrom von der angegebenen
Zusammensetzung gegenüber verhält sich demnach in jener Temperatur
nur das Oxydul neutral.


Andererseits lässt sich Kohlenoxyd vollständig in Kohlensäure um-
wandeln, wenn es in beschränkter Menge über eine ausreichend grosse
Menge Eisenoxyd geleitet wird, ein Vorgang, bei welchem in Anbetracht
der oxydirenden Einwirkung der Kohlensäure auf Eisen die Entstehung
von metallischem Eisen unmöglich ist.


Alle diese Vorgänge beweisen, dass das Eisenoxyd bei seiner
Reduction in den allermeisten Fällen — wenn nicht ausnahmslos —
allmählich niedrigere Oxydationsstufen durchläuft, bis schliesslich das
metallische Eisen daraus hervorgeht.


Weniger zuverlässig aber sind die Ermittelungen über die Zusam-
mensetzung dieser Oxydationsstufen.


[229]Reduction des Eisens aus seinen Verbindungen.

Schinz fand, dass noch Eisenoxyd Fe2 O3 neben metallischem
Eisen (und jedenfalls auch neben Eisenoxydul) zugegen sein könne 1);
Kupelwieser und Schöffel fanden in einem Erze, welches aus
einem Eisenhochofen entnommen wurde, nachdem es den reducirenden
Einflüssen desselben bei einer Temperatur von ca. 960°C. ausgesetzt
gewesen war, nur noch Eisenoxydul neben metallischem Eisen. 2) Beide
Ergebnisse zusammen beweisen, dass sowohl Eisenoxyd Fe2 O3 als Eisen-
oxydul Fe O neben einander, unter Umständen auch neben schon ge-
bildetem metallischem Eisen, in dem in Reduction befindlichen Erze
auftreten können. Die durch früher erwähnte Versuche (S. 189) zweifellos
festgestellte Thatsache jedoch, dass das Eisenoxyduloxyd, wie es uns in
der Natur als Magneteisenerz entgegentritt, schwieriger reducirbar ist
als das Eisenoxyd, spricht entschieden gegen die Annahme, dass nun
bei der Reduction des letzteren zunächst wieder ein Eisenoxyduloxyd,
d. h. eine einzige chemische Verbindung mit niedrigerem Sauerstoff-
gehalte als es das Oxyd und höherem Sauerstoffgehalte als es das Oxydul
besitzt, gebildet werde. Auch die beim Rösten der Magneteisenerze
stattfindende Auflockerung ihres Gefüges ist allein kaum ausreichend,
jenen Widerspruch zu erklären.


Es lässt sich auf Grund dieser Erwägungen mit ziemlicher Wahr-
scheinlichkeit annehmen, dass das Fe2 O3 bei der Reduction zunächst
in Fe O, dann in metallisches Eisen übergehe, und dass, wo die Analyse
eine höhere Oxydationsstufe als Fe O in dem theilweise reducirten Erze
nachweist, beide Oxydationsstufen selbständig neben einander vorhanden
sind. 3) Die bekannte Eigenschaft des Eisenoxyduls, an der Luft sich
höher zu oxydiren, erschwert natürlich ausserordentlich die Nachweisung
desselben in theilweise reducirten Erzen. Verschiedene Umstände aber
legen den Schluss nahe, dass die Reduction des Oxydes zu Oxydul
leichter von Statten geht als diejenige des Oxyduls zu metallischem
Eisen. Sowohl der Umstand, dass schon in verhältnissmässig niedrigen
Temperaturen dem Eisenoxyd ein nicht unbeträchtlicher Theil seines
Sauerstoffgehaltes entzogen werden kann, während metallisches Eisen erst
in höherer Temperatur zu entstehen pflegt, als auch die stärkere Wärme-
entwickelung, welche durch die gleiche Menge Sauerstoff hervorgerufen
wird, je nachdem das metallische Eisen zu Oxydul oder dieses zu
Oxyd verbrennt (S. 22), deuten hierauf hin.


Eine eigenthümliche Erscheinung zeigt sich, wenn Kohlenoxyd in
niedrigeren Temperaturen — vorwiegend in den Temperaturen zwischen
300 und 400°C. — auf Eisenoxyd (Erze oder künstlich dargestellte
Oxyde) einwirkt. Das Kohlenoxyd zerfällt unter Abscheidung von
Kohlenstoff, welcher sich als schwarzes Pulver ablagert:
2CO = C + CO2.


[230]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.

Verwendet man zu einem solchen Versuche Erze in Stücken, so
schwellen dieselben gewöhnlich auf, bersten und zerfallen zu Pulver,
welches mit dem abgelagerten Kohlenstoff gemischt bleibt; dieser Vor-
gang aber hört nicht etwa auf, sobald ein gewisses Verhältniss zwischen
Eisen und Kohlenstoff erreicht ist, sondern, so lange frisches Kohlen-
oxyd zugeleitet wird, dauert, so weit die bis jetzt angestellten Unter-
suchungen schliessen lassen, die Kohlenstoffausscheidung ununterbrochen
fort, ja, sie nimmt mit der Zeit an Geschwindigkeit zu. Auf einem
Stück Rotheisenerz, welches von mir in dieser Weise behandelt wurde,
hatte sich in einem Zeitraume von 41 Stunden die fünffache Menge
des Erzgewichtes an Kohlenstoff abgelagert; Wägungen, welche innerhalb
bestimmter Zeiträume angestellt wurden, ergaben u. a., dass die Ab-
lagerung per Stunde betrug:


  • in den ersten 6 Stunden wegen allzu niedriger Temperatur Null Proc.
  • in der 6—11. Stunde durchschnittlich   1.6
  • „ „ 11—16. „ „   3.2
  • „ „ 16—20. „ „   4.2
  • „ „ 20—24. „ „   4.5
  • „ „ 24—28. „ „   7.2
  • u. s. f. 1)

Die ersten Beobachtungen in dieser Beziehung wurden 1851 durch
Stammer gemacht, welcher fand, dass beim Hinüberleiten von Kohlen-
oxyd über glühendes Eisen sich eine sammetschwarze Masse auf dem-
selben abschied 2); später, nachdem L. Bell die erwähnte Einwirkung
der Eisenerze auf Kohlenoxyd beobachtet und verschiedentlich studirt
hatte 2), wies Gruner nach 2), dass auf metallischem Eisen, wie es von
Stammer benutzt wurde, nur dann diese Kohlenstoffausscheidung vor
sich geht, wenn es wenigstens eine Spur von oxydirtem Eisen enthält,
ein Fall, der allerdings fast regelmässig vorkommt.


In Eisenhochöfen findet man mitunter an Stellen, wo sich Gelegen-
heit für eine ruhige, länger ausgedehnte Einwirkung von kohlenoxyd-
haltenden Gasen auf Eisenoxyd geboten hatte, Kohlenstoffablagerungen,
in denen nur wenige Procente Eisen sich finden, ein Beweis dafür,
dass der Process, sobald er einmal angefangen hat, so lange fortdauert,
als die äusseren Bedingungen dafür gegeben sind. 3)


Wie erwähnt ist die günstigste Temperatur für die beschriebene
Zersetzung des Kohlenoxydes 300—400 Grad; unter 300 Grad ist die
Einwirkung ausserordentlich gering oder gleich Null; in höheren Tempe-
raturen tritt unter Einwirkung des Kohlenoxydes stärkere Reduction
des oxydirten Eisens ein, während die Kohlenstoffablagerung ent-
sprechend nachlässt. Stammer’s oben erwähnte Versuche sowie Be-
obachtungen in der Praxis lassen jedoch schliessen, dass unter besonders
günstigen Verhältnissen (wozu vor Allem ein reichliches Verhältniss
des Kohlenoxydes im Gasstrome zu der entstehenden Kohlensäure ge-
[231]Kohlenstoffablagerung aus Kohlenoxyd.
hören dürfte), auch noch in Rothgluth Kohlenstoffablagerung statt-
finden kann.


Gruner glaubt durch Versuche gefunden zu haben, dass der
Process überhaupt nur möglich sei, wenn gleichzeitig metallisches und
oxydirtes Eisen vorhanden sind. Verschiedene Umstände jedoch lassen
diese Theorie als mindestens zweifelhaft erscheinen, vor allen die oben
berührte Thatsache, dass in der Temperatur zwischen 300 und 400°C.
zwar Eisenoxyd zu Oxydul, dieses aber kaum zu metallischem Eisen
reducirt wird.


Nach Bell hört die Kohlenstoffablagerung auf, wenn das Volumen
der Kohlensäure im Gasstrome halb so gross ist als das des Kohlen-
oxydes. Da jedoch Kohlensäure auf feste Kohle um so stärker oxydirend
einwirkt, je höher die Temperatur ist, so dürfte auch jene Grenze des
zulässigen Kohlensäuregehaltes von der Temperatur abhängig sein und
um so tiefer liegen, in je höherer Temperatur der Process vor sich geht.


Eine allseitig befriedigende Erklärung des beschriebenen wunder-
baren Vorganges ist bis jetzt nicht gefunden worden. Gruner glaubt
auf Grund der angestellten Versuche eine abwechselnde Reduction und
Oxydation annehmen zu sollen, welche er durch die Formeln
(an Eisen gebunden)
darstellt. Dass jedoch derselbe Gasstrom abwechselnd das Eisenoxydul
oxydiren und das Oxyduloxyd reduciren sollte, ist wenig wahrschein-
lich; auch jene Vereinigung zwischen Eisen und Kohle, durch deren
Entstehung allenfalls die Wechselwirkung erklärt werden könnte, hat
um so weniger Wahrscheinlichkeit für sich, da, wie erwähnt, die Kohlen-
stoffausscheidung von der Menge des anwesenden Eisens durchaus un-
abhängig ist.


Für die Praxis ist der besprochene Vorgang nicht ohne Bedeutung.
Es möge hier vorläufig nur an den einen Umstand erinnert werden,
dass die Einwirkung des Kohlenoxydes sich auch auf eisenhaltige Zu-
stellungsmaterialien der Oefen erstreckt, welche in der erwähnten Tempe-
ratur dem Gase ausgesetzt sind. In den Fugen des Gemäuers, in den
Poren des Steines, überall, wo sich kleine Mengen oxydirten Eisens
befanden und von dem Gase getroffen wurden, setzt sich Kohlenstoff
ab, häuft sich mehr und mehr an, durch den Zersetzungsprocess wird
der Zusammenhang der Steine gelockert, sie werden mürbe, zerfallen
wohl gar theilweise und vermögen schliesslich ihren Zweck nicht mehr
zu erfüllen.


Reduction durch Wasserstoffgas. Dieselbe spielt neben der
Reduction durch Kohle und Kohlenoxyd eine gewisse, wenn auch nicht
sehr hervorragende, Rolle und verdient immerhin einige Beachtung.
Wir verdanken die Kenntniss des Einflusses von Wasserstoff auf Eisen-
oxyde und der Beeinflussung dieses Einflusses durch Temperatur und
Anwesenheit anderer Körper wiederum zum grössten Theile dem mehr-
fach genannten englischen Eisenwerksbesitzer Lowthian Bell.


[232]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.

Derselbe fand 1)


1. dass die reducirende Einwirkung des Wasserstoffes auf Eisen-
oxyde annähernd in der nämlichen Temperatur beginnt als diejenige des
Kohlenoxydes (ca. 200°C.);


2. dass in hoher Temperatur (angehender Weissgluth) das Maass
der durch Wasserstoff ausgeübten Reduction der Eisenoxyde sich in
noch stärkerem Maasse steigert als es bei der Reduction durch Kohlen-
oxyd der Fall ist. Durch ein Gasgemisch, welches aus 88.2 Volum-
theilen Kohlenoxyd, 10.6 Volumtheilen Wasserstoff, 1.2 Volumtheilen
Stickstoff bestand, wurden den Erzen in den verschiedenen Temperaturen
folgende Sauerstoffmengen entzogen: 2)

3. dass Wasserstoff, in Zinkschmelzhitze über Kalkstein geleitet,
die Kohlensäure desselben unter reichlicher Reduction zu Koh-
lenoxyd
vollständig austreibt.


4. Eisen und Kohlenstoff.


Aufnahme des Kohlenstoffs durch Eisen.

Das Bestreben des Eisens, sich mit Kohlenstoff zu legiren, ist so
stark, dass es kaum möglich ist, Eisen durch Kohle oder kohlenstoff-
haltige Gase zu reduciren, ohne dass wenigstens kleine Mengen Kohle
dabei von dem Eisen aufgenommen würden. Alles Handelseisen ist
daher kohlenstoffhaltig, obgleich bei einigen Sorten schmiedbaren Eisens
die Menge des Kohlenstoffgehaltes noch nicht 0.1 Proc. erreicht.


Schon durch einfache Erhitzung des Eisens mit Kohle oder kohle-
haltigen festen Körpern bis zur Rothgluth geht Kohlenstoff an das Eisen
über, sofern der Kohlenstoffgehalt des letzteren ein von der herrschen-
den Temperatur abhängiges Maass noch nicht erreicht hatte, und ver-
theilt sich von der Berührungsstelle aus durch Molekularwanderung
annähernd gleichmässig durch das ganze Eisenstück hindurch. Es ist
dieses ein Vorgang, auf welchem die in der dritten Abtheilung aus-
führlicher besprochene Darstellung des Cementstahles beruht.


Dass Kohlenoxyd bei anhaltender Einwirkung auf Eisen in Glüh-
hitze Kohlenstoff auf demselben ablagern könne (nach Gruner nur bei
Anwesenheit kleiner Mengen oxydirten Eisens), wurde schon auf S. 230
erwähnt; dass in diesem Falle der abgelagerte Kohlenstoff sich theil-
weise auch mit dem Eisen legiren werde, und dass wenigstens mittelbar
auf diese Weise eine Kohlung des letzteren durch das Kohlenoxyd
stattfindet, folgt aus dem, was soeben über die Fähigkeit des Eisens,
festen Kohlenstoff aufzunehmen, gesagt wurde, von selbst. Der Um-
stand, dass alles durch Kohlenoxyd reducirte Eisen kohlenstoffhaltig ist,
[233]Eisen und Kohlenstoff.
lässt sich jedenfalls auf diesen Vorgang zurückführen. Ob eine un-
mittelbare Einwirkung des Kohlenoxydes auf das Eisen ohne voraus-
gehende Ablagerung festen Kohlenstoffs stattfinden könne, ist mindestens
zweifelhaft; und jedenfalls ist dieselbe, wie sich aus Versuchen von
Percy ergiebt 1), sehr unbedeutend.


Dagegen entzieht das Eisen Kohlenwasserstoffen mit grosser Leich-
tigkeit einen Theil ihres Kohlenstoffgehaltes. Leuchtgas, Petroleumdampf
und andere kohlenwasserstoffreiche Gase erhöhen, wenn sie in Rothgluth
auf kohlenstoffarmes Eisen (Schmiedeeisen) einwirken, den Kohlenstoff-
gehalt desselben beträchtlich. Sogar Wasserstoff, welcher durch glühende
Holzkohlen geleitet wurde, vermochte bei mehreren von Percy an-
gestellten Versuchen 2) kohlend auf Eisen zu wirken, sei es, dass unter
der Berührung des Gases mit den Kohlen Kohlenwasserstoff gebildet
wurde oder dass die in den Kohlen gewöhnlich absorbirten Kohlen-
wasserstoffe durch das Hindurchleiten einfach ausgetrieben wurden.


Auch Cyangas wirkt kräftig kohlend auf das Eisen; dass verschie-
dene Cyanmetalle, insbesondere Cyankalium und Cyannatrium die
gleiche Wirkung äussern, ist mehr als wahrscheinlich. Blutlaugensalz
wird im Kleinbetriebe nicht selten benutzt, um durch Glühen mit Eisen
den Kohlenstoff des letzteren anzureichern.


Maximal-Kohlenstoffgehalt des Eisens.

Trotz der geschilderten starken chemischen Verwandtschaft des
Eisens zum Kohlenstoff ist die Menge des letzteren, welche vom Eisen
aufgenommen werden kann, beschränkt. Aus Versuchen von Percy3)
geht hervor, dass reines Eisen beim Zusammenschmelzen mit Kohlen-
stoff höchstens 4.6 Proc. desselben aufzunehmen vermag, während in
den meisten Fällen der Kohlenstoffgehalt des übrigens reinen Eisens
4 Proc. nicht erheblich übersteigt.


Fremde Körper, welche neben Kohlenstoff mit dem Eisen legirt
sind, beeinflussen jedoch dessen Fähigkeit, Kohlenstoff aufzunehmen.


Mangan befördert die Kohlenstoffaufnahme. Eisenmangan-
legirungen mit 10—20 Proc. Mangan können, sofern sonstige Körper,
welche den entgegengesetzten Einfluss ausüben, nicht zugegen sind, ca.
5 Proc. Kohle oder etwas darüber enthalten; bei 35 Proc. Mangan kann
der Kohlenstoffgehalt 5.5 Proc. betragen; bei 50 Proc. Mangan 6 Proc.
Kohle, bei 65 Proc. Mangan 6.5 Proc. Kohle, bei 80 Proc. Mangan,
7 Proc. Kohle, bei 90 Proc. Mangan, 7.3 Proc. Kohle (so dass die zu-
letzt erwähnte Legirung nur etwa 2.7 Proc. Eisen enthalten kann).


Beeinträchtigt wird die Legirungsfähigkeit des Eisens mit Kohlen-
stoff durch die Anwesenheit von Silicium, Schwefel; weniger deutlich
wirkt Phosphor. Die Folge davon ist also, dass silicium- oder
schwefelhaltiges Eisen niemals soviel Kohlenstoff enthält,
als jenen Ziffern für den Maximalgehalt im reinen Eisen
beziehentlich Eisenmangan entspricht
. Annähernd, doch nicht
genau, ersetzen sich diese Körper gegenseitig im Verhältnisse ihrer
[234]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.
Atomgewichte, so dass 1 Thl. Silicium 3/7 Thl. Kohle, 1 Thl. Schwefel
⅜ Thl. Kohle ersetzt. Eisen mit 2 Proc. Silicium und frei von Mangan
enthält kaum jemals mehr als 3.8 Proc. Kohle; Eisenmangan mit 50 Proc.
Mangan und 2 Proc. Silicium wird nicht erheblich über 5 Proc. Kohle
enthalten. Falsch aber würde der Schluss sein, dass Eisensorten mit
mehr als 11 Proc. Silicium nunmehr ganz kohlenstofffrei sein müssten,
da dieser Siliciumgehalt, den Verhältnissen der Atomgewichte gemäss,
jenen Gehalt von 4.6 Proc. Kohle vollständig ersetzen könnte, welcher
oben als Maximalgehalt im übrigens reinen Eisen bezeichnet wurde.
Man findet auch neben dem angegebenen Siliciumgehalte gewöhnlich
noch etwas über 1 Proc. Kohlenstoff.


Aus Versuchen, welche im Kleinen früher von Karsten1), später
in Percy’s2) Laboratorium angestellt wurden, geht zweifellos hervor,
dass, wenn Schwefel von Eisen aufgenommen wird, welches seinen
Maximalgehalt an Kohlenstoff besitzt, ein Theil dieses letzteren als fester
Körper ausscheidet. Technisch dargestellte Eisensorten enthalten jedoch
nur selten so beträchtliche Mengen von Schwefel, dass eine derartige
Einwirkung desselben merkbar hervortreten kann.


Graphitbildung im Eisen.

Unter gewissen Verhältnissen zerfällt kohlenstoffhaltiges Eisen beim
Erstarren und noch während des Abkühlens bis auf dunkle Rothgluth
ganz oder theilweise, und es scheidet sich Kohlenstoff mit allen Kenn-
zeichen des Graphits aus, welcher in hexagonalen Blättchen von mikrosko-
pischer Grösse bis zu mehreren Millimetern Durchmesser sich zwischen
das Gefüge des Eisens in annähernd gleichmässiger Vertheilung ein-
lagert. Wird das graphithaltige Eisen wieder zum Schmelzen erhitzt,
so wird der Graphit abermals vom Eisen gelöst, und das flüssige Eisen
enthält keinen Graphit.


Den Beweis für diese Abwesenheit des Graphits im flüssigen Eisen
erhält man u. a. leicht aus der erwähnten Thatsache, dass der Graphit
im erkalteten Eisen annähernd gleichmässig vertheilt ist. Bei dem er-
heblich geringeren specifischen Gewichte des Graphits (2.3, während das
specifische Gewicht des Eisens ca. 7.5 beträgt) würde derselbe im flüs-
sigen Eisen emporsteigen und sich vollständig an der Oberfläche sammeln.
Eine derartige Erscheinung tritt allerdings dann ein, wenn das Sät-
tigungsvermögen des Eisens für Kohlenstoff durch Aufnahme von
Silicium abgemindert wurde, nachdem es bereits seinen, dem silicium-
freien Zustande entsprechenden Maximalgehalt an Kohlenstoff auf-
genommen hatte; ein entsprechender Theil des Kohlenstoffes scheidet
aus dem flüssigen Eisen aus und schwimmt auf der Oberfläche.
Diesen Graphit aber, welcher als eine wirkliche Ausscheidung aus dem
Eisen, nicht mehr als ein Bestandtheil desselben zu betrachten ist,
pflegt man in den Eisengiessereien, wo die Entstehung desselben die
Herstellung fehlerfreier Güsse benachtheiligt, als Gaarschaum zu
bezeichnen.


[235]Eisen und Kohlenstoff. Graphitbildung.

Die Ursachen, welche Graphitausscheidung hervorrufen, sind zu-
nächst ein Siliciumgehalt des Eisens neben Kohle; ausserdem Ver-
zögerung der Abkühlung.


Geringere Mengen Silicium können neben kleineren Mengen Kohlen-
stoff im Eisen anwesend sein, ohne dass Graphitbildung beim Erstarren
bemerkbar wird; geht aber der Gehalt beider Körper über ein gewisses
Maass hinaus, so wird durch den Siliciumgehalt die Fähigkeit des er-
kaltenden Eisens, Kohlenstoff legirt zu behalten, abgeschwächt, und das
erwähnte Zerfallen tritt ein. Der Vorgang ist dem Zerfallen erkaltender
anderer Legirungen (z. B. der Bronzen) ganz ähnlich. Aus dem Um-
stande aber, dass jenes Zerfallen der Eisenkohlenstofflegirung erst
möglich wird, wenn ein gewisses Maass des Gehaltes an Kohle, be-
ziehentlich an Kohle neben Silicium überschritten ist, erklärt es sich,
dass diese Graphitbildung vorzugsweise bemerkbar in gewissen Roh-
eisensorten
(im grauen Roheisen, vergl. S. 5) auftritt und im
schmiedbaren Eisen fast gänzlich verschwindet. Das kohlenstoffarme
Schmiedeeisen zeigt nie eine Spur von Graphit.


Diejenige Kohle, welche beim Erstarren und Abkühlen nicht aus
ihrer Legirung mit dem Eisen ausscheidet, bezeichnet man als gebun-
dene Kohle
.


Aus dem soeben besprochenen Einflusse des Siliciumgehaltes auf
die Graphitbildung folgt, dass, sobald jene Grenze, bis zu welcher Kohle
und Silicium nebeneinander auftreten können, ohne dass Graphitbildung
eintritt, überschritten ist, letztere um so vollständiger sein wird, je mehr
Silicium neben dem Kohlenstoff anwesend ist. Anderntheils aber ver-
ringert sich mit zunehmendem Siliciumgehalte der Gesammtkohlenstoff-
gehalt, wie oben erwähnt wurde; daher kann auch der gesammte
Graphitgehalt in einem Eisen, welches einen Ueberschuss an Silicium
enthält, nicht so bedeutend sein als in einem solchen, welches eben nur
jene, zur Graphitbildung in einem mit Kohle gesättigten Eisen erforder-
liche Menge Silicium enthält.


Wie hoch jener Gehalt des Eisens an Kohle und Silicium sein
kann, ohne dass Graphitbildung eintritt; oder welcher Siliciumgehalt in
jedem einzelnen Falle erforderlich ist, um den anwesenden Kohlenstoff-
gehalt zur Umwandlung in Graphit beim Erstarren zu zwingen, lässt
sich genau nicht angeben, da hierbei, wie sogleich besprochen werden
soll, die Anwesenheit anderer Körper einerseits, sowie die Abkühlungs-
verhältnisse andererseits von Einfluss sind. In einem übrigens reinen
Eisen, welches 4 Proc. Kohlenstoff enthält, ist gewöhnlich nur eine ge-
ringe Menge Silicium erforderlich, um einen Theil jenes Kohlenstoffs
zur Ausscheidung zu bringen; enthält das Eisen nur 1 Proc. oder
noch weniger Kohlenstoff, so können mehrere Procente Silicium neben
letzterem anwesend sein, ohne dass Graphitbildung erkennbar wird.


Mangan und Schwefel erschweren die Graphitbildung. Je
grössere Mengen dieser Körper neben Kohlenstoff zugegen sind, desto
mehr Silicium kann zugleich anwesend sein, ohne dass Graphitbildung
eintritt. Es darf hierbei nicht ausser Acht gelassen werden, dass Mangan
zugleich den Sättigungsgrad des Eisens für Kohlenstoff erhöht, Schwefel
ihn verringert. Eine Eisenmanganlegirung mit 10 Proc. Mangan und
5 Proc. Kohle kann schon einige Zehntel Proc. Silicium enthalten,
[236]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.
ohne dass Graphitbildung merkbar wird; bei 60 Proc. Mangan können
neben 5 Proc. Kohle mehr als 2.5 Proc. Silicium zugegen sein, ohne
Graphitbildung zu veranlassen.


Versuche, in Percy’s Laboratorium über die Einwirkung des
Schwefels auf graphithaltiges Eisen angestellt, ergaben u. a.:


dass ein graphithaltiges Eisen mit 3.8 Proc. Kohle durch Zusatz
von Schwefel, dessen Menge in dem erstarrten Eisen 2.1 Proc. betrug,
seinen Kohlenstoffgehalt auf 3.17 Proc. verringerte und ohne Graphit-
ausscheidung erstarrte;


ein graphithaltiges Eisen mit 4.39 Proc. Kohle unter Zusatz von
Schwefel (im erstarrten Eisen 0.72 Proc.) sich in graphitarmes Eisen um-
wandelte, wobei die Abnahme des Kohlenstoffgehaltes nicht ermittelt
wurde. 1)


Leider war bei diesen Versuchen der anwesende Siliciumgehalt
nicht ermittelt.


Aehnlich wie Mangan und Schwefel wirkt praktischen Beobachtungen
zufolge Phosphor auf die Graphitausscheidung; d. h. dieselbe wird durch
die Anwesenheit von Phosphor erschwert. Der Einfluss des Phosphors
ist jedoch weit unerheblicher als der jener Körper.


Von Wichtigkeit sind die Einwirkungen, welche die Abkühlungs-
verhältnisse auf die Graphitbildung ausüben. Langsame Abkühlung
des erstarrenden mit Kohlenstoff gesättigten Eisens be-
fördert die Graphitbildung, rasche Abkühlung erschwert sie
.


Ein und dasselbe Eisen kann daher verschiedenen Graphitgehalt
zeigen, je nachdem es langsam oder rasch abgekühlt wurde; ja, in ver-
schiedenen Querschnitten eines und desselben Eisenstückes pflegt der
Graphitgehalt verschieden zu sein, an den Rändern und in dünneren
Querschnitten, wo die Abkühlung rascher vor sich ging, schwächer als
in stärkeren Querschnitten und in der Mitte.


Es verdient Erwähnung, dass der Gesammtkohlenstoffgehalt des
Eisens (Graphit und gebundene Kohle zusammen) sich gewöhnlich um-
gekehrt verhält als der Graphit allein; er pflegt in den rascher er-
starrenden Querschnitten grösser als in den langsamer erstarrenden zu
sein, während in den letzteren der Siliciumgehalt sich anhäuft. So z. B.
fand ich in einem gegossenen Panzerstücke für Küstenbefestigung 2):

und in einem gusseisernen Laufrade

Auch Karsten machte schon die gleiche Beobachtung.


Durch sehr rasche Abkühlung, z. B. durch Eingiessen des flüssigen
Eisens in metallene Formen, ist man im Stande, bei manchen Eisen-
[237]Eisen und Kohlenstoff. Graphit.
sorten, welche bei langsamer Abkühlung Graphit in beträchtlichen
Mengen ausscheiden würden, die Graphitausscheidung vollständig zu
hintertreiben. Dickere Stücke von solchem Eisen, welche vom Rande
her oder an bestimmten Stellen rasch abgekühlt wurden, in der Mitte
oder an anderen Stellen dagegen langsamer erkalteten, zeigen an den
ersteren Stellen keine Graphitausscheidung (weisses Roheisen), während
an den letzteren oft fast vollständige Umwandlung des gebundenen
Kohlenstoffes an Graphit stattgefunden hat (Umwandlung in graues
Roheisen). Auf diesem Vorgange beruht die Herstellung des Hart-
gusses
, d. h. gusseiserner Gebrauchsgegenstände, welche an einzelnen
Stellen aus weissem, an anderen aus grauem Roheisen bestehen.


Durch anhaltendes Glühen bei Abschluss der Luft und allmälige
Abkühlung solchen Eisens, dessen Graphitausscheidung durch rasche
Wärmeentziehung beeinträchtigt worden war, lässt sich der Graphitgehalt
desselben anreichern. Roheisen, welches durch rasche Abkühlung weiss
geworden war, lässt sich in graues Roheisen durch das erwähnte Mittel
umwandeln. Hierin liegt ein fernerer Beweis für die oben aufgestellte
Behauptung, dass die Graphitbildung erst in den Temperaturen vom
Erstarrungspunkte an abwärts stattfindet.


Ausdrücklich muss jedoch erwähnt werden, dass solche Eisensorten,
welche mit Kohlenstoff und Silicium nebeneinander gewissermaassen
übersättigt sind, auch bei raschester Abkühlung niemals verhindert
werden können, einen Theil ihres Kohlenstoffes als Graphit auszu-
scheiden; immerhin ist aber auch bei diesen Eisensorten das Maass der
Graphitbildung bei rascher Abkühlung geringer als bei langsamer.


Ob jedoch ein mit Kohlenstoff zwar vollständig gesättigtes, aber
siliciumfreies Eisen, welches wegen der Abwesenheit von Silicium bei
gewöhnlicher Abkühlung ohne Graphitbildung erstarren würde, durch
anhaltendes Glühen und langsame Abkühlung ebenfalls zur Graphit-
bildung gezwungen werden kann, sofern nicht bei dem Glühen selbst
auch sonstige chemische Einwirkungen (Aufnahme von Silicium 1)) statt-
finden, ist mit vollständiger Sicherheit kaum nachgewiesen worden. Jeden-
falls ist ein sehr lange fortgesetztes Glühen dazu erforderlich.


Sonstige Formen des Kohlenstoffs im Eisen.

Ausser der gebundenen Kohle, welche in wirklicher Legirung mit
dem Eisen sich befindet, und dem Graphit, welcher infolge eines Zerfallens
der Eisenkohlenstofflegirung als selbständiger Körper aus dieser sich
ausscheidet, hat man mitunter Kohlenstoff nachgewiesen, der chemisch
ein noch anderes Verhalten als jene beiden Formen zeigt.


Caron fand, dass, wenn man Stahl, welcher zuvor geglüht worden
war, in Säuren löst, hierbei ein schwarzer Rückstand bleibt, welcher
vorwiegend aus Kohlenstoff besteht, aber zugleich gewisse Mengen Eisen
und unter Umständen Kieselsäure enthält; unterwirft man denselben
Stahl aber einem Härtungsprocesse durch Ablöschen in kaltem Wasser,
[238]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.
nachdem er auf Rothgluth erhitzt worden war, so hinterlässt er beim
Auflösen keinen Rückstand, sondern der gesammte Kohlenstoff ver-
flüchtigt sich als übelriechendes Kohlenwasserstoffgas. Auch durch an-
dauerndes Hämmern des glühenden Stahles lässt sich die Menge des
beim Auflösen hinterbleibenden Rückstandes abmindern. 1)


Später machte Rinman die gleiche Beobachtung 2), deren Richtigkeit
sich übrigens sehr leicht prüfen lässt und später auch noch durch ver-
schiedene andere Forscher bestätigt wurde. Nach Rinman’s Ver-
suchen löst sich die Kohle des nicht gehärteten Stahles auch dann
vollständig, wenn man ihn sofort mit heissen Säuren behandelt; in
kalten Säuren dagegen bleibt ein Rückstand, der sich nun auch beim
späteren Erhitzen nicht mehr auflöst. Als Graphit kann dieser kohlen-
stoffreiche Rückstand nicht betrachtet werden, da Graphit sich weder
in kalter, noch in heisser Säure löst. Auch beim Auflösen ungehärteten
Stahles in Salpetersäure hinterbleibt nach Woodcock3) ein ähnlicher
Rückstand, der sich abfiltriren und trocknen lässt, beim Berühren mit
einem glühenden Drahte aber wie Schiesspulver verpufft.


Es ist zweifellos, dass hier eine besondere Form des Kohlenstoffs
oder — was noch wahrscheinlicher ist — eine Eisenkohlenstofflegirung
vorliegt, welche in dem langsam abkühlenden Stahle sich von der
grösseren Menge des kohlenstoffärmeren Stahles sondert, wie sich in
den Bronzen zinnreichere Legirungen bei langsamer Abkühlung von
kupferreicheren sondern. Bei rascher Abkühlung unter jene Temperatur,
oberhalb welcher das Eisen gleichmässig von der Kohle durchdrungen
ist (ca. 500°C.), verharren dagegen beide Körper in gleichmässiger
Legirung, ein Verhalten, welches sich ebenfalls bei der Bronze be-
obachten lässt. Da diese Kohle in vorzugsweise grossen Mengen im
unbearbeiteten Cementstahle gefunden wird, jener Stahlgattung, welche
durch wochenlang fortgesetztes Glühen kohlenstoffärmeren Eisens mit
Holzkohle dargestellt wird, so nannte Rinman dieselbe Cement-
kohle
. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich auch in vielen langsam
abgekühlten Roheisensorten das gleiche Vorkommniss durch sorgfältige
Untersuchung nachweisen lassen würde.


Eine ähnliche Form des Kohlenstoffes beobachtete F. C. E. Müller
im Bessemerstahl. 4) Beim Auflösen desselben in Salzsäure und Be-
handeln des hierbei zurückbleibenden schwarzen Rückstandes mit heisser
Salpetersäure erhielt er als letzten Rückstand einen Körper, dessen Zu-
sammensetzung annähernd der Formel Fe C8 entsprach, also ebenfalls
aus einer kohlenstoffreicheren Eisenlegirung bestehen dürfte, welche sich
beim Erstarren und Abkühlen von dem übrigen Stahl sonderte.


Den sämmtlichen nichtgraphitischen Kohlenstoff, also die gebundene
Kohle (S. 235) und die Cementkohle zusammen, pflegt man als amorphen
Kohlenstoff zu bezeichnen.


[239]Eisen und Kohlenstoff.
Einflüsse des Kohlenstoffgehaltes auf die Eigenschaften des Eisens.

Der Graphit als selbständig ausgeschiedener Körper hat selbstver-
ständlich eine unmittelbare Einwirkung auf die Eigenschaften des Eisens
nicht mehr; mittelbar aber beeinflusst er dieselben in mehrfacher Weise.
Indem er in dünnen Blättchen sich zwischen das Gefüge des Eisens
lagert, unterbricht er den vollständigen Zusammenhang und das Eisen
verliert dadurch an Festigkeit; indem aber Graphit überhaupt gebildet
wird, verringert sich natürlicherweise die Menge des in gebundener
Form zurückbleibenden Kohlenstoffes, und demzufolge ändern sich auch
in entsprechender Weise die Eigenschaften des Eisens.


Aehnlich wie der Graphit verhalten sich die übrigen oben erwähnten,
unter bestimmten Verhältnissen aus der grösseren Menge des Eisens
sich aussondernden (aussaigernden) kohlenstoffreicheren Eisenkohlenstoff-
legirungen (Rinman’s Cementkohle u. s. w.). Sie bleiben als ab-
weichend zusammengesetzte Körper dem Eisen beigemengt; aber der in
letzterem zurückbleibende Gehalt an gebundener Kohle wird durch das
Ausscheiden jener verringert und die Eigenschaften werden andere, als
wenn der gesammte Kohlenstoffgehalt in gebundener Form im Eisen
verbleibt.


Da nun auf die Entstehung des Graphits sowohl als jener übrigen
Formen des Kohlenstoffs die Abkühlungsverhältnisse von grossem Ein-
flusse sind, so erklärt es sich, dass die Eigenschaften eines und des-
selben Eisens erhebliche Abweichungen zeigen können, je nachdem
rasche oder langsame Abkühlung des glühenden Eisens stattfand. Auch
starke oder wenig starke Ueberhitzung geschmolzenen Eisens vor dem
Erstarren kann Verschiedenheiten in dieser Beziehung hervorrufen.


Die Festigkeit des Eisens wird durch einen Gehalt an gebundener
Kohle im Verhältnisse ihrer Menge gesteigert, und erreicht im übrigens
reinen Eisen ihr höchstes Maass, wenn der Kohlenstoffgehalt etwa 1 Proc.
oder weniger darüber beträgt; bei weiterer Zunahme des Kohlenstoff-
gehaltes verringert sich die Festigkeit.


Die Elasticität wird durch kleinere Mengen gebundener Kohle
gesteigert, erreicht aber ihr Maximum, schon ehe die höchste Festigkeit
erreicht ist. Genauere Ermittelungen hierüber fehlen, da gerade diese
Eigenschaft durch die vorausgehende Bearbeitung ausserordentlich beein-
flusst wird.


Mit der Festigkeit, aber noch rascher als diese, steigert sich die
Elasticitätsgrenze des kalten Eisens; die Folge davon ist, dass die
Zähigkeit, deren Maass zum grossen Theile von der Differenz zwischen
Elasticitätsgrenze und Festigkeitsmodul abhängig ist, sich verringert.


Eine der Zähigkeit nahe verwandte Eigenschaft ist die Dehnbar-
keit
, d. h. die Eigenschaft, bleibende Formveränderungen zu ertragen;
auch sie mindert sich mit zunehmendem Kohlenstoffgehalte. Beim Er-
hitzen des Eisens zum Glühen aber verliert dasselbe um so rascher an
Festigkeit, je kohlenstoffreicher es ist; und die Folge davon ist eine ent-
sprechende Abminderung der Schmiedbarkeit.


Die Härte des Eisens wird durch einen gebundenen Kohlenstoff-
gehalt gesteigert, bis derselbe etwa 2 Proc. beträgt; bei weiterer Zunahme
scheint sich die Härte etwas zu verringern, bleibt aber immerhin be-
[240]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.
trächtlicher als diejenige der Eisensorten mit weniger als 1 Proc. Kohle.
Stahl mit etwa 1—1.5 Proc. Kohlenstoff lässt sich im gehärteten Zu-
stande (in welchem der Kohlenstoffgehalt vollständig gebunden ist) zur
Bearbeitung weissen Roheisens mit 3—4 Proc. Kohlenstoff benutzen.


Die Schmelztemperatur des Eisens sinkt mit zunehmendem
Kohlenstoffgehalte.


Aus dem Gesagten folgt, dass Eisen, welches Graphit oder Cement-
kohle enthält, durchschnittlich weniger fest ist als solches, dessen
Kohlenstoffgehalt im gebundenen Zustande verharrt und nicht erheblich
über 1 Proc. hinausgeht; dass ersteres sich durch geringere Sprödigkeit
vor dem letztern auszeichnet; dass die Härte des kohlenstoffhaltigen
Eisens durch Ausglühen verringert werden kann. In letzterer Be-
ziehung darf freilich nicht unerwähnt bleiben, dass die Härte des
schmiedbaren Eisens wie der schmiedbaren Metalle überhaupt auch
durch fortgesetzte Bearbeitung im kalten Zustande erheblich gesteigert
werden kann und dass auch diese durch Bearbeitung künstlich erzeugte
Härte durch Ausglühen wieder verschwindet. Verringert sich also durch
diesen Process die Härte eines Eisens, so kann nur dann auf die Ent-
stehung von Graphit oder Cementkohle geschlossen werden, wenn nicht
der vorherige Härtegrad in der erwähnten Weise, d. h. durch Bearbeitung,
hervorgerufen worden war.


Da nun Graphit an und für sich unschmelzbar ist, das bei der
Graphitbildung zurückbleibende kohlenstoffärmere Eisen aber eine höhere
Temperatur zum Schmelzen erfordert, als wenn es an Stelle des Graphits
gebundene Kohle enthielte, da ferner für die Wiedervereinigung (Lösung)
des Graphits mit dem Eisen immerhin beginnende Schmelzung des
letzteren erforderlich sein wird, so erklärt es sich, dass graphit-
haltiges Eisen eine höhere Schmelztemperatur besitzt als
graphitfreies mit dem nämlichen Gesammtkohlenstoff-
gehalte
.


Theorie der Eisenkohlenstofflegirungen.

Ausgehend von der Anschauung, dass, wo eine Vereinigung zweier
verschiedener Körper zu einem gleichmässigen Ganzen stattfindet, auch
nothwendigerweise eine chemische Verbindung im eigentlichen Sinne,
d. h. nach den Verhältnissen der Atomgewichte oder ihrer Vielfachen,
vorhanden sein müsse, ist man seit dem Aufblühen der metallurgischen
Wissenschaft vielfach bemüht gewesen, solche bestimmte chemische Ver-
bindungen zwischen Eisen und Kohlenstoff aufzufinden und die Eigen-
schaften des kohlenstoffhaltigen Eisens von der Anwesenheit dieser Ver-
bindungen abzuleiten. Man nannte diese Eisenkohlenstoffverbindungen
Carburete, und verschiedene Forscher glaubten verschiedene solcher
Carburete gefunden zu haben. Die betreffenden Theorien sind in sämmt-
lichen älteren Handbüchern der Eisenhüttenkunde mitgetheilt. 1)


[241]Eisen und Silicium.

Von allen diesen Theorien erfreute sich allein eine von Tunner
aufgestellte einer grösseren Wahrscheinlichkeit. Derselbe nahm an, dass
nur ein einziges Carburet, das sogenannte Viertelcarburet Fe4 C existire,
welches in einer Roheisensorte mit ca. 5 Proc. Kohlenstoff, dem durch
sein eigenthümliches Gefüge gekennzeichneten Spiegeleisen (vgl. II. Ab-
theilung) in ziemlich ausgebildeter Form auftrete, während in kohlen-
stoffärmeren Eisensorten Gemische dieses Viertelcarburets mit freiem
Eisen vorlägen.


Auch die Tunner’sche Theorie ist jedoch vornehmlich durch den
Umstand hinfällig geworden, dass man neuerdings Eisenmanganlegi-
rungen darstellt, deren Kohlenstoffgehalt erheblich über denjenigen des
vermutheten Viertelcarburets hinausgeht (vergl. S. 233).


Man vergass offenbar bei jenem ängstlichen Forschen nach wirk-
lichen chemischen Verbindungen zwischen Eisen und Kohlenstoff, dass,
wie schon auf S. 217 erwähnt wurde, zahlreiche andere Körper sich ganz
ebenso verhalten, d. h. sich in einander lösen und im gelösten Zustande
mit einander erstarren, ohne dass deshalb immer chemische Verbindungen
im engeren Sinne vorhanden zu sein brauchen; ja, dass zahlreiche andere
Metalle ein ganz gleiches Verhalten gegenüber Metallen sowohl als
Metalloiden (Schwefel, Phosphor, Arsen, Antimon u. a.) zeigen, indem
sie mit diesen sich zu „Legirungen“ in unbeschränkten Gewichtsver-
hältnissen vereinigen.


Der oben (S. 218) gegebenen Erklärung des Begriffes „Legirung“
gemäss kann man die zwischen Eisen und Kohlenstoff gebildeten Ver-
einigungen, welche den Hauptbestandtheil fast alles Handelseisens aus-
machen, als wirkliche Legirungen beider Körper betrachten, in welchen
möglicherweise wirkliche chemische Verbindungen entstehen und
unter geänderten Verhältnissen wieder zerfallen können, ohne dass aber
ihre Entstehung nothwendig für die Aufnahme des Kohlenstoffs im
Eisen ist.


5. Eisen und Silicium.


Reduction des Siliciums.

Obgleich Kieselerde, wenn sie ohne Weiteres der Einwirkung von
Kohlenstoff ausgesetzt ist, auch in Weissgluth nicht zu Silicium reducirt
wird, so gelingt doch die Reduction leicht, wenn ausser Kohle auch
metallisches Eisen zugegen ist, mit welchem das reducirte Silicium im
Entstehungszustande sich legiren kann. Sogar beim Glühen der drei
Körper ohne Schmelzung wird Silicium vom Eisen aufgenommen.


Schmilzt man kohlenstoffhaltiges Eisen in Gefässen, deren Wände
Kieselsäure enthalten, so wird, wie Troost und Hautefeuille nach-
wiesen, ebenfalls durch einen Theil des Kohlenstoffgehaltes im Eisen
Silicium aus den Wänden reducirt und in das Eisen geführt. 1)


An Stelle der Kohle vermag auch ein Mangangehalt des Eisens
als Reductionsmittel für Kieselsäure zu dienen, wobei Manganoxydul
gebildet und von einem andern Theile der Kieselsäure verschlackt wird:
2 Mn + Si O2 = 2 Mn O + Si.2)


Ledebur, Handbuch. 16
[242]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.

Diese Thatsachen deuten auf eine starke Neigung des Eisens hin,
Siliciumlegirungen zu bilden. Durch einfaches Zusammenschmelzen von
Eisen mit Kohle und Quarzpulver lassen sich solche Legirungen mit
mehr als 10 Proc. Silicium darstellen. Auch beim Schmelzen von Eisen-
oxyd mit Kohle und Quarzpulver werden neben einander Eisen und
Silicium reducirt, sofern die ausreichende Menge Kohle zugegen ist,
und vereinigen sich zu den erwähnten Legirungen.


Ebenso wird aus kieselsäurehaltigen Schlacken bei dem Schmelzen
derselben mit Kohle und Eisen beziehentlich Eisenoxyd leicht Silicium
an das Eisen geführt und zwar um so leichter, je weniger basisch die
Schlacken sind, je weniger stark demnach ihre chemische Verwandt-
schaft zur Kieselsäure ist. Aber selbst aus stark basischen Schlacken
lässt sich durch gleichzeitige Einwirkung von Kohle und Eisen eine
nicht unbeträchtliche Menge Silicium reduciren, sofern eine ausreichend
hohe Temperatur dabei angewendet wird; das Vereinigungsbestreben
des Eisens zum Silicium wird augenscheinlich durch Erhöhung der
Temperatur mehr gesteigert als das der Basen zu der Kieselsäure; und
die Menge des reducirten Siliciums steigt mit der Temperatur.


In allen diesen Fällen enthält das erfolgende Eisen neben dem
Silicium auch Kohlenstoff, dessen Menge jedoch, wie schon erwähnt
wurde, im umgekehrten Verhältnisse zu der Menge des anwesenden
Siliciums steht. Durch besondere Kunstgriffe lassen sich indess Silicium-
eisenlegirungen auch ohne Kohlenstoff und mit sehr bedeutendem
Siliciumgehalte darstellen. Hahn erhielt durch Schmelzen von Eisen-
chlorür-Chlornatrium mit Kieselfluornatrium und Natrium ein Silicium-
eisen mit 30.8 Proc. Silicium; Mrázek erzeugte durch Schmelzen von
100 Thl. weichem Eisendraht, 242 Thl. Quarz, 105 Thl. Flussspath,
62 Thl. Natrium eine Legirung mit 7.4 Proc. Silicium und nur jenen
kleinen Mengen Kohlenstoff, welche durch den Draht zugeführt worden
waren. 1)


Eigenschaften der Siliciumeisenlegirungen. Flüchtige
Verbindungen des Siliciums.

Die Siliciumeisenlegirungen sind weiss und die Bruchfläche der
von Mrázek dargestellten Legirung mit 7.4 Proc. Silicium deutete
unzweifelhaft auf Krystallisation im tesseralen Systeme. Tritt neben dem
Silicium Kohlenstoff auf, welcher beim Erstarren graphitisch ausgeschieden
wird, so vermag dieser natürlich die Farbe der eigentlichen Bruch-
fläche mehr oder minder vollständig zu verdecken.


Die starke Verwandtschaft des Eisens zum Silicium wird durch
den früher ausführlicher erörterten Umstand bewiesen, dass durch den
Siliciumgehalt nicht nur die Fähigkeit des Eisens, Kohlenstoff aufzu-
nehmen, verringert, sondern auch der aufgenommene Kohlenstoff beim
Erstarren graphitisch ausgeschieden, gewissermaassen aus seiner Legirung
mit dem Eisen verdrängt wird. Eben diese stark ausgeprägte Neigung
[243]Eisen und Silicium.
beider Körper, sich zu legiren, erklärt es aber auch, dass Silicium in
selbständiger Form, wie der Graphit aus dem Eisen auskrystallisirend,
nur in sehr seltenen Fällen und auch hier kaum mit vollkommener
Gewissheit beobachtet worden ist.


Wohl aber bemerkt man mitunter in Drusenräumen gegossenen
siliciumhaltigen Eisens einen aus reiner Kieselsäure bestehenden Ueber-
zug der Eisenoberfläche, welcher offenbar durch Verbrennung von
Silicium entstanden ist. 1) Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieses Sili-
cium nicht im freien Zustande aus dem Eisen austrat, sondern in chemi-
scher Verbindung mit einem zweiten Körper gasförmig die Druse aus-
füllte und dann bei Zutritt der Luft oxydirt wurde. 2) Dass thatsächlich
mitunter gasförmige Siliciumverbindungen im Eisenhüttenwesen eine
Rolle spielen, lässt sich auch aus anderen Vorgängen schliessen. Es
möge hier nur u. a. erwähnt werden, dass die Gichtgase des Hochofens
bei ihrer Verbrennung einen Beschlag absetzen, welcher zum grossen
Theile aus Kieselsäure besteht.


Siliciumwasserstoff wird schon bei Rothgluth zersetzt und
kann deshalb hier kaum in Betracht kommen. 3)


Siliciumchlorid und Siliciumfluorid können möglicherweise
in einzelnen Fällen gebildet werden, sofern Chlor, beziehentlich Fluor
oder leicht zerlegbare Verbindungen derselben mit Kieselsäure und
Kohle in höherer Temperatur zusammentreffen, doch dürften diese Fälle
nicht gerade häufig sein.


Häufigere Gelegenheit bietet sich zur Entstehung von Siliciumsul-
fid
(Schwefelsilicium), welches nach Frémy’s Untersuchungen 4), deren
Ergebnisse später durch einige von mir angestellte Versuche 5) bestätigt
wurden, sich bildet, wenn Schwefel, Kohlenstoff und Kieselsäure in
Weissgluth auf einander wirken, und am einfachsten durch Hinüber-
leiten von Schwefelkohlenstoffdampf über ein Gemenge von Kohle und
Kieselsäure dargestellt wird. Dasselbe ist in hoher Temperatur (Weiss-
gluth) flüchtig und wird, sobald es einmal Gasform angenommen hat,
von dem Gasstrome auf weite Entfernungen mitgenommen. An feuchter
Luft oxydirt es sich rasch unter Schwefelwasserstoffentwickelung zu
Kieselsäure.


Während die Zusammensetzung des von Frémy dargestellten
Siliciumsulfides der Formel Si S2 entsprach, fand Alb. Colson6), dass
beim Glühen von Silicium im Schwefelkohlenstoffstrome zwei ver-
schieden zusammengesetzte flüchtige Verbindungen entstehen können,
von denen die eine die Zusammensetzung Si S besitzt, während die
andere der Formel Si SO entspricht.


16*
[244]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.

Möglicherweise spielt auch Stickstoffsilicium, welches nach Wöhler
und Deville bei Einwirkung beider Körper auf einander in hoher
Temperatur entsteht, durch Glühen im Wasserdampfe aber zerlegt wird 1),
mitunter eine Rolle. Nachgewiesen ist dessen Anwesenheit bei irgend
einem Eisenhüttenprocesse noch nicht.


Einflüsse des Siliciumgehaltes auf die Eigenschaften des Eisens.

Dass ein Siliciumgehalt des Eisens den Sättigungsgrad desselben
im flüssigen Zustande für Kohlenstoff abmindert und beim Erstarren
den im flüssigen Zustande aufgenommenen Kohlenstoff ganz oder theil-
weise zur Ausscheidung als Graphit veranlasst, wurde bereits mehrfach
hervorgehoben und möge hier nur der Vollständigkeit halber nochmals
erwähnt werden.


Im Uebrigen sind die Einflüsse, welche durch den Siliciumgehalt
auf die physikalischen Eigenschaften des Eisens geübt werden, denen
des Kohlenstoffes ähnlich, aber bei gleichen Mengen beider Körper weit
weniger kräftig.


Die Festigkeit des Eisens wird durch einen Siliciumgehalt bis zu
einer noch nicht genau ermittelten Grenze desselben erhöht; aber die
Zähigkeit wird nach Müller durch einen Siliciumgehalt bis zu 0.7 Proc.
weniger als durch einen Kohlenstoffgehalt, welcher die gleiche Festig-
keitssteigerung hervorruft, verringert. 2) Dass dieser Einfluss nur in
solchen Fällen sich geltend machen kann, wo nicht neben dem Silicium
auch Kohlenstoff in solchen Mengen zugegen ist, dass Graphitbildung
eintritt, versteht sich von selbst.


Ein Eisen mit 7.4 Proc. Silicium, von Mrázek, wie oben erwähnt,
dargestellt, war in der Kälte brüchig, vollständig undehnbar; in Roth-
gluth aber liess es sich mit Vorsicht, in Weissgluth mit Leichtigkeit
schmieden, ein Beweis dafür, dass die Schmiedbarkeit weit weniger
durch einen Siliciumgehalt als durch einen Kohlenstoffgehalt leidet.


Ebenso ist der Einfluss des Siliciums auf die Härte des Eisens
ein sehr geringer. Müller fand, dass ein Stahl mit 1.5 Proc. Silicium
und 0.2 Proc. Kohle weniger hart war, als selbst ein ungehärteter Stahl
mit 0.4 Proc. Kohle ohne Silicium; Mrázek bestimmte die Härte des
mehrfach erwähnten Siliciumeisens mit 7.4 Proc. Silicium zu 5.5 der
mineralogischen Härtescala (zwischen Apatit und Feldspath), diejenige
eines Siliciumeisens mit 1.4 Proc. Silicium bei 0.17 Proc. Kohle zu 4.5—5.
Beim Ablöschen des glühenden Siliciumeisens in kaltem Wasser, ent-
sprechend dem Verfahren zum Härten des Kohlenstahles, ist keine
erhebliche Steigerung der Härte bemerkbar, die Härtungsfähigkeit des
Stahles wird also durch den Siliciumgehalt nicht gesteigert. Die Ur-
sachen, welche die Härtungsfähigkeit des Kohlenstahles bedingen, fallen
eben hier weg.


Die Schmelztemperatur des Eisens wird durch einen Siliciumgehalt
erniedrigt; aber auch in dieser Beziehung zeigt sich eine erheblich
[245]Eisen und Phosphor.
geringere Einwirkung als durch Kohlenstoff. Nach Mrázek’s Ver-
suchen liegt die Schmelztemperatur jenes Siliciumeisens mit 7.4 Proc.
Silicium höher als die eines graphitischen Kohlenstoffeisens mit 5 Proc.
Kohlenstoff, aber niedriger als diejenige eines Stahles mit ca. 0.75 Proc.
Kohlenstoff (sogenannten mittelharten Stahles).


6. Eisen und Phosphor.


Reduction des Phosphors.

Phosphor findet sich in den Erzen und Zuschlägen wie in der
Asche der Brennstoffe als Phosphorsäure in Verbindung mit Calcium
(Apatit, Phosphorit), Eisen (Vivianit) oder anderen Metallen. Die Re-
duction des Phosphors aus diesen in der Natur vorkommenden Ver-
bindungen geht in hoher Temperatur unter Einwirkung von Kohle leicht
von Statten, um so leichter, wenn Eisen zugegen ist, zu dem der
Phosphor ein starkes Vereinigungsbestreben besitzt. Selbst die Gegen-
wart starker Basen vermag nicht bei Gegenwart von Eisen und redu-
cirenden Körpern die Reduction des Phosphors und Aufnahme durch
das Eisen zu hindern; bei Berührung von geschmolzenem kohlenstoff-
haltigem Eisen mit Phosphaten ist ein fremdes Reductionsmittel nicht
einmal erforderlich, sofern die Temperatur hoch genug ist (hohe Tempe-
ratur steigert nach S. 12 die Verwandtschaft des Kohlenstoffs zum
Sauerstoff stärker als die vieler anderen Körper), und der Kohlenstoff
des Eisens genügt, Phosphor zu reduciren und dem Eisen zuzuführen.
Auch Mangan und Silicium können, wie wenigstens sehr wahrschein-
lich ist, als Bestandtheile des technisch dargestellten Eisens vermöge
ihrer Leichtoxydirbarkeit reducirend auf Phosphate einwirken. Kohlen-
stofffreies Eisen dagegen ist nach Karsten nicht im Stande, Phosphor-
reduction herbeizuführen.


Jenes Verhalten des Phosphors erklärt es, dass beim reducirenden
Schmelzen von Eisenerzen mit Kohle ein grosser Theil des in den Erzen,
den Zuschlägen und der Asche enthaltenen Phosphors reducirt und
vom Eisen aufgenommen wird. Annähernd vollständige Reduction des
anwesenden Phosphors findet statt, wenn — wie im Hochofen — die
Temperatur hoch und die thätigen reducirenden Einflüsse so kräftig
sind, dass auch alles anwesende Eisen bis auf kleine in den Schlacken
zurückbleibende Mengen reducirt wird. In diesem Falle pflegt die ent-
stehende Schlacke, selbst wenn sie sehr basisch ist, nur unbedeutende
Mengen von Phosphor, sei es als Phosphat oder als Phosphormetall,
zurückzuhalten. Je niedriger aber die Temperatur, je eisenreicher die
entstehende Schlacke ist, desto grössere Mengen des Phosphorsäure-
gehaltes der Erze u. s. w. bleiben in letzterer zurück. Man kann also
selbst aus phosphorreichen Erzen unter Benutzung dieses Verhaltens
des Phosphors ein verhältnissmässig phosphorarmes Eisen darstellen,
indem man die Erze nicht im Hochofen auf Roheisen, sondern in
kleineren, im dritten Abschnitte beschriebenen Schmelzapparaten (Renn-
feuern) unter Bildung einer eisenreichen Schlacke auf schmiedbares
Eisen verarbeitet, eine Methode, auf welcher die gesammte Eisendar-
stellung des Alterthums beruhte. Dem Vortheile eines geringeren Phos-
[246]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.
phorgehaltes im Eisen steht hierbei der Nachtheil eines stärkeren Eisen-
verlustes durch Verschlackung gegenüber.


Beachtenswerth ist, dass ein, wenn auch kleiner, Theil des Phos-
phorgehaltes einer Beschickung beim reducirenden Schmelzen derselben
verflüchtigt werden kann, wie durch genaue Bestimmungen des Phos-
phorgehaltes vor und nach dem Schmelzen ermittelt worden ist. In
welcher Form der Phosphor hierbei entweicht, ist nicht nachgewiesen. 1)


Phosphor und Eisen legiren sich in allen Gewichtsverhältnissen
und man hat eine grössere Zahl bestimmter chemischer Verbindungen
beider Körper nach Atomverhältnissen dargestellt, die jedoch kaum
irgend eine Bedeutung für den Eisenhüttenmann besitzen. Die phosphor-
ärmste dieser Verbindungen ist nach der Formel Fe4 P2 zusammen-
gesetzt, und man pflegt deshalb, wo Phosphor im Eisen gefunden wird,
anzunehmen, dass jenes Phosphid im Ueberschusse des Eisens gelöst sei.


Einflüsse des Phosphorgehaltes auf die Eigenschaften des Eisens.

Obwohl nach Freese die Eisenphosphide ohne einen Gehalt von
Kohlenstoff ausserordentlich schwierig schmelzbar sind, erniedrigt doch
ein Phosphorgehalt des kohlenstoffhaltigen Eisens — welches hier allein
in Betracht kommt — merklich dessen Schmelztemperatur und verleiht
dem Eisen eine gewisse Dünnflüssigkeit.


Die Härte des Eisens wird durch Phosphor gesteigert; das Maass
dieses Einflusses aber ist erheblich unbedeutender als dasjenige, welches
die gleiche Menge Kohlenstoff ausübt. Ohne merklichen Einfluss dagegen
ist der Phosphorgehalt des Eisens auf die Härtbarkeit desselben.


Von grösster Wichtigkeit sind die Aenderungen, welche in den
Festigkeitseigenschaften des Eisens durch einen Phosphorgehalt hervor-
gerufen werden. Durch einen geringen Phosphorgehalt wird die Festig-
keit des Eisens bei vollständig ruhiger Belastung nicht merklich beein-
flusst; durch einen höheren Phosphorgehalt wird sie geschwächt. Die
Elasticitätsgrenze aber sowohl als der Elasticitätsmodul werden erhöht;
das Eisen verliert an Dehnbarkeit und wird spröde, Erschütterungen,
oft unerheblicher Natur, rufen eine Zertrümmerung phosphorhaltigen
Eisens hervor. Mitunter erfolgt der Bruch schon in dem Augenblicke,
wo die Elasticitätsgrenze überschritten ist. Je niedriger die Temperatur
ist, desto empfindlicher macht sich dieser Einfluss des Phosphorgehaltes
bemerkbar.


Man bezeichnet die betreffende Eigenschaft des Eisens als Kalt-
bruch
, das phosphorhaltige Eisen als kaltbrüchig.


Zum Theil beruht das geschilderte übele Verhalten phosphorhaltigen
Eisens unmittelbar auf der Veränderung, welche die Textur des Eisens
durch Anwesenheit von Phosphor erfährt; das Eisen erhält durch
den Phosphorgehalt ein grobkrystallinisches Gefüge
. Je
grössere Spaltungsflächen aber ein Körper besitzt, desto brüchiger, desto
weniger dehnbar wird er im Allgemeinen sein.


[247]Eisen und Phosphor.

Der durch Phosphor hervorgerufene Kaltbruch wächst
mit dem Gehalte des Eisens an gebundenem Kohlenstoff
.


In diesem Umstande liegt eine wichtige Veranlassung, den Kohlen-
stoffgehalt schmiedbaren Eisens um so niedriger zu halten, je höher
der Phosphorgehalt ist; oder, mit anderen Worten, zu den kohlenstoff-
reicheren Sorten schmiedbaren Eisens (Stahl) nur phosphorarmes Material
zu benutzen. Während in einem kohlenstoffreichen Stahle schon einige
Hundertstel Procent Phosphor von grossem Nachtheile sein können,
vermag ein kohlenstoffarmes Eisen mitunter bis zu 0.4 Proc. Phosphor
zu enthalten, ohne für gewöhnlichere Verwendungen unbrauchbar zu
werden, wenn auch der benachtheiligende Einfluss eines solchen Phos-
phorgehaltes unverkennbar ist. Im Uebrigen lehrt die Erfahrung, wie
im dritten Abschnitte ausführlicher erörtert werden wird, dass auch der
Herstellungsprocess des Eisens von Einfluss auf die Wirkung des Phos-
phorgehaltes ist; Flusseisen erträgt weit geringere Mengen Phosphor als
Schweisseisen.


Da an das Roheisen weit geringere Ansprüche hinsichtlich der
Elasticität als an schmiedbares Eisen gestellt werden, Dehnbarkeit dieser
Eisensorte vollständig, Zähigkeit fast vollständig abgeht, so erklärt es
sich, dass der zulässige Phosphorgehalt in dem für Herstellung von
Gebrauchsgegenständen bestimmten Roheisen (Gusseisen) eine weit
höhere Durchschnittsziffer erreicht als im schmiedbaren Eisen.


Ein Siliciumgehalt des Eisens beeinflusst nicht, wie
der Kohlenstoffgehalt, die Einwirkung des Phosphors auf
die Festigkeitseigenschaften
. Auch dieser Umstand ist von Wich-
tigkeit. Da ein Siliciumgehalt ähnlich wie der Kohlenstoffgehalt die
Festigkeit und bis zu einem gewissen Maasse auch die Härte steigert,
so wird man in Fällen, wo ein gewisser Festigkeitsgrad phosphorhaltigen
Eisens erforderlich ist, denselben zweckmässiger durch einen höheren
Siliciumgehalt bei möglichst niedrigem Kohlenstoffgehalte hervorrufen
als umgekehrt. Anderntheils, da Silicium im Roheisen Graphitbildung
hervorruft, die Einwirkung des Phosphorgehaltes aber nur durch die
Anwesenheit gebundenen Kohlenstoffes gesteigert wird, dessen Menge
im Roheisen im umgekehrten Verhältnisse mit dem Graphit- beziehent-
lich Siliciumgehalte steigt und fällt, so erträgt auch das siliciumreichere
Gusseisen durchschnittlich einen höheren Phosphorgehalt als das silicium-
und graphitärmere.


Der Umstand, dass phosphorhaltiges Eisen in niedrigerer Tempe-
ratur schmilzt als phosphorfreies, macht es erklärlich, dass schmiedbares
Eisen, ohne beim Schmieden zu zerfallen, eine um so weniger starke
Erhitzung verträgt, je höher sein Phosphorgehalt ist. Nach Åkerman
kommt in dieser Beziehung auch der Umstand in Betracht, dass der
eigentlichen Schmelzung eine Absonderung in Krystallen vorausgeht
und dass diese Neigung des Eisens zu krystallisiren um so stärker ist,
je niedriger die Schmelztemperatur ist. Wollte man deshalb ein allzu
hoch erhitztes phosphorhaltiges Eisen hämmern, ohne es entsprechend
abkühlen zu lassen, so würde es in Körner zerfallen. Dagegen wird
die Schmiedbarkeit kohlenstoffarmen Eisens in jenen Temperaturen,
welche unterhalb des erwähnten Krystallisationspunktes liegen, durch
einen Phosphorgehalt nicht beeinträchtigt; es ist im Gegentheile weicher,
[248]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.
biegsamer, bei der betreffenden Temperatur leichter bearbeitbar als
phosphorfreies, und erst in der Kälte tritt nun wieder der Einfluss des
Phosphorgehaltes hervor.


7. Eisen und Schwefel.


Aufnahme des Schwefels im Eisen.

Die starke Verwandtschaft des Eisens zum Schwefel lässt sich
leicht erkennen, indem man rothglühendes Eisen mit Schwefel berührt.
Es erfolgt sofortige Vereinigung und, bei genügender Menge des Schwefels,
Schmelzung. In dieser Weise lassen sich beide Körper in allen beliebigen
Gewichtsverhältnissen mit einander legiren.


Dass sich bestimmte chemische Verbindungen zwischen Eisen und
Schwefel theils in der Natur finden (Schwefelkies, Strahlkies, Magnet-
kies, vergl. S. 187), theils künstlich darstellen lassen, ist bekannt. Die
schwefelärmste dieser Verbindungen, das Eisensulphür Fe S, entsteht,
wenn Eisen und Magnetkies bei Luftabschluss einer sehr hohen Tempe-
ratur ausgesetzt werden. 1) Es hat dunkle Bronzefarbe, schwach metalli-
schen Glanz, ist sehr brüchig und schmilzt in Rothgluth.


Das häufige Auftreten des Schwefels in den Eisenerzen wurde
bereits mehrfach, insbesondere auch bei der Besprechung des Röstens,
erwähnt. Es ergiebt sich aus dem dort Gesagten, dass ein sehr grosser
Theil des Schwefelgehaltes der Erze durch zweckmässig geleitete Röstung,
unter Umständen ergänzt durch ein späteres Auslaugen, entfernt wer-
den kann.


Noch reicher an Schwefelverbindungen als die Eisenerze pflegen
indess die zur Verhüttung derselben in der Neuzeit von Jahr zu Jahr
mehr angewendeten mineralischen Brennstoffe, insbesondere die Stein-
kohlen, zu sein. Durch Waschen der Steinkohlen lässt sich ihr Schwefel-
gehalt um ein beträchtliches abmindern; ein anderer Theil geht bei der Ver-
kokung davon (S. 83); ein gewisser Rest aber, der mitunter mehr als
2 Proc. vom Gewichte der Koks beträgt, bleibt in allen Fällen zurück
und zwar bereits ganz oder doch zum grossen Theil an Eisen gebunden.
Bei der erwähnten starken Verwandtschaft des Eisens zum Schwefel
würde, sofern nicht besondere Gegenmaassregeln getroffen werden, der
grösste Theil jenes Schwefelgehaltes von dem unter Anwendung der
Koks als Reductions- und Schmelzmaterial dargestellten Eisen auf-
genommen werden und die Eigenschaften desselben in einer Weise
beeinflussen, dass es in vielen Fällen für technische Verwendung nicht
mehr benutzbar sein würde.


Glücklicherweise giebt das Verhalten der Kalkerde gegenüber
schwefelhaltigem Eisen dem Eisenhüttenmanne ein Mittel an die Hand,
dem Eisen den Schwefelgehalt zu entziehen. Beim Schmelzen von
[249]Eisen und Schwefel.
schwefelhaltigem Eisen mit Kalkerde und Kohle entsteht Schwefel-
calcium, welches im Eisenbade unlöslich ist und von der Schlacke auf-
genommen wird, und metallisches Eisen (Roheisen). Man kann den
Vorgang durch die Formel: FeS + CaO + C = Fe + CaS + CO ver-
anschaulichen. Es ist hierbei nicht erforderlich, dass die Kalkerde im
vollständig freien Zustande sich befinde; auch kalkerdereiche, basische
Schlacken üben die nämliche Wirkung, aber um so kräftiger, je grösser
ihr Kalkerdegehalt ist. Nach einer Mittheilung von R. Åkerman1)
lieferte bei Schmelzversuchen im Kleinen ein und dasselbe Erz, welches
der Reihe nach mit 15 Proc. Quarzzuschlag, mit 5 Proc. Kalkstein-
zuschlag und mit 20 Proc. Kalksteinzuschlag geschmolzen wurde, Roh-
eisen mit 0.09, 0.04 und 0.01 Proc. Schwefel. Bei mehreren von mir
selbst angestellten Versuchen wurde ein absichtlich zu diesem Zwecke
dargestelltes schwefelhaltiges Eisen mit 2.33 Proc. Schwefel ein Mal mit
einer Singulosilikatschlacke, ein zweites Mal mit einer Bisilikatschlacke
geschmolzen. Beide Schlacken enthielten neben Kalkerde etwas Thon-
erde, die Menge der Schlacke war in jedem Falle gleich der doppelten
Menge des Eisens. Bei der Singulosilikatschlacke enthielt die Schlacke
1.445 Proc., das Eisen 0.079 Proc. Schwefel, bei der Bisilikatschlacke
dagegen fand sich in der Schlacke 0.681 Proc., im Eisen 0.357 Proc.
Schwefel. 2)


Ebenso wie Kalkerde wirken Alkalien.


Weit geringer ist dagegen die entschwefelnde Wirkung der Mag-
nesia und der Thonerde. Magnesium besitzt eine nur geringe Ver-
wandtschaft zum Schwefel; dennoch nimmt eine basische, magnesia-
und thonerdehaltige Schlacke ebenfalls Schwefel aus dem Eisen auf.
Als bei den erwähnten, von mir angestellten Versuchen die Kalkerde
in den Schlacken durch eine chemisch äquivalente Menge Magnesia
ersetzt wurde, während das Verhältniss des Thonerdegehaltes unver-
ändert blieb, enthielt die Singulosilikatschlacke 1.069 Proc. Schwefel und
das zugehörige Eisen 0.260; die Bisilikatschlacke 0.290 Proc. Schwefel
und das zugehörige Eisen 0.391 Proc.


Bei der Verhüttung der Eisenerze im Hochofen ist
daher der Kalkerdegehalt der Schlacke von grösserem Ein-
flusse auf den Schwefelgehalt des erfolgenden Roheisens
als der Schwefelgehalt der Erze und Brennstoffe selbst
;
und die Erfahrung lehrt, dass man aus einer schwefelreichen Beschickung,
insbesondere bei Anwendung schwefelreicher Koks, sofern die Schlacke
ausreichend basisch (Subsilikat), d. h. reich an Kalkerde, und die
Schlackenmenge ausreichend gross ist, schwefelärmeres Eisen darzustellen
vermag, als aus einer weniger schwefelreichen (z. B. bei Anwendung
von Holzkohlen) mit kieselsäurereicher Schlacke. Roheisensorten, welche
bei stark kalkerdereicher Schlacke erblasen wurden, pflegen auch bei
dem Betriebe mit Koks höchstens einige Hundertstel Procent Schwefel
zu enthalten.


Bei längerer Schmelzung kohlenstoff- und schwefelhaltigen Eisens
[250]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.
verflüchtigt sich ein Theil des Schwefels mit einem Theile des Kohlen-
stoffs und es hinterbleibt ein schwefelärmeres Eisen. Verschiedene
Versuche, die in Percy’s Laboratorium angestellt wurden, lassen diesen
Vorgang erkennen. 1) Es mögen nur zwei derselben als Beispiele er-
wähnt werden.


Vermuthlich werden die Körper in gegenseitiger Vereinigung zu
Schwefelkohlenstoff (Kohlenstoffbisulfid) verflüchtigt, obgleich allerdings
die Gewichtsmengen der verflüchtigten Bestandtheile nicht jener Zu-
sammensetzung entsprechen. Eine Erklärung hierfür lässt sich übrigens
in den Einflüssen finden, welche die Tiegelwandungen und die in den
Tiegel eindringenden Gase auf die Zusammensetzung des flüssigen Eisens,
insbesondere auf den Kohlenstoffgehalt desselben ausüben. Durch Re-
duction von Silicium aus dem Tiegel sowohl als durch Einwirkung von
Kohlensäure, welche in den Tiegel Zutritt erhielt, wird Kohle verflüchtigt.


Auch durch Schmelzen von schwefelreichem Eisen mit Holzkohle
wird Schwefel ausgetrieben. 2)


Aehnlich wie Kohle wirkt Silicium auf den Schwefel; d. h. durch
einen hohen Siliciumgehalt des Eisens, beziehentlich durch reichliche
Reduction von Silicium aus der Schlacke wird ein Theil des Schwefels
ausgetrieben. Beim Schmelzen von Einfach-Schwefeleisen mit der
gleichen Gewichtsmenge Kieselsäure unter Zusatz von Holzkohle als
Reductionsmittel erhielt Percy Siliciumeisen mit 15—18 Proc. Silicium
und nur 1—1.7 Proc. Schwefel; etwa 95 Proc. des vorhandenen Schwefel-
gehaltes waren verflüchtigt. 3) Es ist sehr wahrscheinlich, dass hier Bil-
dung von Schwefelsilicium (S. 243) stattgefunden hat. Bei Erhitzung
des Schwefeleisens mit Kieselsäure ohne Holzkohle fand keine Aus-
treibung von Schwefel statt.


Dass durch Eisenoxyd, welches in hoher Temperatur auf Schwefel-
eisen wirkt, dieses unter Bildung und Verflüchtigung von schwefliger
Säure zersetzt werde, wurde schon früher (S. 188) erwähnt. Eisenoxydul-
oxyd (nicht etwa metallisches Eisen) bleibt zurück. Percy erklärt den
Vorgang durch folgende Formel:
.


Wenn es auch zweifelhaft ist, ob genau die Verbindung Fe3 O4
entsteht, so lässt sich doch aus dem Umstande, dass metallisches Eisen
niemals hierbei gebildet wird, der Schluss ziehen, dass niedrigere Oxy-
dationsstufen als Fe2 O3 nicht oxydirend auf Schwefeleisen einwirken.
In eisenreichen Schlacken findet man deshalb neben Eisenoxyduloxyd
oft nicht unbeträchtliche Mengen von Schwefelmetall.


[251]Eisen und Schwefel.
Einflüsse des Schwefelgehaltes auf die Eigenschaften des Eisens.

Dass durch einen Schwefelgehalt der Sättigungsgrad des Eisens für
Kohle wie die Fähigkeit desselben, Kohlenstoff graphitisch auszuscheiden,
abgemindert werde, wurde bereits auf S. 233 erwähnt. Bei der Roh-
eisendarstellung befördert also ein Schwefelgehalt, sofern
er einigermaassen beträchtlich ist, die Entstehung kohlen-
stoffarmen weissen Eisens
. Hinsichtlich der Grösse des Gesammt-
kohlenstoffgehaltes wirkt mithin der Schwefel in demselben Sinne als
Silicium, hinsichtlich des Graphitgehaltes aber umgekehrt als dieses.
Schon wenige Zehntel Procent Schwefel im Roheisen genügen, diesen
Einfluss deutlich erkennen zu lassen.


Die Schmelztemperatur des Eisens sinkt durch Aufnahme von
Schwefel; geschmolzenes schwefelreiches Roheisen zeigt jedoch eine dick-
flüssige Beschaffenheit und besitzt die Eigenschaft, mit Löchern und
Blasen im Innern zu erstarren, die eine Folge von Gasbildung sind.
Aus dem Eisen selbst entweicht vermuthlich Schwefelkohlenstoff, bei
der Berührung desselben mit feuchten Körpern (Formsand) wird Schwefel-
wasserstoff entwickelt.


Die Festigkeit des Eisens in der Kälte wird durch einen Schwefel-
gehalt, welcher nicht erheblich über 0.1 Proc. hinausgeht, nicht merk-
lich beeinträchtigt. Manche Eisenhüttenleute glauben sogar eine Steige-
rung der Festigkeit gegossenen Eisens durch einen Schwefelgehalt be-
obachtet zu haben, und wie Akerman berichtet, giebt man dem zum
Geschützgusse bestimmten Roheisen von Finspong absichtlich 0.1 bis
0.15 Proc. Schwefel. Åkerman fügt allerdings hinzu, dass die Ein-
wirkung des Schwefels hierbei möglicherweise die sei, die Aufnahme
eines allzu reichlichen Kohlenstoffgehaltes zu verhindern; denn ein sehr
festes Eisen darf keinen höheren Gehalt an gebundener Kohle als höch-
stens 1.8 Proc. besitzen.


Erhitzt man aber schmiedbares Eisen, welches eine gewisse Menge
Schwefel enthält, zu dunkler Rothgluth, so verliert es in dieser Tempe-
ratur seinen Zusammenhang, bekommt beim Schmieden (Walzen etc.)
Risse oder fällt gar in Brocken aus einander. Diese durch einen Schwefel-
gehalt hervorgerufene Eigenschaft des Eisens heisst Rothbruch und
das betreffende Eisen wird rothbrüchiges Eisen genannt.


Es ist klar, dass nicht allein die Verarbeitung schmiedbaren Eisens
durch den Rothbruch ausserordentlich erschwert wird, sondern dass
auch die Festigkeit des erkalteten, vorher in Rothgluth bearbeiteten
Eisens darunter leiden kann. Bei der Bearbeitung entstehen Querrisse
im Eisen, sogenannte unganze Stellen, welche nicht immer dem Auge
sofort erkennbar sind und später den Bruch herbeiführen.


Glücklicherweise ist dieser Einfluss des Schwefels nicht in allen
Temperaturen der nämliche. Am deutlichsten zeigt er sich, wie erwähnt,
in dunkler Rothgluth, in heller Rothgluth ist er geringer. Manche Eisen-
sorten, welche in dunkler Rothgluth kaum bearbeitbar sein und nur
unganze Schmiedestücke geben würden, lassen sich demnach zu brauch-
baren Erzeugnissen verarbeiten, wenn man die Vorsicht gebraucht,
die Bearbeitung in höherer Temperatur — heller Rothgluth — vor-
zunehmen und zu vollenden. Bei sehr beträchtlichem Schwefelgehalte
[252]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.
würde auch dieser Kunstgriff nicht vor der Entstehung von Rissen
schützen.


Die Menge des Schwefels, welche Rothbruch des schmiedbaren
Eisens hervorruft oder welche ihn zu einem solchen Grade steigert,
dass das Eisen unbrauchbar wird, ist nicht in allen Eisensorten die
nämliche. Sehr empfindlich ist alles Schweisseisen gegen die Einflüsse
des Schwefels. Nach Eggertz zeigt ein Schweisseisen mit 0.02 Proc.
Schwefel schon deutlichen Rothbruch, während ein Gehalt von mehr als
0.04 Proc. das Eisen unbrauchbar machen kann. Im Flusseisen dagegen
findet man nicht selten 0.1 Proc. Schwefel, ohne dass die Verarbeitbar-
keit erheblich darunter litte.


Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Grund für diese verschiedene
Einwirkung des Schwefels auf Schweisseisen und Flusseisen in der
Anwesenheit anderer Körper, insbesondere des Mangans, im Flusseisen
zu suchen ist, welches hier selten fehlt, während es im Schweisseisen,
wenigstens in den kohlenstoffarmen Sorten desselben, im metallischen
Zustande nicht oder doch nur in verschwindend kleinen Mengen auf-
treten kann. Wasum fand 1), dass ein Flusseisen mit 0.059 Proc. Schwefel
und 0.695 Proc. Mangan sich vollständig tadellos walzen liess; bei
0.158 Proc. Schwefel und 0.634 Proc. Mangan zeigten sich schwache
Andeutungen von Rothbruch, bei 0.201 Proc. Schwefel und 0.500 Proc.
Mangan war das Eisen stark rothbrüchig.


Es scheint hieraus hervorzugehen, dass 0.15 Proc. Schwefel im
manganhaltigen Flusseisen die zulässige höchste Grenze des Schwefel-
gehaltes bildet, welche, ohne dass das Eisen unbrauchbar wird, nicht
überschritten werden darf.


Ein Einfluss des Kohlenstoffgehaltes auf das Maass der Einwirkung
des Schwefels, wie er bei dem durch Phosphor erzeugten Kaltbruch
so deutlich hervortritt (S. 247), ist nicht bemerkbar. Manche Praktiker
sind sogar der Meinung, dass ein kohlenstoffreicher Stahl weniger empfind-
lich für jene Einwirkung sei als ein kohlenstoffarmes Eisen. Vermuth-
lich spielt aber hierbei das anwesende Mangan, dessen Menge in den
härteren Stahlsorten oft beträchtlicher ist als im weichen Eisen, eben-
falls eine Rolle.


8. Eisen und Mangan.


Reduction des Mangans.

Das Mangan gehört zu den schwer reducirbaren Metallen und wird
nur in Weissgluth durch festen Kohlenstoff reducirt. Da es sich leicht
mit dem Eisen legirt, so befördert die Anwesenheit reducirten Eisens,
wie es scheint, auch die Reduction des Mangans, und es erklärt sich
hieraus, dass beim Verhütten manganhaltiger Erze im Hochofen, also
unter Einflüssen, welche die Reduction fast sämmtlichen Eisens herbei-
führen, doch regelmässig auch ein Theil des Mangangehaltes reducirt
und vom Eisen aufgenommen wird, selbst wenn die Temperatur nicht
so hoch sein sollte, als für die Reduction grösserer Manganmengen er-
forderlich sein würde. Ebenso regelmässig bleibt aber ein anderer Theil
[253]Eisen und Mangan.
des Mangans in den Schlacken als Manganoxydul zurück, selbst wenn
die reducirenden Einflüsse noch so kräftig und die Temperatur noch
so hoch sein sollte.


Durch die Anwesenheit kräftiger Basen oder einer stark basischen
Schlacke wird die Reduction des Mangans befördert. Es erklärt sich
dieser Umstand leicht, wenn man erwägt, dass das Manganoxydul selbst
als kräftige Base wirkt und um so stärkere Neigung, in ein Silikat ein-
zutreten, besitzen wird, je grösser die Menge der anwesenden Kiesel-
säure ist.


Bei der Reduction des Mangans durch Kohle erfolgt stets Kohlen-
stoffmangan, dessen Kohlenstoffgehalt, sofern nicht noch andere Körper
zugegen sind und beeinflussend hierauf wirken, etwa 7.5 Proc. zu be-
tragen pflegt. Häufig aber werden kleinere oder grössere Mengen
Silicium reducirt, wodurch der Sättigungsgrad für Kohlenstoff sich ver-
ringert; und da kaum ein Manganerz vollständig frei von Eisen ist, so
würde ein eisenfreies Mangan nur aus solchen Verbindungen sich her-
stellen lassen, welche zuvor chemisch von ihrem Eisengehalte befreit sind.


Je weniger Eisen aber neben Mangan reducirt wird, desto höher
liegt, wie schon erwähnt, die Reductionstemperatur des Mangans, wie
auch die Schmelztemperatur der entstehenden Legirung; und zur Dar-
stellung sehr manganreicher Legirungen sind Tempera-
turen erforderlich, bei denen bereits ein Theil des Man-
gans Gasform annimmt und sich verflüchtigt, an der Luft

zu rothbraunem Manganoxyduloxyd verbrennend.


Die Schwierigkeit der Darstellung manganreicher Legirungen wächst
daher mit ihrem Mangangehalte und der Preis der gleichen Menge
reinen Mangans in den Legirungen steigt um so höher, je weniger Eisen
neben dem Mangan zugegen ist.


Erreicht aber der Mangangehalt in den Legirungen die Höhe von
90 Proc. oder wenig darüber, so zeigt sich ein eigenthümliches Ver-
halten; die Legirung berstet nach kurzer Zeit an verschiedenen Stellen,
schwillt förmlich auf und zerfällt schliesslich vollständig zu Pulver. Die
Ursachen dieser Erscheinung sind bislang nicht erforscht worden. Oxy-
dation des Mangans ist nicht der Grund, wie sich aus Untersuchungen
ergiebt, die ich mit einem solchen zerfallenen Mangan anstellte. Selbst
nach Verlauf mehrerer Jahre war der Sauerstoffgehalt ein nur sehr
geringer. Es ist einiger Grund zu der Annahme vorhanden, dass das
flüssige Mangan Gase in reichlicher Menge zu lösen vermag, welche
erst nach dem Erkalten allmählich wieder austreten, Gasform annehmen
und durch ihre bedeutende Volumvergrösserung jenes Zerfallen her-
beiführen.


Die Grenze des Mangangehaltes, über welche hinaus dieser Vor-
gang eintritt, ist zum Theil von der Beschaffenheit der sonstigen mit
dem Mangan legirten Körper abhängig. Während das von mir unter-
suchte, schon oben erwähnte, zerfallene Mangan folgende Zusammen-
setzung besass:


  • Mangan   88.59
  • Eisen   3.91
  • Kohlenstoff   7.24
  • Silicium   0.24,

[254]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.

fanden sich innerhalb desselben Kugeln von Haselnussgrösse, welche
auch nach Jahren noch vollständig fest blieben und bei der Analyse
die Zusammensetzung zeigten:


  • Mangan   85.500
  • Eisen   7.827
  • Kohlenstoff   6.613
  • Silicium (aus der Differenz)   0.060

Das abweichende Verhalten scheint also hier durch den um 3 Proc.
höheren Mangangehalt der ersteren Legirung bedingt zu sein.


Nach Brunner besitzt kohlenstofffreies Mangan, welches man
durch Reduction von Manganchlorür mit Natrium erhält und welches
stets siliciumhaltig ist, jene Eigenschaft des Zerfallens nicht 1); es lässt
sich mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen, dass auch das Kohlen-
stoffmangan selbst bei einem Mangangehalte von 90 Proc. oder etwas
darüber noch beständig sein wird, wenn es zugleich einen etwas grösseren
Siliciumgehalt besitzt als das von mir untersuchte.


Durch Schmelzen von 717 Thl. geschmolzenem Manganchlorür,
898 Thl. Quarz, 674 Thl. Kryolith, 645 Thl. Natrium erhielt Mrázek
Siliciummangan mit 13.13 Proc. Silicium und 86.87 Proc. Mangan,
welches selbst gegen starke Säuren (Königswasser) widerstandsfähig
war 2), eine Eigenschaft, welche auch den siliciumreichen Eisenlegirungen
zukommt.


Wöhler fand in den nach Brunner’s Methode dargestellten
Siliciummanganlegirungen säulenförmige Krystalle. 3)


Schon früher wurde erwähnt, dass metallisches Mangan als Reduc-
tionsmittel für Silicium aus Kieselsäure zu dienen vermag, sofern ein
Ueberschuss der letzteren zugegen ist, um das entstehende Manganoxydul
zu verschlacken. Geschmolzenes manganhaltiges Eisen, welches längere
Zeit mit quarzhaltigen Ofenbaumaterialien oder mit kieselsäurereicher
Schlacke in Berührung bleibt, wird mehr und mehr manganärmer und
siliciumreicher. Beim Schmelzen manganreicher Eisensorten in Oefen,
die mit den gewöhnlichen (nicht basischen) feuerfesten Materialien aus-
gesetzt sind, lässt sich fast regelmässig diese Beobachtung machen,
deutlicher noch beim Schmelzen in Tiegeln, wobei die oxydirenden
Einflüsse wegfallen, welche auch eine Abminderung des Siliciumgehaltes
zur Folge haben. Die grosse Verschiedenheit in den Einflüssen aber,
welche durch einen Mangangehalt einerseits und einen Siliciumgehalt
andrerseits auf die Eigenschaften des Eisens ausgeübt werden, erklärt
es, dass durch diese chemischen Aenderungen der Zusammensetzung
des Eisens beim Schmelzen oder ruhigem Stehen im flüssigen Zustande
oft eine erhebliche Beeinflussung der physikalischen Beschaffenheit des
Eisens stattfindet. Weisses manganreiches Roheisen (Spiegeleisen) kann
durch einfache Schmelzung bei hoher Temperatur in graues Roheisen
umgewandelt werden.


[255]Eisen und Mangan.
Einflüsse des Mangangehaltes auf die Eigenschaften des Eisens.

Es wurde schon früher als eine Eigenschaft des Mangangehaltes
im Eisen bezeichnet, das Sättigungsvermögen des letzteren für Kohlen-
stoff zu steigern, die Graphitausscheidung aber zu beeinträchtigen.
Mangan und Silicium üben in dieser Beziehung gerade entgegengesetzte
Einflüsse aus.


Eine weitere Folge dieser Einwirkung ist dann, dass das kohlen-
stoffreichere Eisen, das Roheisen, härter und spröder durch einen Man-
gangehalt wird, da die grössere Menge der gebundenen Kohle, wie oben
erwähnt, Härte und Sprödigkeit hervorruft.


Aber auch unmittelbar wird die Härte des Eisens durch Legirung
mit Mangan erhöht. Mrázek fand, dass eine Legirung mit 0.384 Proc.
Kohlenstoff und 1.380 Proc. Mangan ohne Silicium, ein sogenannter
Manganstahl, nach dem Schmieden und langsamen Erkalten den Härte-
grad 6 besass, entsprechend der Härte eines kohlenstoffreicheren Stahles
mit geringerem Mangangehalte; durch Erhitzen und Ablöschen in Wasser
steigerte sich die Härte auf 7. Es ergiebt sich hieraus, dass sowohl
die Härte als die Härtbarkeit des Eisens durch den Mangangehalt ge-
steigert wird, und der Mangangehalt sich in dieser Beziehung ähnlich
wie ein Kohlenstoffgehalt verhält; aber die Wirkung gleicher Gewichts-
mengen Mangan ist ungleich schwächer als die des Kohlenstoffes. Nach
F. C. G. Müller’s Ansicht, die auf Beobachtungen in der Praxis sich
stützt, ist 1 Proc. Mangan in dieser Beziehung gleichwertig mit 0.2 Proc.
Kohlenstoff, so dass also die fünffache Menge Mangan nothwendig ist,
um die gleiche Härtesteigerung als durch die einfache Menge Kohlen-
stoff hervorzubringen. 1)


Die Festigkeit kohlenstoffarmen Eisens wird durch einen Mangan-
gehalt gesteigert; aber auch hier tritt, wie bei der Steigerung des Kohlen-
stoffgehaltes bald eine Grenze ein, über welche hinaus die Festigkeit
rasch wieder abnimmt. Jene Grenze wird, wie leicht begreiflich ist,
um so früher erreicht werden, je mehr Kohlenstoff neben Mangan zu-
gegen ist. Aus Festigkeitsversuchen, welche mit einer grösseren Zahl
manganhaltiger Eisensorten angestellt wurden, schliesst Wedding2),
dass für solches Eisen, von dem eine grosse Festigkeit verlangt wird,
der Mangangehalt niemals 3 Proc. überschreiten darf, während das
günstigste Verhältniss bei etwa 0.95 Proc. Kohlenstoff mit 0.5—0.6 Proc.
Mangan zu liegen scheint.


Mit der Festigkeit steigert sich die Elasticitätsgrenze und zwar in
noch etwas rascherem Verhältnisse als diese; die Folge ist, dass die
Zähigkeit und Dehnbarkeit des Eisens mit zunehmendem Mangangehalte
sich, wenn auch sehr allmählich, verringern. Auch in dieser Beziehung
dürfte die Einwirkung des Mangans, verglichen mit der Einwirkung
einer gleich grossen Menge Kohlenstoff, dem oben mitgetheilten, zuerst
von Müller angegebenen Verhältnisse 1 : 5 annähernd entsprechen.


Die Schmiedbarkeit des Eisens in Roth- und Weissgluth wird durch
den Mangangehalt, soweit die bis jetzt angestellten Beobachtungen
[256]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.
reichen, eher erhöht als verringert. Entschieden günstig scheint in dieser
Beziehung, wie schon oben angedeutet wurde, ein Mangangehalt auf
schwefelhaltiges Eisen zu wirken; der durch Schwefel erzeugte
Rothbruch wird durch Anwesenheit von Mangan verringert
;
oder, mit anderen Worten, ein manganhaltiges Eisen erträgt einen
grösseren Schwefelgehalt, ohne rothbrüchig zu werden, als manganfreies.
Einige von Wasum erhaltene Versuchsergebnisse über diese Einwirkung
wurden auf S. 252 mitgetheilt.


Eine merkliche Beeinflussung des durch Phosphor im Eisen her-
vorgerufenen Kaltbruches durch gleichzeitig anwesendes Mangan findet
dagegen nicht statt, weder eine Verstärkung der Phosphorwirkung (wie
sie nach Früherem durch Kohlenstoff herbeigeführt wird) noch eine Ab-
schwächung. Der Umstand aber, dass ein Mangangehalt ähnlich wie
Kohlenstoff die Härte des Eisens steigert, im Verein mit dem soeben
erwähnten einflusslosen Verhalten des Mangans gegenüber dem Phosphor
im Eisen, gestattet eine praktische Nutzanwendung. Wenn die Aufgabe
vorliegt, aus phosphorhaltigem Materiale ein Eisen von bestimmtem
Härtegrade herzustellen (der allerdings die Härte der weicheren Stahl-
sorten nicht übersteigen darf), so wird, wenn man diese Härte durch
einen Mangangehalt anstatt durch einen Kohlenstoffgehalt hervorruft,
das Erzeugniss weniger kaltbrüchig und deshalb brauchbarer sein als
im andern Falle. 1)


Die geschilderten Einflüsse des Mangans beruhen zum grossen
Theile zweifellos auf der stärkeren Verwandtschaft des Mangans als des
Eisens zu anderen Körpern. Noch deutlicher zeigt sich diese Eigen-
schaft des Mangans beim längeren Stehen flüssigen Eisens, welches
Mangan und Schwefel neben einander enthält. Das Mangan legirt sich
mit dem Schwefel; das Schwefelmangan aber ist im Eisen
schwieriger löslich als das Schwefeleisen und saigert aus,
solcherart eine Reinigung des Eisens vom Schwefel be-
wirkend
.


Schon Berthier machte bei seinen Versuchen über Schmelzbar-
keit u. s. w. die Beobachtung, dass beim Schmelzen einer schwefel-
haltigen und zugleich manganhaltigen Beschickung Schwefel in die
Schlacke geführt werde; Caron wies später durch Versuche nach, dass
auch dem Roheisen durch Schmelzen mit Mangan ein sehr grosser
Theil seines Schwefelgehaltes entzogen werden könne. Ein Roheisen,
welches 1.15 Proc. Schwefel enthielt und dessen Schwefelgehalt nach
einfacher Schmelzung ohne Mangan sich nur auf 1.14 Proc. abgemindert
hatte, wurde mit 6 Proc. Manganzusatz geschmolzen, wobei sich der
Schwefelgehalt auf 0.15 Proc., der Mangangehalt auf 3.92 Proc. abmin-
derte; wiederholte Versuche ergaben ähnliche Ergebnisse und theilweise
noch niedrigeren Schwefelgehalt. 2)


[257]Eisen und Mangan.

Auch in der Praxis lässt sich nicht selten diese Einwirkung des
Mangangehaltes beobachten. Auf der Oberfläche ruhig stehenden flüssigen
Eisens (und insbesondere Roheisens) bilden sich tropfenartige Aus-
scheidungen, welche früher erstarren als das darunter befindliche Eisen,
als dunkele blatternartige Gebilde auf der Oberfläche umherschwimmen
und in den Eisengiessereien als „Wanzen“ bezeichnet werden. Sie be-
stehen offenbar aus Absonderungen aus dem Eisen, die allerdings theil-
weise infolge der oxydirenden Wirkung der Luft auf die leichter oxy-
dirbaren Bestandtheile des Eisens entstanden und in diesem Falle aus
oxydirten Körpern bestehen, in allen Fällen aber weit reicher an
Schwefel und Mangan zu sein pflegen als das Eisen, aus dem sie sich
ausschieden. Besonders deutlich zeigt sich dieser Vorgang bei folgenden
von mir angestellten Analysen eines für die Giesserei bestimmten Guss-
eisens nebst den von der Oberfläche desselben beim ruhigen Stehen
abgeschöpften „Wanzen“: 1)

Gewöhnlich hat man diese Wanzen erst abgelöst, nachdem das
Eisen erkaltet war. Da inzwischen aber, wie erwähnt, auch unter dem
Einflusse des atmosphärischen Sauerstoffes bestimmte leichter oxydir-
bare Körper aus dem Eisen austraten und in jene Wanzen über-
gingen, so tritt bei der Analyse derselben die erwähnte Wirkung des
Mangans weniger deutlich hervor als in obigem Falle; immerhin aber
zeigt sich auch hier regelmässig ein hoher Schwefelgehalt. So z. B.
fand Muck in drei Fällen die Zusammensetzung solcher Wanzen
folgendermaassen: 2)


  • Kieselsäure   31.874 31.939 28.731
  • Eisenoxydul   39.609 38.107 45.873
  • Manganoxydul   24.612 25.876 21.108
  • Kalkerde   1.580 1.363 0.615
  • Magnesia   0.150 0.051 0.031
  • Phosphorsäure   3.401 4.088 4.335
  • Schwefel  1.602 1.701 0.824
  • 102.828 103.125 101.517.

Der Umstand, dass in allen drei Fällen die Summe der gefundenen
Körper grösser ist als 100, beweist deutlich, dass ein Theil der als
Oxyde aufgeführten Körper nicht als solche, sondern als Metalle, be-
ziehentlich in Legirung mit dem Schwefel zugegen war. Bei dem
grossen Mangangehalte kann man mit ziemlicher Sicherheit annehmen,
dass der Schwefel vollständig an Mangan gebunden war. Woher der
Gehalt an Kalkerde und Magnesia stammt, ist nicht zu ersehen.


Ich selbst fand bei einer Untersuchung solcher nach dem Erkalten
Ledebur, Handbuch. 17
[258]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.
des Roheisens abgelöster Wanzen deren Zusammensetzung folgender-
maassen:


  • Kieselsäure   29.30
  • Eisenoxyd   13.46
  • Eisenoxydul   46.73
  • Manganoxydul   6.40
  • Mangansulfür (enthaltend 0.46 Schwefel)   1.25
  • Phosphorsäure  2.66
  • 99.80.

Da, wie bereits erwähnt, auch bei der Verhüttung von schwefel-
haltigen Erzen diese stärkere Verwandtschaft des Mangans zum Schwefel
sich geltend macht und das entstehende Schwefelmangan von der Schlacke
aufgenommen wird, so spielt in dieser Beziehung das Mangan eine
gleiche Rolle als Kalkerde (vergl. S. 249); aber die betreffende Wirkung
des Mangans ist nach Åkerman noch kräftiger als die der Kalkerde
und bei gleich hoher Temperatur wird aus gleich basischen Beschickungen
um so mehr Schwefel in die Schlacke geführt, je manganreicher die
Beschickung ist.


Eine der besprochenen Entschweflung des Eisens durch Mangan
entsprechende Einwirkung auf den Phosphorgehalt findet je-
doch nicht statt
, wie mehrfach durch Versuche bestätigt worden ist.
In Percy’s Laboratorium erhielt man durch Schmelzen einer innigen
Mischung von 20 Thl. Pyrolusit, 20 Thl. Knochenasche, 10 Thl. Kiesel-
säure, 6 Thl. Lampenruss neben entstandener Schlacke ein Metall mit
21.97 Proc. Phosphor 1); deutlicher noch zeigte sich dieses wirkungslose
Verhalten bei Versuchen von Caron, welcher phosphorhaltiges Roh-
eisen ebenso, als es hinsichtlich des schwefelhaltigen oben erwähnt wurde,
mit Manganzusatz schmolz. Nach dreimal wiederholtem Schmelzen eines
Eisens mit 0.82 Proc. Phosphor unter Zusatz von 6 Proc. Mangan hatte
sich der Phosphorgehalt nicht mehr als auf 0.76 Proc. verringert, ein
Erfolg, der vermuthlich auch ohne den Manganzusatz erreicht worden
wäre. Der Mangangehalt des dreimal umgeschmolzenen Eisens betrug
1.62 Proc.


Dagegen lassen Vorgänge der Praxis schliessen, dass die Aus-
scheidung des Phosphors aus flüssigem Eisen durch Oxydation erleichtert
wird, wenn zugleich eine manganoxydulreiche Schlacke zugegen ist
oder bei der Oxydation entsteht, welche die Phosphorsäure aufnimmt.
Dieser Vorgang wird später ausführlichere Besprechung finden (vergl.
Oxydation des Eisens und seiner Begleiter).


Die Schmelztemperatur des Eisens wird durch einen grösseren
Gehalt an Mangan erhöht und steigt in gleichem oder annähernd
gleichem Verhältnisse mit dem Mangangehalte. Jene manganreichen
Legirungen, deren Mangangehalt den Eisengehalt noch übertrifft, schmel-
zen nur in den höchsten in unseren Oefen erreichbaren Temperaturen.
Ob nicht aber ein kleiner Mangangehalt ermässigend auf die Schmelz-
temperatur des Eisens einzuwirken vermöge, ähnlich wie kleine Mengen
[259]Eisen und Kupfer.
Blei die Schmelztemperatur des Zinnes, kleine Mengen Antimon oder
Silber die Schmelztemperatur des Bleies erniedrigen, ist nicht mit Sicher-
heit festgestellt worden. Reiser bezweifelt diese Einwirkung aus dem
Grunde, weil Stahl, welcher infolge eines Siliciumgehaltes heissbrüchig
ist, durch einen Manganzusatz heissfest gemacht wird und dieser Ein-
fluss auf eine Erhöhung der Schmelztemperatur schliessen lässt. 1)


9. Eisen und Kupfer.


Kleine Mengen Kupfer werden ohne Schwierigkeit vom Eisen auf-
genommen; und da das Kupfer leichter reducirbar und schwerer oxy-
dirbar ist als das Eisen, so erklärt es sich, dass bei der Verhüttung
kupferhaltiger Eisenerze der gesammte Kupfergehalt derselben mit dem
reducirten Eisen sich legirt und auch durch einen Oxydationsprocess
nicht wieder von demselben zu trennen ist, sondern dasselbe durch alle
Stufen der verschiedenen Verarbeitung hindurch begleitet.


Glücklicherweise sind die Einwirkungen, welche durch einen solchen,
aus den Eisenerzen dem Eisen zugeführten Kupfergehalt auf die Eigen-
schaften desselben ausgeübt werden, nicht sehr erheblich.


Dass die Festigkeit ganz reinen Eisens durch einen Kupfergehalt
bis zu einer gewissen Grenze gesteigert werden könne, wie auch um-
gekehrt die Festigkeit des reinen Kupfers durch einen Eisengehalt sich
erhöhen lässt 2), unterliegt keinem Zweifel; aber der in dem technisch
dargestellten Eisen zufällig anwesende Kupfergehalt ist nicht bedeutend
genug, um eine merkbare Einwirkung in dieser Beziehung hervorzu-
bringen, und ein absichtlicher Zusatz grösserer Mengen würde in anderer
Weise schädlich auf die Verwendbarkeit des Eisens einwirken.


Der einzige bemerkbare Einfluss nämlich, den ein mässiger Kupfer-
gehalt des Eisens auf dieses ausübt, ist die Erzeugung von Rothbruch,
ähnlich wie ihn Schwefel hervorruft; aber die Einwirkung des Kupfers
in dieser Beziehung ist ganz unvergleichlich geringer als die des
Schwefels. In früherer Zeit nahm man an, dass etwa 0.4 Proc. Kupfer
beginnenden Rothbruch hervorrufe. Eggertz schreibt dem Kupfer-
gehalte im Stahl eine stärkere Wirkung zu als im Schmiedeeisen und
giebt an, dass ein Gehalt von 0.5 Proc. Kupfer ersteren unbrauchbar
mache, während ein kohlenstoffarmes Eisen mit dem nämlichen Kupfer-
gehalte nur Spuren von Rothbruch zeige. 3) Aus neueren, von Wasum
angestellten Versuchen 4) ergiebt sich in der That, dass bei einem
Kohlenstoffgehalte des Eisens von 0.2—0.3 Proc. die Einwirkung des
Kupfers ausserordentlich gering ist; zwei Eisensorten von folgender
Zusammensetzung:

17*
[260]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.
verhielten sich beim Auswalzen zu Eisenbahnschienen tadellos und nur
bei Nr. 2 zeigten sich die oberen Enden der Schienen ein wenig rissig.
Selbst der bedeutende Kupfergehalt von 0.862 Proc. neben 0.06 Proc.
Schwefel vermochte also kaum merklich einzuwirken. Auch ein Eisen
mit 0.311 Proc. Kohle, 0.849 Proc. Kupfer, 0.107 Proc. Schwefel bei
0.514 Proc. Mangan, also noch höherem Schwefelgehalte neben reichem
Kupfergehalte zeigte nur schwache Andeutungen von Rothbruch. Ob
etwa der Mangangehalt auch den Einfluss des Kupfers ähnlich wie den-
jenigen des Schwefels abschwäche, ist nicht ermittelt worden.


Kupferreichere Legirungen lassen sich durch Zusammenschmelzen
beider Metalle herstellen, besitzen aber nicht solche Eigenschaften,
welche ihre technische Herstellung als räthlich erscheinen lassen könnten.
Sie sind, so lange nicht der Kupfergehalt den Eisengehalt überwiegt,
hart, spröde, und zum Saigern geneigt. Je höher aber der Kohlen-
stoffgehalt des angewendeten Eisens ist, desto schwieriger findet Legirung
statt und desto leichter scheidet das Kupfer wieder aus, ein Umstand,
der sich durch die geringe Legirungsfähigkeit zwischen Kupfer und
Kohlenstoff erklären lässt. In Lüttich vor längeren Jahren angestellte
Versuche, Roheisen mit Kupfer zu einer gleichartigen Legirung zusam-
menzuschmelzen, blieben ohne Erfolg. 1)


10. Eisen und Kobalt oder Nickel.


Beide in der Ueberschrift genannten Metalle finden sich in kleinen
Mengen häufig in den Eisenerzen und verhalten sich beim reduciren-
den Schmelzen der letzteren ebenso wie das Kupfer; d. h. sie werden
ebenfalls reducirt, legiren sich mit dem Eisen und lassen sich auch
durch oxydirende Einwirkungen nicht wieder von demselben trennen.


Die Menge des solcherart in das Eisen geführten Kobalts oder
Nickels beträgt mitunter einige Zehntel-, häufiger einige Hundertstel
Procente. Irgend eine Beeinflussung der Eigenschaften des Eisens durch
diesen Gehalt der erwähnten Metalle ist bislang nicht nachgewiesen
worden.


Durch Zusammenschmelzen lassen sich sowohl Kobalt als Nickel
verhältnissmässig leicht mit dem Eisen legiren. Mehrfach angestellte
Versuche, derartige Legirungen technisch zu verwenden, scheinen einen
befriedigenden Erfolg nicht gehabt zu haben, wovon theils die grössere
Sprödigkeit des legirten Eisens, theils der ziemlich hohe Preis der beiden
Metalle die Ursache sein mögen. 2) Dass Meteorite neben Eisen gewisse
Mengen Nickel und Kobalt zu enthalten pflegen, darf als bekannt vor-
ausgesetzt werden.


11. Eisen und Chrom.


Wenn man chromhaltige Eisenerze verhüttet, so wird das Chrom
unschwer reducirt und legirt sich mit dem Eisen. Ob durch oxydirende
[261]Eisen und Chrom.
Einwirkungen auf das geschmolzene Eisen das Chrom wieder aus dem-
selben ausgeschieden werde, scheint mit Sicherheit nicht nachgewiesen
zu sein, lässt sich aber mit Wahrscheinlichkeit annehmen. Dieses zufällige
Auftreten von Chrom in dem technisch dargestellten Eisen ist jedoch
verhältnissmässig selten.


Absichtlich stellt man Eisenchromlegirungen durch reducirendes
Schmelzen der Oxyde beider Metalle oder, was noch einfacher ist, des
natürlich vorkommenden Chromeisenerzes mit Kohle im Tiegel dar. Bei
Benutzung des Chromeisenerzes muss dieses mit geeigneten Körpern
beschickt werden, welche die fremden Beimengungen desselben ver-
schlacken; Percy empfiehlt für diesen Zweck auf 100 Thl. Erz eine
Mischung von 100 Thl. bleifreien Glases und 40 Thl. Borax. Auch im
Hochofen hat man zu Terre-Noire in Frankreich Eisenchrom dar-
gestellt. 1)


Man benutzt diese Legirungen, um durch Zusatz beim Stahl-
schmelzen einen chromhaltigen Stahl — den im Handel vorkommenden
Chromstahl — darzustellen.


Ein Chromgehalt erhöht ausserordentlich die Härte des Eisens.
Eben dieser Eigenschaft halber fügt man dem Stahle Chrom zu, wenn
sein Härtegrad gesteigert werden soll, ohne dass der Kohlenstoffgehalt
jenes Maass erreicht, wo die Schmiedbarkeit, sowie die Schweissbarkeit
nur noch gering ist, und auch die Festigkeit schon abnimmt. Verhält-
nissmässig kleine Mengen Chrom rufen schon eine bedeutende Härte-
steigerung hervor; ein Stahl mit 0.3 Proc. Chrom ist ganz bedeutend
härter als ein chromfreier mit demselben Kohlenstoffgehalte.


Mit dem Chromgehalte steigert sich aber auch bis zu einer gewissen
Grenze desselben in beachtenswerther Weise die Festigkeit des Stahles,
ohne dass die Zähigkeit in dem Maasse beeinträchtigt wird, als es durch
einen die gleiche Festigkeit hervorrufenden Kohlenstoffgehalt der Fall
sein würde. Chromstahl mit 0.5 Proc. Chrom und 0.91 Proc. Kohle,
welcher auf meine Veranlassung in der Gussstahlfabrik zu Döhlen dar-
gestellt und untersucht wurde, besass eine Zerreissungsfestigkeit von
86.9 kg per qmm bei 15.7 Proc. Längenausdehnung; nach Rolland
soll Chromstahl aus der Gussstahlfabrik zu Brooklyn eine Festigkeit
von 115—140 kg per qmm besitzen. Man hat aus diesem Grunde
chromhaltiges Eisen für Constructionstheile empfohlen, welche auf starke
Belastungen in Anspruch genommen sind, und die Mississippibrücke in
St. Louis soll thatsächlich aus solchem Materiale gebaut sein, obschon
die Kosten von wirklich chromhaltigem Eisen oder Stahl in allen Fällen
beträchtlich höher sein müssen als die des gewöhnlichen chromfreien.


Jene Grenze des Chromgehaltes aber, bei deren Ueberschreiten die
Festigkeit nicht mehr zu- sondern abnimmt und eine grosse Sprödigkeit
an die Stelle der Zähigkeit tritt, ist bald erreicht. Zuerst zeigt sich
dieser Einfluss beim Härten des Chromstahles. Bei nur 0.5 Proc. Chrom-
gehalt neben etwa 1 Proc. Kohle ist schon eine grosse Vorsicht beim
Härten erforderlich, um das Zerspringen des Stahles zu verhüten; 1 Proc.
[262]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.
Chrom dürfte der höchste zulässige Gehalt sein, den man Stahlwaaren,
welche gehärtet werden, geben kann.


Noch chromreichere Legirungen zerspringen auch nach langsamer
Abkühlung unter dem Hammer in Stücke; eine von mir untersuchte
Legirung mit 54.5 Proc. Chrom war so spröde, dass sie sich in der
Achatreibschale pulvern liess.


Diese Legirungen haben weisse Farbe und zeigen mitunter, ins-
besondere bei hohem Chromgehalte, eine eigenthümliche Textur, welche
augenscheinlich aus einer Anhäufung zahlreicher nadelförmiger Kry-
stalle hervorgegangen ist und auf welcher gewöhnlich einzelne solcher
Krystallnadeln deutlich erkennbar sind. Bei Abnahme des Chrom-
gehaltes wird das Gefüge dichter, nimmt aber in dem Chromstahle ein
eigenthümliches feinschuppiges Aeussere an, welches denselben ziemlich
deutlich vor anderen Stahlsorten kennzeichnet.


Die Schmelztemperatur der Legirung steigt mit dem Chromgehalte.


Ob durch den Chromgehalt ein Einfluss auf das Sättigungsver-
mögen des Eisens für Kohlenstoff ausgeübt wird, ist bislang nicht mit
Sicherheit erwiesen. In der von mir untersuchten, oben erwähnten
Legirung mit 54.5 Proc. Chrom fand ich nur 0.43 Proc. Kohlenstoff, in
einer andern mit 14.4 Proc. Chrom 2.5 Proc. Kohle. Wenn sich hieraus
auf eine Abminderung jenes Sättigungsvermögens schliessen lässt, so
darf andererseits nicht unerwähnt bleiben, dass nach Rolland zu
Unieux Eisenchrom mit 67.2 Proc. Chrom bei 5.4 Proc. Kohle, nach
Kerpely zu Terre-Noire Eisenchrom mit 25.3 Proc. Chrom, 13.20 Proc.
Mangan bei 4.75 Proc. Kohlenstoff dargestellt wird, was auf den gerade
entgegengesetzten Einfluss zu deuten scheint. Da die von mir unter-
suchten Legirungen im Tiegel dargestellt waren, so ist die Möglichkeit
nicht ausgeschlossen, dass es ihnen überhaupt an Gelegenheit zur Auf-
nahme grösserer Mengen Kohlenstoff gefehlt habe; doch kann auch der
Mangangehalt der zu Terre-Noire dargestellten Legirung die Ursache
ihres höheren Kohlenstoffgehaltes gewesen sein.


12. Eisen und Wolfram.


Eisenwolframlegirungen werden zu gleichem Zwecke als Eisen-
chromlegirungen dargestellt, d. h. um als Zusatz bei der Stahlerzeugung
benutzt zu werden, sofern die Aufgabe vorliegt, besonders harte Stahl-
sorten für bestimmte Zwecke darzustellen.


Schon im vorigen Jahrhunderte wurden durch die Gebrüder
d’Elhuyar Legirungen des Wolframs mit Eisen und anderen Metallen
dargestellt, ohne dass jedoch eine weitere Anwendung davon gemacht
worden wäre 1); später untersuchte Berthier etwas eingehender die
Eigenschaften dieser Legirungen 2); in grösserem Maassstabe werden sie
zu dem erwähnten Zwecke seit etwa 1855 gewonnen. 3)


Man benutzt für die Herstellung der Eisenwolframlegirungen den
natürlich vorkommenden Wolframit, dessen Zusammensetzung der Formel
[263]Eisen und Wolfram.
Fe2 Mn3 W5 O20 entspricht; oder auch Scheelit von der Zusammensetzung
Ca WO4. Das Erz wird zur Austreibung des Schwefels und Arsens
geröstet, ausgelaugt und hierauf mit Kohle im Tiegel geschmolzen.
Auch im Hochofen zu Terre-Noire hat man nach Kerpely solche
Legirungen erzeugt 1); der Bedarf an denselben ist jedoch keinesfalls so
gross, um einen dauernden Hochofenbetrieb darauf zu führen.


Von dem Mangangehalte des Wolframits geht unvermeidlicher Weise
ein Theil in die Legirung mit über, sofern man nicht zuvor eine Tren-
nung der Metalle auf chemischem Wege vornimmt; da jedoch dieser
Mangangehalt der Verwendung der Legirung nicht gerade nachtheilig
ist, so sieht man häufig von einem solchen, immerhin kostspieligen Ver-
fahren ab, und die betreffenden Legirungen enthalten alsdann neben
Wolfram eine gewisse Menge Mangan; mitunter ist ihr Mangangehalt
sogar so beträchtlich, dass eine absichtliche Anreicherung desselben
stattgefunden zu haben scheint.


Mit dem Wolframgehalte steigt ausserordentlich die Schmelztempe-
ratur der Legirungen und aus diesem Grunde stellt man nur selten
reichere Legirungen als mit 40 Proc. Wolfram dar. Eine von mir
untersuchte Legirung aus Hannover enthielt 29.12 Proc. Wolfram,
67.93 Proc. Eisen, 1.17 Proc. Kohle, 0.61 Proc. Silicium und nur un-
bedeutende Mengen Mangan; ein zu Terre-Noire im Hochofen dar-
gestelltes Wolframeisen enthielt nach Kerpely 24.25 Proc. Wolfram,
30.00 Proc. Eisen, 41.50 Proc. Mangan, 5.65 Proc. Kohle, 0.14 Proc.
Phosphor. Der hohe Kohlenstoffgehalt der letzteren Legirung ist ver-
muthlich nicht sowohl durch den Wolframgehalt als vielmehr durch den
hohen Mangangehalt bedingt.


Legirungen mit solchem Wolframgehalte sind weiss, hart, spröde.
Die Härte aber, welche der Wolframgehalt dem Stahle verleiht, ist nicht
so bedeutend als die durch die gleiche Menge Chrom erzeugte; während
daher der Chromgehalt des Chromstahles, wie erwähnt, selten über
1 Proc. hinausgeht, pflegt der Wolframstahl 2—5 Proc. Wolfram zu
enthalten und mitunter hat man den Wolframgehalt bis auf 9 Proc.
gesteigert. Auch der Kohlenstoffgehalt ist mitunter beträchtlich, wodurch
allerdings die Herstellung des Stahles erleichtert, die spätere Verarbei-
tung aber erschwert wird. 2)


Beispiele.


[264]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.

Jene Stahlsorten mit etwa 8 Proc. Wolfram sind nun freilich so
hart, dass sie auch im ungehärteten Zustande nicht mehr von der
härtesten Feile angegriffen werden und ohne Schwierigkeit Glas ritzen.
Mit der Härte aber nimmt auch die Sprödigkeit zu; eine Härtung des
wolframreichen Stahles ist überhaupt kaum oder doch nur mit aller-
grösster Vorsicht möglich, wenn man die Entstehung von Rissen ver-
meiden will. Für feinere Werkzeuge mit dünnen scharfen Schneiden,
welche leicht ausspringen, ist deshalb Wolframstahl nicht zu gebrauchen;
mit Vortheil aber wird er zur Herstellung von Drehstählen und ähn-
lichen Werkzeugen für Bearbeitung harter Metalle benutzt, wobei man
den Schneiden des Werkzeugs eine Zuschärfung von nicht erheblich
weniger als 90 Grad giebt und einer künstlichen Härtung gar nicht
bedarf, sofern der Wolframgehalt ausreichend hoch ist.


Die Zerreissungsfestigkeit des Eisens (Stahles) wird durch einen
Wolframgehalt, dessen Maass jedoch eine gewisse Grenze nicht über-
schreiten darf, beträchtlich gesteigert; der oben erwähnte Steirische
Wolframstahl mit 6.45 Proc. Wolfram besass eine Festigkeit von 134 kg
per qmm; aber die stattfindende Längenausdehnung vor dem Bruche
betrug nur ¾ Proc., ein Beweis, wie sehr auch die Sprödigkeit ge-
steigert war.


13. Eisen und Arsen oder Antimon.


Die Legirungen zwischen Eisen und Arsen verhalten sich in
mancher Beziehung ähnlich wie diejenigen zwischen Eisen und Schwefel.
Beide Körper legiren sich leicht und in allen Verhältnissen. Durch ein-
fache Erhitzung selbst bis zur Weissgluth lässt sich aus diesen Legi-
rungen der Arsengehalt nicht vollständig austreiben; beim oxydirenden
Rösten des in den Erzen mitunter auftretenden Arsenkieses aber hinter-
bleibt, wie schon auf S. 188 erörtert wurde, ein Theil des Arsens als
arsensaures Eisen, welches beim reducirenden Schmelzen des gerösteten
Erzes wieder zu Arseneisen reducirt werden kann. Ob andere Metalle
dem Eisen den Arsengehalt entziehen und in die Schlacke führen
können, wie es hinsichtlich des Schwefels durch das Mangan geschieht,
scheint bislang nicht erforscht zu sein. Thatsächlich finden sich in einzel-
nen Eisensorten kleine Mengen Arsen, die jedoch sehr selten bedeutend
genug sind, um Einflüsse auf die Eigenschaften des Eisens auszuüben.


Einen grösseren Arsengehalt hat man mitunter in Eisensorten ge-
funden, die aus aussereuropäischen Ländern stammen, insbesondere in
Geschossen. In Kanonenkugeln aus Algier, welche von den Franzosen
im dortigen Arsenal vorgefunden wurden, fand Berthier 9.8 Proc.,
in anderen sogar 27.0 Proc. Arsen; in einer Kanonenkugel aus Sinope
wurde in Percy’s Laboratorium 16.20 Proc. Arsen gefunden. 1)


Vermuthlich sind diese Geschosse unmittelbar durch Schmelzen
von Arsenkies hergestellt, wozu der Umstand, dass ein so beträchtlicher
Arsengehalt die Schmelztemperatur des Eisens erheblich abmindert, die
erste Veranlassung gegeben haben wird. Sie zeigten weisse Bruch-
fläche mit strahligem Gefüge und waren sehr hart und spröde.


[265]Eisen und Titan, Aluminium, Calcium, Magnesium, Kalium, Natrium.

Das Sättigungsvermögen des Eisens für Kohlenstoff wird durch
einen Arsengehalt ebenso wie durch Schwefel abgemindert; schmied-
bares Eisen wird durch einen Arsengehalt roth- und kaltbrüchig.


Sehr kleine Mengen Arsen hat man mitunter wohl absichtlich solchem
Roheisen zugesetzt, welches für Herstellung sogenannten Hartgusses
bestimmt war, d. h. für Gusswaaren, welche durch Eingiessen des Eisens
in eiserne Formen eine weisse harte Kruste bei grau bleibendem Kerne
erhalten sollen.


Ganz ähnliche Einflüsse als durch Arsen werden durch Antimon
auf die Eigenschaften des Eisens geübt. Die Schmelztemperatur sinkt,
das Eisen wird hart, spröde, roth- und kaltbrüchig. Glücklicherweise
findet sich nur sehr selten Antimon in den Eisenerzen in solcher Menge,
dass ein nachtheiliger Einfluss davon zu befürchten stände.


14. Eisen und Titan, Aluminium, Calcium, Magnesium,
Kalium, Natrium.


Der grösste Theil der in manchen Eisenerzen enthaltenen Titan-
säure
geht wegen der Schwerreducirbarkeit des Titans bei der Ver-
hüttung der Erze in die Schlacke, die Schmelzbarkeit derselben in der
früher erwähnten Weise (S. 153) beeinflussend; und es erklärt sich
hieraus, dass die aus solchen Erzen erblasenen Eisensorten selten mehr
als Spuren von Titan enthalten. Die Anwesenheit der Titansäure in
den Erzen ist daher wegen des erwähnten Einflusses auf die Schlacke
wichtiger als wegen etwaiger unmittelbarer Einwirkung des Titangehaltes
auf das erfolgende Eisen.


Auch durch reducirendes Schmelzen von Titansäure mit Eisen
oder Eisenoxyden und Kohle im Tiegel ist es nur in einzelnen
Fällen geglückt, titanhaltiges Eisen darzustellen. Sefström erhielt
in einem derartigen Falle ein sehr hartes aber schmiedbares Eisen mit
4.78 Proc. Titan.


Erwähnenswerth ist eine eigenthümliche Verbindung des Titans,
welche in Eisenhochöfen nach dem Ausblasen derselben theils in Form
kupferrother würfelförmiger, metallisch glänzender Krystalle, theils
als rother Ueberzug sogenannter Eisensauen angetroffen wird. Nach
Wöhler’s Untersuchung bestehen dieselben aus Cyanstickstofftitan von
der Formel Ti5 C N4 und sind nach Zincken in sehr hoher Tempe-
ratur flüchtig.


Aluminium wird aus thonerdereicher Schlacke in hoher Tempe-
ratur mitunter in kleinen Mengen reducirt und legirt sich mit dem
Eisen. Mrázek erhielt beim Schmelzen von Eisendraht mit Natrium,
Quarz und Kryolith (Na6 Al2 F12) eine Legirung bestehend aus 91.59 Proc.
Eisen, 2.30 Proc. Aluminium, 5.95 Proc. Silicium, 0.16 Proc. Kohlen-
stoff; in geringerer Menge ist Aluminium auch in einzelnen Roheisen-
sorten gefunden worden. Gruner z. B. fand in einem Roheisen von
Champigneulle 0.50 Proc. Aluminium bei 2.26 Proc. Silicium und
2.30 Proc. Kohlenstoff. 1) Immerhin sind diese Fälle nicht häufig, und
eine besondere Einwirkung des geringen Aluminiumgehaltes auf die
Eigenschaften des Eisens nicht beobachtet.


[266]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.

Durch Zusammenschmelzen der Metalle oder durch Schmelzen von
Aluminiumchlorid mit Eisen, Kalk und Kohle lassen sich Legirungen
mit beliebigem Aluminiumgehalte darstellen, welche jedoch eine tech-
nische Anwendung nicht gefunden haben. Deville, sowie Calvert
und Johnson, welche solche Legirungen darstellten, beschreiben sie
als ausserordentlich hart und spröde.


Calcium und Magnesium legiren sich schwierig oder gar nicht
mit dem Eisen. Da ausserdem eine Reduction derselben aus ihren
Oxyden durch Kohle nicht möglich ist, so lässt sich annehmen, dass,
wo diese Metalle im Eisen gefunden wurden, sie nicht Bestandtheile des
Eisens sondern der dem Eisen beigemengten Schlacke bildeten. 1) Ebenso
wie Calcium und Magnesium verhalten sich Barium und Strontium.


Kalium und Natrium dagegen sind durch Kohle reducirbar und
legiren sich — wie wenigstens hinsichtlich des Kaliums mit Bestimmt-
heit durch Gay-Lussac nachgewiesen worden ist — mit dem Eisen.
Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass sehr kleine Mengen beider
Metalle bei der Eisendarstellung im Hochofen reducirt und mit dem
Eisen legirt werden können. 2) Einen merkbaren Einfluss auf die Be-
schaffenheit des Eisens aber besitzen diese kleinen Mengen der genannten
Metalle nicht.


15. Eisen und Zinn, Blei, Zink.


Mit Zinn lässt sich Eisen ohne Schwierigkeit legiren und wird
dadurch hart, spröde, rothbrüchig. Der in einzelnen seltenen Fällen
in den Eisenerzen auftretende Zinngehalt ist jedoch zu unbedeutend.
um einen Einfluss in dieser Beziehung üben zu können.


Blei findet sich als eingesprengter Bleiglanz nicht selten in Eisen-
erzen und wird mit dem Eisen reducirt. Dass jedoch das Blei sich
schwierig mit dem Eisen legire, wurde schon oben hervorgehoben. Die
Folge davon ist, dass das reducirte Blei sich vermöge seines grösseren
specifischen Gewichtes von dem Eisen sondert und getrennt von dem-
selben gewonnen werden kann, ein Verfahren, welches thatsächlich auf
verschiedenen Eisenwerken in Anwendung ist. Gewöhnlich enthält das
Blei Silber, welches sich ebenfalls schwierig mit dem Eisen, sehr leicht
dagegen mit dem Blei legirt und später von diesem geschieden wird.
Auf verschiedenen oberschlesischen Eisenwerken bildet der Erlös für
das solcherart gewonnene silberhaltige Blei einen nicht unwichtigen Theil
des Gesammtertrages des Werkes.


Zink bildet ebenfalls einen nicht seltenen Begleiter der Eisenerze
und wird beim Verhütten derselben reducirt. Die geringe Legirbar-
keit zwischen Eisen und Zink einerseits und die Flüchtigkeit des Zinks
in hohen Temperaturen andrerseits bewirken nun aber, dass das redu-
cirte Zink in solchen Fällen mit dem Gasstrome davon geführt wird,
um dann später bei der Berührung mit oxydirenden Gasen — freiem Sauer-
[267]Eisen und Zinn, Blei, Zink.
stoff oder Kohlensäure — wieder zu Zinkoxyd oxydirt zu werden. In den
Eisenhochöfen, welche zinkische Erze verhütten, setzt sich dieses Zink-
oxyd, vermischt mit kleineren Mengen metallischen Zinks und fremden
Körpern in dem oberen kälteren Theile des Ofenschachtes rings herum
an den Wänden in immer dicker werdender Schicht fest und bildet
hier den sogenannten Zinkschwamm, welcher von Zeit zu Zeit los-
gebrochen werden muss, damit er nicht eine Verstopfung des Ofens
herbeiführe, und dann auf den Zinkhütten auf Zink verarbeitet wird.


In dem Eisen, welches aus zinkhaltigen Erzen erzeugt wurde, ist
kaum jemals mehr als eine Spur Zink gefunden worden. Dennoch ist
es eine den Eisengiessern bekannte, von mir selbst mehrfach beobachtete
Thatsache, dass graues Gusseisen, dem man im geschmolzenen Zustande
Zink zusetzt, hart, zum Weisswerden geneigt wird. Wenn also in
diesem Falle eine Aufnahme von Zink durch das Eisen thatsächlich
nicht stattfindet, so lässt sich jene Veränderung nur auf eine mittelbare
Einwirkung des Zinks, insbesondere eine Ausscheidung von Silicium in
irgend einer Vereinigung mit dem zugesetzten Zink, zurückführen.
Chemische Untersuchungen hierüber liegen bislang nicht vor.


Kleinere Mengen Eisen werden dagegen von grösseren Mengen
Zink ohne Schwierigkeit gelöst. Auf dem Boden eiserner Kessel, in
welchen Zink längere Zeit flüssig erhalten wird, bildet sich eine Legi-
rung, deren Schmelzpunkt höher liegt als der des Zinks und welche
von Zeit zu Zeit entfernt werden muss, damit sie nicht die Wärme-
übertragung an das Zink hindere. Sie besitzt grauweisse Farbe, ein
grossblättriges Gefüge und pflegt neben Zink etwa 4 Proc. Eisen und
kleinere Mengen Kohlenstoff zu enthalten. 1)


16. Eisen und Gase (Wasserstoff, Kohlenoxyd, Stickstoff).


Seitdem Graham zuerst die Beobachtung machte, dass viele
Metalle die Eigenschaft besitzen, Gase, insbesondere Wasserstoffgas, auf-
zunehmen, sich gewissermaassen mit denselben legirend (wie sich auch
Kupfer mit gasförmigem Zink legirt) und sie beim Erhitzen im luft-
leeren Raume wieder zu entlassen, ist dieses Verhalten der Gegenstand
mannigfacher Untersuchungen gewesen.


Für den Eisenhüttenmann ist die Fähigkeit des Eisens, unter be-
stimmten Verhältnissen Gase zu lösen und unter geänderten Verhältnissen
wieder zu entlassen, nicht ohne Wichtigkeit. Zwar beeinflussen die Gase,
so lange sie im Eisen wirklich gelöst sind, d. h. feste, beziehentlich (im ge-
schmolzenen Eisen) flüssige Gestalt angenommen haben, nicht merklich die
Eigenschaften des Eisens, da eine dem Rauminhalte nach schon recht
bedeutende Menge Gas, wenn dasselbe mit dem Eisen sich legirt, doch
immerhin nur einen sehr unbedeutenden Procentgehalt von dem Ge-
wichte des Eisens ausmacht; wohl aber können die Gase, wenn sie
durch Veränderungen in der Temperatur oder der chemischen Zusammen-
setzung des Eisens oder durch sonstige Vorkommnisse veranlasst werden,
aus ihrer Legirung mit dem Eisen auszuscheiden und wieder Gasform
[268]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.
anzunehmen, den Verlauf dieses oder jenes Processes in oft sehr stören-
der Weise beeinflussen.


Besonders ist dieses der Fall, wenn die Gasausscheidung innerhalb
geschmolzenen Eisens stattfindet. Nicht allein ist mitunter ein lebhaftes
Aufwallen des flüssigen Metalls, bei welchem Theilchen desselben um-
hergeschleudert werden und Verletzungen der Arbeiter hervorrufen
können, die Folge davon 1); setzt sich das Entweichen der Gase bis zum
beginnenden Erstarren des Eisens fort, so können die zuletzt gebildeten
Gasblasen nicht mehr aus dem bereits halbstarren Metalle austreten, sie
werden in demselben zurückgehalten und sind später auf der Bruch-
fläche des Eisenstückes als Löcher von rundlicher, birnenförmiger oder
wurmförmiger Gestalt, theils mikroskopisch klein, theils bis zu Wall-
nussgrösse oder darüber erkennbar. Es kommt vor, dass ein ganzes
Eisenstück von solchen Gasblasen durchsetzt ist. Die Verwendbarkeit
des Eisens aber wird durch dieselben oft erheblich beeinträchtigt. 2)


Dass flüssiges Eisen fähig sei, Gase zu lösen und unter geänderten
Verhältnissen ganz oder theilweise wieder zu entlassen, lehrt häufig
schon der Augenschein. In nicht seltenen Fällen ist die ganze Ober-
fläche geschmolzenen Eisens mit einer Schicht brennender Gase bedeckt,
welche offenbar aus dem Eisen entwichen waren, und sich sofort ent-
zündeten; das Aeussere dieser Flammendecke aber weist gewöhnlich
auf die Anwesenheit reichlicher Mengen von Wasserstoffgas in dem
Gasgemenge hin. In anderen Fällen findet ein förmliches Spratzen des
Metalls statt, wobei Theile desselben durch die heftig entweichenden
Gase oft weit umhergeschleudert werden.


Verschiedene Umstände können das Entweichen von vorher gelöst
gewesenen Gasen herbeiführen.


War das Metall in einer stärker gepressten Gasatmosphäre ge-
schmolzen, wie es z. B. im Eisenhochofen der Fall ist, und es tritt nun
aus dem Schmelzofen aus, so verringert sich mit dem Gasdrucke auch
das Lösungsvermögen für Gase, und ein Theil derselben entweicht. 3)


Vielfach giebt auch die Bewegung des fliessenden Metalls Ver-
anlassung zum Entlassen von gelösten Gasen.


Hauptsächlich aber ist es der Uebergang aus dem flüssigen in den
festen Zustand, welcher eine reichliche Ausscheidung der gelösten Gase
[269]Eisen und Gase (Wasserstoff, Kohlenoxyd, Stickstoff).
mit sich zu bringen pflegt, jedenfalls infolge des Umstandes, dass das
erstarrte Metall eine geringere Fähigkeit als flüssiges besitzt, Gase —
die in Legirung mit dem ersteren natürlich ebenfalls feste Form an-
nehmen müssten — in Lösung zu behalten. Der nämliche Vorgang
lässt sich auch beim Erstarren anderer gashaltiger Flüssigkeiten be-
obachten und das gewöhnliche Eis ist aus demselben Grunde oft massen-
haft mit Gasblasen durchsetzt, die im Augenblicke des Gefrierens aus
ihrer Lösung im Wasser ausschieden.


Je rascher dieses Starrwerden des flüssigen Eisens vor sich geht,
desto stürmischer wird, sofern die Menge der vorher gelösten Gase die
nämliche war, die Gasentwickelung eintreten. Deshalb zeigt sie sich
vorzugsweise deutlich, wenn ein Eisen mit hoher Schmelztemperatur
— also insbesondere ein kohlenstoffarmes schmiedbares Eisen — rasch
abgekühlt wird, wie es beispielsweise beim Eingiessen in eiserne Formen
unvermeidlich ist. Ein heftiges Kochen des flüssigen Metalls tritt ein,
und besondere Maassregeln sind gewöhnlich erforderlich, zu verhüten,
dass nicht ein grosser Theil des Metalls aus der Form wieder heraus-
geschleudert werde.


Die Erscheinungen, welche verschiedene Eisensorten im flüssigen
Zustande darbieten, lassen jedoch auch schliessen, dass die chemische
Zusammensetzung des Eisens die Fähigkeit desselben, Gase zu lösen
und wieder zu entlassen, nicht unerheblich beeinflusse. Manganreiche
Legirungen — Spiegeleisen und Ferromangane — sind im flüssigen
Zustande regelmässig mit einer dichten Schicht brennender Gase bedeckt,
die nicht selten einen weissen, grösstentheils aus Kieselsäure bestehen-
den Rauch ausstösst, ein Vorgang, der darauf hinweist, dass auch
flüchtige Siliciumverbindungen davon geführt werden. Eine farblos
brennende Gasschicht, aber ohne jenen starken weissen Rauch, zeigt
auch flüssiges schmiedbares Eisen; in weit geringerem Maasse dagegen
siliciumhaltiges manganarmes Roheisen. Nur so lange das letztere stark
überhitzt ist, sind an der Oberfläche desselben kleinere Mengen bren-
nender Gase bemerkbar; lässt man es abkühlen, so verschwindet sehr
bald die Gasschicht, und nur ab und an sieht man noch eine vereinzelte
Gasblase aus dem flüssigen Metallbade aufsteigen.


Es ist ferner erwiesen, dass die Gasentwickelung beim Giessen
flüssigen schmiedbaren Eisens geringer ausfällt, wenn man vor dem
Giessen dem Eisen etwas siliciumreiches Material zusetzte.


Die eigentlichen Ursachen für dieses abweichende Verhalten ver-
schieden zusammengesetzter Eisensorten sind bislang mit Sicherheit noch
nicht erforscht worden. Müller glaubt, dass ein Siliciumgehalt flüssigen
Eisens die Fähigkeit desselben erhöhe, Gase zu binden, d. h. mit den
gelösten Gasen zu erstarren, ohne dass sie wieder Gasform annehmen 1),
eine Ansicht, die zwar nicht unwahrscheinlich ist, doch aber noch wissen-
schaftlicher Bestätigung bedarf.


Nicht immer jedoch, wo wir Gase aus geschmolzenem Eisen ent-
weichen sehen, braucht dieser Vorgang die Folge einer vorausgegangenen
Auflösung der Gase im Eisen zu sein. Auch chemische Reactionen,
[270]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.
durch welche Gase neu gebildet werden, können diesen Vorgang her-
vorrufen.


Besonders häufig tritt dieser Fall ein, wenn flüssiges kohlenstoff-
haltiges Eisen Einwirkungen unterworfen wird, welche eine Oxydation
des Kohlenstoffs zur Folge haben. Kohlenoxyd entsteht und entweicht,
bei starker Entwickelung ein entsprechend lebhaftes Aufwallen des
geschmolzenen Metalls hervorrufend.


Nicht immer, wo eine Gasentwickelung bemerkbar ist, lässt sich
deshalb mit Sicherheit sagen, ob sie durch Entweichen gelöst gewesener
Gase oder durch Neubildung von Gasen hervorgerufen worden sei. Man-
cher diesbezügliche Vorgang ist noch dunkel, obgleich die forschende
Wissenschaft der letzten Jahre auch auf diesem für den Eisenhütten-
mann wichtigen Gebiete sich namhafter Erfolge erfreuen konnte.


Troost und Hautefeuille1) stellten eine Reihe von Unter-
suchungen an, indem sie theils verschiedene Eisensorten im luftleeren
Raume glühten und die dabei entweichenden Gase analysirten, theils
auch, indem sie bestimmte Gase auf Eisen wirken liessen und später
die hierbei von dem Eisen absorbirte Gasmenge ermittelten.


Vier Eisencylinder verschiedener Beschaffenheit, sämmtlich 500 g
schwer, bei 800°C., im luftleeren Raume 190 Stunden lang erhitzt,
entliessen folgende Gase:

Das manganhaltige Spiegeleisen lieferte mithin die bei weitem
grösste Gasmenge; und zwar bestand dieses Gas vorwiegend aus Wasser-
stoffgas, während aus dem schmiedbaren Eisen vorwiegend Kohlenoxyd
erfolgte. Hierzu muss allerdings bemerkt werden, dass jene Kohlen-
oxydentwickelung aus dem weichen Schmiedeeisen ebenso gut die Folge
einer Gasbildung als einer Entlassung gelöst gewesenen Gases gewesen
sein kann. Alles Schweisseisen enthält mechanisch eingemengte eisen-
oxydreiche Schlacke; beim Glühen wirkt dieselbe oxydirend auf den
Kohlenstoffgehalt des Eisens, und Kohlenoxyd entsteht.


Nach 48stündigem Glühen bei 800°C. Temperatur und unter
einem Gasdrucke von 770 mm Quecksilbersäule im Wasserstoffstrome
und späterem Glühen im Vacuum erhielten die genannten Forscher beim:

[271]Eisen und Gase (Wasserstoff, Kohlenoxyd, Stickstoff.)

Unter ganz denselben Verhältnissen im Kohlenoxydgasstrome ge-
glüht enthielten die Eisensorten:

Aus allen diesen Versuchen ergiebt sich, dass alles schlackenfreie
Eisen (Spiegeleisen, Holzkohlengusseisen, Gussstahl) weit grössere
Mengen Wasserstoff als andere Gase nicht alleim beim Erstarren zurück-
zuhalten, sondern auch später wieder aufzunehmen vermag. Da 500 g
Eisen einen Rauminhalt von ca. 65 ccm besitzen, so war das Verhältniss
der gefundenen Gasmenge zu dem räumlichen Inhalte des Eisens

Beim Schmiedeeisen wurde, wie erwähnt, die Richtigkeit der Er-
mittelungen zweifellos durch die Anwesenheit von Schlacke getrübt,
welche Kohlenoxyd erzeugte 1); bei dem Gussstahl ist beim Schmieden
wohl ein Theil des gelösten oder eingeschlossenen Gases verdrängt
worden, während der geschmiedete Stahl auch durch seine grössere
Dichtigkeit an der Aufnahme reichlicherer Gasmengen verhindert wurde.


Die Herren Troost und Hautefeuille wiesen fernerhin nach,
dass Gusseisen in einem Wasserstoffstrome mit ruhiger Oberfläche
flüssig erhalten werden kann; vermindert man aber rasch die Gas-
spannung, so tritt eine Gasentwickelung ein, wobei Metallkügelchen
umhergeschleudert werden; und wenn hierbei zugleich die Temperatur
erniedrigt wird, so erstarrt das Metall während der Gasentwickelung
und ein förmliches Spratzen wird sichtbar. Enthält das Eisen aber
Phosphor oder Silicium, so wird die Erscheinung merklich abgeschwächt;
bei siliciumhaltigem Eisen liess sich erst beim Abkühlen im luftleeren
Raume ein schwaches Spratzen hervorbringen.


Es lässt sich hieraus entweder schliessen, dass siliciumhaltiges
Eisen überhaupt weniger Gas auflöst; oder auch, dass von demselben
das gelöste Gas weniger leicht entlassen wird.


Parry fand bei mehreren Versuchen 2), dass graues Roheisen fähig
sei, die zwanzigfache Menge seines eigenen Rauminhaltes Wasserstoff-
gas aufzunehmen, welches beim Erhitzen im luftleeren Raume in
Vermischung mit wechselnden Mengen von Kohlenoxyd wieder abge-
geben wird.


[272]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.

Fr. C. G. Müller ermittelte durch zahlreiche Untersuchungen 1)
die Menge und Zusammensetzung derjenigen Gase, welche nach dem
Erstarren des Eisens die Poren und Hohlräume desselben anfüllen,
also die eigentliche Veranlassung zu der Entstehung dieser so nach-
theiligen, oben erwähnten Hohlräume bilden. Zur Gewinnung dieser
vom Eisen eingeschlossenen Gase benutzte Müller einen mit der
Spitze nach oben gerichteten Bohrer innerhalb eines mit ausgekochtem
Wasser gefüllten Gefässes. Das zu untersuchende Eisenstück wurde
in der Spindel einer Bohrmaschine befestigt und unter steter Drehung
gegen die Bohrspitze abwärts bewegt, so dass ein durch das Wasser
abgeschlossenes Bohrloch entstand, in welchem die beim Zerspanen
des Metalls frei werdenden Gase sich oberhalb des Wassers sammeln
konnten, um von hier für die Untersuchung entnommen zu werden.


Die solcherart gefundenen Gasmengen betrugen ihrem Raumin-
halte nach:

Da der Rauminhalt der Poren und Hohlräume, in welchen die
Gase eingeschlossen waren und welcher sich annähernd aus dem Raum-
inhalte des Bohrloches und dem absoluten Gewichte des zerspanten
Metalls, dividirt durch das specifische Gewicht des dichten Eisens
(7.8), berechnen lässt, in jedem Falle erheblich kleiner war, als die
gefundene Menge der Gase, so ergiebt sich, dass dieselben unter Druck
in dem Eisen eingeschlossen waren. Müller berechnet diesen Druck
im erkalteten Eisenblocke zu 3—8 Atmosphären; da aber die Gase in
der Erstarrungstemperatur der untersuchten Eisensorten (durchschnitt-
lich 1400°C.) einen mindestens fünfmal so grossen Raum als im kalten
Zustande einnehmen, so würde sich unter Berücksichtigung dieses Um-
standes ein von denselben im erhitzten Zustande ausgeübter Druck
gleich 15—40 Atmosphären ergeben. Obgleich nun die meisten der
untersuchten Eisensorten fest in einer starken Gusseisenform einge-
schlossen waren, und hierdurch die Entstehung jenes hohen Druckes
eine ausreichende Begründung finden könnte, so liegt doch andererseits
die Vermuthung nahe, dass ein grosser Theil der gefundenen Gase erst
später aus dem Eisen ausgetreten sei, nachdem infolge der fortschreiten-
den Abkühlung die Gasspannung in den Poren abgenommen und hierbei
die Löslichkeit der Gase im Eisen sich verringert hatte.


Müller’s Versuche wurden später von Stead in ganz ähnlicher
Weise, jedoch mit stumpferem Bohrer wiederholt, wobei feinere Späne
gebildet und demnach auch eine noch grössere Zahl von Poren frei
[273]Eisen und Gase (Wasserstoff, Kohlenoxyd, Stickstoff).
gelegt wurden; und es ergab sich hierbei eine noch reichlichere Gas-
menge als bei der gröblicheren Zerspanung. 1)


Die Zusammensetzung der Gase zeigte in allen Fällen einen reich-
lichen Wasserstoffgehalt mit kleineren Mengen Stickstoff und mitunter
einer geringen Beimischung von Kohlenoxyd; z. B.

  • Nr. 1. Bessemerschienenstahl.
  • „ 2. Bessemerstahl zu Federn.
  • „ 3. Bessemerschienenstahl vor Zusatz von Spiegeleisen.
  • „ 4. Derselbe Stahl nach Zusatz von Spiegeleisen.
  • „ 5. Dichter Stahl vor dem Schmieden.
  • „ 6. Dichter Stahl nach dem Schmieden, wobei sich die Gasmenge, wie oben
    erwähnt, verringert hatte.
  • „ 7. Martineisen von Bochum.
  • „ 8. Englisches Hämatitroheisen (manganarm).
  • „ 9. Roheisen von Georgs-Marienhütte (manganhaltig).

Die Versuche von Troost und Hautefeuille, Parry u. A. lehren
uns, dass Gase, insbesondere Wasserstoffgas, vom festen Eisen auf-
genommen und im luftleeren Raume wieder entlassen werden können;
die Versuche Müller’s zeigen uns die Zusammensetzung derjenigen
Gase, welche vom flüssigen Eisen gelöst waren und beim Uebergange
in den festen Zustand infolge ihrer geringeren Löslichkeit im festen
Eisen wieder entlassen wurden. Wie die mitgetheilten Analysen er-
kennen lassen, bestehen auch diese Gase vorwiegend aus Wasserstoff.


Alle diese Untersuchungen aber lassen die Frage noch unent-
schieden, ob nicht von dem erstarrten Eisen auch noch Gase festgehalten
werden, in wirklicher Legirung mit demselben befindlich, welche auch
beim Erhitzen im luftleeren Raume ihre ursprüngliche Gasform nicht
wieder annehmen.


Dass eine zuverlässige und umfassende Beantwortung dieser Frage
nicht allein wissenschaftlichen sondern auch praktischen Werth besitzen
würde, ergiebt sich schon aus dem über den Einfluss eines Silicium-
gehaltes auf die Gasentwickelung Gesagten. Die Praxis lehrt und durch
die Versuche von Troost und Hautefeuille ist es bestätigt worden,
dass ein siliciumhaltiges Eisen im Allgemeinen weniger Gase beim
Erstarren entlässt und deshalb dichtere Gussblöcke liefert als ein silicium-
freies; aber es ist unentschieden, ob ersteres, wie Troost und Haute-
feuille
meinen, überhaupt weniger Gase löst, oder ob es, wie Müller
annimmt, die gelösten Gase nicht wieder entlässt. In einzelnen Fällen
ist auch die Beobachtung gemacht worden, dass gerade siliciumreiches
Eisen reichlich Gase entwickelte 2); und man war nicht im Stande,
eine andere Erklärung dafür zu finden, als dass dem jedesmaligen
Siliciumgehalte auch ein bestimmter Sättigungsgrad des erstarrenden
Eisens für Gase zukomme, und dass mithin eine Gasentwickelung auch
Ledebur, Handbuch. 18
[274]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.
beim Erstarren siliciumreichen Eisens eintreten müsse, wenn die vom
flüssigen Metalle gelöste Gasmenge jenen Sättigungsgrad überschritten
habe.


Eine Beantwortung dieser Frage ist nur durch gewichtsanalytische
Untersuchungen der verschiedenen Eisensorten auf ihren Wasserstoff-,
Stickstoff- u. s. w. Gehalt zu erreichen, obgleich solche Untersuchungen
bei den ausserordentlich geringen Gewichtsmengen, in welchen die Gase
im Eisen auftreten, und den mancherlei Fehlerquellen, welche hierbei
zu berücksichtigen sind, nicht ohne Schwierigkeit durchführbar sind und
ganz besonderer Umsicht bedürfen, wenn ihre Ergebnisse nicht zu Trug-
schlüssen führen sollen.


Einem Stickstoffgehalte des Eisens, den man in oft recht
ansehnlichen Mengen zu finden glaubte 1), schrieb man in früherer Zeit
ganz besondere Einwirkungen auf die Eigenschaften des Eisens zu.
Spätere Untersuchungen von Rammelsberg2), sowie neuerdings von
Allen3) haben jedoch zweifellos dargethan, dass die Gewichtsmenge des
im technisch dargestellten Eisen vorkommenden Stickstoffs nur eine
geringe sein kann und dass eine merkbare Einwirkung desselben auf
die Eigenschaften des Eisens nicht zu erwarten ist.


Allen fand bei Untersuchung verschiedener Eisensorten folgende
Stickstoffgehalte derselben:


  • Dünner Eisendraht   0.0123 Proc.
  • Eisen zu Panzerplatten   0.0131 „
  • Siemens-Martinstahl mit 0.22 Proc. Kohle   0.0107 „
  • Gussstahl mit 1.30 Proc. Kohle   0.0172 „
  • Spiegeleisen mit 3.80 Proc. Kohle und 20 Proc. Mangan 0.0041 „

Da 1 l Stickstoff bei 760 mm Barometerstand und Null Grad Temperatur
1.2544 g wiegt, so würden jenen Untersuchungen zufolge in 1 kg Eisen
32—137 cbm Stickstoffgas gelöst gewesen sein; oder, sofern man das
spec. Gewicht des Eisens durchschnittlich zu 7.8 annimmt, würde das-
selbe im höchsten Falle die seinem eigenen Volumen gleiche Menge
Stickstoff beim Erstarren in Lösung zu behalten, beziehentlich bei
späteren Processen (Glühen u. s. w.) aufzunehmen im Stande sein.


Dass übrigens unter gewissen Verhältnissen das Eisen grössere
Mengen Stickstoff absorbiren könne, unterliegt nach den darüber an-
gestellten Versuchen kaum einem Zweifel. Beim Glühen metallischen
Eisens in Ammoniakgas nimmt dasselbe, wie früher Savart und
Desprez4) fanden und später Buff5) bestätigte, an Gewicht bis zu
11 Proc. zu, während das specifische Gewicht sich verringert und das
Eisen spröde wird. In allen diesen Fällen wurde Stickstoff im Eisen
gefunden, während nach Frémy’s Untersuchungen Wasserstoff nicht
mit gelöst wird. 6)


[275]Eisen und Gase (Wasserstoff, Kohlenoxyd, Stickstoff).

Beim Glühen des Eisens im reinen und trocknen Stickstoffgas
dagegen wird, soweit meine eigenen Beobachtungen reichen, kein Stick-
stoff aufgenommen.


Wasserstoff wurde von mir durch gewichtsanalytische Bestim-
mung im festen Eisen in folgenden Gewichtsmengen gefunden: 1)


  • In Ferromangan mit 70 Proc. Mangan   0.0028 Proc.
  • „ Siliciumeisen mit 11.29 Proc. Silicium, 2.08 Proc.
    Mangan, 1.59 Proc. Kohle   0.0028 „
  • „ Martineisen (gegossen) mit 0.10 Proc. Kohle,
    0.14 Proc. Silicium und ohne Mangan   0.0017 „

Da 1 l Wasserstoff bei 760 mm Barometerstand und Null Grad Tempe-
ratur 0.0896 g wiegt, so würde bei einem durchschnittlichen specifischen
Gewichte des Eisens gleich 7.8 das Ferromangan wie das Siliciumeisen
ungefähr die 2½ fache Menge seines eigenen Volumens Wasserstoff,
das an Mangan, Silicium und Kohlenstoff arme Martineisen dagegen
nur die 1½ fache Menge seines Volumens Wasserstoff zurückzuhalten
fähig sein.


Sauerstoff in Legirung mit dem Eisen findet sich in ver-
schiedenen Eisensorten, welche im flüssigen Zustande der Einwirkung
freien Sauerstoffs ausgesetzt waren. Es ist wahrscheinlich, wenn auch
nicht mit voller Sicherheit erwiesen, dass dieser Sauerstoffgehalt mit
einer äquivalenten Menge Eisen zu Eisenoxydul chemisch vereinigt sei,
welches im Eisenbade gelöst ist, wie sich u. a. auch Kupferoxydul im
Kupfer löst. Die Anwesenheit einer höheren im Eisen gelösten Oxy-
dationsstufe des Eisens — manche Metallurgen nehmen gelöstes Eisen-
oxyduloxyd an — ist in Rücksicht auf den grossen Ueberschuss metal-
lischen Eisens sehr unwahrscheinlich, welches im flüssigen Zustande
reducirend auf sauerstoffreichere Verbindungen einwirken würde.


Nicht zu verwechseln ist dieser gelöste oder legirte Sauerstoffgehalt
mit demjenigen, welcher im Schweisseisen als ein Bestandtheil mecha-
nisch eingemengter Schlacke (S. 6) sich findet. Diese Schlacke, aus
Eisensilikaten oder unter Umständen auch aus reinem Eisenoxyduloxyd
bestehend, ist dem Schweisseisen um so reichlicher beigemengt, je mehr
Gelegenheit zu der Aufnahme derselben bei der Herstellung des Eisens
gegeben war und je weniger es später auf mechanischem Wege „raffinirt“
d. h. durch Ausquetschen, Walzen oder Hämmern im weissglühenden
Zustande von der Schlacke befreit worden war; und der an Eisen
gebundene Sauerstoffgehalt derselben geht oft sehr beträchtlich über
diejenige Grenze hinaus, welche als das höchste Maass des im Eisen
überhaupt löslichen Sauerstoffs betrachtet werden kann. 2)


Dieser grösste Gehalt des im Eisen löslichen Sauerstoffs beträgt,
soweit meine eigenen Untersuchungen einen Schluss hierüber zulassen,
etwa 0.25 Proc. oder wenig darüber. 3) In drei Proben sogenannten
überblasenen Bessemereisens vom basischen Process aus Hörde, welche
vor Spiegeleisenzusatz der Bessemerbirne entnommen wurden, fand ich:
18*
[276]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.

Ein Stück geschmolzenen Schweisseisens von der Sohle eines
Schweissofens, welches nach dem Kaltlegen des Ofens ausgebrochen
war, enthielt 0.177 Proc. Sauerstoff neben 0.052 Proc. Kohlenstoff.


In allen diesen Fällen war dem Eisen ausreichende Gelegenheit
gegeben, so viel Sauerstoff aufzunehmen, als seinem Sättigungsvermögen
für Sauerstoff irgend entsprach. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass
der Sauerstoffgehalt der in dem untersuchten Schweisseisen anwesenden
Schlacke ursprünglich noch beträchtlicher war 1); beim Schmelzen des
Eisens aber löste sich in demselben eine solche Menge Eisenoxydul
(Sauerstoff) aus der Schlacke auf, als seinem Sättigungsgrade entsprach,
und die übrige Schlacke wurde von der sich stets bildenden Schweiss-
ofenschlacke aufgenommen.


Es ist leicht erklärlich, dass ein Eisen so lange nicht sauerstoff-
haltig sein kann, als es Bestandtheile in grösserer Menge enthält, welche
leichter als das Eisen selbst oxydirbar und deren Oxyde im Eisen
unlöslich sind. Hierher gehören Kohlenstoff, Silicium, Mangan. Kleinere
Mengen dieser Körper, insbesondere des Kohlenstoffs, können allerdings,
wie die oben mitgetheilten Analysen nachweisen, auch neben Sauerstoff
bestehen; denn je geringer ihre Menge, oder, was dasselbe ist, je stärker
ihre Verdünnung im Eisenbade ist, desto unvollkommener können sie
auf den vorhandenen Sauerstoff einwirken. Daher ist auch der Sätti-
gungsgrad des Eisens für Sauerstoff von dessem Gehalte an solchen
oxydirbaren Körpern abhängig; und wenn die letzteren, insbesondere
das Mangan und Silicium, in der Praxis benutzt werden, um durch
Zusatz zu sauerstoffhaltigem Eisen diesem den Sauerstoffgehalt zu ent-
ziehen, so ist eine ganz vollständige Austreibung des letzteren doch
nur durch einen Ueberschuss des Zusatzes zu erreichen. Flusseisen mit
0.1—0.2 Proc. Kohle und ebensoviel Mangan kann immerhin noch
einige Hundertstel Procent Sauerstoff enthalten. 2)


Wird Kohlenstoff zur Entfernung gelösten Sauerstoffs aus geschmolze-
nem Eisen benutzt, so entsteht natürlich Kohlenoxyd, welches bei
seinem Entweichen ein Aufwallen des Eisens hervorruft, ein Vorgang,
welcher bei verschiedenen Processen der Eisendarstellung sich beobach-
ten lässt.


Ein Sauerstoffgehalt von mehr als 0.1 Proc. beeinträchtigt die
Schmiedbarkeit des Eisens in Rothgluth, wirkt also ganz ähnlich wie
Schwefel und wird deshalb regelmässig in der schon angedeuteten Weise
— durch Zusatz von Mangan, Silicium u. s. w. — entfernt. Sauerstoff
[277]Das Rosten des Eisens.
in Mengen von weniger als 0.1 Proc. dagegen findet sich in übrigens
reinen Flusseisensorten nicht selten, ohne, wie es scheint, merklich
nachtheilige Einflüsse zu üben. 1)


17. Die Oxydation des Eisens und seiner Begleiter.


Das Rosten und die Einwirkung von Flüssigkeiten auf das Eisen.

Unter Rost im weiteren Sinne pflegt man jedes unter Einwirkung
irgend einer Flüssigkeit auf das Eisen entstandene basische, in Wasser
unlösliche Eisensalz zu verstehen; im engeren Sinne dagegen bezeichnet
man jenes braune, unter Einwirkung der Atmosphärilien entstandene
Gebilde des Eisens damit, welches, anfänglich nur auf der Oberfläche
bemerkbar, tiefer und tiefer eindringt, bis schliesslich ein ganzes Eisen-
stück in Rost umgewandelt ist.


Dieses leichte Rosten des Eisens setzt der Verwendung desselben
für viele Zwecke nicht geringe Schwierigkeiten entgegen, und Plinius
bezeichnet in poetischer Weise den Rost als den Fluch, der auf dem
Eisen laste als Vergeltung für die mancherlei Uebelthaten, zu denen
es sich in Händen der Räuber und Mörder gebrauchen lasse.


Der Rost besteht, wie bekannt ist, im Wesentlichen aus Eisenoxyd-
hydrat, und hieraus folgt schon, dass er in vollständig trockner Luft
nicht entstehen kann; er enthält aber auch kleine Mengen von Kohlen-
säure und wenigstens Spuren von Ammoniak. Calvert fand in dem
Roste der Röhrenbrücke über den Conway 0.900 Proc. kohlensaures
Eisen (Fe C O3), in einem andern 0.617 Proc.


Es lässt sich hieraus folgern, dass die Kohlensäure ebenfalls eine
gewisse Rolle bei der Rostbildung zu spielen habe. Deutlicher noch
zeigt sich dieser Einfluss derselben, wenn man von zwei Eisenstücken
das eine der Einwirkung gewöhnlichen, also kohlensäurehaltigen Wassers,
das andere der Einwirkung kohlensäurefreien Wassers aussetzt; das
erstere wird rasch sich mit Rost überziehen, das letztere lange Zeit
hindurch geschützt bleiben, sofern nicht auch die äussere, stets kohlen-
säurehaltige Luft Zutritt hatte. Es beruht hierauf der Zusatz von etwas
gebranntem Kalk oder einer geringen Menge Alkalien zu Wasser, in
welchem Eisengegenstände einige Zeit aufbewahrt werden sollen.


Ist Kohlensäure im Ueberschusse zugegen, der Zutritt freien Sauer-
stoffs dagegen abgehalten, so entsteht lösliches Carbonat; sobald aber
die Luft zu der Lösung tritt, wird jenes zersetzt und unlösliches Eisen-
oxydhydrat gebildet, ein Vorgang, der für manche Erzablagerungen die
Veranlassung bildete.


[278]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.

Bei der gemeinschaftlichen Einwirkung der Kohlensäure und des
Wassers auf das Eisen wird durch Zerlegung des Wassers Wasserstoff
gebildet, welcher sich mit dem Stickstoff der Luft zu Ammoniak ver-
bindet. Schon 1683 wies Claude Bourdelin nach, dass bei der Ein-
wirkung lufthaltigen Wassers auf Eisen Ammoniak entstände. 1)


Es ist also das Zusammenwirken dreier Körper, des Wassers, des
freien Sauerstoffs und der Kohlensäure erforderlich, um Rostbildung zu
veranlassen; da aber alle drei in der atmosphärischen Luft regelmässig
neben einander vorkommen, so ist jedem Eisen, welches nicht durch
besondere Schutzmittel ihrer Einwirkung entzogen ist, ausreichende
Gelegenheit zum Rosten gegeben. Fehlt einer der drei genannten Rost-
bildner, so vermögen auch die übrigen beiden nicht mehr einzuwirken.
Calvert zeigte, dass auch im feuchten Sauerstoffgase, sofern es frei ist
von irgend einer andern Säure, die Neigung des Eisens zum Rosten
ganz unbedeutend ist.


Wohl aber kann die Kohlensäure durch andere Säuren, ja auch
durch Lösungen gewisser Salze (Chloride des Magnesiums und der
Alkalien u. a.) ersetzt werden; und der Vorgang bei der Einwirkung
solcher säure- oder salzhaltigen Flüssigkeiten bei Luftzutritt auf das
Eisen ist demnach ein dem gewöhnlichen Rosten ganz ähnlicher. Selbst
Fette vermögen nur so lange einen Schutz des Eisens gegen das Rosten
zu bilden, als sie nicht selbst durch äussere Einwirkungen theilweise
in Fettsäuren umgewandelt worden sind. 2)


Die Widerstandsfähigkeit verschiedener Eisensorten gegenüber der
Rostbildung wie der Einwirkung von Säuren überhaupt ist, wie die
Erfahrung lehrt, ziemlich abweichend. Theils spricht die chemische
Zusammensetzung des Eisens hierbei mit; theils auch die Structur und
äussere Beschaffenheit desselben. Einzelne mit dem Eisen legirte Körper
erschweren das Rosten, andere befördern es. Auch mechanisch ein-
gemengte Körperchen, z. B. Schlacke, können, indem sie galvanische
Ströme mit dem Eisen erzeugen, das Rosten befördern; eine eben solche
Wirkung entsteht, wenn infolge einer Saigerung des erstarrenden Eisens
sich abweichend zusammengesetzte Verbindungen neben einander ab-
lagern. Auf solche Entstehung galvanischer Ströme hat man wohl nicht
mit Unrecht theils das oft abweichende Verhalten scheinbar gleicher Eisen-
sorten, theils die Thatsache zurückgeführt, dass doch auch an einzelnen
Stellen solchen Eisens, welches in kohlensäure- und luftfreiem Wasser
aufbewahrt wurde, im Laufe der Zeit mitunter Rostbildung sich zeigt.


Unter den verschiedenen Begleitern des Eisens wirken Silicium
und gebundene Kohle entschieden günstig auf Verhinderung der Rost-
bildung und die Widerstandsfähigkeit gegen chemische Einflüsse über-
haupt. Siliciumreiche Eisensorten sind auch durch starke Säuren oft
nicht in Auflösung zu bringen.


Aehnlich wie diese, aber weniger deutlich, scheint Phosphor zu
wirken.


Ein Graphitgehalt des Eisens wird, indem er durch mechanische
Einlagerung das Gefüge des Eisens auflockert und den Angriff der
[279]Das Rosten des Eisens.
chemisch thätigen Stoffe erleichtert, sowie in Rücksicht darauf, dass bei
der Graphitbildung der Gehalt des Eisens an schützend wirkender
gebundener Kohle sich verringert, an und für sich das Rosten befördern;
da aber der Graphitgehalt nicht ohne einen gleichzeitigen Siliciumgehalt
denkbar ist und dieser allen Beobachtungen zufolge noch kräftiger
schützend als die von ihm verdrängte gebundene Kohle wirkt, so erklärt
es sich, dass graphitreiche Eisensorten nicht selten dem Angriffe des
Rostes wie der Säuren merklich besser widerstehen als graphitarme.


Mangan im schmiedbaren, also kohlenstoffarmen Eisen befördert
allen Beobachtungen zufolge die Rostbildung; im Roheisen dagegen übt
dasselbe, wenn auch vielleicht nur mittelbar, die entgegengesetzte
Wirkung, indem es die Aufnahme grösserer Mengen gebundenen Kohlen-
stoffs erleichtert.


Schwefel dürfte in allen Fällen nachtheilig wirken; es ist eine
Beobachtung der Praxis, dass schwefelhaltiges Eisen schon unter Ein-
wirkung fliessenden Wassers im Laufe der Zeit einen Theil seines
Schwefels verliert. Dieser Vorgang aber ist nur durch Wasserzersetzung
möglich, wobei Eisen oxydirt wird.


Versuche, bei welchen verschiedene Eisensorten in ganz gleich
grossen Würfeln und unter ganz gleichen Verhältnissen der Einwirkung
sehr verdünnter Schwefelsäure 65 Stunden hindurch ausgesetzt wurden 1),
ergaben folgende Gewichtsverminderung des Eisens in Procenten des
ursprünglichen Gewichts:


  • Spiegeleisen (mit ca. 10 Proc. Mangan, 4.5 Proc. gebundenem
    Kohlenstoff)   14.15 Proc.
  • Weisses kohlenstoffarmes Roheisen mit ca. 3 Proc. gebunde-
    nem Kohlenstoff, 0.7 Proc. Phosphor, übrigens rein   19.7 „
  • Dunkelgraues Koksroheisen mit ca. 2.5 Proc. Silicium, 1.5 Proc.
    Mangan, 3.5 Proc. Graphit, Spuren geb. Kohle, 0.8 Proc.
    Phosphor   27.6 „
  • Graues Holzkohlenroheisen mit ca. 1.8 Proc. Silicium, 1 Proc.
    Mangan, 3 Proc. Graphit, 0.5 Proc. geb. Kohle, 0.6 Proc.
    Phosphor   37.7 „
  • Englischer Werkzeugstahl mit ca. 1 Proc. Kohle, übrigens rein 66.5 „
  • Weiches Schmiedeeisen mit ca. 0.1 Proc. Kohle   88.6 „

Die Ziffern beweisen das oben Gesagte über den Einfluss der ver-
schiedenen Begleiter des Eisens. Trotz seines hohen Mangangehaltes
ist das Spiegeleisen chemischen Einwirkungen in verhältnissmässig sehr
geringem Maasse unterworfen.


Wichtig sind die Versuche, welche mit verschiedenen Sorten
schmiedbaren kohlenstoffarmen, zu Blechen verarbeiteten Eisens, durch
W. Parker auf Veranlassung der englischen Gesellschaft Lloyds an-
gestellt wurden. 2) Diese Bleche wurden theils 437 Tage im Hafen zu
Brighton im Meerwasser versenkt gehalten, theils 240 Tage unter dem
Boden des Maschinenraumes eines Oceandampfers der Einwirkung der
dort vorhandenen feuchten Luft unterworfen, theils 455 Tage lang auf
einem Dache der Londoner City den Einflüssen der Atmosphärilien
preisgegeben. Drei fernere Reihen derselben Bleche wurden zwischen
[280]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.
den Röhren des Wasserraumes von Marinedampfkesseln so aufgehängt,
dass sie mindestens 30 cm unter der Wasserlinie blieben; und zwar
befanden sich die Bleche einer dieser Reihen solcherart 361 Tage im
Kessel eines Ostindienfahrers, in welchen zum Erschweren des Rostens
Zink eingelegt wurde und welcher nur selten entleert wurde; die Bleche
einer zweiten Reihe hingen in gleicher Weise 264 Tage hindurch im
Kessel eines Chinadampfers, der, ohne Benutzung von Zink, an jeder
Endstation abgeblasen und frisch mit Meerwasser gefüllt wurde; die
letzte Reihe Bleche endlich reiste 336 Tage hindurch im Kessel eines
Küstendampfers, welcher sein Speisewasser aus einem Theile des Flusses
Tyne erhielt, welcher durch die Abflusswässer einer grossen chemischen
Fabrik stark verunreinigt und angesäuert war. Die Kessel wurden in
jeder zehnten Woche abgeblasen und blieben stets vier Tage während
fünf unter Dampf.


Die spätere Untersuchung der Bleche ergab folgende Durchschnitts-
ziffern für den Verlust durch Rost:

Das Flusseisen ist hier in fast allen Fällen das am stärksten an-
gegriffene, ein Umstand, der sich auf seinen geringeren Phosphor- und
höheren Mangangehalt zurückführen lässt.


Dass eine Berührung des Eisens durch Zink, welches hierbei zum
elektropositiven Pole wird und bei der Wasserzersetzung sich mit dem
Sauerstoffgehalte des Wassers vereinigt, das Eisen vor dem Rosten zu
schützen vermag, ist bekannt, und man macht nicht selten hiervon
Anwendung. Die Rostverluste der Bleche im Dampfkessel des Ostindien-
fahrers, bei welchen, wie erwähnt, Zink eingelegt worden war, sind
deshalb auch trotz der längeren Zeitdauer der Einwirkung geringer
als in den übrigen Kesseln. Umgekehrt wird die Neigung des Eisens
zum Rosten verstärkt werden, wenn es mit Metallen in Berührung sich
befindet, welche, wie Kupfer, Zinn, Blei, hierbei negativ elektrisch
werden. Während daher ein mit Zink überzogenes Eisenstück auch
dann noch dem Rosten verhältnissmässig wenig unterworfen ist, wenn
an einzelnen Stellen Beschädigungen des Ueberzuges eingetreten sein
sollten, schützt ein Zinnüberzug (wie er z. B. für Weissbleche ange-
[281]Die Oxydation des Eisens und seiner Begleiter.
wendet wird) nur so lange, als er vollständig dicht ist; bei eintretender
Beschädigung desselben aber tritt verstärktes Rosten ein.


Die Oxydation in höherer Temperatur.

a. Im ungeschmolzenen Zustande des Eisens.

In gewöhnlicher Temperatur übt, wie schon erwähnt wurde, voll-
ständig trockner Sauerstoff keinen Einfluss auf das Eisen aus. Eine
Einwirkung wird erst bemerkbar, wenn die Temperatur auf etwa
200°C. oder etwas darüber steigt. Das Eisen, sofern es vorher an der
Oberfläche metallisch rein war, überzieht sich mit einer hellgelben
sogenannten Anlauffarbe, hervorgegangen aus der Entstehung eines
sehr schwachen Häutchens oxydirten Eisens. Bei weiterer Steigerung
der Temperatur wird die Anlauffarbe dunkler und durchläuft allmählich
folgende Stufenreihe:


  • bei 220—230°C. hellgelb,
  • „ 240°C. dunkelgelb,
  • „ 255 „ gelbbraun,
  • „ 265 „ braunroth,
  • „ 275 „ purpurroth,
  • „ 285 „ violet,
  • „ 295 „ kornblumenblau,
  • „ 315 „ hellblau,
  • „ 330 „ grau.

Man benutzt in der Praxis diese Anlauffarben, um beim „Anlassen“
gehärteten Stahles, d. h. beim Erwärmen desselben zu dem Zwecke,
ihm einen Theil seiner übermässigen Härte und Sprödigkeit zu nehmen,
die einem bestimmten Härtegrade entsprechende Temperatur des Stahles
zu erkennen.


Bei fernerer Steigerung der Temperatur bis zum Glühen unter
Luftzutritt bildet sich an der Oberfläche des Eisens eine dicke Lage
oxydirten Eisens, sogenannter Hammerschlag, seiner Zusammen-
setzung nach aus Eisenoxyduloxyd mit verschiedenem Sauerstoffgehalte
bestehend. Zugleich beginnt aber, sofern das Glühen einige Zeit fort-
gesetzt wird, eine chemische Einwirkung des Sauerstoffs auch auf die
Begleiter des Eisens sich bemerkbar zu machen. Gebundene Kohle
wird zu Kohlenoxyd oxydirt und entweicht, das Eisen wird kohlen-
stoffärmer; und zwar erstreckt sich diese Einwirkung nicht allein auf
die Oberfläche eines Eisenstückes, sondern bei ausreichend langer Zeit-
dauer der Einwirkung wandert auch der im Innern befindliche Kohlen-
stoff nach aussen, um hier verbrannt zu werden, ebenso, wie bei dem
Glühen kohlenstoffarmen Eisens mit Kohle eine Wanderung von aussen
nach innen stattfindet (S. 232).


Graphitischer Kohlenstoff wird hierbei nicht oder nur in unbedeu-
tender Weise oxydirt.


Mangan und Silicium werden, da sie in dieser Temperatur noch
leichter oxydirbar sind, als Eisen, höchstwahrscheinlich ebenfalls oxydirt;
aber ihre Verbrennungsgebilde bleiben, da sie nicht flüchtig sind, in
dem Eisen zurück, so lange dieses nicht etwa zum Schmelzen erhitzt
wird. Die Verbrennung der Kohle wird durch einen Mangan-
gehalt des Eisens erheblich erschwert
.


[282]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.

Schwefel wird in merklicher Weise verflüchtigt.


Derselbe Vorgang, d. h. die Verbrennung gebundenen Kohlenstoffs
beim Glühen, findet statt, wenn an Stelle freien Sauerstoffs Oxyde,
welche in der betreffenden Temperatur Sauerstoff abgeben, mit dem
Eisen in Berührung sind. Hierher gehören Eisenoxyd (welches sich
dabei in Oxyduloxyd umwandelt), Zinkoxyd u. a. m. Man macht in
der Praxis von diesem Verhalten des gebundenen Kohlenstoffs Anwen-
dung, um weisses Roheisen durch Glühen in schmiedbares Eisen um-
zuwandeln (Glühfrischen; siehe Abtheilung III).


Findet eine längere Zeit hindurch fortgesetzte Einwirkung oxydi-
render Gase auf das Eisen statt, auch nachdem der gebundene Kohlen-
stoff verbrannt worden ist, so wird das Eisen selbst weiter und weiter
oxydirt, das anfänglich entstehende Eisenoxyduloxyd wandelt sich in
Eisenoxyd um, das Eisenstück schwillt auf und kann schliesslich voll-
ständig oxydirt werden. Graphit aber wird auch hierbei in nur unvoll-
kommener Weise verbrannt. Deutlich lässt sich dieser Vorgang an
Eisentheilen erkennen, welche als ein Bestandtheil von Feuerungen
Monate oder Jahre hindurch der Einwirkung einer Stichflamme, also
eines Gemisches von Kohlensäure, Wasserdampf und freiem Sauerstoff
neben Stickstoff und kleineren Mengen unverbrannter Gase ausgesetzt
gewesen sind und sich dabei in sogenanntes Brandeisen umgewandelt
haben. Eine von mir untersuchte Platte eines gusseisernen Stubenofens,
welche jahrelang oberhalb der Feuerung gelegen und dabei vollständig
— auch auf der Bruchfläche — die rothe Farbe des Eisenoxydes ange-
nommen hatte, zeigte folgende Zusammensetzung:


  • Eisen   68.386
  • Mangan   0.023
  • Kupfer, Kobalt, Nickel   0.125
  • Silicium   1.240
  • Schwefel   0.079
  • Phosphor   0.269
  • Arsen   0.056
  • Graphit   0.960
  • Sauerstoff  28.899
  • 100.037.

b. Oxydation im flüssigen Zustande des Eisens.

Wirken freier Sauerstoff oder oxydirende Gase, beziehentlich auch
geschmolzene sauerstoffabgebende Körper, auf Eisen im flüssigen Zu-
stande ein, so werden neben einem Theile des Eisens selbst die fremden
Begleiter desselben in der Reihenfolge oxydirt, welche durch die ver-
schiedene Verwandtschaft derselben zum Sauerstoff gegeben ist, und
theils durch Vergasung (Kohlenstoff), theils durch Verschlackung (Mangan,
Eisen, Silicium, Phosphor) entfernt. Wurde Roheisen einer derartigen
Einwirkung unterworfen, so verwandelt es sich infolge des Austretens
seiner Begleiter in schmiedbares Eisen um. Dieser Vorgang, welcher
die Grundlage für die Darstellung des grössten Theils alles schmiedbaren
Eisens bildet, heisst Frischen oder Frischprocess.


Jene Reihenfolge der Oxydation der verschiedenen Körper aber ist
[283]Die Oxydation des Eisens und seiner Begleiter.
nicht immer die nämliche, sondern von verschiedenen Umständen ab-
hängig.


Hierher gehört zunächst die Temperatur des geschmolzenen Eisens.
Hohe Temperatur steigert zwar im Allgemeinen die Verwandtschaft der
betreffenden Körper zum Sauerstoff; aber bei dem einen Körper im
stärkeren Maasse als bei einem andern. Wie schon früher mehrfach
erwähnt wurde, zeigt besonders der Kohlenstoff eine sehr kräftige
Steigerung seiner Verwandtschaft zum Sauerstoff in hoher Temperatur
und wird eben durch diese Eigenschaft befähigt, als Reductionsmittel
für die Oxyde anderer Körper (Mangan, Silicium, Alkalien u. a.) zu
dienen, deren Verwandtschaft nicht in dem gleichen Maasse bei der
Erhitzung zunimmt. Aus demselben Grunde aber wird bei der Oxy-
dation eines Eisens, welches Kohlenstoff, Silicium, Mangan u. s. w. ent-
hält, die Verbrennung sich um so stärker auf den Kohlenstoffgehalt
werfen und die übrigen Körper werden, so lange noch unverbrannter
Kohlenstoff zugegen ist, um so mehr vor Verbrennung geschützt bleiben,
je höher die Temperatur des Eisens ist. Hieraus erklärt es sich, dass
in einer Temperatur, welche die Schmelztemperatur des gewöhnlichen
Roheisens nicht erheblich übersteigt, mitunter fast der gesammte Silicium-
und Mangangehalt des Eisens oxydirt werden kann, ehe überhaupt die
Verbrennung des Kohlenstoffs beginnt, während in höherer Temperatur
(Schmelztemperatur des schmiedbaren Eisens) der Rest des Siliciums
und Mangans oft erst verbrannt werden kann, nachdem der Kohlen-
stoff annähernd vollständig entfernt worden ist.


Ausserdem ist die Gegenwart anderer Körper auf den Verlauf der
Verbrennung von Einfluss, wie schon auf S. 14 erwähnt wurde. Durch
Anwesenheit einer kieselsäurereichen Schlacke wird das Oxydations-
bestreben solcher Bestandtheile des Eisens verstärkt, welche mit dem
Sauerstoff basische Verbindungen bilden (Mangan, Eisen); die Verbren-
nung der Metalloide dagegen wird durch die Gegenwart basischer Körper
befördert, mit denen sich ihre Oxydationserzeugnisse zu Silikaten, Phos-
phaten u. s. w. vereinigen können.


Aus diesem Grunde wird Phosphor bei Anwesenheit einer kiesel-
säurereichen Schlacke aus dem Eisen überhaupt nicht ausgeschieden;
bei Anwesenheit basischer Schlacken erfolgt die Ausscheidung in niedriger
Temperatur gleichzeitig mit der des Siliciums schon vor der Verbren-
nung des Kohlenstoffs; in sehr hoher Temperatur aber ist sie wegen
des geschilderten Verhaltens des Kohlenstoffs erst möglich, nachdem
dieser annähernd vollständig verbrannt ist, ja durch den Kohlenstoff
des Eisens wird sogar aus einer phosphorsäurehaltigen Schlacke Phosphor
reducirt und an das Eisen zurückgeführt, sofern die Temperatur hoch
ist. Die verschiedenen Methoden zur Abscheidung des Phosphors beim
Verfrischen des Roheisens beruhen auf diesem Verhalten desselben. Man
scheidet ihn durch Oxydation bei Anwesenheit basischer Körper (Eisen-
oxydul, Manganoxydul, Kalkerde) entweder vor dem Kohlenstoff
in niedriger Temperatur
ab, oxydirt aber hierbei zugleich unver-
meidlich den ganzen Siliciumgehalt des Eisens; oder man entfernt ihn
in hoher Temperatur nach dem Kohlenstoff (basischer Besse-
merprocess oder Thomasprocess), wobei Silicium, Mangan u. s. w. schon
vor dem Phosphor neben dem Kohlenstoff abgeschieden werden.


[284]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.

Auch die Verbrennung des Kohlenstoffs wird durch Gegenwart
kieselsäurereicher Schlacken verzögert, indem diese die Verwandtschaft
des Eisens und Mangans zum Sauerstoff steigern.


Das Maass der Verdünnung, in welcher sich die einzelnen Be-
gleiter des Eisens im Eisenbade befinden, ist ebenfalls von Einfluss
auf den Verlauf ihrer Oxydation. Je stärker ihre Verdünnung oder,
mit anderen Worten, je geringer ihr Procentgehalt im Eisen ist, desto
schwieriger werden sie von den oxydirenden Einflüssen erreicht werden,
desto langsamer wird ihre Ausscheidung verlaufen. In allem aus dem
Roheisen technisch dargestellten schmiedbaren Eisen finden sich daher
noch kleine Mengen von Kohlenstoff; und ihre Oxydation würde nur
möglich sein, wenn man gleichzeitig eine sehr grosse Menge des Eisens
ebenfalls oxydiren wollte. Es erklärt sich ferner hieraus, dass bei allen
Frischprocessen schon beim Beginn der Oxydation auch ein Theil des
in reichlicher Menge vorhandenen Eisengehaltes oxydirt wird; aber
sofern noch andere leichter oxydirbare Körper zugegen sind, hört diese
Eisenoxydation auf, sobald ein gewisser Basen-, beziehentlich Eisen-
gehalt der entstehenden Schlacke erreicht ist, dessen Maass wiederum
von der Temperatur und den Einflüssen derselben auf die Oxydirbar-
keit jener anderen Körper, insbesondere des Kohlenstoffs, Siliciums und
Mangans, abhängt. Je höher diese Temperatur ist, desto früher wird
diese Grenze erreicht werden, d. h. desto eisenärmer wird die entstehende
Schlacke sein, so lange noch gewisse Mengen jener anderen Körper
im unoxydirten Zustande zugegen sind.


Endlich beeinflusst auch die Art und Weise der Einwirkung der
oxydirenden Körper auf das geschmolzene Eisen die Reihenfolge wie
die Zeitdauer der Oxydation. Bietet z. B. das Eisen nur seine Ober-
fläche der Einwirkung oxydirender Gase u. s. w. dar, so wird zweifellos
der Process sehr verlangsamt werden; an der Oberfläche wird zwar
Kohlenstoff verbrennen und eine eisenreiche Schlacke entstehen; aber
in den unteren Schichten des Eisenbades wird sehr langsam eine Ein-
wirkung erkennbar werden. Die Oxydation wird beschleunigt, wenn
man entweder das geschmolzene Eisen in Tropfenform vertheilt und
solcherart seine Oberfläche vergrössert (Herdfrischprocess); oder wenn
man durch stetige Bewegung desselben seine Oberfläche ununterbrochen
erneuert und solcherart die durch Oxydation zu entfernenden Begleiter
des Eisens in ausgedehntere Berührung mit dem ursprünglichen Oxy-
dationsmittel oder mit dem unter Einwirkung desselben entstandenen
Eisenoxyd bringt (Puddelprocess); oder noch mehr, wenn man das
Oxydationsmittel in Gasform (atmosphärische Luft) in reichlicher Ver-
theilung durch das Eisenbad hindurchleitet (Bessemerprocess).


Körper, welche aus ihren Oxyden erheblich leichter reducirbar
sind als das Eisen, lassen sich aus der Legirung mit demselben auch
nicht durch Oxydation abscheiden, ohne dass zuvor die grösste Menge
des Eisens oxydirt wird. Hierher gehören Kupfer, Kobalt, Nickel.
Sie begleiten deshalb das Eisen, sofern sie einmal von demselben auf-
genommen sind, durch alle Verarbeitungsstadien hindurch; und da bei
Oxydationsprocessen infolge der stattfindenden Abscheidung anderer
Stoffe die Gesammtmenge des Metalls, in dem sie gelöst sind, sich ver-
[285]Literatur.
ringert, so pflegt ihr Procentgehalt in dem Metalle sich bei jedem neuen
Oxydationsprocesse, dem das Eisen unterworfen wird, zu erhöhen.


Schwefel wird, soweit die darüber angestellten Beobachtungen
Schlüsse zulassen, bei ausreichend langer Zeitdauer des Oxydations-
processes zum Theil zu schwefliger Säure verbrannt und als solche
verflüchtigt; bei der sehr starken Verdünnung, in welcher der Schwefel
im Eisenbade vorzukommen pflegt, ist der Erfolg jedoch nur gering.
Bei Anwesenheit basischer, insbesondere manganhaltiger Schlacken pflegt
ein anderer Theil des Schwefelgehaltes von diesen im nicht oxydirten
Zustande (als Sulfid) aufgenommen zu werden, jedenfalls infolge der
stärkeren Löslichkeit des Sulfids in der Schlacke als im Eisen; ein
letzter und mitunter nicht unbeträchtlicher Theil des Schwefels aber
pflegt bei dem Eisen zurückzubleiben.


Literatur.


A. Grössere Werke.


  • Percy-Wedding, Handbuch der Eisenhüttenkunde, Abtheilung 1, S. 1—266
    (enthält ausführliche Mittheilungen über die bis zum Jahre 1864, grossentheils
    in Percy’s Laboratorium, angestellten Versuche und wichtigeren älteren
    Theorieen über das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens).
  • J. Lowthian Bell, Ueber die Entwickelung und Verwendung der Wärme
    in Eisenhochöfen verschiedener Dimensionen
    . Frei übersetzt von
    P. Tunner, Leipzig 1870. (Enthält Mittheilungen über zahlreiche Versuche,
    die Reduction etc. der Eisenerze betreffend.)
  • C. Schinz, Documente betreffend den Hochofen. Berlin 1868, S. 64. (Re-
    duction der Eisenerze.)

B. Abhandlungen.


  • J. L. Bell, The chemistry of the blast-furnace. Journal of the Chemical
    Society, Juni 1869; daraus in französischer Uebersetzung in der Rev. univer-
    selle, tome 28, p. 87.
  • J. L. Bell, Supplementary remarks on carbon impregnation by disso-
    ciation of carbonic oxide
    . The Journal of the Iron and Steel Institute
    1872, I, p. 43.
  • M. L. Gruner, Mémoire sur le dédoublement de l’oxyde de carbone sous
    l’action combinée du fer métallique et des oxydes de ce métal
    .
    Annales de chimie et de physique, série IV, tome 26, p. 5.
  • M. L. Gruner, Études métallurgiques. Annales des mines, série VII, tome 15,
    p. 108. (Carbone ferrugineux; sulfures de potassium et de silicium sortant de
    Pavant-creuset des hauts-fourneaux; fonte écailleuse; fontes silicieuses; fonte
    avec divers métaux étrangers; etc.)
  • P. Tunner, Zur Beurtheilung des muthmaasslichen Achtelkarburets
    vom Eisen
    . Jahrb. der k. k. Bergakademieen zu Leoben etc. Bd. X (1861),
    S. 477.
  • P. Tunner, Aphorismen aus der Eisenhüttenkunde. Jahrb. der k. k. Berg-
    akademieen zu Leoben etc. Bd. XXII (1874), S. 178.
  • R. Schöffel, Existirt ein Viertelkohleneisen? Jahrb. d. k. k. Bergakademieen
    zu Leoben etc. Bd. XXII (1874), S. 146.
  • Dr. Stammer, Ueber Reduction durch Kohlenoxyd, namentlich des
    Eisens
    . Poggend. Annalen, Bd. 82, S. 136; Dingler’s Polyt. Journ. Bd. 120,
    S. 428.

[286]Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.
  • J. G. Snelus, Ueber den Zustand, in welchem Kohlenstoff und Silicium
    im Eisen enthalten sind
    . Dingler’s Polyt. Journ. Bd. 200, S. 25; aus
    Engineering 1870, S. 194.
  • W. Mrázek, Experimentelle Untersuchungen über Silicium und Man-
    gan im Stahl
    . Jahrb. d. k. k. Bergakademieen zu Leoben etc. Bd. XX, S. 406.
  • R. Richter, Ueber das Vorkommen von krystallisirtem Silicium in
    einem Roheisen
    . Jahrb. der k. k. Bergakademieen zu Leoben etc. Bd. XI
    (1862), S. 289.
  • H. Hahn, Chemische Untersuchung der beim Lösen des Roheisens ent-
    stehenden Producte
    . Liebig’s Annalen, Bd. 129, S. 57.
  • H. Morton, The condition, in which silicon exists in pig-iron. Journ. of
    the Iron and Steel Institute 1874, I, p. 102.
  • M. H. Caron, Études sur l’acier (Einflüsse des Mangans auf den Schwefel- und
    Phosphorgehalt des Eisens). Comptes rendus, tome 56, p. 828; daraus: Journal
    für praktische Chemie Bd. 89, S. 504; Berg- und hüttenm. Ztg. 1863, S. 372;
    Dingler’s Polyt. Journ. Bd. 168, S. 380.
  • H. Wedding, Der Einfluss des Mangans auf die Festigkeit des Eisens.
    Verhandl. d. Ver. zur Beförd. des Gewerbfleisses 1882, S. 509.
  • R. Åkerman, Ueber den Einfluss von Silicium, Schwefel, Phosphor und
    Mangan auf die Qualität des Eisens
    . Aus Iron ins Deutsche übertragen
    von J. v. Ehrenwerth. Ztschr. des berg- und hüttenm. Ver. f. Steiermark
    und Kärnten 1876, S. 71.
  • R. Åkerman, Die Beziehungen von Wolfram und Titan zum Eisen. Ztschr.
    d. berg- und hüttenm. Ver. f. Steiermark und Kärnten 1876, S. 326.
  • Wöhler, Sur la composition des cristaux titaniques, qui se rencontrent
    dans les hauts-fourneaux
    . Compt. rend., tome XXIX, p. 505; Dingl. Polyt.
    Journ., Bd. 115, S. 75.
  • Carl Freese, Ueber die Verbindungen des Eisens mit dem Phosphor.
    Poggend. Annalen, Bd. 132 (1867), S. 225.
  • G. H. Billings, Ueber die Eigenschaften der Verbindungen des Eisens
    mit anderen Metallen
    . Dingler’s Polyt. Journ., Bd. 228, S. 427.
  • M. G. Rolland, Note sur l’acier chrome. Annales des mines, série VII, tome 13,
    p. 152.
  • A. Ledebur, Kohlenstoffausscheidung im Hochofen. Berg- und hüttenm.
    Ztg. 1877, S. 277.
  • A. Ledebur, Ueber Schlacken (Entschweflung des Eisens). Ztschr. d. berg- und
    hüttenm. Ver. f. Steiermark und Kärnten 1881, S. 55.
  • A. Ledebur, Ueber einige Legirungen des Eisens. Jahrbuch für Berg- und
    Hüttenwesen im Königreiche Sachsen für 1879, S. 106.
  • A. Ledebur, Ueber Giessereiroheisen (Oxydation des Mangan-, Silicium- und
    Kohlenstoffgehaltes desselben beim Schmelzen). Jahrb. für Berg- und Hütten-
    wesen im Königreiche Sachsen für 1880, S. 1.
  • A. Ledebur, Beiträge zur Metallurgie des Eisens. Glaser’s Annalen, Bd. X,
    S. 179.
  • A. Ledebur, Sauerstoffbestimmung im schmiedbaren Eisen. „Stahl und
    Eisen“ 1882, S. 193.
  • A. Wasum, Ueber den Einfluss von Schwefel und Kupfer auf den Stahl
    beim Verarbeiten desselben in der Wärme
    . „Stahl und Eisen“ 1882,
    S. 192.
  • M. L. Cailletet, Recherches sur les gaz contenus dans la fonte et l’acier
    à l’état de fusion
    . Comptes rendus t. LXI, p. 850; Dingler’s Polyt. Journ.,
    Bd. 179, S. 208.
  • J. Parry, On the reduction of pure anhydrous sesquioxyde of iron
    with pure carbon in vacuo
    . The Journal of the Iron and Steel Institute
    1872, II, p. 251.
  • J. Parry, Gases evolved from pig-iron, steel, wrought-iron and coke on
    heating in vacuo
    . The Journal of the Iron and Steel Institute 1872, II, p. 238.

[287]Literatur.
  • J. Parry, Gases occluded in the pig-iron, steel and wrought-iron. The
    Journal of the Iron and Steel Institute 1873, p. 429.
  • J. Parry, The absorption of hydrogen by pig-iron. The Journal of the Iron
    and Steel Institute 1874, I, p. 92.
  • L. Troost et P. Hautefeuille, Recherches sur la dissolution des gaz dans
    la fonte, l’acier et le fer
    . Comptes rendus, tome 76, p. 482 et 565; daraus:
    Polyt. Centralbl. 1873, S. 439; Dingler’s Polyt. Journ., Bd. 208, S. 331.
  • L. Troost et P. Hautefeuille, Sur la dissolution de l’hydrogène dans
    les métaux et la décomposition de l’eau par le fer
    . Comptes rendus,
    tome 80, p. 788.
  • L. Troost et P. Hautefeuille, Sur les fontes manganésifères (Auflösung
    von Gasen in manganhaltigem Eisen). Comptes rendus, tome 80, p. 909; Polyt.
    Centralbl. 1875, S. 775.
  • F. C. G. Müller, Ueber die Ausscheidungen in Bessemergüssen. Ztschr.
    d. Ver. Deutsch. Ing. 1879, S. 494; [Zeitschr.] d. berg- und hüttenm. Vereins
    für Steiermark und Kärnten 1879, S. 427.
  • F. C. G. Müller, Ueber den Wasserstoff- und Stickstoffgehalt im Eisen
    und Stahl
    . Berichte der Deutschen chemischen Gesellschaft 1881, S. 6; Ztschr.
    des berg- und hüttenm. Vereins für Steiermark und Kärnten 1881, S. 74.
  • F. C. G. Müller, Ueber die Gasausscheidungen in Stahlgüssen. „Stahl
    und Eisen“ 1882, S. 531.
  • A. H. Allen, Further experiments on the existence of nitrogen in iron
    and steel
    . Iron, vol. XVI, p. 132.
  • P. C. Calvert, Sur l’oxydation du fer. Compt. rend., tome 70, p. 453; Dingl.
    Polyt. Journal, Bd. 196, S. 129.
  • A. Wagner, Ueber den Einfluss verschiedener Lösungen auf das Rosten
    des Eisens
    . Dingl. Polyt. Journ., Bd. 218, S. 70.
  • W. Parker, The relative corrosion of iron and steel. The Journal of the
    Iron and Steel Institute, tome I, p. 39; Iron, vol. 17, p. 331.
  • A. Mercier, Note sur l’altération du fer et de la fonte par les matières
    grasses dans les organes des machines soumis à l’action de la
    vapeur
    . Annales des mines, série VII, tome 15, p. 234.
  • R. Åkerman, Ueber das Rosten des Eisens. „Stahl und Eisen“ 1882, S. 417;
    aus Jern-Kontorets Annaler 1882, Nr. 3.

[[288]][[289]]

ZWEITE ABTHEILUNG.
DAS ROHEISEN
UND
SEINE DARSTELLUNG.


Ledebur, Handbuch. 19
[[290]][[291]]

I. Eigenschaften und Eintheilung des Roheisens
und der Eisenmangane.


1. Allgemeines.


Roheisen heisst jedes noch nicht zu Gebrauchsgegenständen ver-
arbeitete Eisen, welches infolge eines grösseren Gehalts an Metalloiden,
insbesondere an Kohlenstoff oder Silicium, die dem reinen Eisen eigen-
thümliche Dehnbarkeit und Schmiedbarkeit verloren hat. Sind neben
Kohlenstoff keine anderen Körper in erheblichen Mengen zugegen, so
liegt die Grenze zwischen Roheisen und schmiedbarem Eisen bei einem
Kohlenstoffgehalte von etwa 2.3 Proc.; andere Metalloide (Silicium, Phos-
phor, Schwefel) beeinträchtigen die Schmiedbarkeit theils kräftiger, theils
weniger kräftig als Kohlenstoff; in jedem Falle aber hört dieselbe schon
bei einem niedrigeren Kohlenstoffgehalte als 2.3 Proc. auf, wenn solche
Körper neben dem Kohlenstoff im Eisen anwesend sind.


Mit Hilfe derselben Processe und Apparate, auf deren Anwendung
die Darstellung des Roheisens im engeren Sinne beruht, stellt der Eisen-
hüttenmann für gewisse Zwecke des Eisenhüttenbetriebes auch kohlen-
stoffhaltige Legirungen zwischen Eisen und Mangan dar, welche bei
geringerem Mangangehalte zwar dem Roheisen zugezählt zu werden
pflegen, bei höherem Mangangehalte aber Ferromangane oder Eisen-
mangane
genannt werden. Nicht selten ist der Mangangehalt dieser
Legirungen höher als ihr Eisengehalt.


Ist das Roheisen durch Eingiessen in Formen zu Gebrauchsgegen-
ständen (Gusswaaren) verarbeitet, so wird es Gusseisen genannt. Die
Bezeichnung als solches beruht demnach lediglich auf der Art und Weise
der stattgehabten Verarbeitung, ohne dass eine Aenderung der Eigen-
schaften dadurch bedingt ist. Gusseisen, welches durch Abnutzung
oder aus anderen Gründen unbrauchbar geworden ist, pflegt Bruch-
eisen
genannt zu werden; in Wirklichkeit ist es nichts anderes als
Roheisen, und es wird wie dieses verwendet, sei es zur Herstellung von
Gusswaaren durch erneutes Umschmelzen und Giessen, sei es als
Material zur Darstellung schmiedbaren Eisens durch einen Frisch-
process (S. 282).


19*
[292]Eigenschaften und Eintheilung des Roheisens und der Eisenmangane.

Die Eintheilung des gesammten Roheisens incl. des Eisenmangans
kann von verschiedenen Gesichtspunkten aus geschehen.


Man kann, wie es schon auf S. 5 angegeben ist, graues Roh-
eisen, weisses Roheisen
und Eisenmangan unterscheiden. Nach
der Art des für die Herstellung verwendeten Brennstoffs, welcher —
besonders beim grauen Roheisen — gewisse Verschiedenheiten hervor-
ruft, lässt sich Holzkohlenroheisen und Koksroheisen (richtiger:
Roheisen, welches mit mineralischen Brennstoffen erzeugt ist) unter-
scheiden. Endlich kann man auch nach der beabsichtigten Verwendung
des Roheisens Giessereiroheisen (zur Darstellung von Gusswaaren
bestimmt) und Frischereiroheisen von einander trennen.


In Folgendem soll die zuerst erwähnte Eintheilung beibehalten,
dabei aber der Unterschied gebührend berücksichtigt werden, welcher
aus der Anwendung verschiedenen Brennstoffs bei der Darstellung oder
aus der verschiedenartigen Bestimmung des Roheisens sich ergiebt.


2. Das graue Roheisen.


Erklärung. Zusammensetzung und Constitution.

Graues Roheisen im eigentlichen Sinne ist dasjenige, welches infolge
einer stattgehabten reichlichen Graphitausscheidung eine gleichmässig
graue Bruchfläche erkennen lässt. Der Graphitgehalt überlagert hier
die übrigen Bestandtheile und wird allein dem Auge erkennbar, dem
Roheisen die erwähnte graue Färbung ertheilend.


Im Folgenden sollen jedoch, der allgemein üblichen Bezeichnungs-
weise gemäss, auch solche Roheisensorten unter das graue Roheisen
eingerechnet werden, bei welchen überhaupt deutliche Graphitaus-
scheidung bemerkbar ist, gleichviel, ob neben dem Graphit noch andere
Bestandtheile des Roheisens erkennbar sind oder nicht.


Seiner chemischen Constitution nach lässt sich das graue Roheisen
als eine Legirung aus Eisen, Kohlenstoff und Silicium be-
zeichnen. Diese drei Körper sind die eigentlichen Bildner des grauen
Roheisens; entzieht man demselben einen dieser Bestandtheile, so hört
es überhaupt auf, graues Roheisen zu sein. Sonstige im grauen Roh-
eisen auftretende Körper, welche zwar selten fehlen, nicht aber die Ent-
stehung desselben bedingen und demnach im Gegensatze zu jenen erst-
genannten Bestandtheilen als zufällige oder Nebenbestandtheile be-
zeichnet werden müssen, sind Mangan (selten mehr als 5 Proc.), Kupfer
(bis zu 0.4 Proc.), Kobalt und Nickel (selten in grösseren Mengen als
einigen Hundertstel Proc.), Phosphor (selten mehr als 2 Proc.), Schwefel
(gewöhnlich weniger als 0.1 Proc.).


Während im flüssigen Zustande des grauen Roheisens die ge-
nannten Bestandtheile desselben annähernd gleichmässig legirt sind,
tritt beim Erstarren und noch im glühenden Zustande des erstarrten
Eisens ein starkes Zerfallen der Legirung ein; Graphit wird in hexa-
gonalen Tafeln von geringerer oder beträchtlicherer Grösse ausgeschieden
und lagert sich als charakterisirender Bestandtheil des grauen Eisens
zwischen das Gefüge desselben.


Aber auch die übrigen Bestandtheile verharren nicht im gleich-
mässig legirten Zustande. Freies Eisen sondert sich, wie aus ver-
[293]Das graue Roheisen.
schiedenen Anzeichen sich schliessen lässt, von legirtem Eisen und
krystallisirt in Drusenräumen in jenen auf S. 220 erwähnten oktaedri-
schen Formen, während es, der Menge nach fast immer vorwiegend,
der Bruchfläche des erstarrten Eisens körnig-krystallinische Beschaffen-
heit verleiht. Das legirte Eisen (nicht zerfallenes Kohlenstoffeisen, Sili-
ciumeisen, Phosphoreisen u. s. w., ferner die Legirungen des etwa
anwesenden Mangans mit Kohlenstoff, Silicium u. s. w.) bleibt als blättrig-
oder strahlig-krystallinischer Körper dem körnig-krystallinischen bei-
gemengt, zerfällt übrigens nicht selten wiederum in Legirungen ver-
schiedener Beschaffenheit.


Bei graphitreichem Roheisen lässt sich gewöhnlich die Anwesen-
heit dieser verschiedenen Körper neben einander nicht ohne Weiteres
erkennen, da, wie erwähnt, der ausgeschiedene Graphit die übrigen
Bestandtheile dem Auge entzieht. Deutlicher zeigt sich bei graphit-
armen Roheisensorten ein weisser Grundbestandtheil neben dem Graphit;
und bei genauer Betrachtung mit der Lupe wird man in dem weissen
Bestandtheile auch die Verschiedenartigkeit des Gefüges zu erkennen
vermögen, je nachdem körniges freies Eisen oder blättriges legirtes
Eisen vorliegt. Nicht selten wird es sogar möglich sein, auf einer und
derselben Bruchfläche beide Körper nebeneinander zu unterscheiden.


Jene Sonderung des legirten Eisens in mehrere verschiedenartig
zusammengesetzte Legirungen verräth sich in mehrfacher Weise. Auf
S. 257 wurde bereits erwähnt, dass mitunter auf der Oberfläche flüssigen,
im Erstarren begriffenen Roheisens sich manganreichere Legirungen
ausscheiden, welche, offenbar früher erstarrend als die grössere Menge
des übrigen Roheisens, an die Oberfläche emporstiegen. Anderntheils
findet man nicht selten an der Aussenfläche erstarrten Roheisens Kügel-
chen von mikroskopischer Kleinheit bis zu Erbsengrösse, durch grosse
Härte sich von dem übrigen Eisen unterscheidend und durch die er-
wähnte Form ihres Auftretens auf eine stattgehabte Aussonderung deu-
tend. Sie bestehen offenbar aus Legirungen, welche, in niedrigerer
Temperatur erstarrend als das übrige Eisen, innerhalb desselben im
noch flüssigen Zustande eingeschlossen waren, als dieses bereits starr
geworden war, und nun beim Zusammenziehen desselben tropfenförmig
aus dessen Poren herausgequetscht wurden, ähnlich wie sich Quecksilber
aus einem Lederbeutel herausdrücken lässt. Auch manche andere Legi-
rungen, z. B. zinnreiche Bronzen, lassen einen ganz ähnlichen Vorgang
erkennen, und zwar bilden sich bei diesen mitunter förmliche dendriti-
sche Auswüchse des herausgedrückten leichtflüssigeren Metalls. Jene
Ausscheidungen aus dem Roheisen wirken besonders nachtheilig, wenn
sie bei Gusswaaren auftreten, deren Verwendbarkeit von der makel-
losen Beschaffenheit ihres Aeussern abhängig ist (Kunstguss, Ornament-
guss u. s. w.). Man nennt sie in den Eisengiessereien Anbrand; ihrer
grossen Härte wegen in einzelnen Gegenden auch wohl Diamanteisen.


Schleift und polirt man die Bruchfläche eines Roheisenstücks und
unterwirft sie der Einwirkung von Aetzmitteln, welche einzelne Be-
standtheile der zerfallenen Legirung stärker als andere angreifen, oder
ruft man durch vorsichtige Erwärmung Anlauffarben hervor, welche
ebenfalls auf verschiedenen Bestandtheilen in verschiedener Weise er-
scheinen, so lassen sich unter geeigneter Benutzung eines Mikroskops
[294]Eigenschaften und Eintheilung des Roheisens und der Eisenmangane.
noch deutlicher als bei Betrachtung der unbearbeiteten Bruchfläche die
gemengten Bestandtheile des Roheisens erkennen. Hinsichtlich der Aus-
führung des Verfahrens im Besondern möge auf die unter „Literatur“ auf-
geführten verdienstlichen Arbeiten von A. Martens hingewiesen werden.


Es wurde schon früher (S. 236) darauf hingewiesen, dass das Maass
der Graphitbildung im Roheisen beim Erstarren von den Abkühlungs-
verhältnissen abhängig und um so beträchtlicher sei, je langsamer die
Abkühlung vor sich gehe. Ein und dasselbe Roheisen wird also im
erkalteten Zustande um so graphitreicher und zugleich um so grob-
körniger sein, je weniger rasch die Abkühlung erfolgt; und es wurde
ebenfalls schon betont, dass in einem rasch erkalteten und deshalb
graphitarmen Roheisen sich der Graphitgehalt durch anhaltendes Glühen
anreichern lässt.


Roheisensorten, welche einen nur mässigen Siliciumgehalt und dabei
einen gewissen Mangangehalt besitzen, erstarren bei plötzlicher Ab-
kühlung mit allen Merkmalen des weissen Eisens, d. h. graphitfrei und
mit strahliger oder blättriger Bruchfläche, bei ruhiger Abkühlung da-
gegen als graues Roheisen. Durch erneutes Schmelzen und Erstarren
lässt sich derartiges graues Roheisen in weisses Eisen umwandeln und
umgekehrt (S. 237).


Ist der Siliciumgehalt aber verhältnissmässig bedeutend und der
Mangangehalt gering, so lässt sich auch durch plötzliche Abkühlung die
Graphitausscheidung nicht ganz behindern; wohl aber wird sie geringer
als bei langsamerer Abkühlung und das Gefüge des Eisens feinkörniger.


Der Siliciumgehalt des grauen Roheisens ist früheren Erklärungen
zufolge die eigentliche Ursache des Zerfallens (Saigerns) der Legirung
beim Erstarren unter Graphitausscheidung. Je reicher also das Roh-
eisen an Silicium ist, desto vollständiger wird der anwesende Kohlen-
stoff beim Erstarren in graphitischer Form ausgeschieden werden; ent-
zieht man dem grauen Roheisen seinen Siliciumgehalt, so
erstarrt es — selbst bei langsamer Abkühlung — ohne
Graphitausscheidung und ist thatsächlich weisses Roheisen
geworden
.


Anderntheils verringert der Siliciumgehalt auch die Fähigkeit des
flüssigen Eisens, Kohlenstoff aufzunehmen, und aus diesem Grunde ist
der höchste Kohlenstoffgehalt, welchen ein Roheisen besitzen kann, um
so niedriger, je siliciumreicher es ist. Eben deshalb muss aber auch
der Graphitgehalt des Roheisens, der im äussersten Falle doch nur
gleichbedeutend mit dem Gesammtkohlenstoffgehalte sein kann, ab-
nehmen, wenn der Siliciumgehalt über dasjenige Maass hinaus steigt,
welches für die annähernd vollständige Ausscheidung des anwesenden
Kohlenstoffs als Graphit nothwendig ist. Bei manganarmen Roheisen-
sorten dürfte dieses Maass des Siliciumgehaltes bei etwa 2 Proc. liegen,
neben welchem etwa 4 Proc. Kohlenstoff zugegen sein können. Bei
ruhiger Abkühlung solchen Eisens nimmt dann der grösste Theil dieses
Kohlenstoffgehaltes graphitische Form an und unter allen Roheisen-
sorten ist solches das graphitreichste.


Je weiter der Siliciumgehalt jene angegebene Grenze überschreitet,
desto mehr verräth sich auch im Aeusseren des Roheisens die ver-
[295]Das graue Roheisen. Physikalische Eigenschaften.
änderte Beschaffenheit. Das körnige Gefüge des graphitreichen Roh-
eisens macht schon bei 3—4 Proc. Silicium einem schuppigen Gefüge
Platz, während bei sehr langsamer Abkühlung sphärische Absonderungs-
flächen erkennbar werden; bei noch höherem Siliciumgehalte wird der
Graphitgehalt so gering, dass neben demselben schon eine gelbweisse
Grundmasse von blättrigem Gefüge sichtbar wird; bei mehr als 10 Proc.
Silicium pflegt der Graphit nur noch in einzelnen grauen Flecken auf
der erwähnten Grundmasse erkennbar zu sein. Derartige Roheisen-
sorten mit mehr als 10 Proc. Silicium neben einem Kohlenstoffgehalte,
welcher nicht erheblich über 1.5 Proc. hinausgeht, werden für gewisse,
später zu erwähnende Zwecke des Eisenhüttenbetriebes seit mehreren
Jahren technisch dargestellt und unter dem Namen Siliciumeisen,
Ferrosilicid
, oder, wenn sie neben dem Eisen auch Mangan in
grösseren Mengen enthalten, Ferromangansilicid, Siliciumman-
gan
in den Handel gebracht. Die Franzosen nennen solches infolge
eines beträchtlichen Siliciumgehaltes kohlenstoffarme und im Aeusseren
dem weissen Roheisen ähnliche Eisen fonte glacée.


Ein Mangangehalt wirkt den Einflüssen des Siliciumgehaltes auf
Kohlenstoffaufnahme und Graphitausscheidung entgegen (S. 255); je
höher der Mangangehalt des grauen Roheisens ist, desto höher muss
aus diesem Grunde auch der neben demselben anwesende Silicium-
gehalt sein, um Graphitausscheidung hervorzubringen.


Physikalische Eigenschaften.

Schmelztemperatur.

Wegen des Zerfallens der im flüssigen Zustande gleichartigen Legi-
rung in Körper von verschiedener Beschaffenheit und verschiedener
Schmelztemperatur, aus deren Gemenge das erkaltete graue Roheisen
besteht, ist es kaum möglich, genau die Schmelztemperatur des grauen
Roheisens zu ermitteln. Dass aus dem nämlichen Grunde die Schmelz-
temperatur des starren grauen Roheisens höher liege, als die Erstar-
rungstemperatur des flüssigen, ist mindestens wahrscheinlich; und auf
S. 240 wurde auch bereits der Grund erörtert, weshalb die Schmelz-
temperatur graphithaltigen Roheisens durchschnittlich höher liegt als
die des graphitfreien mit gleichem Gesammtkohlenstoffgehalte. Als
durchschnittliche Schmelztemperatur des grauen Roheisens pflegt man
1250°C. anzunehmen, eine Temperatur, welche durch verschiedene Er-
mittelungen wenigstens als annähernd richtig befunden wurde.


Durch die chemische Zusammensetzung wird jedoch die Schmelz-
temperatur merklich beeinflusst. Kohlenstoff, so lange er mit dem Eisen
legirt ist, und Silicium erniedrigen die Schmelztemperatur, ersterer
stärker als letzteres; siliciumreiches und kohlenstoffärmeres Eisen
schmilzt daher durchschnittlich schwieriger als kohlenstoffreiches und
siliciumärmeres.


Auch ein Phosphorgehalt erniedrigt die Schmelztemperatur.


Mangan in grösseren Mengen erhöht vermöge seiner eigenen Schwer-
schmelzbarkeit auch die des grauen Roheisens; ob nicht kleinere
Mengen den umgekehrten Erfolg hervorrufen, ähnlich wie kleinere
Mengen Blei die Schmelztemperatur des Zinns, kleinere Mengen Silber
[296]Eigenschaften und Eintheilung des Roheisens und der Eisenmangane.
die Schmelztemperatur des Bleis erniedrigen, ist mit Sicherheit nicht
nachgewiesen worden. Da aber ein Mangangehalt die Aufnahme von
gebundenem Kohlenstoff befördert, die Graphitbildung erschwert, so lässt
sich als Folge dieser Eigenschaft des Mangans auch eine Erniedrigung
der Schmelztemperatur erwarten, sofern nicht der Mangangehalt über
eine bisher noch nicht ermittelte Grenze hinausgeht. Es ist eine Be-
obachtung der Praxis, dass graues Roheisen mit 1.5—2 Proc. Mangan
verhältnissmässig leicht schmilzt.


Härte.

Nach Früherem erhöht gebundener Kohlenstoff die Härte des
Eisens in bedeutendem Maasse, weniger kräftig wirkt Silicium. Aus
diesem Grunde ist graues Roheisen durchschnittlich um so weniger
hart, je weniger gebundenen Kohlenstoff es enthält, d. h. je graphit-
reicher es ist, auch wenn neben dem Graphitgehalte ein nicht unbe-
trächtlicher Siliciumgehalt zugegen sein sollte.


Das graue Roheisen ist deshalb durch Werkzeuge aus Stahl be-
arbeitbar.


Nicht allein das Zerfallen des harten Kohlenstoffeisens an und für
sich bei der Entstehung des grauen Roheisens ermässigt den Härtegrad,
auch die Bildung und Einlagerung der weichen Graphitblättchen im
Gefüge des Eisens ruft den nämlichen Erfolg hervor. Ein Körper,
welcher nicht aus einem einzigen gleichartigen Stoffe besteht, sondern
ein mechanisches Gemenge mehrerer solcher Stoffe von verschiedenen
Härtegraden bildet, kann nicht so hart sein als der härteste seiner
Einzelbestandtheile.


Die früher geschilderten Einflüsse der Abkühlung auf den Graphit-
gehalt machen es begreiflich, dass rasch abgekühltes graues Roheisen
regelmässig härter ist als langsam abgekühltes von der nämlichen Zu-
sammensetzung. Durch anhaltendes Glühen rasch abgekühlten grauen
Eisens lässt sich daher die Härte desselben verringern (Tempern der
Gusswaaren
).


Ein Mangangehalt steigert die Härte des grauen Roheisens in ziem-
lich bedeutendem Maasse, weniger merkbar zeigt sich ein solcher Ein-
fluss durch einen Phosphorgehalt.


Die Festigkeitseigenschaften.

Da ein Gehalt an gebundener Kohle, wenn er über 1 Proc. hin-
ausgeht, die Festigkeit verringert, die Sprödigkeit steigert, so würde
das Zerfallen des Kohlenstoffeisens wohlthätig auf die Festigkeitseigen-
schaften des Roheisens einwirken, wenn nicht eben der bei diesem
Vorgange entstehende Graphit sich als fremder Körper zwischen das
Gefüge des Eisens lagerte. Natürlich muss hierdurch die Festigkeit,
wie auch die Elasticität und Zähigkeit desselben erheblich geschwächt
werden und das graue Roheisen besitzt deshalb diese Eigenschaften in
geringerem Maasse als schmiedbares Eisen; Zähigkeit geht ihm häufig
vollständig ab und ist nur bei den vorzüglichsten Sorten bemerkbar.


Die reinsten Sorten grauen Roheisens, d. h. diejenigen, welche
nicht den Maximalgehalt an Kohlenstoff, sondern nur etwa 2.5—3 Proc.
[297]Das graue Roheisen. Physikalische Eigenschaften.
oder wenig darüber, daneben nur soviel Silicium besitzen als zur Aus-
scheidung des grösseren Theils des Kohlenstoffgehaltes in graphitischer
Form nothwendig ist, und sonstige Körper, insbesondere Phosphor, nur
in untergeordneten Mengen enthalten, zeichnen sich durch verhältniss-
mässig grosse Festigkeit neben Elasticität und sogar einem gewissen
Maasse von Zähigkeit aus. Hierher gehören vornehmlich die aus reineren
Erzen, insbesondere Magnet- und Rotheisenerzen, erblasenen Roheisen-
sorten. Hochberühmt wegen seiner Festigkeit und Zähigkeit ist z. B.
das schwedische, mit Holzkohlen aus magneteisenerz-reichen Be-
schickungen erblasene graue Roheisen; ähnliche Roheisensorten wie diese
werden an verschiedenen Orten erzeugt, wo eben ein geeignetes Roh-
material dafür sich findet (Steiermark, Erzgebirge, Harz, Nassau, Nord-
amerika u. a. a. O.).


Ein Phosphorgehalt verringert die Festigkeit und in noch erheb-
licherem Maasse die Zähigkeit und Elasticität. Da man jedoch an die
Festigkeit, Zähigkeit und Elasticität des Gusseisens ohnehin nur erheb-
lich geringere Ansprüche stellen darf, als beim schmiedbaren Eisen, so
ist der zulässige Phosphorgehalt in ersterem durchschnittlich erheblich
höher als in letzterem. Roheisensorten mit 0.3 Proc. Phosphor pflegen,
sofern sie zur Gusswaarendarstellung benutzt werden, noch zu den
besten gerechnet zu werden; bei 1 Proc. Phosphorgehalt macht sich
schon eine recht deutliche Abminderung der Festigkeitseigenschaften
bemerkbar; mehr als höchstens 1.5 Proc. Phosphor sollte kein Guss-
eisen enthalten, auch wenn die Gusswaaren nicht auf Festigkeit in An-
spruch genommen werden.


Mangan, obschon in kleineren Mengen der Festigkeit eher förder-
lich als nachtheilig, erhöht den Gehalt an gebundener Kohle und wirkt
solcherart mittelbar ungünstig auf die Festigkeitseigenschaften, wenn
seine Menge beträchtlich ist. Ein bestimmtes höchstes Maass des Man-
gangehaltes, über welches hinaus die Festigkeitseigenschaften ungünstiger
werden, lässt sich kaum angeben, da dasselbe auch von dem anwesen-
den Silicium- und Kohlenstoffgehalte abhängig sein muss; doch ent-
halten die durch Festigkeit und Zähigkeit gleichzeitig ausgezeichneten
Roheisensorten selten erheblich über 1 Proc. Mangan, häufig weniger. 1)


Schwefel kommt nicht in solchen Mengen im Roheisen vor, dass
eine Benachtheiligung der Festigkeit davon zu erwarten sein kann. Es
wurde schon früher erwähnt, dass gerade das durch aussergewöhnlich
grosse Festigkeit ausgezeichnete schwedische Roheisen oft verhältniss-
mässig reich an Schwefel sei (S. 251).


Da ein grobkörniges Gefüge an und für sich die Festigkeit der
Körper beeinträchtigt, beim grauen Roheisen aber zugleich mit der
Anwesenheit eines grossen Graphitgehaltes in naher Beziehung zu stehen
pflegt, so ist rasch abgekühltes graues Roheisen, dessen Gefüge fein-
körniger und dessen Graphitgehalt geringer ist, durchschnittlich fester
als langsam abgekühltes; steigt aber infolge der raschen Abkühlung
der Gehalt des Roheisens an gebundener Kohle über jenes bereits mehr-
fach erwähnte Maass (ca. 1 Proc.), bei welchem das Maximum der Festig-
keit liegt, so fällt naturgemäss die Festigkeit geringer aus. Ebenso wie
[298]Eigenschaften und Eintheilung des Roheisens und der Eisenmangane.
die Festigkeit verhält sich die Elasticität; die Zähigkeit wird in allen
Fällen durch rasche Abkühlung verringert, durch langsame Abkühlung
gesteigert.


Gemäss diesen verschiedenen Einflüssen auf die Festigkeit des
grauen Roheisens schwankt die Zerreissungsfestigkeit von 4—20 kg
per qmm, die Bruchfestigkeit (relative Festigkeit) quadratischer Stäbe
von etwa 10—50 kg. Eine Beanspruchung auf Festigkeit findet natür-
licherweise nur beim Gusseisen statt, d. h. bei Gebrauchsgegenständen,
welche aus dem Roheisen gefertigt sind; als mittlere Festigkeit des
gewöhnlichen Gusseisens pflegt man 12.5 kg per qmm gegen Zerreissen,
25.5 kg gegen Bruch anzunehmen.


Elasticität und Zähigkeit kommen vorzugsweise bei der Bean-
spruchung auf Bruchfestigkeit in Betracht und werden durch die vor-
übergehende, beziehentlich durch die bleibende Einbiegung gemessen,
welche ein belasteter Stab erträgt, ohne zu zerbrechen. Wendet man
für derartige Versuche quadratische Stäbe von 30 mm Stärke und
1000 mm freier Auflage an, so beträgt die totale Einbiegung in der
Mitte des Stabes bei den gewöhnlicheren Gusseisensorten 15—20 mm,
die bleibende Einbiegung 2—4 mm; bei den vorzüglichsten Gusseisen-
sorten steigt die totale Einbiegung auf etwa 26 mm, die bleibende auf
5 mm; bei sehr sprödem Gusseisen ist mitunter die Einbiegung gleich
Null, d. h. der Bruch erfolgt, ohne dass irgend eine messbare Form-
veränderung vorausgeht.


Besitzen die Stäbe andere Abmessungen als die angegebenen, so
lassen sich die entfallenden Werthe leicht mit Hilfe der Formel
umrechnen, in welcher E und E1 die Einbiegungen, L und L1 die Längen,
h und h1 die Stärke der geprüften Stäbe in Millimetern bezeichnen.


Die Arten des grauen Roheisens.

Seinen Entstehungsverhältnissen, seinem Aeussern und seiner che-
mischen Zusammensetzung nach unterscheidet man verschiedene Arten
des grauen Roheisens.


a) Holzkohlenroheisen.

Da bei Anwendung von Holzkohlen bei Darstellung des Roheisens
die Temperatur niedriger, der Aschengehalt des Brennstoffs und somit
auch die Schlackenmenge durchschnittlich geringer ist als bei Anwen-
dung mineralischer Brennstoffe, so findet das Eisen weniger Gelegen-
heit zur Aufnahme fremder Stoffe, insbesondere von Silicium und
Mangan, als in diesem Falle und zeichnet sich durch grössere Rein-
heit, welche wiederum eine grössere Festigkeit bedingt, vor dem mit
Koks u. s. w. erblasenen Roheisen aus.


Ohne Einfluss jedoch ist die Art des Brennstoffs auf den aus den
Erzen stammenden Phosphorgehalt des Roheisens, der in dem einen
wie in dem andern Falle annähernd vollständig an das erzeugte Roh-
eisen übergeht; und aus phosphorreichen Erzen lässt sich deshalb ebenso
[299]Die Arten des grauen Roheisens. Holzkohlenroheisen.
wenig mit Holzkohlen als mit anderen Brennstoffen ein Roheisen von
grosser Festigkeit darstellen.


Der Schwefelgehalt des grauen mit Holzkohlen erblasenen Roh-
eisens ist trotz des mitunter beträchtlichen Schwefelgehaltes der mine-
ralischen Brennstoffe durchschnittlich grösser als in dem mit letzteren
erzeugten Roheisen. Die Ursache dieser schon früher erwähnten That-
sache liegt in dem Umstande, dass bei Anwendung schwefelhaltiger
Brennstoffe eben in Rücksicht auf deren Schwefelgehalt die Bildung stark
basischer, kalkerdereicher Schlacken zur Erzeugung eines brauchbaren
grauen Roheisens erforderlich ist, durch welche dann auch der etwaige
Schwefelgehalt der Erze aufgenommen wird; bei dem Betriebe mit Holz-
kohlen dagegen, wo jene Rücksicht auf den Schwefelgehalt des Brenn-
stoffes wegfällt, fehlt somit auch die Hauptveranlassung, grosse Mengen
Kalkstein zuzuschlagen, zumal da die stark basischen Schlacken in der
niedrigeren Temperatur der Holzkohlenhochöfen oft nicht einmal schmelzen
würden. Man bildet also kieselsäurereichere Schlacken, deren Fähigkeit
aber auch geringer ist, den Schwefelgehalt der Erze aufzunehmen.


In sehr vielen Fällen verwendet man das graue Holzkohlenroh-
eisen zur Darstellung von Gusswaaren unmittelbar aus dem Hochofen,
um die Umschmelzkosten zu ersparen, ein Verfahren, mittels dessen in
früherer Zeit der grösste Theil sämmtlicher Gusswaaren erzeugt wurde
und für dessen Anwendung gerade das Holzkohlenroheisen geeignet ist.


Das nicht auf diese Weise vergossene Roheisen wird entweder in
den Giessereien aufs neue geschmolzen; oder es wird durch einen
Frischprocess auf schmiedbares Eisen verarbeitet. Bei jedem Um-
schmelzen des Roheisens aber finden chemische Veränderungen statt; ein
Theil des Siliciumgehaltes, mitunter auch ein Theil des Kohlenstoffgehaltes
wird oxydirt und das Eisen wird graphitärmer, härter, spröder. Ein
Roheisen, welches zum unmittelbaren Vergiessen gut geeignet war, wird
demnach durch das Umschmelzen an Brauchbarkeit einbüssen, und ein
Ausgleich lässt sich nur herbeiführen, wenn man bei dem Umschmelzen
zugleich ein siliciumreicheres Roheisen zusetzt, dessen grösserer Silicium-
gehalt den entstehenden Verlust zu decken fähig ist. Theils aus diesem
Grunde, theils wegen des höheren Preises des Holzkohlenroheisens pflegt
dasselbe in den Eisengiessereien, welche nicht unmittelbar aus dem
Hochofen giessen, nicht gerade häufig oder wenigstens nicht regel-
mässig verwendet zu werden; seiner erwähnten Festigkeit halber ist es
jedoch als Zusatzmaterial für andere weniger feste Roheisensorten beim
Umschmelzen geschätzt, wenn Gusswaaren gefertigt werden sollen, welche
auf ausnahmsweise grosse Festigkeit in Anspruch genommen werden.


Da ein grösserer Mangangehalt des Roheisens dasselbe hart, schwer
bearbeitbar, zum Weisswerden geneigt macht, so eignen sich zur Dar-
stellung solchen Roheisens, welches unmittelbar für die Giesserei be-
nutzt werden soll, manganärmere Erze besser als manganreichere. Schon
ein Mangangehalt von 1.5—2 Proc. kann die Verwendbarkeit des Roh-
eisens für viele Zwecke der Giesserei erheblich benachtheiligen. Beim
Umschmelzen wird ein Theil des Mangangehaltes ausgeschieden.


In den Handel kommt das graue Holzkohleneisen gewöhnlich in
flachen Platten (Masseln, Gänzen) von ca. 40 mm Stärke, 150 bis
200 mm Breite, 300—400 mm Länge.


[300]Eigenschaften und Eintheilung des Roheisens und der Eisenmangane.

Nach dem verschiedenen Graphitgehalte und der mehr oder minder
grobkörnigen Beschaffenheit des grauen Holzkohlenroheisens wendet
man folgende Bezeichnungen für dasselbe an:


Hochgaares (todtgaares, tiefgraues) Roheisen. Dasselbe
ist mit Graphit überladen, der theilweise schon im flüssigen Zustande
ausgeschieden wurde und als Gaarschaum (S. 234) die Oberfläche der
Roheisenmasseln bedeckt. Es entsteht bei ausnahmsweise hoher Tempe-
ratur im unteren Theile (Schmelzraume) des Hochofens und reichem
Verhältnisse des Brennstoffes zum Erze. Im geschmolzenen Zustande
ist es dickflüssig und stösst mitunter Graphitblätter von ansehnlicher
Grösse aus, welche von dem Luftstrome davon geführt werden. Die
Bruchfläche des erkalteten Roheisens zeigt tiefgraue Farbe und eine
ziemlich grobkörnige Beschaffenheit. Zum unmittelbaren Vergiessen ist
dieses Eisen seines übermässigen Graphitgehaltes wie seiner Dickflüssig-
keit halber nicht brauchbar; wohl aber eignet es sich vortrefflich zum
Umschmelzen, wobei den schon erwähnten Einflüssen zufolge eine Ab-
minderung des Graphitgehaltes eintritt.


Die chemische Analyse des hochgaaren Eisens pflegt einen Silicium-
gehalt von 1—2 Proc., mitunter noch darüber, bei einem Gesammt-
kohlenstoffgehalte von etwa 4 Proc. zu ergeben.


Gaares (graues) Roheisen. Die für die vorige Roheisensorte
charakteristische Gaarschaumbildung ist unbedeutend oder fällt ganz
aus; die Bruchfläche aber zeigt noch tiefgraue, auf reichen Graphit-
gehalt deutende Farbe und mässig grobes Korn. Im geschmolzenen
Zustande ist es dünnflüssiger als das vorige und wird mit Vorliebe zur
unmittelbaren Herstellung von Gusswaaren von dünnen, rasch erkalten-
den Querschnitten benutzt, in welchen graphitärmere Roheisensorten
leicht weiss werden würden. Der Silicium- und Kohlenstoffgehalt ist
durchschnittlich etwas geringer als der des hochgaaren Roheisens.


Auf einzelnen Eisenwerken nennt man eine Roheisenart, welche
die Uebergangsstufe zwischen diesem und dem folgenden Roheisen bildet,
gaarflüssiges Roheisen wegen seiner besonders grossen Dünn-
flüssigkeit.


Schwach halbirtes Roheisen. Der Graphitgehalt ist geringer,
der Bruch feinkörniger, lichtgrau. Das Roheisen schmilzt ziemlich dünn
ein und lässt sich bei Herstellung gröberer, langsamer erstarrender
Gusswaaren zum unmittelbaren Vergiessen benutzen, da es sich eben
seines geringeren Graphitgehaltes halber durch grössere Festigkeit von
den oben erwähnten Arten auszuzeichnen pflegt. Vor dem Erstarren
des flüssigen Roheisens zeigt sich auf der Oberfläche desselben gewöhn-
lich in deutlicher Weise das sogenannte „Spiel“, eine Bildung von
Figuren nach bestimmten Linien, welche durch das Zerreissen des unter
dem Einflusse der Luft entstandenen und sich ununterbrochen neu
bildenden Gusshäutchens — oxydirter Körper — erzeugt werden. Das
gesammte Eisen ist in lebhafter Bewegung, und diese eben ist es, welche
jenes Zerreissen des Gusshäutchens hervorbringt. Mitunter bleiben im
Augenblicke des Erstarrens die zuletzt gebildeten Linien erhaben auf
der Oberfläche zurück. Interessant ist es, dass bei der gleichen Roh-
eisenart auch die Figuren des Spiels stets die nämlichen sind, bei Roh-
eisensorten von verschiedenen Werken aber gewöhnlich deutliche Ab-
[301]Die Arten des grauen Roheisens. Holzkohlenroheisen.
weichungen zeigen. Die Ursachen jener selbstständigen Bewegung des
Roheisens, welche das Spiel hervorruft, sind vermuthlich in dem be-
ginnenden Zerfallen der Legirung und der damit im Zusammenhang
stehenden Krystallisation zu suchen.


Weniger deutlich zeigt sich das Spiel bei den früher erwähnten
Sorten.


Stark halbirtes Roheisen (melirtes Roheisen). Der Graphit-
gehalt ist so gering, dass neben den Graphitblättchen eine weisse Grund-
masse deutlich hervortritt. In der Giesserei lässt sich dieses Eisen nur
für sehr grobe, langsam abkühlende Gusswaaren benutzen und zeichnet
sich hier durch grosse Festigkeit vor den graphitreicheren Sorten aus;
in dünneren Querschnitten aber wird es weiss, hart, spröde. Die Analyse
zeigt naturgemäss einen nur geringen Graphitgehalt und in den aller-
meisten Fällen auch geringen Gesammtkohlenstoffgehalt. Beim Fliessen
pflegt dieses kohlenstoffarme Roheisen schwirrende Funken mit grün-
lich-weissem Lichte, aus verbrennendem Eisen bestehend, auszustossen,
ein Vorgang, welcher auf ein stärkeres Entweichen gelöst gewesener
Gase als bei den vorigen Roheisensorten hindeutet; beim ruhigen Stehen
zeigt sich häufig ein kurz andauerndes Spiel, welchem sehr bald die
völlige Erstarrung zu folgen pflegt. Auf der Oberfläche des bei Luft-
zutritt erstarrten Roheisens zeigen sich in stärkerem Maasse als bei
den graphitreicheren Sorten jene auf S. 257 besprochenen Narben oder
Wanzen und unter jeder derselben gewöhnlich eine trichterartige Ver-
tiefung.


Eine andere Art stark halbirten Roheisens unterscheidet sich von
dem soeben besprochenen durch einen grösseren Gehalt an gebundenem
Kohlenstoff. Dasselbe entsteht vornehmlich aus manganhaltigen Be-
schickungen in Hochöfen, welche auf weisses Roheisen arbeiten, wenn
durch abnormale Verhältnisse Gelegenheit zur Aufnahme eines solchen
Siliciumgehaltes gegeben ist, dass ein Theil des Kohlenstoffs graphitisch
ausgeschieden wird; oder auch, wenn beim Betriebe auf graues Roh-
eisen allzu reichliche Gelegenheit zur Aufnahme von Mangan und zu
beschränkte Gelegenheit zur Aufnahme von Silicium gegeben war. Im
Aeussern unterscheidet sich dieses Roheisen von dem zuerst erwähnten
kohlenstoffärmeren durch das abweichende Aussehen seines weissen
Grundbestandtheiles. Während derselbe bei dem kohlenstoffärmeren
Roheisen als grauweisse körnige Masse mit schwachem Glanze erscheint
(freies Eisen), tritt er in dem kohlenstoffreicheren Roheisen dem Auge
als ein blättrig-krystallinischer Körper mit stärkerem Glanze entgegen
(Kohlenstoffeisen).


Grelles Roheisen. Die Graphitausscheidung ist bis auf kleine
Spuren verschwunden, das Eisen ist kohlenstoff- und meistens silicium-
arm und nähert sich in dieser Beziehung dem Stahle. Es ist dick-
flüssig, zeigt in verstärktem Maasse das schon beim vorigen Roheisen
erwähnte Funkenwerfen und erstarrt rasch. Es ist stets das Erzeugniss
eines abnormalen Betriebes und ist weder für die Giesserei noch zum
Verfrischen gut brauchbar. Man sucht es auf den Hochofenwerken
selbst zu verwerthen, sei es durch Umschmelzen in Vermischung mit
besseren Roheisensorten, sei es, indem man es beim Hochofenbetriebe
selbst wieder einschmilzt.


[302]Eigenschaften und Eintheilung des Roheisens und der Eisenmangane.

Analysen von grauem Holzkohlenroheisen.



[303]Die Arten des grauen Roheisens. Koksroheisen.
b) Mit mineralischen Brennstoffen, insbesondere Koks,
erzeugtes Roheisen.

Die höhere Temperatur im Schmelzraume des Hochofens bei An-
wendung der in der Ueberschrift bezeichneten Brennstoffe, sowie die
sich bildende reichlichere Aschen- und Schlackenmenge geben aus-
gedehntere Gelegenheit als beim Betriebe mit Holzkohlen zur Auf-
nahme von Mangan und Silicium. Dass dagegen der Schwefelgehalt des
grauen mit Koks u. s. w. dargestellten Roheisens häufig geringer sei als
der des Holzkohlenroheisens, während der Phosphorgehalt bei Anwen-
dung gleicher Erze keine erheblichen Abweichungen in den beiden Roh-
eisengattungen erkennen lässt (sofern nicht etwa durch den Aschen-
gehalt der mineralischen Brennstoffe grössere Phosphormengen in die
Beschickung geführt werden), wurde bereits erwähnt.


Das Gefüge des Koks- u. s. w. Roheisens pflegt, auch wenn die
chemische Zusammensetzung annähernd mit der des Holzkohlenroh-
eisens übereinstimmt, eine entschieden grobkörnigere Beschaffenheit als
das Gefüge des letzteren zu besitzen. Holzkohlenroheisen mit so grobem
Korne, als es die graphitreicheren Sorten des Koksroheisens regelmässig
besitzen, kommt überhaupt kaum vor. Der Grund hierfür liegt zum
Theil in der schon erwähnten höheren Temperatur, bei welcher das
Koksroheisen u. s. w. dargestellt wird; das höher erhitzte Roheisen wird
allmählicher erstarren und abkühlen und hierbei ein grobkörnigeres
Gefüge erhalten. Durch die Form der Masseln, in welchen dieses Roh-
eisen gewöhnlich in den Handel kommt, wird jene langsamere Abküh-
lung und somit die Entstehung des grobkörnigeren Gefüges ebenfalls
befördert. Diese Masseln pflegen aus Barren von etwa 100—125 mm
Stärke bei 80—100 mm Breite zu bestehen, welche zur Erleichterung
des Zerschlagens in Abständen von etwa 250—300 mm mit eingegosse-
nen Kerben versehen sind.


Zur Herstellung von Gusswaaren unmittelbar aus dem Hochofen
ist das graue Koksroheisen weniger geeignet als das Holzkohlenroheisen.
Die Ursache hierfür ist theilweise in dem Umstande zu suchen, dass in
der, in den Kokshochöfen herrschenden, stärkeren Gasspannung auch das
Roheisen reichere Mengen von Gasen löst und beim Erstarren wieder
entlässt als das Holzkohlenroheisen, schwieriger mithin als dieses dichte,
blasenfreie Abgüsse liefert.


Dagegen befähigt der durchschnittlich höhere Siliciumgehalt des
grauen Koksroheisens dasselbe, ein öfteres Umschmelzen als das Holz-
kohlenroheisen zu ertragen, ohne dadurch hart, spröde zu werden. In
allen den zahlreichen Eisengiessereien, welche nicht unmittelbar aus
dem Hochofen ihr flüssiges Roheisen empfangen, sondern das Roheisen
in eigenen Oefen umschmelzen, bildet deshalb das Koksroheisen ein
bequemer verarbeitbares Material als das Holzkohlenroheisen und wird
theils aus diesem Grunde theils freilich auch seines durchschnittlich ge-
ringeren Preises halber in ungleich grösseren Mengen als letzteres ver-
arbeitet.


Ein grösserer Mangangehalt des für die Giesserei bestimmten Roh-
eisens ruft die nämlichen übelen Eigenschaften hervor, welche das
[304]Eigenschaften und Eintheilung des Roheisens und der Eisenmangane.
manganreichere Holzkohlenroheisen besitzt: Härte, Neigung zum Weiss-
werden u. s. w. Wenn man aus diesem Grunde mit vollem Rechte soviel
als thunlich für die Darstellung des Giessereiroheisens manganärmere
Erze zu verwenden sucht, so verdient doch anderntheils der Umstand
Erwähnung, dass beim Umschmelzen des Roheisens in den Schmelzöfen
der Eisengiessereien der Mangangehalt leichter als der Siliciumgehalt
oxydirt wird. So lange daher noch Mangan in dem schmelzenden Roh-
eisen anwesend ist, bleibt der Siliciumgehalt stärker vor den oxydiren-
den Einflüssen als in manganfreiem Eisen geschützt; und ein Roheisen
mit einem Mangangehalte von 1—2 Proc. erträgt deshalb, ohne weiss
zu werden, ein öfteres Umschmelzen als ein manganfreies Roheisen mit
dem gleichen Siliciumgehalte. 1)


Die Ansprüche, welche an die Beschaffenheit des für die Dar-
stellung schmiedbaren Eisens durch einen Frischprocess bestimmten
grauen Roheisens gestellt werden, sind nach der Art dieses Frisch-
processes verschieden und werden bei Besprechung jener einzelnen
Processe in der dritten Abtheilung ausführlichere Erörterung finden.
Ein Mangangehalt dieses Roheisens wird in den meisten hierher ge-
hörigen Fällen eher förderlich als nachtheilig sein.


Gemäss der mehr oder minder grobkörnigen Beschaffenheit des
grauen Koksroheisens pflegt man dasselbe in verschiedene Sorten zu
theilen, welche im Handel mit Nummern, wie unten ausführlicher erörtert
ist, bezeichnet werden. Man geht hierbei von der Voraussetzung aus,
dass das grobkörnigere Roheisen auch das graphitreichere sei. Wenn
nun zwar diese Annahme an und für sich in den meisten Fällen an-
nähernd richtig ist, so folgt daraus doch keineswegs, dass auch beim
Umschmelzen des Roheisens die grobkörnigere Sorte am längsten grau
bleiben werde. Denn die Einflüsse des Umschmelzens auf den Graphit-
gehalt sind zum grossen Theile von dem Siliciumgehalte abhängig; je
grösser derselbe neben dem anwesenden Kohlenstoffgehalte ist und je
mehr davon also beim Umschmelzen zurückbleibt, desto reichlicher wird
auch nach dem Umschmelzen noch der Graphitgehalt ausfallen.


Dass auch mittelbar der Mangangehalt des Roheisens hierbei von
Einfluss sei und das manganreichere Roheisen durchschnittlich länger
als das manganärmere grau bleibe, wurde oben erläutert.


Es folgt hieraus, dass die erwähnte Sortirung des grauen Roh-
eisens nach dem Aussehen seiner Bruchfläche, obwohl im Handel bis
jetzt noch regelmässig für die Bestimmung der Verkaufspreise benutzt,
doch ein sehr ungenügendes Mittel zur Beurtheilung des Verhaltens
des Roheisens beim Umschmelzen abgiebt. Von diesem Verhalten aber
ist der Werth des Roheisens, insbesondere bei seiner Verwendung zur
Giesserei, zum grossen Theil abhängig. Zuverlässige Schlüsse auf dieses
Verhalten lassen sich nur durch Ermittelung der chemischen Zusam-
mensetzung des Roheisens gewinnen.


Jene Eintheilung des grauen, mit Koks (Steinkohlen, Anthraciten
u. s. w.) erblasenen Roheisens pflegt folgende zu sein.


[305]Die Arten des grauen Roheisens.

Roheisen Nr. I. Es ist dieses die grobkörnigste aller Roheisen-
sorten, grau, graphitreich, häufig Gaarschaumbildung an der Oberfläche
oder in Drusen zeigend. Die Analyse pflegt einen Kohlenstoffgehalt
von 3.5—4 Proc. und einen Siliciumgehalt von 2—3.5 Proc. zu ergeben.
Die phosphorarmen Sorten dieses Roheisens werden grösstentheils für
den Bessemerprocess benutzt, während die phosphorreicheren, zumal
wenn ihr Mangangehalt nicht erheblich über 1 Proc. hinausgeht, ein
geschätztes Material für die Eisengiessereien bilden, um beim Um-
schmelzen graphit- und siliciumärmeren Roheisens zugesetzt zu werden
und durch ihren reichen Siliciumgehalt den stattfindenden Verlust an
diesem Bestandtheile auszugleichen. 1)


Roheisen Nr. II. Dasselbe ist etwas feinkörniger als Nr. I, steht
diesem übrigens in seiner Beschaffenheit sehr nahe und wird zu den-
selben Zwecken verwendet. Manche Hochofenwerke bringen das Roh-
eisen Nr. II überhaupt nicht in den Handel, sondern mischen es theils
mit Nr. I, theils mit Nr. III, je nachdem es seinem Aussehen nach diesem
oder jenem näher steht.


Sofern die feinkörnigere Beschaffenheit des Gefüges nicht etwa blos
durch zufällige raschere Abkühlung hervorgerufen ist, pflegt dieses Roh-
eisen einen etwas geringeren Siliciumgehalt und Kohlenstoffgehalt als
Nr. I zu besitzen.


Roheisen Nr. III. Bedeutend feinkörniger und heller an Farbe
als Nr. I steht dieses Eisen dem schwach halbirten Holzkohlenroheisen
nahe, ist jedoch aus den schon oben erörterten Ursachen durchschnitt-
lich grobkörniger als dieses. Weisse Stellen auf der Bruchfläche sind
noch gar nicht oder nur vereinzelt zu entdecken. Beim Umschmelzen
wird es bedeutend graphitärmer, härter, und wird deshalb in den
Eisengiessereien gewöhnlich nur unter Zusatz von Roheisen Nr. I ver-
arbeitet.


Englische Hochofenwerke bringen aus diesem Grunde häufig Roh-
eisen Nr. III mit Stücken von Nr. I und Nr. II untermengt als soge-
nanntes Giessereiroheisen in den Handel, welches dann nach dem
Umschmelzen den für die meisten Zwecke der Eisengiessereien geeig-
neten Graphitgehalt besitzt.


Das eigentliche Roheisen Nr. III besitzt gewöhnlich einen Silicium-
gehalt von 1—2 Proc. und einen Kohlenstoffgehalt von 3—3.5 Proc.
Im geschmolzenen Zustande pflegt das Roheisen Nr. III wie auch sein
Gemisch mit Nr. I ein sehr lebhaftes Spiel zu zeigen und sich übrigens
ähnlich als das schwach halbirte Holzkohlenroheisen zu verhalten.


Dieser Roheisensorte im Aeussern ähnlich und bisweilen ebenfalls
unter der Bezeichnung Roheisen Nr. III in den Handel gebracht ist
ein Eisen, welches infolge eines noch grösseren Siliciumgehaltes, als
ihn das Roheisen Nr. I zu besitzen pflegt, kohlenstoffärmer und des-
halb auch graphitärmer zu sein pflegt und aus diesem Grunde mit
einer feinkörnigeren Bruchfläche als dieses erstarrt. Der Siliciumgehalt
dieses Roheisens beträgt meistens 3.5—5 Proc., der Kohlenstoffgehalt
ist um so niedriger, je reicher das Eisen an Silicium ist und erreicht
mitunter nicht 3 Proc.


Ledebur, Handbuch. 20
[306]Eigenschaften und Eintheilung des Roheisens und der Eisenmangane.

Dass solches Roheisen sich beim Umschmelzen vollständig ab-
weichend von dem eigentlichen siliciumarmen Roheisen Nr. III ver-
halten wird, ist ganz natürlich. Es würde thatsächlich im Stande sein,
vielfach das Roheisen Nr. I mit Vortheil zu ersetzen; so lange aber
die Korngrösse der Bruchfläche als einziges Mittel für die Sortirung
benutzt wird, zählt man es dem Roheisen Nr. III zu und erhält, wenn
man es ebenso wie dieses verarbeitet, einen unbefriedigenden Erfolg.


Ein geübtes Auge wird übrigens in den meisten Fällen im Stande
sein, bei genauer Betrachtung solches siliciumreiche Roheisen an seiner
eigenthümlich schuppig-krystallinischen Beschaffenheit und etwas ab-
weichenden, ins Gelbgraue spielenden Färbung von dem eigentlichen
Roheisen Nr. III zu unterscheiden.


Roheisen Nr. IV. Feinkörnig mit deutlich hervortretendem weissem
Grunde. Die Eigenschaften dieses Roheisens stimmen im Wesentlichen
mit denen des stark halbirten Holzkohlenroheisens überein.


Roheisen Nr. V. Fast weiss, kohlenstoff- und siliciumarm; ver-
hält sich wie grelles Holzkohlenroheisen und kommt ebenso wenig als
dieses in den Handel.


Eigentliches Siliciumeisen. Diese schon oben erwähnte Eisen-
sorte gehört, da ihr Kohlenstoffgehalt bis auf kleine Spuren beim Er-
kalten graphitisch ausgeschieden wird, ebenfalls dem grauen Roheisen
an; aber der Gesammtkohlenstoffgehalt ist wegen des reichlichen Sili-
ciumgehaltes, welcher mitunter mehr als 10 Proc. beträgt, oft so gering,
dass zwischen den Graphitblättern die Siliciumeisenlegirung als gelblich
weisser Grundbestandtheil von blättrig-krystallinischem Gefüge deutlich
hervortritt.


Das Siliciumeisen ist hart und spröde. Eine unmittelbare Ver-
wendung zur Herstellung von Gebrauchsgegenständen durch Giessen
findet dasselbe nicht. Man benutzt es als Zusatz zu geschmolzenem
kohlenstoffarmem Flusseisen, um die Gasentwickelung desselben beim
Giessen in Formen einzuschränken (vergl. S. 269).


Analysen von grauem Koksroheisen.



[307]Das weisse Roheisen.

3. Das weisse Roheisen.


Erklärung. Zusammensetzung und Constitution.

Als weisses Roheisen bezeichnet man diejenigen Sorten, auf deren
Bruchfläche Graphitausscheidung nicht bemerkbar ist, obschon die
Analyse mitunter kleine Mengen von Graphit nachweist. Im weiteren
Sinne zählt man auch solche Roheisensorten zum weissen Roheisen,
welche beim Betriebe auf weisses Roheisen entstanden waren, infolge
von Zufälligkeiten aber an vereinzelten Stellen Graphitausscheidung
erkennen lassen. Dieselben gehören dem schon beim grauen Roheisen
besprochenen halbirten Roheisen mit blättrig-krystallinischem Grund-
bestandtheile an.


Das eigentliche weisse Roheisen ist als eine Legirung von Eisen
und Kohlenstoff
zu betrachten, in welcher Silicium entweder ganz
fehlt oder nur in solchen Mengen anwesend ist, dass Graphitausschei-
20*
[308]Eigenschaften und Eintheilung des Roheisens und der Eisenmangane.
dung nicht dadurch hervorgerufen wird. Wie gross der Siliciumgehalt
sein kann, ohne dass Kohlenstoff graphitisch ausgeschieden wird, hängt
nach Früherem in erster Reihe von dem anwesenden Kohlenstoffgehalte
selbst ab. In einem mit Kohlenstoff gesättigten Roheisen genügt schon
ein sehr geringer Siliciumgehalt, jene Wirkung hervorzubringen; je
kohlenstoffärmer das Roheisen ist, desto mehr Silicium kann neben dem
Kohlenstoff anwesend sein, ohne Graphitbildung zu veranlassen.


Als dritter Körper tritt häufig das Mangan hinzu; und für die
Entstehung gewisser Sorten weissen Roheisens ist die Anwesenheit des-
selben sogar nothwendig. Mit dem Mangangehalte steigt, wie bekannt,
die Fähigkeit des Eisens, Kohlenstoff aufzunehmen und im gebundenen
Zustande zurückzuhalten. Aus diesem Grunde sind die manganreicheren
Sorten weissen Roheisens nicht allein durchschnittlich reicher an Kohlen-
stoff als die manganärmeren, sondern sie können auch, ohne sich in
graues Roheisen umzuwandeln, grössere Mengen Silicium als diese neben
derselben Menge Kohlenstoff enthalten.


Wie sich graues Roheisen durch Entziehung seines Siciliumgehaltes
in weisses umwandeln lässt, so wird umgekehrt weisses Roheisen zur
Graphitausscheidung veranlasst, also thatsächlich in graues Roheisen ver-
wandelt, wenn man ihm Silicium in ausreichender Menge zuführt. Dass
schon durch Glühen kohlenstoffhaltigen Eisens mit Kieselsäure Silicium
reducirt und vom Eisen aufgenommen werden könne, wurde schon auf
S. 241 erwähnt; leichter noch findet eine Anreicherung des Silicium-
gehaltes statt, wenn das Eisen im geschmolzenen Zustande mit kiesel-
säurehaltigen Körpern in Berührung bleibt. Da bei manganreichen Roh-
eisensorten nicht allein der Kohlenstoffgehalt, sondern noch kräftiger der
Mangangehalt des Eisens reducirend auf Kieselsäure einwirkt (vergl.
S. 241), so erklärt sich hieraus zur Genüge die Neigung solcher mangan-
und kohlenstoffreicher Roheisensorten, bei anhaltender starker Erhitzung
über ihren Schmelzpunkt hinaus sich in graues Roheisen umzuwandeln.
Der Mangangehalt verringert sich und der Siliciumgehalt wächst, zwei
Vorgänge, welche beide auf graphitische Ausscheidung des vorhandenen
Kohlenstoffs hinwirken.


Mitunter tritt der soeben besprochene Vorgang ein, während das
kurz zuvor dargestellte Roheisen noch im Hochofen verweilt. Nicht
immer mischt sich dann das siliciumhaltige manganärmere Roheisen mit
dem siliciumärmeren manganreicheren; solcherart kann es geschehen,
dass auf dem Querschnitte der erkalteten Masseln zwei vollständig ver-
schiedene, scharf von einander getrennte Roheisensorten erkennbar sind, zu
unterst weisses Roheisen, zu oberst das specifisch leichtere graue Roheisen.


Dieser, immerhin nicht gerade häufig auftretende Vorgang darf
nicht verwechselt werden mit jenem andern, wenn man ein zum Weiss-
werden geneigtes graues Roheisen in eiserne Formen giesst. Hier ent-
steht überall da, wo durch die Berührung mit der eisernen Gussform
rasche Abkühlung herbeigeführt wurde, eine Kruste weissen Roheisens,
welche nach den inneren Theilen des Querschnittes zu ganz allmählich
in graues Roheisen überzugehen pflegt.


Wenn der oben gegebenen Erklärung für den Begriff des weissen
Roheisens zufolge jenes Zerfallen des Kohlenstoffeisens, welchem das graue
Roheisen sein Entstehen verdankt, beim weissen Roheisen nicht oder
[309]Das weisse Roheisen.
nur in sehr untergeordnetem Maassstabe eintritt, so lässt sich doch auch
bei diesem nicht selten die Beobachtung machen, dass beim Erstarren
eine Sonderung der Legirung in mehrere Legirungen von abweichender
Beschaffenheit (Saigerung) vor sich geht. In Hohlräumen zeigen sich
die eigenthümlichen Oktaederkrystalle, durch welche alles im flüssigen
Zustande dargestellte Eisen gekennzeichnet ist, wenn auch selten so
gross wie im grauen Roheisen und häufig nur durch die Lupe oder
das Mikroskop erkennbar; auf dem Gefüge oder an der Aussenfläche
des Roheisens erscheinen kugel-, linsen- oder warzenartige Körperchen,
in den meisten Fällen zwar mikroskopisch klein, aber deutlich mit dem
beim grauen Roheisen erwähnten sogenannten „Anbrande“ übereinstim-
mend und wie dieser aus leichtflüssigen Legirungen bestehend, welche
zwischen den Krystallen des erstarrenden Roheisens beim Zusammen-
ziehen herausgequetscht wurden; an der der Luft ausgesetzten Oberfläche
des geschmolzenen Roheisens bilden sich Ausscheidungen (Wanzen,
Narben), welche, ebenfalls wie beim grauen Roheisen, anders zusam-
mengesetzt, reicher an Mangan, Silicium, Schwefel und Phosphor
sind, als das Muttereisen.


Als fernere Nebenbestandtheile des weissen Roheisens ausser dem
schon erwähnten Mangan und beziehentlich auch Silicium treten uns
ebenfalls Phosphor, Schwefel und als Körper von geringerer Bedeutung
Kupfer, Kobalt, Nickel entgegen.


Da das weisse Roheisen fast ausschliesslich zur Darstellung schmied-
baren Eisens mit Hilfe eines Frischprocesses bestimmt ist, bei ver-
schiedenen Frischprocessen aber eine Abscheidung von Phosphor mög-
lich ist und zwar durchschnittlich leichter bei weissem als bei grauem
Roheisen 1); und da ferner die Herstellungskosten für gewöhnliches
Weisseisen niedriger sich beziffern als für Graueisen, so pflegt man die
phosphorreichsten Eisenerze vorwiegend auf weisses Roheisen zu ver-
arbeiten, und einzelne Sorten desselben enthalten bis zu 3 Proc. Phos-
phor, also eine Menge, welche nach Früherem für graues Giessereiroh-
eisen durchaus unzulässig sein würde. Manganreiche Sorten weissen
Roheisens dagegen pflegen arm an Phosphor zu sein; nicht etwa, weil
der Mangangehalt die Aufnahme des Phosphors bei der Roheisendar-
stellung erschwerte (was nur in untergeordnetem Maasse der Fall sein
kann), sondern weil theils die manganreicheren Eisenerze (Spatheisen-
steine) überhaupt nur sehr wenig Phosphor zu enthalten pflegen, und
weil anderntheils diese manganführenden, theurer bezahlten Roheisen-
sorten meistens für solche Processe bei der Darstellung schmiedbaren
Eisens verwendet werden, bei welchen eine Phosphorabscheidung nicht
stattfindet. Der Werth jener, in ihrer Herstellung kostspieligeren Sorten
würde also durch einen Phosphorgehalt erheblich abgemindert werden,
und es würde widersinnig sein, phosphorreiche Erze für die Herstellung
derselben zu benutzen.


Der Schwefelgehalt des weissen Roheisens hängt theils von der
Beschaffenheit des zur Herstellung benutzten Brennstoffes, theils von
[310]Eigenschaften und Eintheilung des Roheisens und der Eisenmangane.
dem Mangangehalte des Roheisens ab. Da man für die Herstellung
des gewöhnlichen manganarmen Weisseisens mit mineralischen Brenn-
stoffen eine weniger basische Schlacke anwenden darf als für die Her-
stellung von Graueisen, diese weniger basische Schlacke aber auch ge-
ringere Fähigkeit besitzt, Schwefel aufzunehmen, so ist jenes mit
schwefelhaltigen Brennstoffen erzeugte Weisseisen durchschnittlich reicher
an Schwefel als das mit denselben Brennstoffen erzeugte graue Roh-
eisen. Anders ist es bei dem Betriebe mit Holzkohlen. Hier pflegt die
Schlacke für Graueisendarstellung kieselsäurereicher als für Weisseisen-
darstellung zu sein, und das erfolgende Roheisen besitzt deshalb in dem
ersteren Falle häufig einen höheren Schwefelgehalt als in dem letzteren.


Die schon früher besprochene Eigenschaft des Mangans, Schwefel
zu verschlacken, erklärt es, dass manganreiche Sorten weissen Roheisens
selten erhebliche Mengen von Schwefel besitzen.


Physikalische Eigenschaften.

Schmelztemperatur.

Man nimmt an, dass die Schmelztemperatur des weissen Roheisens
durchschnittlich bei 1100°C., also etwas tiefer als die des grauen Roh-
eisens liege. Verschiedene Sorten weissen Roheisens werden in dieser
Beziehung ein ziemlich abweichendes Verhalten zeigen können. Ein
reichlicher Kohlenstoffgehalt und ein Phosporgehalt erniedrigen die
Schmelztemperatur unter jenes mittlere Maass, einem Mangangehalte
schreibt man die entgegengesetzte Wirkung zu. Ob in Wirklichkeit
auch kleinere Mengen Mangan einen derartigen Einfluss ausüben, ist
kaum mit Sicherheit nachgewiesen worden 1); ein weisses Roheisen
(Spiegeleisen) mit 8—12 Proc. Mangan pflegt sich durch ausserordent-
liche Dünnflüssigkeit auszuzeichnen, welche es befähigt, durch die dünn-
sten Fugen des Ofengemäuers hindurch zu sickern, ein Umstand, welcher
nicht gerade auf einen hoch liegenden Schmelzpunkt schliessen lässt.
Bei noch höherem Mangangehalte tritt dagegen deutlich eine dick-
flüssige Beschaffenheit und eine Erhöhung der Schmelztemperatur ein.


Härte.

Die Härte des weissen Roheisens ist in allen Fällen bedeutend, so
dass man mit der härtesten Feile nicht oder kaum im Stande ist, das-
selbe anzugreifen. Die Höhe des Kohlenstoffgehaltes ist hierbei nicht
wesentlich von Belang; ein Mangangehalt erhöht die Härte.


Festigkeitseigenschaften.

Weisses Roheisen ist, wie sich schon aus den früher erörterten
Beziehungen des Kohlenstoffgehaltes im Eisen zu der Festigkeit ergiebt,
gegenüber dem Zerreissen oder der Biegung durchschnittlich weniger
fest als graues; mit der Zunahme des Kohlenstoffgehaltes verringert
sich seine Festigkeit und erhöht sich die Sprödigkeit. Die meisten
[311]Das weisse Roheisen. Die Arten des weissen Roheisens.
Sorten weissen Roheisens lassen sich ihrer grossen Sprödigkeit halber
ohne Schwierigkeit im Stahlmörser pulvern.


Da das weisse Roheisen, wie erwähnt, nicht unmittelbar zur Her-
stellung von Gebrauchsgegenständen benutzt zu werden pflegt, so besitzt
die Festigkeit desselben nur untergeordnete Wichtigkeit.


Die Arten des weissen Roheisens.

Weniger deutlich als beim grauen Roheisen tritt beim weissen ein
Unterschied hervor, je nachdem dasselbe mit Holzkohlen oder minerali-
schen Brennstoffen dargestellt worden war. Es kann daher auch in
Folgendem von einer derartigen Trennung, wie sie bei Besprechung des
grauen Roheisens zweckmässig erschien, Abstand genommen werden.


Die Unterschiede der verschiedenen Arten beruhen vornehmlich
auf den Abweichungen im Kohlenstoff- und Mangangehalte, wodurch
dann wiederum das Aeussere des Roheisens beeinflusst wird.


Spiegeleisen.

Schon im vorigen Jahrhunderte stellte man auf einzelnen Hoch-
ofenwerken, welche manganhaltige Erze verhütteten 1), eine Roheisen-
sorte dar, ausgezeichnet durch ein grossblättriges Gefüge und glänzend
weisse Farbe. Immerhin scheint man, da der Brennstoffverbrauch bei
der Erzeugung dieses Roheisens verhältnissmässig hoch ausfiel, einen
regelmässigen Betrieb auf die Gewinnung desselben nicht unterhalten
zu haben; und man verwendete es wie alles übrige weisse Roheisen
— dessen Darstellung überhaupt eine sehr beschränkte war — zu der
Anfertigung von Schmiedeeisen und Stahl.


Erst nachdem seit dem Anfange des neunzehnten Jahrhunderts die
Verwendung schmiedbaren Eisens an Stelle des Gusseisens eine grössere
Ausdehnung bekommen und man beobachtet hatte, dass jene bis dahin
seltene Roheisensorte sich als besonders geeignet zur Darstellung der
reineren und kohlenstoffreicheren Sorten schmiedbaren Eisens, ins-
besondere des Stahles, eigne, fing man an, zuerst im Siegenschen, dieses
Roheisen [auch] im grösseren Maassstabe gewerbsmässig darzustellen und
gab ihm in Rücksicht auf die erwähnten grossen, glänzend weissen
Absonderungsflächen seines Gefüges, die man als Spiegel bezeichnete,
den Namen Spiegeleisen.


Deutschland ist auch später, als der Bedarf an diesem Roheisen
sich ausserordentlich gesteigert hatte, die Heimath für die grösste Menge
desselben geblieben, und der Name Spiegeleisen ist auch in andere
Sprachen übergegangen.


Das eigenthümliche, schon kurz besprochene Gefüge des Spiegel-
eisens kennzeichnet dasselbe deutlich vor anderen Roheisenarten. Die
einzelnen Absonderungsflächen stehen annähernd rechtwinklig gegen die
Abkühlungsflächen (d. i. gegen die Aussenflächen der Roheisenmassel),
kreuzen sich aber gegenseitig in den verschiedensten Richtungen, so
dass aus diesen Durchkreuzungen ebener Flächen oft scheinbare Krystall-
[312]Eigenschaften und Eintheilung des Roheisens und der Eisenmangane.
formen hervorgehen; Hohlräume des Spiegeleisens finden sich häufig
durchwachsen von einzelnen dünnen Blättern, welche theils fächerartig
auf und neben einander liegen, theils sich gruppenweise durchkreuzen.
Vielfach hielt man jene erwähnten, aus der Durchkreuzung verschiedener
Flächen hervorgehenden Prismatoide, Sphenoide u. s. w. für wirkliche
Krystalle und stellte Messungen derselben an; Martens dagegen be-
zeichnet infolge neuerer Untersuchungen mit sorgfältiger Benutzung des
Mikroskops jedes der Blätter des Spiegeleisens als eine Reihe paralleler,
dicht neben einander liegender vierseitiger Säulen des rhombischen
Systems 1); und diese Ansicht hat sehr viel Wahrscheinlichkeit für sich.
Auf den Spaltungsflächen des Gefüges aber erkennt man, mitunter
schon mit Hilfe einer schwachen Lupe, zahlreiche tropfenartige oder in
Oktaedern krystallisirte Ausscheidungen, welche auf die stattgehabte
Saigerung beim Krystallisiren hindeuten.


Wie erwähnt, ist die Farbe der frischen Bruchfläche des Spiegel-
eisens rein weiss; wo aber während der Abkühlung die Luft infolge
der Entstehung eines feinen Risses beschränkten Zutritt hatte, entstehen
oft prächtige Anlauffarben in Gelb, Roth oder Blau.


In chemischer Beziehung ist das Spiegeleisen ausgezeichnet durch
einen im Vergleiche zu den übrigen Roheisensorten hohen Kohlenstoff-
gehalt, welcher 4.5—5.1 Proc. zu betragen pflegt und einen nie ganz
fehlenden Mangangehalt, dessen Betrag zwischen 5 und 25 Proc. zu
schwanken pflegt. Sowohl bei niedrigerem als bei höherem Mangan-
gehalte wird die Spiegelbildung auf dem Gefüge undeutlicher und das
Roheisen verliert dadurch die Berechtigung, als Spiegeleisen zu gelten;
die grössten Spiegel finden sich in den Sorten mit 10—15 Proc. Mangan.
Durch langsame Abkühlung (unter einer Schlackendecke) wird die Ent-
stehung eines grossspiegligen Gefüges begünstigt.


An Schwefel und Phosphor pflegt das Spiegeleisen aus den schon
besprochenen Ursachen ziemlich arm zu sein; Schwefel wird durch den
Mangangehalt verschlackt, und phosphorhaltige Erze wird man aus wirth-
schaftlichen Gründen überhaupt nicht zur Darstellung des kostspieligen
Spiegeleisens verwenden.


Dass das Spiegeleisen sich beim anhaltenden Schmelzen in Be-
rührung mit kieselsäurehaltigen Körpern ziemlich leicht durch Aus-
tausch von Mangan gegen Silicium in graues Roheisen umwandelt,
findet seine Erklärung in dem über das Verhalten des Mangans gegen
Kieselsäure Gesagten und dem hohen Kohlenstoffgehalte des Spiegeleisens.


Im geschmolzenen Zustande pflegt das Spiegeleisen während des
Fliessens eine reichliche Menge mit farbloser Flamme verbrennender
Gase zu entwickeln, welche einen dichten weissen Rauch ausstossen.
Die chemische Zusammensetzung dieses Rauches scheint bislang noch
wenig untersucht zu sein. Die Erscheinung deutet auf das Entweichen
von Wasserstoff theils im freien Zustande, theils an andere, den Rauch
erzeugende Körper gebunden. Der Uebergang aus dem flüssigen in
den festen Zustand findet plötzlich statt. Die Oberfläche des erkalteteu
Spiegeleisens pflegt eben zu sein, oft mit Andeutungen der sich kreuzen-
den Spaltungsflächen.


[313]Das weisse Roheisen. Die Arten des weissen Roheisens.

Im Handel pflegt man nach der Beschaffenheit der Bruchfläche
und dem Mangangehalte des Spiegeleisens (welcher in erster Reihe den
Preis desselben bedingt) folgende Sorten zu unterscheiden.


Hochmanganhaltiges mit etwa 20 Proc. Mangan oder darüber.
Die Spiegelflächen sind weniger stark ausgebildet, neben denselben
erscheint mitunter dichter, feinkörniger Bruch.


Grobspiegel, gewöhnlich 6—15 Proc. Mangan enthaltend, aus-
gezeichnet durch schön ausgebildete Spiegelflächen von oft beträcht-
licher Grösse.


Kleinspiegel mit einem Mangangehalte bis zu etwa 6 Proc.,
häufig einige Zehntel Procente Silicium enthaltend und kohlenstoffärmer
als die vorher erwähnten Sorten.


Grauspiegel oder Saumspiegel, d. i. Spiegeleisen, bei welchem
infolge des oben erwähnten Vorgangs (Austausch von Mangan gegen
Silicium) der Kohlenstoff theilweise graphitisch ausgeschieden wurde,
sich an dem Saume der Spiegelflächen ablagernd. Dieses Roheisen pflegt
bis zu 1 Proc. Silicium bei 4—6 Proc. Mangan und 5 Proc. oder mehr
Kohlenstoff zu enthalten. Je höher der Mangangehalt ist, desto mehr
Silicium und Kohle müssen neben einander anwesend sein, damit
Graphitausscheidung erfolge. Diese Roheisensorte erfolgt nicht selten
beim Betriebe auf gewöhnliches Grobspiegeleisen.


Sämmtliche Spiegeleisensorten ohne Graphitausscheidung, also das
eigentliche normale Spiegeleisen, pflegt man zum Unterschiede von diesem
zuletzt erwähnten Grauspiegel als Weissspiegel zu benennen.


Weissstrahl.

Infolge einer beschränkten Ausbildung jener Spiegelflächen, durch
welche das Spiegeleisen gekennzeichnet ist, hat sich statt des spiegeligen
ein strahliges Gefüge gebildet, dessen Strahlen wiederum, wie beim
Spiegeleisen die Spiegelflächen, rechtwinklig gegen die Abkühlungs-
flächen gerichtet sind. Bei den dem Spiegeleisen am nächsten stehenden
Sorten des Weissstrahles ist noch deutlich die Neigung zur Spiegel-
bildung wahrzunehmen; dieselbe verringert sich mehr und mehr, je
mehr das Eisen in seiner Beschaffenheit sich dem unten beschriebenen
gewöhnlichen Weisseisen nähert, und demgemäss wird auch die Strahlen-
bildung immer undeutlicher.


Das weissstrahlige Roheisen pflegt einen Mangangehalt von 2—5
Proc. und einen Kohlenstoffgehalt von 3—4 Proc. zu enthalten. Mit-
unter, besonders bei höherem Mangangehalte, finden sich neben verhält-
nissmässig wenig Kohlenstoff einige Zehntel Proc. Silicium. Phosphor
findet sich in den besser bezahlten Sorten (dem sogenannten Qualitäts-
Weissstrahl) nur in Mengen von weniger als 1 Proc. Man pflegt eben
aus den nämlichen Gründen, welche schon bei Besprechung des Spiegel-
eisens erörtert wurden, um so phosphorärmere Erze zur Darstellung der
verschiedenen Sorten des Weissstrahles zu verwenden, je näher die
letzteren in ihrer Beschaffenheit dem Spiegeleisen stehen.


Beim Fliessen zeigt das mangan- und kohlenstoffreichere weiss-
strahlige Roheisen ähnliche Erscheinungen als das Spiegeleisen, wenn
auch in weniger ausgebildeter Weise; es stösst brennende Gase aus
[314]Eigenschaften und Eintheilung des Roheisens und der Eisenmangane.
und erstarrt plötzlich mit ebener Oberfläche. Je mehr der Mangan- und
Kohlenstoffgehalt abnimmt, desto deutlicher zeigt sich ein dem völligen
Erstarren vorausgehender breiartiger Uebergangszustand; das Roheisen
wirft beim Fliessen knisternde, weiss schimmernde Funken aus, bedeckt
sich an der Oberfläche mit Narben, unter denen oft tiefe Einsenkungen
bemerkbar sind und zeigt mitunter auch auf der Bruchfläche mehr oder
minder zahlreiche, theils kleinere, theils grössere Hohlräume, offenbar
durch Gasblasen entstanden, welche aus dem halberstarrten, teigartigen
Roheisen nicht mehr entweichen konnten. In einzelnen Gegenden nennt
man solches mit Gasblasen durchsetztes Weisseisen „luckiges“ (löchriges)
Roheisen.


Die hauptsächlichste Verwendung findet das weissstrahlige Roheisen
beim Puddelofenbetriebe zur Darstellung schmiedbaren Eisens.


Auf deutschen Eisenwerken unterscheidet man folgende Sorten des
Weissstrahles:


Spiegelig strahliges Roheisen, Halbspiegeleisen, Ueber-
gangsstufe zwischen Kleinspiegel und eigentlichem Weissstrahl, gewöhn-
lich 3—4 Proc. Mangan bei 3.5—4 Proc. oder mitunter noch etwas
darüber Kohle enthaltend.


Hochstrahliges Roheisen. Stark ausgebildete Strahlen, jedoch
ohne Spiegelflächen. Mangangehalt gewöhnlich 2—4 Proc., Kohlenstoff-
gehalt 3—4 Proc.


Gewöhnlicher Weissstrahl. Die Strahlenbildung ist zwar deut-
lich erkennbar, tritt jedoch weniger scharf hervor als bei der vorigen
Sorte. Der Mangangehalt beträgt 1.5—4 Proc., der Kohlenstoffgehalt
2.5—3.5 Proc.; Phosphor findet sich nicht selten in Mengen bis zu 1 Proc.


Findet das weissstrahlige Roheisen Gelegenheit zur Aufnahme
grösserer Mengen Silicium, so dass theilweise Ausscheidung des Kohlen-
stoffs als Graphit eintritt, so entsteht das schon auf S. 301 erwähnte
manganhaltige halbirte oder melirte Roheisen, welches auf einzelnen
Eisenwerken Kerneisen genannt wird.


Gewöhnliches Weisseisen.

Die Strahlenbildung ist undeutlich und verschwindet in den unter-
sten Stufen dieser Roheisengattung vollständig, um einem eigenthüm-
lich feinkörnigen Gefüge Platz zu machen, welches man nicht ohne
Berechtigung mit dem Gefüge eines durchgebrochenen frischen Käses
verglichen hat. Der Kohlenstoffgehalt ist gering und geht selten erheb-
lich über 3 Proc. hinaus; der Mangangehalt ist selten bedeutend, er-
reicht aber doch in einzelnen Sorten 3 Proc.


Sofern nicht das hierher gehörige Roheisen infolge zufälliger Be-
triebsstörungen bei dem Betriebe auf früher erwähnte, aus phosphor-
armen Erzen erblasene, Roheisensorten entstanden war, sondern absicht-
lich dargestellt wurde, pflegt es durch einen grösseren Phosphorgehalt,
als er in jenen besseren Sorten sich findet, gekennzeichnet zu sein.
Man verhüttet eben phosphorreiche Erze (Minette, Bohnerze u. a.) auf
eine solche Roheisenart, deren Herstellungskosten dem ohnehin niedrigen
Verkaufspreise entsprechen. In einzelnen Fällen beträgt daher der Phos-
phorgehalt bis 3 Proc.


Beim Fliessen pflegt das kohlenstoffarme Weisseisen reichliche
[315]Das weisse Roheisen. Die Arten des weissen Roheisens.
Funken zu werfen und beim Erstarren einen noch deutlicher breiartigen
Uebergangszustand als das weissstrahlige Roheisen zu durchlaufen.


Man verwendet das gewöhnliche Weisseisen in allen Fällen für die
Darstellung schmiedbaren Eisens; und zwar theils für den Puddel-
process als sogenanntes Puddelroheisen II. Qualität, theils — seit 1879
— als Material für den basischen Bessemer- oder Thomasprocess, sofern
die chemische Zusammensetzung desselben es für letzteren Zweck ge-
eignet erscheinen lässt.


Die unterste Stufe des Weisseisens, kohlenstoffarm und bei soge-
nanntem übersetztem Gange des Hochofens erfolgt, pflegt Treibeisen
oder Matteisen genannt zu werden. Es steht dem auf S. 301 be-
sprochenen grellen Roheisen nahe.


Analysen von Spiegeleisen und weissem Roheisen.



[316]Eigenschaften und Eintheilung des Roheisens und der Eisenmangane.

4. Die Eisenmangane.


Schon bei Besprechung des Spiegeleisens, welches in Rücksicht auf
seinen nie fehlenden Mangangehalt ebenfalls den Eisenmanganen zu-
gesellt werden könnte, in Rücksicht auf den üblichen Sprachgebrauch
jedoch unter den Arten des weissen Roheisens aufgeführt wurde, war
des Umstandes Erwähnung gethan, dass die demselben eigenthümliche
Spiegelbildung des Gefüges an Deutlichkeit verliert, wenn der Mangan-
gehalt über 20 Proc. hinausgeht. Steigt derselbe über etwa 30 Proc.,
so verschwindet jede Andeutung der Spiegelbildung vollständig; die
Legirung bekommt eine dichte, mitunter fast muschlig zu nennende
Bruchfläche, die reinweisse Farbe des Spiegeleisens bekommt einen
graugelben Ton, jene Anlauffarben aber, deren schon beim Spiegeleisen
gedacht wurde, erscheinen um so leichter und in um so prächtigerer
Ausbildung, je höher der Mangangehalt ist.


Diese Legirungen, deren Mangangehalt zwischen 30 und 90 Proc.
schwanken kann, selten aber über 80 Proc. hinaus geht, da die
Schwierigkeit der Herstellung mit dem Mangangehalte zunimmt, werden
im engeren Sinne Eisenmangane (Ferromangane) genannt.


Eigenthümlich für diese Eisenmangane ist das Auftreten rhombi-
scher Säulen oder Nadeln in zahlreichen Hohlräumen. Die grössten
Krystalle dieser Art — mitunter in Längen von 80 mm bei 5—8 mm
Durchmesser — finden sich in den Legirungen mit etwa 35 Proc.
Mangan; bei höherem Mangangehalte nimmt zwar die Grösse der Kry-
stalle ab, ein Umstand, welcher jedenfalls mit der frühzeitigeren Er-
starrung der manganreicheren Legirungen im Zusammenhange steht,
aber die Neigung zu krystallisiren und somit die Anzahl der Krystalle
zu; Legirungen mit 60—80 Proc. Mangan erscheinen, unter der Lupe
betrachtet, dem Auge oft als Anhäufungen lauter feiner, unter einander
verwachsener Krystallnadeln.


Die Eisenmangane sind ausserordentlich hart und spröde und lassen
sich ohne Schwierigkeit pulvern. Ihre Schmelztemperatur steigt, wie
früher schon erwähnt wurde, mit dem Mangangehalte in beträchtlichem
Maasse; auch schon bei den weniger manganreichen dieser Legirungen
liegt die Erzeugungstemperatur höher als die Verdampfungstemperatur
des nicht legirten Mangans, und infolge davon wird ein Theil des
letzteren dampfförmig verflüchtigt (vergl. S. 253). Jedenfalls wird durch
die Legirung des Mangans mit Eisen, Kohle u. s. w. auch die Ver-
dampfungsfähigkeit desselben abgeschwächt, so dass die gebildete
Legirung auch die stärkere, zum Schmelzen erforderliche Temperatur
erträgt, ohne den Mangangehalt zu entlassen, ein Umstand, welcher
auch bei anderen Metallen zu Tage tritt (z. B. beim Zink in der Legi-
rung mit Kupfer, Nickel u. a. m.).


Alle Eisenmangane zeichnen sich durch einen höheren Kohlenstoff-
gehalt vor dem eigentlichen Roheisen aus; in den manganreichsten
erreicht derselbe eine Höhe von 7.5 Proc., ist aber mitunter theilweise
durch einen Siliciumgehalt von mehreren Procenten vertreten, ohne dass
bei dem hohen Mangangehalte sichtbare Graphitausscheidung durch den-
selben veranlasst würde.


[317]Eisenmangane. Literatur.

Schwefel wird ebenso wenig als im Spiegeleisen in erheblichen
Mengen in den Eisenmanganen vorkommen. Schwieriger ist es, den
Phosphor bei der Darstellung fern zu halten, da nur wenige der erfor-
derlichen Manganerze so rein von Phosphor sind, als die grössere
Menge der für die Spiegeleisendarstellung benutzbaren Spatheisensteine.


Man verwendet die Eisenmangane vorwiegend bei der Flusseisen-
darstellung als Reductionsmittel für Eisenoxydul, welches im flüssigen
Eisen gelöst ist.


Analysen von Eisenmanganen.



Literatur.


a. Selbstständige Werke.


  • E. F. Dürre, Ueber die Constitution des Roheisens und den Werth seiner
    physikalischen Eigenschaften zur Begründung eines allgemeinen
    Constitutionsgetzes für dasselbe
    . Leipzig 1868.
  • R. Wachler, Vergleichende Qualitätsuntersuchungen rheinisch-west-
    fälischen und ausländischen Giesserei-Roheisens
    . Sonderabdruck
    aus Glaser’s Annalen für Gewerbe und Bauwesen. Berlin 1879.
  • A. Ledebur, Das Roheisen mit besonderer Berücksichtigung seiner Ver-
    wendung für die Eisengiesserei
    . Zweite vollständig umgearbeitete Auf-
    lage. Leipzig 1879.

b. Abhandlungen.


  • Hortmann, Die Beziehungen zwischen der äusseren Erscheinung des
    Roheisens und seinen inneren Eigenschaften
    . Zeitschr. d. Vereins
    deutsch. Ing. 1878, S. 39; Deutsche Industrie-Ztg. 1878, S. 115.
  • A. Martens, Ueber die mikroskopische Untersuchung des Eisens. Zeitschr.
    d. Vereins deutsch. Ing. 1878, S. 11.
  • A. Martens, Zur Mikrostructur des Spiegeleisens. Zeitschr. d. Vereins
    deutsch. Ing. 1878, S. 205, 481.

[318]Der Hochofen.
  • A. Martens, Ueber das mikroskopische Gefüge und die Krystallisation
    des Roheisens, speciell des grauen Roheisens
    . Zeitschr. d. Vereins
    deutsch. Ing. 1880, S. 398.
  • A. Martens, Ueber die mikroskopische Untersuchung des Eisens.
    Sitzungsberichte d. Vereins zur Beförd. des Gewerbfleisses 1882, S. 233.
  • Besprechung der gegenwärtigen Lage und der neueren Fortschritte
    der deutschen Roheisenerzeugung
    . „Stahl und Eisen“ 1882, S. 208.

II. Der Hochofen.


1. Historisches.


Den zur Darstellung von Roheisen und Eisenmanganen im Grossen
benutzten Ofen nennt man in Rücksicht auf seine beträchtliche Höhe
Hochofen, hoher Ofen oder Hohofen. Wie der Hochofen nach Ein-
führung der Anwendung von Wasserkraft zum Betriebe der Gebläse
allmählich aus den kleineren zur Darstellung schmiedbaren Eisens aus
den Erzen benutzten Oefen sich entwickelte, ist bereits auf S. 8 ge-
schildert worden.


Die ersten Spuren der gewerbsmässigen Roheisendarstellung finden
sich im Anfange des 13. Jahrhunderts im Siegerlande und bei Schmal-
kalden. 1) Die ersten dafür benutzten Oefen wurden Bla-Oefen oder
Blau-Oefen (Blaseöfen) genannt und hatten kaum mehr als 3 m Höhe;
gegen Ende des Jahrhunderts erhöhte man im Elsass die Oefen bis
auf 5 m und verlieh ihnen nun erst den Namen Hochöfen. Gegen
Ende des 15. Jahrhunderts wurde die Roheisendarstellung, welche regel-
mässig Hand in Hand mit der unmittelbaren Verwendung des Roh-
eisens zur Gusswaarenerzeugung ging, in England eingeführt, in den
ersten Jahren des 16. Jahrhunderts beginnt sie am Harze sich ein-
zubürgern.


Die Production der Hochöfen der damaligen Zeit war im Ver-
gleiche zu der Leistungsfähigkeit moderner Hochöfen winzig klein. Der
im Jahre 1544 zu Ilsenburg am Harze angelegte Hochofen lieferte, wie
aus überkommenen Hüttenrechnungen hervorgeht, gegen Ende des
16. Jahrhunderts täglich 15 Ctr. (etwa 750 kg) Eisen 2) — ein Hochofen
der Jetztzeit vermag nicht selten die hundertfache Menge Roheisen zu
erzeugen und unter günstigen Verhältnissen noch mehr.


Während des vorigen und theilweise schon während des 17. Jahr-
hunderts stellte man, veranlasst durch den überhand nehmenden Holz-
mangel Grossbritanniens, beharrlich fortgesetzte Versuche an, anstatt
der bis dahin ausschliesslich verwendeten Holzkohlen mineralische Brenn-
stoffe für den Hochofenbetrieb zu verwenden. 1625 wurde schon in
Dudley ein Ofen versuchsweise mit Steinkohlen betrieben; der erste
regelmässige Betrieb wurde, nachdem man gelernt hatte, brauchbare
Koks darzustellen, durch Abraham Darby im Jahre 1735 zu Cole-
brookdale in Shropshire, bald darauf auch in Horsehay eingerichtet. 3)
[319]Historisches. Die Form und der Bau des Hochofens.
Auch die Leistungsfähigkeit der ersten Kokshochöfen war gering und
bezifferte sich z. B. bei jenem Ofen zu Horsehay auf etwa 3000 kg
per Tag. Auf dem Continente errichtete man in den Jahren 1794 und
1795 den ersten Kokshochofen zu Gleiwitz (Oberschlesien), welcher
eine Höhe von 12.9 m bei einem Fassungsraume von 40.3 cbm erhielt
und 1796 angeblasen wurde. Anfänglich lieferte derselbe nur etwa
1000 kg per Tag, welche Leistung sich jedoch bereits im Jahre 1800
auf etwas mehr als das Dreifache gesteigert hatte. 1)


Da in Rücksicht auf die schon erwähnte Verwendung des grössten
Theils alles erzeugten Roheisens für die Giesserei man vorzugsweise
auf graues Roheisen arbeitete, so erklärt es sich, dass in Gegenden,
wo manganreiche, für Weisseisendarstellung mehr als für Gusseisen-
erzeugung geeignete Erze verhüttet wurden, man sich verhältnissmässig
langsam entschloss, die frühere Methode, Darstellung von Stahl und
Schmiedeeisen unmittelbar aus den Erzen, aufzugeben und zur Roh-
eisendarstellung überzugehen. Erst als nach Erfindung der Dampf-
kraft und Einführung der Eisenbahnen mit Dampfbetrieb der Bedarf
an Eisen im Ganzen und an schmiedbarem Eisen insbesondere in’s
Ungeheure stieg 2), gewann die Darstellung weissen Roheisens, welches
seiner Reinheit von Silicium halber sich rascher als graues in schmied-
bares Eisen umwandeln lässt, eine erhöhte Bedeutung, und die Menge
des auschliesslich zum Verfrischen erblasenen — grauen und weissen
— Roheisens überwog bald die Menge des für die Giesserei bestimmten
um ein Beträchtliches.


Der gesteigerte Bedarf an Roheisen überhaupt liess sich jedoch
nur durch Anwendung von Koks für den Hochofenbetrieb decken; und
je mehr das Eisenbahnnetz sich über die eisenerzeugenden Gegenden
ausbreitete, desto reichlichere Gelegenheit zur Beschaffung verhältniss-
mässig billiger Koks bot sich auch solchen Eisenwerken, welche fern
von den Steinkohlenlagern belegen waren. So minderte sich die Zahl
der Holzkohlenhochöfen von Jahr zu Jahr, während die Kokshochöfen
sich rasch vermehrten. Die schon früher erörterten Umstände aber,
insbesondere die geringere Verwendbarkeit des Koksroheisens für den
unmittelbaren Guss aus dem Hochofen und die wachsende Zahl der
Eisengiessereien fern von einem Hochofenwerke, liessen auch da, wo
man Giessereiroheisen erzeugte, die alte Betriebsweise — die Ver-
einigung der Eisengiesserei mit dem Hochofen — mehr und mehr ver-
schwinden, sobald man zum Betriebe mit Koks überging.


2. Die Form und der Bau des Hochofens.


a) Die innere Form oder das Profil des Hochofens.

Die verschiedenen Hochofenprofile und ihre Beziehungen zum Hoch-
ofenprocesse
.

Der Hochofen ist ein direct wirkender Schachtofen (S. 106), in
dessen obere Oeffnung, die Gicht, die zur Heizung und Reduction
bestimmten Brennstoffe — Holzkohlen, Koks, auch wohl rohe Stein-
[320]Der Hochofen.
kohlen, Anthracite, Braunkohlen und neben den Holzkohlen rohes
Holz — in abwechselnden Lagen mit den zu verhüttenden Erzen und
Zuschlägen (S. 172) eingeschüttet werden, während in dem untersten
Theile des Ofens durch zugeführte Gebläseluft Verbrennung des Brenn-
stoffs stattfindet.


Solcherart entsteht die jedem direct wirkenden Schachtofen eigen-
thümliche, auf S. 107 geschilderte entgegengesetzte Bewegungsrichtung
der gasförmigen Verbrennungserzeugnisse und der festen Körper, welche
eine ausgedehnte Berührung beider ermöglicht und dem Schachtofen ein
so entschiedenes Uebergewicht über andere Ofengattungen verleiht.
Die Gase steigen empor, um aus der Gicht zu entweichen, die festen
Körper sinken abwärts, die den Gasen entzogene Wärme wieder nach
unten führend, um hier theils als Brennstoff zu dienen, theils reducirt
und geschmolzen zu werden. Roheisen und Schlacke, die beiden End-
erzeugnisse des zuletzt erwähnten Vorgangs, sammeln sich unterhalb
der Windeinströmungsöffnungen (Formen), sondern sich vermöge der
Verschiedenheit ihres specifischen Gewichts (specifisches Gewicht des
Roheisens ca. 7.3, der Schlacke 2.8) von einander und lassen sich ge-
trennt dem Hochofen entziehen.


Die erwähnten Gase des Hochofens haben eine doppelte Aufgabe
zu erfüllen. Sie bilden erstens, wie in jedem Schachtofen, die Träger
der bei ihrer Erzeugung gebildeten Wärme, um diese an die ihnen
begegnenden festen Körper abzugeben; sie sollen aber zweitens auch
als Reductionsmaterial für die Erze dienen.


Aus den früheren Erörterungen über die Reduction der Eisenerze
folgt, dass diese sowohl durch Kohlenoxydgas als durch festen Kohlen-
stoff bewirkt werden kann; die Ziffern auf S. 222 und 223 zeigen, wie
erheblich grösser der Wärmeverbrauch ist, wenn feste Kohle als wenn
Kohlenoxydgas für die Reduction benutzt wird.


Unter übrigens gleichen Verhältnissen wird mithin ein Hochofen
um so weniger Brennstoff zur Darstellung der gleichen Menge Roh-
eisen gebrauchen, je vollständiger die Erze durch Kohlenoxyd, je
weniger sie durch feste Kohle reducirt werden.


Reduction durch Kohlenoxyd aber kann nur so lange stattfinden,
als die Erze nicht geschmolzen und dabei verschlackt sind; von dem
Augenblicke des Schmelzens an muss die Reduction durch Kohlenstoff
an ihre Stelle treten. Hieraus folgt, dass jenes Ziel, möglichste Aus-
dehnung der Reduction durch Kohlenoxyd, um so leichter erreichbar
sein wird, je rascher beim Aufsteigen der Gase die vor den Formen
des Hochofens zur Durchführung des Schmelzprocesses erforderliche
hohe Temperatur unter jene Grenze sinkt, wo die Schlackenbildung
und die Aufnahme des noch nicht reducirten Eisens in die Schlacke
beginnt. Anderntheils ist eine annähernd vollständige Reduction des
überhaupt in der Beschickung vorhandenen Eisens nur möglich und
die Oxydation schon reducirten Eisens vor den Formen lässt sich nur
vermeiden, wenn sich der Sauerstoff der eingeblasenen atmosphärischen
Luft hier rasch und vollständig mit Kohlenstoff zu Kohlenoxyd ver-
einigt; beim Aufsteigen der Gase aber kann, ohne dass dieselben ihre
Eigenschaft als Reductionsmaterial einbüssen, ihr Gehalt an Kohlen-
[321]Die Form und der Bau des Hochofens.
säure um so mehr zunehmen, je mehr ihre Temperatur sich vermindert
(S. 13 und 225).


Die Aufgabe des dem Hochofen zugeführten Brennstoffs lässt sich
demnach folgendermaassen bezeichnen: derselbe soll, um die zur Durch-
führung des Schmelzprocesses erforderliche Wärme zu liefern, durch
den Sauerstoff des Gebläses zu Kohlenoxyd verbrannt werden,
welches bei seinem Aufsteigen im Ofen die Reduction der niederrücken-
den Erze bewirkt. Die bei diesem Reductionsprocesse entstehende
Kohlensäure aber soll so wenig als möglich wieder zu Kohlenoxyd
reducirt werden; denn jedes Gewichtstheil Kohlenstoff, welches im
oberen Theile des Hochofens zur Reduction der Kohlensäure verbraucht
und dem Ofen hierdurch entführt wird, geht seiner eigentlichen Be-
stimmung verloren. Je weniger Brennstoff zur directen Reduction des
Erzes wie zur Reduction von Kohlensäure verbraucht und hierdurch
jener Aufgabe, Wärme zu entwickeln, entzogen wird, desto günstiger
gestaltet sich die Leistung des Hochofens.


Diesem kurz geschilderten Verlaufe des Hochofenprocesses ent-
sprechend muss die Form des Ofeninnern eingerichtet sein.


Die einfachste Form würde ein Cylinder sein; aber dem Zwecke
des Hochofens würde dieselbe nur ungenügend entsprechen. Diese durch
die Erfahrung von Jahrhunderten bestätigte Thatsache erklärt sich durch
folgende Betrachtung.


Damit die Gase gleichmässig die Schmelzsäule, d. h. die in dem
Ofen angehäuften festen Körper, durchdringen, ist es zunächst erforder-
lich, dass die Verbrennung, aus welcher jene Gase hervorgehen, auch
gleichmässig innerhalb des ganzen Ofenquerschnittes stattfinde, d. h.
also, dass der Gebläsewind bis zur Achse des Ofens vordringe. Je
weiter die Ofenachse aber von dem Umfange, an welchem die Luft
eintritt, entfernt ist, desto schwieriger ist dieses Ziel erreichbar, desto
grössere Geschwindigkeit muss die eintretende Luft besitzen, eine desto
grössere mechanische Arbeit zur Erzeugung dieser Geschwindigkeit ist
erforderlich. Ein enger Durchmesser des Ofens an der Stelle, wo die
Gebläseluft eintritt (in der Formebene) befördert also die Gleichmässig-
keit der Verbrennung. Wollte man nun aber dem Ofen bis zur Gicht
den gleichen Durchmesser, also in Wirklichkeit cylindrische Form,
geben, so würde für einen gegebenen Rauminhalt, von welchem immer-
hin die Leistungsfähigkeit des Ofens abhängig ist, eine sehr beträchtliche
Höhe nothwendig sein; je grösser aber die Ofenhöhe ist, desto grössere
Widerstände finden die Ofengase beim Durchdringen der Schmelzsäule,
desto grösser ist ihre Spannung im untern Theile des Ofens und desto
grösser muss demnach auch die Spannung des eintretenden Gebläse-
windes sein, welche wiederum nur durch erhöhten Aufwand an mecha-
nischer Arbeit zu erzielen sein würde. Was durch Anwendung eines
engeren Durchmessers gewonnen wird, ginge durch die erforderliche
grössere Höhe wieder verloren. Man beschränkt also den engen Durch-
messer des Ofens auf den unteren Theil in der Formgegend und lässt
von hier an nach oben den Ofen sich zunächst erweitern, um bei
geringerer Höhe einen grösseren Rauminhalt zu erlangen.


Ledebur, Handbuch. 21
[322]Der Hochofen.

Durch dieses einfache Mittel wird noch ein anderer Vortheil er-
reicht.


Infolge der Reibung, welche die niederrückende Schmelzsäule an
den Wänden des Ofens erleidet, findet ein Voreilen der einzelnen
Stücke nach der Achse des Ofens hin statt; die Bewegung ist hier
rascher als an den Wänden und die einzelnen Stücke liegen dichter
auf einander. Besonders werden die specifisch schwereren Bestandtheile
der Schmelzsäule, also die Erze und Zuschläge, nach der Achse hin
drängen, während die Brennstoffe, je weiter nach unten, um so mehr
nach den Wänden des Ofens hingeschoben werden. Die Gase aber
werden infolge dieser ungleichmässigen Vertheilung der Bestandtheile
der Schmelzsäule denjenigen Weg wählen, wo sich ihnen die gering-
sten Widerstände entgegenstellen: sie werden das Bestreben haben, an
den Ofenwänden aufzusteigen, wo die Schmelzsäule am wenigsten dicht
liegt. Je stärker sie diesem Bestreben Folge geben können, desto mehr
werden die in der Mitte des Ofenquerschnittes sich anhäufenden Erze
ihrer Einwirkung entzogen werden, desto grössere Mengen unredu-
cirten Eisens werden in den Schmelzraum des Ofens gelangen und hier
durch festen Kohlenstoff reducirt werden müssen. Offenbar wird diesem
für die Brennstoffausnutzung im Hochofen nachtheiligen Bestreben der
Gase entgegen gewirkt werden, wenn man die Verbrennung, d. h. die
Entwicklung der Gase, auf einen engeren Querschnitt rings um die
Ofenachse her beschränkt und von hier aus den Ofen sich erweitern
lässt, so dass die Gase erst allmählich bei ihrem Aufsteigen nach dem
Umfange hin gelangen können.


Wollte man nun aber jene oberhalb der Formebene stattfindende
Erweiterung des Ofens bis zur Gicht hin sich fortsetzen lassen, so
würden andere Nachtheile dadurch entstehen. Die Gicht würde einen
sehr grossen Durchmesser erhalten und die gleichmässige Vertheilung
der aufzuschüttenden Schmelzmaterialien würde dadurch erschwert wer-
den; die schon erwähnte Reibung der letzteren an den Ofenwänden
aber würde durch die Trichterform des Ofenschachtes erheblich ver-
stärkt werden und die geschilderten nachtheiligen Einflüsse derselben
auf den Verlauf der Reduction würden in noch empfindlicherer Weise
hervortreten. Man begnügt sich daher, den Ofenschacht bis zu einem
Theile der ganzen Ofenhöhe sich erweitern zu lassen, von hier aus
nach der Gicht aber zur Innehaltung des normalen Gichtdurchmessers
allmählich wieder zu verengen.


Auf diese Weise entsteht die in Fig. 51 skizzirte Urform der Hoch-
öfen, welche schon vor Jahrhunderten auf Grund empirischer Versuche
eingeführt wurde und noch jetzt bei verschiedenen Hochöfen — z. B.
in den östreichischen Alpen für Weisseisendarstellung — in Anwendung
ist: zwei Kegel, welche mit ihren breiten Grundflächen an einander
stossen. Die Ebene a b, in welcher der Ofen seinen grössten Durch-
messer besitzt, heisst der Kohlensack.


Der gleichmässigste Niedergang der Schmelzmaterialien wird statt-
finden, wenn die Höhenlage des Kohlensacks eine solche ist, dass von
hier aus abwärts die mit der Vergasung der Brennstoffe und Schmelzung
der Erze Hand in Hand gehende Verkleinerung des Rauminhaltes der
aufgegichteten Schmelzmaterialien beginnt.


[323]Die Form und der Bau des Hochofens.

Als eine Abart dieser Ofenform kann die in Fig. 52 skizzirte be-
trachtet werden. Der Herd des Ofens, d. h. der unterhalb der Formen
befindliche Sammelraum für Roheisen und Schlacken, ist hier etwas
geräumiger als bei der ersten Form.


Will man graues Roheisen darstellen, so ist hierfür in Rücksicht
auf die erforderliche Reduction von Silicium wie auf die grössere Streng-
flüssigkeit der Beschickung eine höhere Temperatur im Schmelzraume
des Hochofens unmittelbar über den Formen erforderlich als für Weiss-
eisendarstellung. Durch einen engen Querschnitt des Ofens an dieser
Stelle lässt sich die Erzielung einer höheren Temperatur erleichtern;
denn je enger der Querschnitt ist, desto rascher werden die Gase hin-
durchziehen, desto weniger Wärme werden sie innerhalb dieses Quer-
schnittes abgeben, desto weniger abgekühlt werden sie denselben ver-
lassen. Auf diesem Umstande beruht die Anwendung einer Ofenform,

Figure 35. Fig. 51.


Figure 36. Fig. 52.


Figure 37. Fig. 53.


wie sie in Fig. 53 dargestellt ist, und welche in den meisten Ländern
schon seit alter Zeit wohl am häufigsten angewendet wird, wenn Grau-
eisen dargestellt werden soll, jedoch auch nicht selten zur Weisseisen-
darstellung benutzt wird. Ein solcher Ofen besteht, wie die Skizze er-
kennen lässt, aus drei Theilen. Zu unterst, den Verbrennungsraum
und Schmelzraum einschliessend, findet sich das Gestella, cylindrisch
(in einzelnen Fällen prismatisch) geformt oder ganz schwach nach oben
sich erweiternd, eng im Durchmesser und nach unten wieder in dem
Herde endigend; auf das Gestell setzt sich als Mittelstück die nach
oben sich stark erweiternde Rastb; den oberen Theil des Ofens bildet
der Schacht (im engeren Sinne) c. Die Trennungsebene zwischen Rast
und Schacht da, wo der Ofen seinen grössten Durchmesser besitzt,
heisst auch hier der Kohlensack.


21*
[324]Der Hochofen.

Je enger und höher das Gestell ist, desto leichter wird man eine
hohe Temperatur daselbst erzielen können; aber desto grösser ist auch
die Gasspannung im Gestelle und desto grösser die erforderliche Arbeit
zur Verdichtung des einzublasenden Windes. Mit voller Berechtigung
hat man deshalb ein allzu enges und hohes Gestell einem Hemmschuh
verglichen, welcher einem Wagen auf ebener Strasse angelegt wird 1);
man erhöht entweder die erforderliche Arbeit zur Fortbewegung des
Wagens, d. i. zum Betriebe des Hochofens, oder man verlangsamt die
Bewegungsgeschwindigkeit, d. h. man verringert die Leistungsfähigkeit
des Hochofens. Seitdem man daher durch Erhitzung des Gebläsewindes
ein anderes bewährtes Mittel gefunden hat, eine hohe Temperatur vor
und unmittelbar über den Formen des Ofens hervorzubringen, sind
jene übermässig engen und hohen Gestelle, welche man noch um die
Mitte dieses Jahrhunderts für Graueisendarstellung als unerlässlich zu
betrachten pflegte, fast ganz verschwunden; man begnügt sich, dem
Gestell einen Durchmesser zu geben, welcher das Vordringen des Windes
bis zur Ofenachse ermöglicht, und beschränkt die Höhe auf ein ge-
ringeres Maass als früher. Ob durch Anwendung eines eigentlichen
Gestelles bei Anwendung heissen Windes ein wirklicher Vortheil er-
reicht wird, bleibt immerhin etwas zweifelhaft; denn die Erfahrung
lehrt, dass sehr bald der obere Theil des Gestelles wie der untere
Theil der Rast wegzuschmelzen pflegen, wie es durch die punktirten
Linien in Fig. 53 angedeutet ist, und der Ofen infolge dieses Vor-
ganges eine Form annimmt, welche der in Fig. 52 skizzirten sehr ähn-
lich ist, ohne dass in den meisten Fällen eine Verschlechterung des
Ofenganges dabei zu beobachten wäre.


Alle scharfen Uebergänge in dem Ofenprofile werden naturgemäss
Veranlassung zu Ungleichmässigkeiten in dem Niedergange der Schmelz-
materialien geben können. Auf der Erwägung dieses Umstandes be-
ruht die Anwendung einer Hochofenform, wie sie durch Fig. 54 dar-
gestellt ist. Als vermittelndes Glied zwischen Rast und Schacht ist
ein Cylinder eingeschaltet, dessen Höhe bei einigen Oefen nur wenige
Decimeter beträgt, bei anderen dagegen einen beträchtlichen Theil der
Gesammthöhe ausmacht. Da dieser Cylinder, wie der Kohlensack der
bisher besprochenen Ofenformen, den weitesten Theil des ganzen Ofens
bildet, so pflegt man ihn ebenfalls als Kohlensack zu bezeichnen.


In weiterer Verfolgung des Bestrebens, scharfe Uebergänge in den
Linien des Ofenprofiles zu vermeiden, gelangt man dahin, das Profil
curvenförmig zu construiren (Fig. 55), eine Methode, welche jedenfalls
häufiger in Anwendung wäre, wenn nicht die Herstellung der für den
Aufbau eines solchen Ofens erforderlichen passenden Steine mit etwas
grösseren Schwierigkeiten als bei gradliniger Begrenzung verknüpft wäre.


Eine allmähliche Zusammenziehung des Ofenschachtes nach der
Gicht zu, wie sie bei den bisher besprochenen Ofenformen Anwendung
findet, erleichtert, wie schon erörtert wurde, das gleichmässige Nieder-
gehen der „Gichten“, d. h. der in die Gicht eingeschütteten Materialien,
und zugleich die Bedienung der Gicht selbst. Ein Uebermaass in dieser
Beziehung, d. h. eine zu starke Verengung der Gicht und zu rasche
[325]Die Form und der Bau des Hochofens.
Convergenz des Profils ruft jedoch andere Uebelstände hervor. Ein
enger Gichtendurchmesser bedingt eine beschleunigte Geschwindigkeit
der austretenden Gase, die wiederum eine erhöhte Gasspannung im

Figure 38. Fig. 54.


Figure 39. Fig. 55.


Ofeninnern zur Folge hat und nur durch verstärkte Leistung der Ge-
bläsemaschine zu erreichen ist; eine zu starke Neigung der Seiten-

Figure 40. Fig. 56.


Figure 41. Fig. 57.


wände macht eine rasche Ausbreitung der Gichten bei ihrem Nieder-
gange nothwendig, welche leicht eine Auflockerung an den Wänden,
[326]Der Hochofen.
also gerade da, wo eine dichtere Lagerung erwünscht ist, zur Folge
hat und somit das Gegentheil des beabsichtigten Erfolges bewirkt. Nach-
dem diese Nachtheile einer zu engen Gicht, insbesondere die dadurch
hervorgerufene Beschränkung der Leistungsfähigkeit eines Ofens, ver-
schiedentlich beobachtet, die Vortheile weiterer Gichten erkannt worden
waren, gab man auf verschiedenen Werken die übliche Kegelform des
oberen Schachtes auf und ging zu einer cylindrischen Form über, wo-
durch dann die in Fig. 56 skizzirte Ofenform entstand. Wenn that-
sächlich in vielen Fällen, besonders da, wo der Kohlensackdurchmesser
des Ofens nicht sehr gross war, durch eine derartige Construction
merkbare Nachtheile für den Ofengang nicht hervorgerufen wurden, so
kann doch eine Form, wie sie Fig. 57 darstellt und wie sie mitunter
auf englischen Eisenwerken zur Anwendung gebracht ist, um auch bei
engerer Gicht einen grösseren Schachtdurchmesser zu erhalten, nur
durch besondere Verhältnisse (Einrichtung der mechanischen Aufgebe-
vorrichtung) gerechtfertigt erscheinen.


Abgesehen von den zahlreichen Abweichungen in dem Profile der
Hochöfen, von denen natürlicherweise nur die am meisten charakte-
ristischen Formen in Vorstehendem beschrieben werden konnten, lassen
sich nach der Einrichtung des Herdes, d. h. des unterhalb der Wind-
formen befindlichen Sammelraumes für Roheisen und Schlacke zwei
wesentlich abweichende Ofengattungen unterscheiden.


Bei den zu der ersten dieser Ofengattungen gehörigen Oefen,
welche man als Hochöfen mit geschlossener Brust (auch wohl
als Tiegelöfen) zu bezeichnen pflegt, ist der Herd, wie es die Skizze
Fig. 58 erkennen lässt, ringsum geschlossen und bildet somit lediglich
eine Verlängerung des Gestelles nach unten. In der Seitenwand des
Herdes unmittelbar über dem Boden ist an einer geeigneten Stelle eine
ausreichend grosse Oeffnung zum Ablassen des Roheisens angebracht,
der Roheisenstich oder das Stichloch, welche durch Sand oder
feuerfesten Thon geschlossen gehalten und nur von Zeit zu Zeit ge-
öffnet wird, wenn das „Abstechen“ des Roheisens vor sich gehen soll.
An einer höher gelegenen Stelle, etwas unterhalb der Formebene und
gewöhnlich an einer andern Seite des Ofens als der Eisenstich ist
eine zweite kleinere Oeffnung, die Schlackenöffnung oder der
Schlackenstich angebracht, durch welche man die gebildete Schlacke
entweder ununterbrochen abfliessen lässt oder von Zeit zu Zeit absticht.
Die Lage dieser Schlackenöffnung bezeichnet also die Höhe, bis zu
welcher überhaupt die geschmolzenen Massen im Ofen ansteigen können.


Diese Einrichtung ist die bei den ältesten aller Hochöfen, den
schon erwähnten Blauöfen, angewendete, und man bezeichnet deshalb
in einzelnen Gegenden auch jetzt noch die Hochöfen mit geschlossener
Brust als Blauöfen. Das Innere des Gestelles und Herdes ist nur
durch die verhältnissmässig engen Windformen und den Schlackenstich
zugänglich; die Bildung einer dünnflüssigen Schlacke ist deshalb bei
Anwendung der geschlossenen Brust nothwendig, damit nicht durch
erstarrte Massen Versetzungen im Innern entstehen, welche den Fort-
[327]Die Form und der Bau des Hochofens.
gang des Schmelzprocesses in Frage stellen können und sich nur mit
grosser Schwierigkeit beseitigen lassen würden.


Bei der zweiten Ofengattung, den in Fig. 59 dargestellten Hoch-
öfen mit offener Brust
oder Sumpföfen, ist durch eine Oeff-
nung a in der Herdwand, welche bis ungefähr zur Formebene hinan-
reicht, das Innere des Herdes von aussen her zugänglich gemacht und
zugleich ein grösserer Sammelraum für das geschmolzene Roheisen, der
sogenannte Eisenkasten geschaffen; an der vorderen Seite wird der

Figure 42. Fig. 58.


Figure 43. Fig. 59.


letztere durch den von einer der nach aussen verlängerten Seiten-
wände quer zur andern hinübergehenden Wall oder Wallstein ab-
geschlossen. In dem Wallsteine, gewöhnlich an einer Seite desselben,
befindet sich das Stichloch für das Roheisen; über den obern Rand
desselben hinweg fliesst die Schlacke ab oder wird — bei mangelnder
Dünnflüssigkeit — von Zeit zu Zeit abgezogen. Bei flüssiger Schlacke
(Laufschlacke) pflegt man, wie in der Abbildung angedeutet ist, vor
dem Wallsteine an der einen Seite desselben aus Sand und Kohlen-
[328]Der Hochofen.
lösche eine schiefe Ebene — die Schlackentrift — aufzustürzen
und in dieser eine Gosse auszusparen, in welcher die Schlacke ab-
fliessen kann.


Damit die flüssige Schlacke nicht bis zu den Windformen ansteige,
muss die Oberkante des Wallsteines bei zähflüssiger Beschaffenheit der
Schlacke (Betrieb mit Holzkohlen) ein wenig tiefer, bei dünnflüssiger
Schlacke wenigstens nicht erheblich höher als diese liegen. Die im
Innern des Ofens herrschende Gasspannung treibt alsdann die Schlacke
über den Wallstein hinweg.


Den Stein b des Gestellmauerwerks, welcher die erwähnte Oeff-
nung a von oben abschliesst, nennt man Tümpel oder Tümpelstein.
Die Unterkante desselben muss ungefähr in gleicher Höhenlage mit der
Oberkante des Wallsteines sich befinden oder darf nur wenig höher
liegen, damit nicht die Gase des Hochofens unter dem Tümpel hinweg
ihren Weg nach aussen nehmen und solcherart nutzlos für den Hoch-
ofenprocess entweichen können.


Die Einrichtung der Oefen mit offener Brust, welche nach Gurlt
schon gegen Ende des 13. Jahrhunderts, also jedenfalls sehr bald nach
Erfindung der Roheisendarstellung überhaupt, eingeführt wurde, fusst
jedenfalls auf dem Umstande, dass die mit kaltem Winde und einer
zähflüssigen Schlacke auf graues Roheisen betriebenen Hochöfen unter
häufigen Versetzungen zu leiden hatten, die sich nur beseitigen liessen,
wenn man das Ofeninnere durch Oeffnen der Brust für Haken, Brech-
stangen u. s. w. zugänglich machte, welche unter dem Tümpel hin-
durch in den Ofen geschoben werden können. Jahrhunderte hindurch
bis in die neueste Zeit hinein bildeten sie dann die Regel, die Oefen
mit geschlossener Brust die Ausnahme. In manchen Ländern, z. B. in
Grossbritannien und Belgien, sind noch jetzt die Oefen mit offener
Brust häufiger als mit geschlossener Brust anzutreffen.


Dennoch besitzen die ersteren unläugbar gewisse Nachtheile. Am
deutlichsten treten dieselben hervor, wenn nach dem Ablassen des Roh-
eisens die Oberfläche der Schlacke im Herde sinkt, die Unterkante des
Tümpels frei zu liegen kommt und die Hochofengase unter demselben
ihren Weg nach aussen finden. Um die Entstehung einer langen unter
dem Tümpel herausschlagenden Flamme zu vermeiden, welche das
Arbeiten vor dem Ofen unmöglich machen würde, muss das Gebläse
während des Abstechens zum Stillstand gebracht werden; dann wird
der Herd gereinigt, mit Lösche gefüllt und nun erst kann das Blasen
wieder beginnen. Durch diesen längeren Stillstand des Gebläses wird
nicht allein unmittelbar die Leistung des Ofens geschmälert; es tritt
auch eine Abkühlung des Gestelles ein, welche nicht selten Unregel-
mässigkeiten des Schmelzganges zur Folge hat und durch erhöhten
Brennstoffaufwand wieder ausgeglichen werden muss.


Nachdem man daher durch Einführung des Betriebes mit erhitzter
Gebläseluft die Möglichkeit erlangt hatte, die Temperatur im Gestell
der Hochöfen beträchtlich zu steigern und auf diese Weise — auch
bei Graueisendarstellung — eine dünnflüssigere, weniger rasch erstar-
rende Schlacke zu bekommen, und als ferner durch eine Einrichtung,
welche unten ausführlichere Besprechung finden wird (Lürmann’sche
Schlackenform), der bei den älteren Oefen mit geschlossener Brust häufig
[329]Die Form und der Bau des Hochofens.
zu Tage tretende Uebelstand, dass durch die dünnflüssige Schlacke der
Schlackenstich rasch ausgefressen und erweitert wird, glücklich be-
seitigt worden war, kehrte man vielfach und mit bestem Erfolge zu der
uralten Einrichtung der Oefen mit geschlossener Brust wieder zurück.


Constructionsregeln für das Hochofenprofil.

In Vorstehendem wurden verschiedene Formen von Hochöfen und
ihre Beziehungen zu dem Verlaufe des Hochofenprocesses besprochen.
Es ergiebt sich hieraus, dass es unmöglich ist, eine einzige Form als
die unter allen Umständen geeignetste zu bezeichnen, und dass viel-
mehr in jedem einzelnen Falle die Hochofenform von den Betriebs-
verhältnissen — Beschaffenheit der Schmelzmaterialien, des darzustellen-
den Roheisens, Temperatur des Gebläsewindes u. s. w. — abhängig
sein sollte. Es ist aber auch unläugbar, dass selbst verschiedene Hoch-
ofenformen unter übrigens gleichen Verhältnissen doch auch gleich
befriedigende Erfolge liefern können, wie schon durch den bereits oben
angedeuteten Umstand bewiesen wird, dass ein und derselbe Hochofen,
auch wenn durch fortgesetzten Betrieb seine inneren Abmessungen
sich erheblich verändert haben, doch oft noch gleich gut als im An-
fange benutzbar bleibt. Auch der andere Umstand, dass in einem und
demselben Hochofen abwechselnd die verschiedensten Gattungen von
Roheisen ohne Schwierigkeit dargestellt werden können — wie es in
der Praxis häufig vorkommt — beweist, dass man bei der Construction
des Hochofenprofils nicht mit allzu grosser Aengstlichkeit zu Werke zu
gehen braucht.


Zwischen den einzelnen Abmessungen eines Hochofenprofils aber
müssen, wie sich aus den früheren Besprechungen ergiebt und durch
die Erfahrungen der Praxis bestätigt wird, immerhin gewisse Verhält-
nisse inne gehalten werden, wenn bei dem Betriebe befriedigende Er-
folge erreicht werden sollen.


Rauminhalt der Hochöfen. Von dem Rauminhalte ist unter übrigens
gleichen Verhältnissen die Leistungsfähigkeit des Hochofens, d. h. die
Grösse der Roheisenerzeugung innerhalb eines bestimmten Zeitraums,
abhängig. Diese Thatsache bedarf keines Beweises. Je grösser der Raum-
inhalt ist, desto mehr Erze, Zuschläge und Brennstoffe können inner-
halb der gleichen Zeit vorbereitet, geschmolzen, verbrannt werden.
Während daher im Anfange dieses Jahrhunderts, so lange der Roheisen-
bedarf noch verhältnissmässig gering war, die meisten der mit Holz-
kohlen betriebenen Hochöfen nicht mehr als 6—10 cbm, die damals erst
im Entstehen begriffenen Kokshochöfen selten mehr als 50 cbm Inhalt
besassen, steigerte man mit dem zunehmenden Bedarfe an Roheisen
mehr und mehr den Fassungsraum der Hochöfen. Da dieser gesteigerte
Roheisenbedarf vorzugsweise durch die Einführung der Eisenbahnen
hervorgerufen wurde, so erklärt sich, dass diese Zunahme der Ofengrösse
vorzugsweise von dem Jahre 1830 an bemerkbar wird. In den fünf-
ziger Jahren pflegte man neuen Kokshochöfen bereits einen räumlichen
Inhalt von 120—150 cbm zu geben; 1860 gab es in Schottland und
Wales Oefen mit einem Inhalte bis zu 230 cbm. 1861 wurden zu
Thornaby drei Hochöfen mit einem Rauminhalte von je 362 cbm
[330]Der Hochofen.
errichtet, 1864 steigerte man bei den Hochöfen zu Southbank den
Rauminhalt auf 450 cbm, 1866 bei den Hochöfen zu Tees-Side auf
566 cbm, 1867 in Norton auf 736 cbm, 1868 in Middlesborough auf
815 cbm und 1870 in Ormsby auf 1165 cbm.


Eine fernere Steigerung der Grösse der Hochöfen hat nicht statt-
gefunden. Die Erfahrung lehrte, dass, wenn auch der grössere Ofen
naturgemäss die grössere Leistungsfähigkeit besitzt, doch die Zunahme
der letzteren nicht in demselben Maasse als die Zunahme des Raum-
inhaltes stattfindet und immer unbedeutender wird, je mehr der Ofen-
inhalt vergrössert wird. Der kleinste Ofen besitzt im Allgemeinen per cbm
seines Rauminhalts die grösste Production. Folgende Ziffern können
als Beweis hierfür dienen:


Mit zunehmender Grösse eines Hochofens verringert sich der Ver-
brauch an Brennstoff zur Darstellung der nämlichen Menge Roheisen;
aber diese Abnahme des Brennstoffverbrauchs hält ebenfalls nicht gleich-
mässig Schritt mit jener Zunahme des Rauminhalts, sondern wird immer
[331]Die Form und der Bau des Hochofens.
unbedeutender, je grösser der letztere bereits war. Ein Vergleich der
Einflüsse, welche die verschiedene Grösse der Hochöfen auf den rela-
tiven Brennstoffverbrauch ausübt, ist nur möglich, wenn die betreffen-
den Oefen unter übrigens gleichen Verhältnissen betrieben wurden,
insbesondere also, wenn auf einem und demselben Eisenwerke die
Hochöfen nach und nach vergrössert wurden, ohne dass die übrigen
Betriebsverhältnisse wesentliche Aenderungen erfuhren.


Nachstehende Ziffern, den unter „Literatur“ aufgeführten Abhand-
lungen von M. L. Gruner entnommen, mögen den Einfluss der Grösse
des Hochofens auf den Brennstoffverbrauch veranschaulichen.



Die Ursachen, weshalb weder die Leistungsfähigkeit des Hochofens
noch die Abnahme des relativen Brennstoffverbrauchs mit der Grössen-
zunahme des Ofens Schritt hält und weshalb insbesondere die Er-
sparung an Brennstoff ziemlich vollständig aufhört, sobald die Grösse
des Ofens ein gewisses Maass erreicht hat, stehen in naher Beziehung
zu einander und werden bei der später folgenden ausführlicheren Be-
sprechung des Hochofenprocesses eingehender erörtert werden. Ganz
selbstverständlich ist es, dass es ein gewisses geringstes Maass des
Brennstoffverbrauchs geben muss, welches niemals unterschritten werden
kann, wenn der erforderliche Wärmeaufwand für Reduction, Schmel-
zung u. s. w. gedeckt werden soll; und je mehr der wirkliche Brenn-
stoffverbrauch sich jenem Maasse nähert, desto unerheblicher wird die
Verringerung desselben bei weiterer Zunahme der Ofengrösse sein.


Mit der Grösse und insbesondere der Höhe des Ofens, welche
letztere, wie sogleich erläutert werden soll, mit dem Rauminhalte
wachsen muss, wenn der Betrieb befriedigende Ergebnisse liefern soll,
[332]Der Hochofen.
steigern sich nun aber in beträchtlichem Maasse die Anlage- und Be-
triebskosten. Es braucht nur darauf hingewiesen zu werden, dass die
grössere Ofenhöhe auch eine vermehrte mechanische Arbeit zum Hin-
aufschaffen der Schmelzmaterialien wie zur Verdichtung der Gebläseluft,
welche bedeutend grössere Widerstände im Ofen zu überwinden hat,
erheischt. Da nun aber, wie soeben besprochen wurde, die aus einer
Vergrösserung des Hochofens erwachsenden Vortheile immer unbedeu-
tender ausfallen, je grösser der Ofen bereits ist, so muss es ein Maass
der Ofengrösse geben, welches nicht ohne praktischen Nachtheil über-
schritten werden kann. In England ist man bereits von der Anlage
jener übermässig grossen Hochöfen, wie sie gegen Ende der sechziger
und Anfang der siebenziger Jahre errichtet wurden, zurückgekommen;
auf dem Continente pflegt man für den Betrieb mit Koks
in der Jetztzeit die Oefen nicht kleiner als
200 cbm und
nicht erheblich grösser als
400 cbm zu bauen. Ob nicht doch
später mit der fortschreitenden Vervollkommnung der maschinellen Ein-
richtungen für die Bedienung des Ofens jenes letzterwähnte Maass über-
schritten werden wird, lässt sich im Voraus nicht sagen.


Zum Theil muss die Höhe des Ofens und somit auch der Raum-
inhalt von der Beschaffenheit der zur Verwendung stehenden Brenn-
stoffe abhängig sein. Je leichter zerdrückbar dieselben sind, desto
weniger gross darf der Ofen sein, damit nicht durch die grössere Last
der Schmelzsäule ein Zerdrücken herbeigeführt werde. Die Erfahrung
lehrt, dass allzu kleinstückige Brennstoffe im Hochofen ungünstiger
als grobstückige sich verhalten, hauptsächlich infolge des Umstandes,
dass die von ihnen dargebotene grössere Oberfläche der aufsteigenden
Kohlensäure reichere Gelegenheit zur Kohlenoxydbildung, d. i. zur
nutzlosen Entführung von Kohle aus dem Ofen, liefert. Daher baut
man Holzkohlenhochöfen durchweg erheblich kleiner als
Kokshochöfen und geht kaum jemals über
100 cbm Inhalt,
selten nur über
70 cbm Inhalt hinaus; viele bestehende Holz-
kohlenhochöfen sind noch erheblich kleiner
.


Aus dem bereits Gesagten ergiebt sich, dass bei verschiedener
Grösse der Oefen auch verschiedene Beziehungen zwischen Rauminhalt
und Leistungsfähigkeit obwalten; aber auch durch die verschiedenen
Betriebsverhältnisse der Hochöfen erleiden jene Beziehungen erhebliche
Aenderungen. Für Darstellung von gewöhnlichem weissem Roheisen
ist eine geringere Durchsetzzeit der Erze erforderlich als für graues
Roheisen oder Eisenmangan, der nämliche Hochofen liefert daher in
dem gleichen Zeitraume grössere Mengen des ersteren als des letzteren;
bei Verhüttung einer reichen Beschickung, welche verhältnissmässig
wenig Schlacke liefert, wird derselbe Ofen eine grössere Roheisenpro-
duction besitzen als bei einer armen; bei leicht reducirbaren Erzen
eine grössere als bei schwer reducirbaren; bei Anwendung hoch er-
hitzten Gebläsewindes eine grössere als bei schwächer erhitztem oder
kaltem Winde.


Aus diesen Gründen schwankt, wie auch schon die früher mit-
getheilten Ziffern beweisen, der erforderliche Rauminhalt des Hoch-
ofens zur Darstellung bestimmter Roheisenmengen in bestimmter Zeit
innerhalb weiter Grenzen und beträgt per 1000 kg in 24 Stunden dar-
[333]Die Form und der Bau des Hochofens.
zustellenden Roheisens unter den günstigsten Verhältnissen (kleiner
Ofen, leichtreducirbare reiche Erze, Weisseisendarstellung) mitunter
weniger als 2 cbm, während unter schwierigeren Verhältnissen der für
die Darstellung der gleichen Menge Roheisen erforderliche Raum-
inhalt auf mehr als 12 cbm steigen kann. Die schon auf S. 330 mit-
getheilten Ziffern über das Verhältniss zwischen Rauminhalt und
Leistungsfähigkeit, welche zunächst den Einfluss der Grösse des Ofens
unter übrigens ähnlichen Verhältnissen darlegen sollten, mögen noch
durch folgende, grösstentheils auf deutsche Eisenwerke bezügliche An-
gaben ergänzt werden.


Durchschnittlich wird man, sofern die Grösse der Oefen nicht über
400 cbm für Koksbetrieb, und nicht über 50 cbm bei Holzkohlenbetrieb
hinausgeht, folgende Verhältnisszahlen annehmen können.


Erforderlicher Rauminhalt des Hochofens zur Darstellung von
1000 kg Roheisen in 24 Stunden:


  • 1) Für Darstellung von gewöhnlichem Weisseisen aus sehr
    leicht reducirbaren reichen Erzen   3 cbm
  • 2) desgl. aus weniger leicht reducirbaren oder ärmeren Erzen   4 „
  • 3) Für Spiegeleisendarstellung   5 „
  • 4) „ Graueisendarstellung   7.5

Verhältniss zwischen Durchmesser und Höhe der Oefen. Sowohl
durch eine allzu beträchtliche Höhe des Hochofens im Verhältnisse
zum Ofendurchmesser (im Kohlensack) als umgekehrt durch einen zu
reichlichen Durchmesser bei gegebener Ofenhöhe werden nachtheilige
[334]Der Hochofen.
Einwirkungen auf den Schmelzgang hervorgerufen. Bei engem Durch-
messer und grosser Höhe sind die Widerstände, welche die Gichten
bei ihrem Niedergange und die Gase bei ihrem Aufsteigen finden,
beträchtlicher; eine höhere Windspannung ist erforderlich, um die
gleiche Menge Wind als bei einem niedrigeren Ofen einzuführen, und
diese stärkere Windspannung kann nur durch vermehrte Arbeitsleistung
der Betriebsmaschine hervorgebracht werden.


Je weiter aber der Ofen im Durchmesser ist, desto ungleichmässiger
werden in einem und demselben Ofenquerschnitte die Gase und die
festen Körper vertheilt sein, desto stärker wird jenes oben erwähnte
Voreilen der specifisch schwereren Bestandtheile der Schmelzsäule ein-
treten, desto weniger werden die in der Achsengegend des Ofens sich
anhäufenden Erze von den Gasen erreicht werden und eine desto
grössere Menge derselben wird unvollständig reducirt in den Schmelz-
raum gelangen.


Auf Erfahrungsresultaten fussend pflegt man daher das Verhältniss
der Höhe zum Kohlensackdurchmesser selten kleiner als 3 und selten
grösser als 4 zu nehmen; bei den meisten Oefen beträgt dasselbe
3.2—3.6. Für den Brennstoffverbrauch ist eine schlanke Form des Hoch-
ofenprofils (grosse Höhe bei geringem Durchmesser) eher günstig als
nachtheilig; bei Hochöfen, in welchen ausschliesslich Weisseisen dar-
gestellt werden soll, sind grosse Durchmesser weniger nachtheilig als
bei solchen für Graueisendarstellung. (Vergl. die unten gegebenen Bei-
spiele verschiedener Hochofenprofile.)


Gichtdurchmesser. Der Einflüsse, welche durch eine zu enge wie
durch eine zu weite Gicht auf den Schmelzgang ausgeübt werden, ist
bereits oben (S. 334) gedacht worden. Theoretisch sollte der Gicht-
durchmesser abhängig sein von der Menge der in gewisser Zeit aus-
strömenden Gase, damit nicht durch allzu engen Ausflussquerschnitt
die Gasspannung im Ofen unnöthig erhöht werde. Es würde hier-
bei ebensowohl die Menge des in der Zeiteinheit vergasten Brenn-
stoffs als die Menge der Wasserdämpfe und Gase, welche durch Zer-
setzung der Hydrate und Carbonate in der Beschickung gebildet werden,
in Betracht kommen; auch die Temperatur der entweichenden Gase
müsste berücksichtigt werden. Da es unmöglich ist, alle diese Um-
stände von vorn herein mit ausreichender Sicherheit zu bemessen, fusst
man auf praktisch erlangten Erfahrungen. In den zahlreicheren Fällen
haben weitere Gichten günstigere Ergebnisse geliefert als enge, ins-
besondere ist die Leistung der Oefen aus den schon besprochenen
Gründen beträchtlicher; andererseits ist eine allmähliche Verengung des
Ofens vom Kohlensack aufwärts, durch welche das sogenannte „Auf-
hängen“ der Gichten erschwert wird, für einen gleichmässigen Schmelz-
gang von Nutzen. Auch der ebenfalls schon erwähnte Umstand, dass
mit dem Gichtendurchmesser die Schwierigkeit einer regelrechten Auf-
gichtung wächst, kommt in Betracht. Besonders aus letzterem Grunde
geht man selten über 4 m Gichtdurchmesser hinaus, sofern nicht etwa
die Mitte der Gicht durch ein in dieselbe eingehängtes Gasentziehungs-
rohr (vergl. unten Gasfänge) eingenommen ist, um welches herum das
Aufgichten stattfinden muss; in diesem Falle sind allerdings Gicht-
durchmesser von 5 m und darüber nicht selten.


[335]Die Form und der Bau des Hochofens.

Auf den Kohlensackdurchmesser bezogen findet man das Ver-
hältniss des Gichtdurchmessers bei den meisten Hochöfen wie 1 : 1
(cylindrischer Schacht) bis 1 : 2; am günstigsten für den Schmelzgang
dürfte ein Verhältniss gleich 3 : 4 bis 5 : 6 sein.


Rastwinkel und Lage des Kohlensacks. Da durch einen steileren
Rastwinkel ein allmählicherer Uebergang von dem grössten Ofendurch-
messer nach dem Gestell hin als durch einen weniger steilen herbei-
geführt wird, und da dieser allmählichere Uebergang das gleichmässige
Niederrücken der Schmelzsäule begünstigen wird, so pflegt man bei
neueren Hochöfen Rastwinkel von mindestens 60 Grad,
häufiger noch von 70—80 Grad anzuwenden. Zum Theil
muss der Rastwinkel von der Höhe des Gestelles und
der Höhe des ganzen Hochofens abhängig sein; denn
bei gegebener Gestellhöhe wird offenbar der Kohlensack
um so höher im Ofen hinaufrücken, je steiler die Rast
ist. Gewöhnlich beträgt die Höhe des Kohlensacks über
dem Boden ⅓—½ der ganzen Ofenhöhe; eine höhere
Lage desselben dürfte dem regelmässigen Verlaufe des
Hochofenprocesses nicht günstig sein.


Dass übrigens auch ganz flache, tellerartige Rasten,
wie sie noch in den sechziger Jahren auf mehreren
Eisenwerken des Harzes seit Alters her üblich waren
und vielleicht jetzt noch hier und da zur Anwendung
kommen (Fig. 60), unter Umständen ganz gute Erfolge
geben können, unterliegt keinem Zweifel. Auf der flachen
Rast baut sich, wie es durch Schraffirung in der Skizze
angedeutet ist, aus Kohlen ein sogenannter todter Mantel
auf, innerhalb dessen die Schmelzsäule niedergleitet; es

Figure 44. Fig. 60.


entsteht eine natürliche Rast, deren Form von der Beschaffenheit der
Materialien abhängig ist und vielleicht gerade deshalb am besten dem
Zwecke entspricht.


Durchmesser und Höhe des Gestelles; beziehentlich Durchmesser
des Ofens vor den Formen.
Die Gründe, welche zu der für alle Eisen-
hochöfen eigenthümlichen Zusammenziehung des Ofenprofils in der
Formgegend Veranlassung gaben, sowie die Nachtheile eines zu engen
und hohen Gestelles wurden bereits auf S. 332 besprochen. Mit je
grösserer Geschwindigkeit der Wind in den Ofen geführt wird, desto
weiter kann das Gestell sein; je höher die Temperatur des Windes ist,
desto niedriger kann dasselbe auch bei Graueisendarstellung sein. Bei
den meisten Oefen findet man das Verhältniss des Ofendurchmessers
in der Formebene zu dem Kohlensackdurchmesser wie 1 : 1.7—1 : 2.5;
engere Durchmesser als in dem Verhältnisse 1 : 2.5 würden eine Beein-
trächtigung der Leistung des Ofens herbeiführen.


Die Höhe des Gestelles bei Holzkohlenhochöfen, welche auf graues
Roheisen arbeiten, sollte ⅙ der ganzen Ofenhöhe nicht übersteigen;
beim Betriebe mit Koks und hocherhitztem Winde oder beim Betriebe
auf Weisseisen ist ein niedrigeres Gestell (1/12—1/8 der Ofenhöhe) ent-
schieden vorzuziehen; oder man lässt, wie bei der Urform Fig. 51
und 52, das eigentliche Gestell unmittelbar in die, in diesem Falle steile,
Rast übergehen.


[336]Der Hochofen.

Beispiele von Hochofenprofilen. Die Abbildungen Fig. 61—74
zeigen eine Reihe neuerer Hochofenprofile von Oefen, welche zum
grossen Theile noch jetzt im Betriebe sind und wenigstens theilweise
schon in Vorstehendem erwähnt wurden. Einer besonderen Erläuterung
werden die Abbildungen nicht bedürfen.


Anordnung der Formöffnungen. Von der Höhe der Formöffnungen
über dem Boden ist die Menge des Roheisens abhängig, welche ange-
sammelt werden kann, ehe zum Abstiche geschritten wird; aber für
den Hochofenprocess selbst, d. h. für die Reduction und Schmelzung,
geht offenbar diese Höhe verloren und anderntheils, je höher die Form-
öffnungen liegen, desto schwieriger wird es sein, den Boden des Herdes
genügend warm zu erhalten, damit nicht das angesammelte Roheisen
theilweise erstarre. Je grösser die Production des Hochofens ist, desto
höher können die Formen liegen; bei Weisseisendarstellung deshalb im
Allgemeinen höher als beim Betriebe auf Graueisen oder Eisenmangan;
bei Oefen mit geschlossener Brust höher als bei solchen mit offener
Brust. Bei grösseren Hochöfen findet man diese Abmessung gleich
1—1.3 m, bei kleineren Oefen für Holzkohlenbetrieb und mit offener
Brust gewöhnlich nicht über 0.5 m.


In alter Zeit, noch in der Mitte dieses Jahrhunderts, waren Holz-
kohlenhochöfen mit einer einzigen Windform nicht selten. Je grösser
aber der Ofen ist, eine desto grössere Zahl von Formen macht sich
erforderlich. Man befördert durch Vertheilung des Windes auf mehrere
Formen einestheils die Gleichmässigkeit der Verbrennung innerhalb des
Ofenquerschnittes; und anderntheils, indem man die Oberfläche des
eintretenden Windes durch diese Vertheilung in einzelne Strahlen ver-
grössert, erleichtert man die Berührung mit dem Brennstoff und be-
fördert die Raschheit der Verbrennung, d. h. man beschränkt den
Raum, wo noch freier Sauerstoff oder Kohlensäure, die im ersten Augen-
blicke gebildet sein könnte, sich finden, auf engere Grenzen. In diesem
raschen Verschwinden allen freien Sauerstoffs wie der Kohlensäure liegt
eine wesentliche Förderung des Hochofenprocesses.


Aus diesem Grunde wendet man in der Jetztzeit auch bei den
kleinsten Hochöfen mindestens zwei, häufiger noch drei Windformen
an; bei grösseren Oefen findet man fünf bis sieben, bei einzelnen
schottischen Hochöfen sogar zwölf Formen. Eine Grenze für die Ver-
mehrung der Formen ist immerhin durch den Umstand gegeben, dass
die Durchbrechung des Gestellmauerwerks durch die Formöffnung eine
Schwächung der Standfestigkeit desselben zur Folge hat; mit anderen
Worten: zwischen den einzelnen Formen muss ein ausreichend starker
Steinkörper zum Tragen der darüber befindlichen Theile bleiben. Man
wird in den meisten Fällen eine ganz passende Zahl bekommen, ohne
das Mauerwerk zu sehr zu schwächen, wenn man den Oefen mit ge-
schlossener Brust so viele Formöffnungen giebt, als der Umfang des
Gestelles (im Innern) in Metern beträgt (also z. B. bei einem Gestell
von 1.8 m lichter Weite oder 1.8 . 3.14 = 5.6 m Umfang 5—6 Formen),
Oefen mit offener Brust, bei welchen die Brustöffnung einen Theil des
ganzen Umfangs einnimmt, eine Formöffnung weniger als den Oefen
mit geschlossener Brust, in allen Fällen aber mindestens zwei Form-
öffnungen anbringt.


[][]
[figure]
[]
[figure]
[][337]Die Form und der Bau des Hochofens.

Nicht ganz gleichgültig ist ferner die Anordnung der Formöffnungen
gegen einander. Die einfachste und für die Gleichmässigkeit der Wind-
vertheilung vortheilhafteste Anordnung derselben würde allerdings eine
solche sein, dass sie alle in gleichem Abstande von einander sich be-
finden; die Rücksicht auf die äusseren Theile des Hochofens sowie auf
die Lage des Eisenkastens und Wallsteines bei offener Brust gestattet
jedoch nicht immer, genau in dieser Weise zu verfahren. Viele Hoch-
ofeningenieure sehen es auch nicht gern, wenn die eine Form genau
in der verlängerten Richtung der gegenüber-
liegenden sich befindet, damit nicht die von
entgegengesetzter Richtung gegen einander
treffenden Windströme gegenseitige Stauung
hervorbringen. Dieser Fall würde eintreten,
wenn man eine gerade Anzahl Formöffnungen
gleichmässig in dem Umfange vertheilen
und die Formen genau radial einlegen
wollte. Er wird vermieden, wenn man eine
ungerade Zahl Formöffnungen (drei, fünf,
sieben) gleichmässig oder eine gerade Zahl
ungleichmässig vertheilt. Die Abbildung
Fig. 75, einen Horizontalabschnitt durch die
Formebene eines Hochofens darstellend, kann

Figure 45. Fig. 75.


die letztere Anordnung veranschaulichen. Hier sind sechs Oeffnungen
o o für ebenso viele Windformen angebracht; p ist eine siebente Oeff-
nung, welche durch den Tümpel abgedeckt und vorn
durch den Wallstein geschlossen wird (offene Brust).


Im Uebrigen lässt sich, auch wenn die Form-
öffnungen diametral einander gegenüberstehen, doch
jene Gefahr einer Stauung der Windströme verhüten,
wenn man die Formen selbst und die Düsen (die
Ausströmungsenden der Windleitung) nicht radial, son-
dern derartig einlegt, dass ihre verlängerte Richtung
nicht genau das Ofenmittel trifft. Fig. 76 lässt diese
Anordnung erkennen.


Figure 46. Fig. 76.

Von der Einrichtung der Formen selbst, d. h. der metallenen
Hülsen, welche in die Formöffnungen eingesetzt werden, wird später
die Rede sein.


b. Der Bau der Hochöfen.

Hochöfen mit Rauhgemäuer.

Auf der Ueberzeugung fussend, dass ein Ofen, in welchem eine
so beträchtliche Wärmemenge entwickelt wird und eine so hohe Tempe-
ratur erzeugt werden muss, wie in dem Eisenhochofen, nur dann seinen
Zweck vollkommen erfüllen könne, wenn er vor Wärmeverlusten an
die umgebende Luft thunlichst geschützt sei, umgaben unsere Vor-
fahren den Hochofen mit einer möglichst dicken Hülle von Mauerwerk,
in welcher nur die eben erforderlichen Oeffnungen für die Zuleitung
des Windes und die Wartung der Formen sowie für das Ablassen des
Roheisens und der Schlacke ausgespart waren. Die Skizze Fig. 77
Ledebur, Handbuch. 22
[338]Der Hochofen.

Figure 47. Fig. 77.


Figure 48. Fig. 78.


und 78 1) zeigt die Einrichtung
eines solchen Ofens aus ver-
gangener Zeit, wie sie bis gegen
Anfang der fünfziger Jahre die-
ses Jahrhunderts ganz allgemein
war und jetzt noch, besonders
bei Holzkohlenhochöfen, ver-
einzelt angetroffen wird, wäh-
rend zahlreichere ältere Oefen
zwar umgebaut wurden, immer-
hin aber noch heute den ur-
sprünglichen Typus erkennen
lassen (z. B. in Oberschlesien).


Auf dem soliden, von Ka-
nälen G und H durchzogenen
Fundamente, dessen Einrich-
tung später ausführlichere Er-
örterung finden wird, werden
zunächst aus Bruchsteinen vier
mächtige Eckpfeiler errichtet,
zwischen denen, wie der Grund-
riss Fig. 78 erkennen lässt, die
drei Oeffnungen für die Formen
und eine Oeffnung für die
Wartung des Stichloches und
Schlackenabflusses ausgespart
bleiben. Bei Oefen mit nur zwei
Formen wird die dritte Form-
öffnung an der Rückseite des
Ofens vermauert; beabsichtigt
man mit mehr als drei Formen
zu blasen, so legt man je zwei
derselben in eine gemeinschaft-
liche Oeffnung neben einander.
Ein ringförmiger, innerhalb der
Eckpfeiler gelassener Gang R,
welcher von Oeffnung zu Oeff-
nung führt, erleichtert, ohne je-
doch gerade unbedingt erfor-
derlich zu sein, bei dem be-
trächtlichen Umfange des Ofens
den Verkehr von Form zu Form.
Die vier Eckpfeiler zusammen
pflegt man Vierpass zu
nennen.


Je zwei benachbarte Eck-
pfeiler sind nun in entsprechen-
der Höhe durch Gewölbe, welche
[339]Die Form und der Bau des Hochofens.
nach aussen hin ansteigen, oder auch durch quer hinüber gelegte Guss-
eisenträger, welche ebenfalls treppenartig nach aussen hin ansteigen,
mit einander verbunden, und auf diesen Gewölben beziehentlich Trägern
ruht nun das, meistens aus Bruchsteinen aufgeführte Rauhgemäuer n,
welches den ganzen Ofen einschliesst und dem man in früherer Zeit
oft eine ganz erhebliche Stärke verlieh. Da dasselbe, der Schachtform
des Ofens folgend, sich nach oben zu verjüngen pflegt, so erhält der
Ofen äusserlich die Form einer abgestumpften vierseitigen Pyramide.
In einzelnen Fällen gab man, mehr aus Schönheitsrücksichten als aus
anderen Gründen, den Eckpfeilern im äussern Umrisse Kreis- statt
quadratischer Form, wodurch dann der Ofen die Form eines abgestumpf-
ten Kegels annahm.


Das Rauhgemäuer ist zur Ableitung der Feuchtigkeit und zur Ver-
minderung der Entstehung von Rissen bei der Ausdehnung von wage-
rechten und senkrechten, an der Aussenfläche mündenden Kanälen
durchzogen und gut verankert. Die Erfahrung lehrte jedoch häufig,
dass bei der Ausdehnung des Rauhgemäuers auch die stärksten Anker
zerrissen, allerdings, ohne dass in den meisten Fällen die Haltbarkeit
des Gemäuers dadurch erhebliche Einbusse erlitten hätte.


In das Rauhgemäuer wird [nun] der den obern Theil des Hoch-
ofeninnern umschliessende Schacht eingesetzt. Gewöhnlich besteht das
Schachtmauerwerk aus zwei concentrischen, vollständig von einander
getrennten Schächten i und m, zwischen denen sich die aus eingeschütte-
ten Kohlenstückchen und dergl. bestehende Füllung l befindet. Auch
zwischen dem äusseren Schachte m und dem Rauhgemäuer muss, was
in der Abbildung nicht erkennbar ist, ein Zwischenraum bleiben, damit
die Ausdehnung des Schachtes bei der Erhitzung nicht durch das Rauh-
gemäuer behindert werde.


Beide Schächte werden, wie auch in Fig. 77 erkennbar ist,
vom Rauhgemäuer getragen und sind vollständig unab-
hängig von der Rast [und] dem Gestell
. Letztere Theile lassen
sich daher herausnehmen und durch neue ersetzen, ohne dass der
Schacht ebenfalls entfernt zu werden braucht; und das Einsetzen der-
selben, das sogenannte Zustellen des Hochofens, erfolgt erst, nachdem
der Schacht vollendet ist.


Der abgebildete Hochofen hat, wie sich aus Fig. 77 leicht ergiebt,
offene Brust; d ist der Wallstein, welcher quer vor den Steinen des
Gestelles hindurchgeht und zwischen den Eckpfeilern sich leicht be-
festigen lässt (in Fig. 78 ist der Wallstein weggenommen gedacht), r ist
der Tümpel, f der Herd, t sind die Formöffnungen. An der Aussenseite
des Wallsteines ist in Fig. 77 die Schlackentrift sichtbar. Das Gestell
hat vierseitig prismatische Form und geht erst oben in die kegelförmige
Rast über, eine Construction, welche früher häufiger war als jetzt. Sie
beruhte theils auf der leichteren Herstellung bei Benutzung natürlich
vorkommender feuerfester Steine, theils auch auf dem Umstande, dass
Ansätze an den seitlichen Formen sich mit Stangen, welche unter dem
Tümpel hindurch eingeschoben werden, leichter erreichen und losbrechen
lassen, übt aber leicht nachtheilige Einflüsse auf die Gleichmässigkeit im
Aufsteigen der Gase aus.


22*
[340]Der Hochofen.
Figure 49. Fig. 79.

Figure 50. Fig. 80.

Bei einem Ofen der ab-
gebildeten Form ist auch das
Gestell zum grossen Theil
von dem Rauhgemäuer ein-
geschlossen und nur da frei-
gelegt, wo die Formöffnun-
gen befindlich sind. Da-
durch wird allerdings die
Abkühlung des Gestelles von
aussen her nach Möglich-
keit vermieden; aber eben
deshalb sind die Gestell-
steine dem Wegschmelzen
leichter unterworfen und
Reparaturen sind während
des Betriebes, da das Ge-
stell von aussen nicht zu-
gänglich ist, unmöglich. Die-
ser Nachtheil trat empfind-
licher als früher zu Tage,
nachdem durch Einführung
der Winderhitzung die Tem-
peratur im Verbrennungs-
raume der Hochöfen gestei-
gert worden war. Man ging
deshalb auch bei vielen Oefen
mit Rauhgemäuer später
dazu über, das Gestell rings
herum frei zu legen, wo-
durch es der Einwirkung
der äusseren Luft und einer
etwaigen künstlichen Küh-
lung mit Wasser (von wel-
cher später die Rede sein
wird) zugänglich gemacht
und Reparaturen auch wäh-
rend des Betriebes ermög-
licht wurden. Zugleich er-
langte man hierdurch bei
grösseren Oefen den Vor-
theil, in bequemerer Weise
als bisher die Formen ver-
theilen zu können. Der
Zweck wird einfach dadurch
erreicht, dass man die vier
Eckpfeiler nicht bis ganz an
das Gestell hinantreten lässt;
der Schacht ruht entweder,
wie bei den vorher beschrie-
nen Oefen mit eingebautem
[341]Die Form und der Bau des Hochofens.
Gestell, im Rauhgemäuer, oder er wird, wie bei dem in Fig. 79 und 80
abgebildeten Hochofen 1), von einem starken Gusseisenringe getragen,
welcher seinerseits auf Säulen seine Auflage hat. a a sind die Säulen,
b b (Fig. 79) der mit drei aufrecht stehenden Rippen versehene Kranz.
Letzterer wird ausserdem noch durch die vier starken von Pfeiler zu
Pfeiler hinübergehenden Trageisen c c gestützt. Das Rauhgemäuer ruht
auf den Uförmigen Gusseisenträgern, welche in Fig. 79 deutlich erkenn-
bar sind. Zwischen Rauhgemäuer und Schacht befindet sich wiederum
eine breite Füllung. Da der Fuss des Schachtes bei diesem Ofen ziem-
lich weit herunter geht, befinden sich die Steine der Rast innerhalb
desselben, sind aber ebenfalls durch einen Zwischenraum, welcher ihre
freie Ausdehnung ermöglicht, von den Schachtsteinen geschieden. Dass
auch bei diesem Ofen die Rast und das Gestell sich auswechseln lassen,
während der Schacht unverändert an seiner Stelle bleibt, ist aus Fig. 79
unschwer zu ersehen.


d in Fig. 80 ist der Wallstein.


Hochöfen ohne Rauhgemäuer.

Die vorbeschriebene Einrichtung der Hochöfen ist, selbst wenn man
das Gestell freilegt, schwerfällig und in allen Fällen kostspielig; diese
Nachtheile wachsen mit der Grösse des Ofens. Als man daher, wie
früher geschildert wurde, im Anfange der vierziger Jahre, gedrängt
durch die mächtigen Steigerungen des Roheisenbedarfes, anfing, die bis
dahin gebräuchlichen Grenzen für den Rauminhalt der Hochöfen be-
trächtlich zu überschreiten, stellte sich die Nothwendigkeit heraus, auch
dem Aufbau der Hochöfen eine andere Construction zu geben.


In Schottland war es, wo man in jener Zeit zuerst mit den von
Alters her überlieferten Regeln brach, das Rauhgemäuer der Hochöfen
ganz fehlen liess, den Schacht (beziehentlich die Schächte) auf einen
von Säulen getragenen Gusseisenkranz stellte und nur mit einem Blech-
mantel einhüllte.


Der Erfolg bestätigte in vollem Maasse die Berechtigung dieser
Construction. Die Schottischen Hochöfen, wie man sie alsbald
benannte, waren billiger, haltbarer, für Reparaturen auch während des
Betriebes zugänglicher; eine merkbare Erhöhung des Brennstoffauf-
wandes aber oder eine Verschlechterung des Hochofenganges, Uebel-
stände, welche jedenfalls von den allermeisten Hochofenleuten erwartet
worden waren, stellten sich nicht ein. So breitete sich jene Hochofen-
construction allmählich auch in anderen Gegenden aus, obgleich vor-
sichtige Hochofenleute des Continents sich offenbar nur schwer und
langsam dazu entschliessen konnten, die traditionelle Ueberzeugung von
dem wohlthätigen Einflusse dicker Wände auf den Hochofenprocess
fallen zu lassen; baute man doch noch in den sechziger Jahren, nach-
dem also bereits eine mehr als zehnjährige Erfahrung über den Betrieb
der Schottischen Hochöfen vorlag, auf dem Continente zahlreiche Oefen
mit Rauhgemäuer und benutzte dabei jene Erfahrungen nur so weit,
[342]Der Hochofen.

Figure 51. Fig. 81.


Figure 52. Fig. 82.


dass man wenigstens das Ge-
stell, wie oben beschrieben, frei
legte und den Schacht von Säu-
len tragen liess.


Einer der neuesten Oefen
dieser Art, welcher gegen Mitte
der siebenziger Jahre zu Fried-
rich-Wilhelmshütte bei Mülheim
a. d. Ruhr erbaut wurde, ist in
Fig. 81—83 abgebildet. 1)


Auf den Ständern a a,
welche zugleich vermittelst an-
geschraubter Consolen als Unter-
stützung des Windleitungsrohres
w dienen, ruht der mit auf-
stehenden Rippen versehene,
kräftig gegossene Kranz, welcher
zum Tragen des Schachtes be-
stimmt ist. Den Kranz giesst
man in einzelnen Segment-
stücken, welche auf den Säulen
zusammenstossen und in ein-
facher Weise, z. B. vermittelst an-
gegossener Zapfen an den Enden
und warm umgelegter Schmie-
deeisenringe, unter einander wie
mit den Säulen verbunden
werden.


Zunächst, ehe der Schacht
aufgemauert werden kann, muss
nun der Blechmantel, welcher
zur Umhüllung desselben be-
stimmt ist, an Ort und Stelle
gebracht werden. Derselbe stützt
sich unten ebenfalls auf den
Tragkranz für den Schacht und
besteht aus einzelnen Eisen-
blechtafeln von 10 bis 20 mm
Stärke, welche gewöhnlich ver-
nietet, bei dem abgebildeten
Ofen dagegen, wie Fig. 81 er-
kennen lässt, in den unteren
neun Lagen verschraubt sind,
damit man im Stande sei, die-
selben während des Betriebes
einzeln herauszunehmen und
etwa erforderliche Reparaturen
vorzunehmen. Jede einzelne
Tafel ist zu diesem Ende mit
[343]Die Form und der Bau des Hochofens.
einem aufgenieteten Kranze aus Winkeleisen eingefasst, so dass nach
aussen vorstehende Flantschen gebildet werden, durch welche die Ver-
bindungsschrauben hindurchgehen. Der obere Theil des Blechmantels

Figure 53. Fig. 83.


dient zur Befestigung weit ausladender, gewöhnlich aus Blech gefertigter
Consolen, welche das Gichtplateau zu tragen bestimmt sind (vergl. Fig. 81).


Zwischen Blechmantel und Schacht muss wiederum in Rücksicht
auf die stärkere Ausdehnung des letzteren ein ausreichend (10—20 cm)
[344]Der Hochofen.
breiter Zwischenraum bleiben, der entweder ganz leer bleibt oder mit
lockeren Körpern ausgefüllt wird. Lässt man den Zwischenraum zu
schmal, oder liegt die Ausfüllung desselben zu dicht, so ist ein Zer-
platzen auch des stärksten Blechmantels die Folge davon.


Endlich werden, nachdem der Schacht fertig aufgeführt ist, Rast
und Gestell eingesetzt.


Bei neueren Oefen dieser Art begnügt man sich gewöhnlich mit
einem einzigen, entsprechend starken Schachte; bei älteren Oefen findet
man nicht selten, wie bei den früheren Oefen mit Rauhmauerwerk
(vergl. Fig. 77 auf S. 338) zwei Schächte hinter einander und zwischen
denselben eine Füllung. Beide Schächte ruhen in diesem Falle auf
dem gemeinschaftlichen Tragkranze.


Die Säulen oder Ständer, welche den letzteren tragen, werden aus
Gusseisen oder aus Eisenblech gefertigt.


Der abgebildete Ofen hat 7 Windformen und geschlossene Brust.
Die Stelle der achten Windform nimmt die sogenannte Schlackenform
(Schlackenabflussöffnung) ein. Fig. 83 zeigt zugleich im Durchschnitt die
Stichöffnung für das Roheisen.


Wenn durch die vorstehend beschriebene Construction der Hoch-
öfen eine wesentliche Vereinfachung gegen früher erreicht worden war,
so bildete immerhin der bei derselben angewendete Blechmantel des
Schachtes, den man ursprünglich jedenfalls als Schutz gegen äussere
Beschädigungen angebracht hatte, einen Constructionstheil, welcher die
Zugänglichkeit des Schachtes während des Betriebes erschwerte, selbst
wenn man, wie bei dem beschriebenen Friedrich-Wilhelmshütter Hoch-
ofen, die einzelnen Blechtafeln zum Herausnehmen einrichtete, und
dessen Herstellung immerhin ziemlich erhebliche Kosten verursacht.
Bei unbefangener Beurtheilung aber wird man sich sagen, dass der
Schutz, welchen der Blechmantel den Schachtsteinen zu verleihen im
Stande ist, ebenso gut durch umgelegte eiserne Anker erreicht wer-
den kann.


Aus solcher Erwägung ging die Construction von Hochöfen mit
vollständig frei stehendem Schachte
hervor, welcher nur durch
umgelegte Anker eine Rüstung erhält. Seit Ende der sechziger Jahre
haben derartige Oefen eine immer grössere Ausdehnung gefunden und
werden voraussichtlich berufen sein, die Oefen mit Blechmantel ziem-
lich vollständig zu verdrängen.


Ein derartiger Ofen und zwar einer der ersten, welcher in dieser
Weise gebaut wurden (Hochofen Nr. 1 zu Ilsede bei Peine), ist in
Fig. 84—87 abgebildet.


Die Construction des eigentlichen Ofens wird aus der Abbildung
selbst mit hinreichender Deutlichkeit ersichtlich sein. Fig. 87 lässt die
Verankerung des Schachtes, aus umgelegten Reifen und senkrechten
Stäben bestehend, erkennen. In vielen Fällen lässt man die senkrechten
Stäbe ganz fehlen und begnügt sich, um jede dritte oder vierte Stein-
lage einen Reifen von 70—100 mm Breite, 10—20 mm Stärke zu legen.
Die Erfahrung hat gelehrt, dass eine derartige Rüstung vollständig aus-
reichend ist.


[][]
[figure]
[]
[figure]
[][345]Die Form und der Bau des Hochofens.

Damit die Reifen bei der Ausdehnung des Ofens nicht springen,
müssen sie anfänglich ganz locker umgelegt werden und mit einer Vor-
richtung versehen sein, welche ein Lockern und Anziehen ermöglicht.
Man kann in verschiedener Weise diesen Verschluss einrichten. Fig. 88
zeigt eine einfache Anordnung desselben mit Hilfe von Keilen. a a ist
der Anker, dessen Enden hakenartig umgelegt sind und ziemlich stark
sein müssen; b b sind zwei schmiedeeiserne Bänder, ebenfalls mit um-

Figure 54. Fig. 88.


gebogenen Enden. Durch Anziehen der Keile c c wird, wie leicht ersicht-
lich ist, der Durchmesser des Reifens (Ankers) verkleinert.


In Fig. 89 ist eine Verbindung der Anker (Reifen) durch Schrauben

Figure 55. Fig. 89.


dargestellt, deren Einrichtung ohne Weiteres verständlich sein wird und
welche vielfache Anwendung gefunden hat. Bei Reifen von grossem
Durchmesser sind in jedem Falle mehrere solcher Verbindungen erforder-
lich, da jeder einzelne immerhin nur ein beschränktes Maass der Er-
weiterung beziehentlich Verengung ermöglicht.


Durch Vorsprünge des Mauerwerks oder durch Vernietung mit
einzelnen, senkrecht an der Ofenwand aufgestellten Eisenstäben lassen
sich die Reifen vor dem Hinabgleiten bewahren.


Während bei den Hochöfen mit Blechmantel der letztere zugleich
als Träger für die Konsolen dient, auf denen das Gichtplateau ruht (wie
oben beschrieben wurde), fällt bei den Oefen der in Rede stehenden
Gattung die Möglichkeit dieser Befestigungsweise weg, und es muss für
eine anderweitige Unterstützung des Gichtplateaus Sorge getragen
werden. Durch diesen Umstand wird allerdings ein Theil der durch
Weglassung des Blechmantels erzielten Ersparung wieder ausgeglichen;
und die grosse Annehmlichkeit, welche jene Unterstützung durch den
Blechmantel bietet, mag noch öfters den Ausschlag für die Wahl jenes
Ofensystems gegeben haben, auch nachdem schon die Oefen ohne Mantel
als vollständig bewährt erfunden worden waren.


Eine Unterstützung des Gichtplateaus durch den Schacht selbst
[346]Der Hochofen.
würde vollständig unzulässig sein, theils, weil beim Wachsen des
Schachtes durch die Erwärmung das Plateau ebenfalls gehoben werden
würde, ausserdem auch, weil die Haltbarkeit des Schachtes unter den
beständigen Erschütterungen, welche das Plateau durch das Befahren
mit den zum Aufgichten benutzten Karren u. s. w. erleidet, beträcht-
liche Einbusse erfahren würde.


Bei dem abgebildeten Ofen (Fig. 84—87) wird daher das Gicht-
plateau durch vier starke eiserne Säulen getragen, welche sowohl unter
sich als mit den Säulen des Nachbarofens verschiedentlich verstrebt
und solcherart zu einem ausreichend festen Gerüste verbunden sind.


a ist die Leitung für den heissen Wind, welche in der aus der
Abbildung erkennbaren Art und Weise getragen wird.


f f sind kleine Gusseisensäulen zur Unterstützung der Wasserleitungs-
rohre u. s. w.


Der Ofen hat fünf Windformen und geschlossene Brust. Fig. 84
zeigt den Schnitt links durch eine Wind-
formöffnung, rechts durch die Schlackenform-
öffnung.


Unter dem Namen Büttgenbach’-
sches Hochofensystem
1) wurde im An-
fange der siebenziger Jahre in verschiede-
nen Ländern eine Hochofenform patentirt,
welche mit der soeben beschriebenen den
vollständig frei stehenden, nur von einzel-
nen schmiedeeisernen Bändern umgebenen
Schacht gemein hat. Eine Eigenthümlichkeit
des Büttgenbach’schen Hochofens ist die
Anwendung gemauerter, oben durch ge-
wölbte Bogen unter einander verbundener
Pfeiler zum Tragen des Schachtes an Stelle
der eisernen Säulen und des gusseisernen
Tragkranzes; ausserdem, was nicht gerade
nachahmungswerth sein dürfte, die Benutzung
der zur Ableitung der Gichtgase bestimmten
Röhren zur Befestigung des Gichtplateaus.


Fig. 90 zeigt einen solchen Hochofen
im halben Aufriss. 2)b ist einer der erwähn-
ten im Kreise aufgestellten Mauerpfeiler, a
der freistehende Schacht, e das Gasleitungs-
rohr, an welchem das Gichtplateau f be-
festigt ist.


Ausser in Heerdt (Neusser Hütte) wur-
den verschiedene Oefen des Büttgenbach’-
schen Systems in Frankreich und Oester-
reich gebaut und mit befriedigendem Erfolge
betrieben.


Figure 56. Fig. 90.

[347]Die Form und der Bau des Hochofens.

Wenn man auch, nachdem man angefangen hatte, die Anwendung
eines starken Rauhgemäuers beim Hochofenbau zu unterlassen, sich
bald überzeugte, dass eine Erhöhung des Brennstoffverbrauches nicht
dadurch herbeigeführt werde, so sind doch alle Versuche werthvoll,
welche zuverlässige Vergleiche über den Brennstoffverbrauch in Hoch-
öfen mit und ohne Rauhgemäuer ermöglichen. Sind doch bis jetzt die
Zweifel noch nicht ganz verstummt, ob nicht doch jene Beobachtung
auf Selbsttäuschung zu Gunsten der neueren Hochöfen beruhe.


Solche Versuche wurden in den siebenziger Jahren bei den Hoch-
öfen der Königlichen Eisengiesserei zu Gleiwitz angestellt. 1)


Bei dem einen von zwei vorhandenen Hochöfen, welche ursprüng-
lich beide mit starkem Rauhgemäuer und eingebautem Gestell versehen
gewesen waren, wurde das Rauhgemäuer von der Gicht abwärts bis
etwas oberhalb der Kohlensackebene abgebrochen, das Gestell rings
herum frei gelegt und der Ofen mit frei stehendem Schacht ohne Blech-
mantel versehen. Der noch stehen bleibende Rest des Rauhgemäuers,
welcher nur als Unterstützung für anderweitige Theile der Hochofen-
anlage beibehalten wurde, bildete solcherart eine Art Gürtel von ca.
3.5 m Höhe rings um den Ofen in der Gegend der Rast, mit welchem
jedoch das eigentliche Ofengemäuer ohne alle Verbindung gelassen war,
so dass zwischen Ofen und Rauhgemäuer ein freier Zwischenraum von
0.47 m Breite ausgespart blieb.


Es zeigte sich zunächst, dass bei dieser Anordnung, wo also inner-
halb jenes Zwischenraumes ein lebhafter, die Abkühlung des Ofen-
gemäuers in der Kohlensackgegend befördernder Luftwechsel stattfand,
der relative Koksverbrauch (bezogen auf die Gewichtseinheit dargestellten
Roheisens) unter übrigens gleichen Betriebsverhältnissen nicht grösser
war als bei dem zweiten Hochofen mit starkem Rauhgemäuer.


Man füllte nun den erwähnten Zwischenraum mit Kokslösche, also
einem schlechten Wärmeleiter aus und ermittelte aufs Neue die Be-
triebsergebnisse während mehrerer Wochen. Es zeigte sich keine Ver-
ringerung des Koksverbrauchs.


Nachdem später die Füllung wieder entfernt, der Luftwechsel rings
um den Schacht her wieder hergestellt worden war, ergab sich sogar
als Durchschnitt während einer längeren Betriebszeit eine Ersparung
an Koks gegenüber dem Betriebe mit Ausfüllung des Zwischenraumes,
welche mitunter bis auf 19 Proc. stieg.


Wenn dieses überaus günstige Ergebniss auch vielleicht durch
andere Nebenumstände mit herbeigeführt ist, so lassen die mitgetheilten
Versuche doch die für die Praxis wichtige Schlussfolgerung als ganz
zweifellos erscheinen, dass durch die vollständige Freilegung
des Schachtes eine Verschlechterung des Hochofenganges
nicht eintritt
.


Eine fernerweit sowohl in Gleiwitz als auf anderen Hochofen-
werken gemachte Beobachtung ist, dass die freistehenden Schächte ohne
Blechmantel sich nach dem Anblasen des Hochofens sowohl im Durch-
messer als in der Höhe weniger ausdehnen als die Oefen mit Mantel
[348]Der Hochofen.
oder Rauhgemäuer. Der freistehende Schacht in Gleiwitz wuchs in der
Höhe nur um 78 mm, während frühere eingebaute Schächte bis 235 mm
gestiegen waren. Der Unterschied findet seine ausreichende Erklärung
in der weniger starken Erhitzung des freistehenden Schachtes. Für die
Haltbarkeit desselben ist die Beschränkung der Ausdehnung nicht ohne
Wichtigkeit.


Die Construction und Herstellung einzelner Theile des Hochofens.

Das Fundament. Es ist selbstverständlich, dass in allen Fällen bei
der Anlage eines Hochofens für eine ausreichend sichere Fundamenti-
rung gesorgt werden muss, damit nicht etwa später Senkungen ein-
treten, welche die Haltbarkeit des ganzen Hochofens in Frage stellen
können. Da jedoch ein Hochofen mit starkem Rauhgemäuer eine erheb-
lich grössere Belastung ausübt und eine grössere Grundfläche bedeckt
als ein Hochofen neueren Systems mit Blechmantel oder ganz freistehen-
dem Schachte, so erklärt es sich, dass für die Fundamentirung jener
älteren Oefen eine fast noch grössere Sorgfalt angewendet wurde als in
der Jetztzeit, selbst wenn die inneren Abmessungen derselben erheb-
lich geringer waren, als jetzt.


War ein genügend sicherer Untergrund nicht vorhanden, so pflegte
man in früherer Zeit einen Pfahlrost mit eingerammten Pfählen in der
Ausdehnung des Fundaments herzustellen. In einfacherer und nicht
minder zuverlässiger Weise schafft man bei modernen Hochofenbauten
eine entsprechende Unterlage, indem man aus Beton, d. h. einem Ge-
menge von hydraulischem Kalk (Cement) mit Sand und Steingrus oder
Kies 1), welcher zwischen einer Bretterverschalung in die durch Aus-
schachtung hergestellte Grube eingebracht wird, einen rasch erhärten-
den Steinkörper von ¾—1 m Stärke (Höhe) und einer dem Umfange
des Fundaments entsprechenden Länge und Breite herstellt.


Auf dieser Unterlage, beziehentlich ohne Weiteres auf dem festen
Baugrunde, wird nun, gewöhnlich aus Bruchsteinen in Cement, das
eigentliche Fundament aufgeführt. In früherer Zeit pflegte man dem-
selben eine Höhe von etwa 3 m zu geben und, theils zur Material-
ersparung, hauptsächlich auch zur besseren Verhütung von Rissen beim
Trocknen des starken Mauerkörpers, zwei sich rechtwinklig durchkreu-
zende, überwölbte Gänge in demselben auszusparen, wie es bei dem
in Fig. 77 auf S. 338 abgebildeten Hochofen mit Rauhgemäuer erkenn-
bar ist; nachdem jedoch verschiedentliche Male Eisendurchbrüche vor-
gekommen sind, pflegt man in neuerer Zeit das Fundament massiv
aufzuführen oder nur mit kleinen Kanälen von einigen Centimetern
Durchmesser zu durchsetzen, während man sich mit einer Stärke von
1.5—2 m, soweit das Fundament sich unterhalb der Erde befindet,
begnügt.


Auf dieses eigentliche Fundament pflegt sich eine, um 0.5—1 m
aus dem Boden vorragende Mauerschicht aufzusetzen, welche den Boden-
[349]Die Form und der Bau des Hochofens.
stein des Ofens einschliesst. Ausserdem werden bei Oefen mit frei-
stehendem Schachte in dem oberen Theile des Fundaments prismatische
Mauerkörper aufgeführt oder Quader eingelassen, auf welchen mit Anker-
schrauben die zur Aufnahme der Tragsäulen oder Ständer bestimmten
gusseisernen Fussplatten befestigt werden.


Die Construction des Rauhgemäuers bei älteren, der Säulen, be-
ziehentlich Ständer nebst Tragkranz bei neueren Hochöfen
wurde
bereits oben besprochen. Auf den soeben besprochenen Fussplatten
werden die Säulen oder Ständer in irgend einer einfachen Weise be-
festigt, welche die genaue Stellung derselben sichert.


Die Schächte. Man benutzt zu ihrer Herstellung natürlich vor-
kommende feuerfeste Materialien (Quadersandsteine u. a.), häufiger
Chamottesteine, welche genau der Form des Schachtes entsprechend
gefertigt werden. Die Anwendung eisenoxydhaltigen Materials ist hier
mit grösster Vorsicht zu vermeiden, da die aufsteigenden kohlenoxyd-
reichen Gase sonst leicht Kohlenstoff ablagern (vergl. S. 230) und die
Steine schon in kurzer Zeit zum Zerfallen bringen können. 1)


Für die Benutzung zur Herstellung freistehender Schächte ohne
Blechmantel müssen die Steine fernerhin widerstandsfähig gegen die
Einflüsse der Atmosphärilien sein, eine Eigenschaft, welche nicht alle,
übrigens ausreichend feuerfesten, Chamottesteine besitzen. Glaubt man
in dieser Beziehung Befürchtungen hegen zu müssen, so überzieht man
den fertigen Schacht wohl mit einem Anstriche aus heissem Theer.


Von der Anwendung zweier concentrischer, durch eine Füllung
von einander getrennter Schächte, welche in früherer Zeit sowohl bei
Oefen mit als ohne Rauhgemäuer sehr gebräuchlich war, kommt man,
da sie in Wirklichkeit einen besonderen Nutzen nicht gewährt, mehr
und mehr ab.


Die Stärke der Schachtsteine (d. h. die Differenz zwischen dem
inneren und äusseren Radius des Hochofens) muss zum Theil von der
Höhe des Hochofens abhängig und in Rücksicht auf den Umstand be-
messen sein, dass die untersten Steinlagen das Gewicht des ganzen
Ofenschachtes tragen müssen, ohne der Gefahr der Zerdrückung aus-
gesetzt zu werden. Zweckmässig ist es deshalb, die Stärkeabmessungen
der Steine von unten aufwärts allmählich abnehmen zu lassen, wodurch
das Gewicht verringert und Material gespart wird. Bei mittelgrossen
Oefen (15—20 m Höhe) pflegt eine Stärke der Schachtsteine im Fusse
des Schachtes von 750—800 mm vollständig ausreichend zu sein, wäh-
rend an der Gicht 600 mm Stärke genügt.


Bei den meisten Schächten entspricht die Länge der einzelnen
Steine (in der Richtung des Ofenradius gemessen) der Stärke des
[350]Der Hochofen.
Schachtes, und jedenfalls ist die Wahl derartiger Steine vorzuziehen,
wo man sie in der betreffenden Grösse und in gleich guter Beschaffen-
heit als kleinere Steine erhalten kann. Bei künstlich dargestellten feuer-
festen Steinen aber wächst mit ihrer Grösse die Schwierigkeit, sie gleich-
mässig zu brennen; auch ist bei grossen Steinen die Handhabung beim
Einmauern offenbar schwieriger, die Gefahr des Zerbrechens grösser als
bei kleineren. Aus diesem Grunde empfiehlt es sich, bei Steinen, welche
die ganze Dicke des Ofenschachtes zur Länge haben, die Höhe und
Breite des Steines nicht allzu beträchtlich zu nehmen (bei Anwendung
künstlicher feuerfester Steine aus bewährten Fabriken überlässt man
am besten die Bestimmung der beiden letztgenannten Abmessungen
dem Ermessen der Fabrik); manche Hochofenleute dagegen ziehen es
vor, den Schacht aus kleineren Steinen herzustellen, von denen zwei
bis drei auf die Mauerdicke kommen und welche im Verband zusam-
mengefügt werden.


Für den Aufbau des Schachtes selbst kommen dieselben Regeln
zur Anwendung wie für den Ofenbau überhaupt (vergl. S. 134).


Bodenstein, Gestell und Rast. Die Theile umschliessen den heisse-
sten Theil des Hochofeninnern, und es ist deshalb bei der Auswahl des
Materiales dafür eine fast noch grössere Sorgfalt erforderlich als für die
Schachtsteine. Letztere sind vorwiegend chemischen Einflüssen durch
die Gase des Hochofens und mechanischen Einflüssen durch die nieder-
rückende Schmelzsäule unterworfen, haben aber selten eine Temperatur
auszuhalten, welche über 1000°C. hinausgeht und in den höheren
Schichten erheblich hinter dieser Ziffer zurückzubleiben pflegt; die Steine
für Bodenstein, Gestell und Rast werden den höchsten Temperaturen
ausgesetzt, welche überhaupt in unseren Oefen erzeugt werden, und
haben dabei noch die chemischen Einwirkungen der geschmolzenen
Körper und der Gase zu ertragen.


Für Holzkohlenhochöfen, welche graues Roheisen darzustellen be-
stimmt sind, verwendet man mitunter Quadersandsteine oder Pudding-
steine, wo solche in ausreichend fester Beschaffenheit und frei von eisen-
schüssigen Stellen zu haben sind. Kokshochöfen erfordern, wenigstens
für Rast und Gestell, ein anderes Material, theils wegen der in den-
selben entwickelten höheren Temperatur, theils auch wegen des stärkeren
Angriffs der beim Betriebe mit mineralischen Brennstoffen gebildeten
basischeren Schlacke auf kieselsäurereiche feuerfeste Körper. Das vor-
züglichste Material hierfür sind jedenfalls Chamottesteine aus einer
Fabrik, deren Erzeugnisse bereits für diesen Zweck Bewährung ge-
funden haben. Die berühmtesten Steine dieser Art sind die von Garn-
kirk in Schottland; und da für einen derartigen Zweck die An-
schaffungskosten eine nur geringere Wichtigkeit besitzen können als
die geringere oder grössere Dauerhaftigkeit des Materials, so benutzt
man auch auf vielen Hochofenwerken ausserhalb Grossbritanniens jene
Garnkirksteine für den genannten Zweck. 1) Für den Bodenstein dagegen
[351]Die Form und der Bau des Hochofens.
und auch wohl für den Herd, welche Theile dem Wegschmelzen nicht
ganz in dem Maasse als die Theile oberhalb der Formöffnungen unter-
worfen sind, benutzt man auch bei Kokshochöfen nicht selten aus
Billigkeitsrücksichten ein anderes Material, Chamottesteine aus inländi-
schen Fabriken oder auch natürlich vorkommende feuerfeste Steine
(z. B. Puddingsteine).


Verhältnissmässig selten, aus den schon auf S. 134 entwickelten
Gründen, wendet man jetzt Massezustellungen für Hochöfen an.


Den Bodenstein pflegte man in früherer Zeit nicht unmittelbar
auf das Fundament zu legen, sondern man führte zunächst auf dem
Fundamente aus Ziegelsteinen eine Anzahl sich kreuzender Kanäle von
etwa 10 cm Höhe und Breite auf, welche in einzelnen grösseren zu
Tage führenden Kanälen mündeten. Die Abbildungen Fig. 77 auf
S. 338 und Fig. 91 lassen diese
Kanäle erkennen. Bei Oefen mit
Rauhgemäuer pflegten jene kleine-
ren Kanäle unterhalb des Boden-
steines in zwei sich rechtwinklig
kreuzende Hauptkanäle auszulau-
fen, welche in der Mitte je zweier
Eckpfeiler in senkrechten Kanälen
mündeten; letztere führten inner-
halb des ganzen Rauhgemäuers
nach oben und bewirkten ebenso
wie eine Esse die Ableitung der
unten sich bildenden Dämpfe. Jene
beiden erwähnten, kreuzförmig sich
durchschneidenden Hauptkanäle
werden ihrer Form halber das
Andreaskreuz genannt.


Sämmtliche Kanäle, soweit der
Bodenstein sich erstreckt, wurden
nun durch eiserne Platten abge-
deckt, auf diese kam gewöhnlich

Figure 57. Fig. 91.


eine Sandschicht (o in Fig. 91), welche äusserlich durch Mauerwerk
begrenzt wurde, und auf die Sandschicht wurde nun erst der Boden-
stein gelegt.


Auch bei neueren Hochöfen behält man die Anordnung von Ka-
nälen unterhalb des Bodensteins in denjenigen Fällen bei, wo man
bleiische Erze verhüttet, damit das durch den Bodenstein hindurch
entweichende Blei sich innerhalb der Kanäle sammeln und nach aussen
abfliessen könne. Die Anordnung der Kanäle für diesen Zweck muss
eine solche sein, dass sie nach einem oder mehreren Hauptkanälen hin
abfallen; letztere, welche ebenfalls nach aussen hin entsprechenden
Fall haben, münden gewöhnlich in einer schachtartigen, von oben her
zugänglichen Vertiefung innerhalb des Fundaments. Durch Unter-
[352]Der Hochofen.
haltung eines Koksfeuers vor den Kanälen verhütet man das vorzeitige
Erstarren des Bleis. 1)


Wo dagegen dieser Zweck nicht vorliegt, pflegt man bei neueren
Hochöfen die Kanäle ganz fehlen zu lassen und den Bodenstein un-
mittelbar auf das Fundament zu legen.


Da der Durchmesser des Bodensteins ungefähr so gross sein muss,
als der äussere Durchmesser des Gestelles, so ist auch bei kleinen
Hochöfen die Herstellung desselben aus einem einzigen Stücke nur
selten möglich, und er muss in den meisten Fällen aus mehreren neben
einander liegenden Stücken zusammengefügt werden.


Damit nicht das flüssige hocherhitzte Roheisen in die Fugen ein-
dringe und den Stein beschädige, müssen letztere mit Sorgfalt hergestellt
werden und die einzelnen Stücke müssen genau aneinander passen;
damit aber nicht etwa einzelne dieser Stücke aus ihrer Lage kommen,
durch das geschmolzene Metall in die Höhe gehoben werden können,
müssen sie in solcher Weise verbunden werden, dass immer ein Stück
das andere unverrückbar in seiner Lage festhält.


Verhältnissmässig einfach lässt sich diese Aufgabe lösen, wenn der
Boden aus natürlich vorkommenden feuerfesten Steinen, die in grösseren
Stücken zu haben sind, gefertigt wird und der Durchmesser des Ge-
stelles nicht sehr gross ist. Fig. 91 auf S. 351 lässt die in diesem Falle ge-
bräuchliche Anordnung erkennen. Der Boden wird aus einzelnen verhält-
nissmässig langen Stücken a a gefertigt, welche von einer Seite des Ofens
zur andern hinübergehen und auf denen die Seitenwände des Gestelles
aufruhen. In der vorliegenden Abbildung, welche das vierseitig pris-
matische Gestell eines Holzkohlenhochofens darstellt, bestehen die Seiten-
wände b aus je einem einzigen Stücke (den sogenannten Backensteinen),
welches über sämmtliche Stücke des Bodens a a hinüber reicht. Natür-
lich ist auf solche Weise eine grosse Sicherheit für die feste Lage des
letzteren gegeben.


Bei Benutzung von Chamottesteinen für Herstellung des Bodens
würde es nicht möglich sein, denselben die erforderliche Länge für
eine derartige Anordnung zu geben. Man hilft sich in diesem Falle
gewöhnlich, indem man den mittleren Stücken des Bodens Keilform
giebt und die daran stossenden in schräger Stellung dagegen legt, ähn-
lich als wenn man einen umgekehrten scheitrechten Bogen herstellen
wollte. Die Abbildungen von Kokshochöfen Fig. 83 (S. 343) und Fig. 84
(Tafel) lassen diese Anordnung erkennen. Die äussersten dieser Steine
treten unter die Steine des Gestelles und werden von diesen in ihrer
Stellung festgehalten, während sie selbst es den übrigen Steinen unmög-
lich machen, aus ihrer Lage zu weichen. Gewöhnlich werden zwei
Schichten solcher Steine über einander angebracht, wobei natürlich die
Fugen der unteren Schicht durch die Steine der oberen abgedeckt
werden. Rings herum pflegt man aus horizontal liegenden Steinen,
welche sich kreissegmentförmig an das von den inneren Steinen ge-
bildete Quadrat anschliessen, eine äussere Begrenzung des Bodensteins
herzustellen.


[353]Die Form und der Bau des Hochofens.

Die Stärke des Bodensteins beträgt bei Holzkohlenhochöfen ge-
wöhnlich 30—40 cm, bei Kokshochöfen und Herstellung aus Chamotte-
steinen kaum unter 1 m, häufiger 1.25—1.5 m.


In allen Fällen muss die Oberkante des Bodensteins so weit über
die Erdoberfläche hervorragen, dass für das aus dem Ofen abfliessende
Roheisen das nöthige Gefälle bis zum Giessbette hin gewahrt bleibt.


Die Anordnung der Gestellsteine ist ziemlich einfach. Die
oben gegebene Abbildung Fig. 91 zeigt die Art und Weise, wie die
aus natürlich vorkommendem Materiale bestehenden Steine eines pris-
matischen Holzkohlenhochofen-Gestelles zusammengefügt werden. b ist,
wie schon erwähnt, der eine von zwei parallelen Backensteinen, welche
sich von vorn bis nach hinten erstrecken; an der Rückseite schliessen
sie den „Rückenstein“ c ein, vorn, auf beiden Backensteinen aufruhend,
schliesst der „Tümpelstein“ f das innere Gestell ab, während der Wall-
stein d gewöhnlich vor den Backensteinen hindurch geht und zwischen
den Pfeilern des Rauhgemäuers endigt. Die Einfügung der übrigen
Gestellsteine e, g, h bietet kaum etwas Bemerkenswerthes.


Kreisrunde Gestelle aus Chamottesteinen stellt man aus einzelnen
Lagen segmentförmiger Steine her. Freistehenden Gestellen für Koks-
hochöfen pflegt man eine Mauerstärke von 0.9—1 m zu geben. Ob man
dazu Steine benutzt, deren Länge jedesmal gleich der ganzen Mauer-
stärke ist oder ob man kürzere Steine in mehreren Schichten hinter-
einander zusammenfügt, hängt auch hier, wie bei der Herstellung des
Schachtes, vornehmlich von der Beschaffenheit der Steine selbst ab;
doch dürfte erstere Methode bei der Gestell- und Rastmauerung mehr
noch als bei der Schachtmauerung den Vorzug verdienen, und sie ist
deshalb auch die bei weitem üblichere. Für die Anbringung der Formen,
des Stichs u. s. w. müssen selbstverständlich die entsprechenden Oeff-
nungen gelassen werden, und man muss von vorn herein bei Her-
stellung der Steine hierauf Rücksicht nehmen.


Erhält der Ofen bei freistehendem Gestell offene Brust, so muss
der Wallstein zwischen den Steinen des Gestelles seine Stellung er-
halten und die letzteren müssen in Rücksicht hierauf an der betreffen-
den Stelle entsprechend weit vorspringen, wie die Abbildung Fig. 92 auf
S. 354 erkennen lässt. Die vorderen Flächen dieser Vorsprünge werden
mit starken gusseisernen Platten a a (Fig. 92—94) bekleidet, um gegen
Beschädigungen geschützt zu sein; und in den Platten giesst man ge-
wöhnlich Löcher ein zur Befestigung von Haken, welche zur Unter-
stützung schwerer, beim Betriebe benutzter Werkzeuge Verwendung
finden können.


Die Befestigung der Platten geschieht theils durch Schrauben,
welche in die Gestellsteine eingelassen werden, theils durch Bänder,
welche an den Platten befestigt sind und um das Gestell herumlaufen,
während ein Paar Queranker oben und unten die beiden Platten unter
sich verbinden (vergl. Fig. 92 und 93).


An diesen Stirnplatten des Gestelles kann nun auch die als Schutz
für den Wallstein dienende Wallplatte b durch Haken und Keile oder
Ledebur, Handbuch. 23
[354]Der Hochofen.
in ähnlicher Weise befestigt werden. An der Oberkante derselben und
zwar ganz an dem einen Ende des Wallsteines wird bei Oefen, deren

Figure 58. Fig. 92.


Figure 59. Fig. 93.


Figure 60. Fig. 94.


Schlacke von selbst abfliesst (sämmtlichen Kokshochöfen und den auf
weisses Roheisen arbeitenden Holzkohlenhochöfen), ein Einschnitt c an-
gebracht, die Schlackenspur genannt, durch welche die Schlacke aus-
[355]Die Form und der Bau des Hochofens. Massezustellung.
tritt, um auf der schon erwähnten Schlackentrift hinab zu fliessen. An
der entgegengesetzten Seite befindet sich das Stichloch d.


Die Breite der Brustöffnung ist bei kleinen Oefen gleich dem
Durchmesser des Gestelles. Hat das letztere, wie bei älteren Holz-
kohlenhochöfen, quadratischen Querschnitt, so werden durch diese Ein-
richtung allerdings, wie schon erwähnt wurde, die Windformen, an
denen vorzugsweise sich erstarrte Massen anzusetzen pflegen, sehr leicht
von aussen her erreichbar. Bei grossen Oefen mit weiten Gestellen
würde jedoch eine dem Durchmesser gleiche Breite der Brustöffnung
mancherlei Unzuträglichkeiten mit sich führen. Man pflegt deshalb in
diesen Fällen jener Oeffnung eine Breite von nicht über 1 m zu geben,
zumal da bei diesen grossen Oefen, welche mit hocherhitztem Winde
betrieben zu werden pflegen, jener ursprüngliche Zweck der Einrichtung
einer offenen Brust, die Ermöglichung des Losbrechens erstarrter Massen
in der Formgegend, eine geringere Bedeutung besitzt, als es früher
beim Betriebe mit kaltem Winde und zäher Schlacke der Fall war.


Den Tümpel e Fig. 93 mauert man bei Benutzung von Chamotte-
steinen aus einzelnen Keilstücken als sogenannten scheitrechten Bogen
und giebt zu diesem Zwecke den als Widerlager dienenden Seitenwänden
der Brustöffnung eine entsprechende Abschrägung. Die Höhe jener
Oeffnung des Gestelles, in welche der Tümpel eingesetzt wird, pflegt
man etwas beträchtlicher zu nehmen als gerade für den Tümpel allein
erforderlich sein würde, und dann den oberen Theil derselben durch
eingesetzte Steine f f zu schliessen. Das Tümpeleisen g Fig. 94, welches
die untere und gewöhnlich auch die Vorderseite des Tümpels vor Be-
schädigungen zu schützen bestimmt ist, wird unten 1) eingehendere
Besprechung finden (in Fig. 93 ist das Tümpeleisen weggenommen
gedacht).


Von der gegenseitigen Stellung des Wallsteines, Tümpels und der
Windformen war bereits auf S. 328 die Rede.


Die Anordnung der Raststeine ist aus den bereits gegebenen
Abbildungen (Fig. 83, 84, 94) erkennbar. Sie bestehen aus einzelnen
Segmentstücken, welche äusserlich in Rücksicht auf die erforderliche
Verankerung durch Cylinderflächen begrenzt sind.


Gewöhnlich lässt man die oberste Schicht der Raststeine, wie bei
Fig. 83 und 84, keilartig auslaufen. Eine andere Anordnung, vornehm-
lich zu dem Zwecke, die hierbei entstehende scharfe Kante der oberen
Raststeine zu vermeiden, zeigt Fig. 94. Die bei h h gebliebene Fuge
schliesst sich beim Anheizen des Ofens infolge des Wachsens des Ge-
stelles von selbst.


Die Einrichtung einer Massezustellung ist aus Fig. 79 auf
S. 340 zu ersehen; und die Herstellung derselben ist bereits auf S. 134
kurz erwähnt worden.


Man benutzt für die Massezustellung der Hochöfen so viel als
thunlich die alte Masse, welche nach dem Ausblasen des Hochofens
23*
[356]Der Hochofen.
herausgeschlagen wird, zerstösst und siebt dieselbe, versetzt sie mit so
viel feuerfestem Thon und Magerungsmitteln (gepochten Feuerstein-
knollen oder dergl.), als zur Herstellung der erforderlichen Bildsamkeit
einerseits und zum Ersatze des stattgehabten Verlustes an Masse anderer-
seits erforderlich ist, weicht das Gemenge in Wasser ein und lässt es
durch Treten auf einer Holzunterlage oder unter Benutzung einer Misch-
maschine sorgfältig vermengen. Die Menge des zugesetzten Wassers
darf nur eine solche sein, dass die Masse unter starkem Drucke eben
bildsam ist, ohne an den Händen zu kleben. 1)


Zunächst beginnt das Einstampfen des Bodens. Derselbe ist rings
herum von Ziegelmauerwerk in gleicher Höhe umgeben, welches bereits
fertig hergestellt sein muss, ehe das Stampfen beginnen kann. Nun
schüttet man von der fertig zubereiteten Masse eine Lage von mehreren
Centimetern Höhe in die Vertiefung, breitet sie flach aus und stampft
sie mit Hilfe eiserner, an hölzernen Stielen befestigter Stampfer, welche
zuvor etwas angewärmt wurden, allmählich so fest, bis sie vom Nagel
des Schuhes keinen Eindruck mehr annimmt. Dann kratzt man, damit
die folgende Schicht sich besser mit der ersten verbinde, die Oberfläche
mit einem scharfen Werkzeuge etwas rauh, schüttet eine frische Lage
Masse ein und fährt in dieser Weise fort, bis der Bodenstein in seiner
ganzen Höhe fertig zugestellt ist.


Auch das Gestell und die Rast, sofern letztere überhaupt in Masse
gefertigt werden soll 2), müssen äusserlich durch Mauerwerk aus feuer-
festen oder gewöhnlichen Ziegeln begrenzt sein, welches vorher fertig
gestellt und innerhalb dessen das Einstampfen vorgenommen wird. Man
bringt nun ein aus Brettern oder auch aus dünnen Gusseisenplatten
zusammengefügtes und gut versteiftes Modell, dessen äussere Umrisse
genau den inneren Umrissen des herzustellenden Gestelles u. s. w. ent-
spricht, in den Ofen, schüttet Masse rings herum und fährt nun in der-
selben Weise wie bei der Herstellung des Bodensteins mit dem Stampfen
fort. Zur Erleichterung des Einstampfens lässt man das Modell aus
mehreren Abtheilungen über einander bestehen, welche der Reihe nach
erst eingesetzt werden, wenn das untere Stück fertig umstampft ist.
Schliesslich zieht man das Modell, welches zu diesem Zwecke zerlegbar
sein muss, nach oben heraus.


Der Wallstein wird erst eingesetzt, beziehentlich eingestampft, wenn
alles Uebrige vollständig fertig ist.


Nun folgt ein sehr allmähliches Trocknen der Massezustellung
durch ein vor dem Ofen unterhaltenes Feuer, welches mehrere Wochen
hindurch ununterbrochen fortgesetzt wird. Trocknet man zu rasch, so
entstehen Risse, oder es werden wohl gar Theile der Zustellung durch
die sich entwickelnden Wasserdämpfe zum Abblättern veranlasst.


Erst wenn in solcher Weise das Wasser vollständig verflüchtigt
ist, kann man die Temperatur steigern, indem man die Feuerung in
[357]Die Form und der Bau des Hochofens. Kühlungen.
den Ofen selbst verlegt, und solcherart zu dem „Anwärmen“ über-
gehen, welches die erste Arbeit des später beschriebenen Anblasens eines
Hochofens ist.


Das erwähnte langsame Austrocknen der Massezustellung ver-
zögert natürlich die Fertigstellung des Hochofens für den Wiederbeginn
des Betriebes beträchtlich, ein Umstand, welcher mitunter allein schon
ausreichend sein kann, der Steinzustellung den Vorzug einzuräumen.


Die Kühlungen.

Seit der Einführung der Anwendung erwärmten Windes beim
Hochofenbetriebe stellte sich mehr und mehr die Nothwendigkeit heraus,
einzelne dem Wegschmelzen vorzugsweise stark unterworfene Theile
durch eine künstliche Kühlung zu schützen. Für diesen Zweck ist allein
Wasserkühlung benutzbar; Luftkühlung würde aus den auf S. 131 be-
sprochenen Gründen und in Rücksicht auf den ununterbrochenen Be-
trieb eines Hochofens (wobei jede periodische Abkühlung desselben weg-
fällt) einen nur sehr unerheblichen Erfolg liefern können.


Die Wasserkühlung wird ausgeführt, indem man einen höher
gelegenen, ausreichend grossen Behälter anordnet, welcher ununter-
brochen mit Wasser gefüllt erhalten wird und von welchem aus das
letztere durch Rohrleitungen — am bequemsten sind Bleirohre — den
betreffenden Theilen zugeführt wird, um dann durch Ableitungsrohre
nach einer Schleusse oder dergleichen entfernt zu werden.


Da in verschiedenen Hochöfen die Temperaturen nicht immer die-
selben sind, so erklärt es sich, dass auch der Umfang der angewendeten
Kühlvorrichtungen ziemlich grosse Abweichungen zeigt. Mit je heisserem
Winde man arbeitet, desto höher ist auch die vor den Formen ent-
wickelte Temperatur, desto sorgfältiger müssen die umgebenden Theile
gekühlt werden; beim Betriebe auf graues Roheisen ist eine höhere
Temperatur erforderlich als beim Betriebe auf gewöhnliches silicium-
und manganarmes; beim Betriebe mit Koks, Steinkohlen, Anthraciten
werden durchgängig höhere Temperaturen als beim Betriebe mit Holz-
kohlen im Verbrennungsraume erzeugt; u. s. f.


Die Windformen. So lange man die Hochöfen nur mit kaltem
Winde betrieb, bestanden die Windformen häufig nur aus einer kupfernen,
conisch gestalteten (nach innen sich verengenden) Hülse, welche in die
betreffende Oeffnung des Gestelles eingesetzt und mit feuerfestem Thon
umstampft wurde.


Sobald man aber anfing, erwärmten Wind anzuwenden, zeigte sich
eine derartige Form als vollständig unbrauchbar infolge des Umstandes,
dass die Verbrennung jetzt rascher, also in grösserer Nähe der Form,
vor sich ging und die hierbei entwickelte höhere Temperatur die Form
oft schon nach Verlauf weniger Stunden zum Schmelzen brachte.


Bei allen Hochöfen wendet man deshalb jetzt wassergekühlte For-
men an.


Im Laufe der Zeit sind ziemlich zahlreiche verschiedene Einrich-
tungen für die Kühlung der Formen getroffen worden. Die üblichste
ist die in Fig. 95 in 1/15 der wirklichen Grösse abgebildete. Die schlank
conische Form hat doppelte Wände und an der Rückseite zwei Rohr-
[358]Der Hochofen.
ansätze a und b, durch welche das Wasser ein- und austritt und
welche zu diesem Ende mit der Bleirohrleitung verbunden werden.
Am besten lässt man das Wasser durch den unteren Stutzen ein- und
durch den oberen austreten; man erreicht dadurch, dass stets die ganze
Form mit Wasser gefüllt bleibt und Dampfbildung nicht eintreten kann,
so lange der Zu- und Abfluss nicht unterbrochen ist.


Das am häufigsten für die Herstellung derartiger Formen benutzte
Material ist Bronze, aus welcher die Formen in einem Stücke gegossen
werden. Die Herstellung erfordert aber, wenn die Form haltbar sein
soll, Umsicht und praktische Erfahrung, und man sollte deshalb diese
Formen nur aus Fabriken beziehen, welche die Anfertigung als Specia-

Figure 61. Fig. 95.


lität betreiben. Phosphorbronze 1) wird als besonders geeignet für diesen
Zweck bezeichnet.


Der mit Wasser gefüllte Raum einer derartigen Form ist nun aber,
so lange sie in Benutzung ist, vollständig unzugänglich. In demselben
wird sich aus dem hindurchfliessenden Wasser allmählich Schlamm
und unter Umständen Kesselstein ablagern, und zwar werden sich diese
Ablagerungen vorzugsweise in dem nach dem Ofen hin gewendeten
engeren Ende der Form, dem sogenannten Rüssel, anhäufen, wo die
stärkste Erhitzung stattfindet. Es wird dadurch nicht allein der Durch-
fluss des Wassers erschwert, sondern, je stärker die abgelagerte Schicht
anwächst, desto weniger wird auch der dem Feuer ausgesetzte Theil
der Form noch gekühlt werden, desto leichter wird ein Leckwerden
derselben eintreten.


[359]Die Form und der Bau des Hochofens. Die Windformen.

Je mehr feste Bestandtheile das zur Kühlung bestimmte Wasser
ablagert, desto häufiger wird ein Auswechseln derartiger Formen erfor-
derlich werden, desto weniger geeignet sind sie für ihren Zweck.


Aus diesem Grunde hat man verschiedentlich Formen in Anwen-
dung gebracht, welche hinten offen sind, somit eine Reinigung von
abgelagerten Körpern gestatten und nur durch eingespritztes Wasser
kühl erhalten werden. Eine der einfachsten Einrichtungen dieser Art ist
die von G. Hilgenstock, Hüttendirector in Hörde, construirte Form

Figure 62. Fig. 96.


(D. R. P. Nr. 8867), welche auf verschiedenen Hochofenwerken mit gutem
Erfolge eingeführt wurde und in Fig. 96 in 1/15 der wirklichen Grösse
abgebildet ist. a ist die eigentliche Form, aus Eisenblech gefertigt und
an der Rückseite vollständig offen. In dem oberen Zwischenraume zwi-
schen innerer und äusserer Wand befindet sich das mit zahlreichen
Oeffnungen versehene Wasserleitungs-Mundstück b von schaufelartiger
Form, welches sich leicht an dem Zuleitungsrohre befestigen lässt, und
aus dem das Wasser in einzelnen Strahlen gegen die Wände der Form
gespritzt wird, um dann abwärts zu rieseln und schliesslich durch das
[360]Der Hochofen.
Rohr c entfernt zu werden. Auf diese Weise ist nicht allein eine
Reinigung der Form möglich, sondern auch ein eigentliches Leckwerden
und Eintreten von Wasser in den Ofen — ein Vorfall, der bei den
Formen der zuerst beschriebenen Gattung gar nicht selten ist und die
übelsten Folgen nach sich ziehen kann — ganz vermieden. 1)


Die Länge aller Hochofenformen pflegt 30 — 40 cm zu betragen.
Der Durchmesser des „Auges“ der Form, d. h. der dem Ofen zugekehrten
Oeffnung, durch welche der Wind austritt, ist gewöhnlich gleich dem
Durchmesser der Düse (des Mundstückes der Windleitung) oder nur
wenig grösser als dieser und demnach von der Windmenge, Wind-
temperatur, Windpressung und Anzahl der Formen abhängig. Bei den
meisten Hochöfen beträgt dieser Durchmesser 5—10 cm.


Ueber die Stellung der Formen gegen einander ist bereits auf
S. 337 das Erforderliche mitgetheilt worden. Die Richtung der Form-
achse ist meistens horizontal.


Wichtiger als kleine Abweichungen in dieser Beziehung ist die
Lage des Formrüssels im Ofen selbst. In früherer Zeit schob man die
Formen in der Formöffnung des Gestelles nur so weit vor, dass die
Ebene des Formauges mit der Ofenwand abschnitt. Ein Hineinragen
der stets kühl erhaltenen Form in den Gestellraum würde in der That,
so lange man nicht mit stark erhitztem Winde blies, leicht die Bildung
erstarrter und schwierig zu beseitigender Ansätze von Schlacke oder
Eisen an der Form bewirkt haben, wodurch, besonders bei engem
Durchmesser des Gestelles, der regelmässige Verlauf des Schmelzganges
beeinträchtigt werden kann. Deshalb pflegt man auch jetzt noch bei
Holzkohlenhochöfen, insbesondere wenn sie zur Graueisendarstellung
bestimmt sind, diese Anordnung beizubehalten. Der durch die Form
eintretende Wind wird nun allerdings vermöge seiner lebendigen Kraft
theilweise bis gegen die Mitte des Gestelles vordringen, sofern seine
Pressung ausreichend gross ist; ein anderer Theil aber wird auch durch
die Widerstände im Ofen schon in geringer Höhe über den Formen an
die Wände zurückgedrängt werden, um hier empor zu steigen. Die Folge
hiervon ist einestheils jene schon mehrfach erwähnte Verringerung der
in der Mitte des Ofens aufsteigenden Gasmenge und Anhäufung der-
selben an den Wänden, wodurch der Reductionsprocess benachtheiligt
wird; anderntheils ein rasches Wegschmelzen der Gestellwände in einigem
Abstande über den Formen, weil hier in unmittelbarer Berührung der-
selben die Verbrennung durch die aufsteigende Gebläseluft stattfindet.
Gewöhnlich entsteht an dieser Stelle eine förmliche Ausbauchung, wäh-
rend der obere Theil des Gestelles — sofern dasselbe hoch genug ist —
seinen Durchmesser weit langsamer erweitert.


Lässt man dagegen, wie bei den in Fig. 95 und 96 abgebildeten
Formen, den Rüssel in das Gestell hineinragen, so wird dieser Uebel-
stand abgemindert. Der Wind wird bei vorgeschobenen Formen in einem
weiteren Gestelle mit derselben Leichtigkeit bis zur Ofenmitte gelangen
[361]Die Form und der Bau des Hochofens. Die Windformen.
als in einem engeren mit zurückstehenden Formen; ja, der Umstand,
dass die Widerstände in dem weiteren Gestelle geringer sind als in
einem engeren, wird jenes Vordringen des Windes und die gleich-
mässige Vertheilung desselben noch erleichtern. Man erlangt also durch
Vorschieben der Formen auch bei Anwendung weiterer Gestelle, deren
Vorzüge früher erörtert wurden, wenigstens theilweise die Vortheile,
welche man früher durch enge Gestelle zu erreichen strebte, ohne deren
grosse Nachtheile mit in Kauf nehmen zu müssen.


Natürlicherweise giebt es auch in dieser Beziehung eine Grenze,
welche nicht ohne Nachtheil für die Leistungsfähigkeit, den Brennstoff-
verbrauch und die Gleichmässigkeit des Schmelzganges eines Hochofens
überschritten werden darf. Diese Grenze ist von der Form und Grösse
des Ofens, von der Windpressung und Windtemperatur, von der Be-
schaffenheit der Schmelzmaterialien abhängig. Nach Cochrane1) stei-
gerte sich bei einem Ofen, dessen Gestelldurchmesser 2.44 m war,
während die Formen um 305 mm in denselben hineinragten, die Wochen-
production von 483 t auf 599 t, nachdem man die Formen soweit zu-
rückgezogen hatte, dass sie nur noch 150 mm hineinragten. Der Brenn-
stoffverbrauch per Woche nahm hierbei nur von 603 auf 630 t zu, war
also, auf die Gewichtseinheit dargestellten Roheisens bezogen, ebenfalls
entschieden günstiger, nachdem die Formen zurückgezogen worden waren.


Bei kleineren Hochöfen setzt man die Formen häufig unmittelbar
in die entsprechend grössere Formöffnung ein und schliesst den rings
herum bleibenden Raum mit feuerfester Masse; bei grösseren Hochöfen
dagegen und insbesondere bei vorgeschobenen Formen benutzt man
einen Rahmen zur Befestigung der letzteren, welcher selbst mit Wasser
gekühlt und zum Auswechseln eingerichtet ist. Die obigen Abbildungen
Fig. 95 und 96 lassen zwei verschiedene Einrichtungen dieses Rahmens
oder Kastens erkennen. Bei Fig. 95 besteht derselbe aus Gusseisen mit
eingegossenen schmiedeeisernen Rohren, welche ihn in verschiedenen
Windungen durchziehen und durch welche ununterbrochen Wasser ge-
leitet wird. Die unten mitgetheilten Abbildungen Fig. 97—99 lassen
noch deutlicher die Construction eines solchen Kühlkastens erkennen.
Damit der Kasten leicht ausgewechselt werden kann, macht man die
zur Aufnahme desselben bestimmte Oeffnung im Gestell etwa 70 mm
höher und 55 mm breiter als die Abmessungen des Kastens betragen
und mauert nach beendigtem Einsetzen den Zwischenraum mit feuer-
festen Steinen aus. Die hintere Seite des Kastens schliesst mit der
inneren Fläche des Gestelles ab.


Bei der Form Fig. 96 besteht der Kasten aus Schmiedeeisen, ist
hinten offen und wird wie die Form selbst durch eingespritztes Wasser
kühl erhalten, welches bei d zufliesst und bei c gemeinschaftlich mit
dem Kühlwasser der Form abfliesst.


Die Schlackenformen. Trotz der bereits erwähnten Vortheile, welche
die Anwendung einer geschlossenen Brust bei Eisenhochöfen gewährt,
war diese Einrichtung bis zur Mitte der sechziger Jahre nur sehr ver-
einzelt und zwar bei Holzkohlenhochöfen, welche bei leichtflüssiger
Schlacke weisses Roheisen darstellten, in Anwendung. Der Grund hierfür
[362]Der Hochofen.
wurde bereits früher angedeutet: für eine zähflüssige Schlacke, wie sie
noch jetzt in Holzkohlenhochöfen für Graueisendarstellung zu erfolgen
pflegt, ist die geschlossene Brust wegen der leicht entstehenden Ver-
setzungen überhaupt nicht anwendbar; eine dünnflüssige Schlacke aber,
sei es, dass sie an und für sich schon infolge ihrer chemischen Beschaffen-
heit einen niedrigen Schmelzpunkt besitzt und deshalb dünnflüssig ist,
sei es, dass sie infolge starker Ueberhitzung beim Betriebe mit Koks
und hocherhitztem Winde diese Beschaffenheit angenommen hat, wird,
sofern man sie ohne Weiteres durch eine Oeffnung im Gestellsteine
auslaufen lässt, diese bald erweitern und eine Auswechselung des Steines
nothwendig machen.


Figure 63. Fig. 97.

Diese Schwierigkeiten werden beseitigt, wenn man die Schlacken-
öffnung aus einer ebenfalls mit Wasser gekühlten Metallhülse bestehen
lässt; und auf dieser Thatsache beruht die Einrichtung der von Fr. Lür-
mann
in Osnabrück erfundenen sogenannten Lürmann’schen
Schlackenform
.


Die Abbildungen Fig. 97—99 zeigen die Einrichtung derselben
in 1/15 der wirklichen Grösse.


B ist die eigentliche Schlackenform, aus Bronze nach Art der
bronzenen Windformen mit doppelten Wänden und Wasserkühlung
[363]Die Form und der Bau des Hochofens. Lürmann’s Schlackenform.
gefertigt. Das dem Ofeninnern zugekehrte Auge derselben hat 25 bis
40 mm Durchmesser, je nachdem die Schlacke mehr oder weniger dünn-
flüssig und die Menge dersel-
ben, welche in der Zeiteinheit
abfliessen muss, geringer oder
beträchtlicher ist. Die Lage
der Schlackenform muss eine
solche sein, dass sie sich 35
bis 40 mm tiefer als die Wind-
formen und an einer solchen
Stelle des Ofens befindet, von
wo die ausfliessende Schlacke
leicht entfernt werden kann.
Unzweckmässig würde es des-
halb sein, die Schlackenform
in die Nähe des Eisenstich-
loches zu legen, weil in die-
sem Falle die an beiden Stel-
len vorzunehmenden Arbei-
ten einander behindern wür-
den. Für das Einsetzen der
Schlackenform wird im Mau-
erwerk des Gestelles zunächst
eine entsprechend grosse (ge-
wöhnlich 70 cm hohe, 50 cm
breite) Oeffnung ausgespart
und oben mit Eisenplatten
C C abgedeckt. Die Platten
halten sich auch ohne Küh-
lung ausreichend gut und

Figure 64. Fig. 98.


schmelzen nur so weit weg, als das Gestell sich allmählich erweitert.
In diese Oeffnung kommt zunächst der wassergekühlte gusseiserne

Figure 65. Fig. 99.


Kasten A, dessen Einrichtung aus den Abbildungen zu ersehen ist und
mit derjenigen des schon oben erwähnten Kühlkastens für die Windform
[364]Der Hochofen.
Fig. 95 ziemlich genau übereinstimmt. Das zur Kühlung desselben
bestimmte Schmiedeeisenrohr wird vor dem Gusse des Kastens ent-
sprechend gebogen und dann in die Gussform eingelegt. Die Windungen
desselben sind aus Fig. 97 und 98 zu ersehen. Die hintere Fläche des
Kastens schneidet auch hier mit der Gestellwand ab.


In dem Kasten ist die Oeffnung zum Einsetzen der Schlackenform
ausgespart und über derselben ein einfacher Riegel c angebracht, welcher,
sobald er in seine tiefste Stellung geschoben wird, die eingesetzte
Schlackenform in ihrer Lage festhält und vor dem Herausfallen schützt.
Jene kreisrunde Oeffnung in dem Kühlkasten zur Aufnahme der
Schlackenform hat an der Seite noch eine rechteckige Erweiterung d
(Fig. 98), welche für gewöhnlich mit Thon verschlossen gehalten wird.
Dieselbe hat einen doppelten Zweck. Sie wird zum Ablassen der
Schlacke benutzt, wenn dieselbe aus irgend einem Grunde nicht durch
die Schlackenform selbst zum Abfliessen zu bringen sein sollte; muss
aber die Schlackenform ausgewechselt werden, so schiebt man durch
diese Oeffnung einen Haken in den Ofen und reisst sie mit Hilfe des-
selben heraus, nachdem der Riegel c gelöst worden ist.


Vor der Schlackenform stellt man in der Oeffnung des Gestelles
zwei Gusseisenplatten e e in einer Entfernung von etwa 4 cm von den
Seitenwänden auf und bildet zwischen denselben aus Thon oder Lehm
die Rinne für die abfliessende Schlacke. Der 4 cm breite Raum hinter
den Platten kann zum Einlassen von Wasser benutzt werden, sofern
die Platten zu stark erhitzt werden sollten.


Seit Einführung der Lürmann’schen Schlackenform sind in Rück-
sicht auf die bedeutenden Vortheile, welche dieselbe für den Betrieb
des Hochofens gewährt, die meisten Hochöfen Deutschlands und zahl-
reiche Hochöfen Nordamerikas, Frankreichs und anderer Länder mit
derselben versehen worden, sowohl neu gebaute als auch solche, welche
früher mit offener Brust eingerichtet waren. Weniger häufig findet sich
die Lürmann’sche Schlackenform in Grossbritannien, und in Belgien
ist sie bislang noch gar nicht eingeführt worden; man stellt dort die
meisten Oefen in früherer Weise mit offener Brust zu. Eine ähnliche
Einrichtung ist in England durch Ch. Wood in Vorschlag gebracht. 1)


Der Roheisenstich. Eine ebenfalls von Lürmann eingerichtete
Kühlung der Eisenabstichöffnung bei Oefen mit geschlossener Brust ist
in Fig. 100 und 101 abgebildet und wird einer besonderen Erläuterung
nicht bedürfen. Die horizontale Deckplatte F wird ununterbrochen mit
Wasser gekühlt. Die senkrechte Platte G wird überhaupt erst ein-
gesetzt, wenn durch das Wegschmelzen die Stärke der Gestellwand
am Stichloche geringer als 200 mm geworden ist. Mitunter aber genügt
in diesem Falle die Abkühlung durch die Kühlplatte allein nicht mehr,
das völlige Wegschmelzen und den Durchbruch des flüssigen Roheisens
zu verhüten. Man hilft sich in diesem Falle, indem man vor dem
Stichloche aus Thon einen Damm aufführt und den solcherart gebildeten
Sumpf mit Wasser anfüllt, welches dann etwa 1½ Stunden vor dem
Abstiche abgelassen wird, damit die Laufrinne für das flüssige Roh-
eisen hergestellt und getrocknet werden kann.


[365]Die Form und der Bau des Hochofens. Das Tümpeleisen.
Figure 66. Fig. 100.

Figure 67. Fig. 101.

Bei Oefen mit offener Brust befindet sich das Stichloch, wie be-
kannt, in dem Wallsteine. Eine besondere Kühlvorrichtung für das-
selbe pflegt in diesem Falle nicht angewendet zu werden, da der Wall-
stein, wenn es erforderlich sein sollte, sich ohne grosse Schwierigkeit
auswechseln lässt; wohl aber kühlt man mitunter, doch nicht regel-
mässig, die Wallplatte und versieht sie zu diesem Zwecke ebenfalls mit
eingegossenen, zum Hindurchleiten von Wasser bestimmten Schmiede-
eisenrohren in ähnlicher Weise wie es bei der Platte G Fig. 100 ge-
schehen ist.


Der Tümpel. Eine Kühlung des Tümpeleisens, welches der steten
Berührung der flüssigen Schlacken ausgesetzt ist, ist für eine längere
Dauer desselben unerlässlich. Man fertigt zu diesem Zwecke das Tümpel-
eisen aus Gusseisen und bewirkt die Kühlung wiederum mit Hilfe eines
eingegossenen Rohres. Die Form des letzteren ist von der Construction
des Tümpeleisens selbst abhängig. Bei kleineren Holzkohlenhochöfen
besteht das letztere häufig aus einem Balken von quadratischem Quer-
schnitte (vergl. die Abbildung Fig. 91), welcher nur die Vorderkante
des Tümpelsteines schützt und nur durch ein von einem Ende zum
andern hindurchgehendes Rohr ohne Windungen gekühlt wird; bei
grösseren Hochöfen pflegt man dem Tümpeleisen die Form eines rechten
Winkels zu geben, dessen einer Schenkel unter den aus mehreren
Stücken zusammengefügten Tümpelstein greift (Fig. 93 und 94), ihm
solcherart einen festeren Halt verleihend. In diesem Falle pflegt das
Kühlrohr in verschiedenen Windungen in dem Tümpel hin und her
geführt zu sein, um die Kühlung vollständiger zu machen. Die bisher
mitgetheilten Beispiele gekühlter Gusseisenplatten (A in Fig. 97 und 98,
G in Fig. 100) werden ausreichend sein, diese Einrichtung gekühlter
Tümpeleisen auch ohne besondere Abbildung verständlich zu machen.


Die Ofenwände. Durch die in die Gestellwände eingelassenen
wassergekühlten Formen nebst ihren ebenfalls gekühlten Kästen (Fig. 95,
[366]Der Hochofen.
96, 97) werden auch die in unmittelbarer Nachbarschaft befindlichen
Gestellsteine in gewissem Maasse kühl erhalten. Bei grösseren mit Koks
und heissem Winde betriebenen Hochöfen aber reichen diese Vorrich-
tungen allein nicht immer aus, das Gestell vor rascher Erweiterung zu
schützen, und man bringt deshalb ausser denselben häufig noch be-
sondere Kühlvorrichtungen zur längeren Erhaltung des Ofengemäuers an.


Dieser Zweck lässt sich in verschiedener Weise erreichen.


Die eine Methode der Kühlung beruht auf der Anwendung eiserner
Kühlkästen, welche an verschiedenen Stellen des Ofengemäuers, ähnlich
wie die früher besprochenen Formkühlkästen, eingelassen und ununter-
brochen durch zugeleitetes Wasser kühl erhalten werden. Die Abbildung
Fig. 83 auf S. 343 lässt mehrere solcher Kühlkästen erkennen. Die-
selben werden aus Gusseisen oder aus Schmiedeeisen gefertigt. Damit
nicht die Gefahr einer Explosion bei etwaiger Dampfentwickelung ent-
stehe, empfiehlt es sich, an der Rückseite derselben einen Spalt offen
zu lassen, durch welchen der Dampf entweichen kann. Zwischen der
Wand des Kühlkastens und dem Ofeninnern pflegt man eine 30—40 cm
starke Steinschicht zu lassen, während an der äusseren Seite der Kasten
mit der Gestellwand abschneidet.


Bei einer andern Methode werden die Gestellsteine von aussen
mit Wasser bespritzt, welches aus rings herum laufenden, mit feinen
Oeffnungen versehenen Rohren ausströmt. Da jedoch die feuerfesten
Steine durch diese unmittelbare Berieselung häufig stark angegriffen
werden, so hat man sie mitunter mit einer Schicht hydraulischen Kalkes
überzogen.


Endlich hat man auch in einzelnen Fällen Rinnen aus Eisenblech,
welche oben offen sind und deren innere Seite durch die Gestellwand
gebildet wird, rings um das Gestell herum gelegt und mit Wasser ge-
füllt erhalten, so dass das ganze Gestell von Wasser umgeben ist. Eine
häufige Anwendung hat jedoch diese sehr energische Kühlvorrichtung
nicht gefunden.


Den Bodenstein sucht man nicht selten zu kühlen, indem man in
einem Abstande von etwa 10 cm von der Gestellwand einen ringförmigen
oben offenen Kanal, etwa 20 cm tief, in demselben anbringt und diesen
mit Wasser gefüllt erhält.


Die Rast ist der Erhitzung in geringerem Maasse als das Gestell
preisgegeben und eine Kühlung derselben seltener erforderlich. Man
pflegt alsdann Kühlkästen, wie für die Kühlung des Gestelles, dafür zu
benutzen.


Noch seltener als die Rast bedarf der Schacht einer Kühlung.


Wasserbedarf für die Kühlung. Da das Kühlwasser herbei ge-
schafft, gehoben und nach den einzelnen gekühlten Theilen des Hoch-
ofens hin vertheilt werden muss, so ist die Frage nach der erforder-
lichen Menge desselben voll berechtigt. Man pflegt den Zufluss so zu
regeln, dass die Temperatur des abfliessenden Wassers nicht mehr als
etwa 40°C. beträgt. Nach der Grösse der gekühlten Theile selbst, nach
der Temperatur, welcher dieselben ausgesetzt sind, und nach der ver-
schiedenen Einrichtung der Kühlvorrichtungen kann nun allerdings der
Wasserbedarf für diesen Zweck ein ziemlich verschiedener sein. Eine
[367]Die Apparate zur Entziehung und Fortleitung der Gichtgase.
kleine Form für Holzkohlenhochöfen, deren Rüssel nur bis zur Innen-
kante des Gestelles vorgeschoben ist, wird nicht mehr als 25 l Wasser
per Minute gebrauchen; eine vorgeschobene grössere Form bei Koks-
betrieb 60—75 l ohne das erforderliche Wasser für den Kasten, in
welchem sie befestigt ist; grössere Kühlkästen erfordern 75—100 l.


Mit Hilfe von Hähnen, welche in den Zu- und Ableitungsrohren
angebracht werden, regelt man den Wasserverbrauch jedes einzelnen
Stückes gemäss der Temperatur des abfliessenden Wassers.


Bei der Kühlung des Gestelles durch eingemauerte Kühlkästen
leitet man bisweilen das aus einem höher gelegenen Kasten austretende
Wasser zunächst in einen tieferen, um an Wasser zu sparen; ebenso
benutzt man zu der beschriebenen Kühlung des Bodensteines gewöhn-
lich das aus den Formen austretende Wasser. Selbstverständlich aber
kann der Erfolg der Kühlung nur um so unbedeutender sein, je wärmer
das zugeleitete Wasser bereits war.


3. Die Apparate zur Entziehung und Fortleitung
der Gichtgase.


Die Eigenthümlichkeiten des Eisenhochofen-Processes machen es
unvermeidlich, dass die im Hochofen gebildeten Gase, wenn sie an der
Gicht anlangen, um dort zu entweichen, noch eine ziemlich bedeutende
Menge von Kohlenoxyd enthalten, also eines Brennstoffs von hohem
Brennwerthe. Die Menge desselben richtet sich nach der Zusammen-
setzung der Beschickung und der Art des Betriebes, beträgt aber durch-
schnittlich
etwa 24 Volumprocent von der Gesammtmenge der Gase,
also ungefähr ebenso viel, als in den aus Steinkohlen im Generator
erzeugten Gasen enthalten ist (S. 89); und daneben finden sich gewöhn-
lich noch einige Procente Wasserstoff und Kohlenwasserstoff.


Welche ungeheuren Mengen nutzbaren Brennstoffs in dieser Weise
täglich aus dem Hochofen entweichen, lässt sich unschwer berechnen,
wenn man erwägt, dass in einem mittelgrossen Hochofen für Koks-
betrieb — also von etwa 300 cbm Rauminhalt — täglich mindestens
50000 kg Kohle verbrannt werden und dass per 1 kg verbrannter Kohle
in den Gichtgasen noch etwa 1.2 cbm Kohlenoxyd enthalten sind. Täg-
lich entweichen also 60000 cbm Kohlenoxydgas; und da 1 cbm bei
der Verbrennung zu Kohlensäure 3000 W.-E. zu entwickeln fähig
ist 1), so beträgt die theoretische Wärmeleistung per Secunde etwa
2000 W.-E., welche nach dem mechanischen Aequivalent der Wärme
einer theoretischen Arbeitsleistung von mehr als elftausend Pferdestärken
entsprechen würden.


Wenn nun auch in Rücksicht auf die unvermeidlichen Wärme-
und Arbeitsverluste bei unseren Feuerungsanlagen und Maschinen von
jener theoretischen Leistung nur ein verhältnissmässig kleiner Theil
wirklich nutzbar gemacht werden kann, so erklärt es sich aus jener
Berechnung zur Genüge, dass die Wärmeleistung der Gichtgase bei
nur einigermaassen zweckmässigen Einrichtungen vollständig ausreichend
[368]Der Hochofen.
ist, ebensowohl den erforderlichen Dampf für die zum Betriebe des
Hochofens erforderlichen Maschinen (Gebläse, Gichtaufzüge, Pumpen) zu
liefern als auch daneben den Gebläsewind auf eine hohe Temperatur zu
erwärmen.


Obschon also wirthschaftliche Gründe eine genügende Veranlassung
zur Benutzung der Gichtgase zu geben vermögen und obschon die leb-
hafte, unter starker Wärmeentwicklung aus der Gicht heraus schlagende
Flamme eines Hochofens, dessen Gase nicht entzogen wurden, längst
auf den Brennwerth derselben hätte aufmerksam machen können, liess
man doch bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts diese Gase ziemlich
unbenutzt entweichen oder verwendete höchstens die von der Gicht-
flamme selbst ausgehende Wärme zum Trocknen von Gussformen oder
für ähnliche untergeordnete Zwecke. Da die Hochöfen der damaligen
Zeit meistens noch mit Wasser betrieben, die Winderhitzung aber weit
später eingeführt und die Preise des Brennstoffs verhältnissmässig gering
waren, so fehlte eben die Veranlassung zu energischeren Versuchen
in dieser Richtung.


Diese Verhältnisse erklären es auch zur Genüge, dass die ersten
umfänglicheren Versuche zur Benutzung der Gichtgase, welche 1792
durch Christie auf der Devonhütte in Schottland 1), 1811 durch den
Franzosen Aubertot auf einer Eisenhütte des Cher-Departements 2)
angestellt wurden, sich auf die Heizung von Apparaten erstreckten,
welche ohne alle Beziehung zum Hochofenprocesse standen: Cementir-
öfen, Kalkbrennöfen u. a. Man baute die betreffenden Apparate auf die
Gicht des Ofens und liess die Gichtflamme, ohne die Gase dem Hoch-
ofen selbst zu entziehen, hindurchstreichen.


Die ersten erfolgreichen Versuche, die Gase im unverbrannten
Zustande dem Hochofen zu entziehen, um sie an einem beliebigen
andern Orte zu verbrennen, wurden erst im Beginn der vierziger
Jahre ziemlich gleichzeitig von Taylor in Marseille 3) und Faber du
Faur
in Wasseralfingen gemacht und gaben dann letzterem die An-
regung zur weiteren Ausbildung der Gasfeuerung überhaupt und zur
Darstellung von Heizgasen in besonderen Generatoren. 4)


Ziemlich lange dauerte es jedoch, bis diese Methode sich einer
allgemeineren Anwendung erfreuen konnte. Obgleich inzwischen die
vermehrte Anwendung von Dampfkraft für den Hochofenbetrieb sowie
die Einführung der Anwendung erhitzten Windes die Veranlassung zur
Benutzung der Gichtgase weit näher als früher gerückt hatte, so gelang
es doch häufig nicht, die Gase in solcher Weise dem Hochofen zu
entziehen, dass nicht eine Schädigung des normalen Verlaufs des Hoch-
ofenprocesses damit verknüpft gewesen wäre. Man beging den Fehler,
die Gase aus einer allzu tiefen Zone des Hochofens abzuleiten, ehe sie
noch ihre Aufgabe, als Reductionsmittel zu dienen, annähernd voll-
[369]Die Apparate zur Entziehung und Fortleitung der Gichtgase.
ständig erfüllt hatten; und bei der geringeren Höhe der damaligen
Oefen rächte sich dieser Fehler in empfindlicher Weise durch Ver-
mehrung der directen Reduction und demnach Erhöhung des Brenn-
stoffverbrauchs. Was auf der einen Seite gewonnen wurde, ging durch
diese übele Folge der falsch angelegten Gasentziehung wieder verloren.


Man begnügte sich in den meisten Fällen damit, in ähnlicher
Weise, wie es schon früher Christie und Aubertot gethan hatten,
die zu heizenden Apparate — Dampfkessel und Winderhitzer — auf
die Gicht des Ofens zu verlegen, und noch in den siebenziger Jahren
konnte man bei einzelnen kleineren Holzkohlenhochöfen eine derartige
Einrichtung antreffen.


Je höher aber die Oefen gebaut wurden, desto schwerfälliger, un-
praktischer musste eine solche Anordnung erscheinen, während gleich-
zeitig die nachtheiligen Einflüsse der Gasentziehung sich verringerten,
wenn der Ofen grösser war, und schliesslich vollständig beseitigt
wurden, nachdem man zweckmässigere Einrichtungen als früher für
die Ableitung derselben getroffen hatte.


Es ist deshalb in der Jetztzeit allgemeine Regel, die Gase im
unverbrannten Zustande dem Hochofen zu entziehen und sie in Leitungen
nach den auf ebener Erde befindlichen, von ihnen zu heizenden Appa-
raten zu führen. Die Einrichtungen aber, mit deren Hilfe dieses Ziel
erreicht wird, sind ziemlich mannigfaltig.


Die Gasentziehungsapparate oder Gasfänge.

Im Wesentlichen lassen sich zwei Hauptsysteme der Gasentziehung
unterscheiden.


Bei dem einen derselben werden die Gase an einer unterhalb der
Gicht befindlichen Stelle abgeleitet, und die Beschickungssäule selbst ober-
halb dieser Stelle bewirkt das Austreten der Gase in den Ableitungs-
kanal, wo sie einen geringeren Widerstand finden als beim Aufsteigen
zwischen der Beschickung.


Bei dem zweiten Systeme werden die Gase erst abgeleitet, nach-
dem sie die Beschickungssäule vollständig durchströmt haben; also ober-
halb der Beschickungsoberfläche. Die Gicht muss zu diesem Zwecke
verschlossen gehalten werden und die Einrichtung ist weniger einfach
als die zuerst erwähnte; jenes Ziel aber, die Gase erst zu verwenden,
nachdem sie ihre Aufgabe im Hochofen vollständig erfüllt haben, wird
hier ebenso vollständig und in weniger schwerfälliger Weise erreicht
als durch die geschilderte frühere Methode, bei welcher die zu heizenden
Apparate auf die übrigens offene Gicht gelegt wurden.


Gasfänge unterhalb der Beschickungsoberfläche.

Da bei diesen Apparaten, wie soeben erwähnt wurde, die Be-
schickungssäule oberhalb der Entziehungsstelle den Abschluss bilden
muss, durch welchen die Gase in den Ableitungskanal hinein getrieben
werden, so folgt, dass die Entziehung um so vollständiger sein wird,
je tiefer jene Entziehungsstelle liegt; aber die nämliche Höhe geht, sofern
sämmtliche Gase entzogen werden, für den Hochofenprocess thatsächlich
Ledebur, Handbuch. 24
[370]Der Hochofen.
verloren. Je höher der Ofen an und für sich ist, desto weniger bemerkbar
wird dieser Nachtheil bleiben; bei kleineren Holzkohlenhochöfen legt
man deshalb diese Stelle nicht tiefer als 1 m, bei grösseren Kokshoch-
öfen nicht tiefer als höchstens 2.5 m unter die Gichtöffnung, selbst wenn
ein Theil der Gase dabei noch aus der Gicht entweichen sollte.


Bisweilen ermöglicht man es durch Anbringung eines Gichtver-
schlusses (Deckels), welcher an Ketten hängt und beim Beschicken des
Ofens mit Hilfe eines Hebels oder dergleichen gehoben wird, die Gase
sämmtlich abzuleiten, ohne dass die Entziehungsstelle allzu tief zu liegen
braucht. In jedem Falle aber muss die letztere so tief unterhalb der
Gicht angebracht sein, dass auch beim niedrigsten Stande der Be-
schickungsoberfläche (unmittelbar vor dem Aufgeben frischer Materia-
lien) sie noch von der Beschickung bedeckt gehalten wird, damit
nicht atmosphärische Luft von aussen her angesogen werde und durch
die Vermischung mit den in den Rohren befindlichen Gasen Knallgas
erzeuge.


Bei den älteren dieser Apparate, welche von Faber du Faur für
das Eisenhüttenwerk Wasseralfingen construirt und dann auf mehreren
anderen Eisenwerken eingeführt wurden, brachte man in der Höhen-
lage, wo die Gasentziehung stattfinden sollte, Oeffnungen im Schacht-
mauerwerke an, durch welche die Gase aus dem Schachte austreten
konnten, um sich in einem gemeinschaftlichen, ringförmig um den
Kernschacht herumlaufenden, im Rauhgemäuer ausgesparten Kanale zu
sammeln und von hier durch Röhren nach dem Orte ihrer Bestimmung
weiter geführt zu werden.


Diese Methode besass jedoch den Nachtheil, dass jene Austritts-
öffnungen leicht der Beschädigung und der Verstopfung durch Staub
ausgesetzt waren, eine Reparatur, beziehentlich Reinigung derselben
aber schwierig durchzuführen war. In der Jetztzeit pflegt man deshalb,
sofern überhaupt Gasentziehung unterhalb der Gicht stattfindet, ohne
Ausnahme eine der beiden in Folgendem beschriebenen Einrichtungen
anzuwenden, bei welchen jener Uebelstand vermieden ist.


Pfort’scher Gasfang oder Trémie, von dem Hüttenmeister Pfort
in Veckerhagen im Jahre 1842 construirt 1) und seitdem bis zum heutigen
Tage auf zahlreichen Eisenwerken benutzt. Die Abbildung Fig. 102
lässt die Einrichtung desselben erkennen. In die Gicht wird ein aus
Gusseisen oder Eisenblech gefertigter Cylinder a eingehängt, dessen
innerer Raum die eigentliche Gichtöffnung bildet. Zwischen demselben
und der Ofenwand ist ein ringförmiger Kanal von 25—50 cm Breite
ausgespart, in welchen die Gase eintreten, um von hier durch das
Rohr c ihrem Verbrauchsorte zugeführt zu werden. Nicht selten hat
man auch statt des einen Ableitungsrohres deren mehrere an ver-
schiedenen Stellen des Umfanges angebracht, um solcherart der Gefahr
zu begegnen, dass die Gase beim Aufsteigen zu sehr nach einer Seite
des Ofens, wo jenes Rohr sich befindet, hingezogen werden.


Der Kanal b wird am besten in der Weise hergestellt, wie es die
[371]Die Apparate zur Entziehung und Fortleitung der Gichtgase.
Abbildung veranschaulicht, d. h. durch eine Erweiterung des gemauerten
Schachtes an der betreffenden Stelle. Der Durchmesser des Eisen-
cylinders stimmt dann mit dem Schachtdurchmesser unterhalb dieser
Stelle überein und die Ofenbeschickung rückt gleichmässig abwärts.
Bisweilen allerdings führt man auch den Ofenschacht ohne jene Er-
weiterung bis zur Gicht und giebt dem Cylinder dann einen entsprechend
kleineren Durchmesser, so dass die Beschickung, sobald sie unter den
Rand des Cylinders gelangt, eine plötzliche Ausbreitung erfährt.


Den Cylinder pflegt man an seinem oberen Ende mit einem herum-
laufenden Borde zu versehen, mit welchem er in einem Gusseisen-
kranze hängt, der auf dem Ofenschachte aufruht. Auf diese Weise ist
eine leichte Auswechselung möglich. Nicht selten hat man auch, wie
bei dem Ofen der Friedrich-Wilhelmshütte, Fig. 83 auf S. 343, den
obersten Theil des Ofenschachtes vollständig aus Eisen hergestellt,
gewissermaassen als Aufsatz auf den gemauerten Schacht, wodurch das

Figure 68. Fig. 102.


Einhängen des Cylinders, sowie die Anbringung der Abzugsrohre noch
erleichtert wird.


Darby’sches oder Central-Rohr. Die Anwendung eines Gasfanges,
bei welchem die Hochofengase, wie bei der vorstehend beschriebenen
Einrichtung, an den Wänden abgeleitet werden, wird sehr leicht dem
für den gleichmässigen Verlauf des Hochofenprocesses nachtheiligen
Bestreben der Gase, reichlicher an den Wänden als in der Mitte auf-
zusteigen, einen ferneren Vorschub leisten. Umgekehrt wird jenem
Bestreben entgegen gewirkt werden, wenn man die Gase, statt am
Rande, aus der Mitte des Ofenquerschnittes abzieht.


Diese Aufgabe wird durch den in den fünfziger Jahren von Darby
eingerichteten Gasfang gelöst, dessen jetzt übliche Form in der Ab-
bildung Fig. 103 auf S. 372 veranschaulicht ist.


a ist das aus Eisenblech gefertigte Centralrohr, welches an seinem
oberen Ende in das horizontale Ableitungsrohr endigt. Letzteres ist
nach der entgegengesetzten Seite hin etwas verlängert, theils, damit
24*
[372]Der Hochofen.
hier eine Reinigungsvorrichtung b zur Entfernung von abgelagertem
Gichtstaube aus dem Rohre angebracht werden kann, hauptsächlich auch
in Rücksicht auf die nothwendige Unterstützung des Apparates. Letztere
wird entweder durch eiserne Ständer, die auf der Gicht unterhalb der
Horizontalrohre aufgestellt werden, bewirkt, oder besser noch benutzt
man, wo eine eiserne Gichteinfassung (in der Abbildung mit c bezeichnet)

Figure 69. Fig. 103.


vorhanden ist, diese zu demselben Zwecke, indem man die horizontalen
Rohre von derselben tragen lässt.


Das Rohr a ist entweder vollständig cylindrisch oder, wie bei dem
abgebildeten Gasfange, schwach nach unten verjüngt, wodurch die
Reibung zwischen denselben und der niederrückenden Schmelzsäule ver-
ringert wird. Je grösser der Durchmesser des Rohres ist, desto leichter
[373]Die Apparate zur Entziehung und Fortleitung der Gichtgase.
und vollständiger werden natürlich die Gase in dasselbe eintreten, aber
desto enger wird auch der rings um das Rohr herum bleibende Raum
zum Aufgichten der Schmelzmaterialien ausfallen, und desto stärker
müssen die letzteren unterhalb des Rohres nach der Mitte hin sich aus-
breiten. Es darf daher ein gewisses Verhältniss zwischen Rohrdurch-
messer und Gichtdurchmesser nicht überschritten werden. Gewöhnlich
findet man den Rohrdurchmesser annähernd gleich einem Drittel des
Gichtdurchmessers oder wenig grösser. Eine weite Gicht ist besonders
bei Anwendung eines solchen Gasfanges von Vortheil, da mit derselben
auch der Durchmesser des Rohres wachsen kann und von der für das
Aufgichten bleibenden freien Gichtfläche ohnehin der Querschnitt des
letzteren in Abzug kommt.


Jene erwähnte Ausbreitung der Schmelzmaterialien nach der Mitte
des Ofens zu, sobald sie unter den Rand des eingehängten Central-
rohres gelangt sind, hat eine Auflockerung derselben in der Mitte zur
Folge, wodurch fernerhin das Aufsteigen der Gase in der Mitte des
Ofens befördert wird. Unter Umständen wird diese Ableitung der Gase
nach der Mitte hin in so kräftiger Weise sich geltend machen, dass
thatsächlich am Umfange des Ofens eine zu geringe Menge derselben
aufsteigt und der Ofen mithin an dem entgegengesetzten Uebel als bei
Anwendung des Pfort’schen Gasfanges leidet.


Zur Vermeidung dieser Gefahr und zur vollständigeren Entziehung
der Gase hat man in neuerer Zeit nicht selten beide Gasfänge gemein-
schaftlich an einem und demselben Ofen angebracht und die entzogenen
Gase dann später in derselben Leitung vereinigt. Eine solche Anordnung
findet sich z. B. bei dem in Fig. 81—83 auf S. 342—343 abgebildeten
Hochofen der Friedrich-Wilhelmshütte und wird ohne besondere Er-
läuterung verständlich sein.


Die erwähnte Abbildung (Fig. 83) zeigt zugleich die Anwendung
eines Gichtverschlusses bei Gasfängen der beschriebenen Art. Derselbe
besteht aus einem in Eisenblech ausgeführten Deckel, dessen Rand man
gewöhnlich in eine mit Wasser gefüllte Rinne eintauchen lässt, um voll-
ständig dichten Abschluss zu erzielen. Der Deckel hängt, wie die unten be-
schriebenen Gasverschlüsse für Gasentziehung oberhalb der Beschickungs-
säule, in Ketten und wird mit Hilfe von Gegengewichten oder eines
Hebelwerkes gehoben. Man erlangt durch diese Einrichtung die Mög-
lichkeit, die Gase vollständig ableiten zu können, ohne den Gasfang
allzu tief in die Beschickungssäule einhängen zu müssen.


Gasfänge oberhalb der Beschickungsoberfläche.

Die Eigenthümlichkeiten dieser Gasfänge wurden schon oben (S. 369)
besprochen. Ihr Hauptvorzug beruht darin, dass die Gase im Hochofen
selbst voll ausgenutzt werden; ein Nachtheil dagegen liegt unleugbar
in dem Umstande, dass die Gicht stets verschlossen gehalten werden
muss, und man deshalb nicht im Stande ist, die Oberfläche der nieder-
rückenden Beschickung zu beobachten. Aus demselben Grunde ist bei
allen diesen Gasfängen eine mechanisch wirkende Beschickungsvor-
[374]Der Hochofen.
richtung erforderlich, durch welche das Einfüllen der vorher in Bereit-
schaft gehaltenen Materialien in kürzester Zeit, während welcher aller-
dings ein Oeffnen des Gichtverschlusses unumgänglich ist, bewirkt
werden kann; und damit nicht während dieses Oeffnens von aussen her
Luft in das Gasableitungsrohr eintrete und Explosionen hervorrufe, muss
ausserdem eine Vorrichtung vorhanden sein, welche in Form eines
Schiebers oder Ventils — am besten selbstthätig wirksam — die Leitung
in dem Augenblicke absperrt, wo der Gichtverschluss geöffnet wird. In
einfacher Weise lässt sich diese selbstthätige Wirkung des Apparates her-
vorbringen, indem man durch Ketten, die in entsprechender Weise über
Rollen geführt sind, jene Verschlussvorrichtung für die Leitung mit dem
Mechanismus zum Oeffnen des Gichtverschlusses verbindet, so dass beide
Theile gleichzeitig bewegt werden müssen.


Parry’s Gasfang. Diese auch unter der Bezeichnung Parry’scher
Trichter bekannte Vorrichtung ist in Fig. 104 abgebildet. 1) Der

Figure 70. Fig. 104.


Apparat wurde von Parry im Jahre 1850 zuerst auf den Ebbw-Vale
Eisenwerken angewendet und hat seitdem in Grossbritannien eine sehr
häufige Anwendung gefunden; seltener sieht man denselben in dieser
ursprünglichen Form auf deutschen Eisenwerken.


Er besteht aus zwei Haupttheilen, dem gusseisernen festliegenden
Trichter a und dem aus Blech oder Gusseisen gefertigten Kegel b,
welcher an Ketten aufgehängt ist und mit Hilfe derselben gehoben und
gesenkt werden kann. Den Trichter pflegt man in zwei Stücken zu
giessen, deren unteres a mit einem Rande in einem Ringe des oberen
Stückes c aufruht, so dass es ohne Schwierigkeit herausgenommen wer-
den kann, während das Stück c fest eingemauert ist. Der grösste Durch-
messer des Kegels b aber ist etwas kleiner als der engste Durchmesser
des Stückes c, so dass auch jener aus dem Ofen entfernt werden kann,
[375]Die Apparate zur Entziehung und Fortleitung der Gichtgase.
sobald a herausgenommen ist. Diese Einrichtung ist in Rücksicht auf
etwa erforderlich werdende Reparaturen des Kegels b nothwendig.


Es ist leicht ersichtlich, dass in der gezeichneten Stellung des
Kegels b die Gicht vollständig geschlossen ist und die Gase gezwungen
sind, in den seitlich angebrachten Gasabzug zu entweichen. In dieser
Stellung wird der Raum zwischen Trichter a c und Kegel mit den auf-
zugichtenden Materialien (Kohlen, Erzen, Zuschlägen) gefüllt. Senkt
man nun den Kegel in die punktirt gezeichnete Stellung, so stürzen
jene Materialien zunächst abwärts auf den Kegel und werden von diesem
rings herum gegen die Wand des Ofens vertheilt. Steht hierbei die Ober-
fläche der Beschickung noch tief unter der Unterkante des Kegels, so
werden die gegen die Wand anprallenden Stücke von dieser zurück
und nach der Mitte des Ofens hin geworfen werden; ist dagegen der
Kegel bis unmittelbar über die Beschickungsoberfläche gesenkt, so
werden die abgleitenden Materialien an der Wand des Ofens liegen
bleiben. Man hat hierdurch ein Mittel, die Vertheilung der Materialien
zu regeln. Im Allgemeinen wird man, da die Erze ohnehin das Be-
streben haben, nach der Mitte des Ofens hin vorzudringen, darnach
trachten, beim Aufgichten diese mehr an dem Rande, die Kohlen da-
gegen mehr in der Mitte anzuhäufen. Gichtet man also die Kohlen
zuerst auf, wo die Oberfläche der Beschickung noch niedrig steht, und
erst nach den Kohlen die Erze und Zuschläge bei entsprechend tiefer
Senkung des Kegels, so wird jener Aufgabe Genüge geleistet werden
können.


Im Uebrigen ist auch die Form des Kegels wie die Grösse der
einzelnen Brennstoffgichten (der in einem Male aufgegebenen Brenn-
stoffmengen) hierbei von Einfluss. Gewöhnlich giebt man dem Kegel
eine solche Form, dass seine Seiten einen Winkel von 90 Grad oder
wenig darüber einschliessen. Je steiler der Kegel ist, desto weniger
stark werden unter übrigens gleichen Verhältnissen die gegen die Ofen-
wand anprallenden Körper von dieser zurückgeworfen werden; andrer-
seits, je grösser die Menge der in einem Male aufgegichteten Materia-
lien ist, desto weniger stark wird eine übermässige Anhäufung der-
selben am Rande eintreten können, da die zuletzt hinabstürzenden
Körper immerhin auf der concaven Oberfläche der zuerst hinein gefalle-
nen und am Rande liegen gebliebenen Materialien nach der Mitte zu
hinrollen werden.


Die plötzliche starke Zusammenziehung des Ofenprofiles an der
Gicht bei vielen mit Parry’schem Gasfang versehenen Hochöfen (auch
bei dem abgebildeten Hochofen) erklärt sich aus dem Umstande, dass
selbstverständlich zwischen Kegel und Ofenwand ein ausreichend breiter
Zwischenraum für das Hinabfallen der Schmelzmaterialien bleiben muss,
eine allzu flache Form des Trichters a c aber, welcher ein grösserer
Gichtdurchmesser entsprechen würde, dem raschen Hinabgleiten der
Materialien beim Oeffnen nicht günstig sein würde.


Bei englischen Hochöfen wendet man zum Heben und Senken
des Kegels häufig eine hydraulische, von Whrightson construirte Vor-
richtung an. Die Kolbenstange eines senkrecht stehenden hydraulischen
Cylinders greift an das eine Ende eines um horizontale Zapfen schwin-
[376]Der Hochofen.
genden eisernen Hebels, an dessen anderem Ende die Ketten hängen,
welche den Kegel tragen. 1)


Von Hoff’scher Gasfang. Bei dem Parry’schen Trichter müssen,
wie bei dem früher besprochenen Pfort’schen Gasfange, die Gase an
der Wand des Ofens abgeleitet werden. Der Gasstrom wird dadurch
ebenso wie dort leicht eine einseitige Bewegungsrichtung im Ofen an-

Figure 71. Fig. 105.


nehmen, deren Nachtheile bereits verschiedentlich erörtert wurden. Der
Uebelstand wird vermieden, wenn die Gase in der Mitte der Gicht statt
am Rande ihren Abzug nehmen.


Auf diesem Umstande beruht die Einrichtung des zuerst auf dem
Eisenwerk Hörde angewendeten, nach seinem Erfinder benannten von
Hoff’s
chen Apparates, welcher als eine jenem Ziele entsprechend ge-
[377]Die Apparate zur Entziehung und Fortleitung der Gichtgase.
änderte Form des Parry’schen Trichters angesehen werden kann und
besonders auf deutschen Eisenwerken sich einer ziemlich grossen Ver-
breitung erfreut. Fig. 105 stellt den von Hoff’schen Apparat eines
westfälischen Eisenwerkes dar.1)


Die Einrichtung des eigentlichen Trichters ist im Wesentlichen die
nämliche wie bei dem Parry’schen Apparate. Der als Verschluss
dienende Kegel aber endigt nicht wie bei jenem in einer geschlossenen
Spitze, sondern läuft in ein weites, nach oben gerichtetes Rohr aus;
an dem oberen Rande dieses Rohres ist eine rings herum laufende,
tiefe Wasserrinne angebracht, und in dieselbe taucht das untere Ende
des eigentlichen Gasableitungsrohres c ein. Der Kegel kann auf diese
Weise gesenkt werden, ohne dass seine Verbindung mit dem festliegen-
den Rohre unterbrochen wird.


Für die Bewegung des Kegels dienen zwei parallele, durch Streben
unter einander verbundene eiserne Hebel a, welche links und rechts neben
dem Rohre b vorbeigehen und an deren Enden Ketten angeschlossen
sind, an welchen der Kegel hängt. Mit Hilfe einer Winde b kann die
Bewegung des Kegels bewirkt werden.


An der rechten Seite des abgebildeten Apparates sieht man die
Kette, welche zur Absperrung der Rohrleitung im Augenblicke des
Oeffnens des Apparates bestimmt ist. Es lässt sich leicht erkennen,
dass dieselbe ohne Schwierigkeit sich mit dem Hebel a in solcher Weise
verbinden lassen würde, dass das Oeffnen und Schliessen von dem
Hebel aus erfolgt, sobald dieser den Gichtverschluss bewegt.


Der etwas unterhalb der Gicht im Innern des Schachtes angebrachte
Gusseisenkranz ist zum Schutze des Schachtmauerwerkes gegen die
anprallenden Stücke der Beschickung bestimmt.


Langen’s Gasfang, von dem früheren Hüttendirector Langen in
Friedrich-Wilhelmshütte bei Troisdorf in den sechziger Jahren con-
struirt und seitdem bis heute vielfach benutzt. Fig. 106 auf S. 378 zeigt die
Einrichtung desselben. 2) In die Hochofengicht ist ein Gusseisentrichter a
eingebaut und in demselben ruht etwas oberhalb des unteren Randes
der glockenartige Gichtverschluss b. Derselbe besteht aus zwei zusam-
mengefügten Theilen: der inneren gusseisernen Glocke, deren oberer
Rand, wie die Abbildung zeigt, in eine Wasserrinne des Gasableitungs-
rohres c eintaucht, so lange die Gicht geschlossen ist; und einem äusser-
lich an der Glocke befestigten Blechringe, welcher nach oben sich ein
wenig erweitert, und noch etwas über die Glocke hinausragt. Zwischen
diesem Blechringe und dem festliegenden Trichter a werden die zu
gichtenden Materialien eingeschüttet; dann wird der ganze Gichtver-
schluss (Glocke nebst Ring) gehoben, und die Materialien stürzen in die
Gicht hinein. Der Zweck des Ringes hierbei wird leicht ersichtlich sein;
ohne denselben würden die in den Trichter geschütteten Körper theil-
weise die Glocke bedecken und das Anheben derselben wesentlich er-
schweren.


Die Bewegung des Langen’schen Gichtverschlusses wird wie bei
dem von Hoff’schen Apparate mit Hilfe zweier unter einander ver-
[378]Der Hochofen.
bundener Hebel und einer Winde e bewirkt. Alles Uebrige ergiebt die
Abbildung von selbst.


Die Wirkung dieses Apparates beim Aufgichten ist offenbar anders
als beim Parry’schen und von Hoff’schen Apparate. Bei letzteren
beiden werden die Materialien beim Hineinstürzen gegen den Kegel,
von diesem gegen die Ofenwand und von der Ofenwand erst theilweise
zurück nach der Mitte des Ofens hin geworfen; bei dem Langen’schen
Apparate stürzen sie ohne Weiteres nach der Mitte des Ofens hin und
rollen erst, wenn hier sich eine kegelförmige Anhäufung gebildet hat,
von dieser seitwärts den Wänden zu. In allen Fällen wird man auch
hier die Kohlen zuerst einschütten, damit sie jene Anhäufung in der
Mitte bilden, und dann die Erze nachfüllen.


Als ein Vorzug des Langen’schen Apparates kann es angesehen
werden, dass der Ofen bis unmittelbar unter die Glocke gefüllt werden

Figure 72. Fig. 106.


kann, während bei dem Parry’schen und von Hoff’schen Apparate
immerhin der zum Senken des Kegels erforderliche Raum bleiben muss.
Ausserdem bleibt die Oberfläche der Beschickung bei dem Langen’-
schen Apparate von aussen her in gewissem Maasse zugänglich, sobald
die Glocke gehoben ist, während sie bei den anderen beiden Apparaten
vollständig durch den Kegel der Beobachtung entzogen ist, ein Um-
stand, der wenigstens in einzelnen Fällen von Nutzen sein kann.


Buderus’ Gasfang. Bei dem Parry’schen, von Hoff’schen und
Langen’schen Apparate, so vortrefflich dieselben auch im Allgemeinen
ihren Zweck erfüllen, kann es doch unter besonderen Verhältnissen vor-
kommen, dass die Vertheilung der Schmelzmaterialien nicht in der
Weise erfolgt, wie es dem günstigen Verlaufe des Hochofenprocesses
entspricht, und dass infolge dessen Störungen des normalen Hochofen-
ganges eintreten. Solche Störungen werden ebensowohl stattfinden,
wenn die Beschickung in der Mitte des Ofens zu dicht liegt und die
[379]Die Apparate zur Entziehung und Fortleitung der Gichtgase.
Erze sich hier anhäufen, als umgekehrt, wenn eine übermässige An-
häufung von Kohlen in der Mitte bewirkt worden war.


Um in solchen Fällen die Vertheilung der Materialien sicherer
regeln zu können, construirte G. Buderus 1874 den in Fig. 107
abgebildeten Gasfang, welcher seit jener Zeit bei den Hochöfen der
Main-Weserhütte wie der Sophienhütte mit sehr befriedigendem Erfolge
in Anwendung ist.


Derselbe kann als eine Vereinigung des von Hoff’schen und
Langen’schen Apparates betrachtet werden. b b ist die dem Langen’-
schen Apparate entnommene Gichtglocke, c der Kegel des von Hoff’-
schen Apparates, jedoch von diesem dadurch unterschieden, dass er
nicht unter den Rand des Trichters a greift, sondern einen etwas
kleineren Durchmesser als dieser besitzt und daher durch die Oeffnung

Figure 73. Fig. 107.


desselben hindurch bewegt werden kann. Er hängt an einer eisernen
Stange, welche in der Mitte des senkrechten Gasableitungsrohres befind-
lich ist, oben aus demselben heraus ragt und an einem Hebel d hängt,
mit dessen Hilfe die Bewegung erfolgt; ein Paar Hebel c dienen ausser-
dem, wie bei dem Langen’schen Apparate, zum Heben und Senken
der Glocke b.


Soll die Beschickung, welche in den Trichter geschüttet ist, in die
Mitte des Ofens fallen, so wird zunächst der Kegel c aufwärts in die
punktirte Stellung c1 bewegt und dann die Gichtglocke gehoben; der
Apparat wirkt dann genau wie ein Langen’scher Apparat. Soll die
Beschickung an den Umfang geworfen werden, so senkt man den
Kegel in die punktirte Stellung c2; die Beschickung stürzt auf den
Kegel und von diesem gegen die Ofenwand.


Die etwas schwerfälligere Einrichtung und umständlichere Hand-
habung des Buderus’schen Apparates im Vergleich mit dem von Hoff’-
[380]Der Hochofen.
schen oder Langen’schen Apparate wird die hauptsächlichste Ursache
sein, dass derselbe trotz der bei seiner Anwendung erlangten günstigen
Erfolge eine häufigere Anwendung bislang nicht gefunden hat.


Ausser den besprochenen Gasfängen, beziehentlich Gichtverschlüssen
und Aufgebevorrichtungen, sind in älterer und neuerer Zeit zahlreiche
Einrichtungen in Vorschlag und auch theilweise zur Anwendung ge-
bracht worden, ohne jedoch eine grössere Wichtigkeit für den Hoch-
ofenbetrieb im Allgemeinen zu erlangen. 1) Manche derselben sind nur
Abarten der besprochenen Apparate; und nicht selten hat man sie auf
den Werken selbst, wo sie versuchsweise eingeführt wurden, später als
unpraktisch wieder beseitigt. Es wird daher gerechtfertigt erscheinen,
wenn dieselben einer besonderen Besprechung nicht unterzogen werden.


Wahl eines Gasentziehungsapparates.

Wenn es aus schon erörterten Gründen für den Betrieb eines Hoch-
ofens durchaus nicht gleichgültig ist, welchen Apparat man für die
Gasentziehung anwendet, so ist es doch andererseits unmöglich, einen
einzigen Apparat als den für alle Fälle geeignetsten zu bezeichnen.
Die Form des Ofens, die Stückgrösse der Beschickung, das Verhältniss
zwischen der Grösse der Erzstücke zu der Grösse der Kohlen, der
Feuchtigkeitsgehalt der Beschickung und verschiedene andere Umstände
sprechen hierbei mit. Die Mannigfaltigkeit der hier in Betracht kom-
menden Einflüsse macht es deshalb erklärlich, dass es nicht immer
möglich ist, von vorn herein mit vollkommener Sicherheit den für be-
stimmte Verhältnisse zweckdienlichsten Apparat zu wählen. Es ist nicht
selten vorgekommen, dass ein Hochofen kränkelte, nachdem man ihm
einen bei anderen Hochöfen vortrefflich bewährten Gasfang gegeben
hatte; und dass die Betriebsergebnisse günstiger wurden, sobald man
die Gase in anderer Weise entzog.


Nur allgemeine Regeln lassen sich für die Wahl des Gasfanges
aufstellen, und der praktische Versuch wird schliesslich den Ausschlag
zu geben haben, ob man richtig gewählt hat.


Zunächst entsteht die Frage, ob offene Gicht (Pfort’scher oder
Darby’scher Gasfang ohne Gichtverschluss) oder geschlossene Gicht zu
wählen sei.


Letztere Einrichtung gewährt die volle Ausbeute aller Gase; wo
aber wasserreiche Erze verhüttet werden, geht selbstverständlich auch
der gesammte Wasserdampf in die Leitung, beeinträchtigt erheblich den
Brennwerth der Gase, und steigert, da er das Volumen der Gase ver-
mehrt, die Gasspannung im Ofen, ein Umstand, der entweder eine
erhöhte Arbeitsleistung der Gebläsemaschine erforderlich macht oder
andernfalls erniedrigend auf die Leistungsfähigkeit des Hochofens ein-
[381]Die Apparate zur Entziehung und Fortleitung der Gichtgase.
wirkt. In solchen Fällen also wird man regelmässig bei Anwendung
einer offenen Gicht günstigere Betriebsergebnisse erlangen, da alsdann
ein grosser Theil des Wasserdampfes schon oberhalb der Gasaustritts-
öffnungen verflüchtigt wird und aus der Gicht entweicht.


Unter den beiden genannten Gasentziehungsapparaten bei offener
Gicht wird in fast allen Fällen das Centralrohr in Rücksicht auf die
schon oben geschilderte Einwirkung desselben auf die Vertheilung der
Schmelzmaterialien den Vorzug verdienen. Ganz besonders aber treten
die Vortheile desselben bei dichtliegenden, feinstückigen Erzen hervor.
Dieselben drängen stärker als grobstückige nach der Achse des Ofens
hin, hier den Gasen das Aufsteigen erschwerend. Es ist also von Wichtig-
keit, eine Auflockerung der Schmelzsäule in der Mitte zu bewirken und
zugleich die Bewegungsrichtung der Gase durch Entziehung derselben
aus der Mitte des Ofens zu beeinflussen; und beide Aufgaben werden
durch das Centralrohr gelöst.


Bei weniger dichter Beschickung kann eine Vereinigung beider
Apparate (Fig. 83 auf S. 343) gute Dienste leisten; und wenn die Rück-
sicht auf den Wassergehalt der Erze ausser Betracht kommt, so kann
man durch Anwendung eines Gichtdeckels auch hierbei eine volle Ge-
winnung der Gase herbeiführen, während die Gicht nach dem Oeffnen
des Deckels zugänglich bleibt.


Als weniger zweckmässig kann sich die Anwendung eines in die
Gicht eingehängten Centralrohres (mit oder ohne Tremie) bei Verhüttung
wasserarmer Erze — gerösteter Sphärosiderite, Rotheisenerze, Magnet-
eisenerze — erweisen; die Hochofengase, welche nicht durch Ver-
dampfung des Wassers abgekühlt werden, verlassen leicht die Gicht im
heisseren Zustande und wirken zerstörend auf das eingehängte Rohr.


Unter den verschiedenen Apparaten, welche die Gase erst oberhalb
der Beschickungssäule ableiten und deshalb mit selbstthätiger Be-
schickungsvorrichtung versehen sein müssen, wird der durch verhältniss-
mässig einfache Construction sich auszeichnende Parry’sche Trichter
nur bei lockerer, leicht reducirbarer Beschickung mit Vortheil anwendbar
sein. In Cleveland bei Verhüttung gerösteter Sphärosiderite von gleich-
mässiger Stückgrösse ist deshalb dieser Apparat fast ohne Ausnahme
in Anwendung; wo aber dichtere Erze verhüttet werden (z. B. Minette),
oder wo feinstückigere neben grobstückigen zum Verschmelzen gelangen,
hat man nicht selten übele Erfahrungen mit demselben Apparate ge-
macht und ihn gewöhnlich bald wieder beseitigt. Unreducirte Erze, in
der Mitte des Ofens niedergehend, gelangten von Zeit zu Zeit vor die
Formen und störten den normalen Schmelzgang. 1) Je höher der Ofen
ist, einen je längeren Weg die Erze also zurückzulegen haben, und je
dichter die Schmelzsäule liegt, desto leichter werden solche Uebelstände
zu Tage treten.


Die Eigenthümlichkeit des dem Parry’schen Trichter ähnlichen
von Hoff’schen Apparates, die Gase in der Mitte der Gicht statt am
Rande abzuleiten, schwächt jene übele Einwirkung ab. Im Uebrigen
ist es leicht ersichtlich, dass, wie schon erwähnt, bei beiden Apparaten
auch die jedesmaligen Abmessungen, insbesondere das Verhältniss des
[382]Der Hochofen.
Durchmessers des beweglichen Kegels zum Gichtdurchmesser wie der
Winkel, den die Aussenfläche des Kegels gegen die Ofenwand ein-
schliesst, ferner die Menge der in einem Male aufgegichteten Materialien
und endlich die Höhe, um welche der Kegel beim Hineinstürzen der
Materialien sich noch über der Beschickungsoberfläche befindet, für die
Wirkung des Apparates von Wichtigkeit sind, ohne dass sich be-
stimmte Regeln für einzelne Fälle geben liessen. Die allgemeineren
Gesichtspunkte, welche hierbei in Betracht kommen, wurden schon
oben erörtert.


Bei Oefen, welche zinkische Erze verarbeiten und in welchen sich
demzufolge zinkhaltige Ansätze unterhalb der Gicht, sogenannter Zink-
schwamm 1), zu bilden pflegen, hat der Parry’sche beziehentlich von
Hoff’s
che Trichter sich mitunter als ungeeignet aus dem Grunde
erwiesen, weil durch die gegen die Ofenwand anprallenden Materialien
der Zinkschwamm losgestossen wurde, hierbei unter die Ofenbeschickung
gelangte und den Ofengang verschlechterte. 2)


Günstiger dürfte in solchen schwierigeren Verhältnissen der Lan-
gen’s
che Apparat sich verhalten, zumal da er, wie schon erwähnt,
eine Nachhilfe beim Aufschütten mit Krücken ermöglicht; oder der
Buderus’sche Apparat, mit dessen Hilfe eine noch leichtere Regelung
der Vertheilung der Materialien zu erzielen ist.


Die Leitungsrohre und Reinigungsvorrichtungen.

Für die Herstellung der Leitungsrohre pflegt man Eisenblech zu
benutzen, und man giebt ihnen bei kleineren Holzkohlenhochöfen
Durchmesser von 0.3—0.5 m, bei grösseren mit Koks betriebenen Hoch-
öfen 1—1.5 m und mitunter darüber.


Bei dem Betriebe mehrerer Hochöfen lassen sich die sämmtlichen
Gase in einem gemeinschaftlichen Sammelrohre vereinigen.


Bei Oefen mit geschlossener Gicht ist die Anbringung einer Vor-
richtung zweckmässig, welche die Entlassung eines etwaigen Gasüber-
schusses ermöglicht, falls aus irgend einem Grunde eine augenblick-
liche Verwendung dafür fehlt. Dieselbe besteht am einfachsten aus
einer Haube auf der höchsten Stelle des Entziehungsrohres, welche durch
Hebel und Kette geöffnet werden kann. Die Abbildungen Fig. 105 auf
S. 376 und Fig. 106 auf S. 378 lassen diese Einrichtung erkennen.
Wenn beim Aufgichten die Gasleitung abgesperrt wird, wie es aus
schon erörterten Gründen bei den Apparaten, welche die Gase oberhalb
der Beschickungssäule entziehen, nothwendig ist, so pflegt man die
Haube zu öffnen, damit die Gase hier ihren Ausweg nehmen können
und nicht durch ein massenhaftes Entweichen aus der offenen Gicht die
Bedienung derselben erschweren.


Sämmtliche Gichtgase führen theils Wasserdämpfe, theils staub-
förmige Körper mit, sogenannten Gichtstaub, dessen Zusammensetzung
[383]Die Apparate zur Entziehung und Fortleitung der Gichtgase.
und sonstige Beschaffenheit unter den Nebenproducten des Hochofens
weiter unten besprochen ist.


Die Menge des Wasserdampfes richtet sich nach dem Wasser-
gehalte der Beschickung, die Menge des Gichtstaubes nach der Zusam-
mensetzung derselben und der im Hochofen herrschenden Temperatur.
Er tritt bei stark basischen Beschickungen und hoher Temperatur durch-
weg reichlicher auf als bei kieselsäurereicheren Beschickungen und
weniger hoher Temperatur.


Beide Körper, der Wasserdampf wie der Gichtstaub, erniedrigen
durch ihre Anwesenheit natürlicherweise die Verbrennungstemperatur
der Gichtgase, schmälern dadurch die Wärmeausnutzung und können,
wenn sie in grösseren Mengen auftreten, sogar die Entzündbarkeit der
Gase vollständig aufheben.


Es ist mithin von Wichtigkeit, die Gichtgase, ehe sie an den Ort
ihrer Verwendung gelangen, so viel als thunlich von diesen schädlichen
Beimengungen zu befreien.


Wasserdampf wird in längeren Leitungen infolge der stattfindenden
Abkühlung von selbst verdichtet werden, und man pflegt deshalb von
der Anordnung besonderer Condensationsvorrichtungen abzusehen. Mit-
unter, bei wasserreichen Beschickungen, hat man wohl eine Brause an
einer geeigneten Stelle des Leitungsrohres angebracht, um mit Hilfe
eingespritzter Wasserstrahlen eine stärkere Verdichtung des mitgeführten
Wasserdampfes hervorzubringen.


Staub lagert sich während der Fortbewegung der Gase in um so
reichlicheren Mengen in den Leitungsröhren selbst ab, je langsamer die
Bewegung der Gase in den letzteren, d. h. je grösser der Durchmesser
derselben ist.


Es ist mithin erforderlich, an den Leitungsröhren Vorkehrungen
anzubringen, welche es ermöglichen, von Zeit zu Zeit die verdichteten,
beziehentlich abgelagerten Körper zu entfernen, und, so viel als irgend
thunlich, die Ansammlung derselben auf gewisse Stellen der Leitung
zu concentriren.


An den Enden der Leitungsrohre, sowohl der wagerechten, als
senkrechten oder geneigten, bringt man leicht zu öffnende Verschluss-
klappen an, welche die Entfernung des Staubes gestatten, nachdem das
Gas abgesperrt worden ist. Bei den Abbildungen Fig. 83 auf S. 343,
Fig. 103 auf S. 372, Fig. 105 auf S. 376, Fig. 106 auf S. 378 sind
diese Reinigungsverschlüsse deutlich erkennbar. Die Verschlussklappe
selbst besteht aus Gusseisen, dreht sich in einem Scharnier und liegt,
wenn sie sich am oberen Ende eines senkrechten Rohres befindet,
horizontal auf der entsprechenden, mit gusseisernem abgedrehtem oder
glatt gehobeltem Flantsche versehenen Oeffnung auf; an dem Ende
horizontaler Röhren giebt man, wie aus den genannten Abbildungen
zu ersehen ist, den Klappen eine etwas geneigte Lage, so dass sie von
selbst auf der zugehörigen Oeffnung aufliegen und eine andere Be-
festigung oder Verdichtung als etwa ein Verstreichen der Fuge mit
Lehm nicht erforderlich ist. In solcher Anordnung erfüllen sie zugleich
den andern Zweck, als Sicherheitsvorrichtung bei vorkommenden Ex-
plosionen in der Gasleitung zu dienen; sie werden dann durch die
[384]Der Hochofen.
Explosion geöffnet und fallen von selbst wieder zu, sobald dieselbe
vorbei ist.


Auch an dem unteren Ende senkrechter Röhren lässt sich mit
Hilfe eines Hebels und Gegengewichtes ein solcher selbstthätig wirken-

Figure 74. Fig. 108.


Figure 75. Fig. 109.


der Klappenverschluss anbringen. Die Skizze
Fig. 108 zeigt diese an und für sich leicht
verständliche Einrichtung. Derselbe Zweck
lässt sich jedoch — und in den meisten Fällen
in noch zweckmässigerer Weise — durch einen
Wasserverschluss des unteren Rohrendes er-
reichen. Bei dem in Fig. 83 auf S. 343 ab-
gebildeten Hochofen sieht man unten rechts
eine derartige Vorrichtung; Fig. 109 zeigt die-
selbe im Durchschnitte. In dem Wassergefässe,
welches den unteren Theil des Apparates bildet,
sammelt sich sowohl der in dem Rohre nieder-
fallende Staub wie das verdichtete Wasser.
Letzteres fliesst von selbst über den vorderen
Rand des Gefässes ab, und der Staub kann
mit Hilfe einer entsprechend geformten Krücke
ebenfalls über diesen Rand hinweg von Zeit
zu Zeit entfernt werden, ohne dass eine Ab-
sperrung des Gases statt zu finden braucht.
Entsteht aber eine Explosion, so drückt dieselbe das Wasser aus dem
Behälter heraus und das explodirende Gas findet hier leicht einen
Ausweg.


Jene eigentlichen Staubsammler, welche den Zweck haben, die
Staubansammlung (beziehentlich auch Wasseransammlung) auf bestimmte
Stellen der Leitung zu concentriren, bestehen aus weiten Gefässen, ge-
wöhnlich an dem unteren Ende eines senkrechten Rohres, in denen
die Gase sehr langsam sich bewegen. Giebt man dem in Fig. 109
gezeichneten Apparate einen grossen freien Querschnitt oberhalb des
Wasserspiegels und zugleich eine grosse Länge in der Achsenrichtung
(8—10 m), so dass er die Form eines liegenden, vorn offenen Rohres

Figure 76. Fig. 110.


bekommt, durch welches das Gas von dem einen Ende
zum andern sich langsam fortbewegt, so bildet er einen
vorzüglichen Staub- und Wassersammler. Fig. 110
zeigt eine etwas andere Form dieser Vorrichtung,
welche man wohl als Lothringischen Reinigungsapparat
oder S-Apparat (wegen einer entfernten Aehnlichkeit
mit einem deutschen S) bezeichnet.


Eine noch andere Form eines Staubfanges mit
Wasserverschluss zeigt Fig. 111. Die Gase ziehen hier,
wenn sie aus dem oberen senkrechten Rohre austreten,
zunächst vermöge der ihnen inne wohnenden Geschwindigkeit noch
um ein gewisses Maass abwärts und wenden sich dann, um an dem
oberen Ende des geräumigen, das Rohr umschliessenden Behälters durch
ein oder mehrere Abzweigungsrohre ihrem Bestimmungsorte zugeführt
zu werden; der Staub aber fällt in den untergestellten Wassertopf, um
von hier, wie oben erwähnt, entfernt zu werden.


[385]Die Apparate zur Entziehung und Fortleitung der Gichtgase.

Dass hier statt des Wassertopfes auch eine Verschlussklappe an-
gewendet werden kann, bedarf kaum einer Erwähnung.


In seiner Wirkung dem soeben beschriebenen
Staubsammler ähnlich ist der in Fig. 112 skizzirte.
Die Gase gelangen abwärts kommend in den ge-
räumigen Kasten a, werden durch die Scheidewand b
bis zum Boden geführt und entweichen dann oben
durch ein zweites Rohr. Der Staub wird von Zeit
zu Zeit durch eine an geeigneter Stelle ange-
brachte Reinigungsklappe entfernt.


Solche Staubfänge ohne Wasserverschluss nennt
man trockne. Sie sind besonders an solchen Stellen,
welche dem Froste stark ausgesetzt sind, am Platze,
zumal, wenn wasserarme Beschickungen verhüttet
werden und die Ableitung condensirten Wassers
demnach weniger Bedeutung hat.


Ausser der schon erwähnten Absperrungsvor-
richtung im Anfange der Hauptgasleitung ist in

Figure 77. Fig. 111.


jeder der von dieser abgezweigten Leitungen, welche das Gas einem
bestimmten Heizapparate zuführt, ebenfalls eine Absperr- und Regulir-
vorrichtung für den Gasstrom erforderlich. Am geeig-
netsten hierfür sind Ventile, nach Art des in Fig. 106
auf S. 378 innerhalb der dort gezeichneten Gasleitung
angeordneten Ventiles construirt. Sie bestehen aus einem
Gusseisenteller, welcher sich innerhalb des Ventilgehäuses
auf den vorstehenden, glatt bearbeiteten Rand des
Leitungsrohres auflegt. Das Ventilgehäuse muss mit
Reinigungsklappe versehen sein, damit der abgelagerte
Staub von Zeit zu Zeit entfernt werden kann. Soll das

Figure 78. Fig. 112.


Ventil, wie bei den Abzweigungsröhren, nicht allein zur Absperrung
sondern auch zur Regulirung benutzt werden, mithin höher oder nie-
driger stellbar sein, so empfiehlt es sich, das aus dem Gehäuse heraus-
stehende Ende der Ventilstange mit Schraubengewinde zu versehen
und die Bewegung durch Drehung einer Schraubenmutter zu bewirken,
welche in der Nabe eines Handrades sich befindet und in einem, auf
dem Deckel des Ventilsitzes befindlichen Stuhle drehbar gelagert ist.


Auch Drosselklappen lassen sich, zumal für engere Leitungen
unmittelbar vor dem Austritte des Gases, zur Absperrung und Regu-
lirung des Gases benutzen. Weniger geeignet dagegen sind Schieber.
Unter dem Einflusse der häufigen Temperaturwechsel verziehen sie sich,
die Führungen des Schiebers setzen sich bald voll Staub und die Hand-
habung wird sehr erschwert oder ganz unmöglich.


Die Verbrennung der Gichtgase wird nach den auf S. 115 gegebenen
allgemeinen Regeln für Verbrennung von Gasen überhaupt bewirkt.
Insbesondere ist es bei Verwendung derselben zur Heizung von eisernen
Winderhitzungsapparaten oder Dampfkesseln nothwendig oder minde-
stens zweckmässig, vor dem eigentlichen Erhitzungsapparate eine von
Ledebur, Handbuch. 25
[386]Der Hochofen.
feuerfesten Steinen eingeschlossene Verbrennungskammer einzurichten,
in welcher die Mischung von Gas und Luft erfolgt, damit nicht die
Berührung des unverbrannten Gases mit dem verhältnissmässig kalten
Apparate die Verbrennung erschwere. Durch entsprechend angeordnete
Oeffnungen lässt man dann die verbrennenden Gase aus der Kammer
in den zu heizenden Apparat austreten.


Gas und Luft lässt man, soweit es angeht, unter rechtem Winkel
auf einander treffen.


Empfehlenswerth ist es, in der erwähnten Verbrennungskammer
einen Rost anzuordnen, auf dem mit Brennmaterialabfällen ein schwaches
Feuer unterhalten wird. Die Verbrennungsluft tritt, wie gewöhnlich,
durch den mit Verschlussthür versehenen Aschenfall unterhalb des
Rostes zu und steigt durch die Rostspalten hindurch aufwärts; die
Gase werden unmittelbar oberhalb des Rostes durch eine oder mehrere
horizontale Oeffnungen in den Verbrennungsraum geleitet. Man bewirkt
auf diese Weise eine sofortige Wiederentzündung der Gase, sobald sie
einmal durch irgend einen Zufall — z. B. durch Absperrung beim Auf-
gichten, Stillstand des Gebläses oder dergleichen — erloschen sein sollten
und verhütet die Entstehung von Explosionen durch entstehendes Knall-
gas; ausserdem erhält man durch Anordnung des Rostes die Möglich-
keit, in besonderen Fällen durch Benutzung fester Brennstoffe die Gas-
feuerung zu ergänzen oder zu ersetzen.


In allen Fällen muss der Luftzutritt durch eine Stellvorrichtung
in der Aschenfallthür regulirbar sein.


Die unten gegebenen Abbildungen von Winderhitzungsapparaten
werden das über Verbrennung der Gase Gesagte zu ergänzen im
Stande sein.


Die Fortbewegung der Gase in den Leitungsröhren erfolgt zwar
bei geschlossener Gicht schon infolge des Umstandes, dass ihnen that-
sächlich kein anderer Ausweg gelassen ist, und bei offener Gicht wird
das Verhältniss zwischen der Menge der durch die Röhren abziehenden
Gase zu den durch die Gicht entweichenden sich nach den verschiede-
nen Widerständen richten, welche sich der Bewegung auf beiden Wegen
entgegensetzen. Begünstigt wird die Fortbewegung in den Röhren
durch die Abkühlung in dem von der Gicht abwärts führenden Rohre
und durch das Aufsteigen der verbrannten heissen Gase in dem Heiz-
apparate. Durch Anordnung einer Esse lässt sich dieses Aufsteigen und
somit die Fortbewegung der Gase in den Röhren befördern; nothwendig
ist die Essenwirkung, wenn die Gase in dem Heizapparate nicht auf-
wärts sich bewegen, sondern wagerecht oder auf- und abwärts geführt
werden sollen.


Je kräftiger der Essenzug wirkt, desto mehr verringert sich natur-
gemäss die Gasspannung nicht nur in der Leitung, sondern auch im
Hochofen selbst, desto geringer ist mithin auch die vom Gebläse zu
leistende Arbeit, desto vollständiger werden selbst bei offener Gicht die
Gase in die Leitung eintreten.


Entschieden fehlerhaft aber würde es sein, wenn man die Essen-
wirkung in solcher Weise verstärken wollte, dass ein wirkliches Ab-
[387]Das Gichtplateau.
saugen der Gase aus dem Hochofen stattfände oder, mit anderen Worten,
dass der Gasdruck in der Leitung niedriger wäre, als der Druck der
atmosphärischen Luft. Die Erfahrung lehrt, dass der Hochofengang
durch Entstehung sogenannten Oberfeuers, d. h. durch Aufsteigen der
Schmelztemperatur in den zur Reduction bestimmten Theil des Hoch-
ofens leidet, wenn die Gasspannung allzu stark verringert wird; schlimmer
aber noch ist die Entstehung von Explosionen in der Leitung infolge
des Umstandes, dass wegen des niedrigen Druckes nunmehr durch
jeden Spalt, jede zufällige Oeffnung Luft von aussen her angesaugt wird.


Es ist deshalb nothwendig, durch Stellung der vor jeder Ausfluss-
öffnung des Gases anzubringenden Drosselklappe beziehentlich eines
Schiebers die Bewegung der Gase so zu regeln, dass an jeder Stelle der
Leitung bis zum Austritte der Gase in den Heizapparat ein, wenn auch
nur geringer, Ueberdruck vorhanden ist. Durch Anbringung eines
einfachen Manometers in der Nähe der Ausflussöffnung kann man sich
leicht von der Erfüllung dieser Bedingung überzeugen.


4. Das Gichtplateau.


Rings um die Gichtöffnung des Hochofens herum muss ein aus-
reichend grosser Raum — das sogenannte Gichtplateau — für das Auf-
und Abfahren der mit Schmelzmaterialien beladenen Karren und für
den Aufenthalt der mit der Wartung der Gicht beauftragten Arbeiter
geschaffen werden.


Verhältnissmässig einfach liess sich in früherer Zeit bei den Oefen
mit starkem Rauhgemäuer diese Aufgabe lösen. Die obere Fläche des
Rauhgemäuers selbst war gewöhnlich ausreichend gross genug, um als
Gichtplateau zu dienen. Man hatte nur nöthig, sie mit eisernen Platten
als Schutz gegen Nässe und Beschädigungen abzudecken und rings
herum mit einer etwa 3 m hohen Wand einzufassen, um den Gicht-
arbeitern einen Schutz gegen Sturm zu gewähren.


Bei den Oefen mit Blechmantel benutzt man diesen zur Befestigung
eiserner, am besten schmiedeeiserner Consolen, welche das Gichtplateau
zu tragen bestimmt sind. Fig. 81 auf S. 342 lässt diese Anordnung
erkennen. Die benachbarten Consolen werden durch aufgeschraubte
Schmiedeeisenträger verbunden, zwischen welchen nach Erforderniss
wieder kürzere Querstücke eingeschaltet werden können; schliesslich
wird das ganze Trägernetz mit aufgeschraubten gerippten Eisenblechen
abgedeckt. Eine am Umfange befestigte Wand aus Eisenblech verleiht
auch hier den Arbeitern den erforderlichen Schutz.


Die Art und Weise, wie man bei Hochöfen mit freistehendem
Schachte das Gichtplateau unterstützt, ist durch die früher gegebene
Abbildung des Ilseder Hochofens (Fig. 84—87) veranschaulicht. Es
wurde schon bei der Beschreibung dieser Ofenconstruction erwähnt, dass
den grossen Vortheilen, welche unleugbar die Anwendung eines frei
stehenden Schachtes gewährt, doch als Nachtheil diese grössere Schwierig-
keit einer sicheren Auflagerung des Gichtplateaus gegenüber stände.
Eine Anzahl hoher, unter einander verstrebter Säulen oder Ständer ist
erforderlich, welche rings um den Ofen herum aufgestellt werden und
25*
[388]Der Hochofen.
auf welchen das Gichtplateau in ganz ähnlicher Weise wie auf den
Consolen der Oefen mit Blechmantel befestigt wird.


In allen Fällen muss, wie schon früher betont wurde,
der Kernschacht des Ofens vollständig unabhängig von
dem Gichtplateau bleiben und darf nicht etwa als Unter-
stützung desselben benutzt werden; und damit der Schacht
beim Anblasen des Ofens sich in der Höhenrichtung frei
ausdehnen (wachsen) könne, muss zwischen der Oberkante
desselben und dem Gichtplateau ein Abstand bleiben, für
welchen man pro 1 m Höhe des ganzen Ofens
2—3 cm an-
nehmen kann
. Aus nahe liegenden Ursachen wachsen die Schächte
der Oefen mit Rauhgemäuer durchschnittlich am stärksten, diejenigen
der Oefen mit vollständig frei stehendem Schacht am wenigsten; doch
wird allerdings dieser Unterschied bei Bemessung jenes Zwischen-
raumes zum Theile durch den Umstand ausgeglichen, dass das am
Rauhgemäuer oder am Blechmantel befestigte Gichtplateau mit diesem
ebenfalls um ein gewisses Maass ansteigt.


Ohne jene Vorsichtsmaassregel würde nicht allein das Gichtplateau
durch den Schacht gehoben und unter Umständen theilweise von seiner
Unterlage losgerissen werden, sondern der Schacht würde auch durch
die beim Fahren mit Karren vom Gichtplateau aus auf denselben über-
tragenen Erschütterungen leicht Beschädigungen erleiden.


Die Gichtplateaus benachbarter Hochöfen von gleicher Höhe werden
durch eine eiserne Brücke mit einander verbunden. Ebenso wird der
Gichtaufzug (siehe unten) mit dem Gichtplateau in Verbindung gesetzt.
Eine Treppe — gewöhnlich eine eiserne Wendeltreppe — an geeigneter
Stelle ermöglicht die Befestigung des Plateaus.


Literatur.


A. Grössere Werke.


  • S. Jordan, Album du cours de métallurgie professé à l’école centrale
    des arts et manufactures
    . Paris 1875. Pl. XIV—XXVII.
  • A. v. Kerpely, Die Anlage und Einrichtung der Eisenhütten. Leipzig
    1873. S. 569.
  • E. F. Dürre, Die Anlage und der Betrieb der Eisenhütten. Bd. 2 (noch
    unvollendet). Leipzig 1882.
  • W. Hupfeld und W. Schermeng, Hochofenanlage des Cöln-Müsener
    Bergwerks-Actienvereins zu Kreuzthal bei Siegen
    . Halle 1871.

B. Abhandlungen.


  • Funk, Die Georgs-Marienhütte bei Osnabrück. Zeitschr. d. Ingenieur- und
    Architecten-Vereins für Hannover, Bd. 17, S. 295.
  • Wiebmer, Hochofenanlage und Hochofenbetrieb in der Königlichen
    Eisengiesserei zu Gleiwitz
    . Zeitschr. für Berg-, Hütten- und Salinen-
    wesen, Bd. 22, S. 253.
  • J. Schlink, Die neue Hochofenanlage der Friedrich-Wilhelmshütte zu
    Mühlheim a. d. Ruhr. Glaser’s
    Annalen für Gewerbe und Bauwesen,
    Bd. 5, S. 87.
  • J. Schlink, Neue Anordnung eines Hochofenschachtes. „Stahl und Eisen“
    1881, S. 116.

[389]Literatur.
  • J. Gjers, A description of the Ayresome Iron Works (Middlesborough)
    with remarks upon the alterations in size of Cleveland furnaces
    .
    Journal of the Iron and Steel Institute 1871.
  • Th. Whitwell, The construction, dimensions and management of blast-
    furnaces
    . Iron vol. XI, p. 677, 745, 806; vol. XII, p. 456, 486.
  • E. Gruner, Profils des hauts-fourneaux au charbon de bois en Styrie et
    en Carinthie
    . Annales des mines, sér. VII, t. IX, p. 551.
  • Hochofen bei Pittsburg. „Stahl und Eisen“ 1882, S. 122.
  • M. L. Gruner, Formes et dimensions intérieures des hauts-fourneaux.
    Annales des mines, sér. VII, t. XII, p. 472.
  • Hortmann, Ueber Hochofenconstructionen. Wochenschrift des Vereins deut-
    scher Ingenieure 1879, S. 255.
  • H. Fehland, Ueber Rauminhalt der Hochöfen. „Stahl und Eisen“ 1882, S. 553.
  • F. Lürmann, Ueber den neuen Hochofen zu Neuss bei Düsseldorf.
    Ztschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1874, S. 614.
  • Limbor, Ueber die Einwirkung der Hochofengase und der Alkalien auf
    das Zustellungsmaterial der Hochöfen
    . Wochenschr. d. Ver. deutsch.
    Ing. 1878, S. 259.
  • Langen, Ueber Kühlungen an Hochöfen. Ztschr. des Vereins deutsch. Ing.
    1868, S. 599.
  • Ueber das Durchbrennen der Hochofen-Gestellwandungen und die Mittel,
    dies zu verhüten
    . Dingler’s Polyt. Journ., Bd. 225, S. 151.
  • Conservirung des Mauerwerks in Betrieb befindlicher Hochöfen. Dingl.
    Polyt. Journ., Bd. 231, S. 42.
  • Ch. Cochrane, Ueber die Stellung der Formen bei Hochöfen. „Stahl und
    Eisen“ 1882, S. 434, 555; Glaser’s Annalen, Bd. 11, S. 141.
  • Ch. Wood, On further improvements in blast furnace hearths. Journal of
    the Iron and Steel Institute 1875, II, p. 427.
  • F. Lürmann, Besprechung des Vortrages von Ch. Wood: Ueber fernere
    Verbesserungen der Hochofengestelle
    . Dingl. Polyt. Journ., Bd. 221, S. 28.
  • Ueber den Einfluss geschlossener Gicht auf den Hochofenbetrieb.
    Dingl. Polyt. Journ., Bd. 232, S. 545.
  • Neuer Gasfang der Main-Weserhütte und Sophienhütte. Ztschr. d. Ver.
    deutsch. Ing. 1874, S. 670. (Abbildung und Beschreibung des auf S. 339 be-
    sprochenen Gasfanges.)
  • J. Kennedy, Blast-furnace Working. (Abbildung und Betriebsnachrichten des
    Hochofens zu Edgar-Thomson-Steel-Works.) Transactions of the American Inst.
    of Mining Engineers, vol. 8, p. 348.
  • P. Tunner, Fortschritte bei den Eisenhochöfen in Cleveland. Jahrbuch
    der Bergakademieen zu Leoben und Přibram, Bd. XX (1872), S. 242.

III. Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung
des Gebläsewindes.


1. Die Gebläse.


Allgemeines.

Zum Betriebe der Hochöfen werden in jetziger Zeit ausschliesslich
Cylindergebläse benutzt. Kein anderes Gebläsesystem ist im Stande,
die für einen Hochofen erforderliche Windmenge und Windpressung
unter gleich günstiger Ausnutzung der von der Betriebsmaschine ge-
leisteten Arbeit als ein gut construirtes Cylindergebläse zu liefern; und
[390]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.
die früher erwähnte beträchtliche Leistungsfähigkeit der jetzigen Hoch-
öfen würde nicht erreichbar gewesen sein, wenn nicht mit der Ver-
grösserung der Hochöfen auch eine Vergrösserung und Vervollkomm-
nung der Cylindergebläse Hand in Hand gegangen wäre.


Die Cylindergebläse entwickelten sich aus den früher üblichen
hölzernen Kastengebläsen, nachdem die letzteren sich als unzureichend
für Erzeugung der stärkeren Pressung erwiesen hatten, welche durch
Anwendung von Koks und Erhöhung der Oefen erforderlich geworden
war. Das erste Cylindergebläse wurde 1780 auf der Carronhütte in
Schottland in Betrieb gesetzt. 1)


Die allgemeine Einrichtung eines Cylindergebläses darf als bekannt
vorausgesetzt werden. Es kann deshalb an dieser Stelle nur die Auf-
gabe vorliegen, die Eigenthümlichkeiten der für den Hochofen-
betrieb
benutzten Cylindergebläse hervorzuheben und die Vortheile
und Nachtheile der verschiedenen Systeme von Cylindergebläsen bei
ihrer Verwendung für den Hochofenbetrieb einander gegenüber zu
stellen.


Die Windspannung, mit welcher die Hochöfen betrieben werden,
schwankt nach der Höhe der Oefen, der Dichtigkeit der Beschickung
und der Verbrennlichkeit des Brennstoffs zwischen 0.03—1.0 kg per qcm,
obschon allerdings Windspannungen von mehr als 0.5 kg nicht gerade
häufig und fast nur für Anthracithochöfen zur Anwendung gelangen.


Das Cylindergebläse muss also im Stande sein, diese Windspan-
nung zu erzeugen. Da aber der Hochofen Jahr ein Jahr aus ununter-
brochen im Betriebe ist, und jeder Stillstand, verursacht durch erforder-
liche Reparaturen am Gebläse, nicht allein einen Ausfall in der Roh-
eisenerzeugung mit sich bringt, sondern auch störende Nachwirkungen
auf den Verlauf des Schmelzganges ausübt, so muss das Cylindergebläse
auch in solcher Weise gebaut sein, dass jene Reparaturen auf ein mög-
lichst geringes Maass beschränkt bleiben.


Der Betrieb der Hochofengebläse geschieht meistens durch Dampf-
kraft, für deren Erzeugung die Gichtgase des Hochofens bei zweck-
mässiger Einrichtung der Gasentziehung, Feuerungsanlage wie der
Dampfmaschine auch dann vollständig auszureichen pflegen, wenn ein
anderer Theil derselben, wie gewöhnlich, zur Erhitzung des Gebläse-
windes benutzt wird. Selbst da, wo eine Wasserkraft zum Betriebe des
Gebläses verfügbar ist, pflegt man deshalb neben derselben eine Re-
servedampfmaschine in Bereitschaft zu halten, um bei Wassermangel
nicht genöthigt zu sein, den Betrieb einzuschränken.


Wo Verkokungsöfen neben der Hochofenanlage sich befinden,
lassen sich unter Umständen auch die Gase dieser zur Heizung der
Dampfkessel für die Gebläsemaschine mit benutzen. In jedem Falle
wird jenes Ziel, die Gebläsemaschine ohne Aufwand fremden Brennstoffs
und ohne Schädigung der Winderhitzung nur durch die eigenen Gase
des Hochofens zu betreiben, um so leichter erreicht werden können,
je geringer der relative Dampfverbrauch der Maschine ist; daher sind
Condensationsmaschinen recht geeignet, sofern die nöthige Wassermenge
dafür zu beschaffen ist, und in jedem Falle ist Expansion von Nutzen.


[391]Die Gebläse.

Man wendet ein- und mehrcylindrige (zwei- oder dreicylindrige)
Gebläsemaschinen für den Hochofenbetrieb an. Eincylindrige sind bei
derselben Leistung billiger in der Anlage, machen aber die Anlage
eines Regulators (siehe unten) erforderlich, um die Ungleichmässigkeiten
des Windstromes auszugleichen, und besitzen den Uebelstand, dass jede
erforderliche Reparatur auch einen Stillstand des ganzen Gebläses mit
sich bringt. Bei mehrcylindrigen Gebläsen dagegen kann unter Um-
ständen, wenn die Reparatur längere Zeit beansprucht, der Betrieb mit
Hilfe des unversehrt gebliebenen Cylinders weiter geführt werden, nach-
dem der andere ausgeschaltet wurde; durch entsprechende Anordnung
der Kolbenstellungen lassen sich jene Ungleichmässigkeiten des Wind-
stromes und, bei stehenden Gebläsemaschinen, auch die Ungleichheiten
in dem Arbeitsverbrauche bei Auf- und Niedergang der Kolben ab-
mindern; und bei sehr grossem Windbedarfe kommt noch hinzu, dass
der Durchmesser des einzelnen Cylinders bei mehrcylindrigen Gebläsen
entsprechend kleiner als bei eincylindrigen ausfällt, welcher Umstand
in mehr als einer Hinsicht vortheilhaft ist.


Alle neueren Cylindergebläse sind mit Kurbelwelle und gewöhn-
lich mit Schwungrad versehen. Wenn man früher zur Vereinfachung
der Construction verschiedentlich Gebläse ohne jene Theile gebaut hat,
so besitzen dieselben doch entschiedene Schwächen. Durch Anwendung
einer Kurbel mit Schubstange ist das Maass des Hubes der Kolben
aufs genaueste bestimmt; ohne Gefahr kann der Kolben bis nahe an
die Cylinderdeckel bewegt und der sogenannte schädliche Raum dadurch
auf ein kleinstes Maass beschränkt werden. Fehlt die Kurbel, so muss
vorzeitige Umsteuerung stattfinden, damit nicht eine Zertrümmerung der
Cylinderdeckel eintrete, und es entsteht ein grosser schädlicher Raum;
oder es müssen zur Begrenzung des Hubes starke Widerlager angebracht
werden, gegen welche die bewegten Theile stossen, und hierdurch wer-
den starke Erschütterungen hervorgerufen. Eine Kupplung mehrerer
Cylinder macht an und für sich schon die Anwendung der Kurbel-
welle nothwendig.


Durch Anordnung eines Schwungrades sollen, wie gewöhnlich,
Ungleichförmigkeiten, insbesondere Stösse, während der Bewegung ver-
mieden werden, und eben hierdurch gewährt dieselbe die Möglichkeit,
stärkere Expansionsgrade anzuwenden, also mit geringerem Dampfver-
brauche zu arbeiten, als ohne Schwungrad.


Bei dem Betriebe des Gebläses durch Wasserkraft kommen diese
Vortheile des Schwungrades grösstentheils ausser Betracht, und das
Wasserrad selbst vertritt hier die Stelle desselben.


Obwohl man durch einen raschen Gang des Cylindergebläses den
Vortheil erreicht, dass für eine verlangte Windmenge der Durchmesser
sowohl des Cylinders als aller übrigen damit zusammenhängenden Theile
geringer ausfällt, das Gebläse daher leichter und in der Anlage billiger
wird, die Arbeitsverluste durch Reibung wegen des geringeren Gewichts
der bewegten Theile ebenfalls sich entsprechend verringern und hier-
durch eine günstigere Ausnutzung der geleisteten Arbeit erreicht wird,
vermeidet man doch gerade bei Hochofengebläsen nach Möglichkeit eine
übermässige Geschwindigkeit, durch welche die Gefahr häufiger Be-
[392]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.
schädigungen nahe gelegt werden könnte. Im Durchschnitt beträgt die
mittlere Kolbengeschwindigkeit neuerer Hochofengebläse 1 m per Sec.;
Gebläsesysteme, deren Einrichtung grössere Gewähr für Haltbarkeit
giebt, haben wohl eine etwas grössere, andere eine etwas geringere
Kolbengeschwindigkeit, bedeutende Abweichungen jedoch sind selten
und finden sich fast nur bei älteren Gebläsen mangelhafter Construction.


Ausserordentlich mannigfaltig ist die Einrichtung der Ein- und
Auslassvorrichtungen für den Wind. Man hat kreisrunde Tellerventile
aus Metall mit Filz, Leder oder Gummirand als Dichtung; oder an
Stelle derselben Scheiben aus Leder, Filz u. s. w., welche ebenfalls
ventilartig bewegt werden und auf rostartige Gitter schlagen, um nicht
eingebogen zu werden; oder gewöhnliche Blechklappen mit Leder- oder
Gummidichtung, welche zugleich das Gelenk der Klappe bildet, oder
noch häufiger Klappen aus starkem Leder oder Filz, auf Gitter auf-
schlagend; u. a. m. Die Wahl der einen oder andern Einrichtung hängt
theils von der Art des Gebläsesystems (ob liegend oder stehend), theils von
der zu erzeugenden Windspannung, zum grossen Theile aber auch von
den persönlichen Neigungen des Erbauers ab. Für Gebläse mit einer
Windspannung bis zu 0.5 kg per qcm haben sich Klappenventile, sowohl
die aus Blech mit Leder- oder Filzdichtung als die unmittelbar aus
Leder oder Filz gefertigten, stets als zweckmässig bewährt; als weniger
brauchbar für diesen Zweck erwies sich Kautschuk wegen seiner ge-
ringern Haltbarkeit. Liegende Gebläse sind fast nur mit solchen Klappen-
ventilen versehen; bei stehenden Gebläsen dagegen, besonders wenn
sie für hohen Druck bestimmt sind, wendet man für die Saugöffnungen
häufig Tellerventile an, während man die Drucköffnungen auch hier
mit Klappen zu versehen pflegt.


Als Liderung für den Gebläsekolben benutzt man bei liegenden
Maschinen Leder, Filz, Hanf, Segelleinewand und ähnliche Körper, bei
stehenden Gebläsen mitunter Metall, welches in Form von Ringen in
die Seitenwand des Kolbens eingelassen und durch Federn oder auch
durch den gepressten Wind, welcher durch Kanäle hinter die Ringe
tritt, gegen die Cylinderwand gedrückt wird.


Zum Schmieren des Kolbens dient feingepulverter Graphit, von
welchem man eine Hand voll an die Saugöffnung hält, so dass er von
der einströmenden Luft mitgenommen wird. Seltener und auch wohl
weniger zweckmässig schmiert man mit Talg. Bei Metallliderungen
lässt sich mitunter, wenn die Liderung nicht gar zu fest gegen die
Cylinderwand gepresst und die Kolbengeschwindigkeit nicht allzu be-
trächtlich ist, das Schmieren vollständig ersparen, ohne dass ein Warm-
laufen eintritt.


Das Cylindergebläse nebst Dampfmaschine muss in einem beson-
deren Gebäude aufgestellt werden, um gegen Staub und sonstige äussere
Einflüsse nach Möglichkeit geschützt zu sein. In diesem Gebäude pflegt
nun aber die Luft infolge des Entweichens von Wasserdampf aus den
unvermeidlichen undichten Stellen der Dampfleitung oder — bei Ge-
bläsen mit Wasserkraft — infolge der Nähe des Wassergrabens mit
Feuchtigkeit gesättigt zu sein; der Hochofen erhält also, sofern die
Gebläseluft unmittelbar von hier entnommen wird, zugleich eine grosse
[393]Die Gebläse.
Menge Wasserdampf, durch dessen Zersetzung im Verbrennungsraume
die dort herrschende Temperatur erniedrigt werden muss. Grosse Ge-
bläse aber werden innerhalb eines geschlossenen Gebläsehauses leicht
einen luftverdünnten Raum erzeugen, wodurch die Leistung des Ge-
bläses beeinträchtigt und starke Zugluft, begleitet von Staubentwicke-
lung, beziehentlich eine Erschütterung der Thüren und Fenster hervor-
gerufen werden kann. Eine zuerst auf englischen Eisenwerken ein-
geführte Einrichtung zur Vermeidung dieses Uebelstandes verdient daher
Beachtung. Sämmtliche Saugöffnungen sind in einem Gehäuse ein-
geschlossen, welches durch ein weites Rohr mit der äusseren Luft in
Verbindung steht. Die gesammte Gebläseluft wird auf diese Weise von
aussen und zwar von einer beliebig zu wählenden Stelle her zugeführt
und die Luft im Gebläsehause bleibt von dem Gange des Gebläses
unbeeinflusst.


Sind mehrere Hochöfen vorhanden, welche gleichzeitig betrieben
werden, so empfiehlt es sich, jedem derselben eine eigene Gebläse-
maschine beizuordnen. Es sind verschiedene Umstände hierfür maass-
gebend. Der Wirkungsgrad der Maschine leidet, sobald sie — etwa
beim Kaltliegen des einen Hochofens — nicht ihrer eigentlichen Be-
stimmung gemäss ausgenutzt werden kann; der Betrieb der verschiedenen
Hochöfen bleibt unabhängig von einander, so lange sie nicht auf eine
gemeinsame Gebläsemaschine angewiesen sind, und insbesondere wird
bei erforderlichen Reparaturen eines Gebläses auch nur der eine Hoch-
ofen zum Stillstehen gelangen; die Abmessungen jedes einzelnen Ge-
bläses halten sich — zumal bei grossen Hochöfen — leichter innerhalb
der Grenzen des Zweckmässigen, wenn nur ein Hochofen mit demselben
betrieben, als wenn der Windbedarf mehrerer von demselben gedeckt
werden soll; u. a. m.


Die Gebläsesysteme.

Liegende Gebläse. Die Achse des Gebläsecylinders und, wenn
Dampfkraft zum Betriebe benutzt wird, auch des Dampfcylinders, ist
wagerecht. Bei Betrieb durch Dampf pflegt die Kolbenstange des Dampf-
cylinders mit der des Gebläsecylinders gekuppelt, der Gebläsecylinder
an dem einen Ende, der Dampfcylinder in der Mitte, das durch Kurbel
und Schubstange betriebene Schwungrad am andern Ende angeordnet zu
sein. Fig. 113, ein von der Friedrich-Wilhelmshütte zu Mülheim a. d. Ruhr
gebautes liegendes Gebläse für das Hochofenwerk zu Berge-Borbeck 1),
stellt eine solche Anordnung bei zwei Cylindern mit einem gemein-
schaftlichen Schwungrade in 1/120 der wirklichen Grösse dar. Es ist
leicht zu ersehen, dass ein eincylindriges Gebläse dieser Gattung in
ganz derselben Weise, nur unter Weglassung des zweiten Dampf- und
Gebläsecylinders, angeordnet werden kann.


Weniger zweckmässig ist es, bei zweicylindrigen Gebläsen aus
Billigkeitsrücksichten nur einen einzigen Dampfcylinder anzuordnen,
welcher dann zwischen beiden Gebläsecylindern in der Mitte liegt (so
dass seine Achse den Achsen der letzteren parallel ist) und vermittelst
[394]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.

Figure 79. Fig. 113.


einer Schubstange und
Kurbel die gemeinschaft-
liche Kurbelwelle treibt.
Es sind dann zwei
Schwungräder der gleich-
förmigen Belastung hal-
ber erforderlich, so dass
auf jeder Seite der Dampf-
cylinderkurbel sich ein
Schwungrad befindet.


Bei den Gebläsen
mit gekuppelter Kolben-
stange (wie in der Ab-
bildung dargestellt) trägt
ein kräftiger Gusseisen-
rahmen, am besten in
einem einzigen Stücke ge-
gossen, die zu einander
gehörigen Dampf- und Ge-
bläsecylinder nebst dem
zugehörigen Kurbelwel-
lenlager, wodurch die
ganze Anordnung eine
grosse Standfestigkeit und
Sicherheit bekommt.


Die liegenden Ge-
bläse sind in ihrer An-
lage verhältnissmässig
billig, nicht nur an und
für sich, sondern auch
hinsichtlich der Kosten
für Fundamentirung und
Gebläsehaus, sind leicht
zu übersehen und leicht
zugänglich und deshalb
bequem in ihrer War-
tung. Diese Vortheile
haben denselben seit ihrer
Einführung bis zur Jetzt-
zeit auch bei Hochofen-
werken eine ziemlich
ausgedehnte Verbreitung
verschafft. Als hauptsäch-
lichster Nachtheil steht
diesen Vorzügen der Um-
stand gegenüber, dass
durch das Gewicht der
horizontal bewegten Kol-
ben leicht eine einseitige
Abnutzung der Cylinder-
[395]Die Gebläse.
wände herbeigeführt wird. Aus diesem Grunde würde auch eine Metall-
liderung des Gebläsekolbens, welche bei stehenden Gebläsen, wie schon
erwähnt, nicht selten benutzt wird, bei liegenden Gebläsen nicht an-
wendbar sein. Sie würde durch ihre grössere Härte jene einseitige
Abnutzung noch mehr befördern.


Zur Abminderung dieses offenbaren Uebelstandes sind bei der
Construction der liegenden Gebläse verschiedene Rücksichten erforder-
lich. Die Kolben selbst, insbesondere die ihrem Durchmesser nach
grösseren Gebläsekolben, müssen möglichst leicht, die Kolbenstangen,
um gegen Durchbiegung so viel als thunlich geschützt zu sein, stark
im Durchmesser und deshalb hohl construirt sein und an beiden Seiten
der Cylinder in Führungen gleiten. Da aber mit dem Durchmesser
des Gebläsekolbens auch sein Gewicht, mit der Länge des Gebläse-
cylinders die Durchbiegung, welche die Kolbenstange in der Mitte des
Cylinders erleidet, zunimmt, so geht man zweckmässigerweise sowohl
hinsichtlich des Durchmessers als der Hublänge der liegenden Gebläse
nicht über ein gewisses Maass hinaus. Nur verhältnissmässig wenige
liegende Gebläse haben grössere Durchmesser des Gebläsecylinders als
2.25 m bei höchstens 2 m Hub; das Verhältniss der Hublänge zum
Cylinderdurchmesser pflegt ⅘—⅚ zu sein; doch findet man mitunter
auch das Verhältniss 1/1.


Von dem Durchmesser der Gebläsecylinder ist bei gegebener Nor-
malgeschwindigkeit des Kolbens (welche bei liegenden Maschinen in
Rücksicht auf die grosse Standhaftigkeit derselben etwas über das oben
mitgetheilte Maass hinausgehen und bis 1.1 oder 1.2 m per Secunde
gesteigert werden kann), die gelieferte Windmenge abhängig; hieraus
folgt dann schon bei grossem Windbedarfe von selbst die Nothwendig-
keit, mehrcylindrige Maschinen anzuwenden, falls der Durchmesser
eines einzigen Cylinders jene zulässige Grenze überschreiten sollte.


Je geringer aber die Hublänge eines Gebläses ist, desto grösser
fällt selbstverständlich bei derselben Geschwindigkeit des Gebläsekolbens
die Hubzahl in der Zeiteinheit aus. Jeder Hubwechsel aber hat nicht
allein eine Ungleichförmigkeit des Windstromes zur Folge, sondern ist
auch mit einer Beeinträchtigung der Leistung des Gebläses verbunden,
da der Kolben bei dem Beginne des Hubes sowohl infolge des schäd-
lichen Raumes als der kaum ganz zu vermeidenden Ungenauigkeiten
in der Arbeit der Ventile erst einen gewissen Weg, ohne zu saugen,
zurücklegt. In diesem Umstande liegt ein, wenn auch nicht sehr
erheblicher Nachtheil, welchen die liegenden, mit kurzem Hube ver-
sehenen Gebläse mit anderen kurzhübigen Gebläsesystemen gemein
haben.


Balanciergebläse. Dieselben gehören zu den ältesten aller
Cylinder-Gebläsesysteme und sind ihrer grossen Standfestigkeit und
Dauerhaftigkeit halber, welche Eigenschaften im Vereine mit der senk-
rechten Stellung der Cylinder zugleich den Vortheil grosser Hublängen
gewähren, auch jetzt noch vielfach in Anwendung, obschon sie aller-
dings in der neueren Zeit verschiedentlich durch andere stehende Ge-
bläse verdrängt worden sind. Unter allen Cylindergebläsen ist näm-
lich das Balanciergebläse am kostspieligsten in seiner Anlage; ausser
[396]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.
den eigentlichen Anschaffungskosten erfordert dasselbe eine sehr sorg-
fältige Fundamentirung, ein Gebläsehaus von ansehnlicher Höhe und
Länge, und die Beaufsichtigung und Wartung der Maschine ist, wenig-
stens im Vergleiche zu den liegenden Maschinen, erschwert.


Fig. 114 zeigt in 1/175 der wirklichen Grösse eine gebräuchliche
Anordnung eines eincylindrigen Balanciergebläses mit Kurbel und
Schwungrad. 1) Rechts steht der Dampfcylinder, links der Gebläse-
cylinder, durch Vermittelung des auf eisernen Säulen gelagerten Ba-
lanciers von jenem aus angetrieben. An den Enden der Kolbenstangen
sind die sogenannten Parallelogramme erkennbar, dazu bestimmt, die

Figure 80. Fig. 114.


Geradführung der Kolbenstangen bei der schwingenden Bewegung der
Angriffspunkte am Balancier zu sichern.


Bei Betrieb durch Wasserkraft wird von dem Wasserrade (be-
ziehentlich der Turbine) aus die Kurbelwelle angetrieben und von hier
aus die Bewegung durch die Schubstange auf den Balancier über-
tragen. Da der Dampfcylinder in Wegfall kommt, kann die Kurbel-
welle alsdann senkrecht unter der Angriffsstelle der Schubstange am
Balancier liegen.


Mehrcylindrige Maschinen sind ziemlich selten, da man dem stehen-
den Gebläsecylinder ohne Nachtheil einen grösseren Durchmesser als
dem Cylinder der liegenden Gebläse geben kann. Bei denselben ist
für jedes Cylinderpaar (Dampf- und Gebläsecylinder) ein besonderer
Balancier erforderlich und die Schubstangen treiben die gemeinschaft-
[397]Die Gebläse.
liche Kurbelwelle, deren Kurbeln unter entsprechendem Winkel (bei
zwei Gebläsecylindern 90°) gegen einander gestellt sind.


Da der Durchmesser und das Gewicht des Gebläsecylinderkolbens
ungleich grösser ist als der Durchmesser und das Gewicht des Dampf-
cylinderkolbens, so ist beim Aufsteigen des ersteren bei gleichzeitigem
Niedergange des letzteren eine grössere mechanische Arbeit erforderlich,
als im umgekehrten Falle, sofern nicht Gewichtsausgleichung stattfindet.
Dieselbe lässt sich ohne Schwierigkeit durch Anbringung von Gegen-
gewichten an dem betreffenden Ende des Balanciers herstellen.


Die in Fig. 114 gezeichnete Anordnung der Kurbelwelle zwischen
Dampfcylinder und Balancierzapfen bei schräg stehender Schubstange
hat den Nachtheil, dass von
der letzteren aus ein starker
Seitendruck gegen den Ba-
lancierzapfen ausgeübt wird.
Dieser Nachtheil wird abge-
mindert, wenn man, wie es
fast noch üblicher ist, die
Schubstange nicht senkrecht
über der Kolbenstange des
Dampfcylinders, sondern zwi-
schen Kolbenstange und
Schwingungspunkt des Ba-
lanciers angreifen lässt, und
am geringsten ist offenbar
jener Druck, wenn der An-
griffspunkt der Schubstange
am Balancier senkrecht über
der Kurbelachse liegt (Fig.
115). Hierdurch aber wird
ein anderer, unter Umstän-
den noch schwerer wiegen-
der Uebelstand herbeigeführt.
Der Dampfcylinder greift nun-
mehr an einem längeren He-
belsarme an als die Schub-
stange; die Folge davon ist,
dass der von ersterem aus-
geübte Druck im umgekehr-
ten Verhältnisse der Hebels-
längen, also jedenfalls in
verstärktem Maasse, auf die

Figure 81. Fig. 115.


Figure 82. Fig. 116.


Schubstange übertragen wird, wodurch die letztere sowohl als der
Kurbelzapfen und die Lager der Schwungradwelle stark beansprucht
werden.


Ausserdem wird durch die Anordnung der Schwungradwelle zwi-
schen Dampfcylinder und Balanciersäulen die Zugänglichkeit der ganzen
Maschine, insbesondere der genannten Welle selbst, verringert.


Die erwähnten Nachtheile lassen sich vermeiden oder doch abmin-
dern, wenn man, wie in Fig. 116, den Balancier über den Angriffspunkt
[398]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.
der Dampfkolbenstange hinaus verlängert und die Schubstange nun-
mehr am Ende des Balanciers angreifen lässt, eine Einrichtung, welche
zuerst in England, später auch vielfach in Deutschland und Oester-
reich angewendet wurde. Die Verlängerung des Balancierarmes aber
bringt nothwendigerweise auch eine grössere Länge der Kurbel mit
sich und diese macht wieder, damit die Bewegungsübertragung nicht
ungünstig ausfalle, eine grössere Länge der Schubstange erforderlich.
Man giebt also dem Balancier die Form eines Winkelhebels (Balan-
cier mit Horn
), wie in der Abbildung, wodurch man eine grössere
Länge der Schubstange und zugleich eine geringere Länge der Kurbel
erhält, als wenn derselbe geradlinig und der Abstand des Angriffs-
punktes der Schubstange von demjenigen der Kolbenstange gleich
gross wäre. Eine fernere Verlängerung der Schubstange aber lässt sich
erreichen, wie es ebenfalls in der Skizze Fig. 116 angedeutet ist, indem
man die Kurbelwelle tiefer in das Fundament verlegt.


Man pflegt Balancier-Gebläsen Cylinderdurchmesser bis zu 3.5 m
(selten allerdings über 3 m), und Hubhöhen bis zu 3 m (Verhältniss der
Hubhöhe zum Durchmesser ⅚—6/5) zu geben.


Stehende direct wirkende Gebläse mit doppelten Kurbel-
stangen oder Serainggebläse
. Die Einrichtung dieser Gebläse,
welch eseit Anfang der fünfziger Jahre in besonders grosser Zahl von der
Firma John Cockerill in Seraing gebaut wurden und ihre grösste
Verbreitung gegen Ende der sechziger und im Anfange der siebziger
Jahre fanden, ist durch die Abbildung Fig. 117 dargestellt (Gebläse
zu Biskupitz in 1/84 der wirklichen Grösse, von A. Borsig in Berlin
1867 gebaut).


Auf einem von vier Säulen oder Ständern getragenen Rahmen ist
der Gebläsecylinder befestigt und die abwärts gerichtete Kolbenstange
desselben ist mit der Kolbenstange des unten befindlichen Dampf-
cylinders gekuppelt. Zwischen beiden Cylindern ist an die Kolben-
stangen in deren Vereinigungspunkte ein in senkrechten Führungen
gleitendes Querhaupt angeschlossen, an dessen nach beiden Seiten hin
vorstehenden Endzapfen die beiden Kurbelstangen angreifen. Mit dem
andern Ende sind die letzteren an die als Kurbelscheiben benutzten
Naben zweier Schwungräder angeschlossen, welche zwischen Kurbel-
stange und Dampfcylinder angeordnet sind und deren Welle unterhalb
des Dampfcylinders im Fundamente gelagert ist.


Sehr gebräuchlich ist das Woolf’sche Dampfmaschinensystem und
Condensation für den Betrieb dieser Gebläse. Bei Anwendung Woolf’-
scher Maschinen greifen die Kolbenstangen beider Dampfcylinder an
das gemeinschaftliche Querhaupt, während die Kolbenstange des Ge-
bläsecylinders in der Mitte desselben, wie auch bei der oben abgebil-
deten Maschine, angeschlossen ist. Zum Betriebe der Pumpen bei Con-
densationsmaschinen pflegt man einen Balancier anzuordnen, welcher
von jenem Querhaupte aus durch eine Schubstange bewegt wird.


Der Umstand, dass zwischen Dampf- und Gebläsecylinder dieser
Gebläse ein ausreichender Raum für die Bewegung des Querhauptes
bleiben muss, bedingt eine beträchtliche Höhe derselben, und mit der
Höhe des Gebläses wächst ebensowohl die Höhe des erforderlichen Ge-
[399]Die Gebläse.
bäudes als auch die Schwierigkeit der Beaufsichtigung. Die ganze
Anordnung eignet sich vor-
zugsweise für eincylindrige
Gebläse, und mehrcylindrige
bilden seltene Ausnahmen.
Bei allen stehenden direct
wirkenden Gebläsen aber
findet, da beim Aufgange
der Kolben die sämmtlichen
bewegten Theile gehoben wer-
den müssen, beim Nieder-
gange aber durch ihr Ge-
wicht Beschleunigung der
Bewegung hervorrufen, eine
ungleichmässige Benutzung
der von dem Motor geleiste-
ten Arbeit und somit un-
gleichförmige Bewegung statt,
sofern nicht Ausgleichung
geschaffen wird. Gekuppelte
mehrcylindrige Gebläse ge-
währen den Vortheil, dass
durch entsprechende Stellung
der einzelnen Kurbeln gegen-
einander eine gegenseitige
Ausgleichung zu erreichen
ist; bei den eincylindrigen
Seraingmaschinen dagegen
müssen besondere Vorkeh-
rungen für diesen Zweck ge-
schaffen werden, und die-
selben sind um so wichtiger,
da das Gewicht der bewegten
Theile ein sehr bedeutendes
zu sein pflegt (dasselbe be-
trägt z. B. bei einer Ma-
schine von 2.5 m Durchmesser
des Windcylinders und 2.5 m
Hub gewöhnlich mehr als
8000 kg). Man benutzt hier-
für gewöhnlich Gegenge-
wichte, welche am Kranze
der Schwungräder befestigt
werden; mitunter auch sucht
man durch Anwendung ei-
nes Differenzialkolbens der
Dampfmaschine den Uebel-
stand abzuschwächen, d. h.

Figure 83. Fig. 117.


durch Anwendung einer dickeren Kolbenstange, welche den freien Cylin-
derquerschnitt oberhalb des Kolbens entsprechend verringert; und wo
[400]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.
Pumpen vom Querhaupte aus in der schon angedeuteten Weise ange-
trieben werden, benutzt man wohl einfach wirkende Pumpen, deren
Hub bei dem Niedergange des Gebläsekolbens stattfindet.


Diesen unverkennbaren Schwächen der Serainggebläse stehen je-
doch auch grosse Vorzüge gegenüber. Hierher gehört im Vergleiche zu
den Balanciermaschinen die unmittelbare Kraftübertragung, wodurch
alle Zwischentheile entbehrlich werden; die Möglichkeit, grosse Kolben-
hübe1) und, wenn erforderlich, grosse Cylinderdurchmesser anzuwenden;
die geringe Grösse der erforderlichen Grundfläche und die einfache
Fundamentirung, da die Haupttheile des Gebläses vollständig unter ein-
ander verbunden sind und durch einen gemeinschaftlichen Fundament-
rahmen aus Gusseisen getragen werden.


Man pflegt die Seraingmaschinen in Grössen bis zu 3 m Gebläse-
cylinderdurchmesser und 3 m Hubhöhe zu bauen; die Hubhöhe der
meisten grösseren Maschinen beträgt 2.5 — 2.8 m. Das Verhältniss der
Hublänge zum Durchmesser des Gebläsecylinders ist gewöhnlich an-
nähernd ⅚.


Als eine Uebergangsform zwischen den Seraing- und den Balan-
ciergebläsen kann ein, jetzt allerdings wohl kaum noch zur Anwen-
dung gelangendes, Gebläsesystem bezeichnet werden, bei welchem die
beiden Cylinder in der nämlichen Weise wie bei den Seraingmaschinen
über einander angeordnet sind; an der Verbindungsstelle der beiden
Kolbenstangen aber ist statt des Querhauptes das eine Ende eines
Balanciers angeschlossen, welcher vermittelst einer Schubstange die
Kurbel der Schwungradwelle treibt. Solche Gebläse besitzen die Nach-
theile der Seraingmaschinen, lassen aber einen Hauptvorzug derselben,
die einheitliche Fundamentirung und geringe Raumbeanspruchung,
vermissen.


Stehende direct wirkende Gebläse mit einer Kurbel-
stange oder Cleveland-Gebläse
. Dampf- und Gebläsecylinder
stehen unmittelbar über einander und werden von Säulen oder Ständern
getragen; die nach unten verlängerte Kolbenstange des unteren der
beiden Cylinder endigt in einem zwischen senkrechten Führungen
gleitenden Kreuzkopfe, an welchen die Kurbelstange angreift; die Kurbel-
und Schwungradwelle befindet sich zu ebener Erde.


Bei einzelnen dieser Gebläse befindet sich der Dampfcylinder zu
oberst und der Gebläsecylinder darunter. Diese vorzugsweise häufig
in Cleveland, der Heimath dieser Gebläse, angewendete Anordnung hat
den Vortheil eines gefälligen Aeusseren, ist aber insofern ungünstig,
als das aus der Stopfbuchse des Dampfcylinders herabtröpfelnde con-
densirte Wasser sich auf dem Deckel des Gebläsecylinders ansammelt.
[401]Die Gebläse.
Fig. 118 zeigt in 1/136 der wirklichen Grösse drei derartige, in einem
gemeinschaftlichen Gebläsehause angeordnete, übrigens von einander

Figure 84. Fig. 118.


unabhängige Gebläse der Ayresome Iron Works.1) Die Gebläsecylinder
haben Durchmesser von 2438 mm, die Dampfcylinder solche von 1016 mm,
die Hublängen betragen 279 mm. Die einzelnen Theile der Maschinen
Ledebur, Handbuch. 26
[402]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.
werden leicht erkennbar sein. Jede Schubstange treibt eine entsprechend
gekröpfte Kurbelwelle, auf deren Enden zwei Schwungräder befindlich
sind, eine Einrichtung, welche die Erzielung eines gleichmässigeren
Ganges zum Zwecke hat, nicht aber allgemein gebräuchlich ist.


Aus der gegebenen, durch Fig. 118 ergänzten Charakteristik der
Clevelandgebläse folgt, dass sie in ihrer Wirkungsweise mit den Seraing-
gebläsen viele Aehnlichkeit besitzen; der hauptsächlichste Unterschied
liegt in dem Umstande, dass hier der Angriffspunkt der Kurbelstange
unterhalb beider Cylinder, bei den Serainggebläsen zwischen denselben
liegt, welcher Umstand eben bei letzteren die Anwendung eines breiten
Querhauptes mit zwei Kurbelstangen erforderlich macht. Dem geringen
Vortheile, welchen in dieser Beziehung die Construction der Cleveland-
gebläse gewährt, steht jedoch der grössere Nachtheil gegenüber, dass
bei gleichen Hublängen beider Gebläsesysteme die Gesammthöhe des
Clevelandgebläses noch beträchtlicher ausfällt als bei den Seraing-
gebläsen. Die Ursache hierfür ist bei einem Vergleiche der beiden ver-
schiedenen Anordnungen leicht erkennbar; bei den Serainggebläsen
befinden sich die Kurbelstangen, deren Länge in einem bestimmten
Verhältnisse zu der Hublänge stehen muss, neben dem Dampfcylinder
und mit der Höhe der Cylinder nimmt auch, was schon oben als ein
Vortheil jener Gebläse bezeichnet wurde, die Länge der Schubstangen
zu, bei den Clevelandgebläsen muss unterhalb der Führungen für den
Kreuzkopf noch eine der Länge der Kurbelstange entsprechende Höhen-
abmessung zugegeben werden.


Man giebt deshalb diesen Clevelandgebläsen geringere Hubhöhen,
damit die Gesammthöhe des Gebläses nicht allzu beträchtlich ausfalle,
und hieraus ergiebt sich dann die eigenthümliche gedrückte Form, durch
welche die Cylinder dieser Gebläse gekennzeichnet zu sein pflegen. Die
Nachtheile kurzer Hublängen wurden schon mehrfach erörtert.


Wenn aus diesen Gründen eincylindrige Clevelandgebläse kaum
den Vorzug vor Serainggebläsen beanspruchen können, so ist doch nicht
zu verkennen, dass, sofern man mehrcylindrige Gebläse bauen will,
sich das Clevelandsystem hierfür besser eignet als das Seraingsystem.
Man hat deshalb auf verschiedenen Eisenwerken zweicylindrige, mit-
unter sogar dreicylindrige Clevelandgebläse in Anwendung, welche vor
mehrcylindrigen Balanciergebläsen den Vortheil grösserer Billigkeit, ein-
facherer Fundamentirung und directer Kraftübertragung, vor mehr-
cylindrigen liegenden Gebläsen alle die schon früher erörterten Vortheile
der stehenden Gebläse voraus haben.


Ist das Gebläse zweicylindrig, so pflegt man die Kurbeln an den
Enden der Schwungradwelle und das Schwungrad in der Mitte zwischen
beiden Kurbeln und Gerüsten anzuordnen. Stellt man hierbei, wie es
bei liegenden und Balanciergebläsen üblich ist, die Kurbeln unter
90 Grad gegen einander, so findet zwar Ausgleichung der Ungleich-
mässigkeiten des Windstromes statt, nicht aber völlige Ausgleichung der
durch das Gewicht der bewegten Theile verursachten Ungleichmässig-
keiten in der Benutzung der von der Dampfmaschine geleisteten Arbeit;
stellt man dagegen, wie es üblicher und jedenfalls auch wohl zweck-
mässiger ist, die Kurbeln um einen Winkel von 180 Grad gegen ein-
[403]Die Regulatoren.
ander, so gleichen sich die Gewichte der bewegten Theile gegenseitig
aus, aber für die Erzielung eines gleichmässigen Windstromes ist die
Anwendung eines Regulators erforderlich.


Bei Drillingsgebläsen werden die Kurbeln um 120 Grad gegen
einander verstellt, wodurch ebensowohl Gewichtsausgleichung als Aus-
gleichung der Ungleichmässigkeiten des Windstromes erreicht wird.1)


Auch das Woolf’sche beziehentlich Compound-Dampfmaschinen-
system ist für Zwillingsmaschinen dieser Art verschiedentlich mit bestem
Erfolge in Anwendung gebracht und zwar derartig, dass die eine Kolben-
stange, beziehentlich Kurbel, von dem Hochdruckcylinder, die andere
von dem Niederdruckcylinder angetrieben wird und beide Kurbeln
wieder um 180 Grad (Woolf’sches System) beziehentlich 90 Grad
gegen einander verstellt sind.2)


Die beschriebenen Gebläse sind seit Anfang der sechziger Jahre
besonders in Cleveland, wo sie zuerst gebaut wurden, ausserordentlich
verbreitet, aber auch ausserhalb Englands und insbesondere auch in
Deutschland verschiedentlich zur Anwendung gekommen. Man giebt
den Gebläsecylindern Durchmesser bis zu 3 m, in den zahlreicheren
Fällen 2 — 2.5 m, während die Hublänge selten mehr als 1.5 m beträgt,
so dass sich bei den meisten Maschinen ein Verhältniss des Hubes
zum Durchmesser wie ¾ bis ⅗ ergiebt.


2. Die Regulatoren.


In Vorstehendem ist bereits verschiedentlich erwähnt worden, dass
bei Anwendung eincylindriger Gebläse eine besondere Vorrichtung —
ein Regulator — in die Windleitung eingeschaltet werden müsse zu
dem Zwecke, die beträchtlichen Unregelmässigkeiten des Windstromes
auszugleichen, welche durch den steten Wechsel in der Bewegung des
Gebläsekolbens hervorgerufen werden. Unter den verschiedenen für
diesen Zweck vorgeschlagenen Constructionen findet bei Hochofen-
anlagen nur eine einzige Verwendung: ein geräumiger Behälter, durch
welchen der Gebläsewind hindurchströmt und welcher demnach ununter-
brochen mit gepresster Luft gefüllt ist. Die Wirkung dieser eingeschlosse-
nen Luft ist der einer Feder oder eines Schwungrades nicht unähnlich;
bei plötzlich gesteigerter Leistung der Gebläsemaschine wird sie stärker
gespannt, nimmt also zunächst den grössten Theil der überschüssig
geleisteten Arbeit auf und schafft durch Abgabe derselben Ausgleich,
sobald die Leistung des Gebläses plötzlich ermattet. Es ist leicht zu
ermessen, und die Lehrsätze der Aërostatik liefern den Beweis dafür,
dass die Leistung des Regulators um so vollständiger sein wird, je
grösser sein Rauminhalt ist. Nach Hauer beträgt bei eincylindrigen
Gebläsen der Inhalt des Regulators gewöhnlich das 20fache von dem
Inhalte des Gebläsecylinders; ebenso wird bei Zwillingsmaschinen,
26*
[404]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.
deren Kurbeln um 180 Grad gegen einander gestellt sind (Cleveland-
maschinen), der 20 fache Inhalt beider Gebläsecylinder erforderlich sein.
Für zweicylindrige Maschinen mit Kurbeln, unter 90 Grad gegen ein-
ander gestellt, würde dagegen, falls man überhaupt hier zur Erlangung
eines noch gleichmässigeren Windstromes einen Regulator anwenden
will, ein geringerer Rauminhalt — etwa das 10 fache der Gebläsecylin-
der — genügen.


Für die Herstellung der Regulatoren pflegt man, nachdem die in
früherer Zeit mitunter angewendeten gemauerten Regulatoren sich nicht
haltbar genug erwiesen, Eisenblechtafeln zu verwenden, welche luftdicht
vernietet werden. Man pflegt den Regulatoren Cylinderform zu geben,
welche sich leichter herstellen lässt und bezüglich der Aufstellung
weniger Platz beansprucht als die vor Jahrzehnten häufiger angewendete
Kugelform, welche allerdings den Vortheil geringeren Materialver-
brauchs bei gleichem Inhalte besitzt.


Ob der cylinderförmige Regulator senkrechte oder wagerechte Stel-
lung erhält, wird von dem zu seiner Aufstellung verfügbaren Platze
abhängig sein müssen; letztere Anordnung dürfte übrigens die häufi-
gere sein.


Empfehlenswerth ist es, auf dem Scheitel des Regulators ein ent-
sprechend belastetes Sicherheitsventil anzubringen.


3. Die Winderhitzer.


Nachdem schon 1822 durch E. F. Leuchs1) der Vorschlag gemacht
worden war, erwärmte Luft zum Betriebe metallurgischer Feuerungen
zu verwenden, wurde der erste diesbezügliche Versuch im Jahre 1829
durch den Gasingenieur J. B. Neilson bei dem Hochofenbetriebe der
Clydehütte in Schottland angestellt. Trotz der Unvollkommenheit des
zuerst angewendeten Winderhitzungsapparates2) war doch der Erfolg
ein überraschend befriedigender; der Brennstoffverbrauch für Darstellung
gleicher Mengen Roheisen verringerte sich, und die Leistungsfähigkeit
des Hochofens stieg. Neilson selbst verbesserte sehr bald die Ein-
richtung seiner Winderhitzer, und wenige Jahre später wurden bereits
fast sämmtliche Hochöfen Schottlands mit warmem Winde betrieben.
In der Jetztzeit gehört ein mit kaltem Winde betriebener Hochofen zu
den grössten Seltenheiten, nachdem man gelernt hat, einer etwaigen
Benachtheiligung der Eigenschaften des erfolgenden Roheisens, welche
durch Erhitzung des Windes herbeigeführt werden könnte, durch zweck-
mässige Zusammensetzung der Hochofenbeschickung entgegen zu wirken.


Ziemlich mannigfaltig ist die Einrichtung der für die Winderhitzung
benutzten Apparate. Im Grossen und Ganzen jedoch lassen sich zwei
Hauptsysteme dieser Apparate unterscheiden.


Bei dem einen Systeme wird der Wind durch eiserne Röhren hin-
[405]Die Winderhitzer.
durchgeführt, welche innerhalb einer gemauerten Kammer — eines
Ofens — von aussen erhitzt werden; man kann sie als eiserne Wind-
erhitzer oder Röhrenapparate
bezeichnen.


Bei dem andern Systeme strömt der Wind abwechselnd durch
eine von zwei mit feuerfesten Steinen ausgesetzte Kammern, deren
andere geheizt wird, während die erste einen Theil der in ihr schon
zuvor aufgespeicherten Wärme zur Erhitzung des Windes abgiebt. Von
Zeit zu Zeit wird umgeschaltet, der Wind nimmt seinen Weg durch
die inzwischen geheizte Kammer, während die erste nunmehr aufs neue
geheizt wird. Die Einrichtung beruht also genau auf denselben Vor-
gängen wie die aller Siemensöfen (S. 116). Man kann diese Apparate
als steinerne oder Kammer-Winderhitzer bezeichnen; eine
andere sehr gebräuchliche, wenn auch logisch unrichtige Bezeichnung
ist Regenerativ-Winderhitzer.1)


Eiserne Apparate gestatten auf die Dauer kaum eine stärkere Er-
hitzung des Windes als 450°C., obschon man in neuen Apparaten
Temperaturen von über 550 Grad hervorbringen kann. Das Eisen ver-
liert aber um so rascher an Wärmeleitungsfähigkeit und wird über-
haupt um so rascher in „Brandeisen“ (vergl. S. 282) umgewandelt,
bekommt Risse und Sprünge, je stärker es erhitzt wird. In steinernen
Apparaten dagegen lassen sich auch nach längerer Benutzung derselben
Windtemperaturen von 750 — 800°C. hervorbringen. Wo also eine
solche hoch gesteigerte Erhitzung förderlich für den Hochofenprocess,
insbesondere für Darstellung bestimmter Roheisensorten ist, sind die
steinernen Apparate den eisernen entschieden vorzuziehen; aber sie
erfordern wegen der nothwendigen Wechsel eine unausgesetzte Wartung
und wegen der stattfindenden Ablagerung von Staub bei Anwendung
staubreicher Gase als Brennstoff eine öftere, schwieriger als bei letzteren
ausführbare Reinigung, sind also in ihrer Benutzung weniger bequem
als diese. Eine vergleichende Zusammenstellung der Anlagekosten eiser-
ner und steinerner Apparate ist am Schlusse der Besprechung der
Winderhitzung gegeben.


Die Erhitzung der Winderhitzungsapparate, sie mögen dem einen
oder andern Systeme angehören, geschieht fast regelmässig durch die
dem Ofen entzogenen Gichtgase; und erst seit man gelernt hatte, diese
Gasentziehung ohne Nachtheil für den Hochofenprocess zu bewirken,
konnte auch die Winderhitzung zu dem jetzigen Grade der Vollkom-
menheit sich ausbilden. Auf dem Eisenwerke Wasseralfingen, wo durch
die rastlosen Bestrebungen Faber du Faur’s die Benutzung der Gicht-
gase und die Gasfeuerung überhaupt eine so wesentliche Förderung
erhielt, scheint auch zuerst die Verwendung der Gichtgase, beziehent-
der Gichtflamme, zur Heizung der Winderhitzer praktisch durchgeführt
worden zu sein, nachdem die von Neilson erbauten Apparate durch
gewöhnliche Rostfeuerung erhitzt worden waren.


Dass in Wirklichkeit die Menge der Gichtgase fast aller Hochöfen
vollständig ausreichend ist, nicht allein die Winderhitzer sondern auch
[406]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.
die Dampfkessel für den Betrieb der Gebläse, Aufzüge u. s. w. zu
heizen, wurde schon oben hervorgehoben und durch Rechnung er-
läutert.


Die eisernen Röhren-Winderhitzer.

Nach der verschiedenen Stellung der Röhren, durch welche der
Wind hindurchströmt, pflegt man liegende, stehende und hängende
Apparate
zu unterscheiden. Die Vor- und Nachtheile dieser ver-
schiedenen Gattungen werden bei jeder derselben einzeln erörtert
werden.


Bei den älteren, für kleinere Hochöfen bestimmten Apparaten
dieser Art pflegte man den gesammten zu erhitzenden Wind durch
einen einzigen Rohrstrang hindurchzuleiten, welcher — aus geraden
Muffenrohren und Krümmlingen zusammengesetzt — in verschiedenen
Windungen sich durch die Erhitzungskammer hindurchzog. Je grösser
aber der Querschnitt eines solchen Rohres ist, desto ungünstiger ist das
Verhältniss seiner wärmeaufnehmenden Aussenfläche zu dem inneren
Querschnitte, desto ungünstiger also auch die Ausnutzung der in dem
Apparate entwickelten Wärme. In Rücksicht auf diesen Umstand ver-
theilt man bei neueren Apparaten regelmässig den Wind in eine grössere
Zahl einzelner Rohrstränge, welche von der Hauptwindleitung abge-
zweigt und selbstständig durch den Apparat hindurchgeführt werden,
um später sich wieder in dem Hauptwindrohre für den heissen Wind
zu vereinigen. Den Rohren innerhalb des Apparates aber giebt man
oblongen Querschnitt und erzielt auch hierdurch eine Vergrösserung der
Heizfläche gegenüber den Röhren mit kreisförmigen Querschnitten.


Da eine allzu beträchtliche Ausdehnung der Abmessungen eines
einzigen Apparates benachtheiligend auf die Gleichmässigkeit der Er-
hitzung in den einzelnen durch den Apparat hindurchgehenden Röhren
einwirken würde, so ordnet man, sofern grössere Windmengen zu
erhitzen sind, mehrere Winderhitzungsapparate an, deren jeder nur
einen Theil des gesammten Windes zu erhitzen bestimmt ist. Sowohl
in dem Eintritts- als Ausgangsrohre jedes Apparates werden Absper-
rungsvorrichtungen (Schieber, Klappen, Ventile) angebracht, so dass
nöthigenfalls auch ein einzelner Apparat zur Vornahme von Reparaturen
ausgeschaltet und kalt gelegt werden kann, ohne dass die übrigen in
Mitleidenschaft gezogen zu werden brauchen.


Je grösser die Heizfläche eines Winderhitzungsapparates in Bezug
auf eine bestimmte Menge zu erhitzenden Windes ist und je langsamer
der Wind innerhalb der Röhren sich fortbewegt, d. h. je grösser der
Querschnitt der neben einander angeordneten Rohre ist, desto weniger
stark brauchen offenbar die Rohre selbst erhitzt zu werden, um dem
Winde eine bestimmte Temperatur zu verleihen, desto günstiger wird
die entwickelte Wärme ausgenutzt werden können, desto seltener wer-
den Auswechselungen schadhaft gewordener Rohre erforderlich werden
und desto geringer ist die Gefahr, dass durch Undichtigkeiten Wind-
verluste entstehen. Je grösser die Heizfläche ist, desto grösser wird im
Allgemeinen auch der Querschnitt sein, obschon sich, wie soeben schon
besprochen wurde, durch die Form des Querschnittes und durch mehr
oder minder weit gehende Vertheilung des Windes in einzelne Rohr-
[407]Die Winderhitzer. Röhren-Apparate.
stränge, sowie endlich auch durch eine grössere Längenausdehnung des
Weges, welchen der Wind innerhalb des Apparates zurücklegt, das
Verhältniss der Heizfläche zum Querschnitte günstiger oder weniger
günstig gestalten lässt.


Jedenfalls steigt mit der Grösse des gesammten Röhrenquerschnittes,
beziehentlich mit der Grösse der Heizfläche auch der Betrag der Anlage-
kosten des Apparates in Bezug auf eine bestimmte Menge zu erhitzen-
den Windes. Es erklärt sich hieraus, dass man bei den vorhandenen
eisernen Winderhitzungsapparaten hinsichtlich des Verhältnisses der Heiz-
fläche zur Windmenge und hinsichtlich der Geschwindigkeit des Windes
in den Röhren ziemlich bedeutende Abweichungen findet, je nachdem
man davon ausging, mit geringen Anlagekosten den Apparat zu bauen,
oder die Wärme günstig auszunutzen und dem Apparate eine grössere
Dauerhaftigkeit zu verleihen.


Bei einzelnen Apparaten beträgt die Heizfläche per Cubikmeter
Wind, welcher per Minute hindurchgeht, 1.5 Quadratmeter und die
mittlere Geschwindigkeit des Windes in den Röhren per Secunde 40 m,
bei anderen findet man für die gleiche Menge Wind eine Heizfläche
bis zu 4 qm und die Geschwindigkeit des Windes weniger als 10 m.1)


Zweckmässig dürfte es sein, nicht weniger als 2 qm Heizfläche
per Cubikmeter Wind in der Minute und keine grössere mittlere Ge-
schwindigkeit des Windes als 15 m per Secunde anzunehmen. Je grösser
diese Geschwindigkeit ist, desto stärker sind auch die Pressungsverluste,
desto ungünstiger ist mithin die Ausnutzung der vom Gebläse ver-
richteten Arbeit.


Die Anordnung der Röhren in dem Apparate wird man in jedem
Falle so zu treffen suchen, dass der kalte Wind da in den Apparat
eintritt, wo die Verbrennungsgase denselben verlassen, während der
erhitzte Wind in der Nähe des Verbrennungsraumes, also an der Stelle,
wo die höchste Temperatur herrscht, aus dem Apparate austritt. Mit
anderen Worten: die Verbrennungsgase und der Wind müssen inner-
halb des Apparates eine entgegengesetzte Bewegungsrichtung erhalten.2)


Als Material zu den Röhren dient ausschliesslich Gusseisen. Man
pflegt die Röhren mit Wandstärken von 15—25 mm zu giessen. Auf die
Haltbarkeit derselben ist die Wahl des Materiales von grossem Ein-
flusse. Phosphorreiches Gusseisen neigt zum Zerspringen und ist des-
halb entschieden zu verwerfen; ein mässiger Mangangehalt des Guss-
eisens, sofern er nicht so beträchtlich ist, um die Graphitbildung ent-
schieden zu beeinträchtigen, scheint eher förderlich als nachtheilig für
die Haltbarkeit der Röhren im Feuer zu sein. Am geeignetsten dürften
sich Gusseisensorten für diesen Zweck erweisen, welche nicht über
[408]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.
0.5 Proc. Phosphor, ausserdem 3—3.5 Proc. Gesammtkohlenstoff, 1.0 bis
1.5 Proc. Silicium, 0.5—1 Proc. Mangan enthalten.


Auch die Technik bei Herstellung der Rohre in der Giesserei ist
von Einfluss auf ihre Haltbarkeit. Fallen z. B. die Wandstärken an
verschiedenen Stellen eines und desselben Rohres ungleich aus, oder
werden die noch glühenden Rohre einer einseitigen Abkühlung unter-
worfen, so ist sehr leicht ein Zerspringen im Feuer die Folge davon.


Beim Aufbau der Apparate empfiehlt es sich, für die der Erhitzung
am stärksten ausgesetzten Stellen diejenigen Rohre auszuwählen, deren
Wände am dicksten ausgefallen sind und welche die gleichmässigste
Wandstärke besitzen.


Beispiele ausgeführter Röhrenapparate.
a) Apparate mit liegenden Röhren.

Westfälischer oder Langen’scher Apparat. Die Abbil-
dungen Fig. 119 und 120 zeigen die Einrichtung dieses besonders gegen
Ende der sechziger und Anfang der siebenziger Jahre sehr häufig an-
gewendeten, auch jetzt noch nicht selten benutzten Apparates. Der kalte
Wind kommt durch das Rohr a und wird aus demselben durch sechs
angegossene Rohrstutzen von oblongem Querschnitte in ebenso viel
parallele Rohrstränge vertheilt.1) Fig. 120 lässt erkennen, wie in diesen
Rohrsträngen der Wind mit Hilfe von Krümmlingen immer weiter ab-
wärts geführt wird, um schliesslich in dem Heisswindrohre b wieder
vereinigt zu werden.


Die geraden Rohre, welche den Haupttheil des Apparates bilden
und allein dem Feuer ausgesetzt sind, endigen in angegossenen Muffen,
in welchen die Krümmer eingekittet werden.2) Da sie unter dem Ein-
flusse starker Erhitzung leicht sich ausbauchen, besonders, wenn die
Pressung des hindurchströmenden Windes bedeutend ist, hat man sie,
wie Fig. 119 erkennen lässt, mit eingegossenen Verstärkungsrippen ver-
sehen, eine Einrichtung, welche erst in neuerer Zeit üblich geworden
ist und allerdings das Gewicht des Apparates vergrössert. Mitunter
giebt man deshalb diese Rippen nur den unteren Rohren und lässt sie
in den oberen fehlen.


Zum Tragen der Rohre dient die Umfassungsmauer des Apparates.
Damit indessen der richtige Abstand zwischen zwei über einander lie-
genden Rohren besser gewahrt bleibe und damit andererseits die Aus-
dehnung und Zusammenziehung der Rohre beim Erhitzen und Abkühlen
nicht behindert sei, legt man sie nicht unmittelbar in das Mauerwerk,
sondern auf eiserne Träger, welche jedesmal zwischen zwei über ein-
ander befindlichen Rohren eingeschaltet sind, und umgiebt sie nur lose
[]

[figure]

[][409]Winderhitzungs-Apparate mit liegenden Röhren.
mit Mauerwerk (Fig. 120). Zweckmässig ist es, die Oberkante dieser
Träger mit Einschnitten zu versehen, in welche die Muffen sich hinein-
legen. Der Abstand der Rohre jeder Horizontalreihe von einander wird
auf diese Weise genau bestimmt und die Rohre selbst erhalten dadurch
eine sicherere Lage.


Die Krümmer liegen ausserhalb des Feuers, sind aber, um vor
Abkühlung thunlichst geschützt zu sein, von einer zweiten Wand um-
geben. Bei dem abgebildeten Apparate besteht dieselbe aus eisernen,
von gusseisernen Trägern unterstützten, mit Bord versehenen Platten,
welche sich einzeln herausnehmen lassen, damit die Muffen zugänglich
bleiben. In anderen Fällen stellt man die Wand aus Mauerwerk her
und versieht sie mit Oeffnungen, welche durch Schieber oder Thüren
geschlossen sind.


Das zur Heizung des Apparates bestimmte Gas kommt durch den
Kanal c, steigt in der Mitte des Apparates empor und tritt durch vier
Oeffnungen d d .. in die Verbrennungskammer. Die Verbrennungsluft
tritt unterhalb der beiden Roste durch die Aschenfallthüren ein, steigt
durch die Roste (deren Zweck schon auf S. 386 besprochen wurde)
empor und mischt sich mit den Gasen. Durch sieben Schlitze in der
gewölbten Decke der Verbrennungskammer gelangen die Gase alsdann
in den eigentlichen Erhitzungsapparat, um zwischen den Röhren auf-
zusteigen und schliesslich aus der Esse (welche häufig mit einer Re-
gulirungsklappe versehen ist) zu entweichen.


Statt der einen Esse bringt man bisweilen mehrere an verschie-
denen Stellen an, um das gleichmässigere Aufsteigen der Gase zu
befördern.


Doppelröhrenapparat, auch wohl Lothringer Apparat ge-
nannt. Bei dem beschriebenen westfälischen Apparate bildet das Gewicht
der ausserhalb des Feuers liegenden Krümmlinge einen nicht unbe-
trächtlichen Theil des Gesammtgewichts aller Röhren; und dieser Um-
stand vertheuert natürlich die Anlagekosten eines Apparates in Bezug
auf eine bestimmte Heizfläche desselben. Vereinigt man nun zwei
gerade Rohre zu einem einzigen mit Vor- und Rückwärtsbewegung des
Windes in der Weise, wie es die Abbildung Fig. 1211) auf S. 410 dar-
stellt, so wird die Hälfte der bei dem zuerst erwähnten Apparate erforder-
lichen Krümmlinge erspart und die Anlagekosten werden für eine vor-
geschriebene Heizfläche geringer. Der abgebildete Doppelröhrenapparat,
dessen erste Anwendung verschiedenen Persönlichkeiten zugeschrieben
wird, wurde im Laufe der siebziger Jahre ziemlich häufig an Stelle
des älteren westfälischen Apparates mit einfachen Röhren eingeführt.
Den Doppelröhren pflegt man 600—700 mm Höhe bei 200—300 mm
Breite und 2.5—3 m Gesammtlänge (incl. Muffe) zu geben. Obschon die
eingegossene Scheidewand an und für sich schon dem Rohre eine grössere
Sicherheit gegen das Ausbauchen verleiht, hat man doch in neuerer
Zeit ausser derselben mitunter noch je eine Verstärkungsrippe in jeder
Rohrhälfte eingegossen, so dass in diesem Falle der Durchschnitt durch
das Rohr drei parallele Rippen erkennen lässt, deren mittlere die
[410]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.
Scheidewand zwischen oberer und unterer Rohrhälfte bildet. An der
Rückseite sind die Rohre mit angegossener Fussplatte versehen, welche,
ebenso wie die Muffe des vorderen Rohrendes, auf Eisenträgern (in der
Abbildung mit h bezeichnet) aufruht. Der Zweck dieser Einrichtung
wurde schon bei dem vorigen Apparate besprochen. Bei b ist die Art

Figure 85. Fig. 121.


und Weise angedeutet, wie
man im Stande ist, durch
Einsetzen von entsprechend
längeren Krümmungsstücken
eine Horizontalreihe der ge-
raden Rohre auszuschalten,
falls hier etwa undichte Stel-
len sich bemerkbar gemacht
haben sollten; in den mei-
sten derartigen Fällen aller-
dings dürfte es vorzuziehen
sein, den ganzen Apparat
kalt zu legen und die schad-
haften Rohre auszuwechseln.
Die Krümmlinge wird man
zweckmässigerweise nicht, wie
in der Abbildung, in die
freie Luft hinausragen lassen,
sondern ebenso wie bei dem
in Fig. 119 und 120 abge-
bildeten Apparate durch An-
ordnung einer zweiten äusse-
ren Wand vor beträchtlicher
Abkühlung schützen. A ist
das Zuleitungsrohr für den
kalten Wind, von welchem
in ganz ähnlicher Weise wie
bei dem westfälischen Appa-
rate die entsprechende An-
zahl (sechs bis acht) paralle-
ler Rohrstränge abgezweigt
werden; B ist das Heiss-
windrohr. Die Verbrennungs-
kammer f ist wie gewöhn-
lich eingerichtet und mit
Rosten e versehen; die Zu-
leitung des Gases kann in
gleicher Weise wie bei Fig.
119 und 120 bewirkt werden.


Dem schon erwähnten Vorzuge dieses Doppelröhrenapparates steht
als Nachtheil der grössere Widerstand entgegen, welchen der Wind
infolge der schärferen Krümmung am Ende des Rohres zu überwinden
hat. Ausserdem ist nicht ausser Acht zu lassen, dass ein Doppelrohr
immerhin nicht die volle Heizfläche besitzt als zwei einfache Röhren,
deren Querschnitt mit dem Querschnitte einer Rohrhälfte des ersteren
[411]Winderhitzungs-Apparate mit stehenden Röhren.
übereinstimmt; zur Erzielung einer vorgeschriebenen Heizfläche wird
demnach eine etwas grössere Zahl Doppelröhren als die Hälfte der ein-
fachen erforderlich sein, und mit derselben wächst auch die Anzahl
der erforderlichen Krümmer. Trotzdem bleibt der Unterschied in dem
Gusseisengewichte der beiden Apparate nicht unerheblich.


Die liegenden Winderhitzungsapparate, deren beide wichtigsten
Arten in Vorstehendem beschrieben wurden, besitzen die Eigenthüm-
lichkeit, dass die aufsteigenden Gase rechtwinklig gegen die Rohre
treffen und somit ihre Einwirkung auf dieselben in kräftigster Weise
geltend machen können; sie gewähren die Möglichkeit, durch ent-
sprechende Ausdehnung in der Höhenrichtung den Gasen den grössten
Theil ihrer Wärme zu entziehen; und durch die allmähliche Bewegung
des Windes von oben nach unten ist dem Gegenstromprincipe in ziem-
lich vollständiger Weise Rechnung getragen. Die Ausnutzung der
Wärme in den liegenden Apparaten ist demnach eine verhältnissmässig
günstige, der Brennstoffverbrauch gering; und hierin beruht der Haupt-
vorzug dieser Gattung von Winderhitzern.


Ihre Anordnung aber ist ziemlich schwerfällig, und dieser Nach-
theil wächst mit der Höhe des Apparates; die Länge der Röhren darf
ein gewisses, von dem Querschnitte abhängiges Maass nicht übersteigen,
wenn die Gefahr eines Bruches derselben im erhitzten Zustande unter
dem Drucke ihres Eigengewichtes vermieden werden soll und die An-
lagekosten dieser Apparate sind infolge des schon erwähnten Umstandes,
dass die Krümmer ausserhalb des Feuers liegen, verhältnissmässig
bedeutend.1)


Letzterer Umstand ist wohl hauptsächlich die Ursache, dass in der
neuesten Zeit die Anwendung liegender Apparate im Vergleiche zu
früher sich erheblich verringert hat.


b) Apparate mit stehenden Röhren.

Bei allen den hierher gehörigen Apparaten wird der Wind in senk-
recht oder schwach geneigt stehenden Röhren abwechselnd auf und
nieder geführt. Geschieht diese Bewegung nicht innerhalb eines ein-
zigen mit Scheidewand versehenen Rohres, sondern sind je zwei oben
durch einen Krümmer verbundene Röhren für jene Auf- und Abwärts-
bewegung bestimmt, so pflegt man die betreffenden Apparate Hosen-
röhren-
oder Syphon-Apparate (syphon = Heber) zu nennen.


Calderapparat. Dieser von Neilson zuerst auf der Calderhütte
in Schottland erbaute Apparat gehört zu den ältesten aller Hosen-
röhrenapparate und ist Jahrzehnte hindurch auf zahlreichen Eisenwerken
in Anwendung gewesen. Obgleich er in seiner ursprünglichen Form
nunmehr ziemlich vollständig verschwunden sein dürfte, bildete doch
seine Einrichtung die Grundlage für verschiedene spätere Constructio-
[412]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.
nen, und aus diesem Grunde sei eine kurze Beschreibung desselben
gestattet.


Fig. 122 zeigt die Anordnung der Röhren. Der von aussen kom-
mende Wind tritt zunächst in das mit aufgegossenen Muffen versehene
wagerecht liegende Fussrohr a und zieht aus diesem durch sechs bis
neun parallele, hinter einander angeordnete Hosenröhren b — ursprüng-
lich mit kreisrundem, später mit oblongem Querschnitte — hinüber

Figure 86. Fig. 122.


nach dem gegenüber liegenden Fussrohre c.
In einer zweiten Abtheilung des Apparates
gelangt der Wind aus einer Verlängerung
des Rohres c wiederum durch ebensolche
Hosenröhren auf die Seite des Rohres a,
jedoch selbstverständlich in ein besonde-
res, von a durch eine Scheidewand getrenn-
tes Rohr; und dann in einer dritten Ab-
theilung aus einer Verlängerung dieses Rohres
wieder nach der Seite von c, von wo aus
der heisse Wind gewöhnlich dann den Appa-
rat verlässt.


Die zum Heizen bestimmten Gase stei-
gen vom Roste d aus empor; zur besseren
Ausnutzung der Wärme aber pflegt man die
einzelnen Abtheilungen des Apparates durch
Scheidewände von einander zu sondern;
aus der ersten Abtheilung gelangen die Gase
durch einen Schlitz in der Scheidewand
unterhalb der Decke in die zweite, werden
hier abwärts geführt, um am Boden in die dritte Abtheilung ein-
zutreten, und entweichen von hier in die Esse.


Der Hauptnachtheil der Calderapparate ist die geringe Haltbarkeit
der Hosenröhren. Beide gegenüber liegende Fussröhren sind durch die
Hosenröhren fest mit einander verbunden und bilden mit den letzteren
ein zusammenhängendes Ganze. Durch die Erhitzung aber treten leicht
Formveränderungen der Röhren ein, und sobald dieselben nicht gleich-
mässig sämmtliche zu einander gehörende Röhren betreffen, liegt die
Gefahr eines Bruches sehr nahe; gerade da aber, wo diese Gefahr am
grössten ist, im Scheitel der Hosenröhren, sind dieselben der Stichflamme
ungeschützt preisgegeben.


Dieser Uebelstand wird vermieden oder doch abgemindert, wenn
man, wie es bei fast allen neueren Apparaten mit stehenden Röhren
geschieht, den Wind nicht von einem Fusskasten zum andern hinüber-
führt, sondern ihn von vorn herein in zwei parallele Rohrstränge son-
dert, in welchen er, abwechselnd auf- und absteigend, durch den
Apparat hindurchzieht, um erst ausserhalb desselben sich in einem
gemeinschaftlichen Leitungsrohre wieder zu vereinigen. Die Lösung
dieser Aufgabe aber ist in ziemlich mannigfaltiger Weise bewirkt
worden.


Pistolenröhrenapparate. Fig. 123 zeigt den Querschnitt eines
solchen Apparates. Wie bei dem früher besprochenen Doppelröhren-
apparate mit liegenden Röhren (Fig. 121) sind hier zwei Röhren zu
[413]Winderhitzungs-Apparate mit stehenden Röhren.
einem Ganzen vereinigt; um aber den Röhren einen sichereren Stand zu
geben, hat man die Köpfe zweier gegenüberstehenden Röhren gegen
einander gekrümmt, wodurch sie die eigenthümliche, einem Pistolen-
kolben ähnliche Form erhalten, und sie mit an-
gegossenen Nasen versehen, welche sich gegen
einander legen.


Der Wind wird ausserhalb des Apparates
in zwei getrennte Rohre vertheilt, deren eines mit
der Abtheilung h des links befindlichen Fuss-
kastens und deren anderes mit der Abtheilung a
des rechts befindlichen Fusskastens verbunden ist.
Auf jedem Fusskasten sind sechs bis neun Pisto-
lenröhren angebracht, in welche der Wind gleich-
zeitig eintritt, um, wie es die Pfeile andeuten, in
der einen Hälfte auf- und in der andern abwärts
zu ziehen, worauf derselbe in die Abtheilungen g
und b der Fusskästen gelangt. Aus den Ver-
längerungen dieser Abtheilungen g und b steigt
der Wind in der zweiten Hälfte des Apparates
wiederum in eben solchen Pistolenröhren, jedoch
selbstverständlich in entgegengesetzter Richtung als

Figure 87. Fig. 123.


zuvor, auf- und abwärts, gelangt hierbei in die in der Verlängerung von
h und a liegenden Abtheilungen der Fusskästen (welche von h und a
durch eine Scheidewand getrennt sind) und wird von hier aus gewöhn-
lich nach aussen in das gemeinschaftliche Heisswindrohr geführt.


Die Pistolenröhrenapparate, welche im Anfange der sechziger Jahre
zuerst auftauchten und dann rasch eine ziemlich ausgedehnte Ver-
breitung fanden, zeichnen sich vor den Calderapparaten durch eine
grössere Haltbarkeit aus, geben aber wegen der starken Krümmung,
welche der Wind innerhalb der einzelnen Röhren zurückzulegen hat,
Veranlassung zu starken Pressungsverlusten, während jener Beweg-
grund, der bei den liegenden Apparaten zur Anwendung von Doppel-
röhren führte, die Ersparung an Krümmlingen, hier ausser Betracht
kommt, da bei allen stehenden Apparaten ohnehin die Röhren voll-
ständig im Feuer liegen.


Aus diesen Gründen sind die Pistolenröhrenapparate in der Jetzt-
zeit selten geworden und werden voraussichtlich bald vollständig ver-
schwunden sein.


Cleveländer Doppelröhrenapparate. Diese seit Anfang der
siebziger Jahre zuerst in Cleveland, später auch auf verschiedenen con-
tinentalen Hochofenwerken zur Anwendung gebrachten Apparate haben
mit den Pistolenröhrenapparaten die Vereinigung zweier Röhren zu
einem Ganzen gemeinsam, unterscheiden sich jedoch übrigens sehr
wesentlich von denselben. Die Abbildungen Fig. 124 und 125 zeigen
die Einrichtung derartiger neuerdings in Gleiwitz für den dortigen Hoch-
ofenbetrieb erbauter Apparate.1)


[414]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.
Figure 88. Fig. 124.

Figure 89. Fig. 125.

Der Wind wird vor dem Eintreten in den Apparat wie bei allen
modernen eisernen Winderhitzern in mehrere — im vorliegenden Falle
[415]Winderhitzungs-Apparate mit stehenden Röhren.
drei — parallele Rohrstränge vertheilt, welche die einzelnen Wind-
erhitzungsrohre enthalten. Jedes der letzteren ist, wie soeben schon
erwähnt wurde, durch eine mittlere Scheidewand in zwei Hälften ge-
theilt, in deren einer der Wind aufwärts und in deren anderer der-
selbe abwärts strömt. Jede dieser Hälften aber ist bei dem abgebildeten
Apparate mit einer eingegossenen Verstärkungsrippe versehen.


Wegen der bequemeren Herstellung und der leichteren Vermeidung
von Spannungen sind die Erhitzungsröhren am Scheitel offen und mit
aufgegossenem Rande versehen. Bei der Aufstellung der Apparate
wird diese Oeffnung durch zwei eingekittete Deckel geschlossen. Am
unteren Ende läuft jedes Rohr in zwei kurze Füsse aus, welche in
Fusskasten mit aufgegossenen Muffen endigen, wie Fig. 124 deutlich
erkennen lässt.


Der Weg, welchen die Gase nehmen, nachdem sie in der unter-
halb des Apparates angeordneten Verbrennungskammer verbrannt wur-
den, ist ebenfalls leicht in Fig. 124 zu erkennen.


Jedes einzelne Rohr des abgebildeten Apparates besitzt einen Quer-
schnitt von 650 mm Länge und 240 mm Breite im Lichten; eine Quer-
schnittsfläche von 0.1436 qm. Die Höhe der Rohre ist 5.65 m; die äussere
Heizfläche 8.89 qm. Ein aus 18 einzelnen Röhren bestehender Apparat
besitzt demnach eine äussere Heizfläche von 160 qm. Drei solcher
Apparate werden in Gleiwitz benutzt, um 160 cbm Wind per Minute
auf 400—500°C. zu erwärmen. Einer dieser Apparate ist bereits seit
fünf Jahren im Betriebe, ohne dass eine Auswechselung von Röhren
sich erforderlich gemacht hätte. Eine besondere Aufmerksamkeit ist bei
dem gleichzeitigen Betriebe mehrerer mit einander verbundener Appa-
rate nothwendig. Steigt nämlich in dem einen Apparate die Tempe-
ratur höher als in dem andern, so dass die Differenz mehr als 50°C.
beträgt, so wird der heissere Wind in dem betreffenden Apparate durch
den kälteren, dichteren zurückgedrängt; die Folge davon ist, dass durch
den kälteren Apparat der Wind mit immer zunehmender Geschwindig-
keit hindurchgeht und immer kälter wird, während die Röhren des
andern immer stärker erhitzt und dadurch dem Verbrennen ausgesetzt
werden.


Gjers’ Winderhitzungsapparat. Derselbe wurde zuerst auf
den Linthorpe Iron Works zur Anwendung gebracht und zählt jetzt
zu den gebräuchlichsten aller eisernen Winderhitzer. Fig. 126—128
zeigen die Einrichtung solcher zu Georgs-Marienhütte bei Osnabrück
im Betriebe befindlicher Apparate. Von den vorstehend beschriebenen
Cleveländer Apparaten unterscheidet sich der Gjers-Apparat vornehm-
lich durch die Anwendung von Hosenröhren statt der Doppelröhren,
ein Umstand, durch welchen die Heizfläche vergrössert und der Reibungs-
widerstand, welchen der Wind innerhalb der Röhren erleidet, verringert
wird. Die Hosenröhren sind, damit die der Beschädigung leicht aus-
gesetzten Dichtungen vermieden werden, in einem Stücke gegossen, am
Scheitel aber ebenso wie die Röhren des Cleveland-Apparates mit ein-
gegossener Oeffnung versehen, die durch einen Deckel verschlossen
wird. Eingegossene Verstärkungsrippen a a .. verleihen den Röhren eine
grössere Widerstandsfähigkeit gegen das Ausbauchen; ausserdem sind
[416]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.
zwischen den Schenkeln einzelne Querstege b b .. angebracht, welche
die Schenkel unter sich besser versteifen.


Der Weg, welchen der Wind innerhalb des Apparates beschreibt,
ist aus den Abbildungen deutlich zu ersehen. Das zum Heizen be-
stimmte Gas wird bei c (Fig. 127) durch ein nicht mit abgebildetes
Rohr in die Verbrennungskammer d geführt, hier mit Luft gemischt,
welche, wie gewöhnlich von unten her zuströmt, und gelangt dann
durch die in der Decke der Verbrennungskammer angebrachten Schlitze
in den eigentlichen Heizraum. Eine Scheidewand e, welche den ganzen
Apparat in zwei Hälften theilt, zwingt die Gase, zuerst aufwärts, dann
abwärts sich zu bewegen, um schliesslich an der Seite, von wo der
kalte Wind eintritt, nach einer für mehrere Apparate gemeinschaftlichen
Esse zu entweichen.


In der gewölbten Decke des Heizraumes sind zwischen je zwei
Röhren Reinigungsverschlüsse angebracht, durch welche der an den
Röhren sich ansetzende Staub von Zeit zu Zeit entfernt werden kann.


Bei der ursprünglichen Anordnung des Gjers-Apparates sind die
einander gegenüber befindlichen Röhren, statt lothrecht zu stehen, gegen
einander geneigt, so dass sie am Scheitel mit angegossenen Nasen sich
gegen einander lehnen. Die Wärmeabgabe wird hierdurch begünstigt,
da die Gase unter einem Winkel die Röhren treffen, statt parallel mit
denselben zu ziehen; leichter aber als senkrechte Rohre werden vor-
aussichtlich die schräg stehenden unter dem Drucke ihres eigenen Ge-
wichts Verbiegungen ausgesetzt sein.


Die stehenden Winderhitzer sind unter allen eisernen Winder-
hitzungsapparaten in der Jetztzeit die am häufigsten benutzten. Sie
haben vor den liegenden den Vortheil geringerer Anlagekosten bei
gleicher Heizfläche voraus, da sie fast vollständig im Feuer zu liegen
pflegen und da jedenfalls das Verhältniss der erhitzten Theile zu den
ausserhalb des Feuers befindlichen ein erheblich günstigeres ist als bei
jenen. Da die Muffen der Fussröhren nicht unmittelbar der Stichflamme
preisgegeben sind, so ist die Gefahr des Undichtwerdens nicht gross,
auch wenn diese Fussröhren im Heizraume selbst angeordnet sind.


Die Länge der einzelnen Röhren ist in Rücksicht auf die senk-
rechte Stellung derselben weniger beschränkt als bei den liegenden
Apparaten; je länger aber die geraden Röhren sind, desto geringer ist bei
gegebener Heizfläche die Zahl der Rohrkrümmer, welche die Bewegung
des Windes erschweren und hierdurch Pressungsverluste hervorrufen.


Andererseits lässt sich aus der Anordnung der stehenden Apparate
schliessen, dass die Wärmeausnutzung weniger günstig als in liegenden
sein wird; oder mit anderen Worten, dass bei gleicher gegebener Heiz-
fläche mehr Brennstoff in den stehenden als in den liegenden erforder-
lich sein wird, um gleich hohe Windtemperaturen hervorzubringen. Da
die Gase in den Heizräumen auf- und abwärts, der Richtung der Er-
hitzungsröhren annähernd parallel, sich bewegen, so ist eben, wie schon
oben erwähnt wurde, die Wärmeabgabe weniger günstig, als wenn sie,
wie bei den liegenden Apparaten, rechtwinklig die Richtung der Röhren
kreuzen.


[][]
[figure]
[]
[figure]
[][417]Winderhitzungs-Apparate mit hängenden Röhren.
e) Apparate mit hängenden Röhren.

Bei der Construction dieser Apparate ging man von der Voraus-
setzung aus, dass, wenn die Erhitzungsröhren frei in den Heizraum
von oben her eingehängt seien, sie sich auch frei ausdehnen und zu-
sammenziehen können und demnach dem Reissen verhältnissmässig wenig
unterworfen sein werden.


Man benutzte Doppelröhren, welche oberhalb des Heizraumes durch
Krümmer verbunden waren. Fig. 129 lässt wenigstens die allgemeinere
Anordnung dieser Apparate erkennen, wenn auch die Anordnung im

Figure 90. Fig. 129.


Besondern bei verschiedenen Anlagen nicht immer die gleiche ist. Von
dem Hauptwindleitungsrohre A, welches verschiedenen Apparaten den
Wind zuführt, geht das Vertheilungsrohr B aus, und von diesem sind
nun mehrere, gewöhnlich vier, parallele Rohrstränge abgezweigt, welche
durch eine gemeinschaftliche Heizkammer hindurchführen. Letztere ist
oben durch Eisenplatten abgedeckt, welche sich genau um die einzelnen
Heizrohre herum legen und auf angegossenen Vorsprüngen an den
Rohren aufruhen, während die Krümmer sich oberhalb derselben be-
finden. Die Gase kommen von unten in die Kammer, steigen empor
und entweichen oben durch Schlitze in den Seitenwänden nach abwärts
führenden Essenkanälen.


Ledebur, Handbuch. 27
[418]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.

Die Erwartungen, welche man auf die Anwendung hängender
Röhrenapparate setzte, haben sich nicht erfüllt. Das frei hängende Rohr
wird durch sein eigenes Gewicht auf Zerreissungsfestigkeit in Anspruch
genommen, welcher es geringeren Widerstand entgegensetzt als der
rückwirkenden Festigkeit; ist einmal ein Riss entstanden, so erweitert
sich derselbe zusehends, während er bei stehenden Apparaten durch
das Gewicht des oberen Rohrstückes zusammengedrückt wird und unter
Umständen längere Zeit bestehen kann, ohne dass ein erheblicher Nach-
theil dadurch hervorgerufen wird. Mit den liegenden Apparaten theilen
die hängenden den Nachtheil, dass die Krümmer ausserhalb des Feuers
liegen, also ein verhältnissmässig grosser Theil des gesammten Guss-
eisengewichtes für den eigentlichen Zweck des Apparates unbenutzt
bleibt; und die Wärmeausnutzung ist, wie sich leicht erkennen lässt,
mindestens nicht günstiger als in stehenden.


Aus diesen Gründen sind die Hängeapparate in der Jetztzeit ziem-
lich vollständig wieder verschwunden, nachdem sie im Laufe der sech-
ziger und noch bis gegen die Mitte der siebziger Jahre nicht selten
benutzt wurden.


Die steinernen Winderhitzer oder Kammerapparate.

Die allgemeine Einrichtung dieser Apparate wurde schon auf S. 405
besprochen. Der Umstand, dass ein Theil der gesammten in einer der
Kammern aufgespeicherten Wärme das Mittel zur Erhitzung des Windes
bildet, erklärt es, dass, je längere Zeit der Wind hindurch geht und
je kleiner der Inhalt der Kammer ist, um so mehr die Temperatur des
austretenden Windes sich verringern wird; es muss deshalb zur Ver-
meidung erheblicher Temperaturschwankungen um so öfter mit den
Apparaten gewechselt werden, je kleiner sie sind.


Unter der Voraussetzung, dass die inneren Theile der Kammer
gleich stark erhitzt sind, lässt sich ohne Schwierigkeit die Abkühlung
berechnen, welche der Wind innerhalb eines gewissen Zeitraumes erfährt.
So z. B. enthielt nach Gruner1) ein derartiger Apparat, welcher dazu
bestimmt war, 180 cbm Luft per Minute oder 10800 cbm = 13390 kg
Luft per Stunde zu erhitzen, 134 cbm = 241000 kg feuerfeste Ziegeln.
Soll der Wind auf 800 Grad Celsius erwärmt werden, so sind dafür,
sofern man die specifische Wärme der gewöhnlichen, etwas feuchten
Luft = 0.239 annimmt, 13390 × 800 × 0.239 = 2557490 W.-E.
erforderlich, welche von den Ziegeln abgegeben werden müssen. Bei
einer specifischen Wärme der heissen Ziegeln = 0.23 würde mithin
die Abkühlung derselben sein:
.


In Wirklichkeit jedoch ist der Vorgang noch etwas anders. An
der Stelle, wo die Gase in den Apparat eintreten und verbrennen, wer-
den die Ziegeln stärker erhitzt sein, d. h. mehr Wärme aufgenommen
haben als da, wo die Gase den Apparat verlassen; den zu erhitzen-
[419]Die steinernen Winderhitzer oder Kammerapparate.
den Wind aber führt man in allen Fällen an der am wenig-
sten heissen Stelle, also da, wo die Gase austreten, ein und
lässt ihn den entgegengesetzten Weg als diese nehmen
. An
der Eintrittsstelle des Windes werden demnach die Ziegeln auf eine
niedrige Temperatur abgekühlt werden, während sie an dem entgegen-
gesetzten Ende, wo sie nur mit dem schon hoch erhitzten Winde in
Berührung kommen, verhältnissmässig wenig Wärme abgeben.


Es ist jedoch leicht zu ermessen, dass für die Leistung eines Appa-
rates nicht allein der räumliche Inhalt der in demselben angeordneten,
als Wärmesammler dienenden feuerfesten Ziegeln maassgebend ist, son-
dern dass auch die von den letzteren dargebotene Oberfläche eine sehr
wesentliche Rolle hierbei spielt. Denn immerhin wird an der Ober-
fläche der Ziegeln die stärkste Erhitzung stattfinden und je weiter
irgend eine Stelle von derselben entfernt ist, desto weniger hoch wird
sie erhitzt werden und desto langsamer wird sie ihre Wärme abgeben.
Die in den Kammerapparaten zur Erhitzung einer bestimmten Wind-
menge erforderliche Heizfläche muss entschieden beträchtlicher ausfallen
als bei den eisernen Röhrenapparaten, theils, weil ja nur die Hälfte der
in den zu einander gehörigen Apparaten überhaupt vorhandenen Heiz-
fläche innerhalb eines und desselben Zeitraumes zur Wärmeabgabe
benutzt werden kann, die andere Hälfte aber inzwischen erhitzt wird,
theils auch, weil man die Kammerapparate überhaupt nur dann anzu-
wenden pflegt, wenn eine stärkere Erhitzung beabsichtigt ist, als sich
in den Röhrenapparaten erreichen lässt. Man giebt daher per Cubik-
meter Wind in der Minute den zusammengehörigen Apparaten eine
Gesammtheizfläche von mindestens 10 Quadratmeter, mitunter 20 qm
und darüber.


Die Geschwindigkeit des durch den Apparat hindurchgehenden
Windes ist in allen Fällen erheblich geringer als bei den eisernen
Röhrenapparaten, ein Umstand, welcher schon durch die grösseren
Reibungswiderstände geboten ist. Bei den meisten hierher gehörigen
Apparaten dürfte die Geschwindigkeit des kalten Windes 1.5 bis höch-
stens 2 m per Secunde, des erhitzten Windes 5—8 m betragen.


Sämmtliche Apparate sind äusserlich durch einen luftdicht genieteten
Mantel aus Eisenblech umgeben, ohne welchen es nicht möglich sein
würde, beträchtliche Windverluste zu vermeiden. Da sich in den Zügen
regelmässig Staub ablagert, welcher von den Gichtgasen mitgeführt
wurde, auch wenn dieselben einer noch so sorgfältigen Reinigung unter-
zogen wurden, so sind Vorrichtungen unentbehrlich, durch welche von
Zeit zu Zeit eine Reinigung der Apparate vorgenommen werden kann.


Als Material für die Aufnahme der von den verbrennenden Gasen
entwickelten Wärme dienen ausschliesslich feuerfeste Ziegeln, mit denen
die Apparate in geeigneter Weise ausgesetzt und aus denen die von
den Gasen durchströmten Kanäle gebildet sind. Dieselben gewähren
den Vortheil, dass sie auch in hoher Temperatur wenig verändert wer-
den und deshalb lange benutzbar bleiben; und dass sie eine ziemlich
bedeutende specifische Wärme besitzen (Gruner fand dieselbe in
höheren Temperaturen = 0.23—0.26), mithin auch fähig sind, ent-
sprechend grosse Wärmemengen aufzunehmen und wieder abzugeben,
bevor erhebliche Aenderungen der Temperatur eintreten.


27*
[420]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.

Aus der Wirkungsart der steinernen Apparate folgt von selbst, dass
in jedem Falle mindestens zwei solcher sich gegenseitig ergänzender
Apparate erforderlich sind; und sofern die Grösse derselben mit der
Menge des zu erhitzenden Windes im Einklange steht, würden die-
selben allerdings ausreichend sein, auch den für einen grossen Hoch-
ofen erforderlichen Wind zu erhitzen. Immerhin aber ist bei der An-
lage auf den schon erwähnten Umstand Rücksicht zu nehmen, dass nicht
allein von Zeit zu Zeit Reparaturen erforderlich werden können, sondern
dass auch innerhalb gewisser Zeiträume eine Reinigung von angesetztem
Gichtstaube nothwendig wird, für welche die Apparate mindestens einige
Tage hindurch der Benutzung entzogen werden müssen. Aus diesen
Gründen empfiehlt es sich, für den einzelnen Hochofen drei solcher
Apparate, für zwei Hochöfen fünf, u. s. f. anzuordnen, so dass minde-
stens ein Apparat in jedem Falle als Reserve bereit steht.


Beispiele ausgeführter steinerner Apparate.

Cowperapparat. Schon im Jahre 1860, also ziemlich gleich-
zeitig mit der Einführung des Siemens’schen Feuerungssystems (S. 116)
wurde von Cowper ein auf denselben Grundsätzen beruhender Wind-
erhitzungsapparat auf der Ormesbyhütte in Cleveland gebaut, welcher
durch directe Feuerung geheizt wurde. Später ging man dazu über,
Gichtgase für die Heizung dieser Apparate zu benutzen; und die bald
gemachte Erfahrung, dass die in denselben erreichbaren höheren Tempe-
raturen sich als besonders förderlich bei Graueisendarstellung oder Spiegel-
eisendarstellung erwiesen, gaben auch deutschen Eisenwerken mehrfach
Veranlassung, solche Apparate einzuführen.


Die Cowperapparate der ersten Jahre litten jedoch an verschiede-
nen erheblichen Mängeln. Die zur Aufnahme der Wärme bestimmten
Ziegeln waren in gleicher Weise als in den Regeneratoren der Sie-
mens
’schen Oefen gruppirt; eine Reinigung derselben von aussen war
unmöglich und die sämmtlichen Steine mussten bei den häufig erfor-
derlichen Reinigungen aus dem Heizraume entfernt werden. Die an
den verschiedenen Zu- und Ausgangsrohren angebrachten Schieber oder
Ventile aber wurden infolge der starken Erhitzung und der Ablage-
rung von Gichtstaub bald undicht und versagten den Dienst. So kam
es, dass man, wenigstens auf dem Continente, mehrere Jahre hindurch
die bereits eingeführten Cowperapparate wieder kaltlegte und zu den
eisernen Apparaten zurückkehrte.


Erst seit dem Jahre 1870 gelang es Cowper im Vereine mit
Siemens, die erwähnten Mängel durch geänderte Anordnung der Züge
und Absperrvorrichtungen zu beseitigen und seinem Apparate dadurch
eine ausgedehntere Anwendung als bisher zu verschaffen. Fig. 130
zeigt die Einrichtung eines solchen neueren Cowperapparates.


Derselbe hat cylindrische Form und endigt oben in einer Kuppel.
Die zum Heizen bestimmten Hochofengase treten durch den Stutzen a
ein, gelangen in die senkrecht aufsteigende, aus feuerfesten Ziegeln
schachtartig gemauerte Röhre c, werden hier mit Luft gemischt, welche
durch die mit Verschlussvorrichtung versehene Oeffnung b zuströmt
und steigen im Schachte c aufwärts. Der ganze übrige innere Raum d
[421]Cowper’s Winderhitzer.
der Kammer ausserhalb c ist, wie
die Abbildung erkennen lässt, aus-
gefüllt mit zahlreichen (800—900)
senkrecht gerichteten Kanälen oder
Schächten, deren Wände aus ca.
60 mm breiten feuerfesten Ziegeln
bestehen und deren lichte Weite
120—180 mm zu betragen pflegt.
Unten ruhen diese Schächte auf
einem Gitter, welches von Guss-
eisenstützen getragen wird. Solcher-
art entsteht unterhalb der Schächte
ein freier Raum e, in welchen bei
der Reinigung des Apparates der
Staub hinabfällt und welcher von
aussen durch Mannlöcher f zu-
gänglich ist.


Die Verbrennungsgase, nach-
dem sie das Rohr c verlassen
haben, wenden sich abwärts, ver-
theilen sich in den einzelnen Ka-
nälen d und gelangen schliess-
lich, nachdem sie entsprechend
abgekühlt worden sind, durch den
Raum e in den Essenkanal g.


Ist der Apparat ausreichend
erhitzt, so wird das Essenventil,
der Gasschieber in der Verlänge-
rung des Rohres a und die Zu-
flussöffnung für die Luft (bei b)
geschlossen, die Eintrittsöffnung
für den kalten Wind dagegen,
welche dicht neben der Austritts-
öffnung g für die Gase liegt und
in der Abbildung nicht sichtbar
ist, und die bei h angeordnete
Austrittsöffnung für den heissen
Wind geöffnet. Der Wind nimmt
nunmehr den entgegengesetzten
Weg als vorhin die Gase und ge-
langt durch h in die Leitung nach
dem Hochofen.


Zur Ermöglichung der Reini-
gung des Apparates ist im Scheitel
ein Mannloch i angebracht, welches
während des Betriebes durch einen
eingesetzten Stein verschlossen ge-
halten wird. Der Apparat wird
kalt gelegt, nach Verlauf von drei
Tagen steigt ein Arbeiter hinein

Figure 91. Fig. 130.


[422]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.
und reinigt mit Hilfe eines gleichen Verfahrens, als es der Essenkehrer
zum Reinigen der sogenannten russischen Röhren benutzt 1), nach ein-
ander die verschiedenen Schächte. Der abgekehrte Staub wird dann in
der schon erwähnten Weise aus dem Apparate entfernt.


Beim Anheizen eines zuvor kalten Apparates wird durch die Oeff-
nung b ein Korb mit glühenden Koks in den Raum c geschoben, so
dass die Gase sofort bei ihrem Eintritte auf diese treffen und ver-
brannt werden. Ist der Apparat einmal erhitzt, so bleibt der untere
Theil des Raumes c heiss genug, um die Entzündung der nach dem
Umsteuern frisch zutretenden Gase zu veranlassen.


Die neueren Cowperapparate besitzen eine Höhe von 18 m bei
6.5 m äusserem Durchmesser; das Rohr c ist 13 m hoch und 1.5 m
weit. Die Heizfläche eines derartigen Apparates beträgt 4800 qm.


Die Heizgase und der Gebläsewind werden innerhalb der Cowper-
apparate auf einen verhältnissmässig grossen Querschnitt vertheilt; ihre
Bewegungsgeschwindigkeit sowohl als die zu überwindenden Wider-
stände sind demnach nicht sehr bedeutend. Durch die Vertheilung der
Gase in zahlreiche Schächte aber wird eine sehr grosse Heizfläche ge-
wonnen. Jene langsame Bewegung und die beträchtliche Grösse der
Heizfläche bilden die wichtigsten zu Gunsten der Cowperapparate
sprechenden Eigenthümlichkeiten derselben.


Mat hat wohl versucht, die Heizfläche dieser Apparate noch ferner-
hin zu vergrössern, indem man statt der vollen Umfassungswände der
einzelnen Schächte durchbrochene anwendete. Dadurch verringert sich
aber das Gewicht der erforderlichen Ziegeln, welches doch immerhin
für die Wirkung des Apparates von Einfluss ist; die Oeffnungen setzen
sich bald voll Staub, und die Reinigung wird erheblich schwieriger.


Je mehr Staub aber die Gase noch mit sich führen, desto rascher
werden bei allen Cowperapparaten die verhältnissmässig engen Kanäle
verstopft werden, desto öfter wird eine Reinigung sich nothwendig
machen, desto mehr werden die Cowperapparate an Zweckmässigkeit
verlieren. Durchschnittlich setzen die Gase derjenigen Hochöfen den
meisten Staub ab, deren Schlacken am reichsten an Kalkerde sind.
Hierin liegt wohl zum Theile die Ursache, dass in Grossbritannien,
wo die chemische Zusammensetzung der als Eisenerze vorzugsweise
benutzten thonigen Sphärosiderite einen geringeren Kalkerdegehalt der
Schlacken erforderlich macht als bei vielen deutschen Eisenwerken,
die Cowperapparate häufigere Anwendung gefunden haben als hier, wo
sie nur vereinzelt in Anwendung sind.


Whitwellapparat. Die Einrichtung dieses von Thomas Whit-
well
in Stockton-on-Tees construirten Apparates wurde durch die grossen
Schwierigkeiten hervorgerufen, welche die Reinigung der älteren Cowper-
apparate verursachte. Während aber Cowper diese Schwierigkeiten
abminderte, indem er die Gase, statt durch gitterförmig angeordnete
Ziegeln, durch zahlreiche senkrecht stehende, an und für sich ziemlich
enge, aber einen grossen Gesammtquerschnitt darbietende, von oben her
zu reinigende Kanäle gleichzeitig hindurchströmen liess, erreichte
[423]Whitwell’s Winderhitzer.
Whitwell das nämliche Ziel, indem er die Gase in einem einzigen
verschiedentlich gewundenen und von aussen zugänglichen breiten
Kanale durch den Apparat hindurchführte. In der Wirkung des Appa-
rates treten dadurch erhebliche Verschiedenheiten gegenüber der Wir-
kung des Cowperappa-
rates ein, wie unten
ausführlicher bespro-
chen werden wird.


Die ersten Whit-
wellapparate wurden
1869 gebaut; auf dem
Continente fanden sie
vorzugsweise seit 1873
Eingang, nachdem die
Weltausstellung zu
Wien Gelegenheit ge-
boten hatte, die Be-
kanntschaft mit der Ein-
richtung derselben und
mit den erlangten Be-
triebsergebnissen in
weiteren Kreisen zu
verbreiten.


Ein älterer Whit-
wellapparat, wie diesel-
ben bis zum Jahre 1876
in zahlreichen Exem-
plaren gebaut wurden
und noch heute ver-
schiedentlich in Be-
nutzung sind, ist in
Fig. 131 und 132 in 1/150
der wirklichen Grösse
abgebildet. Die zum
Heizen bestimmten Gase
treten aus dem Kanale
B durch das Ventil C
in den Apparat und
werden hier durch Zu-
führung atmosphäri-
scher Luft verbrannt,
welche durch die ver-
schliessbare Oeffnung
i (Fig. 132) zunächst
in Kanäle innerhalb

Figure 92. Fig. 131.


Figure 93. Fig. 132.


des Mauerwerkes gelangt, um hier vorgewärmt zu werden, und dann
erst durch horizontale Oeffnungen in den Apparat selbst eintritt. Wie
Fig. 131 erkennen lässt, ist auch in der vierten Scheidewand a eine
abermalige Luftzuführung angeordnet.


Durch die Scheidewände a a .., welche abwechselnd oben und unten
[424]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.
mit Durchgangsöffnungen versehen sind, werden nun die Gase ge-
zwungen, schlangenförmig auf- und abwärts zu ziehen, um schliesslich
durch das Ventil D nach dem Essenkanale E zu entweichen. Drei
parallele Querwände b b dienen theils dazu, den Wänden a eine grössere
Haltbarkeit zu verleihen, theils auch, die Heizfläche zu vergrössern.
Durch Oeffnungen in diesen Querwänden, welche in Fig. 131 sichtbar
sind, stehen die einzelnen Abtheilungen mit einander in Verbindung.


Nach erfolgter Erhitzung des Apparates werden die Gasventile
geschlossen und der kalte Wind durch das an der Rückseite von D
befindliche, mit Schieber versehene Rohr zugeleitet. Nachdem derselbe
in entgegengesetzter Richtung, als zuvor die Gase, den Apparat durch-
strömt hat, tritt er durch das Ventil F aus, um dem Hochofen zuge-
führt zu werden.


Die Reinigung des Apparates von angesetztem Staube geschieht
durch die in der Decke angebrachten Verschlüsse e e; der von den
Wänden abgekehrte Staub sammelt sich am Boden und wird von hier
durch die Verschlüsse e1e1 (Fig. 132) entfernt.


Whitwellapparaten der abgebildeten Art pflegte man bis gegen die
Mitte der siebziger Jahre 6.7 m äusseren Durchmesser bei 8—9 m Höhe
zu geben. Die Stärke der Scheidewände in diesen älteren Apparaten
beträgt ca. 0.22 m mit Ausnahme der ersten, welche 0.33 m stark ist;
der Querschnitt der Kanäle an derjenigen Seite, wo die Verbrennung
stattfindet, beziehentlich wo der heisse Wind austritt, etwa 2.50 qm, an
der gegenüber liegenden kälteren Seite 0.8—0.9 qm. Ein solcher Apparat
besitzt eine Heizfläche von ungefähr 800 qm.


Später steigerte man die Höhe dieser Apparate, ohne den Durch-
messer wesentlich zu ändern, bis auf 18 m und vergrösserte dadurch
die Heizfläche auf 1500—1600 qm.


Vergleicht man diese Ziffern mit den oben bezüglich der Cowper-
apparate mitgetheilten, so zeigt sich, dass letztere bei annähernd gleicher
Höhe und gleichem Durchmesser etwa die dreifache Heizfläche als die
bisher besprochenen Whitwellapparate besitzen. Die zahlreichen Krüm-
mungen aber, welche die Heizgase wie der Gebläsewind innerhalb der
älteren Whitwellapparate zurückzulegen haben, erschweren deren Be-
wegung, machen also, wie die Erfahrung genugsam gelehrt hat, die
Anwendung kräftig saugender, hoher und weiter Essen 1) nothwendig,
um die Gase mit der für eine kräftige Erhitzung des Apparates erfor-
derlichen Geschwindigkeit hindurchzuführen, und verringern erheblich
die Pressung des Gebläsewindes.


Zur Abminderung dieses Uebelstandes, welcher unter ungünstigen
Verhältnissen die Brauchbarkeit des Apparates vollständig in Frage stellen
kann, gab William Whitwell (nach dem Tode Thomas Whitwell’s)
den Apparaten die in Fig. 133 und 134 abgebildete Form. Die aus e
kommenden Gase steigen zunächst in dem weiten Kanale A, in dessen
unterem Theile sie mit Luft gemischt werden, auf, vertheilen sich
[425]Whitwell’s Winderhitzer.

Figure 94. Fig. 133 und 134.


[figure]

[426]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.
dann in die drei abwärts führenden Züge B B1B2, vereinigen sich
unten wieder, um in dem breiteren Kanale C empor zu steigen und
wenden sich oberhalb desselben abermals abwärts, um in sieben Zügen
D D1 .. nach dem Ausgangsventile F hin geführt zu werden. Die Ge-
bläseluft tritt bei G in den Apparat und entweicht an der gegenüber-
liegenden Seite durch das Rohr H. Zugleich wurde die Wandstärke
der Scheidewände gegen früher nicht unerheblich vermindert, so dass
die schwächeren nur eine Stärke von ca. 0.13 m erhielten, eine Aende-
rung, durch welche eine Vermehrung der Zahl derselben ohne Ver-
grösserung des Durchmessers des Apparates ermöglicht wurde.


An Stelle der neun Krümmungen, welche die Gase und Luft in
den älteren Apparaten zu überwinden hatten, sind in diesem ver-
besserten Apparate drei getreten, ein Umstand, welcher nicht ohne
grossen Nutzen für die Wirkung desselben bleiben kann; die Heiz-
fläche aber ist durch Einschaltung zahlreicherer Querwände (sieben statt
drei) nicht unerheblich vergrössert und beträgt bei einem Apparate von
der abgebildeten Grösse (6.7 m Durchmesser, 19.8 m Höhe) ungefähr
2400 qm.


In neuester Zeit hat man auf einigen englischen Werken noch
etwas höhere Whitwellapparate angewendet (20.7 m hoch), welche
2600 qm Heizfläche besitzen. Der neuere Whitwellapparat nähert sich
demnach in seiner Wirkungsweise dem Cowper’schen, wenn auch die
dargebotene Heizfläche noch erheblich geringer ist. Nicht ganz so
schwer, als es im ersten Augenblicke vielleicht erscheint, fällt jedoch
dieser letztere Umstand zu Ungunsten der Whitwellapparate ins Ge-
wicht. Man erwäge, dass bei allen Kammerapparaten von der Grösse
der Heizfläche bei gegebener Windmenge zunächst die Zahl der erfor-
derlichen Wechsel abhängig ist, wenn eine bestimmte Temperatur nicht
unterschritten werden soll; je grösser die zu erhitzende Windmenge
ist, desto öfter muss umgeschaltet werden. Thatsächlich lässt sich also
auch in einem Apparate mit geringerer Heizfläche, sofern letzterer Be-
dingung genügt wird, eine ebenso hohe und ebenso gleichmässige Tempe-
ratur als in einem Apparate mit grösserer Heizfläche erreichen, wenn
es auch selbstverständlich eine Grenze für die Grösse der Heizfläche
geben muss, unter welche man nicht hinabgehen kann, ohne die Mög-
lichkeit für die Erlangung bestimmter Temperaturen einzubüssen.


Bei den Whitwellapparaten neuerer Construction lassen sich 450 bis
500 cbm Wind per Minute auf eine Temperatur von ca. 700°C. erhitzen;
bei einstündigem Wechsel treten dabei Temperaturschwankungen von
50—60 Grad ein.


In Cowperapparaten von ungefähr derselben äusseren Form, aber
doppelt so grosser Heizfläche (S. 422) betragen unter übrigens gleichen
Verhältnissen die Temperaturschwankungen 33—55 Grad.


Eine andere Frage, von deren Beantwortung allerdings ebenfalls
die Zweckmässigkeit des einen oder andern Apparates abhängig ist,
betrifft die Ausnutzung der entwickelten Wärme, d. i. die Menge der
zur Erhitzung einer bestimmten Windmenge erforderlichen Gase. Um
zuverlässige Schlüsse hierüber zu erhalten, müsste man die Menge der
einem jeden Apparate in bestimmten Zeiträumen zugeführten Gase und
ihren Brennwerth ermitteln; derartige Untersuchungen scheinen in
[427]Whitwell’s Winderhitzer.
Rücksicht auf die Umständlichkeit derselben bislang nicht angestellt
worden zu sein. Es lässt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen,
dass in dieser Beziehung die Cowperapparate sich günstiger verhalten
werden.


Ein entschiedener Vortheil der neueren Whitwellapparate gegenüber
den letztgenannten beruht dagegen in der grösseren Leichtigkeit der
Reinigung, da die Kanäle breiter, erheblich geringer an Zahl und von
aussen her zugänglich
sind. Während bei den Cowperapparaten
ein Arbeiter in die Kammer selbst einsteigen muss, und selbstverständ-
lich dieses nur möglich ist, nachdem dieselbe annähernd vollständig
erkaltete, werden die Whitwellapparate von aussen gereinigt. Wie
schon erwähnt, gewinnt dieser Umstand um so mehr an Wichtigkeit,
je grösser die von den Gasen mitgeführten Staubmengen sind, je öfter
also eine Reinigung stattfinden muss. Die Abbildung Fig. 133 lässt
die ziemlich einfache Vorrichtung zur Ausführung der Reinigung er-
kennen. Der von den Wänden abgestossene Staub wird, wie gewöhn-
lich, durch die Mannlochöffnungen i i .. (Fig. 134) entfernt. Durch die
an der gegenüberliegenden Seite angebrachten, mit Verschlussvorrichtung
versehenen Oeffnungen h h wird während des Heizens des Apparates die
Verbrennungsluft angesaugt. Dieselbe wird in Kanälen, welche theils
in der Sohle, theils in der ersten und vierten Scheidewand angeordnet
sind, vorgewärmt, um dann zunächst in dem Kanale A, später noch-
mals in C mit dem Gase vermischt zu werden. Die Abbildungen zeigen
deutlich die Anordnung der Luftkanäle.


Wie durch die verschiedene Schraffirung in den beiden Abbildungen
angedeutet ist, pflegt man für die Ausmauerung der Whitwell- wie
auch der sonstigen steinernen Apparate feuerfeste Ziegeln verschiedener
Qualität anzuwenden, an den der Erhitzung am meisten ausgesetzten
Stellen erste Qualität, an den weniger heissen Stellen zweite Qualität
zu benutzen. Zwischen Blechmantel und Mauerwerk muss auch bei
diesen Apparaten wie in allen ähnlichen Fällen ein Zwischenraum
bleiben, der mit lockerem Sande oder dergleichen ausgefüllt werden
kann, damit nicht bei der Ausdehnung des Mauerwerkes Beschädigungen
eintreten.


Unter allen steinernen Winderhitzungsapparaten ist der Whitwell-
apparat der am meisten verbreitete, und er dankt diesen Umstand vor-
nehmlich, wie schon erwähnt wurde, der verhältnissmässig grossen
Leichtigkeit, mit welcher seine Reinigung zu bewirken ist. Eben hieraus
folgt aber, dass Aenderungen des Whitwellapparates, welche die Heiz-
fläche zu vergrössern streben, jedoch auf Kosten jener Leichtigkeit der
Reinigung, kaum einen besondern Erfolg haben werden. 1)


Massicks und Crooke’s Apparat. Diese erst seit 1881 in
die Praxis eingeführte und bis jetzt nur vereinzelt angewendete Con-
struction soll den Vortheil des Whitwellapparates, die Leichtigkeit der
Reinigung, mit dem Vortheile des Cowperapparates, geringe Wider-
[428]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.
stände, vereinigen. Die Züge für Gas und Gebläsewind sind ringförmig
concentrisch um einander angeordnet und durch radiale Wände, welche
zugleich die Heizfläche vergrössern, abgesteift. Die zur Heizung be-
stimmten Gase treten zunächst in die mittleren, unter einander ver-
bundenen Kanäle, steigen hier empor, gelangen am Scheitel des Appa-
rates in die äusseren, ebenfalls unter einander verbundenen Kanäle, um
in denselben abwärts zu ziehen und dann nach der Esse zu entweichen.
Nach dem Umschalten nimmt der Wind, wie bei allen derartigen Appa-
raten, den entgegengesetzten Weg. Es ist demnach nur eine einzige
Krümmung nothwendig, wodurch zweifellos die Bewegung erleichtert wird.


Die Abmessungen der bisher erbauten Massicks-Crooke-
Apparate sind etwas geringer als diejenigen der neueren Whitwell- und
Cowperapparate, 5.5 m äusserer Durchmesser bei 15.25 m Höhe. Eine
solche Kammer besitzt 1440 qm Heizfläche.


Schon bei den älteren Cowperapparaten hatte man den Schacht für
Gasführung in die Mitte der Kammer statt wie jetzt (vergl. Fig. 130)
an die Seite gelegt. Es zeigte sich jedoch, dass die Gase nach ihrem
Austreten aus dem mittleren Schachte sich nicht gleichmässig in die
abwärts führenden Kanäle vertheilten, sondern, wie leicht erklärlich ist,
vorzugsweise die Richtung nach derjenigen Seite hin nahmen, an welcher
sie schliesslich aus dem Apparate austraten. Es ist zu erwarten, dass
auch bei den Massicks-Crooke-Apparaten sich eine ähnliche Ungleich-
mässigkeit in der Bewegung der Gase ergeben wird, welche die Aus-
nutzung der Wärme benachtheiligt.


Die Ventile der steinernen Winderhitzer.

Seit der ersten Anwendung der in Vorstehendem besprochenen,
auf dem Wechsel der Zuleitung von Gas und Gebläsewind beruhenden
Winderwärmungsapparate machte sich in nicht geringem Maasse die
Schwierigkeit geltend, Verschlussvorrichtungen für die abwechselnd ausser
Benutzung tretenden Zu- und Ableitungsöffnungen anzubringen, welche,
ohne undicht oder gar durch die starke Erhitzung zerstört zu werden,
doch eine verhältnissmässig leichte Handhabung ermöglichen, eine Auf-
gabe, deren Lösung theils durch die hohe und wechselnde Temperatur,
theils durch die Ablagerungen von Staub an den Dichtungsflächen
erschwert wird. Bei dem ziemlich bedeutenden Umfange, welchen die
Querschnitte der betreffenden Oeffnungen besitzen, und der starken
Pressung, mit welcher bei grösseren Hochöfen der Wind durch die
Kammer hindurchzieht, hat jede an und für sich nicht einmal sehr
erhebliche Undichtigkeit in dem Verschlusse jener Oeffnungen einen
bedeutenden Windverlust zur Folge; und der ziemlich geringe Erfolg,
welchen die früheren Cowperapparate im Laufe der sechziger Jahre
fanden, beruhte wenigstens zum Theil auch auf der Mangelhaftigkeit
jener Verschlüsse, welche sich bald verzogen und dermaassen undicht
wurden, dass wegen allzu bedeutender Windverluste die Apparate wieder
ausser Thätigkeit gesetzt werden mussten.


Am einfachsten offenbar kann die Einrichtung zur Absperrung
des kalten Windes sein. Ein gut gearbeiteter Schieber vermag hier den
Zweck zu erfüllen.


In dem Heisswindrohre dagegen würde ein Schieber sehr bald sich
[429]Die Ventile der steinernen Winderhitzer oder Kammerapparate.
verziehen und nicht mehr zu bewegen sein. Ein Tellerventil ist an
dieser Stelle die am häufigsten benutzte Einrichtung. Das Ventil und
der eiserne ringförmige Ventilsitz sind sorgfältig zusammengearbeitet
und letzterer ist zum Auswechseln eingerichtet.


Bei den im Laufe der siebziger Jahre erbauten Apparaten, ins-
besondere den Whitwellapparaten, findet man vielfach wassergekühlte
Ventile. Das aus Eisenblech gefertigte Ventil hat linsenartige Gestalt,
ist hohl, und in der Ventilstange sind zwei in das Innere des Ventils
führende Röhren angebracht, an deren Enden Kautschukschläuche an-
geschlossen sind, um das kalte Wasser zu- und das erwärmte abzuleiten.
Durch eine Kurbel mit Getriebe und Zahnstange wird die Bewegung
des ausserdem mit Gegengewicht versehenen Ventils bewirkt. Auch der
gusseiserne Ventilsitz ist hohl und wird durch hindurchfliessendes Wasser
kühl erhalten. Bei den neuesten derartigen
Winderhitzungsapparaten hat man indess
diese immerhin etwas schwerfällige Ein-
richtung wieder beseitigt und einfache
sorgfältig gearbeitete Tellerventile der
oben erwähnten Art angewendet.


Auch für die Zu- und Auslassöffnun-
gen der Gasleitung pflegt man Ventile
zu benutzen; und zwar war für die der
Erhitzung vorzugsweise preisgegebenen
Zulassventile ebenfalls Wasserkühlung län-
gere Zeit in Gebrauch. Entschieden zweck-
mässiger hierfür ist eine von F. Burgers
in Gelsenkirchen eingerichtete, bereits
mehrfach erprobte Verschlussvorrichtung.
Fig. 135 und 136 zeigt ein derartiges Ein-
lassventil. Das aus Eisenblech gefertigte
Rohr a taucht mit seinem unteren Rande
in eine Wasserrinne und wird von drei
seitlich befestigten Rollen r r getragen,
eine Vorrichtung, durch welche eine
leicht auszuführende Drehung desselben
um seine Achse ermöglicht ist. Seitlich
ist an dem Rohre der Krümmer b be-
festigt, welcher mit dem ersteren gedreht
wird und dessen Mündung mit einem
glatt bearbeiteten Gusseisenringe ver-
sehen ist. An dem Mantel der Heizkam-
mer ist der gusseiserne Rahmen S be-
festigt. Soll das Gas in die Kammer ein-
treten, so dreht man das Rohr a soweit

Figure 95. Fig. 135.


Figure 96. Fig. 136.


herum, dass die Mündung des Krümmers k sich hart an S anlegt,
öffnet das in gewöhnlicher Weise construirte Tellerventil A, welches
durch Zahnstange und Getriebe bewegt wird 1), und regelt den Gas-
[430]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.
zufluss mit Hilfe der Drosselklappe d. Zum Zwecke der Umschaltung
dagegen, d. h. zur Absperrung des Gases dreht man das Rohr zur Seite
in die durch Fig. 136 dargestellte Lage, bringt durch Drehung des
Hebels e den Gusseisenteller c vor die Oeffnung des Rahmens S, welche
genau von demselben abgedeckt wird, und drückt ihn durch Anziehen
der Schraube i fest gegen den Rand derselben, so dass in wenigen
Secunden ein vollständig luftdichter Abschluss der Oeffnung hergestellt
ist. Der Arm e1 des Kniehebels greift dabei, um der Schraube den

Figure 97. Fig. 137.


Figure 98. Fig. 138.


erforderlichen Gegendruck zu verschaffen, mit seinem bügelartig um-
geschmiedeten Ende hinter eine angegossene Nase des Rahmens S.


Nicht minder leicht geht die Oeffnung des Verschlusses und die
Einschaltung der Leitung vor sich. Ein am Teller c angeschlossenes
Gegengewicht h erleichtert hierbei das Empordrehen desselben, nachdem
die Verschlussschraube gelöst wurde.


Der wesentliche Vortheil dieser Einrichtung liegt in dem Um-
stande, dass der Ventilteller A nur zur Absperrung des bereits ab-
gekühlten Gases dient und nicht, auch wie bei den früheren Einrichtungen,
das Austreten des heissen Windes verhindern soll, somit kalt bleibt
[431]Die Ventile der steinernen Winderhitzer oder Kammerapparate.
und von aussen her zugänglich ist, also gereinigt und nöthigenfalls
ausgewechselt werden kann, während die Oeffnung S durch eine
ausserordentlich einfache, leicht auswechselbare Vorrichtung dicht ab-
geschlossen ist.


Aehnlich ist die in Fig. 137 und 138 gezeichnete Anordnung des
Auslassventiles für das Gas nach der Esse. Die Auslassöffnung am
Mantel des Apparates ist auch hier mit dem Gusseisenrahmen G ver-
sehen, welcher, so lange der Wind durch die Kammer hindurchgeht,
durch den mit Bügel und Druckschraube versehenen Deckel S luft-
dicht geschlossen ist (Fig. 137), während beim Heizen der Kammer der
Rohrstutzen d, wie es in Fig. 138 gezeichnet ist, dagegen geschoben
und mit Hilfe von einem Paar Klammern fest angedrückt wird. Die
Bewegung des letzteren aber erfolgt in Rücksicht auf die beträchtlichere
Grösse desselben nicht, wie bei dem Zulassventile, durch Drehung, son-
dern durch Verschiebung des Gehäuses a in dem zu diesem Zwecke
oblongen Wasserverschlusse, auf dessen Rande das Gehäuse fahrbar
mit vier Rollen aufruht. Die Verschiebung wird mit Hilfe des Hebels f
bewirkt.


Durch das in Wasser eintauchende Glockenventil b, welches mit
Hilfe einer Kurbel und Seilrolle W bewegt wird, erfolgt der Verschluss
des Essenkanales während der Zeit, wo die Verbindung zwischen dem-
selben und dem Apparate gelöst ist, damit nicht kalte Luft eintrete und
den Essenzug in der andern Kammer schmälere. Die Drosselklappe D
kann zur Regulirung des Essenzuges benutzt werden.


Anlagekosten verschiedener Winderhitzer.

Die Eigenthümlichkeiten der verschiedenen in Vorstehendem be-
sprochenen Systeme von Winderhitzern, ihre Vorzüge und ihre Nach-
theile hinsichtlich ihrer Benutzung, wurden bereits mit thunlichster
Ausführlichkeit geschildert, so dass es einer nochmaligen vergleichen-
den Zusammenstellung derselben kaum bedürfen wird.


Für die Zweckmässigkeit der Anlage irgend eines Apparates ist
jedoch die Höhe seiner Anlagekosten nicht ganz ohne Wichtigkeit.


Bei dem Vergleiche der Anlagekosten verschiedener Winderhitzungs-
apparate, insbesondere eiserner Apparate gegenüber den steinernen, wird
man immerhin Rücksicht auf den Umstand nehmen müssen, dass bei
der beschränkten Grösse, welche die erstgenannten besitzen, eine
grössere Zahl derselben erforderlich zu sein pflegt, um die Leistung
von einem Paar steinerner Apparate hinsichtlich der Menge des zu
erhitzenden Windes zu ersetzen; andererseits würde ein Vergleich der
Anlagekosten, bezogen auf die gleiche Heizfläche, eine Schlussfolgerung
über die Kostspieligkeit zweier verschiedener, für gleichen Zweck dienen-
der Apparate nicht zulassen, da, wie oben erwähnt wurde, die Grösse
der erforderlichen Heizfläche bei eisernen und bei steinernen Apparaten
eine sehr verschiedene ist.


Man wird also entweder die Anlagekosten der per Hochofen
erforderlichen Apparate einander gegenüber zu stellen haben, wobei
jedoch wiederum der verschiedene Windbedarf verschieden grosser
Hochöfen leicht zu Fehlschlüssen führen kann; oder, was jedenfalls am
[432]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.
zuverlässigsten ist, die Kosten der erforderlichen Heizfläche, um 1 Cubik-
meter Wind per Minute zu erhitzen. Aus einer derartigen von Fr. Lür-
mann
nach Ergebnissen der Praxis gefertigten Zusammenstellung1)
mögen folgende Ziffern hier Platz finden.


Es betrug bei Hochöfen mit einem Windbedarfe von 450 cbm
per Minute2):



Es ergiebt sich zunächst, dass die eisernen Apparate selbst bei
möglichster Beschränkung der Heizfläche (1.51 qm per cbm Wind) nicht
erheblich billiger sind, als steinerne, sofern man von den allerdings sehr
kostspieligen älteren Whitwellapparaten absieht; ja, dass sie als ver-
hältnissmässig theuer erscheinen müssen, sofern man berücksichtigt,
dass die in denselben erreichbare Windtemperatur um durchschnittlich
200°C. niedriger ist als in den steinernen Apparaten. Unter den ver-
schiedenen Systemen eiserner Apparate aber dürften diejenigen von
Gjers noch zu den billigsten zählen und für manche andere, ins-
besondere für liegende Apparate würde voraussichtlich ein noch un-
günstigeres Verhältniss sich ergeben. Ebenso fallen selbstverständlich
die Kosten entsprechend höher aus, wenn man — wie es für die Aus-
nutzung der Wärme und für die bessere Erhaltung der Apparate förder-
lich sein würde — den eisernen Winderhitzern eine grössere Heizfläche
giebt; die verschiedenen Kostenbeträge für die drei als Beispiele be-
nutzten eisernen Apparate mit 1.5, 2.1 und 3 qm Heizfläche per cbm
Wind veranschaulichen deutlich diesen Unterschied.


Auch die Reparaturkosten werden bei eisernen Apparaten in Rück-
sicht auf die von Zeit zu Zeit nothwendige Auswechselung verbrannter
Röhren mindestens nicht geringer sein als in steinernen.


Unter den steinernen Apparaten sind diejenigen von Cowper die
[433]Die Windleitung und Windvertheilung.
in der Anlage kostspieligsten, Massicks und Crooke’s Apparate,
welche die geringste Heizfläche besitzen, die billigsten. Eben die ge-
ringe Heizfläche lässt aber Sparsamkeit in der Benutzung des Brenn-
stoffs bei den letztgenannten Apparaten schwerlich erwarten.


Das Verhältniss in den Preisen der Cowperapparate zu denen der
neueren Whitwellapparate stellt sich in Wirklichkeit etwas günstiger
als in der obigen Tabelle, wenn man berücksichtigt, dass für einen
Hochofen nur 2.5 Whitwellapparate, dagegen 3 Cowperapparate in
Ansatz gebracht worden sind, während für zwei Hochöfen voraussicht-
lich ebenfalls nur 2.5 Cowperapparate ausgereicht haben würden. Es
ermässigt sich dann der Preis der letzteren per Hochofen auf 100000 ℳ,
per cbm Wind auf 222 ℳ.


Es lässt sich den mitgetheilten Verhältnissen zufolge erwarten, dass
selbst da, wo jene in den steinernen Apparaten erreichbaren hohen
Windtemperaturen nicht erforderlich sind — bei Darstellung gewöhn-
lichen Weisseisens, beim Betriebe mit Holzkohlen — doch die letzteren
in einer der benöthigten Windtemperatur entsprechenden Anordnung
berufen sein werden, die eisernen Apparate mehr und mehr zu ver-
drängen. Je mehr es gelingt, die Reinigung der Apparate zu erleichtern,
desto mehr werden sie sich auch auf solchen Hochofenwerken ein-
bürgern, wo der grössere Staubgehalt der Gichtgase oder die chemische
Zusammensetzung dieses Gichtstaubes (z. B. ein Zinkgehalt derselben)
noch ein Bedenken gegen ihre Einführung bildete.


4. Die Windleitung und Windvertheilung.


Man benutzt Eisenblechröhren, seltener Gusseisenröhren, welche in
geeigneter Weise unter einander verbunden sind. Je grösser der Durch-
messer derselben ist, desto geringer sind die Pressungsverluste, welche
der Wind infolge der Reibung erleidet, aber desto höher die Her-
stellungskosten. Nach Hauer soll die Geschwindigkeit des Windes in
den Leitungsröhren 10—15 m per Secunde betragen, woraus sich dann
leicht für eine gegebene Windmenge der Querschnitt der Röhren für
den kalten Wind berechnen lässt. Für die Heisswindleitung ist die be-
deutende Volumenvergrösserung (vw = (1 + 0.00366 t) v) des Windes
durch Erhitzung gebührend zu berücksichtigen.


Bei Anordnung der Heisswindleitung muss Vorsorge getroffen
werden, dass der Wind nicht durch Abkühlung von aussen einen grossen
Theil seiner Wärme verliere. Windleitungen für Hochöfen mit eisernen
Erhitzungsapparaten, in denen also der Wind nicht über 500°, selten
erheblich über 400° erhitzt wird, umhüllt man aussen mit schlechten
Wärmeleitern in derselben Weise wie es bei Dampfleitungen üblich ist.
Schlackenwolle, Lehm oder ähnliche Körper werden als Packungsmate-
rial benutzt und äusserlich durch umgelegtes Blech, getheerte Pappe
und dergleichen und umgewickelten Bindedraht festgehalten.


Eiserne Röhren dagegen, in welchen stärker erhitzter Wind fort-
geleitet werden soll, werden, damit sie nicht selbst durch die gleich-
zeitige Einwirkung der Hitze und des Sauerstoffs zerstört werden, im
Ledebur, Handbuch. 28
[434]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.
Innern mit einer dicken Lage feuerfesten Materiales ausgekleidet. Die
Auskleidung kann durch Ausmauern mit feuerfesten Steinen oder auch
durch Ausstampfen mit feuerfester Masse bewerkstelligt werden.


Nicht mindere Rücksicht aber ist bei längeren Leitungen auf den
Umstand zu nehmen, dass die Leitungsröhren für den heissen Wind
bei der Erhitzung sich ausdehnen, ihre Länge vergrössern, und bei ein-
tretender Erkaltung sich wieder zusammenziehen. Für je 100 Grad C.
beträgt die Längenausdehnung des Eisens 0.00111; eine Leitung von
10 m Länge verlängert sich demnach bei der Erhitzung auf 400 Grad
um 4.5 cm. Um hierbei Brüche zu verhüten, müssen Vorkehrungen
getroffen werden, um der Leitung eine gewisse Beweglichkeit zu
sichern.


Solche in die Leitung eingeschaltete, eine Verlängerung und Ver-
kürzung ermöglichenden Vorrichtungen heissen Compensatoren.


Die einfachste Einrichtung eines Compensators zeigt die Abbildung
Fig. 139 (Scheibencompensator). An die Leitungsrohre sind die beiden

Figure 99. Fig. 139.


Rohrstutzen a und b befestigt, deren Enden über
einander greifen und sich um ein gewisses Maass
in einander verschieben lassen. Damit hierbei
keine Klemmung entstehe, ist der äussere Durch-
messer des Rohrstutzens b einige Millimeter
schwächer gehalten als der innere Durchmesser
des Endes von a. Aus gut federndem Eisen-
blech von 2—3 mm Stärke sind zwei kreisrunde
Scheiben von grossem Durchmesser an a und b
befestigt, wie die Abbildung erkennen lässt, und
an ihrem äusseren Rande durch einen eingelegten
luftdicht vernieteten Metallring mit einander ver-
bunden. Dehnt sich die Leitung aus, so werden
die beiden Scheiben zusammengedrückt, um beim
Erkalten ihre ursprüngliche Stellung wieder ein-
zunehmen.


Eine andere Gattung dieser Vorrichtungen
nennt man Stopfbuchsencompensatoren.
Das Ende des einen Rohres ist abgedreht und
schiebt sich in dem mit Stopfbuchse versehenen
Ende des andern. Als Packungsmaterial für
die Stopfbuchse dient Asbest, da der sonst üb-
liche Hanf in der Temperatur des erhitzten Win-
des verkohlt werden würde.


So viel als irgend thunlich sucht man in-
dess die Zahl der erforderlichen Compensatoren durch Abkürzung der
Leitungen für den heissen Wind einzuschränken.


Ein ringförmig um den Hochofen herum laufendes Vertheilungs-
rohr nimmt schliesslich den Wind auf, um ihn durch Zweigröhren den
einzelnen Formen des Hochofens zuzuführen. Früher, so lange man
die Hochöfen mit Rauhgemäuer baute, pflegte man das Vertheilungs-
[435]Compensatoren. Düsenständer.
rohr vertieft in einen gemauerten Kanal zu legen und von hier den
Wind aufsteigen zu lassen; bei den modernen Hochöfen, deren Schacht
von Säulen getragen wird, zieht man es vor, das Vertheilungsrohr rings
um die Rast herum zu legen und den Wind abwärts zu führen. Die
ganze Anordnung wird dadurch übersichtlicher und leichter zugänglich.
Gewöhnlich lässt man das Rohr auf Consolen ruhen, welche an den
zum Tragen des Schachtes bestimmten Säulen angegossen oder ange-
schraubt sind (vergl. Fig. 81 auf S. 342). Da das Rohr bei der Er-
hitzung seinen Durchmesser vergrössert, ist auch hier eine gewisse
Beweglichkeit nothwendig, damit nicht etwa ein nachtheiliger Schub
auf die Säulen ausgeübt werde. Bei dem in Fig. 81 abgebildeten Hoch-
ofen ist dieser Zweck in sehr vollkommener Weise erreicht, indem man
das Rohr in Lagern ruhen lässt, die von eisernen, als Rollen wirken-
den Rundstäben getragen werden.


Aus dem Vertheilungsrohre gelangt der Wind durch den Düsen-
stock
oder Düsenständer zur Düse, d. h. zu dem Endstücke der
Leitung, aus welchem er in den Ofen eintritt.


Der Düsenstock besteht aus einer gegen die Düse zu horizontalen
Windleitung, welche durch ein Knie mit dem Vertheilungsrohre ver-
bunden ist.


Damit aber die Düse ohne Schwierigkeit eingesetzt und ausge-
wechselt, damit ihre Lage genau geregelt werden könne, lässt man den
Düsenständer aus mehreren Theilen bestehen, welche eine gewisse Ver-
schiebung unter einander gestatten.


Ausserdem ist es, wenn nicht unbedingt nothwendig, so doch räth-
lich, in jedem Düsenstocke eine besondere Absperrvorrichtung für den
Wind anzubringen, theils um erforderlichen Falles ohne weitere Um-
stände die eine oder andere Düse ausser Thätigkeit setzen zu können,
ausserdem auch, um beim Stillstand des Gebläses das Eintreten von
Kohlenoxydgas in den Düsenständer und die Bildung von Knallgas
durch Schliessen der erwähnten Vorrichtung zu verhüten. Der Um-
stand, dass der Düsenständer während des Blasens mit erhitzter Luft
angefüllt war, die bei längerem Stillstand sich mehr und mehr abkühlt,
ihr Volumen dabei verringernd und Gas aus dem Ofen nachsaugend,
giebt leicht Gelegenheit zu jener Knallgasbildung, die nicht selten schon
gefährliche Explosionen zur Folge gehabt hat.


Bei kleineren Oefen mit schwächerer Pressung dient hierzu eine
von Hand verstellbare Drosselklappe, welche geschlossen wird, sobald
man den Wind abstellen will; bei grösseren Hochöfen empfiehlt es
sich, an Stelle derselben oder, besser noch, ausser derselben eine be-
sondere Klappe in unmittelbarer Nähe der Düse anzubringen, welche
durch den Winddruck geöffnet wird und selbstthätig zufällt, sobald der
Windstrom aufhört, solcherart das Eintreten der Gase in die Leitung
verhindernd.


Je strengflüssiger die Schlacke, je niedriger die Temperatur im
Hochofen und je enger das Gestell ist, desto häufiger wird die Noth-
wendigkeit eintreten, Ansätze, die sich an den kälteren Formen gebildet
28*
[436]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.
hatten, zu entfernen, indem man einen Haken durch die Formöffnung
in den Ofen führt, nachdem die Düse zurückgezogen worden war.
Aus diesem Umstande erklärt es sich, dass man, wo jene Verhältnisse
eine häufige Reinigung der Formen nothwendig machen, also ins-
besondere bei Holzkohlenhochöfen, welche mit nur mässig erwärmtem
Winde und in engen Gestellen graues Roheisen darstellen, den Düsen-
ständern eine oft ziemlich complicirte Einrichtung giebt zu dem Zwecke,
die Düsen, auch ohne dass eine Abstellung des Windes nothwendig
wird, vor- und rückwärts bewegen zu können. Fig. 140 zeigt die Ein-
richtung eines solchen Düsenständers. a ist das Vertheilungsrohr, b das
Gehäuse für die Drosselklappe c. In das untere Ende von b ist das
Rohrstück f verschiebbar eingepasst zu dem Zwecke, die Höhenlage
des horizontalen Theiles des Düsenstocks veränderlich zu machen, je
nachdem die Formen etwas höher oder tiefer eingelegt sind. Mit Hilfe
der Schrauben e wird die Feststellung in der richtigen Höhe bewerk-

Figure 100. Fig. 140.


stelligt. Durch den Krümmer d tritt der Wind in das Rohr h, welches
in einer Führung des ersteren horizontal verschiebbar ist und sammt
der Düse nebst Zwischenstücken l und g zurückgeschoben wird, wenn
eine Reinigung der Form nothwendig ist. Die Verschiebung erfolgt
durch Drehung der Schraube k in der leicht zu ersehenden Art und Weise.
i ist ein Kugelgelenk, durch dessen Einschaltung die Düse eine gewisse
Beweglichkeit in verschiedenen Richtungen erhält; l l sind Federn,
welche mit Haken in Einschnitte an der Aussenfläche des Stückes h
eingreifen und dadurch die Düse in der gewählten Stellung festhalten.
g ist die Düse, n die Form. Bei m ist ein durch eine Kapsel mit
Glimmerplatte verschlossenes Visir angebracht, durch welches man die
Vorgänge vor den Formen des Ofens beobachten kann.


Bei Oefen mit hoher Temperatur, dünnflüssiger Schlacke und weiten
Gestellen lassen sich einfacher eingerichtete Düsenständer verwenden.
In Fig. 141 ist ein Düsenständer abgebildet, wie er jetzt für grössere
Hochöfen sehr gebräuchlich ist. Ausser der Düse d besteht derselbe
nur aus drei Stücken, dem horizontalen Stücke c, dem Krümmer b und
[437]Die Düsenständer.
dem von dem Vertheilungsrohre abgezweigten Rohre a. b ist an a
und c an b durch einfach eingerichtete Kugelgelenke angeschlossen.
Zur Herstellung der Verbindung werden die Schmiedeeisenbänder e e
über die an die Rohrstücke angegossenen Zapfen übergeschoben und
durch Schrauben f f fest angezogen; auf diese Weise lässt sich in
wenigen Secunden die Verbindung lösen und wieder herstellen, wenn
eine veränderte Lage der Düse nothwendig werden sollte.


In dem Rohrstücke c ist zu dem schon oben erwähnten Zwecke
eine sich selbstthätig öffnende und schliessende Klappe angebracht. Da

Figure 101. Fig. 141.


der Drehungspunkt derselben oberhalb des Rohrmittels liegt, muss das
Rohr an dieser Stelle vierseitigen Querschnitt erhalten, damit die Drehung
der Klappe möglich werde. Auf amerikanischen Eisenwerken hat man
dem Klappengehäuse einen durchbrochenen Deckel gegeben; so lange
der Wind durch den Düsenständer hindurchgeht und die Klappe geöffnet
erhält, schliesst diese die Durchbrechungen, so dass kein Wind austreten
kann; ist der Wind abgestellt und die Klappe zugefallen, so können
die Gase, welche etwa aus der Form austreten sollten, durch jene
Oeffnungen entweichen.1)


[438]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.

Bei g ist der abgebildete Düsenständer durch eine einfache Vor-
richtung an den Säulen für den Schacht oder irgend einem andern
festliegenden Theile des Hochofens aufgehängt. Bei i befindet sich eine
ebenso eingerichtete Schauöffnung wie bei dem oben beschriebenen
Düsenständer.


Die Einfachheit der Einrichtung dieses Düsenständers gestattet es,
ihn fast vollständig mit schlechten Wärmeleitern einzuhüllen, ohne dass
seine Beweglichkeit beeinträchtigt wird, ein Umstand, welcher um so
vortheilhafter ist, je stärker erhitzt der Wind zugeführt wird. Mitunter
auch hat man sich auf Anwendung eines einzigen Kugelgelenkes be-
schränkt, wodurch die Einrichtung noch einfacher wird.


Die Düse besteht aus einer schwach konischen Hülse aus Guss-
eisen, seltener aus Eisenblech, welche über das Ende des Düsen-
ständers übergeschoben wird und sich leicht auswechseln lassen muss.
Mitunter befestigt man sie, wie in Fig. 141 durch Punktirung ange-
deutet ist, durch einen Bayonnetverschluss, so dass eine einfache Drehung
genügt, sie zu lösen; mitunter auch schiebt man sie ohne sonstige Be-
festigungsvorrichtung nur einfach über das Rohrende, wie bei dem Düsen-
ständer Fig. 140. Die Seitenconvergenz der Düse soll etwa 6° be-
tragen, weil bei dieser Form sich der günstigste Ausflusscoëfficient ergiebt.


Von dem Querschnitte der Düsenöffnung ist natürlich bei gegebener
Windpressung die ausgeblasene Windmenge und bei gegebener Wind-
menge die erforderliche Pressung abhängig. Bei den kleinsten Holz-
kohlenhochöfen beträgt der Durchmesser dieser Oeffnung mitunter nicht
über 25 mm, bei grossen Hochöfen mitunter mehr als 100 mm. Dass
der Durchmesser des Formauges gleich dem Durchmesser der Düse
oder nur wenig grösser als dieser sei, wurde schon früher erwähnt.


Je heisseren Wind man anwendet, desto mehr stellt sich die Noth-
wendigkeit heraus, mit „geschlossener Form“ zu arbeiten, d. h. den
Zwischenraum zwischen innerer Formwand und Düse zu schliessen,
während man in früherer Zeit beim Betriebe mit kälterem oder über-
haupt nicht erhitztem Winde denselben meistens offen liess, um die
Vorgänge vor den Formen besser als durch das Visir an der Rück-
seite des Düsenständers beobachten zu können. Bei einer zur Form-
achse concentrischen Lage der Düse sind allerdings Windverluste durch
die offene Form nicht zu befürchten; wohl aber wird durch den sich
rasch fortbewegenden Windstrahl, zumal wenn der Durchmesser des
Formauges etwas reichlich bemessen ist, kalte Luft in nicht unbeträcht-
licher Menge von aussen her angesaugt und mit in den Ofen geführt,
somit der Zweck der Winderhitzung theilweise vereitelt. Man kann
sich hiervon leicht überzeugen, wenn man leichte Körper, Papier-
schnitzel, Federn oder dergleichen in die Nähe der offenen Form
bringt; sie werden von dem Luftzuge nach der Form hin bewegt und
in den Ofen geführt.


Der Zweck, die Form zu schliessen, lässt sich in mehrfacher Weise
erreichen. Bei Fig. 141 ist die Düse mit herumlaufendem Wulst ver-
sehen und wird soweit vorgeschoben, dass dieser Wulst den Verschluss
bewirkt. Will man aus besonderen Gründen die Düse nicht so weit
als hier vorschieben, so kann man statt des Wulstes eine Scheibe auf
derselben befestigen, welche an einem weiter rückwärts gelegenen
[439]Manometer.
Theile der Form genau in dieselbe hineinpasst. Noch häufiger versieht
man die Form mit einem abgedrehten Einsatzstücke, gegen welches
das ebenfalls gedrehte Ende der Düse genau sich anlegt; eine der-
artige Einrichtung ist bei dem Düsenstock Fig. 140 zu erkennen.


5. Spannungs- und Temperaturmessungen; Wind-
berechnung.


a) Manometer.

Zur Beaufsichtigung des Hochofenbetriebes sind tägliche öftere
Beobachtungen der Windspannung (Pressung) innerhalb der Leitungs-
röhren erforderlich. Hängt doch von dieser Windspannung unter übrigens
gleich bleibenden Verhältnissen die Menge des dem Hochofen zuge-
führten Windes ab; mit dieser Windmenge aber steht die Geschwindig-
keit der Verbrennung, somit auch der ganze Verlauf des Hochofen-
betriebes und die Grösse der Roheisenerzeugung des Hochofens in sehr
naher Beziehung.


Zum Messen der Windspannung bedient man sich des Mano-
meters
.


Es möge jedoch im Voraus bemerkt werden, dass eine vollständig
genaue Messung der durchschnittlichen Windspannung kaum möglich
ist. Einestheils unterliegt bei jedem Cylindergebläse die Windspannung
selbst unausgesetzten Schwankungen, wie sich am Manometer selbst
sofort erkennen lässt. Anderntheils herrscht an verschiedenen Stellen
der Leitung auch eine verschiedene Spannung; dieselbe nimmt infolge
der von dem Windstrome zu überwindenden Reibung um so mehr ab,
je länger der bereits zurückgelegte Weg ist, je enger die Leitungs-
röhren und je grösser und zahlreicher die Widerstände innerhalb der-
selben (Krümmungen, Querschnittsverengungen u. a. m.) sind. Bei Be-
nutzung des Manometers zur Berechnung der Windmenge (siehe unten)
wird man es daher in unmittelbarer Nähe der Düse anbringen müssen.
Auch innerhalb eines und desselben Querschnittes aber ist die Span-
nung nicht überall dieselbe; sie ist geringer in der Nähe der Röhren-
wand, wo durch die Reibung Spannungsverluste (Abminderung der
Bewegungsgeschwindigkeit) hervorgerufen werden, grösser in der Mitte
des Querschnittes. Endlich kommt in Betracht, dass durch das in die
Leitung eingesenkte Manometerrohr leicht Stauungen, Wirbel in dem
Windstrome hervorgebracht werden, welche ebenfalls die Richtigkeit
der Messung beeinträchtigen.


Für die Windberechnung vermag daher das Manometer nur An-
näherungswerthe zu geben; für die regelmässige Beaufsichtigung des
Hochofenbetriebes aber besitzen jene [Ungenauigkeiten] eine nur unter-
geordnete Bedeutung. Hierbei liegt nicht sowohl die Aufgabe vor, in
bestimmten Ziffern die Geschwindigkeit oder Menge des eingeblasenen
Windes anzugeben, als vielmehr, ganz allgemein zu prüfen, ob der
Hochofen eine gewisse, durch Erfahrung ermittelte normale Windmenge
erhalte, die durch einen bestimmten Stand des Manometers angezeigt
wird; oder in anderen Fällen, diese Windmenge aus besonderen Grün-
den zu vergrössern oder zu verringern. Für eine derartige allgemeinere
[440]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.
Ueberwachung aber bildet das Manometer ein sehr einfaches, auch dem
ungebildetsten Arbeiter leicht verständliches Mittel.


Man pflegt, sofern das Manometer nur für den soeben erwähnten
Zweck benutzt werden soll, dass Rohr desselben derartig an der Wind-
leitung zu befestigen, dass es rechtwinklig gegen die Achse des Wind-
leitungsrohres gerichtet ist und dass seine Kante mit der Innenwand des
letzteren abschneidet. In diesem Falle misst man allerdings nur den-
jenigen Druck, den der Wind gegen die Rohrwand ausübt. Für ge-
nauere Messungen — z. B. für eine genauere Berechnung der Wind-
menge — würde es sich empfehlen, das Manometerrohr an seinem Ende
rechtwinklig umzubiegen, es bis zur Mitte des Windleitungsrohres ein-
zuführen, und hier so zu stellen, dass es der Windrichtung genau
parallel und dem Strome entgegen gerichtet ist. Durch Ausziehen des
dem Winde zugekehrten Endes zu einer feinen Spitze, über deren coni-
sche Seiten der Wind hingleiten kann, würde sich die durch die Stauung
des Windes entstehende Unrichtigkeit abmindern lassen.1) Dass aber
auch bei dieser Stellung des Manometers nur die Spannung an der be-
treffenden Stelle, nicht die mittlere Spannung innerhalb des ganzen Quer-
schnittes gemessen wird, wurde schon erwähnt.


Dass übrigens das Manometer selbst unmittelbar auf der Wind-
leitung angebracht werde, ist keineswegs erforderlich. Meistens wird es
bequemer sein, dasselbe an einer geschützten Stelle der Wand, wo es
leicht sichtbar ist, zu befestigen und durch eine Leitung aus schmiede-
eisernen Röhren mit der Windleitung zu verbinden. Pressungsverluste
innerhalb dieses Rohres können nicht eintreten, da ja eine Bewegung
des Windes innerhalb desselben nicht stattfindet.


Häufig ordnet man zwei Manometer an verschiedenen Stellen der
Windleitung an; das eine in der Gebläsestube im Anschlusse an die
Leitung für den kalten Wind, ein zweites am Düsenständer. Der Unter-
schied in der von beiden Manometern angegebenen Spannung ergiebt
den Spannungsverlust in der Leitung.


Sofern man das Manometer ausschliesslich für die allgemeine Be-
aufsichtigung des Ganges des Gebläses benutzen will, begnügt man
sich auch wohl mit dem einen Manometer für den kalten Wind, dessen
Herstellung einfacher ist; man verliert aber dadurch auch jede Beur-
theilung für den Betrag der Spannungsverluste, welcher für die Aus-
nutzung der vom Gebläse geleisteten Arbeit von grossem Einflusse ist.


Für die Kaltwindleitung pflegt man ein Quecksilbermano-
meter
zu benutzen, bestehend aus einem U-förmig gebogenen, theil-
weise mit Quecksilber gefüllten Rohre, dessen einer Schenkel mit der
Windleitung verbunden ist. Die Höhe, welche die Oberkante der Queck-
silbersäule in beiden Schenkeln einnimmt, so lange kein Winddruck
herrscht, bildet den Nullpunkt; die Differenz in dem Höhenstande in
den beiden Schenkeln, sobald auf das eine Ende der gepresste Wind
drückt, ergiebt die Höhe der Quecksilbersäule, welche mit dem vor-
handenen Winddrucke im Gleichgewichte steht. An dem offenen Schenkel
pflegt man eine Scala, von dem Nullpunkte beginnend, anzubringen;
[441]Manometer. Pyrometer.
in Rücksicht auf den Umstand, dass in dem zweiten Schenkel das
Quecksilber ebenso tief unter als in dem ersten über dem Nullpunkte
steht, muss man, um die wirkliche Spannung zu finden, die abgelesene
Höhe über dem Nullpunkte verdoppeln, oder man theilt von vorn herein
die Scala so ein, dass man ohne Weiteres die wirkliche Höhendiffe-
renz abliest.1)


Will man die Windpressung nicht nach der Höhe der Quecksilber-
säule, sondern nach Kilogrammen per Quadratcentimeter Querschnitt
angeben, so lässt sich die Scala leicht darnach ändern. Eine Queck-
silbersäule von 757.96 mm Höhe übt einen Druck von 1.03 kg per qcm
aus (Atmosphärendruck); 736 mm Gesammthöhe der Quecksilbersäule
oder 368 mm über dem Nullpunkte entsprechen also 1 kg Druck, und
durch Eintheilung dieser Höhe in Hundertstel lassen sich Ablesungen
in ziemlich engen Grenzen bewirken.


Zur Ermittelung der Spannung erhitzten Windes lassen sich aus
nahe liegenden Gründen Quecksilbermanometer nicht gut benutzen.
Man pflegt sich hierfür der Federmanometer zu bedienen, welche
nach denselben Grundsätzen wie die Manometer zur Ermittelung der
Dampfspannung bei Dampfkesselanlagen eingerichtet sind. Fig. 142,
ein derartiges Manometer aus der rühmlichst bekannten Fabrik von
Schäffer \& Budenberg in Buckau darstellend, zeigt die innere Ein-
richtung desselben. Die in dem unteren Theile
des Manometers angebrachte gewellte Plat-
tenfeder wird unter der Spannung des Win-
des emporgedrückt, wirkt dabei durch Ver-
mittelung der auf ihr befestigten Stange auf
einen kleinen Winkelhebel, der hierbei eine
entsprechende Drehung ausführt und die-
selbe durch ein Getriebepaar auf den ausser-
halb der Scala angebrachten Zeiger überträgt.


Da durch anhaltende starke Erhitzung
die Feder bald leiden würde, empfiehlt es
sich, das Zweigrohr, auf dessen Ende das
Manometer befestigt ist, ausreichend lang zu
machen, so dass die in demselben einge-
schlossene Luft kühl bleibt. Eine Beein-
trächtigung der Richtigkeit in den Angaben
des Manometers wird durch die Abkühlung
selbstverständlich nicht herbeigeführt, da ja

Figure 102. Fig. 142.


die in dem Zweigrohre eingeschlossene Luft, sie mag kalt oder warm
sein, demselben Drucke ausgesetzt bleibt, welcher im Leitungsrohre
herrscht.


b) Pyrometer.

Nicht minder wichtig als die Messung der Windspannung ist für
die Leitung des Hochofenbetriebes die öftere Messung der Windtempe-
[442]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.
ratur, da durch starke Schwankungen der letzteren erhebliche Aende-
rungen im Verlaufe des Hochofenprocesses herbeigeführt werden können.


Leider giebt es kaum ein Messinstrument, welches in den höheren
Temperaturen des erhitzten Gebläsewindes — fast ausnahmslos über
300° und häufig über 600°C. — vollständig zuverlässig und zugleich
bequem zu handhaben ist.


Sogenannte Metallpyrometer, deren Wirkung auf der Aus-
dehnung eines Metallstabes oder auf der verschiedenen Ausdehnung
zweier Stäbe aus verschiedenen Metallen beruht, verlieren schon nach
kurzem Gebrauche vollständig ihre Zuverlässigkeit.


Geeigneter für diesen Zweck dürfte das von Klinghammer er-
fundene, von Schäffer und Budenberg in Buckau-Magdeburg ge-
fertigte Thalpotasimeter (Wärmespannungsmesser) sein. Ein eisernes,
äusserlich durch ein weiteres Schutzrohr mit Bleifüllung umkleidetes
und vor Oxydation geschütztes Rohr ist bis zu einer gewissen Höhe
mit einer Flüssigkeit gefüllt, welche beim Erhitzen theilweise Dampf-
form annimmt. Durch ein gewöhnliches Federmanometer ist das obere
Ende des Rohres geschlossen. Die entwickelten Dämpfe üben eine von
der Höhe der herrschenden Temperatur abhängige Spannung aus, welche
den Zeigerapparat des Manometers in Bewegung setzt; das Zifferblatt
desselben ist mit einer Scala versehen, welche, auf den von Regnault
ermittelten Beziehungen zwischen Temperatur und Spannung der Dämpfe
fussend, die unmittelbare Ablesung der Temperatur ermöglicht.1)


Als Füllung der Röhre dient bei Thalpotasimetern für Tempera-
turen über 350 Grad Quecksilber. Bis zu einer Temperatur von
600 Grad soll das Thalpotasimeter zufrieden stellende Ergebnisse liefern;
bei höheren Temperaturen wird die Benutzung infolge der beginnenden
Erweichung des Schmiedeeisens, aus dem das Rohr besteht, misslicher,
doch hat man Temperaturen bis zu 750°C. damit gemessen.


Weniger bequem zur Messung der Windtemperatur ist die An-
wendung von Metallen oder Legirungen
mit bestimmten Schmelz-
punkten, von welchen verschiedene gleichzeitig der Einwirkung des
Windes ausgesetzt werden.


Es dürften folgende Metalle und Legirungen, deren Schmelztempe-
raturen durch Versuche ermittelt worden sind2), sich für diesen Zweck
eignen.


Temperaturen bis zu 300° oder wenig darüber lassen sich übrigens
weit bequemer mit Hilfe des Quecksilberthermometers messen; anderer-
seits nimmt bei Temperaturen über 400 Grad hinaus die Zuverlässig-
keit der Anwendung von Metallen oder Legirungen schon sehr ab, da
bis jetzt so gut wie gar keine zuverlässigen Bestimmungen der Schmelz-
[443]Pyrometer.
temperaturen von Metallen und Legirungen vorliegen, die zwischen
400—800 Grad schmelzen. Man hat Bleisilberlegirungen für diesen
Zweck vorgeschlagen, die Schmelztemperaturen derselben aber nicht
durch Versuche gefunden, sondern berechnet. Eine Legirung aus 82.7 Thl.
Blei mit 17.3 Thl. Silber soll bei 450°, aus 75.5 Thl. Blei mit 24.5 Thl.
Silber bei 500°, aus 72.2 Thl. Blei mit 31.8 Thl. Silber bei 550°, aus
61.0 Thl. Blei mit 39.0 Thl. Silber bei 600°, aus 54.3 Thl. Blei mit
45.7 Thl. Silber bei 650°, aus 46.9 Thl. Blei mit 53.1 Thl. Silber bei
700° schmelzen1); und so fort. Das Verhalten anderer Legirungen
und das bekannte Verhalten einiger Bleisilberlegirungen lassen jedoch
schliessen, dass die wirklichen Schmelztemperaturen wenigstens theil-
weise erheblich niedriger liegen werden als jene berechneten. Dass z. B.
silberhaltiges Blei mit etwa 1.5 Proc. Silber in niedrigerer Temperatur
schmilzt als reines oder silberärmeres Blei, ist eine bekannte Thatsache,
auf welcher bei der Silbergewinnung die Durchführung des Pattinson-
Processes beruht.


Auch der Umstand, dass schon geringe zufällige Beimengungen,
welche die Metalle enthalten, ihren Schmelzpunkt verändern, macht die
Anwendung dieser Methode misslich. Für wissenschaftliche Unter-
suchungen ist sie nicht zuverlässig genug, für die tägliche Beaufsichti-
gung des Betriebes aber, bei welcher allerdings Vergleichsergebnisse
schon ausreichend sein würden, zu unbequem.


Zuverlässigere Ergebnisse dürfte ein Calorimeter in der ihm
von Weinhold gegebenen Form liefern. Eine Kugel aus Eisen, besser
noch aus Platin, wird der Einwirkung des heissen Windes ausgesetzt,
bis sie die Temperatur desselben angenommen hat, dann in das mit
Wasser gefüllte Calorimeter geworfen. Besondere Vorrichtungen ver-
hindern die Wärmeverluste durch Abgabe nach aussen und ermög-
lichen eine rasche Wärmeausgleichung. Sobald diese stattgefunden hat,
wird mit Hilfe eines in Zehntelgrade getheilten Thermometers die Tempe-
raturzunahme ermittelt; aus dieser, dem Gewichte des Wassers und der
specifischen Wärme der Metallkugel berechnet man die Temperatur der
letzteren vor dem Einwerfen in das Wasser und somit auch die Tempe-
ratur des erhitzten Windes.


Zu berücksichtigen ist hierbei, dass die specifische Wärme des
Eisens beziehentlich Platins mit der Temperatur sich verändert. Durch
Benutzung einer von Weinhold ausgearbeiteten Tabelle2) über die
Wärmemengen, welche 1 kg Eisen bei verschiedenen Temperaturen ent-
hält, wird die hieraus erwachsende Schwierigkeit für die Berechnung
leicht umgangen.


Bei einiger Uebung in der Benutzung dieses Calorimeters erfordert
der ganze Versuch kaum mehr als einige Minuten Zeit, so dass die
[444]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.
Anwendung nicht allein für wissenschaftliche Versuche, sondern auch
für die tägliche Beaufsichtigung geeignet erscheinen dürfte.


Für wissenschaftliche Untersuchungen kann die Anwendung des
von Siemens construirten elektrischen Pyrometers1) zweck-
mässig sein, besonders dann, wenn sehr hohe Temperaturen zu messen
sind. Die Einrichtung desselben beruht auf dem Umstande, dass der
elektrische Leitungswiderstand metallischer Körper mit der Temperatur
zunimmt. Setzt man also einen Platindraht, durch welchen ein elektri-
scher Strom hindurchgeht, der zu messenden Temperatur aus, so wird
der letztere um so mehr an Stärke einbüssen, je höher die Temperatur
ist. Der von einer Batterie kommende Strom ist in zwei Leitungen
getheilt; die eine geht durch den erhitzten Platindraht nach einem
Voltameter (Wasserzersetzungsapparat), die andere, ohne erhitzt zu
werden, durch einen Neusilberwiderstand von 17 Siemens-Einheiten
nach einem zweiten Voltameter. Je schwächer der erstere Strom wird,
desto stärker wird die Intensität des zweiten. Die Volumina des in
beiden Voltametern entstehenden Knallgases, welche an Scalen abgelesen
werden können, sind den Widerständen in den beiden Leitungen
umgekehrt proportional, und da man alle Widerstände ausser dem des
erhitzten Platindrahtes kennt, so lässt sich auch dieser und somit die
Temperatur dieses Drahtes berechnen. Für den praktischen Gebrauch
ist alle Rechnung durch eine dem Pyrometer beigegebene Tabelle
erspart.2)


Für den täglichen Gebrauch dürfte sich indess das Siemens’-
sche Pyrometer der sorgfältigen Behandlung halber, welche dasselbe
erheischt, kaum besonders gut eignen.


c) Die Windberechnung.

Um ein vollständiges Bild aller bei dem Betriebe eines Hochofens
maassgebenden Verhältnisse zu erhalten, wird der Eisenhüttenmann ver-
schiedentlich in die Lage kommen, die Menge des dem Hochofen in
bestimmten Zeiträumen (per Minute) zugeführten Windes zu ermitteln.


Zur Lösung dieser Aufgabe giebt es verschiedene Wege.


Die einfachste Methode, welche allerdings nur Annäherungswerthe
innerhalb ziemlich weiter Grenzen liefert, beruht auf dem Kohlenstoff-
verbrauche des Hochofens innerhalb der bestimmten Zeit.


Aller Kohlenstoff, welcher vor die Formen des Hochofens gelangt,
wird hier durch den Sauerstoff des eingeblasenen Windes zu Kohlen-
oxyd verbrannt. Da das Verhältniss zwischen dem Sauerstoffgehalte
der Gebläseluft zu ihrer Gesammtmenge bekannt ist, so würde man,
sofern aller dem Hochofen durch die Gicht zugeführte Kohlenstoff auch
bis vor die Formen gelangte, mit Leichtigkeit im Stande sein, auf
Grund jenes Verhältnisses die Menge der zugeführten Luft zu berechnen.
Wenn A den Brennstoffverbrauch des Hochofens in 24 Stunden, p den
[445]Die Windberechnung.
Kohlenstoffgehalt von 1 kg des benutzten Brennstoffs, Q den Windver-
brauch per Minute bezeichnet, so wäre
.


Ein Theil des Kohlenstoffs aber wird in jedem Hochofen zur un-
mittelbaren Reduction der Erze verbraucht, ohne vor die Formen zu
gelangen; ein anderer wird durch das Eisen aufgenommen und mit
demselben wieder aus dem Ofen geführt. Der wirkliche Windverbrauch
ist also wesentlich geringer, und man wird, um einen Annäherungs-
werth zu erhalten, die obige Ziffer mit einem Coëfficienten zu multipli-
ciren haben, welcher bei den meisten Hochöfen zwischen 0.75—0.85
schwanken dürfte und durchschnittlich um so niedriger ausfällt, je
schwieriger reducirbar die Erze sind.


Eine andere nicht minder einfache, aber ebenfalls nur Annäherungs-
werthe liefernde Methode stützt sich auf die Grösse der Kolbenfläche
und der Kolbengeschwindigkeit des Gebläses per Minute. Theoretisch
wird offenbar von einem Cylindergebläse eine Windmenge geliefert,
welche dem Producte aus Kolbenfläche und Kolbengeschwindigkeit
gleich ist; wegen des vorhandenen schädlichen Raumes sowie der Un-
vollständigkeit in der Wirkung der Verschlussklappen oder Ventile
saugen aber die Cylindergebläse niemals die volle, dem Inhalte der
Cylinder entsprechende Windmenge an, und ein Theil des angesaugten
Windes geht auf dem Wege nach dem Hochofen wieder verloren.
Nach Hauer1) darf man den Windeffect des Gebläses sammt Wind-
leitung nicht höher als 0.7 annehmen; beträgt also Q die Windmenge,
welche der Hochofen per Minute erhält, F die Kolbenfläche sämmt-
licher zu einander gehöriger Gebläsecylinder in Quadratmetern, G die
Geschwindigkeit der Gebläsekolben per Minute in Metern, so ist

Bei mangelhaft ausgeführten oder im Stande erhaltenen Gebläsen
oder Windleitungen wird allerdings Q noch erheblich niedriger aus-
fallen können.


Ist die Geschwindigkeit des aus der Düse ausströmenden Windes
und der Düsenquerschnitt bekannt, so giebt das Product beider, mul-
tiplicirt mit einem durch Erfahrung festgestellten Coëfficienten für den
Ausfluss die ausströmende Windmenge von der im Ausflussquerschnitte
herrschenden Spannung und Temperatur; und durch entsprechende
Correction lässt sich aus dieser die entsprechende Luftmenge von Null
Grad Temperatur und gewöhnlicher Spannung (760 mm Barometerstand)
berechnen. Die Geschwindigkeit der austretenden Luft ergiebt sich aus
der durch das Manometer gemessenen Windspannung.


Bezeichnet Q die per Düse gelieferte Windmenge in Cubikmetern
[446]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.
pro Minute, reducirt auf den angegebenen Barometerstand und Null
Grad Temperatur, h1 die am Manometer abgelesene Windspannung,
ausgedrückt durch die Höhe einer Quecksilbersäule in Metern, h2 die
im Ofen vor den Formen herrschende Spannung, ebenso wie h1 ge-
messen, d den Durchmesser der Düse in Metern, f einen Corrections-
coëfficient, welcher von der Temperatur des Windes (t1) und dem
Barometerstande b abhängig ist; λ einen Correctionscoëfficienten, welcher
infolge des Umstandes nothwendig wird, dass die Luft bei höheren
Windspannungen auch ihre Temperatur ändert (bei geringeren Pres-
sungen kann λ = 1 gesetzt werden), so ist
.


Für f gelten folgende Werthe:


Für λ ist zu setzen:


Ausführlichere Tabellen enthält das schon genannte Buch: J. v.
Hauer, die Hüttenwesensmaschinen, 2. Aufl., S. 509, aus welchem die
Tabellen auch im Sonderabdrucke erschienen sind.


Die Berechnung mit Hilfe der mitgetheilten Formel und der er-
wähnten Tabellen würde zweifellos ziemlich genaue Ergebnisse liefern,
wenn es möglich wäre, die durchschnittlich richtigen Werthe für h1
und h2, d. h. für die Windspannung in der Düse und die Gasspannung
im Ofen zu ermitteln. Die Gründe, weshalb h1 nur mit annähernder
Richtigkeit gemessen werden kann, wurden schon oben erörtert; noch
grösser ist die Schwierigkeit, für h2 einen richtigen Werth zu finden.
Eine Messung mit Hilfe eines in den Ofen geschobenen Rohres, an dessen
[447]Die Windberechnung.
äusserem Ende das Manometer befestigt ist, liefert jedenfalls zweifel-
hafte Ergebnisse, da die Gasspannung in einem und demselben Quer-
schnitte des Gestelles noch weit grössere Abweichungen zeigen wird
als in der Windleitung; eine von Rittinger vorgeschlagene Methode,
den Wind aus derselben Düse, welche ihn zuerst in den Ofen führte,
dann bei gleicher Anzahl Spiele des Gebläses in die freie Luft aus-
strömen zu lassen und die Spannung zu messen, um dann ohne Weiteres
(da jetzt h2 = Null ist) die ausgeblasene Windmenge zu berechnen,
dürfte doch, wenn sie richtig ausgeführt werden soll, wenigstens beim
Hochofenbetriebe nicht unerheblichen praktischen Schwierigkeiten be-
gegnen.1)


Eine letzte Methode der Windberechnung, die allerdings nur aus-
nahmsweise angewendet werden kann, dann aber die zuverlässigsten
Ergebnisse liefern dürfte, stützt sich auf den Umstand, dass der Stick-
stoff der eingeblasenen Luft unverändert, ohne erheblich vermehrt oder
verringert zu werden, in den Gichtgasen wieder gefunden wird. Ist
also die Zusammensetzung der letzteren und die Menge derselben inner-
halb bestimmter Zeiträume bekannt, so lässt sich, da in der atmosphä-
rischen Luft 79 Raumtheile Stickstoff neben 21 Raumtheilen Sauer-
stoff enthalten sind, mithin 100 Raumtheile Stickstoff 126.5 Raumtheilen
atmosphärischer Luft entsprechen, die Menge der eingeblasenen Luft
ohne Schwierigkeit berechnen.


Die Zusammensetzung der Gichtgase wird durch chemische Analyse
ermittelt; ihre Menge ergiebt sich aus der Menge des in bestimmten
Zeiträumen theils durch den Brennstoff, theils durch die kohlensäure-
haltigen Erze und Zuschläge dem Hochofen zugeführten Kohlenstoffs,
von welchem die durch das Roheisen aufgenommene kleine Menge in
Abzug zu bringen ist. Aller übrige Kohlenstoff findet sich in den
Gichtgasen wieder.


Es sei


  • k1 der durch den Brennstoff,
  • k2 der durch den Kalkstein und kohlensäurehaltige Erze dem
    Hochofen zugeführte Kohlenstoff per Minute in Kilogrammen;
  • k3 der von dem per Minute erzeugten Roheisen aufgenommene
    Kohlenstoff, ebenfalls in Kilogrammen,

so entweichen aus der Gicht per Minute k1 + k2 — k3 kg Kohlen-
stoff. Dieser Kohlenstoff tritt gewöhnlich in drei verschiedenen Ver-
bindungen in den Gichtgasen auf: in der Kohlensäure, dem Kohlenoxyd
und dem Kohlenwasserstoff. Kohlensäure enthält 0.2727 ihres eigenen
Gewichts Kohlenstoff, Kohlenoxyd 0.4286, leichtes Kohlenwasserstoffgas
0.75. Aus der Zusammensetzung der Gichtgase ergiebt sich also leicht
die Menge Kohlenstoff, welche von jedem der erwähnten Bestandtheile
derselben aus der Gicht geführt wird; und da die Gesammtmenge des
per Minute entweichenden Kohlenstoffs nach obigem = k1 + k2 — k3
ist, so lässt sich leicht auch die Menge der per Minute ausströmenden
[448]Die Erzeugung, Erhitzung und Fortleitung des Gebläsewindes.
Gase ermitteln. Aus dem Procentgehalte des Stickstoffs in den Gicht-
gasen ergiebt sich dann der gesammte per Minute ausströmende Stick-
stoffgehalt und aus diesem die Menge der eingeblasenen Luft.


Ein von Stöckmann1) gegebenes, der Praxis entnommenes Bei-
spiel möge als Erläuterung hierfür dienen.


Bei einem Hochofen des Eisenwerks Phoenix zu Laar bei Ruhrort
betrug die Zusammensetzung der Gichtgase:


  • Stickstoff   55.76 Raumproc. oder 54.79 Gewichtsproc.
  • Kohlensäure   9.99 „ „ 15.42 „
  • Kohlenoxyd   24.88 „ „ 24.45 „
  • Kohlenwasserstoff CH4  0.40 „ „ 0.22 „
  • Wasserstoff   0.97 „ „ 0.07 „
  • Wasserdampf  8.00 „5.05 „
  • 100.00 Raumproc. oder 100.00 Gewichtsproc.

Mithin enthalten die Gase Kohlenstoff:


  • in der Kohlensäure   15.42 . 0.2727 = 4.21 Gewichtstheile
  • in dem Kohlenoxyd   42.86 . 0.4286 = 10.48 „
  • in dem Kohlenwasserstoff 0.22 . 0.75 = 0.17 „
  • Summa 14.86 Gewichtstheile

und es vertheilt sich 1 Kilogramm des in den Gichtgasen enthaltenen
Kohlenstoffs folgendermaassen auf die einzelnen Bestandtheile der
Gichtgase:


  • Kohlensäure   0.283 kg
  • Kohlenoxyd   0.705 „
  • Kohlenwasserstoff  0.012 „
  • 1.000 kg.

Bei einer täglichen Roheisenerzeugung des Hochofens von 40000 kg,
einem Koksverbrauche von 1300 kg per 1000 kg Roheisen und einem
Kohlenstoffgehalte der Koks von 77 Proc. beträgt die durch den
Brennstoff dem. Hochofen in 24 Stunden zugeführte Kohlenstoffmenge
40040 kg.


Die Erze sind frei von Kohlensäure. Der Kohlensäuregehalt des
Kalksteins beträgt 43 Proc. oder der Kohlenstoffgehalt 11.73 Proc.; der
tägliche Verbrauch an Kalkstein beziffert sich auf 48000 kg. Demnach
ist die Menge des durch den Kalkstein dem Hochofen in 24 Stunden
zugeführten Kohlenstoffs 5630 kg.


Das erzeugte Roheisen enthält 4 Proc. Kohle; mithin beträgt die
Gesammtmenge des in 24 Stunden von dem Roheisen aufgenommenen
Kohlenstoffs 40000 . 0.04 = 1600 kg.


In den Gichtgasen werden also in 24 Stunden 40040 + 5630 —
1600 = 44070 kg aus dem Ofen geführt.


Der oben mitgetheilten Vertheilung des Kohlenstoffs auf die ein-
zelnen Gasarten gemäss würde man berechnen können, wie viel Ge-
sammtkohlenstoff in 24 Stunden auf jedes dieser Gase entfällt; es genügt
indessen, die Ermittelung für eins der Gase anzustellen und dann aus
dem Gehalte des letzteren in dem Gasgemische die Menge des letzteren
zu berechnen.


[449]Windberechnung. Literatur.

So z. B. entfällt, da nach den obigen Ziffern von je 1 kg Gesammt-
kohlenstoff 0.705 kg im Kohlenoxyd auftreten, auf dieses letztere Gas
eine Kohlenstoffmenge in 24 Stunden = 44070 . 0.705 = 31069 kg.


Diese 31069 kg Kohlenstoff sind enthalten in 72494 kg Kohlen-
oxyd, welche — da 1 cbm Kohlenoxyd 1.25456 kg wiegt — einen Raum-
inhalt von 58000 cbm einnehmen. Da nun die Gichtgase der mit-
getheilten Analyse zufolge 24.88 Raumprocent Kohlenoxydgas enthalten,
so beträgt die gesammte in 24 Stunden der Gicht entströmende Gas-
menge 233120 cbm; oder
.


Diese 162 cbm Gas enthalten 55.76 Proc. oder 90 cbm Stickstoff,
welche unverändert durch den Ofen hindurchgehen. 90 cbm aber ent-
sprechen 114 cbm Luft, welche dem Hochofen durch das Gebläse per
Minute zugeführt wurden.


Der Kohlensäuregehalt der atmosphärischen Luft kann seiner Ge-
ringfügigkeit halber bei dieser Rechnung vernachlässigt werden, ohne
dass das Ergebniss dadurch erheblich an Richtigkeit einbüsst.


Literatur.


A. Grössere Werke.


  • Julius v. Hauer, Die Hüttenwesensmaschinen. Zweite Aufl. Leipzig 1876.
    S. 1—202. (Gebläse und Windleitung.)
  • J. Schlink, Ueber Gebläse-Maschinen. Sonderabdruck aus Glaser’s Annalen
    für Gewerbe und Bauwesen. Berlin 1880.
  • L. Gruner, Abhandlungen über Metallurgie; übersetzt von Franz Kupel-
    wieser
    . Paris 1877. Bd. 1, S. 317—333 (Gebläse), S. 346—366 (Windleitungen
    und Windberechnung), S. 368—421 (Winderhitzer).
  • J. Weisbach, Ingenieur- und Maschinenmechanik, bearbeitet von G. Herr-
    mann
    . Dritter Theil, 2 Abtheilung. 2. Aufl. Braunschweig 1881, S. 1081 bis
    1190 (Gebläse).

B. Abhandlungen.


Ueber Winderhitzung.


  • M. L. Gruner, Notice sur les appareils à air chaud. Annales des mines,
    série 7, tome 2, p. 305.
  • J. M. Hartmann, Regenerative stoves, a sketch of their history and
    notes of their uses
    . Transactions of the American Institute of Mining Engi-
    neers, vol. VIII, p. 53.
  • F. W. Gordon, The Whitwell firebrick hotblast stove and its recent
    improvements
    . Transactions of the American Inst. of Min. Eng. vol. IX, p. 480.
  • Thomas Massicks, Ueber einen neuen Winderhitzungsapparat mit feuer-
    festen Steinen
    . Oesterr. Ztschr. für Berg- und Hüttenwesen 1882, S. 507.
  • Wiebner, Ueber die Wirksamkeit der neuen eisernen Winderhitzungs-
    apparate auf Gleiwitzer Hütte
    . Ztschr. f. Berg-, Hütten- und Salinen-
    wesen im Preuss. Staate 1882, S. 178.
  • Fr. Lürmann, Ueber Winderhitzungsapparate. Vortrag, gehalten in der
    Generalversammlung des Vereins deutscher Eisenhüttenleute. „Stahl und Eisen“
    1883, S. 23.

Ueber Düsenständer.


  • H. Dornbusch, Ueber Düsenvorrichtungen bei Hochöfen. Ztschr. d. Ver.
    deutsch. Ing. Bd. 21, S. 103.

Ledebur, Handbuch. 29
[450]Die Gichtaufzüge.

IV. Die Gichtaufzüge.


Nur in seltenen Fällen ist die Lage eines Hochofens eine solche,
dass man im Stande ist, die mit Erzen, Zuschlägen oder Brennstoffen
beladenen Karren von einem entsprechend hoch gelegenen Lagerplatze
aus ohne Weiteres über eine Brücke nach der Gicht zu befördern.
Weit häufiger ist man genöthigt, eine mechanische Hebevorrichtung
anzuordnen, mit deren Hilfe jene Karren emporgehoben und nach be-
wirkter Entleerung wieder herabgelassen werden.


Diese Hebevorrichtung heisst der Gichtaufzug.


Zur Aufnahme der erwähnten Karren dient eine entsprechend grosse
Plattform oder Förderschale, welche gehoben und gesenkt wird.
Einzelne Gichtaufzüge besitzen nur eine einzige derartige Plattform,
so dass abwechselnd nur Aufgang oder nur Niedergang stattfinden
kann, und heissen einfach wirkend; andere sind mit zwei Platt-
formen versehen, von denen die eine steigt, während die andere sinkt,
und diese heissen doppelt wirkende Aufzüge.


Die Bewegung erfolgt, sofern nicht ganz besondere Verhältnisse
die Anordnung einer Bahn auf geneigter Ebene rechtfertigen, in senk-
rechter Richtung. Die Plattform bewegt sich dabei, um vor Schwankungen
geschützt zu sein, zwischen Führungen, und das Ganze ist in einem
Gichtthurme, bei neueren Anlagen noch häufiger in einem ein-
fachen, aus Schmiedeeisen construirten Fahrgerüste angeordnet.


Der Gichtthurm oder das Fahrgerüst steht seitlich neben dem Hoch-
ofen und ist mit demselben durch eine, am zweckmässigsten aus Eisen
construirte, Brücke verbunden. Sind mehrere Hochöfen vorhanden, so
pflegt man für je zwei Hochöfen einen gemeinschaftlichen Gichtaufzug
anzuordnen, welcher dann zwischen beiden seine Stelle erhält und mit
jedem derselben durch eine gemeinschaftliche Gichtbrücke in Ver-
bindung steht.


Damit die auf der Gicht angelangte Plattform nicht etwa vorzeitig
durch irgend einen Zufall wieder sinke und damit die Entladung und
Wiederbeladung derselben ohne jede Gefahr bewirkt werden könne,
pflegt man eine selbstthätig wirkende Feststellung für die im höchsten
Stande angelangte Plattform anzubringen. Dieselbe besteht aus einigen
Nasen oder Knaggen, welche sich unter die Plattform legen. Beim
Aufsteigen der letzteren werden sie von dieser selbst zurückgeschoben,
damit der Weg frei werde, um dann durch den Druck eines Gegen-
gewichtes oder einer Feder sofort wieder in ihre richtige Lage zurück-
geführt zu werden, sobald die Plattform vorüber ist.


Ausserdem ist es zweckmässig, den Zugang von der Gichtbrücke zu
der Plattform im Gichtthurme oder Fahrgerüste durch ein senkrecht ver-
schiebbares Gitter zu schliessen, welches erst durch die Schale gehoben
wird, wenn sie im höchsten Stande anlangt, damit nicht Unglücksfälle
durch das Hineinstürzen von Personen oder Gichtwagen in die leere
Oeffnung entstehen.


Um heftige Stösse zu vermeiden, wenn die Plattform unten an-
kommt, bringt man mitunter Buffer an, auf welche sie sich aufsetzt;
[451]Gichtaufzüge mit unmittelbarer Kraftübertragung.
oder man versieht den Aufzug mit einer Bremsvorrichtung, mit deren
Hilfe man die Bewegungsgeschwindigkeit gegen Ende des Hubes ab-
mindert. Die Einrichtung des Aufzuges selbst muss darüber ent-
scheiden, welche dieser Maassregeln die geeignetste sei.


Nur in sehr seltenen Fällen wird man sich noch der menschlichen
Arbeit — an einem Haspel wirkend — zum Betriebe des Gichtauf-
zuges bedienen. In den allermeisten Fällen benutzt man Dampfkraft,
in einzelnen Wasserkraft. Verschieden aber ist die Art und Weise, in
welcher diese Elementarkraft für die Bewegung des Gichtaufzuges nutzbar
gemacht wird, und man unterscheidet demnach verschiedene Systeme
von Gichtaufzügen, deren wichtigste in Folgendem besprochen wer-
werden sollen.


a) Gichtaufzüge mit unmittelbarer Kraftübertragung.


Dieselben sind bei Hochofenanlagen fast regelmässig doppeltwirkend.
Die beiden Förderschalen hängen an Drahtseilen — weniger gut eignen
sich Hanfseile oder Ketten — welche oberhalb der Gicht über eine
oder zwei Seilscheiben geschlungen sind. Durch abwechselnde Be-
wegung der Seilscheiben in der einen oder andern Richtung erfolgt
Auf- und Niedergang der Scheiben.


Meistens sind diese Aufzüge für den Betrieb durch eine Dampf-
maschine eingerichtet und bilden in dieser Form die grösste Zahl sämmt-
licher Gichtaufzüge. Die verhältnissmässige Einfachheit ihrer Anord-
nung, die Billigkeit der Anlage und Wartung sind entschiedene Vor-
züge derselben.


Bei kleinen Hochöfen mit langsamem Gichtenwechsel legt man
mitunter die zum Betriebe dieser Aufzüge erforderliche Dampfmaschine
auf die Gicht und erlangt dadurch den Vortheil, dass die Gichtarbeiter
selbst die Bedienung der Maschine übernehmen können, ohne dass ein
besonderer Maschinenwärter dafür erforderlich ist. Eine kleine, mit
Umsteuerungsmechanismus versehene Dampfmaschine treibt unmittelbar
die Seilscheibe, über welche das zum Tragen der beiden Förderschalen
dienende Seil gelegt ist.


Dampfmaschinen für den Betrieb grösserer Hochöfen dagegen,
welche eine entsprechend grössere Leistungsfähigkeit und grössere Ab-
messungen verlangen, lassen sich, um sicher fundirt zu werden, nicht
wohl auf der Gicht des Hochofens anordnen. Es kommt hinzu, dass
mit der Höhe des Ofens auch die Länge der Dampfleitung nach der
Gicht hinauf zunehmen muss; die Nothwendigkeit aber, den Dampf
nach der Gicht zu leiten, bildet entschieden eine schwache Seite jener
Anordnung. Man stellt also in diesem Falle die Dampfmaschine zu
ebener Erde in einem besonderen Maschinenhause auf und pflegt eine
liegende Zwillingsmaschine ohne Schwungrad dafür zu wählen. Diese
Dampfmaschine treibt nun zunächst eine ebenfalls unten liegende Seil-
trommel, von welcher aus zwei sich in entgegengesetzter Richtung auf-
und abwickelnde Seile nach der Gicht und hier über zwei Seilscheiben
geführt sind. An den entgegengesetzten Enden der Seile hängen die
Förderschalen.


Aehnlich wie in letzterem Falle kann die Einrichtung sein, wenn
29*
[452]Die Gichtaufzüge.
man ein Wasserrad für den Betrieb benutzt. Man wendet ein Kehr-
rad an, d. h. ein in zwei Abtheilungen mit entgegengesetzter Schaufe-
lung getheiltes Rad, welches sich in der einen oder andern Richtung
dreht, je nachdem man das Wasser in diese oder jene Abtheilung leitet.


Bei kleinen Hochöfen lässt man auch wohl den Gichtaufzug von
einer für mehrere Zwecke gemeinsamen Betriebsmaschine aus durch
Einschaltung einer Transmissionswelle betreiben. Da in diesem Falle
die Betriebsmaschine selbst nicht umgesteuert werden kann, muss von
der Haupttransmissionswelle aus eine Seitentransmission nach dem
Aufzuge abgezweigt werden, welche mit Ein- und Ausrückung sowie
mit einer Vorrichtung für die Bewegungsumkehr versehen wird. Für
letztgenannten Zweck giebt es verschiedene auch für den Betrieb von
Werkzeugmaschinen und andere Zwecke vielfach benutzte Mechanismen,
deren besondere Besprechung hier kaum erforderlich sein dürfte. 1)


Man pflegt den in Rede stehenden Gichtaufzügen bei kleineren
Hochöfen eine Bewegungsgeschwindigkeit von 0.5—1 m, bei grösseren
von 1—2 m per Secunde zu geben.


b) Wassertonnenaufzüge.


Auch diese Aufzüge sind doppeltwirkend. Beide Schalen hängen
an den Enden eines über eine Seilscheibe oberhalb der Gicht gelegten
Seiles. Unter jeder Förderschale befindet sich ein aus Eisenblech
zusammen genietetes Wassergefäss, welches an der Gicht mit Wasser
gefüllt wird. Durch das hierbei entstehende Uebergewicht wird die
oben befindliche, mit den entleerten Gichtkarren belastete Schale zum
Niedergange gebracht, während die unten mit den gefüllten Karren
beladene Schale steigt. Sobald die sich abwärts bewegende Schale
unten angekommen ist, öffnet sich selbstthätig ein im Boden derselben
angebrachtes Ventil und das als Füllung dienende Wasser strömt aus.


Die Skizze Fig. 143 lässt diese Einrichtung erkennen. B und C
sind die beiden Förderschalen, durch ein über die Scheibe A gelegtes
Seil verbunden, D und E sind Wasserbehälter zur Zuleitung des
Wassers, welches nach dem Oeffnen der Hähne d und e durch eine
Oeffnung in dem Deckel der Schale in das unter derselben befind-
liche Gefäss einströmt, b und c sind die erwähnten Ventile, welche
unten durch Aufstossen auf die Stifte K K geöffnet werden und das
Wasser abfliessen lassen.


Ein gewisses Uebergewicht an Wasser ist erforderlich, um die
erste Bewegung hervorzubringen; ausserdem ist es zur Ueberwindung
der Reibungswiderstände nothwendig, dass eine etwas grössere Wasser-
menge von dem Gefässe aufgenommen werde als der zu hebenden
Last allein entsprechen würde. Man pflegt die Gefässe daher doppelt
so gross zu construiren, als zur einfachen Gewichtsausgleichung noth-
wendig sein würde, und unterbricht den Zufluss des Wassers, sobald
man an dem Rucken der Schale merkt, dass ein genügendes Ueber-
gewicht vorhanden ist.


[453]Wassertonnenaufzüge.
Figure 103. Fig. 143.

Den Gesetzen des Falles gemäss tritt während des Niederganges
eine zunehmende Beschleunigung der Geschwindigkeit ein. Das Ge-
wicht der abwärts bewegten Theile aber vergrössert sich während des
Niederganges infolge des Umstandes, dass das Seilgewicht beim Beginne
der Bewegung grösser an der Seite des Aufganges war, wo die Schale
sich unten befand, hier aber, je weiter die Schale steigt, immer geringer
wird und an der entgegengesetzten Seite wächst. Wollte man also die
Schalen sich selbst überlassen, so würden sie mit heftigem Stosse unten
aufschlagen. Zur Vermeidung dieser Gefahr ist die Anbringung einer
Bremse (R in Fig. 143) unerlässlich, mit deren Hilfe die Bewegungs-
geschwindigkeit geregelt werden kann. Auch bei den grössten Hoch-
öfen pflegt die Zeitdauer eines Aufganges nicht über 3 Minuten zu
betragen, da erst gegen Ende des Hubes jene Abminderung der Be-
schleunigung nothwendig wird.


Gerade bei diesen Aufzügen ist auch jene oben erwähnte Vor-
richtung zum Festhalten der auf der Gicht angelangten Schale unent-
behrlich. Ohne dieselbe würde es sehr leicht geschehen können, dass
vorzeitiger Niedergang eintritt, wenn die untere Schale vom Wasser
entleert ist, ehe die Karren von der oben befindlichen abgefahren sind.


Wendet man zum Füllen der auf der Gicht befindlichen Wasser-
behälter eine von der Betriebsmaschine für das Gebläse betriebene
Druckpumpe an, welche unausgesetzt das Wasser empor befördert, so
genügt eine verhältnissmässig geringe Arbeitsleistung derselben, um
die für den Betrieb des Aufzuges periodisch erforderlichen Wasser-
mengen in den Behältern anzusammeln, und die Anlage einer besondern
Betriebsmaschine für den Aufzug wird entbehrlich. Noch einfacher
gestaltet sich die Anlage, wenn man — wie es in gebirgigen Gegenden
[454]Die Gichtaufzüge.
mitunter der Fall ist — ein natürliches Gefälle zur Zuleitung des
Wassers benutzen kann.


In diesem Umstande liegt der Hauptvortheil der Wassertonnenauf-
züge. Sie erfordern unter sämmtlichen Systemen von Gichtaufzügen
die geringsten Anlagekosten, sehr geringe Betriebskosten und sind
ausserordentlich leicht zu bedienen, so dass die Einsicht des rohesten
Arbeiters ausreicht, ihre Wartung zu übernehmen.


Ein entschiedener Nachtheil dagegen tritt bei Frostwetter zu Tage;
nicht allein frieren die zur Gicht hinaufführenden Wasserleitungsröhren
leicht ein, zerspringen wohl gar durch Einwirkung des Frostes und
müssen sorgfältig geschützt werden; auch der zur Ableitung des ver-
brauchten Wassers dienende Kanal kann, wenn er lang ist und ver-
hältnissmässig geringes Gefälle besitzt, durch Eisbildung verstopft wer-
den. Je länger die Wasserleitung — je höher also der Hochofen —
und je kälter das Klima ist, desto empfindlicher tritt dieser Uebelstand
zu Tage.


Hierin liegt vornehmlich der Grund, weshalb man bei neueren
Anlagen die Wassertonnenaufzüge, welche in früherer Zeit ihrer erwähn-
ten Vortheile halber zu den am häufigsten benutzten zählten, verhält-
nissmässig selten zur Anwendung bringt.


c) Hydraulische oder Wassersäulenaufzüge.


Dieselben sind einfach wirkend.


In einem senkrecht stehenden Cylinder wird durch Wasserdruck
ein Kolben mit nach oben gerichteter Kolbenstange bewegt, auf deren
oberem Ende die Plattform befestigt ist. Dieselbe wird also mit dem
Kolben gehoben und gesenkt. Das Anheben erfolgt durch Zuleitung
von Druckwasser unter den Kolben, der Niedergang durch das eigene
Gewicht des Kolbens nebst Plattform, sobald dem für den Aufgang
benutzten Wasser durch Oeffnen eines Hahnes oder Ventiles Auslass
verschafft ist.


Das Druckwasser kann durch Röhren von einem entsprechend
hoch gelegenen Behälter aus zugeleitet werden; in den meisten Fällen
wird man jedoch vorziehen, einen Accumulator in der Nähe des
Aufzuges anzuordnen. Im Wesentlichen besteht derselbe aus einem
entsprechend belasteten senkrechten Kolben in einem Cylinder, welcher
erstere durch die ununterbrochene Thätigkeit einer Druckpumpe gehoben
wird und auf das in dem Cylinder befindliche Wasser einen seiner
Belastung entsprechenden Druck ausübt. Durch eine Rohrleitung wird
dieser Druck auf den Treibcylinder des Aufzuges fortgepflanzt, sobald
beide durch das Oeffnen eines Ventiles oder Hahnes mit einander in
Verbindung gesetzt worden sind. Der Accumulator kann demnach
gewissermaassen als Behälter für das durch die Pumpe geförderte Druck-
wasser betrachtet werden, von welchem dasselbe in bestimmten Zeit-
räumen an den Treibcylinder abgegeben wird.


Aus der geschilderten Anordnung des hydraulischen Gichtaufzuges
folgt, dass der Treibcylinder desselben ebenso viel, als die Förderhöhe
beträgt, unter die Hüttensohle hinabreichen muss, damit die Plattform
[455]Hydraulische und pneumatische Gichtaufzüge.
bis zu letzterer gesenkt werden kann. Damit aber der Treibcylinder
nebst Röhrenleitung u. s. w. zugänglich bleibe, muss ein ausreichend
tiefer Schacht angelegt werden, in welchem der Cylinder aufgestellt
wird. Hierdurch wird die ganze Anlage schwerfällig und kostspielig;
und dieser Uebelstand wächst mit der Höhe des Ofens. Durch Ein-
schaltung einer Umsetzung, d. h. indem man die Kolbenstange des
Treibcylinders nicht unmittelbar mit der Plattform verbindet, sondern
die letztere an einem Seile befestigt, welches über eine von der Kolben-
stange getragene Rolle gelegt ist, lässt sich der erwähnte Nachtheil
abmindern und die Hubhöhe des Treibcylinders auf die Hälfte, be-
ziehentlich (durch Einschaltung von noch mehr Rollen) auf noch weniger
abmindern. Man kann sogar bei einer derartigen Anordnung statt des
senkrechten Treibcylinders einen horizontalen anwenden, indem man
das erforderliche Seil über eine an entsprechender Stelle angebrachte
Rolle führt, und solcherart die Herstellung des Schachtes ganz ent-
behrlich machen; aber die Hauptvortheile der hydraulischen Aufzüge
in der zuerst beschriebenen Anordnung, die unmittelbare Kraftüber-
tragung und die fast vollständige Gefahrlosigkeit, gehen hierbei ver-
loren. Je mehr Rollen angewendet werden, desto grösser sind die zu
überwindenden Widerstände, desto ungünstiger also die Arbeitsaus-
nutzung; und die Gefahr eines Seilbruches wächst ebenso wohl mit
der Zahl der Rollen als der Länge des Seiles.


Während die hydraulischen Aufzüge zum Heben von Lasten auf
geringere Höhen nicht selten Benutzung finden, verringert sich den
geschilderten Verhältnissen zufolge ihre Zweckmässigkeit, wenn die
Förderhöhe zunimmt; und es erklärt sich hieraus leicht, dass sie bei
dem Betriebe der Hochöfen ziemlich vollständig ausser Anwendung
gekommen sind, seitdem die Höhe der letzteren erheblich über das
frühere durchschnittliche Maass hinaus gesteigert wurde.


d) Pneumatische Gichtaufzüge.


Auch diese sind, wie die hydraulischen, einfach wirkend. Als
Mittel zur Bewegung dient gepresste, beziehentlich auch verdünnte
Luft, welche von einem Gebläse (einer Luftpumpe) geliefert wird.


Man kennt zwei verschiedene Anordnungen solcher pneumatischen
Aufzüge. Die ältere derselben, von Benjamin Gibbon stammend 1),
ist in Fig. 144 auf S. 456 abgebildet. In einem wasserdicht gemauerten,
mit Wasser gefüllten Schachte befindet sich der aus Eisenblech ge-
fertigte Cylinder A B, auf dessen oberem Ende die Plattform befestigt
ist. Durch Gegengewichte R R, an über Rollen geführten Seilen oder
Ketten hängend, ist das Gewicht des Cylinders sammt Plattform bei-
nahe ausgeglichen. Der Querschnitt des Cylinders ist derartig be-
messen, dass derselbe sammt der Last Q gehoben wird, sobald man
Luft von bestimmter Spannung in das Innere einleitet, wobei nach
Hauer ein Wirkungsgrad des Aufzuges von 0.6 anzunehmen ist. Die
Zuführung der Luft erfolgt durch das gekrümmte Rohr E G, dessen
Mündung selbstverständlich etwas oberhalb des Wasserspiegels liegen
[456]Die Gichtaufzüge.
muss. Ist die Förderschale im höchsten Stande angelangt, so wird
der Zufluss des Windes geschlossen; soll Niedergang eintreten, so hebt
man das Ventil S, die im Cylinder eingeschlossene Luft entweicht
durch den Auslass V ins Freie, und das eigene Uebergewicht des
Cylinders sammt der etwa darauf befindlichen Last (entleerte Gicht-
karren u. s. w.) bewirkt den Niedergang. Durch mehr oder minder voll-

Figure 104. Fig. 144.


ständiges Oeffnen des Auslassventiles lässt
sich die Zeitdauer des Niederganges un-
schwer regeln.


Damit die Förderschale nicht schwanke,
ist der Luftcylinder zwischen Rollen K K
und ausserdem zwischen den Leitstangen
L L geführt.


Das Wasser rings um den Cylinder
herum dient als Liderungsmaterial, wo-
durch die Reibungswiderstände auf ein sehr
kleines Maass zurückgeführt werden.


Der Gang eines solchen pneumatischen
Aufzuges ist ein ausserordentlich sanfter,
Stösse sind vollständig vermieden und Un-
glücksfälle fast unmöglich; denn wenn auch
wirklich ein Reissen der Seile stattfinden
sollte, an welchen die Gegengewichte hän-
gen, so kann, da der Cylinder immerhin
mit verdichteter Luft gefüllt bleibt, ein
plötzliches Niederstürzen der Förderschale
doch nicht dadurch herbeigeführt werden.


Mit dem hydraulischen Aufzuge aber
theilt der beschriebene pneumatische den
Uebelstand, dass die Anlage eines Schachtes
erforderlich ist, dessen Herstellungskosten
mit der Förderhöhe in beträchtlichem Maasse
zunehmen; und in kalten Klimaten kann
während des Winters die Eisbildung auf
dem Wasser mancherlei Unzuträglichkeiten mit sich führen.


Häufiger als die soeben beschriebene Form eines pneumatischen
Aufzuges ist aus diesen Gründen eine von Gjers in den sechziger
Jahren eingeführte Construction 1) in Anwendung gekommen, bei welcher
die Anwendung des unterirdischen Schachtes und des Wassers ganz
wegfällt. Fig. 145 und 146 zeigen die Einrichtung desselben. a ist
ein gusseiserner, aus mehreren genau zusammenpassenden, sorgfältig
ausgebohrten, kürzeren Stücken zusammengesetzter Cylinder, in welchem
der Kolben b auf und nieder beweglich ist. Durch vier über Rollen c c
geführte Seile ist mit dem Kolben die Plattform d verbunden, so dass
diese steigt, wenn jener sinkt und umgekehrt. Das Gewicht des Kolbens
pflegt so bemessen zu sein, dass das Gewicht der Plattform nebst dem
Gewichte der Gichtwagen und einem Theile von dem Gewichte der
Wagenladung dadurch ausgeglichen wird, und die Plattform steigt in
[457]Pneumatische Gichtaufzüge.
diesem Falle selbstthätig, so lange
keine Belastung vorhanden ist
und der Luft unterhalb des Kol-
bens Auslass gegeben ist. Bei
voller Belastung der Schale be-
darf es dagegen einer nur ver-
hältnissmässig geringen Luftver-
dünnung unter dem Kolben, um
jene zu heben; und wenn Nie-
dergang der mit den entleerten
Wagen belasteten Schale statt-
finden soll, so braucht die Luft
unterhalb des Kolbens nur so
weit verdichtet zu werden, als
dem Uebergewichte des Kolbens
entspricht.


In anderen Fällen hat man
die Gewichtsausgleichung derartig
bemessen, dass auch die nur mit
den leeren Karren beladene
Schale etwas schwerer ist als
der Kolben und selbstthätig sinkt,
sobald sie sich selbst überlassen
wird. Es ist mithin nur für den
Aufgang der Schale eine Thätig-
keit der Luftpumpe zur Verdün-
nung der Luft unter dem Kolben
erforderlich. Die Einrichtung wird
hierdurch etwas vereinfacht, wenn
auch selbstverständlich in Rück-
sicht auf die nunmehr erforder-
liche stärkere Luftverdünnung
eine Arbeitsersparung nicht da-
durch erreicht wird; der Wir-
kungsgrad des Aufzuges dürfte
sogar etwas ungünstiger als bei
der letzteren Anordnung aus-
fallen.


Das im unteren Theile des
Cylinders angebrachte Zweigrohr
e dient zur Zuführung, beziehent-
lich zum Ansaugen der Luft
unter dem Kolben. Man bedient
sich hierzu einer Zwillingsma-
schine ohne Schwungrad mit zwei
Dampf- und zwei Luftpumpen-
cylindern. Letztere sind einfach-
wirkend und daher an der einen
Seite mit Saugventil, an der gegen-
überliegenden Seite mit Druck-

Figure 105. Fig. 145.


Figure 106. Fig. 146.


[458]Der Hochofenprocess.
ventil versehen; die Saugventile sowohl als die Druckventile münden
in je ein gemeinschaftliches Saugrohr und ein dergleichen Druckrohr.
Beide Rohre endigen in einem Steuerungskasten mit Schieber an dem
Ende des Rohres e. Durch entsprechende Stellung des Schiebers setzt
man, wenn die Förderschale steigen, der Kolben b sich abwärts be-
wegen soll, das Saugrohr der Luftpumpe mit dem Innern des Rohres a,
das Druckrohr mit der äusseren Luft in Verbindung, die Luft unter
dem Kolben wird verdünnt; für die entgegengesetzte Bewegung tritt
das Druckrohr in Verbindung mit a und die erforderliche Luft wird
durch das Saugrohr von aussen her angesaugt.


f f sind die Träger der Gichtbrücke, unter sich durch die Quer-
träger g g versteift. In dem obersten Theile des Cylinders a sind einige
Oeffnungen i i angebracht, damit man leicht zum Kolben gelangen
kann, wenn derselbe geschmiert werden soll. Die Liderung des Kolbens
besteht aus Hanf, welcher mit Unschlitt getränkt ist.


Aufzüge der abgebildeten Art zeichnen sich, wie alle pneumati-
schen Aufzüge, durch sanften Gang und grosse Sicherheit gegen Un-
glücksfälle aus. Dieser Vorzüge halber sind sie nicht allein auf eng-
lischen sondern auch auf continentalen Eisenwerken (Bochumer Guss-
stahlfabrik, Schwechat bei Wien u. a. a. O.) mehrfach und mit befriedi-
gendem Erfolge zur Anwendung gebracht. Ihre Anlagekosten aber
dürften in Rücksicht auf die ziemlich kostspielige Herstellung des Treib-
cylinders nicht unbeträchtlich sein; und ihr Wirkungsgrad verringert
sich um so mehr, je stärker die zur Bewegung des Kolbens erforder-
liche Verdichtung beziehentlich Verdünnung der Luft, je kleiner also
der Querschnitt des Kolbens im Verhältnisse zu dem Gewichte der zu
fördernden Last ist. In den meisten Fällen beträgt der erforderliche
Ueberdruck ⅓—½ Atmosphäre (0.3—0.5 kg per Quadratcentimeter).


Literatur.


  • J. v. Hauer, Die Hüttenwesensmaschinen. Zweite Auflage. Leipzig 1876,
    S. 260—288.
  • J. Weisbach, Ingenieur- und Maschinenmechanik. Bearbeitet von G. Her-
    mann
    . Dritter Theil, zweite Abtheilung. Zweite Aufl. Braunschweig 1880,
    S. 97—150.

V. Der Hochofenprocess.


1. Verlauf des Hochofenprocesses.


Die allgemeinen Vorgänge im Hochofen. Schon auf S. 320
war eine kurze Darstellung des Hochofenprocesses zur Begründung der
inneren Form des Hochofens gegeben. Es geht aus dem Gesagten
hervor, dass die Entstehung des Roheisens aus den Erzen im Wesent-
lichen auf drei sich an einander reihenden Vorgängen beruht: Reduction,
Kohlung und Schmelzung. Ehe aber die Reduction beginnen kann,
[459]Verlauf des Hochofenprocesses.
muss das fast immer im kalten Zustande aufgeschüttete Erz auf die
Reductionstemperatur (S. 224) erwärmt werden; von der ganzen Höhe
des Ofens kommt also ein gewisser Theil von der Gicht abwärts für
diese Vorwärmung in Benutzung, und dieser Theil geht für die übrigen
erwähnten Processe verloren.


Der besseren Uebersichtlichkeit halber hat man wohl den Hochofen
in einzelne Zonen getheilt, die man Vorwärmzone, Reductionszone und
Schmelzzone benannte. Die Vorwärmzone nimmt den Raum unmittelbar
an der Gicht ein, die Reductionszone erstreckt sich bis zum unteren
Theile der Rast, und unten schliesst sich an dieselbe die Schmelz-
zone an. 1)


Eine derartige Eintheilung darf jedoch, wenn sie nicht irrthüm-
liche Anschauungen hervorrufen soll, nur mit Vorbehalt benutzt werden.


Einestheils sinken die in die Gicht eingeschütteten Schichten nie-
mals in gleichmässig horizontaler Anordnung abwärts. An den Wänden
entsteht Reibung und infolge davon ist die Bewegung hier langsamer
als in der Mitte. Aus den ursprünglich flachen Schichten werden auf
diese Weise Trichter; die dichteren und weniger rauhen Bestandtheile
der Beschickung aber, also die Erze und Zuschläge, stürzen natur-
gemäss der tiefsten Stelle des Trichters zu und gelangen auf diese
Weise früher nach unten als die gleichzeitig aufgeschütteten Brennstoffe.


Schon bei Besprechung der Gichtgasfänge wurden die Nachtheile
einer solchen Entmischung, d. h. einer Anhäufung der Erze nach der
Achse des Ofens hin, der Kohlen an den Wänden, erwähnt und zu-
gleich darauf hingedeutet, wie man im Stande sei, durch eine geeignete
Methode des Aufgichtens jener Entmischung entgegen zu wirken; die
Trichterbildung aber bleibt immerhin durch die Art des Aufgichtens
unbeeinflusst. Hieraus folgt, dass man jene Zonen sich wenigstens
nicht durch Horizontalebenen begrenzt vorstellen darf; je weiter nach
unten, desto stärker sind die in der Mitte befindlichen Theile den
übrigen vorangeeilt.


Es kommt hinzu, dass die Gase, diese Träger der Wärme und
Vermittler der Reduction, ebenfalls nicht gleichmässig innerhalb der
Ofenquerschnitte vertheilt sind, sondern vorzugsweise da aufsteigen,
wo sich ihnen die geringsten Widerstände entgegensetzen. Meistens
wird dieses an den Wänden des Ofens der Fall sein.


Den Vorgang der Reduction und Kohlung des Eisens darf man
sich nun keineswegs so vorstellen, dass ein Stück Eisenerz erst voll-
ständig zu metallischem Eisen reducirt werde, bevor die Kohlung
beginnen könne. Beide Vorgänge gehen, wie schon aus dem früher
Gesagten (S. 224—233) sich folgern lässt, Hand in Hand und schreiten
von der Aussenfläche des Erzes nach Innen fort. Aeusserlich kann
schon kohlenstoffhaltiges Eisen vorhanden sein, während der Kern noch
[460]Der Hochofenprocess.
aus Eisenoxydul besteht. Der Vorgang der Reduction aber setzt sich
regelmässig oder doch in den allermeisten Fällen, auch nachdem bereits
Schmelzung eingetreten ist, unter Einwirkung der weissglühenden
Kohlen auf die Schlacke fort; oder mit anderen Worten: ein, wenn
auch bei regelmässigem Betriebe verhältnissmässig kleiner Theil des
Eisens wird unreducirt verschlackt und aus der Schlacke erst im unteren
Theile des Hochofens durch Kohlenstoff reducirt.


Jenes oben erwähnte Voraneilen der specifisch schwereren Theile
der Beschickung lässt sich bei verschiedenen Vorkommnissen der
Praxis beobachten. Bei dem Füllen des Ofens vor dem Anblasen lässt
sich ermitteln, wie viele Gichten 1) derselbe fasst; aus der Zahl der in
24 Stunden durchgesetzten Gichten lässt sich demnach berechnen, wie
lange durchschnittlich eine Gicht gebraucht, um von der Gichtöffnung
vor die Formen zu gelangen. 2) Aendert man nun die Beschickung in
einer Weise, dass die geänderte Zusammensetzung auch vor den Formen
sich bemerkbar macht — etwa durch andere Beschaffenheit des ent-
stehenden Roheisens oder der Schlacke —, so lässt sich regelmässig
beobachten, dass diese Erzgichten früher unten anlangen, als der durch-
schnittlichen Durchsetzzeit entspricht. Noch rascher als die Erze pflegen
Roheisenstücke zu eilen, welche aus irgend einem Grunde mit jenen
aufgegeben wurden, zumal wenn sie rundliche, gedrungene Form be-
sitzen und deshalb wenig Widerstände auf ihrem Wege finden. Um-
gekehrt pflegt ein Wechsel in der Art des Brennstoffs später bemerkbar
zu werden, als man nach der Gichtenzahl erwarten sollte; jedenfalls
pflegen Stücke des zuerst benutzten Brennstoffs noch nach sehr langer
Zeit vor den Formen zum Vorscheine zu kommen.


Letzterer Umstand steht jedenfalls in naher Beziehung zu der
schon früher (S. 335) erwähnten Entstehung eines sogenannten todten
oder trägen Mantels rings an den Wänden des Ofens, aus zur Seite
gedrängten Brennstoffen bestehend. Je stärker die Uebergänge in dem
Ofenprofile, je rauher die Wände, je sperriger und specifisch leichter
die Brennstoffe sind, desto langsamer werden sich die letzteren an den
Wänden abwärts bewegen.


Auch hierfür erhält man in der Praxis mitunter deutliche Belege.
Auf dem Eisenwerke zu Rübeland am Harz wurden, ungefähr im
Jahre 1860, Versuche angestellt, bei dem mit Holzkohlen unter Zusatz
von rohem Holze betriebenen Hochofen, letzteres durch Tannzapfen zu
ersetzen. Wie sich wohl erwarten liess, war der Erfolg des Versuchs
unbefriedigend, und nachdem derselbe etwa acht Tage lang durch-
geführt worden war, kehrte man zu der alten Betriebsweise zurück.
[461]Verlauf des Hochofenprocesses.
Von jenen Tannzapfen aber kamen noch vier Wochen später einzelne
vor den Formen zum Vorschein.


Verfolgt man nun eingehender die chemischen und physikalischen
Umwandlungen, welche die in den Hochofen eingeschütteten Erze und
Zuschläge erleiden, so ergiebt sich Folgendes.


Unmittelbar nach dem Aufschütten beginnt durch die Berührung
mit den aufsteigenden warmen Gasen die Erwärmung der Materialien
sowie die Austreibung des vorhandenen hygroskopischen Wassers. Die
Folge hiervon ist eine Erniedrigung der Temperatur in der Gicht und
es erklären sich hieraus leicht die bedeutenden Schwankungen dieser
Temperatur vor und nach dem Aufgichten, welche sich bei manchen
Hochöfen beobachten lassen und mitunter mehr als 100 Grad betragen.
Auch die durchschnittliche Gichttemperatur wird unter übrigens
gleichen Verhältnissen niedriger sein, wenn wasserreiche als wenn
trockene Erze verhüttet werden. Noch andere Verhältnisse kommen jedoch
hierbei in Betracht. Je grösser die Wärmemenge ist, welche schon
in den tiefer gelegenen Theilen des Ofens für die verschiedenen Vor-
gänge verbraucht wird, und je langsamer die Gase im Hochofen auf-
steigen, je geringer also ihre Menge im Verhältnisse zu dem Quer-
schnitte des Ofens ist, desto abgekühlter werden sie den Ofen ver-
lassen. Während daher jene Durchschnittstemperatur an der Gicht bei
einzelnen Hochöfen nicht erheblich über 50°C. hinausgeht, erreicht sie
bei anderen eine Höhe bis zu 500°C. und mitunter noch darüber.


Dieser verschiedenen Temperatur entsprechend liegt auch die Stelle,
wo nunmehr die Reduction der niederrückenden Erze beginnt, tiefer
oder weniger tief unter der Gicht. Da einzelne Erze schon bei Tempe-
raturen von weniger als 300°C. unter Einwirkung von Kohlenoxyd
Sauerstoff abgeben (S. 225), so wird bei jenen Hochöfen mit warmer
Gicht und trockenen Erzen sehr bald nach dem Aufgichten eine theil-
weise Reduction eintreten; aber das Maass derselben bleibt immerhin
in den oberen Theilen des Hochofens ein beschränktes, und metallisches
Eisen wird hier überhaupt noch nicht gebildet.


Als Reductionsmittel in der oberen Hälfte des Hochofens dient
fast ausschliesslich das Kohlenoxyd der Gase. Unter günstigen Ver-
hältnissen, d. h. bei ausreichend langem Verweilen der Erze in einer
Temperatur von etwa 400°C. tritt jener auf S. 229—231 geschilderte
Vorgang ein: aus dem Kohlenoxyd lagert sich fester Kohlenstoff auf
den Erzstücken und innerhalb derselben ab, welcher mit denselben
wieder abwärts geführt wird und später reducirend wirkt.


Enthielten die Erze gebundenes Wasser (Brauneisenerze), so wird
dasselbe mehr oder minder rasch nach dem Einschütten ausgetrieben.


Einige Brauneisenerze zerfallen schon bei einer Temperatur, welche
wenig über 100°C. hinausgeht, andere werden erst bei 400—500°C. voll-
ständig zersetzt. Bei Versuchen, von Ebelmen mit Bohnerzen angestellt,
welche im Hochofen der Einwirkung der Gase und Wärme ausgesetzt
wurden, ergab sich, dass der Wassergehalt der Erze in einer Tiefe von
2.5 m unterhalb der Gicht und in einer Temperatur unter Rothgluth sich
während zweier Stunden auf etwa ein Drittel der ursprünglichen Menge
[462]Der Hochofenprocess.
verringert hatte, in einer Tiefe von 4.3 m dagegen in dunkler Rothgluth
— also bei einer Temperatur von ungefähr 500°C. — nach Verlauf
von 4½ Stunden annähernd vollständig ausgetrieben war. 1) Jedenfalls
ergiebt sich hieraus, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der Reduction
der Erze, welche in den angegebenen Temperaturen, wie bereits erwähnt
wurde, auf ein ziemlich unbedeutendes Maass beschränkt bleibt, durch
den gebundenen Wassergehalt der Erze nicht herbeigeführt werden
kann, und es erklärt sich hieraus die vielfach beobachtete Thatsache,
dass eine vorausgehende Röstung der Brauneisenerze zu dem Zwecke,
sie ihres Wassergehaltes zu berauben, für den Hochofenprocess ohne
Nutzen ist.


In einem niedriger gelegenen Theile des Hochofens dagegen erfolgt
die Zersetzung vorhandener Carbonate, der aus kohlensaurem Eisen
bestehenden Erze wie des Kalksteins. Nach Versuchen von Schinz
beginnt die Zersetzung und Reduction der Spatheisensteine in einem
Gasstrome, welcher etwa 34 Proc. Kohlenoxyd neben Stickstoff enthält,
erst in Temperaturen, welche nicht erheblich unter 800°C. liegen 2);
es erklärt sich hieraus, dass die gerösteten Eisencarbonate erheblich
leichter reducirbar sind als die ungerösteten (vergl. auch S. 187).


Auch die Zerlegung des Calciumcarbonats erfordert eine Tempe-
ratur von nicht unter 800°C. Schöffel fand in einer kalkspath-
haltigen Erzprobe, deren Kohlensäuregehalt ursprünglich 12.11 Proc.
gewesen war, noch 5.01 Proc. Kohlensäure, also mehr als ein Drittel
der ursprünglichen Menge, nachdem das Erz im Hochofen der Ein-
wirkung des aufsteigenden Gasstromes in einer Temperatur von etwa
900°C. ausgesetzt gewesen war. 3)


Zur Zerlegung der Carbonate wird Wärme verbraucht. Wenn
trotzdem eine vorausgehende Röstung des Kalksteins sich fast immer
als wenig nutzbringend für den Hochofenbetrieb erwiesen hat 4), so
lässt sich dieser Umstand durch verschiedene Ursachen erklären. Eines-
theils nimmt gebrannter Kalk, wenn er nicht unmittelbar nach dem
Brennen aufgegichtet wird, sondern vielleicht — wie es mitunter ge-
schieht — erst Tage oder Wochen lang, den Einflüssen der Atmo-
sphärilien preisgegeben, lagert, sehr bald Wasser und später auch Kohlen-
säure auf; der Zweck des Brennens geht also ganz oder doch zum
grossen Theile wieder verloren. Anderntheils aber ist jene Temperatur-
erniedrigung, welche bei Anwendung rohen Kalksteins durch den Wärme-
verbrauch für die Zersetzung des Carbonats und durch die hierbei
stattfindende Vermehrung der Gasmenge hervorgerufen wird, in allen
[463]Verlauf des Hochofenprocesses.
den Fällen günstig für den Verlauf des Hochofenprocesses, wo durch
Aufsteigen der Schmelztemperatur in eine Gegend des Ofens, in welcher
noch beträchtliche Mengen unreducirter Erze vorhanden sind, eine vor-
zeitige Verschlackung derselben herbeigeführt werden würde. Letzter
Umstand erklärt es jedenfalls auch, dass selbst eine theilweise An-
wendung ungerösteter Spatheisensteine und Sphärosiderite mitunter sich
als förderlich für den Verlauf des Hochofenprocesses erwiesen hat.


Wird der Hochofen ganz oder theilweise mit unverkohlten Brenn-
stoffen gespeist, so findet bei deren Niedergange Zersetzung statt. Die
Zersetzung rohen Holzes beginnt schon bei etwa 150°C. (S. 28), und
ist bei 400°C. ziemlich vollständig beendigt, obschon kleine Mengen
Wasserstoff noch in heller Rothgluth zurückgehalten und vermuthlich
erst bei der Verbrennung der Kohle vollständig verflüchtigt werden.
Die Zersetzung der Steinkohlen geht in einer Temperatur vor sich,
welche nach der Beschaffenheit der Kohlen verschieden sein kann,
jedenfalls aber höher liegt als die Zersetzungstemperatur des Holzes.
Auch dieser Vorgang ist mit einem Wärmeverbrauche und einer Er-
niedrigung der Temperatur im Hochofen verknüpft.


Die Temperatur, wo nun die Sinterung der nicht reducirten Be-
standtheile der Erze und Zuschläge ihren Anfang nimmt, ist unter
verschiedenen Verhältnissen verschieden und sowohl von der minera-
logischen Beschaffenheit der einzelnen Stücke als von der chemischen
Zusammensetzung der gesammten Beschickung abhängig. In ersterer
Beziehung kommt der Umstand in Betracht, dass oft einzelne Bestand-
theile der Beschickung — Quarz, Kalk, Magnesia u. v. a. — an und
für sich unschmelzbar sind, die Sinterung also erst vor sich gehen
kann, wenn zugleich eine Vereinigung mehrerer Körper stattfindet. Da
aber diese Vereinigung, d. i. die Schlackenbildung, oft eine erheblich
höhere Temperatur verlangt, als diejenige, bei welcher die fertig ge-
bildete Schlacke flüssig wird (S. 150), jedenfalls eine um so länger
fortgesetzte gegenseitige Einwirkung nöthig macht, je weniger hoch
die herrschende Temperatur über der Schmelztemperatur der fertigen
Schlacke liegt, so werden Gemenge von Erzen und Zuschlägen, die
chemisch ganz ähnlich zusammengesetzt sind, dennoch in jener Beziehung
ein wesentlich abweichendes Verhalten zeigen können, je nachdem die
äussere Form ihrer Bestandtheile die Vereinigung mehr oder weniger
erleichtert. Enthielt z. B. die Beschickung Silikate, also bereits fertig
gebildete, schmelzbare Verbindungen, so wird die Sinterung frühzeitiger
beginnen, als wenn die Bestandtheile dieser Silikate im getrennten
Zustande, d. h. als selbstständige Körper, zugegen waren; und das
schmelzende Silikat wird verhältnissmässig leicht auch noch andere
Bestandtheile der Beschickung auflösen und solcherart zum Schmelzen
bringen. Ein Eisenerz, welches mit fein vertheiltem Quarz durch-
wachsen, dicht und der Reduction schwer zugänglich ist, wird, wenn
es im unvollständig reducirten Zustande einer höheren Temperatur aus-
gesetzt wird, Neigung zeigen, zu verschlacken; ein anderes Erz von
der nämlichen chemischen Zusammensetzung, dessen Kieselsäuregehalt
aber aus Anhäufungen einzelner grober Quarzkrystalle besteht, welche
wenig Berührung mit dem Eisengehalte oder den sonstigen Bestand-
theilen der Erzstücke besitzen, wird einer länger fortgesetzten Erhitzung
[464]Der Hochofenprocess.
bedürfen, um verschlackt zu werden. Letzteres Erz wird demnach im
Hochofen längere Zeit als ersteres im ungeschmolzenen Zustande der
reducirenden Einwirkung des Gasstromes ausgesetzt bleiben; die ent-
stehende Schlacke ist eisenärmer, das Maass der directen Reduction
(S. 222) geringer.


Die chemische durchschnittliche Zusammensetzung der gesammten
schlackenbildenden Bestandtheile besitzt für die Bildungstemperatur der
Schlacke insofern Wichtigkeit, als diese immerhin von der Schmelz-
temperatur abhängig bleibt. Ueber die Beziehungen zwischen chemi-
scher Zusammensetzung und Schmelztemperatur der Schlacke wurden
auf S. 150—153 bereits die bis jetzt vorliegenden Beobachtungs- und
Erfahrungsresultate mitgetheilt.


Schinz fand bei Versuchen im Kleinen, bei welchen quarzhaltige
Erzstücke in verschiedenen Temperaturen der Einwirkung kohlenoxyd-
haltiger Gasgemenge ausgesetzt wurden, dass bei Abwesenheit von
Kalk schon bei 800°C. Eisensilikat im weich gewordenen Zustande
sich durch die Erze vertheilte; bei Anwesenheit von Kalk war dies
weniger der Fall, der Kalk verschwand zum Theil und durchdrang
die Erzstücke, diese aufschwellend, ohne ihre Form zu verändern, und
die so durchdrungenen Erze waren porös und leicht zerdrückbar. 1)


Erhard und Schertel fanden die Entstehungstemperatur einer
Hochofenschlacke, welche 50 % Si O2, 17 % Al2 O3, 30 % Ca O, 3 % Fe O
enthielt, bei 1392°C., die Schmelztemperatur der fertigen Schlacke bei
1166°C. 2); im Hochofen jedoch wird die Entstehungstemperatur inso-
fern gewöhnlich eine andere sein, als hier anfänglich Körper mit in
die Schlacke eingehen — Eisenoxydul, Manganoxydul u. a. m. —,
welche erst bei dem weiteren Verlaufe des Processes zum Theil wieder
aus derselben abgeschieden werden. Die zuerst entstehende Schlacke
hat demnach eine andere Zusammensetzung als die aus dem Hoch-
ofen hervorgehende Endschlacke, und ihre Entstehungstemperatur wird
oft nicht unerheblich tiefer liegen, als wenn sie bereits ebenso wie bei
Beendigung des Processes zusammengesetzt wäre.


Aus demselben Grunde wird bei Verhüttung kalkerdereicher, basi-
scher Beschickungen die Schlackenbildung durchschnittlich erst in einer
höheren Temperatur erfolgen als bei Verhüttung kalkerdearmer mit
grösserem Kieselsäuregehalte; denn wenn auch vielleicht die Entstehungs-
und Schmelztemperatur derjenigen Schlacke, wie sie zuletzt aus dem
Hochofen hervorgeht, in beiden Fällen die nämliche ist, so ist doch
bei jener basischen Beschickung die Neigung der schlackengebenden
Bestandtheile geringer, unreducirte Metalloxyde (Eisenoxydul, Mangan-
oxydul) aufzulösen, und weniger als bei kieselsäurereicher Beschickung
wird die Entstehungstemperatur der sich bildenden Schlacke durch die
Aufnahme jener ebenfalls basischen Körper erniedrigt werden.


Eben deshalb tritt auch eine vorzeitige Verschlackung von unredu-
cirtem Eisen weniger leicht bei basischer als bei kieselsäurereicher Be-
schickung ein.


[465]Verlauf des Hochofenprocesses.

Während dieser beginnenden Sinterung der schlackenbildenden
Körper hat nun das reducirte Eisen infolge seiner Berührung mit
glühenden Kohlen mehr und mehr Kohlenstoff aufgenommen und da-
durch seine Schmelztemperatur erniedrigt; es beginnt ebenfalls zu
schmelzen (Schmelztemperatur 1100—1200 Grad). Es ist wahrschein-
lich, dass das Eisen, ehe es diejenige Menge Kohlenstoff aufgenommen
hat, welche ihm die Eigenschaft als Roheisen verleiht, bereits zu er-
weichen beginnt und in diesem Zustande schon einen Theil jener
Körper aufnimmt, welche später durch die Analyse nachgewiesen wer-
den. Silicium kann, wie schon auf S. 241 hervorgehoben wurde, bei
Gegenwart von Eisen durch Kohle ohne Schmelzung reducirt werden;
es erklärt sich hieraus, dass leicht reducirbare Eisenerze, welche mit
Quarzkrystallen grob durchwachsen oder auch nur gemengt sind —
manche Rotheisenerze, Rasenerze u. a. m. —, sich besonders zur Her-
stellung siliciumreichen Roheisens eignen. Auch Mangan in kleineren
Mengen wird schon, ehe vollständige Schmelzung eingetreten ist, redu-
cirt und vom Eisen aufgenommen werden können, da die Reductions-
temperatur desselben. um so tiefer liegt, je mehr metallisches Eisen
zugegen ist, um sich mit dem reducirten Mangan zu legiren (S. 252).
Dass Phosphor, Schwefel, Kupfer und andere verhältnissmässig leicht
reducirbare Körper ebenfalls schon in dieser Zone der Erweichung,
wie sie sich am treffendsten bezeichnen lässt, mit dem Eisen sich ver-
einigen, unterliegt keinem Zweifel.


Je weiter nun aber die schmelzenden Massen nach unten rücken,
einer desto höheren Temperatur werden sie ausgesetzt, desto mehr
steigert sich infolge davon die Verwandtschaft des Kohlenstoffs zu dem
Sauerstoff der noch anwesenden Oxyde. Aus der schon gebildeten
Schlacke wird durch die weissglühenden Kohlen noch Eisen reducirt;
ebenso unter günstigen Verhältnissen Silicium und Mangan. Der Um-
stand, dass Eisen leichter reducirbar ist, als die beiden zuletzt genannten
Körper, erklärt es, dass, sofern eine eisenreiche Schlacke entstanden
war, ein silicium- oder manganreiches Eisen nicht gebildet werden
kann; der Silicium- oder Mangangehalt selbst würde sogar bei der
Berührung zwischen Schlacke und Eisen als Reductionsmittel für den
Eisenoxydulgehalt der ersteren dienen.


Je höher die Temperatur im Schmelzraume ist, desto grössere
Mengen jener Körper werden hier noch reducirt. Die Reduction des
Mangans erfolgt leichter und vollständiger aus stark basischer Schlacke;
Silicium wird zwar aus einer kieselsäurereicheren Schlacke, sofern die-
selbe nicht grössere Mengen Eisenoxydul enthält, leichter als aus basi-
scher reducirt werden; aber auch basische Beschickungen liefern silicium-
haltiges Eisen, sofern die Temperatur hoch genug ist (S. 242).


Endlich gelangen die geschmolzenen Massen in den Verbrennungs-
raum des Ofens, tropfen hier — wie sich durch die Formen beobachten
lässt — zwischen den weissglühenden Kohlen hindurch und sammeln
sich im Herde, das Roheisen zu unterst, die Schlacke zu oberst.


Ledebur, Handbuch. 30
[466]Der Hochofenprocess.

Zu den geschilderten Veränderungen, welche die festen Körper
bei ihrem Niedergange im Ofen erleiden, stehen die Veränderungen,
welchen die Zusammensetzung des Gasgemenges bei dem Aufsteigen
von der Formgegend bis zur Gicht unterworfen ist, in naher Be-
ziehung.


Durch die Formen wird gepresste atmosphärische Luft eingeblasen,
im Wesentlichen bestehend aus einem Gemenge von Stickstoff und
Sauerstoff, daneben aber auch kleine Mengen Kohlensäure und Wasser-
dampf enthaltend.


Sobald die Luft auf die bei ihrem Niedergange schon stark erhitzten
Kohlen trifft, beginnt die Verbrennung. Dieselbe verläuft um so rascher,
d. h. der eingeblasene Sauerstoff wird um so früher verzehrt, je höher
die Temperatur in dem Verbrennungsraume und je vollständiger, aus-
gedehnter die gegenseitige Berührung zwischen Luft und Brennstoff
ist. Daher befördern Erhitzung des Windes, Vertheilung desselben in
zahlreiche einzelne Strahlen mit grösserer Gesammtoberfläche, poröse
Beschaffenheit des Brennstoffs und bis zu einem gewissen Grade auch
stärkere Pressung des Windes, durch welche er befähigt wird, zwischen
den Stücken des Brennstoffs hindurch seinen Weg bis in die Mitte des
Ofens zu nehmen, und welche ihn in innigere Berührung mit dem
Brennstoffe bringt, die rasche Verbrennung. Das Enderzeugniss der
Verbrennung ist in allen Fällen Kohlenoxyd, wie sich leicht aus dem
Umstände erklärt, dass der Gasstrom immer aufs Neue mit glühenden
Kohlen in Berührung tritt; dabei ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass
bei der ersten augenblicklichen Berührung zwischen Brennstoff und
Sauerstoff gewisse Mengen von Kohlensäure gebildet werden, welche
erst allmählich bis auf kleine etwa zurückbleibende Theile wieder ver-
schwinden; und ebenso erklärt es sich leicht, dass in den Gasen, die
unmittelbar über den Formen dem Hochofen entnommen werden, auch
noch unverzehrter Sauerstoff gefunden werden kann. Je höher aber
die Temperatur vor den Formen ist, desto rascher verschwindet aller
freie Sauerstoff; und Kohlensäure kann überhaupt in sehr hohen Tempe-
raturen nicht mehr bestehen.


Der nächste Zweck der Verbrennung der Kohlen vor den Formen
ist die Erzeugung der für den Schmelzprocess erforderlichen Tempe-
ratur. Diese Verbrennungstemperatur ist natürlich abhängig von der
Wärmeleistung des Brennstoffs, ausserdem aber von der stattgehabten
Vorwärmung der Brennstoffe und Schmelzmaterialien bei ihrem Nieder-
gange, von der Temperatur des Gebläsewindes, von dem Verhältnisse
zwischen der Menge des Brennstoffs und der zu erhitzenden Körper.
Es ist leicht zu ermessen, dass unter übrigens gleichen Verhältnissen
die Temperatur im Verbrennungsraume sinken muss, wenn das Ver-
hältniss des Erzsatzes zum Brennmaterial gesteigert wird; denn wenn
die Menge der wärmeaufnehmenden Körper zunimmt, muss die Tempe-
ratur abnehmen (vergl. S. 23).


Im Uebrigen ist, wie sich aus dem über den Verlauf der Ver-
brennung schon Gesagten ergiebt, diese Temperatur nicht an allen
Stellen des Ofenquerschnittes die nämliche. Der Wind tritt strahlen-
förmig in den Ofen, und wo diese Windstrahlen auf die Kohlen treffen,
[467]Verlauf des Hochofenprocesses.
herrscht die höchste Temperatur; zwischen zwei benachbarten Formen
ist sie am wenigsten hoch. 1)


Die von der Luft mitgebrachte Kohlensäure bleibt, da ihre Menge
ohnehin sehr unbeträchtlich ist (0.04 Volumprocent), ohne merklichen
Einfluss für den Hochofenprocess. Nicht ganz so unwesentlich ist der
Wassergehalt des Windes. Bekanntlich steigt die Fähigkeit der atmo-
sphärischen Luft, Wasserdampf aufzulösen, mit der Temperatur; bei
Null Grad Temperatur vermag die Luft 0.35 Proc. ihres Eigengewichtes
Wasserdampf aufzunehmen, bei 10°C. 0.70 Proc., bei 20°C. 1.34 Proc.
Zur Verbrennung von 1 kg Kohlenstoff im Hochofen ist 5.65 kg atmo-
sphärische Luft erforderlich; bei einem Wassergehalte derselben von
0.70 Proc., wie er im Sommer auch bei trockenem Wetter nicht selten
sein dürfte, wird also per kg verbrannter Kohle ca. 0.04 kg Wasser in
den Ofen geführt. Dieser Wasserdampf zersetzt sich in Berührung mit
den glühenden Kohlen in Wasserstoffgas und Kohlenoxyd; der hierbei
stattfindende Wärmeverbrauch beziffert sich, da 1 kg Wasserdampf bei
dieser Umsetzung 1591 W.-E. mehr verbraucht als erzeugt (S. 96),
auf ca. 64 W.-E. Da 1 kg Kohle bei der Verbrennung zu Kohlenoxyd
2473 W.-E. entwickelt, so beträgt jener Wärmeverbrauch in dem ange-
führten Beispiele 2.5 Proc. von der erzeugten Wärme; und eine grössere
Menge Brennstoff ist erforderlich, um eine bestimmte Temperatur im
Verbrennungsraume aufrecht zu erhalten. Unter ungünstigen Verhält-
nissen kann der Wassergehalt erheblich beträchtlicher sein als oben
angenommen wurde, und in demselben Maasse wird sich alsdann auch
der Brennstoffverbrauch steigern.


Jedenfalls erklärt sich hieraus die besonders an kleineren Hochöfen
häufig beobachtete Erscheinung, dass im Winter der Brennstoffbedarf
zur Darstellung einer gleichen Menge Roheisen geringer ausfällt als im
Sommer.


In der hohen Temperatur unmittelbar über den Formen bleibt
selbst der Stickstoff nicht ganz chemisch unthätig. Aus der Kohle, dem
Stickstoff und dem Alkaligehalt der Beschickung wie der Asche, bilden
sich Cyanide der Alkalien, welche in dieser Temperatur flüchtig sind
und mit dem Gasstrome aufsteigen. Bell fand in den Gasen eines
mit Koks betriebenen Hochofens von 24 m Höhe, welche 2.5 m oberhalb
der Form entnommen waren, als Durchschnitt aus sechs verschiedenen
Proben per cbm Gas 15 g Cyan neben 29 g Kalium und Natrium 2);
verschiedentlich sind bereits früher Vorschläge gemacht worden, das im
Hochofen vorhandene Cyankalium durch Einlassen einer Röhre in den
Raum oberhalb der Formen, wo die grösste Menge dieses Salzes vor-
handen ist, für technische Zwecke zu gewinnen. 3) Verhältnissmässig
reichlicher noch als in Kokshochöfen dürfte das Vorkommen bei An-
30*
[468]Der Hochofenprocess.
wendung von Holzkohlen als Brennstoff sein, deren Asche bekanntlich
vorwiegend aus Kaliumcarbonat besteht.


Durch die in dem Schmelzraume des Ofens stattfindende directe
Reduction 1) von Mangan, Silicium und Eisen aus den bereits voll-
ständig oder theilweise verschlackten Oxyden mehrt sich häufig der
Kohlenoxydgehalt des aufsteigenden Gasgemenges, bis dasselbe nun in
jene Gegend des Hochofens einrückt, wo das Kohlenoxyd seine redu-
cirende Einwirkung auf vorhandene Eisenoxyde beginnt. Von nun an
würde bei ideellem Verlaufe des Hochofenprocesses der Kohlenoxyd-
gehalt der Gase bis zur Gicht immer mehr ab-, der Kohlensäuregehalt
immer mehr zunehmen. Nicht immer jedoch zeigt sich sofort diese
Erscheinung. Nicht allein die Erze, auch die niederrückenden Kohlen
sind der Einwirkung des aufsteigenden heissen Gasstromes ausgesetzt;
durch die sich bildende Kohlensäure wird ein Theil derselben ver-
brannt und es entsteht aufs Neue Kohlenoxyd. Dieser Vorgang ist,
sofern die Menge des vor den Formen gebildeten Kohlenoxydes allein
ausreicht, die Reduction der Erze zu bewirken, gleichbedeutend mit
einem Mehraufwande an Kohlenstoff; denn der solcherart vergaste
Kohlenstoff entweicht alsdann, ohne irgend für den Hochofenprocess
nützlich gewesen zu sein, aus dem Hochofen. Eine Beschränkung
dieser Verbrennung von Kohlenstoff durch gebildete Kohlensäure ist
also wünschenswerth für die günstigere Ausnutzung des Brennstoffs.


Befördert wird die Reduction der Kohlensäure vermittelst Kohlen-
stoffs durch hohe Temperatur, durch längere Zeitdauer der gegenseitigen
Einwirkung, durch grosse vom Kohlenstoff dargebotene Berührungs-
fläche. Es folgt hieraus, dass eine allzu hohe Temperatur in dem Theile
des Ofens oberhalb des eigentlichen Schmelzraumes, welche durch vor-
zeitige Verschlackung unreducirten Eisens den Verlauf des Processes
benachtheiligt, auch durch reichlichere Vergasung von Kohlenstoff den
Brennstoffverbrauch erhöht; und es erklärt sich, dass auch in dieser
Beziehung eine Abkühlung des Ofens in jener Gegend, welche durch
Zersetzung rohen Kalksteines oder roher Brennstoffe herbeigeführt werden
kann, nicht selten eher günstig als nachtheilig auf die Brennstoffaus-
nutzung im Hochofen einwirkt. Da aber besonders bei Anwendung
rohen Kalksteines die Gelegenheit zur Kohlenstoffvergasung durch die
ausgetriebene Kohlensäure erheblich ausgedehnt wird, so beweist eben
dieser Umstand, dass jene mit der Zersetzung verknüpfte Abkühlung
ein kräftiges Gegenmittel gegen diese Reduction der Kohlensäure durch
Kohlenstoff bildet. Ebenso erklärt sich hierdurch leicht die mehrfach
besprochene Thatsache, dass die leichtere Bauart der neueren Hochöfen
keine nachtheiligen Einflüsse auf die Brennstoffausnutzung hat erkennen
lassen. 2)


Auch der Umstand, dass eine übermässige Erhöhung der Hoch-
öfen sich erfahrungsmässig als ziemlich nutzlos für die Brennstoffaus-
nutzung erwiesen hat, lässt sich wenigstens zum Theil auf die ver-
[469]Verlauf des Hochofenprocesses.
mehrte Vergasung von Kohlenstoff durch Kohlensäure in höheren Oefen
zurückführen; denn je höher der Ofen ist, desto länger bleiben Erze
und Brennstoffe der Einwirkung des aufsteigenden Gasstromes aus-
gesetzt, desto umfangreichere Gelegenheit findet sich zwar für die
indirecte Reduction der Erze, daneben aber auch für die Reduction der
entstandenen Kohlensäure; und sobald die Höhe des Ofens ausreichend
ist, um jene indirecte Reduction der Erze ihr höchstes Maass erreichen
zu lassen, muss eine fernere Erhöhung durch die längere Einwirkung
der entstehenden Kohlensäure auf die niederrückenden Kohlen eine
vermehrte Vergasung der letzteren herbeiführen.


Holzkohlen werden leichter verbrannt, als Koks; poröse Koks
leichter als dichte, diese leichter als Anthracite. Die Grenze, wo eine
weitere Erhöhung des Ofens aufhört, nutzenbringend für die Brenn-
stoffausnutzung zu sein, wird aber — auch wenn man von der leichteren
Zerreiblichkeit der weniger dichten Brennstoffe ganz absieht — um so
früher erreicht werden, je leichter verbrennlich der Brennstoff ist, wie
sich unschwer aus dem soeben Gesagten über die Folgen einer länger
fortgesetzten Einwirkung der Gase auf den Brennstoff ableiten lässt.
Auch von diesem Gesichtspunkte aus erscheint die Regel vollständig
berechtigt, dass die Höhe des Ofens um so beträchtlicher sein kann,
ehe die Grenze des Zweckmässigen erreicht wird, je schwerer verbrenn-
lich, dichter der angewendete Brennstoff ist.


Kleinstückige Brennstoffe bieten eine grössere Oberfläche dar, liefern
also eine ausgiebigere Gelegenheit zu der Reduction von Kohlensäure
in dem obern Theile des Ofens als grobstückige.


Aus dem Einflusse der längeren Zeitdauer der gegenseitigen Ein-
wirkung auf die Vergasung des Kohlenstoffs durch gebildete Kohlen-
säure folgt aber der wichtige, durch die Erfahrungen der Praxis
bestätigte Satz, dass es für den aufsteigenden Gasstrom eine gewisse
Normalgeschwindigkeit giebt, welche nicht ohne Nachtheil, d. h. ohne
Vermehrung des Brennstoffverbrauches, unterschritten werden darf;
denn jede Verringerung dieser Geschwindigkeit ist gleichbedeutend mit
einer längeren Zeitdauer der Einwirkung der Kohlensäure auf den
niederrückenden Kohlenstoff, d. i. mit einer vermehrten Vergasung des
letzteren. Dass auch das umgekehrte Extrem, eine zu grosse Be-
schleunigung in der Bewegung des Gasstromes, nachtheilig für den
Verlauf des Hochofenprocesses sein muss, versteht sich von selbst; die
Erze werden unvollständiger durch die Gase reducirt und erhitzt, und
die Folge hiervon ist ein Mehrbedarf an Brennstoff im Schmelzraume
des Ofens für die directe Reduction und Erzeugung der erforderlichen
Temperatur. Bei Hochöfen von gegebenen Querschnittsabmessungen ist
die Geschwindigkeit des Gasstromes vornehmlich abhängig von der
Menge des in gleichen Zeiträumen verbrannten Brennstoffs, diese aber
von der Menge des eingeblasenen Windes.


Es ergiebt sich hieraus, dass die günstige Ausnutzung des Brenn-
stoffs ebensowohl durch Zuführung einer zu geringen als einer zu
bedeutenden Windmenge benachtheiligt wird. Je höher der Ofen ist,
desto grösser sollte auch die Geschwindigkeit des Gasstromes sein, um
allzu lange Berührung mit den Kohlen zu verhüten; da aber mit der
Geschwindigkeit des Gasstromes auch die von demselben zu überwin-
[470]Der Hochofenprocess.
denden Widerstände wachsen, so würde auch die erforderliche Leistungs-
fähigkeit der Gebläsemaschine unverhältnissmässig gross ausfallen müssen,
wenn jener Bedingung Genüge geschehen sollte.


Die über den Formen gebildeten Cyanide zerfallen theilweise, wenn
sie bei ihrem Aufsteigen auf glühende unreducirte Erze treffen, und
wirken kräftig reducirend auf dieselben. Bell fand an denselben Tagen,
wo die Hochofengase über den Formen, wie oben mitgetheilt wurde,
in einem Cubikmeter 15 g Cyan nebst 29 g Alkalimetallen enthielten,
in den Gichtgasen desselben Hochofens nur noch 3.8 g Cyan neben
9 g Kalium und Natrium. 1) Von der ursprünglich vorhandenen Menge
waren mithin 80 Proc. Cyan und 69 Proc. Alkalien verschwunden.
Dass Cyangas sowohl als Cyanmetalle die Eigenschaft besitzen, redu-
cirend auf Eisenoxyde und kohlend auf metallisches Eisen einzuwirken,
ist bereits durch Gay-Lussac nachgewiesen 2); auch durch Bell
wurde in dem soeben besprochenen Falle die reducirende Fähigkeit des
Cyans noch durch besondere Versuche erwiesen.


Jene aus dem Gasstrome ausgetretenen Alkalien müssen von der
Schlacke aufgenommen und wieder nach unten geführt werden, wo sie
erneute Gelegenheit zur Bildung von Cyaniden finden. Auf diese
Weise wird ein Kreislauf eingeleitet, und nach dem Anblasen eines
Hochofens wird sich die Menge der über den Formen gebildeten Cyanide
infolge der stetig stattfindenden neuen Zuführung von Alkalien mehr
und mehr anreichern, bis schliesslich vermuthlich ein Gleichgewichts-
zustand eintritt, bei welchem die überschüssig zugeführten Alkalien
theils flüchtig aus der Gicht entweichen, theils von der Schlacke aus
dem Ofen geführt werden.


Waren rohe oder unvollständig verkohlte Brennstoffe aufgegeben,
so mischen sich die flüchtigen Zersetzungsgebilde derselben — vor-
nehmlich Kohlenwasserstoffe und Kohlenoxyd — mit den aufsteigenden
Gasen. Schweres Kohlenwasserstoffgas, sofern solches überhaupt bei der
Zersetzung entsteht, zerfällt alsbald, indem es reducirend auf die Erze
einwirkt; leichtes Kohlenwasserstoffgas hinterbleibt.


Unter fortschreitender Vermehrung ihres Sauerstoffgehaltes ge-
langen die Gase in die Nähe der Gicht, nehmen hier den ausge-
triebenen Wasserdampf auf und entweichen schliesslich mit diesem aus
dem Ofen.


Dem geschilderten Verlaufe entsprechend bestehen sie an der Gicht
aus Stickstoff, Kohlenoxyd, Kohlensäure, Kohlenwasserstoffgas und
Wasserstoff; daneben enthalten sie den erwähnten Wasserdampf und
ausserdem gewisse Mengen theils noch flüchtiger, theils bereits conden-
sirter aber noch mitgerissener Salze und Verbindungen, unter welchen
auch die schon erwähnten Salze der Alkalien sich befinden. Die che-
mische Zusammensetzung dieser als „Gichtstaub“ sich an kälteren
Theilen ablagernden Körper wird unter den Nebenerzeugnissen des
Hochofens besprochen werden.


Dass ein Hochofengang, bei welchem alles vorhandene Kohlenoxyd
zur Reduction der Eisenerze verbraucht worden ist, überhaupt nicht
[471]Verlauf des Hochofenprocesses.
möglich sei, ergiebt sich aus den früheren Erörterungen über die
Reduction der Eisenerze (S. 13 und 225).1) Dennoch kennzeichnet das
Verhältniss, in welchem Kohlensäure und Kohlenoxyd in den Gicht-
gasen sich finden, in gewisser Weise die mehr oder minder günstige
Ausnutzung des Brennstoffs im Hochofen. Denn da zur Durchführung
des Processes, d. h. zur Darstellung einer bestimmten Menge Roheisen
auch eine bestimmte Wärmemenge erforderlich ist, die Wärmeentwicke-
lung aber bei der Oxydation des Kohlenstoffs zu Kohlenoxyd erheblich
geringer sich beziffert als bei der Oxydation zu Kohlensäure (S. 20),
so wird immerhin für die Erzeugung jener Wärmemenge ein um so
grösserer Brennstoffaufwand nothwendig sein, je grösser das Verhältniss
des in den Gichtgasen noch anwesenden Kohlenoxydes zu der Kohlen-
säure ist. In naher Beziehung hierzu steht die schon erwähnte und
leicht verständliche Thatsache, dass jede Reduction von Kohlensäure
durch Vergasung von Kohle in den oberhalb des Verbrennungsraumes
gelegenen Ofentheilen mit einem Verluste dieser Kohle gleichbedeutend
ist, sowie ferner der Mehrverbrauch an Kohle bei directer Reduction
gegenüber der indirecten (S. 224). In beiden Fällen, bei Vergasung
festen Kohlenstoffs durch Kohlensäure wie bei vermehrter directer Re-
duction, wird das Verhältniss der Kohlensäure zum Kohlenoxyd in
den Gichtgasen geringer.


Einfluss der Winderhitzung auf den Hochofenprocess. Nach-
dem auf Neilson’s Vorschlag die Anwendung erwärmten Windes zuerst
in Schottland versucht worden war (S. 404), zeigte sich bald, dass schon
eine sehr mässige Erwärmung ausreichend sei, eine nicht unwesent-
liche Ersparung an Brennstoff und Erhöhung der Leistungsfähigkeit
des Ofens herbeizuführen. Diese günstige Einwirkung wuchs, als man
durch Verbesserung der Winderhitzer sich befähigt sah, höhere Wind-
temperaturen als im Anfange hervorzubringen; aber gleichzeitig beobach-
tete man, dass die Eigenschaften des erfolgenden Roheisens andere
wurden, wenn man mit erhitztem als wenn man mit kaltem Winde
arbeitete. Erst nachdem man gelernt hatte, durch passende Aenderung
der Zusammensetzung der Beschickung jenen Einflüssen auf die Be-
schaffenheit des Roheisens entgegen zu wirken, verstummten die Gegner
der Anwendung heissen Windes, welche — ziemlich beträchtlich an
Zahl — in der vermeintlichen, durch die Winderhitzung hervorgerufe-
nen Verschlechterung des Roheisens einen grösseren Nachtheil zu sehen
glaubten, als durch die oben erwähnten Vortheile ausgeglichen wer-
den könne.


Als man nun später anfing, den Einfluss des heissen Windes wissen-
schaftlich zu untersuchen, ergab sich in zahlreichen Fällen die über-
[472]Der Hochofenprocess.
raschende Thatsache, dass durch die Vorwärmung des Windes nicht
unerheblich mehr Brennstoff erspart werde, als zur Erzeugung der vom
Winde mitgebrachten Wärme erforderlich gewesen sein würde; ausser-
dem liess sich ziemlich regelmässig die Beobachtung machen, dass die
Gicht des Hochofens um so kühler wurde, je stärker man den Wind
erhitzte.


Beide Wahrnehmungen stehen in naher Beziehung zu einander
und finden unschwer ihre Erklärung. Der Hochofen bedarf für jedes
Kilogramm darzustellenden Roheisens einer gewissen Wärmemenge; und
die Erzeugung dieser Wärmemenge ist, wie schon erwähnt wurde, der
erste Zweck der Verbrennung von Kohle durch eingeblasene Luft.
Jedes Kilogramm der zu diesem Zwecke verbrannten Kohle liefert eine
bestimmte Gasmenge, welche im Ofen emporsteigt. Wenn nun aber ein
Theil jener erforderlichen Wärme, statt durch Verbrennung von Kohle
erzeugt zu werden, durch den erwärmten Gebläsewind von aussen
zugeführt wird, so wird offenbar die entstehende Gasmenge um ebenso
viel geringer ausfallen müssen, als jener Ersparung an Brennstoff ent-
spricht; die geringere Menge Gase aber giebt ihre Wärme rascher und
vollständiger an die entgegen rückenden festen Körper ab als die
grössere Menge Gase bei kaltem Winde; die Wärme wird also günstiger
ausgenutzt als in letzterem Falle und hierdurch wird eine zweite Menge
Brennstoff gespart; die Folge davon ist aber, dass die Gase in abge-
kühlterem Zustande den Ofen verlassen, die Gichttemperatur sinkt.


Nun würde aber in den meisten Fällen eine allzu langsame Be-
wegung des Gasstromes im Ofen jenen oben erwähnten Nachtheil, eine
vermehrte Vergasung von Kohle durch gebildete Kohlensäure, zur Folge
haben, obgleich die raschere Abkühlung der aufsteigenden Gase ohnehin
diese Gefahr vermindert. Hieraus ergiebt sich dann von selbst die Ver-
anlassung zu einer Beschleunigung des Betriebes; und die Production
des Hochofens in den gleichen Zeiträumen wird grösser.


Durch die Zuführung der Wärme von aussen, welche beim Ver-
brennungsprocesse nutzbar gemacht wird, steigt, wie sich in der Praxis
leicht beobachten lässt, bei Anwendung erhitzten Windes die Verbren-
nungstemperatur vor den Formen (vergl. S. 24); durch die höhere
Temperatur wird die Verwandtschaft des Kohlenstoffs zum Sauerstoff
gesteigert, und rascher als bei dem Betriebe mit kaltem Winde geht
der Verbrennungsprocess vor sich, d. h. verschwinden der freie Sauer-
stoff wie die vielleicht augenblicklich gebildete Kohlensäure. Die Wärme-
entwickelung wird, wie man in der Praxis sich auszudrücken pflegt,
bei Anwendung heissen Windes auf einen kleineren Raum im Ofen
concentrirt.


Jene höhere Temperatur vor den Formen aber sinkt theils aus den
schon erörterten Gründen, theils wegen eben dieser Einengung der
Verbrennung auf einen kleineren Raum rascher als bei dem Betriebe
mit kaltem Winde. Die für den Verlauf des Processes und die Aus-
nutzung des Brennstoffs so nachtheilige Erscheinung, die Entstehung
von Oberfeuer (Aufsteigen der Schmelztemperatur nach oben) wird also
durch Anwendung heissen Windes vermieden oder doch auf seltenere
Fälle beschränkt. Anderntheils aber muss durch die Erniedrigung der
Gichttemperatur auch die Vorbereitung der Erze in dem oberen Theile
[473]Einfluss der Winderhitzung.
des Ofens verzögert werden; die Reduction beginnt später und die
indirecte Reduction kann unter Umständen hierdurch eingeschränkt
werden. Je weniger hoch der Ofen ist, je weniger lange mithin die
Erze der Einwirkung des Gasstromes ausgesetzt bleiben, desto leichter
werden die Folgen hiervon bemerkbar werden.


Jene Verbrennung von Kohlenstoff vor den Formen hat aber neben
der Erzeugung von Wärme noch den andern nicht minder wichtigen
Zweck, das als Reductionsmaterial erforderliche Kohlenoxyd zu liefern.
Wird durch Erwärmung des Gebläsewindes ein Theil jenes Kohlen-
stoffs erspart, so verringert sich naturgemäss dadurch auch die Menge
des entstehenden Kohlenoxyds; es muss also bei weiterer Verringerung
des Brennstoffs eine Grenze erreicht werden, wo die Menge des vor
den Formen entstehenden Kohlenoxyds nicht mehr ausreichend ist, die
indirecte Reduction durchzuführen1), wo also directe Reduction, gleich-
bedeutend mit einem erhöhten Wärmeverbrauche (S. 224), an deren
Stelle tritt. Je weniger Brennstoff schon bei kaltem Winde zur Durch-
führung des Hochofenprocesses, d. h. zur Darstellung einer bestimmten
Menge Roheisen erforderlich war, desto früher wird offenbar jener Zeit-
punkt eintreten; bei einer leichtreducirbaren Beschickung also früher
als bei einer schwerreducirbaren; bei Darstellung von gewöhnlichem
silicium- und manganarmem Weisseisen früher als bei Darstellung von
Graueisen oder manganreichem Roheisen, bei welchen Roheisensorten
die directe Reduction von Silicium oder Mangan ohnehin einen erheb-
lich grösseren Aufwand von Kohle und Wärme nothwendig macht als
bei jenem.


Endlich werden aber die Vortheile jener oben erwähnten Be-
schränkung des Verbrennungsprocesses auf einen kleineren Raum um
so deutlicher hervortreten, je schwerer verbrennlich der angewendete
Brennstoff ist; bei Anthraciten mehr als bei Koks, bei diesen mehr als
bei Holzkohlen.


Aus allem dem Gesagten folgt nun, dass die Grenze
der Windtemperatur, über welche hinaus eine fernere
Steigerung aufhört, Nutzen zu bringen, ja, unter Umstän-
den nachtheilig wirkt, um so tiefer liegt
,


  • je kleiner der Ofen ist;
  • je leichter reducirbarer die Erze sind;
  • je weniger silicium- oder manganreich das erfolgende
    Roheisen werden soll
    ;
  • je leichter verbrennlich der Brennstoff ist.

Die Beobachtungen der Praxis bestätigen im Wesentlichen diese
Schlussfolgerungen. Während bei grossen mit Koks (Steinkohlen, An-
thraciten) gespeisten Hochöfen, welche graues oder manganreiches Roh-
eisen erzeugen, selbst mit einer, nur in steinernen Apparaten erreich-
baren, Windtemperatur von 800°C. die Grenze des Zulässigen noch
[474]Der Hochofenprocess.
nicht überschritten, ja bei Verhüttung weniger leicht reducirbarer Mate-
rialien vermuthlich noch nicht einmal erreicht ist, pflegt bei Weisseisen-
darstellung in denselben Oefen eine Steigerung der Windtemperatur
über 400—500°C. hinaus wenig Nutzen zu bringen, ja sogar die
Entstehung des normalen, graphitfreien Weisseisens zu erschweren, da
in der höheren Temperatur vor den Formen leichter Silicium reducirt
wird. Beim Betriebe mit Holzkohlen in weniger grossen Oefen geht
man auch bei Graueisendarstellung mit der Erhitzung des Windes selten
über 400—500°C. hinaus, und bei Weisseisendarstellung aus leicht-
reducirbaren Erzen mit Holzkohlen dürfte schon bei 300°C. die Grenze
des Zweckmässigen erreicht, in manchen Fällen sogar überschritten sein.1)


Ich selbst machte bei dem Betriebe eines sehr kleinen, mit Rasen-
erzen (also leicht reducirbaren Erzen) auf graues Roheisen betriebenen
Holzkohlenhochofens die Beobachtung, dass eine Steigerung der Wind-
temperatur über 300°C. hinaus vollständig nutzlos blieb, weder eine
Steigerung der Production noch eine Verringerung des Brennstoffver-
brauches zur Folge hatte; und nach mehrwöchentlichem Betriebe mit
hocherhitztem Winde sah man aus diesem Grunde davon ab, den Wind
stärker als auf die angegebene Temperatur zu erhitzen.


Auch auf die chemische Beschaffenheit des erfolgenden Roheisens,
welche mit den physikalischen Eigenschaften desselben in so naher Be-
ziehung steht, werden beachtenswerthe Einflüsse durch die Erhitzung des
Windes ausgeübt. Wie erwähnt, steigt die Temperatur vor den Formen,
und die nächste Folge hiervon ist eine gesteigerte Verwandtschaft des
Kohlenstoffs zum Sauerstoff; eben hierdurch aber wird die Reduction
von Silicium und Mangan befördert. Dieser Umstand bildet eine zweite
Ursache, weshalb eine hoch getriebene Winderhitzung gerade für Dar-
stellung silicium- oder manganreicher Roheisensorten förderlich ist, wäh-
rend umgekehrt die stärkere Anreicherung dieser Körper in solchem Roh-
eisen, welches unmittelbar aus dem Hochofen, ohne umgeschmolzen zu
werden, zu Gusswaaren verarbeitet werden soll2), Jahrzehnte hin-
durch den Haupteinwand gegen die Anwendung erhitzten Windes bildete.
Durch Verhüttung kieselsäureärmerer, beziehentlich manganärmerer Be-
schickungen lässt sich jenen Einflüssen der Winderhitzung entgegen
wirken; aber auch bei dem Betriebe auf gewöhnliches Weisseisen zeigt
sich, wie schon erwähnt wurde, leichter die Neigung desselben, durch
Siliciumaufnahme grau zu werden, wenn man den Hochofen mit über-
mässig erhitztem Winde betreibt.


Einfluss der Windpressung und Windmenge. Obgleich die
Beeinflussungen, welche der Hochofenprocess durch Abweichungen in
[475]Einfluss der Windpressung und Windmenge.
der Pressung und Menge des zugeführten Windes erleidet, bereits mehr-
fach erwähnt wurden, möge doch der bessern Uebersichtlichkeit halber
eine gedrängte Zusammenstellung derselben hier folgen.


Durch stärkere Pressung wird der Wind befähigt, kräftiger zwi-
schen den Stücken des Brennmateriales hindurch und weiter im Ofen
vorzudringen. Die Sauerstoffmoleküle treten gewissermaassen infolge der
grösseren lebendigen Kraft, mit welcher sie gegen die Kohlenstücke
anprallen, in innigere Berührung mit diesen, die Verbrennung zu
Kohlenoxyd wird dadurch beschleunigt, der Verbrennungsprocess auf
einen kleineren Raum beschränkt. In dieser Beziehung wirkt mithin stark
gepresster Wind ähnlich wie erhitzter Wind; je dichter, d. i. schwerer
verbrennlich, der Brennstoff ist, desto höhere Pressung ist von Nutzen.


Durch das stärkere Vordringen im Ofen aber wird innerhalb des
Ofenquerschnittes eine gleichmässigere Verbrennung erzielt; es wird
verhütet, dass dieselbe vorzugsweise in der Nähe der Ofenwände
stattfinde und die Mitte des Ofens davon unberührt bleibe. Infolge
davon werden die in der Mitte niederrückenden Erze besser als bei
zu schwacher Pressung erwärmt und reducirt, das Maass der indirecten
Reduction wird ausgedehnt. Hierdurch kann früheren Erörterungen
zufolge Brennstoff gespart werden.


Die Pressung muss also, damit dieser Zweck erreicht werde, von
dem Ofendurchmesser abhängig und um so beträchtlicher sein, je grösser
dieser ist. Damit nicht zwei in entgegengesetzter Richtung mit starker
Pressung eintretende Windströme gegenseitige Stauung hervorrufen,
ist eine Anordnung der Formen zweckmässig, wie sie auf S. 337 in
Fig. 75 dargestellt ist. Dass durch ein Vorschieben der Formen bei
weiten Gestellen das Vordringen des Windes bis zur Mitte des Ofens
erleichtert werde, ohne dass eine übermässige, nur durch einen be-
trächtlichen Arbeitsaufwand der Betriebsmaschine erreichbare Wind-
spannung erforderlich ist, wurde auf S. 360 erörtert.


Der mit Hilfe des Manometers messbaren Windspannung im Aus-
flussquerschnitte stellt sich jedoch die im Ofen herrschende Gasspan-
nung entgegen; je höher die letztere ist, desto höher muss auch die
erstere sein, um im Ofen zur Geltung zu gelangen. Die Gasspannung
im Ofen aber wächst im Allgemeinen mit der Höhe desselben, da sie
durch die Widerstände hervorgerufen wird, welche die Gase beim Durch-
dringen der Schmelzsäule finden; hieraus folgt dann, dass das Maass
der Windpressung nicht allein mit dem Durchmesser des Ofens und
der Dichtigkeit des Brennstoffes, sondern auch mit der Höhe des Ofens
zunehmen muss.


Erhöht man bei einem Hochofen die Windpressung, ohne den
Düsenquerschnitt zu verringern, so führt man naturgemäss eine grössere
Windmenge in den Ofen. Mehr Brennstoff wird in der Zeiteinheit ver-
brannt, eine grössere Wärmemenge wird erzeugt, die Production des
Ofens wächst. Die Gase steigen, da ihre Menge im geraden Verhält-
nisse zu der Menge des verbrannten Kohlenstoffs steht, mit beschleu-
nigter Geschwindigkeit im Ofen auf und verlassen denselben im heisseren
Zustande; die Gichttemperatur steigt. Die Ausnutzung der Wärme
wird hierdurch ungünstiger; unter Umständen kann aber diesem Nach-
theile der grössere Vortheil gegenüber stehen, dass bei der rascheren
[476]Der Hochofenprocess.
Bewegung des Gasstromes geringere Mengen von Kohlensäure in dem
oberen Theile des Ofens wieder durch Kohle reducirt werden (S. 468),
und dass in der höheren Temperatur die Reduction der Erze durch
Kohlenoxyd erleichtert wird. Dieser Fall tritt ein, wenn eben der Gas-
strom jene Normalgeschwindigkeit nicht besass, deren Maass, wie schon
oben besprochen wurde, abhängig sein muss von der Reducirbarkeit
der Erze und der Verbrennlichkeit der Kohlen. Steigert man dagegen
mit der Windpressung auch die Windmenge über jenes Maass hinaus,
so gelangen die Erze infolge allzu beschleunigten Schmelzganges un-
genügend vorbereitet in den Schmelzraum und werden hier verschlackt;
es tritt vermehrte directe Reduction ein, die Folge davon ist ein erhöhter
Wärmeverbrauch und eine Abkühlung des Ofens gerade in demjenigen
Theile, wo hohe Temperatur nothwendig ist, und der Process geräth
ins Stocken, wenn nicht Abhilfe eintritt.


Es folgt aus alle diesem, dass sich theoretisch von vorn herein
nicht mit Sicherheit die für einen Hochofen von gegebenen Abmessungen
und Betriebsverhältnissen geeignetste Pressung und Menge des Gebläse-
windes ermitteln lässt. Die Pressung muss, wie erwähnt, vornehmlich
abhängig sein von dem Durchmesser des Ofens, seiner Höhe und der
Dichtigkeit des Brennstoffs; und sie schwankt demzufolge bei ver-
schiedenen Oefen zwischen den schon auf S. 390 mitgetheilten Grenzen;
die zugeführte Windmenge dagegen, von welcher in erster Reihe die
Production des Ofens abhängt, muss sich nach dem Rauminhalte des
Ofens, der Reducirbarkeit der Erze und der Beschaffenheit des dar-
zustellenden Eisens richten. Je grösser der Ofen ist, je leichter redu-
cirbar die Erze sind und je weniger hoch die Temperatur im unteren
Theile des Hochofens zu sein braucht, je weniger Silicium oder Mangan
also reducirt werden soll, desto grösser kann die zugeführte Wind-
menge sein.


Von der Grösse des Ofens und der Windmenge ist endlich die
Durchsetzzeit der Erze, d. h. die Zeitdauer, während welcher sie im
Ofen verweilen, abhängig. Bei kleinen mit Holzkohlen und leicht-
reducirbaren Erzen auf Weisseisen betriebenen Hochöfen, wie sie in
den österreichischen Alpen vorzugsweise häufig sind, genügt oft schon
eine Durchsetzzeit von nicht mehr als 6 Stunden; in grösseren Oefen
dagegen, in denen mit mineralischen Brennstoffen graues Roheisen dar-
gestellt wird, verweilen die Erze mitunter länger als 60 Stunden, und
die Erfahrung hat erwiesen, dass eine Abkürzung dieser Zeit nur durch
erhöhten Brennstoffaufwand für die gleiche Menge durchzusetzenden
Erzes zu erreichen war.1)


Gaargang und Rohgang. Verläuft der Process in der geschil-
derten regelrechten Weise, so geht der Hochofen gaar; treten Störungen
ein, so zeigt sich Rohgang.


Die eigentlichen Ursachen des Rohgangs können sehr mannigfaltig
sein; fast immer aber entsteht aus diesen ersten Ursachen zunächst
eine Vermehrung der directen Reduction über das normale Maass hin-
aus. Die Folge hiervon ist dann ein erhöhter Verbrauch an Wärme
und demnach eine Abkühlung des Ofens; bei fortdauerndem Rohgange
[477]Gaargang und Rohgang.
wird auf diese Weise der Ofen kälter und kälter, die Reduction
erlahmt, der Schmelzprocess hört auf und der Ofen erstickt oder
„friert ein“.


Hand in Hand mit jener Zunahme der directen Reduction und
der Abkühlung des Ofens gehen Veränderungen in der Beschaffenheit
der Schlacken und des Eisens. Der Eisengehalt der ersteren wird um
so grösser, je mehr der Rohgang zunimmt, und dieser grössere Eisen-
gehalt verräth sich sofort durch eine Aenderung in der Farbe und Er-
höhung der Dünnflüssigkeit; das Roheisen wird ärmer an Kohlenstoff,
Silicium und Mangan. Statt grauen Roheisens entsteht halbirtes oder
bei starkem Rohgange grelles; statt des Spiegeleisens erfolgt bei gelindem
Rohgange Weissstrahl, bei stärkerem Rohgange Treibeisen oder ebenfalls
grelles Roheisen.


Entstand der Rohgang infolge eines zu stark erhöhten Verhält-
nisses zwischen Erz und Brennstoff, so pflegt man ihn übersetzter
Gang
zu nennen; aber auch manche Zufälligkeiten können denselben
herbeiführen.


Sinkt z. B. die Temperatur des Windes unter das den übrigen
Betriebsverhältnissen entsprechende Maass, so wird dadurch dem Ofen
weniger Wärme zugeführt, derselbe wird abgekühlt, die Reduction wird
beeinträchtigt, es entsteht Rohgang. Der nämliche Erfolg zeigt sich,
wenn durch ein Lecken der wassergekühlten Formen Wasser in den
Schmelzraum gelangt, zu dessen Verdampfung und Zerlegung eine
bedeutende Menge Wärme verbraucht wird; auch eine Explosion kann
unter ungünstigen Verhältnissen die Folge dieses Vorganges sein. Waren
dagegen bei anhaltendem Regenwetter die Schmelzmaterialien stärker
als gewöhnlich mit Feuchtigkeit durchtränkt, so wird durch die Ver-
dunstung der letzteren an der Gicht Wärme gebunden und die Gicht
abgekühlt. Die Reduction der Erze beginnt später und geht langsamer
von statten; sie gelangen unvollständiger reducirt in den Schmelzraum
und es tritt vermehrte directe Reduction ein.1)


Einen ganz gleichen Erfolg haben Unregelmässigkeiten, welche
sich die mit dem Aufgichten beauftragten Arbeiter zu Schulden kom-
men lassen. Sinkt die Oberfläche der Schmelzsäule zu tief, bevor frisch
aufgegichtet wird, so wird der Ofen stärker abgekühlt und die Schmelz-
materialien, welche kürzere Zeit der Einwirkung des Gasstromes aus-
gesetzt blieben, gelangen weniger vorbereitet nach unten. Auch Ver-
setzungen, welche im Ofen entstehen, sei es durch Sinterung der Massen,
sei es durch zufällige Stockungen an engeren Stellen, und welche das
regelmässige Niedergehen der Schmelzsäule verhindern, rufen die näm-
liche Wirkung hervor. Unterhalb dieser Versetzungen geht der Schmelz-
gang fort und es entsteht ein hohler Raum; nun bricht plötzlich die
[478]Der Hochofenprocess.
Decke desselben zusammen, die darüber befindlichen Massen stürzen,
bisweilen mehrere Meter tief, abwärts und gelangen unvorbereitet in
den Schmelzraum. Das Vorhandensein solcher Versetzungen verräth
sich durch das Stillstehen der Gichten, bis dann mit einem Male der
Niedergang erfolgt.


Eine fehlerhafte Zusammensetzung der Beschickung, welche vor-
zeitige Schmelzung hervorruft, kann ebenfalls Ursache des Rohganges
sein. Auch längere Stillstände des Ofens haben fast immer, indem sie
eine Abkühlung herbeiführen, Rohgang zur Folge.


Je kleiner der Ofen ist, desto empfindlicher pflegt derselbe gegen
solche Einflüsse zu sein, desto sorgfältiger muss die Begichtung des-
selben, die Regelung der Windtemperatur und Windspannung u. s. w.
beaufsichtigt werden.


Die Mittel zur Beseitigung des Rohganges müssen naturgemäss
von den Ursachen desselben abhängig sein und zuerst soviel als thun-
lich auf eine Beseitigung dieser Ursachen hinzielen (Entfernung un-
dichter Wasserformen u. s. w.). In den meisten Fällen führt eine Ver-
ringerung des Erzsatzes zum Ziele; aber je länger die Durchsetzzeit
des Ofens ist, desto länger währt es, bis der Erfolg dieses Mittels ein-
treten kann. Rascher lässt sich bisweilen durch eine Erhöhung der
Windtemperatur der Rohgang beseitigen oder abmindern. Durch Ver-
minderung der Windmenge wird ein allzu beschleunigter Schmelzgang
verzögert, die Erze erhalten längere Zeit zur Vorbereitung, die directe
Reduction wird auf ein kleineres Maass zurückgeführt, und es ist dieses
ein besonders bei kleineren Hochöfen vielfach bewährtes Mittel,
zumal, wenn gleichzeitig der Erzsatz verringert wird; in anderen, aller-
dings selteneren Fällen kann eine Verstärkung der Windpressung von
Nutzen sein.


Bei Besprechung des Hochofenbetriebes werden die Mittel zur
Erkennung und Beseitigung des Rohganges ausführlicher erörtert werden.


Heissgaar pflegt man einen Gang des Ofens zu nennen, bei
welchem die Temperatur im Schmelzraume infolge eines reichlich be-
messenen Verhältnisses des Brennstoffes zum Erze über das erforder-
liche Maass hinaus gesteigert ist. Es entsteht ein kohlenstoffreiches
und gewöhnlich siliciumreiches Roheisen.


2. Die Mittel zur Erkennung und Beurtheilung des
Hochofenprocesses.


Jahrhunderte hindurch beruhte die Führung des Hochofenbetriebes
lediglich auf empirisch erworbenen Regeln. Von den Vorgängen im
Innern des Hochofens, auf welchen die Roheisendarstellung beruht,
wusste man wenig oder nichts. Der Brennstoff war billig, das ge-
gewonnene Eisen dagegen wurde verhältnissmässig theuer bezahlt; so
war es nicht schwer, auch ohne die Unterstützung der Wissenschaft
in hergebrachter Weise unter reichlichem Aufwand von Brennstoff Roh-
eisen zu gewinnen.


Erst die Vervollkommnung der chemischen Wissenschaft gab dem
Eisenhüttenmanne das Mittel zur Hand, jene in Vorstehendem geschil-
derten Vorgänge, auf deren Zusammenwirken der Hochofenprocess
[479]Untersuchungen der Gase.
beruht, ihrem Wesen nach zu erforschen. Durch diese Erkenntniss
aber wurde er befähigt, den Process zu beherrschen und seinen Zwecken
gemäss zu regeln; und die bedeutenden Fortschritte, welche das neun-
zehnte Jahrhundert auch in der Roheisendarstellung zu verzeichnen hat,
beruhen zum nicht geringen Theile auf den Erfolgen, welche das Streben
nach Erkennung des Processes sich erwarb.


Dank den mühseligen Arbeiten hervorragender Chemiker und Me-
tallurgen liegt der Verlauf des Hochofenprocesses im Grossen und
Ganzen ziemlich klar vor unseren Augen, wenn auch einzelne Vor-
kommnisse noch der Erforschung harren; die Eigenthümlichkeiten im
Betriebe jedes einzelnen Hochofens aber lassen sich nur erkennen und
beurtheilen, wenn durch besondere Untersuchungen alle hierbei in
Betracht kommenden Verhältnisse klar gelegt worden sind.


In welcher Weise sich dieses Ziel erreichen lässt, und zugleich,
in welcher Weise man schon früher zu der Erkenntniss des Hochofen-
processes gelangte, soll in Folgendem besprochen werden.


Chemische Untersuchungen.

a) Untersuchungen der Veränderungen, welche die Gase bei ihrem Aufsteigen
und die festen Materialien bei ihrem Niedergange im Hochofen erleiden.

Derartige Untersuchungen waren es zumeist, denen wir die erste
sichere Kenntniss von dem Verlaufe des Hochofenprocesses im All-
gemeinen verdanken. Insbesondere traten durch die Untersuchungen
der Gase aus verschiedenen Gegenden des Ofens vollständig neue Ge-
sichtspunkte für die Beurtheilung des Processes hervor.


Gasuntersuchungen. Die ersten von durchgreifendem Erfolge ge-
krönten derartigen Untersuchungen wurden im Jahre 1839 von Bunsen
bei dem kleinen Holzkohlenhochofen zu Veckerhagen bei Kassel ange-
stellt; spätere Untersuchungen wurden durch Ebelmen in Frankreich,
Rinman und Fernquist in Schweden, Bunsen und Playfair in
England, Tunner und Richter, sowie neuerdings durch Kupel-
wieser
und Schoeffel in Steiermark durchgeführt.1)


Um zu ermessen, in welcher Weise solche Gasuntersuchungen im
Stande sind, den Verlauf des Hochofenprocesses zu beleuchten, möge
man Folgendes erwägen.


Der gesammte Sauerstoffgehalt der Hochofengase an irgend einer
beliebigen Stelle entstammt zwei verschiedenen Quellen. Ein Theil ist
durch das Gebläse von aussen her zugeführt, und zwar seiner grösseren
Menge nach als freier Sauerstoff, in kleinerer Menge als Bestandtheil
des Feuchtigkeitsgehaltes des Gebläsewindes. Da dieser Feuchtigkeits-
gehalt vor den Formen unter Wasserstoffbildung zerlegt wird, so ergiebt
[480]Der Hochofenprocess.
die Menge des in den Gasen unmittelbar über den Formen gefundenen
Wasserstoffs leicht die zugehörige Menge Sauerstoff; 2 Raumtheile Wasser-
stoff entsprechen 1 Raumtheil Sauerstoff. Der Stickstoffgehalt der ein-
geblasenen Luft bleibt, sofern man von der für eine solche Berechnung
immerhin nicht sehr wesentlichen Bildung von Cyan und Cyaniden im
unteren Theile des Ofens absieht, unverändert. Da nun in der atmo-
sphärischen Luft 100 Raumtheile Stickstoff annähernd genau 26.5 Raum-
theilen Sauerstoff entsprechen, so lässt sich berechnen, wie viel des in
den Gasen enthaltenen Sauerstoffs durch die Gebläseluft eingeführt
wurde. Findet sich nun, wie es fast immer der Fall sein wird, ein
grösserer Sauerstoffgehalt in den Gasen, so muss derselbe der Be-
schickung entstammen und zwar entweder durch Reduction der Erze
oder durch Zerlegung von Carbonaten oder auch aus sauerstoffhaltigen
Brennstoffen in das Gasgemisch geführt sein. Eine chemische Unter-
suchung der betreffenden Schmelzmaterialien an der Stelle, wo die
Gase entnommen sind, und ein Vergleich mit der Zusammensetzung
der Endproducte (Roheisen, Schlacke) würde erforderlichen Falles ge-
nauen Aufschluss hierüber geben können. Findet sich dagegen ein
geringerer Sauerstoffgehalt in den Gasen, als von aussen zugeführt
wurde, so lässt dieser Umstand, sofern nicht Unrichtigkeiten in den
Ergebnissen der Untersuchung die Schuld tragen, auf eine stattgehabte
Oxydation fester oder flüssiger Körper (Mangan, Silicium, Eisen) schliessen.


Die Berechnung des gesammten Sauerstoffgehaltes der Gase ist
nicht schwierig, da derselbe mit Kohle theils zu Kohlensäure, theils zu
Kohlenoxyd verbunden ist. 1 Raumtheil Kohlensäure enthält die gleiche
Raummenge Sauerstoff, 1 Raumtheil Kohlenoxyd die Hälfte.


Da die Gesammtmenge der Gase sich beim Aufsteigen im Ofen
verändert, die Menge des Stickstoffs dagegen annähernd unverändert
bleibt, so bezieht man am geeignetsten die Ziffern für den an ver-
schiedenen Stellen des Ofens gefundenen Sauerstoff auf 100 Raumtheile
Stickstoff. Z. B.:


An irgend einer Stelle des Ofens möge die Zusammensetzung des
Gasgemenges folgende sein: 58.80 Raumthle. Stickstoff, 11.20 Raumthle.
Kohlensäure, 25.30 Raumthle. Kohlenoxyd, 3.60 Raumthle. Wasserstoff,
0.90 Raumthle. Kohlenwasserstoff (C H4). Der Wasserstoffgehalt ent-
stammt, sofern er in höher gelegenen Theilen des Ofens gefunden wurde,
jedenfalls zum Theil dem Brennstoffe; eine Bestimmung desselben über
den Formen lässt erkennen, wie viel desselben durch den Gebläsewind
zugeführt wurde. In dem vorliegenden Falle möge der Wasserstoff-
gehalt der Gase über den Formen 0.70 Raumthle. betragen haben; die-
selben entsprechen alsdann 0.35 Raumthln. in Form von Wasserdampf
durch die Gebläseluft eingeführten Sauerstoffs. Mit jenen 58.80 Raumthln.
Stickstoff gelangten 58.80 = 15.58 Raumthle. freier Sauerstoff in
den Ofen; also Gesammtmenge des von aussen her zugeführten
Sauerstoffs
15.58 + 0.35 = 15.93 Raumthle. In den Gasen findet sich:


  • Sauerstoff der Kohlensäure   11.20 Raumthle.
  • „ des Kohlenoxyds ½ . 25.30 12.65
  • Summa Sauerstoffgehalt der Gase   23.85 Raumthle.

[481]Untersuchungen der Gase.

Aus der Beschickung stammen also 23.85 — 15.93 = 7.92Raum-
theile; oder auf
100 Raumtheile Stickstoff bezogen
.


Wie erwähnt, würde eine genaue Ermittelung darüber, ob dieser
aus der Beschickung stammende Sauerstoff durch Reduction der Erze
oder durch Zerlegung von Carbonaten und Brennstoffen in den Gas-
strom geführt sei, durch Untersuchung der Schmelzmaterialien zu er-
reichen sein; der Ort, an welchem die Gase entnommen wurden, sowie
die ursprüngliche Zusammensetzung der Beschickung lassen jedoch
immerhin schon einige Schlussfolgerungen zu.


Fernere Aufschlüsse erhält man durch Berechnung des in der
Kohlensäure und im Kohlenoxyd auftretenden Kohlenstoff-
gehaltes der Gase, wiederum bezogen auf
100 Raumtheile
anwesenden Stickstoffes
. 1 Raumthl. Kohlensäure enthält ½ Raum-
theil Kohlenstoffdampf, 1 Raumthl. Kohlenoxyd ebenso viel. Jenes Gas-
gemenge mit 58.80 Raumthlen. Stickstoff, 11.20 Raumthlen. Kohlensäure,
25.30 Raumthlen. Kohlenoxyd enthält demnach Kohlenstoff (in Gasform):
½ (11.20 + 25.30) = 18.25; oder auf 100 Raumthle. Stickstoff 31.03
Raumtheile.


Zeigt sich nun bei der Vergleichung des Kohlenstoffgehaltes der
Gase in verschiedenen Ofenzonen eine Zunahme desselben während des
Aufsteigens der Gase, so weist dieselbe hin entweder auf stattgehabte
directe Reduction der Erze; oder auf Vergasung von Kohlenstoff durch
vorhandene Kohlensäure, ein Vorgang, welcher hinsichtlich seines Ein-
flusses auf den Brennstoffverbrauch im Ofen jenem sehr ähnlich ist;
oder auf stattgehabte Zerlegung von Carbonaten. Eine Abnahme des
Kohlenstoffgehaltes dagegen würde in dem oberen Theile des Ofens auf
ein Zerfallen von Kohlenoxyd unter Ablagerung von Kohlenstoff oder
auch — bei Anwendung gebrannten Kalksteines oder gerösteter kalk-
spathhaltiger Erze — auf eine Bindung der Kohlensäure durch das
Calciumoxyd der Beschickung hindeuten. In dem unteren Theile des
Ofens dagegen würde eine Abnahme des Kohlenstoffgehaltes zu berech-
tigten Zweifeln an der Richtigkeit der Ermittelung der durchschnitt-
lichen Zusammensetzung des Gasgemenges innerhalb des Ofenquer-
schnittes Veranlassung geben; denn die Menge der kohlenhaltigen Gase,
welche etwa von den schmelzenden Massen gelöst und solcherart dem
Gasgemenge entzogen werden, oder die Menge des Kohlenstoffes, welcher
aus den Gasen an Roheisen abgegeben werden kann, ist zu unbedeutend,
um in dieser Weise erkennbar zu werden.


Dass es in der That sehr schwierig ist, die durchschnittliche
Zusammensetzung des Gasstromes in einem und demselben Ofenquer-
schnitte zu bestimmen, soll sogleich näher erläutert werden.


Jene aus dem Kohlenstoffgehalte der Gase sich ergebenden Schluss-
folgerungen erhalten eine weitere Ausdehnung durch Ermittelung
des Verhältnisses zwischen dem Kohlensäure- und Kohlen-
oxydgehalte
. Durch die Verbrennung der Kohle mit atmosphärischem
Sauerstoff vor den Formen entsteht, wie durch sämmtliche vorliegende
Gasanalysen nachgewiesen wird und wie aus früher erörterten Gründen
Ledebur, Handbuch. 31
[482]Der Hochofenprocess.
leicht erklärlich ist, fast ausschliesslich Kohlenoxyd, und die an ein-
zelnen Stellen des Ofenquerschnittes in der Formgegend vielleicht nach-
gewiesene Kohlensäure verschwindet um so rascher, je stärker erhitzt
der Wind und je leichter verbrennlich der Brennstoff ist. Das Ver-
hältniss der Kohlensäure zum Kohlenoxyd ist also in dieser Gegend
des Ofens sehr unbedeutend. Bei regelrechtem Verlaufe des Betriebes
aber muss dasselbe um so grösser werden, je mehr die Gase sich der
Gicht nähern, theils infolge der stattfindenden indirecten Reduction,
theils — bei kohlensäurehaltiger Beschickung — infolge der stattfinden-
den Zerlegung von Carbonaten; auch jenes schon erwähnte Zerfallen
von Kohlenoxyd in sich ablagernden Kohlenstoff und Kohlensäure in
der Nähe der Gicht kann die Ursache einer Zunahme dieses Verhält-
nisses sein. Tritt der umgekehrte Fall ein, eine Abnahme des Kohlen-
säuregehaltes unter Zunahme des Kohlenoxydgehaltes, so darf man mit
Sicherheit auf stattfindende directe Reduction der Erze oder Vergasung
von Kohlenstoff durch vorhandene Kohlensäure schliessen.


Der Wasserstoffgehalt der Gase stammt, wie schon erwähnt
wurde, theils aus der Feuchtigkeit der Gebläseluft, theils aus dem
Wasserstoffgehalte der Brennstoffe. Ersterer entsteht in unmittelbarer
Nähe der Formen; tritt also beim Aufsteigen der Gase eine Anreiche-
rung ein, so lässt dieselbe auf die zweite Ursache schliessen. Kleine
Abminderungen des Wasserstoffgehaltes würden in einzelnen Fällen
auf stattgehabte Reduction durch Wasserstoffgas schliessen lassen.


Kohlenwasserstoffe entstehen aus der Zerlegung kohlenwasser-
stoffhaltiger Brennstoffe. Auch verkohlte Brennstoffe können noch Kohlen-
wasserstoffe entlassen; weit bedeutender ist die Menge derselben natür-
lich bei Verwendung roher oder unvollständig verkohlter Brennstoffe.
Rinman erhielt bei der Erhitzung von Holzkohle auf 800°C. ein
Gasgemisch, welches 20.4 Proc. C H4 enthielt; ebenso fand Bunsen
in den aus Holzkohlen durch einfache Erhitzung entwickelten Gasen
11 — 21 Proc. C H4. Generatorgase aus Holzkohlen enthielten nach
Rinman auf 100 Thl. Stickstoff 0.5 Thl. Kohlenwasserstoff.1) In den
Hochofengasen findet sich leichtes Kohlenwasserstoffgas (C H4), sofern
der Hochofen mit verkohlten Brennstoffen betrieben wurde, in Mengen
bis zu etwa 3 Proc., bei Anwendung roher Brennstoffe mitunter bis
8 Proc. oder etwas darüber und zwar, wie leicht erklärlich ist, vor-
wiegend in der oberen Hälfte des Ofens. Dass schweres Kohlenwasser-
stoffgas (C H2) überhaupt nur in Oefen, welche rohe Brennstoffe erhalten,
gefunden werde und sich rasch zersetze, wurde schon früher erwähnt.


So wichtig nun auch die Aufschlüsse sind, welche wir derartigen
Untersuchungen verdanken, so darf dennoch ein schon oben angedeu-
teter Umstand nicht unerwähnt bleiben, durch welchen allerdings die
Richtigkeit der Ermittelungen, sofern sich dieselben nicht allein auf den
Verlauf des Processes im Grossen und Ganzen, sondern auch auf Einzel-
heiten erstrecken, nicht unwesentlich getrübt werden kann; es ist
[483]Untersuchungen der Gase.
dieses die ungleichmässige Vertheilung und Zusammensetzung der Gase
innerhalb eines und desselben Ofenquerschnittes. Da in den meisten
Oefen, wie schon vielfach erwähnt wurde, eine Anhäufung der Brenn-
stoffe an den Wänden, der Erze und Zuschläge in der Mitte eintritt,
die Gase aber — zumal bei seitlicher Entziehung der Gichtgase —
das Bestreben besitzen, an den Wänden ihren Weg zu suchen, so wird
in den allermeisten Fällen eine Gasprobe aus der Mitte des Ofens
sauerstoffreicher sein als eine solche von den Wänden, während diese
wiederum einen grösseren Kohlenoxydgehalt als jene besitzt. Der Unter-
schied kann ein ganz beträchtlicher sein, und manche Auffälligkeit in
der Zusammensetzung der Gase findet ihre ausreichende Erklärung,
wenn man diesen Umstand berücksichtigt.1)


Die Entziehung der Gasproben pflegt mit Hilfe schmiedeeiserner
Röhren bewirkt zu werden, welche man entweder von der Seite her
durch Oeffnungen in dem Mauerwerke in den Ofen einschiebt oder von
der Gicht aus mit der Beschickung allmählich einsenkt. Um bei der
Entnahme von Gasen aus heissen Stellen des Ofens etwaige chemische
Einwirkungen derselben auf das Eisen zu verhüten, empfiehlt es sich,
innen emaillirte Röhren anzuwenden.2)


Beispiele. Schöffel untersuchte 1871 und 1872 die Gase eines
mit Holzkohlen betriebenen, der Innerberger Hauptgewerkschaft ge-
hörigen Hochofens zu Eisenerz.3) Derselbe bestand, wie die meisten
alpinen Hochöfen, aus zwei mit der breiten Fläche gegen einander
stehenden Kegeln ohne eigentliches Gestell. Die Höhe des ganzen
Ofens war 13.3 m, die Höhe des unteren Theiles bis zum Kohlensack
3.8 m, des oberen Theiles also 9.5 m; Durchmesser unten 1.5 m, im
Kohlensack 2.6 m, in der Gicht 1.7 m, innerer Durchmesser des ein-
gehängten Gichtcylinders (Pfort’schen Gasfanges) 0.9 m; Rauminhalt
des ganzen Hochofens 35 cbm. Durch vier Windformen erhielt der
Ofen per Minute 35 cbm Wind. Die Beschickung bestand aus ge-
rösteten Spatheisenerzen mit ca. 50 Proc. Roheisenausbringen nebst
7½ Proc. ihres Gewichtes Zuschlagsthonschiefer und 2 Proc. sogenann-
tem Wascheisen (Eisenkörnern aus den Schlacken, welche auf diese
Weise wieder zu Gute gemacht werden). Das Erz enthielt noch 12 Proc.
Kohlensäure, welche erst im Ofen ausgetrieben werden musste; unmittel-
bar aus den Röstöfen, also noch heiss, wurden die Erze in die Hoch-
ofengicht eingeschüttet, und es erklärt sich hieraus leicht, dass die
Gichttemperatur nahezu 500°C. erreichte, also ausnahmsweise hoch
war. Der Ofen lieferte in 24 Stunden 18.5 Tonnen weisses Roheisen
nebst ca. 13.5 Tonnen Schlacken und gebrauchte zur Darstellung von
100 kg Roheisen nur ca. 75 kg Holzkohlen. Die Durchsetzzeit für die
Beschickung betrug nur etwa 7 Stunden.


31*
[484]Der Hochofenprocess.

Die Gasanalysen lieferten folgende Ergebnisse:1)


Betrachtet man zunächst die Zunahme des Sauerstoffgehaltes aus
der Beschickung2), so zeigt sich, wie es dem Verlauf des Processes ent-
spricht, eine stetige Zunahme desselben von den Formen an aufwärts
bis zur Höhe von 4.4 m unter der Gicht; und zugleich lässt ein Ver-
gleich der einzelnen Ziffern erkennen, dass diese Zunahme von den
Formen an bis zu der Höhe von 10.1 m unter der Gicht (ungefähr der
Gegend des Kohlensackes) sehr rasch, von da an allmählich statt-
gefunden hat. Die Reduction ging also vorzugsweise in dem
unteren Theile des Hochofens vor sich
, ein Umstand, welcher
durch gleichzeitig vorgenommene Untersuchung der Erze aus diesem
unteren Theile bestätigt wurde und seine ausreichende Erklärung in
dem raschen Verlaufe des Processes (der kurzen Durchsetzzeit) findet.
Auffällig dagegen muss die Sauerstoffabnahme an der Gicht erscheinen,
welche, wie man sieht, mit einer Kohlenstoffabnahme Hand in Hand
geht. Theilweise lässt sich dieser Umstand vielleicht auf eine Auf-
nahme von Kohlensäure durch den Kalkgehalt der gerösteten Erze
zurückführen, zum grösseren Theile aber dürfte er auf einer Ent-
mischung des Gasstromes, befördert durch die unterhalb der Gicht
stattgehabte Entziehung eines Theils der Gase, beruhen. Jedenfalls
deutet die Zusammensetzung der Gase an der Gicht darauf hin, dass
eine Reduction der Erze in diesem oberen Theile des Ofens noch nicht
stattgefunden hat.


Der Kohlenstoffgehalt der Gase steigt von der Formgegend an
aufwärts bis zur Höhe von 10.1 m (Kohlensack), ein Umstand,
welcher theils durch die Zersetzung des Restes von Carbonaten erklärt
[485]Untersuchungen der Gase.
wird1), zugleich aber auch auf wenigstens theilweise directe Reduction
oder Vergasung von Kohle durch Kohlensäure hinweist. Dass jedoch
neben der directen Reduction auch die indirecte Reduction noch eine
bedeutende Rolle in diesem unteren Theile des Ofens spielt und dass
nicht alle aus der indirecten Reduction oder dem Zerfallen der Carbo-
nate hervorgegangene Kohlensäure wieder zu Kohlenoxyd reducirt wird,
beweist die starke Zunahme des Verhältnisses in eben derselben
Gegend.


Von da an bis 5.7 m unter der Gicht bleibt der Kohlenstoffgehalt
der Gase annähernd unverändert, während das Verhältniss all-
mählich zunimmt, ein Beweis, dass in dieser Zone des Ofens die indirecte
Reduction vorherrschte, wenn auch das Maass derselben nicht sehr be-
deutend war. Die stärkere Zunahme des Kohlenstoffgehaltes in dem
Raume bis 4.4 m unterhalb der Gicht dürfte auf eine Austreibung des
ersten Theiles der in den aufgegichteten Erzen vorhandenen Kohlen-
säure zurückzuführen sein; auch die fernere Steigerung des Verhält-
nisses deutet hierauf hin. Die muthmaasslichen Ursachen der
Abnahme des Kohlenstoffgehaltes an der Gicht wurden bereits erörtert.


Als ein Beispiel, wie verschiedenartig die Zusammensetzung der
Gase an den Wänden und in der Mitte des Ofens zu sein pflegt, mögen
die folgenden von Rinman mitgetheilten Ergebnisse dienen, welche
bei einem mit gerösteten Magneteisenerzen betriebenen schwedischen
Holzkohlenhochofen von 12.02 m Höhe von der Form bis zur Gicht
erhalten wurden.2)


Ermittelt man aus diesen Ziffern wiederum den aus der Be-
schickung aufgenommenen Sauerstoff, den Kohlenstoffgehalt und das
Verhältniss , so erhält man als Durchschnittswerthe:
[486]Der Hochofenprocess.

Die Ziffern lassen sofort grosse Abweichungen in dem Schmelz-
gange des Ofens im Vergleiche mit dem des oben besprochenen Ofens
zu Eisenerz erkennen. Der Sauerstoffgehalt der Gase findet hier erst
in einer Höhe von fast 7 m über den Formen, also etwas oberhalb der
Mitte der ganzen Ofenhöhe eine wesentliche Anreicherung, ein Beweis,
dass die Reduction zum grossen Theile in der oberen Hälfte dieses
Ofens vor sich geht. Dieser Umstand findet seine Erklärung in dem
weit langsameren Verlaufe des Schmelzganges. Wie nämlich aus den
a. a. O. mitgetheilten Notizen (3 Windformen à 50 mm Durchmesser,
Windspannung 43 mm Quecksilbersäule, Windtemperatur 75°C.) her-
vorgeht, erhielt der Ofen per Minute höchstens 20 cbm Wind1), also
etwa halb so viel als der Eisenerzer Ofen, während der räumliche
Inhalt beider Oefen annähernd gleich, das Verhältniss des Erzsatzes zum
Brennstoff aber in dem Eisenerzer Ofen etwas höher war als in dem
schwedischen. Die Durchsetzzeit der Erze war also erheblich länger,
die Gichttemperatur, über welche leider keine Notizen vorliegen, ver-
muthlich hoch.


Die Verbrennung des Kohlenstoffs zu Kohlenoxyd durch den Ge-
bläsewind verlief ziemlich langsam, wie aus der anfänglichen Abnahme
des Verhältnisses zu ersehen ist und aus der niedrigen Tempe-
ratur des Gebläsewindes sich erklärt; dann aber tritt, wie es aus der
in der Höhe von 4.38 m beginnenden Zunahme jenes Verhältnisses sich
schliessen lässt, indirecte Reduction ein und neben derselben auch
theilweise directe Reduction oder Vergasung von Kohlenstoff durch die
entstehende Kohlensäure (daher Anreicherung des Kohlenstoffgehaltes
in den Gasen).


Veränderungen der festen Körper. Die Untersuchungen hierüber
wurden theils in Verbindung mit Gasanalysen, theils für sich allein
von Ebelmen, Tunner, Kupelwieser u. A. ausgeführt. Tunner
und später Kupelwieser benutzten zur Aufnahme der Erze eine
Blechkapsel, mit entsprechenden Durchbohrungen für das Hindurch-
ziehen der Gase versehen, welche an einer Kette, bei den späteren
Versuchen aber an dem unteren Ende des zur Entnahme der Gas-
proben bestimmten Rohres befestigt wurde, nachdem sich ergeben hatte,
dass die Kette von den Schmelzmaterialien schneller niedergezogen
[487]Chemische Untersuchungen.
wurde, als die Probekapsel nachfolgen konnte. Da die Ergebnisse dieser
Versuche, soweit sie für die Erkennung des Hochofenprocesses von
Wichtigkeit waren, schon bei Besprechung des letzteren mehrfach er-
wähnt wurden, kann auf das dort Gesagte Bezug genommen werden.


b) Untersuchungen der Schmelzmaterialien und Enderzeugnisse.

Sofern man nicht beabsichtigt, den Hochofenprocess in seinen ein-
zelnen Stadien zu verfolgen, sondern nur ein Bild von den Umwand-
lungen, welche die Schmelzmaterialien im Grossen und Ganzen erfuhren,
und zumal Auskunft über die Verwendung erhalten will, welche der
Brennstoff im Ofen fand, kann man der mühseligen und — aus den
erörterten Gründen — immerhin etwas zweifelhaften Analysen der Gase,
beziehentlich auch der Erze, aus verschiedenen Stellen des Hochofens
entbehren; es genügt eine Gegenüberstellung der Zusammensetzung der
Schmelzmaterialien — Erze, Zuschläge, Brennstoffe und des Gebläse-
windes — einerseits und der Enderzeugnisse — des Roheisens, der
Schlacken und der Gichtgase — andererseits unter Berücksichtigung
der Gewichtsverhältnisse, unter welchen jene dem Hochofen zugetheilt
und diese demselben entnommen wurden. Die sämmtlichen Bestand-
theile der Materialien müssen in den Erzeugnissen sich wiederfinden;
aber die Form, in welcher sie erscheinen, ganz besonders das Ver-
hältniss der Kohlensäure zum Kohlenoxyd in den Gichtgasen, ist anders,
je nachdem die Reduction der Erze in reicherem oder weniger reichem
Maasse durch festen Kohlenstoff statt durch Kohlenoxyd stattfand oder
— was hinsichtlich der Ausnutzung des Brennstoffs damit gleichbedeu-
tend ist — je nachdem grössere oder geringere Mengen der bei indi-
recter Reduction entstandenen Kohlensäure durch Vergasung von Kohle
wieder zu Kohlenoxyd reducirt wurden. Wie viel des in den Gicht-
gasen enthaltenen Kohlenoxyds dieser Quelle entstammt und wie viel
vor den Formen durch den Gebläsewind gebildet wurde, lässt sich
berechnen, wenn jene Unterlagen bekannt sind.


Zu beachten ist auch hierbei, dass die aus der Gicht entwei-
chenden Gase an verschiedenen Stellen des Gichtquerschnittes nicht
immer die gleiche Zusammensetzung besitzen; sie pflegen sauerstoff-
reicher in der Mitte, kohlenstoffreicher am Umfange zu sein, wie leicht
erklärlich ist. Ist der Hochofen mit geschlossener Gicht versehen, und
werden sämmtliche Gase durch ein gemeinschaftliches Rohr abgeleitet
(z. B. bei den Gasfängen von Parry, von Hoff, Langen), so lässt
sich eine annähernd richtige durchschnittliche Zusammensetzung erhalten,
wenn man aus diesem Rohre die Probe in geeigneter Weise entnimmt1);
entweicht aber ein Theil der Gase aus der Gicht, während ein anderer
Theil unterhalb derselben abgeleitet wird, oder wird vielleicht gar ein
Theil durch ein eingehängtes Darby’sches Rohr (Centralrohr), ein
anderer durch einen Pfort’schen Gasfang abgeleitet, so ist in der That
die Gefahr sehr gross, dass die gefundene Zusammensetzung der Gicht-
[488]Der Hochofenprocess.
gase von der durchschnittlichen wirklichen Zusammensetzung ganz er-
heblich abweiche.1)


Für die Ausführung der Berechnung ist es erforderlich, dass die
Zusammensetzung der Gichtgase in Gewichtsprocenten statt, wie sonst
üblich, in Raumtheilen angegeben werde. Eine Umrechnung einer nach
Raumtheilen ausgeführten Analyse in Gewichtsprocente ist unschwer
zu bewirken.


Beispiel der Rechnung.2) In dem mit Holzkohlen betriebenen
Hochofen Nr. 2 zu Vordernberg wurde weisses für den Puddelbetrieb
bestimmtes Roheisen dargestellt, und es betrug der Verbrauch an
Schmelzmaterialien zur Darstellung von
100 kg Roheisen
durchschnittlich:


  • Erz   212.69 kg
  • Zuschlagsthonschiefer   13.90 „
  • Holzkohle   74.00 „

Die Erze wurden zu etwa ein Drittel im ungerösteten, zu zwei
Drittel im gerösteten Zustande verwendet, und die Zusammen-
setzung des Erzgemisches
(Möllers) excl. des Zuschlagthon-
schiefers war folgende:

Zusammensetzung des Zuschlagthonschiefers


[489]Chemische Untersuchungen und Rechnungen.

Zusammensetzung der Holzkohlen


Eine Zusammenstellung der sämmtlichen dem Hochofen
per
100 kg dargestellten Roheisens zugeführten Körper er-
giebt also:



Diese sämmtlichen Körper müssen sich in dem Roheisen, der
Schlacke und den Gichtgasen wiederfinden.


[490]Der Hochofenprocess.

Das Roheisen enthielt einer angestellten Analyse zufolge:


  • C   3.122
  • Si   0.152 (entstanden aus der Reduction von 0.33 kg Si O2)
  • Mn   2.220 (entstanden aus der Reduction von 3.08 kg Mn3 O4)
  • Fe  94.506
  • 100.000

In die Schlacke gehen demnach folgende Bestandtheile:

Die berechnete Zusammensetzung der Schlacke wie das Verhält-
niss der Schlackenmenge zum Roheisen (64.38 : 100) wurde durch Ana-
lyse, beziehentlich durch Wägen der erfolgenden Schlacke geprüft und
als ziemlich genau übereinstimmend mit der Wirklichkeit befunden.


Die Analyse der Gichtgase ergab in Gewichtsprocenten (unter
Vernachlässigung des Wassergehaltes):


  • CO2  22.37 mit 6.10 C
  • CO   23.84 „ 10.22 „
  • CH4  0.37 „ 0.28 „
  • H   0.09
  • N   53.33
  • 100.00 mit 16.60 C.

Da per 100 kg darzustellenden Roheisens der oben gegebenen Zu-
sammenstellung zufolge der Hochofen insgesammt 68.98 kg Kohlenstoff
erhält (aus der Holzkohle und dem Kohlensäuregehalt der Erze), von
diesem aber der mitgetheilten Roheisenanalyse zufolge 3.122 kg durch
das Roheisen aufgenommen werden, so finden sich in den Gasen
68.98 — 3.122 = 65.858 kg Kohlenstoff wieder, und die Menge der
Gichtgase per
100 kg Roheisen beträgt demnach


  • CO2  88.76 kg mit 24.22 kg C, 64.54 kg O, — kg H
  • CO   94.58 „ „ 40.54 „ „ 54.04 „ „ — „ „
  • CH4  1.46 „ „ 1.09 „ „ — „ „ 0.37 „ „
  • H   0.35 „ „ — „ „ — „ „ 0.35 „ „
  • N  211.58 „ „ — „ „ — „ „ — „ „
  • 396.73 kg mit 65.85 kg C, 118.58 kg O, 0.72 kg H.

Von dem Kohlensäuregehalte dieser Gase entstammten, wie oben
nachgewiesen wurde 19.05 kg aus der Beschickung; 88.76 — 19.05 =
69.71 kg gingen mithin aus der Reduction der Erze durch Kohlenoxyd
hervor, und es wurden hierbei 4/11 69.71 = 25.35 kg Sauerstoff den
Erzen entzogen. Die Gesammtmenge des Sauerstoffs, welche bei der
Reduction den Erzen entzogen wurde, betrug aber:


[491]Chemische Untersuchungen und Rechnungen.
  • An Eisen gebundener Sauerstoff 39.22—0.47   38.75 kg
  • Mangan gebundener Sauerstoff 2.95—1.59   1.36 „
  • Silicium gebundener Sauerstoff 11.38—11.21  0.17 „
  • 40.28 kg.

Von dem gesammten Sauerstoffgehalte der reducirten Körper wur-
den mithin


  • durch indirecte Reduction   25.35 kg oder 62 Proc.
  • directe Reduction (beziehentlich unter Wie-
    derreduction der entstandenen Kohlensäure
    zu Kohlenoxyd)  14.93 „ „ 38 „
  • 40.28 kg oder 100 Proc.

denselben entzogen.


In derselben Weise kann man sich über das Verhalten der übrigen
Körper Rechenschaft geben.


  • Der gesammte Sauerstoffgehalt der Gichtgase beträgt
    per 100 kg Roheisen   118.58 kg
  • Hiervon entstammen
    dem Reductionsprocesse   40.28 kg
  • „ Kohlensäuregehalte der Erze und Holz-
    kohlen   13.85 „
  • „ Kohlenoxydgehalte der Holzkohlen  0.57 „
  • 54.70 „
  • Mithin sind durch den Gebläsewind zugeführt   63.88 kg,

wobei allerdings der aus der Feuchtigkeit des Gebläsewindes stammende Sauerstoff-
gehalt unberücksichtigt geblieben ist. 1)


Jene 63.88 kg Sauerstoff entsprechen 100 = 277.7 kg oder
215.2 cbm atmosphärischer Luft per 100 kg Roheisen. Die Menge des
in 24 Stunden erzeugten Roheisens betrug 15000 kg, also per Minute
10.4 kg; mithin Windmenge per Minute = 22.4 cbm.


Ein annähernd gleiches Ergebniss ergiebt natürlich die Berechnung
aus dem Stickstoffgehalte der Gichtgase. Dieselben enthalten per 100 kg
dargestellten Roheisens 211.58 kg oder 169.2 cbm Stickstoff, welche
100 = 214.2 cbm atmosphärischer Luft entsprechen; mithin Wind-
menge per Minute = 22.2 cbm.


[492]Der Hochofenprocess.

Eine Berechnung der Windmenge aus Düsenquerschnitt und Wind-
spannung nach den Hauer’schen Tabellen ergab in dem vorliegenden
Falle 23 cbm per Minute.


Temperaturbestimmungen.

Neben den besprochenen chemischen Untersuchungen sind Tempe-
raturbestimmungen in verschiedenen Gegenden des Hochofens nicht
selten als Mittel benutzt worden, den Gang des Ofens zu beurtheilen.
In der That sind derartige Ermittelungen nicht unwichtig; denn da
jede der verschiedenen Reactionen im Hochofen auch einer gewissen
Temperatur bedarf — es möge nur auf den früher besprochenen Ein-
fluss der Temperatur auf den Reductionsprocess der Erze hingedeutet
werden — so lassen sich aus den gefundenen Temperaturen und aus
den Temperaturunterschieden an verschiedenen Stellen eines und des-
selben Hochofens auch Schlüsse auf den Verlauf des Processes ziehen.


Immerhin stellen sich der Bestimmung der Temperatur in einem
bestimmten Ofenquerschnitte ähnliche Schwierigkeiten entgegen wie der
Entnahme richtig zusammengesetzter Durchschnittsproben der Gase. Die
Temperatur am Umfange des Ofens ist oft eine erheblich andere als in
der Mitte, bisweilen höher, bisweilen niedriger, wie sich aus der ungleich-
mässigen Vertheilung der Materialien und Gase erklärt. Ein anderer
Umstand kommt hinzu, den Werth der bis jetzt vorliegenden Tempe-
raturbestimmungen abzumindern. Man bediente sich für dieselben fast
regelmässig bestimmter Metalllegirungen, welche in einem Eisenstabe
befestigt waren und nach deren Abschmelzen man die Temperatur be-
urtheilte; die Schmelztemperaturen dieser Legirungen aber waren nicht
durch unmittelbare Bestimmung gefunden sondern berechnet, und die
entfallenden Werthe theilweise entschieden zu hoch.


Von den Temperaturänderungen jedoch innerhalb eines und des-
selben Hochofens geben derartige Untersuchungen ein ganz anschauliches
Bild, selbst wenn die Ziffern im Einzelnen Zweifel verdienen.


Beispiele.


In dem mit gerösteten, heiss aufgegichteten Spatheisensteinen be-
triebenen Holzkohlenhochofen zu Eisenerz, dessen Abmessungen und
Betriebsverhältnisse auf S. 483 besprochen wurden, fand Kupelwieser
folgende Temperaturen:

Für Weisseisendarstellung, wie in dem in Rede stehenden Ofen,
ist vor den Formen eine nur mässige Temperatur erforderlich, welche
von da an, wie in jedem Hochofen, zunächst rasch unter die Schmelz-
temperatur des Eisens und der Schlacke sinkt, dann aber in dem
vorliegenden Falle sehr allmählich abnimmt. Die Erklärung für diese
sehr langsame Abnahme der Temperatur liefert der Umstand, dass die
Erze heiss aufgegichtet wurden.


Einen entschiedenen Gegensatz zu diesem Ofen hinsichtlich der
[493]Temperaturbestimmungen.
herrschenden Temperaturen wie der Betriebsverhältnisse überhaupt
bildet ein auf graues Roheisen betriebener Holzkohlenhochofen zu Rothe-
hütte am Harz, dessen Temperaturen durch Jüngst gemessen wurden.1)
Die Abmessungen dieses Hochofens ergeben sich aus der Abbildung
Fig. 79 auf S. 340; es sei deshalb nur erwähnt, dass die Höhe von der
Formebene bis zur Gicht 13 m betrug. Zur Verhüttung gelangten
Roth- und Brauneisenerze mit einem durchschnittlichen Eisengehalte von
30 Proc.; die Windtemperatur betrug 300°C., die Production in 24 Stun-
den 4.5 Tonnen Roheisen (also nur etwa ein Viertel von der Production
des Eisenerzer Hochofens, während der räumliche Inhalt beider Oefen
annähernd gleich war).


Die Temperaturmessungen ergaben:

Vor den Formen herrscht, wie es zur Darstellung grauen Roh-
eisens erforderlich ist, eine höhere Temperatur als in dem zuerst be-
sprochenen Hochofen; aber rascher als dort nimmt dieselbe ab und
sinkt schon bei etwas mehr als einem Drittel der Ofenhöhe auf das
auffallend niedrige Maass von 360°C. Die grössere Hälfte des Ofens
dient also für die Vorbereitung der Erze, d. h. die Austreibung des
Wassergehaltes; erst bei 5.4 m Höhe über der Form, 7.6 m unterhalb
der Gicht, in welcher Gegend eine Temperatur von 230°C. oder etwas
darüber herrscht, kann die Reduction beginnen, wird aber hier immer-
hin noch auf ein unbedeutendes Maass beschränkt bleiben, und die
grösste Menge des Sauerstoffes wird erst innerhalb der Rast — inner-
halb des Raumes, welcher 2—4 m über der Form liegt — entzogen.
Aus diesem Grunde muss die Durchsetzzeit lang, die Production ent-
sprechend gering sein. Durch Beschleunigung des Ofenganges, d. h.
durch Vermehrung der zugeführten Windmenge würde vermuthlich
eine Steigerung der Production zu erreichen gewesen sein, nicht aber
ohne Vermehrung des Brennstoffverbrauches per 100 kg dargestellten
Roheisens. Die Gase würden heisser die Ofengicht verlassen und dem-
nach mehr Wärme mitgeführt haben, die directe Reduction wäre ver-
mehrt worden; dieser grössere Wärmeverbrauch hätte eben durch jene
Erhöhung des Brennstoffaufwandes gedeckt werden müssen, wenn nicht
Rohgang die Folge sein sollte.


Als letztes Beispiel mögen die Temperaturbestimmungen eines mit
Koks auf gewöhnliches Weisseisen betriebenen Hochofens zu Gleiwitz
dienen. 2) Der Ofen maass 13.6 m von der Formebene bis zur Gicht;
Durchmesser in der Formebene 2.56 m, im Kohlensack 5.34 m, in der
Gicht 3.92 m, Rauminhalt des Ofens 215 cbm. Die Windtemperatur
betrug 350°C., Windmenge ca. 150 cbm per Minute. Die Beschickung
bestand per Gicht aus 180 kg Frischschlacken, 135 kg Brauneisenstein,
135 kg Spatheisenstein (von letzterem die Hälfte roh, die andere Hälfte
[494]Der Hochofenprocess.
geröstet) nebst 165 kg Zuschlagskalkstein. Die Durchsetzzeit war fast
24 Stunden, die Production in 24 Stunden 36 Tonnen, der Koksver-
brauch zur Darstellung von 100 kg Roheisen 155 kg.


Die gemessenen Temperaturen waren folgende (in Graden Celsius):

Die Ergebnisse bieten insbesondere durch den Umstand Interesse,
dass sie die Temperaturunterschiede an verschiedenen Stellen desselben
Ofenquerschnittes erkennen lassen. In der Mitte und unmittelbar an
den Wänden herrschte ziemlich regelmässig die höchste Temperatur
und dazwischen befand sich ein kühlerer Ring. In dem oberen Theile
des Ofens aber zeigte sich auch an den Wänden eine rascher fort-
schreitende Abkühlung als in der Mitte des Ofens.


Letztere Erscheinung lässt sich aus dem Umstande erklären, dass
beim Aufgichten die Erze mehr an dem Umfange, die Koks mehr in
der Mitte des Ofens angehäuft wurden; erstere aber verbrauchen wegen
ihres grösseren Wassergehaltes sofort reichlichere Wärmemengen als
letztere. Die höhere Temperatur an den Ofenwänden im Vergleich zu
der Temperatur zwischen Wand und Ofenmitte findet ihre Erklärung
aus dem Bestreben der Gase, an den Wänden aufzusteigen.


Die Ziffern im Ganzen zeigen eine noch allmählichere Temperatur-
abnahme von unten nach oben als bei dem zuerst besprochenen, eben-
falls auf Weisseisen betriebenen Holzkohlenhochofen. In letzterem
wurden ausschliesslich leicht reducirbare reiche Erze verhüttet und der
Brennstoffverbrauch war deshalb aussergewöhnlich niedrig; die Be-
schickung des Gleiwitzer Ofens bestand zum grossen Theile aus schwer
reducirbaren Frischschlacken, auch der Eisengehalt der Beschickung
war geringer, und der Brennstoffverbrauch war demzufolge hoch; die
grössere Menge Brennstoffe aber entwickelt eine entsprechend grössere
Menge Gase, welche langsamer abgekühlt werden. Erst die Austreibung
des Wassers unterhalb der Gicht hat hier eine rasche Abnahme der
Temperatur zur Folge.


3. Die Wärmebilanz des Hochofens.


Der Hochofen empfängt Wärme, beziehentlich das Material zur
Erzeugung derselben; er verbraucht die empfangene Wärme für die
Durchführung des Hochofenprocesses, und ein Theil der letzteren geht
mit den austretenden Gichtgasen, durch Ausstrahlung der Wände u. s. w.
verloren.


Durch Gegenüberstellung der Wärmeeinnahme und Wärmeausgabe,
deren Gesammtbeträge sich natürlicherweise decken müssen, erhält
man die Wärmebilanz.


[495]Die Wärmebilanz des Hochofens.

Die Aufstellung einer solchen Wärmebilanz zu verschiedenen Zeiten
und unter verschiedenen Betriebsverhältnissen besitzt nicht allein theore-
tisches Interesse. Wie der Geschäftsmann über den Stand seines Ge-
schäfts, über die Ursachen, welche Mindererträge oder Verluste in dem
einen Falle, reichere Erträge in dem andern Falle herbeiführten, erst
einen klaren Ueberblick erhält, indem er die stattgehabten Einnahmen
und Ausgaben, nach Conten oder Titeln geordnet, in der Bilanz ein-
ander gegenübergestellt und nun die Beträge, welche jene Conten unter
verschiedenen Verhältnissen erreichten, vergleicht, so erhält auch der
Eisenhüttenmann durch die Wärmebilanz seines Hochofens erst ziffern-
mässige Belege für die Ursachen der Abweichungen in dem Brenn-
stoffverbrauche zu verschiedenen Zeiten oder unter verschiedenen Ver-
hältnissen. Die Wärmebilanz zeigt ihm in solcher Weise den Weg,
ungünstig wirkende Einflüsse zu beseitigen, oder bewahrt ihn in anderen
Fällen vor erfolglosen Versuchen.


Für die Aufstellung der Wärmebilanz ist, wie für die Erkennung
der Vorgänge im Ofen, die Analyse der sämmtlichen Materialien und
Erzeugnisse und die Kenntniss von den gegenseitigen Gewichtsverhält-
nissen erforderlich, in welchen dieselben verbraucht und gewonnen
werden; ausserdem bedarf man der Werthe für die Wärmemengen,
welche bei der Oxydation der einzelnen in Betracht kommenden Körper
gewonnen, bei der Reduction verbraucht werden und auf S. 20—23
aufgeführt wurden; findet eine Zerlegung von Carbonaten oder anderer
chemischer Verbindungen statt, so muss die hierfür erforderliche Wärme
berücksichtigt werden; ferner muss die specifische Wärme des Gebläse-
windes und der Gichtgase sowie die Temperatur bekannt sein, mit
welcher der erstere dem Ofen zugeführt wird und die letzteren denselben
verlassen; und endlich müssen die Wärmemengen ermittelt werden,
welche von dem Roheisen und den Schlacken beim Verlassen des Ofens
mitgenommen werden.


Die hierfür erforderlichen Ziffern, soweit sie nicht schon in Früherem
mitgetheilt wurden, sind folgende.


Zerlegungswärme der Carbonate. Kohlensaurer Kalk (Kalk-
stein) erfordert nach Thomsen, um in Kalk und Kohlensäure zerlegt
zu werden, per 1 kg des ursprünglichen Materials 425 W.-E. 1) Da
1 Gewichtstheil Calciumcarbonat 0.56 Ca O und 0.44 C O2 enthält, so beträgt
der Wärmeverbrauch, um 1 kg Kohlensäure auszutreiben, 943 W.-E.


Ueber die Zerlegungswärme des kohlensauren Eisens (Spatheisen-
steins u. s. w.) liegen bislang leider keine Ermittelungen vor; wo dieser
Fall vorkommt, wird man deshalb vorläufig einen gleichen Wärmever-
brauch per Gewichtseinheit ausgetriebener Kohlensäure wie bei der Zer-
legung des Kalksteins annehmen müssen.


Auch die Zerlegungswärme der Hydrate des Eisens ist
mit Sicherheit nicht bekannt. Die verhältnissmässig geringe Neigung des
[496]Der Hochofenprocess.
Eisenoxyds, das gebundene Wasser festzuhalten, lässt darauf schliessen,
dass die eigentliche Verbindungs- beziehentlich Zerlegungswärme nicht
sehr beträchtlich sei; wohl aber erfordert die Verdampfung des Wassers,
welches in den Erzen im festen Zustande vorhanden war, eine be-
deutende Wärmemenge, welche in Rechnung gestellt werden muss.
1 kg Wasser erfordert, um aus dem festen in den flüssigen Zustand
übergeführt zu werden, 79 W.-E., um aus dem flüssigen Zustande in
Dampfform übergeführt zu werden 536 W.-E., im Ganzen also 615 W.-E.
Als gesammte Zerlegungswärme der Brauneisenerze incl.
der Wärme zur Verdampfung des entstehenden Wassers
wird man demnach etwa
700 W.-E. per 1 kg verflüchtigtes
Wasser zu rechnen haben
.


Ueber die Bildungs- und Zerlegungswärme der Silikate
liegen keine Ermittelungen vor, und man pflegt dieselbe zu vernach-
lässigen.


Specifische Wärme


  • des Wasserdampfes   0.480 (Regnault)
  • der atmosphärischen Luft   0.237 „
  • des Kohlenoxydes   0.245 „
  • der Kohlensäure   0.216 „
  • des Wasserstoffes   3.409 „
  • des Grubengases   0.593 „
  • des Stickstoffes   0.243 „
  • der Gichtgase durchschnittlich   0.237.

Die von dem flüssigen Roheisen, sowie den Schlacken
mitgeführte Wärme
würde sich in jedem einzelnen Falle durch
Eingiessen einer bestimmten Menge derselben in Wasser ermitteln
lassen; Gruner fand bei derartigen Versuchen 1):


  • die von grauem Roheisen mitgeführte Wärme   280—285 W.-E.
  • „ „ weissem „ „ „   260—265 „
  • „ „ der Schlacke bei Graueisendarstellung
    mitgeführte Wärme   500 „
  • „ „ der Schlacke bei Weisseisendarstellung
    mitgeführte Wärme   450 „

In den meisten Fällen dürften diese Ziffern der Wahrheit aus-
reichend nahe kommen, um ohne Anstellung besonderer Versuche be-
nutzbar zu sein.


Für die Aufstellung der Wärmebilanz ist ein Studium der Zwi-
schenreactionen im Hochofen, bei welchen Wärme erzeugt oder ver-
braucht wird, nicht erforderlich. 1 kg Kohlenstoff giebt in allen Fällen
bei der Verbrennung zu Kohlenoxyd als Enderzeugniss die nämliche
Wärmemenge, gleichviel, ob derselbe sofort vollständig zu Kohlenoxyd
verbrannt wurde oder ob erst die Hälfte desselben Kohlensäure bildete,
welche dann unter Umwandlung in Kohlenoxyd die zweite Hälfte der
Kohle vergaste. 1 kg Eisenoxyd bedarf, um zu metallischem Eisen
reducirt zu werden, in allen Fällen die gleiche Gesammtwärme, gleich-
viel, ob die Reduction sofort vollständig oder erst unter Bildung von
[497]Die Wärmebilanz des Hochofens.
Zwischenstufen vor sich ging, gleichviel auch, ob sie durch Kohlenoxyd
oder durch feste Kohle erfolgte; denn der Unterschied in dem Wärme-
verbrauche bei indirecter und directer Reduction liegt allein in dem
Umstande, dass bei ersterer Kohlensäure, bei letzterer Kohlenoxyd als
Enderzeugniss der Verbrennung des Reductionsmittels hervorgeht. Daher
genügt, wie schon oben erwähnt wurde, die Zusammensetzung der
Materialien und Enderzeugnisse des Hochofenprocesses.


Da aber in den meisten Fällen der Wasserstoff- und Kohlenwasser-
stoffgehalt der Gichtgase für die Wärmebildung wenig oder gar nicht
in Betracht kommen, so ist auch eine vollständige Analyse der Gicht-
gase nicht einmal unbedingt erforderlich; es genügt — worauf Gruner
zuerst aufmerksam machte 1) — das Verhältniss in den Gicht-
gasen zu kennen, um die übrigen erforderlichen Ziffern daraus abzu-
leiten. Man weiss, wie viel Brennstoff und wie viel Beschickung zur
Darstellung von 1 kg Roheisen verbraucht wurden; weiss ferner aus
der Analyse dieser Körper, wie viel Kohlenstoff durch dieselben dem
Ofen zugeführt wurde; endlich, wie viel dieses Kohlenstoffs von dem
erzeugten Roheisen aufgenommen wurde. Aller übrige Kohlenstoff muss
in den Gichtgasen sich wiederfinden. Das Gewicht desselben (per 1 kg
Roheisen) sei = p, das Gewicht des in den Gichtgasen per 1 kg er-
zeugten Roheisens enthaltenen Kohlenoxydes = y, das durch Analyse
ermittelte Verhältniss = m (also das Gewicht der Kohlensäure
= m y), so ergeben sich folgende einfache Beziehungen:

Man erhält hierdurch das absolute Gewicht des in den Gichtgasen
enthaltenen Kohlenoxydes wie der Kohlensäure per 1 kg erzeugten Roh-
eisens und ist mit Hilfe dieser Ziffern befähigt, die Wärmebilanz auf-
zustellen.


Erstes Beispiel. Bei dem Holzkohlenhochofen zu Vordernberg, dessen Be-
triebsverhältnisse zum grossen Theil schon auf S. 488 besprochen wurden, stellt sich
die Wärmebilanz folgendermaassen:


1) Wärmeeinnahme.

a) Durch Verbrennung von Kohlenstoff. Der verbrannte Kohlenstoff — gleich-
viel ob er durch atmosphärischen Sauerstoff oder durch den Sauerstoff der Erze ver-
brannt wurde — findet sich in den Gichtgasen theils als C O2, theils als C O. Wie
schon durch die früher angestellte Berechnung (S. 490) nachgewiesen wurde, ent-
hielten die Gichtgase per 1 kg2) dargestellten Roheisens 0.8876 kg Kohlensäure, von
Ledebur, Handbuch. 32
[498]Der Hochofenprocess.
welcher 0.1905 kg unmittelbar aus der Beschickung stammte; für die Verbrennung
der Kohle hinterbleibt 0.6971 kg Kohlensäure, entsprechend 0.1901 kg Kohlenstoff.


Der Kohlenoxydgehalt der Gichtgase per 1 kg dargestellten Roheisens betrug
0.9458 kg, wovon 0.01 kg der Holzkohle entstammten; durch Verbrennung von Kohle
entstanden also 0.9358 kg Kohlenoxyd, entsprechend 0.4011 kg Kohlenstoff.


Daher lieferte der verbrennende Kohlenstoff Wärme:


  • 0.1901 kg zu Kohlensäure verbrennend à 8080 W.-E.   1536 W.-E.
  • 0.4011 „ „ Kohlenoxyd „ à 2473 „  992 „
  • Summa 2528 W.-E.

b) Durch den erhitzten Wind. Die durch Messung gefundene Temperatur
desselben war 300°C., die Menge per 1 kg erzeugten Roheisens, wie auf S. 491 be-
reits berechnet, 2.777 kg, die specifische Wärme 0.237; mithin die von dem Winde
mitgebrachte Wärme 2.777 . 0.237 . 300 = 198 W.-E. Hierbei ist der Feuchtigkeits-
gehalt des Windes ausser Acht gelassen; die hieraus entstehende Abweichung ist
jedoch unwesentlich.


2. Wärmeausgabe.

  • a) Zur Reduction.
    • 0.8215 kg Fe (vergl. S. 489) aus Fe2 O3 reducirt, erforderten
      0.8215 × 17961)  1475 W.-E.
    • 0.1403—0.0167 = 0.1236 kg Fe aus Fe O reducirt erforder-
      ten 0.1236 × 1352   167 „
    • 0.0222 kg Mn aus Mn3 O4 reducirt erforderten 0.0222 × 2100 2)  46 „
    • 0.0015 kg Si aus Si O2 reducirt erforderten 0.0015 × 7830  12 „
    • 1700 W.-E.

  • b) Von dem Roheisen mitgenommene Wärme per 1 kg   265 W.-E.
  • c) Von der Schlacke mitgenommene Wärme. Die Menge der erfol-
    genden Schlacke betrug per 1 kg Roheisen 0.6438 kg (S. 490); also mit-
    genommene Wärme 0.6438 × 450   260 „
  • d) Durch die Gichtgase mitgenommene Wärme. Die Menge der
    Gichtgase per 1 kg Roheisen ist 3.967 kg (S. 490); ihre durch Messung
    gefundene Temperatur 173°C.; ihre specifische Wärme durchschnittlich
    0.237 (für sehr genaue Rechnungen würde man die von den einzelnen
    Bestandtheilen mitgeführte Wärme getrennt berechnen müssen). Gesammte
    mitgenommene Wärme 3.967 × 173 × 0.237   188 „
  • e) Zur Verdampfung des Wassergehaltes und Erhitzung des
    Wasserdampfes auf die Temperatur der Gichtgase erforderliche Wärme
    .
    Der Wassergehalt der Beschickung und der Kohlen ist als hygroskopi-
    sche Feuchtigkeit zugegen und beträgt per 1 kg Roheisen 0.1514 kg (S. 489).
    Bei einer Durchschnittstemperatur der aufgegebenen Materialien von 7°C.
    musste dieser Wassergehalt um 93°C. erhitzt und dann verdampft wer-
    den; die hierzu erforderliche Wärme ist (93 × 536) 0.1514 =   95 W.-E.
  • Hierzu kommt die zur Höhererhitzung des Wasserdampfes erforderliche
    Wärme: 0.1514 × 73 × 0.48  5 „
  • 100 W.-E.
  • f) Zur Zerlegung der Carbonate erforderliche Wärme. Aus den
    Erzen wurden per 1 kg Roheisen 0.1664 kg Kohlensäure ausgetrieben; also
    Wärmeverbrauch 0.1664 × 943 =   157 W.-E.
  • g) Zur Erwärmung des Kühlwassers der Formen verbrauchte
    Wärme
    . 4 Formen gebrauchten per Minute 6 l Wasser, dessen Tempe-
    ratur um 13°C. stieg; und da per Minute 10.4 kg Roheisen erzeugt wur-
    den, so entfallen per 1 kg Roheisen 0.58 l Wasser; also Wärmeverbrauch
    0.58 × 13   7 W.-E.

[499]Die Wärmebilanz des Hochofens.
Wärmebilanz.

Zweites Beispiel. In einem mit Koks betriebenen Hochofen zu Ormesby von
23.2 m Höhe, 584 cbm Inhalt wurden in 24 Stunden 63000 kg graues Roheisen
Nr. 3 erzeugt. 1) Zur Darstellung von 1 kg Roheisen war erforderlich:


  • 1.1 kg Koks mit 92.5 Proc. Kohle; also Verbrauch an Kohlenstoff per 1 kg Roh-
    eisen 1.017 kg.
  • 2.44 „ Erz (gerösteter Blackband, dessen Eisengehalt bei der Röstung in Fe2 O3
    übergegangen war).
  • 0.625 „ Kalkstein mit 43 Proc. Kohlensäure, d. i. mit 0.073 kg Kohlenstoff, 0.197 kg
    Sauerstoff; also verflüchtigte Kohlensäure per 1 kg Roheisen 0.27 kg.
    Die Menge der per 1 kg Roheisen erfolgenden Schlacke betrug 1.48 kg.
    Windtemperatur 780°C.
    Gichttemperatur 412°C.
    Verhältniss (m, vergl. S. 497) = 0.542.

Die durchschnittliche Zusammensetzung des erzeugten Roheisens, welche in der
genannten Quelle nicht mitgetheilt ist, wird, der gewöhnlichen Zusammensetzung des
Clevelandroheisens Nr. III entsprechend, folgendermaassen angenommen werden können:


  • C   3.4 Proc.
  • Si   1.2 „
  • Mn   0.5 „
  • P   1.3 „
  • Fe  93.6 „
  • 100.0 Proc.

Der Hochofen erhielt per 1 kg dargestellten Roheisens Kohlenstoff:


  • aus den Koks   1.017 kg
  • „ dem Kalkstein  0.073 „
  • 1.090 kg
  • Von dem Roheisen aufgenommene Kohle  0.034 „
  • mithin in den Gichtgasen enthalten   1.056 kg
  • Die Menge des Kohlenoxydes in den Gichtgasen per 1 kg Roheisen (S. 497) ist also
      1.831 kg
  • Kohlensäure in den Gichtgasen m y = 0.542 . 1.831 =   0.992 „

Hieraus wird in folgender Weise die Gesammtmenge der Gichtgase und das
Gewicht des dem Ofen zugeführten Gebläsewindes abgeleitet.


32*
[500]Der Hochofenprocess.
  • Der gesammte Sauerstoffgehalt der Gichtgase beträgt:
    Sauerstoff in 1.831 kg C O   1.046 kg
  • „ „ 0.999 „ C O2 0.721 „
  • 1.767 kg

Hiervon entstammte der Beschickung:


  • aus der Kohlensäure des Kalksteines   0.197 kg
  • „ „ Reduction von 1.337 kg Fe2 O3 zu 0.936 kg Fe   0.401 „
  • „ „ Reduction von 0.025 kg Si O2 zu 0.012 kg Si   0.013 „
  • „ „ Reduction von 0.007 kg Mn O zu 0.005 kg Mn   0.002 „
  • „ „ Reduction von 0.029 kg P2 O5 zu 0.013 kg P  0.016 „
  • 0.629 „
  • mithin durch den Gebläsewind zugeführt   1.138 kg

Diese 1.138 kg Sauerstoff führten Stickstoff in den Ofen 1.138 =
3.810; also


  • Gewicht des trockenen Gebläsewindes per 1 kg Roheisen
    1.138 + 3.810   4.948 kg
  • Gewicht der trockenen Gichtgase per 1 kg Roheisen:
    • C O   1.831
    • C O2  0.992
    • N  3.810
    •   6.633 kg

1) Wärmeeinnahme.

  • a) Durch Verbrennung von Kohlenstoff. Die Gichtgase enthalten per 1 kg Roh-
    eisen 0.992 kg C O2; hiervon entstammen 0.197 kg der Beschickung; mithin sind
    0.795 kg durch Verbrennung von Kohle erzeugt. 0.795 kg C O2 entsprechen 0.217 kg
    Kohle. Im Ganzen ist Kohlenstoff verbrannt 1.017—0.034 = 0.983 kg; hiervon ab
    jene 0.217 kg, welche zu C O2 verbrannten, giebt 0.766 kg für die Verbrennung zu C O.
  • Also Wärmeerzeugung:
    • Durch Verbrennung zu C O2 0.217 × 8080   1753 W.-E.
    • „ „ „ C O 0.766 × 2473  1894 „
    • 3647 W.-E.
  • b) Durch den erhitzten Wind. 4.948 kg auf 780°C. erhitzter Wind
    führten Wärme in den Ofen 4.948 × 780 × 0.237   914 W.-E.

2) Wärmeausgabe.

  • a) Zur Reduction.
    • 0.936 kg Fe aus Fe2 O3 reducirt 0.936 × 1796   1681 W.-E.
    • 0.012 „ Si aus Si O2 reducirt 0.012 × 7830   94 „
    • 0.005 „ Mn aus Mn O reducirt 0.005 × 2000   10 „
    • 0.013 „ P aus P2 O5 reducirt 0.013 × 5760 (S. 23)  75 „
    • 1860 W.-E.
  • b) Von dem grauen Roheisen mitgenommene Wärme (S. 496)   280 W.-E.
  • c) Von der Schlacke mitgenommene Wärme. Die Menge der
    Schlacke betrug 1.48 kg; die Wärme derselben per kg 500 W.-E. (S. 496);
    also Gesammtwärme 1.48 × 500   740 „
  • d) Durch die Gichtgase mitgenommene Wärme 6.633 × 412
    × 0.237   647 „
  • e) Zur Verdampfung und Ueberhitzung des Wassergehaltes der Beschickung.
    Die hygroskopische Feuchtigkeit der Erze ist nicht angegeben, dürfte aber auf 4 Proc.
    des Erzgewichtes zu schätzen sein; Feuchtigkeit der Koks 2½ Proc. Es wurden
    also Wasser verdampft
    [501]Die Wärmebilanz des Hochofens.
    • aus 2.44 kg Erz   0.097 kg
    • „ 1.10 „ Koks  0.028 „
    • 0.125 kg
    • Verdampfungswärme 0.125 (90 + 536)   78 W.-E.
    • Für die Ueberhitzung auf 412° : 312 × 0.125 × 0.48 18 „ 96 W.-E.
  • f) Zur Zersetzung des Kalksteines 0.27 × 943   254 W.-E.

Wärmebilanz.

In dem mit Koks auf graues Roheisen betriebenen Hochofen sind
fast sämmtliche Ausgabeposten höher; und die Erklärung dafür lässt
sich in den Verschiedenheiten der Betriebsverhältnisse finden.


Der Wärmeverbrauch für die Reduction ist höher, weil die Re-
duction des in dem grauen Roheisen enthaltenen Siliciums, Mangans
und Phosphors grössere Wärmemengen verbraucht. Die von dem ge-
bildeten Roheisen aus dem Hochofen mitgenommene Wärme aber ist
bei grauem Roheisen ohnehin beträchtlicher als bei Weisseisen, wenn
auch der Unterschied nicht gross ist.


Ein weit erheblicherer Unterschied zeigt sich bei der von den
Schlacken mitgenommenen Wärme, welche bei der Graueisendarstellung
mit Koks fast dreimal so hoch sich beziffert als bei der Weisseisen-
darstellung. Der Grund liegt in dem Umstande, dass die Clevelanderze
und die Koksasche nicht allein an und für sich schon mehr schlacken-
gebende Bestandtheile enthalten als die Erze und Holzkohlenasche des
Vordernberger Ofens, sondern auch einer noch grösseren Menge Zu-
schläge bedürfen, damit die für Graueisendarstellung erforderliche basi-
sche Beschaffenheit der Schlacke entstehe. Die Schlackenmenge bei
der Graueisendarstellung ist also mehr als doppelt so gross als in dem
andern Hochofen; jedes Kilogramm Schlacke bei dem ersteren Betriebe
nimmt aber auch mehr Wärme aus dem Ofen mit fort als bei dem
letzteren.


Aehnlich ist es bei der durch die Gichtgase entführten Wärme. Zur
Deckung des Wärmeverbrauches für Reduction, Schlackenschmelzen
u. s. w. erfordert der auf graues Roheisen betriebene Kokshochofen eine
grössere Wärmemenge als der andere, welche durch erhöhten Brenn-
stoffverbrauch erzeugt wird. Die Menge der Gichtgase und somit auch
die von ihnen mitgenommene Wärmemenge ist demnach grösser.


Die grössere Menge Kohlensäure in der Beschickung des auf
graues Roheisen betriebenen Hochofens erfordert auch eine grössere
Wärmemenge zu ihrer Austreibung.


[502]Der Hochofenprocess.

Der Unterschied in dem Wärmeverbrauche für Kühlwasser und
Ausstrahlung erklärt sich zum Theil aus der relativ geringeren
Leistung des Kokshochofens. Derselbe liefert bei einem Rauminhalte
von 584 cbm täglich 63000 kg, per cbm also 108 kg, der Holzkohlen-
hochofen zu Vordernberg liefert bei 31.9 cbm Inhalt täglich 15000 kg
oder per cbm 470 kg Roheisen, d. i. mehr als viermal so viel als jener.
Hierzu kommt aber noch der Umstand, dass die Temperatur in dem
mit Koks auf graues Roheisen betriebenen Hochofen beträchtlich höher
ist und nothwendigerweise höher sein muss, als in dem andern Ofen;
die Ofenwände werden stärker erhitzt, bedürfen einer ausgedehnteren
Kühlung, strahlen reichlicher Wärmemengen aus, und der Wärmever-
brauch fällt höher aus.


Literatur.


A. Einzelne Werke.


  • Percy-Wedding, Handbuch der Eisenhüttenkunde, Abth. 2, S. 215—306
    (Analysenr von Hochofengasen u. s. w.); S. 658—682 (Veränderungen der festen
    Körper).
  • E. F. Dürre, Die Anlage und der Betrieb der Eisenhütten. Bd. 2, S. 8 ff.
  • M. L. Gruner, Analytische Studien über den Hochofen. Nach dem Fran-
    zösischen bearbeitet von J. H. Steffen. Wiesbaden 1875.
  • R. Åkerman, Studien über die Wärmeverhältnisse des Eisenhochofen-
    processes
    . Deutsch von P. Tunner. Leipzig 1872.
  • J. L. Lowthian Bell, Ueber die Entwickelung und Verwendung der
    Wärme in Eisenhochöfen verschiedener Dimensionen
    (vergl. S. 285).

B. Abhandlungen.


  • Rob. Bunsen, Ueber die gasförmigen Producte des Hochofens und ihre
    Benutzung als Brennmaterial
    . Poggend. Annalen, Bd. 46 (zweite Reihe,
    Bd. 16), S. 193.
  • Th. Scheerer und Chr. Lang, Untersuchung der Gichtgase eines nor-
    wegischen Eisenhochofens
    . Poggend. Annalen, Bd. 60 (2. Reihe, Bd. 30),
    S. 489.
  • L. Rinman und B. Fernquist, Untersuchungen über Zusammensetzung,
    Pressung und Temperatur der Hochofengase
    . Berg- und hüttenm.
    Zeitg. 1865, S. 257.
  • G. Wepfer, Versuche über den Niedergang der Gichten im Hochofen.
    Berg- und hüttenm. Zeitg. 1865, S. 398.
  • A. Tamm, Researches on the composition of the gases escaping from
    the Swedish Blast-furnaces
    . Iron vol. XVI, p. 23, 46, 310, 400, 411;
    vol. XVII, p. 22, 58.
  • C. Cochrane, Der Betrieb von Hochöfen von grossen Dimensionen bei
    hohen Temperaturen mit besonderer Berücksichtigung der Stellung
    der Formen
    . „Stahl und Eisen“ 1882, S. 434.
  • Ch. Cochrane, On the Working of blast-furnaces with special reference
    to the analysis of the escaping gases
    . Iron vol. XXI, p. 96. Deutsch in
    „Stahl und Eisen“ 1883, S. 201.
  • M. L. Gruner, Etudes sur les hauts-fourneaux. Annales des mines, sér. VII.
    t. II, p. 1 (in deutscher Uebersetzung von Steffen, vergl. unter A.).
  • J. L. Bell, The Chemistry of the blast-furnace. Journal of the Chemical
    Society, Juni 1869; in französischer Uebersetzung: Revue universelle, t. XXVIII,
    p. 87.

[503]Literatur.
  • C. Schinz, Die Chemie des Hochofens nach Bell’s Untersuchungen.
    Dingler’s Polyt. Journ., Bd. 194, S. 111.
  • L. Bell, Chemical phenomena of iron smelting. Journal of the Iron and
    Steel Institute 1872, I, p. 1.
  • L. Bell, On the use of the caustic lime in the blast-furnace. Journal of
    the Iron and Steel Institute 1875, Nr. II, p. 400.
  • L. Bell, Vergleichende Betriebsresultate bei Holzkohlen- und Koks-
    hochöfen
    . Oesterr. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1882, S. 478. „Stahl
    und Eisen“ 1882, S. 604.
  • R. Åkerman, Ueber die Reduction oxydirten Eisens durch Kohlenoxyd.
    „Stahl und Eisen“ 1883, S. 149 ff. (Anwendung auf den Hochofenbetrieb
    S. 157.)
  • P. Tunner, Ein Beitrag zur Kenntniss des Hochofenprocesses durch
    directe Bestimmungen
    . Jahrbuch der Bergakademieen zu Leoben u. s. w.
    Bd. IX, S. 280; Bd. X, S. 491.
  • P. Tunner, Der mit Holzkohle und leicht reducirbaren Erzen betriebene
    Hochofenprocess
    . Jahrb. der Bergakademieen zu Leoben u. s. w., Bd. XXI,
    S. 228.
  • P. Tunner, Zur Beurtheilung des Werthes von hocherhitztem Winde.
    Jahrbuch der Bergakademieen zu Leoben u. s. w., Bd. XXI, S. 345.
  • F. Kupelwieser und R. Schoeffel, Beiträge zum Studium des Hochofen-
    processes durch directe Bestimmungen
    . Oesterr. Jahrbuch, Bd. XXI,
    S. 169 und 367.
  • J. Pattinson, Carbon and other deposits from the blast-furnace in Cleve-
    land
    . Journal of the Iron and Steel Inst. 1876, p. 85.
  • M. A. Jaumain, De la composition et de la température des gaz des
    hauts-fourneaux
    . Annales des mines, sér. VII, t. XX, p. 323.
  • L. Gruner, Note sur les hauts-fourneaux belges à l’occasion du mémoire
    de M. Jaumain sur la température et la composition des gaz sor-
    tant du gueulard
    . Annales des mines, sér. VII, t. XX, p. 336.
  • Fr. Lürmann, Ueber die Zusammensetzung und Temperatur der Hoch-
    ofengase
    . Ztschr. des Vereins deutsch. Ing. 1882, S. 266.
  • Ed. Bellani, Untersuchungen über die Brennbarkeit der Hochofengase.
    Oesterr. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1876, S. 444.
  • J. Wolters, Étude sur la fabrication de la fonte blanche pour fer fort
    au moyen des minettes ou minerais oolithiques du Luxembourg
    .
    Revue universelle des mines, tomes 39 (1876 I), p. 685; dieselbe Abhandlung in
    deutscher Bearbeitung von E. F. Dürre in Dingl. Polyt. Journ., Bd. 222, S. 329.

VI. Der Hochofenbetrieb.


1. Die praktischen Arbeiten beim Hochofenbetriebe.


a) Das Austrocknen, Anwärmen und Anblasen des Hochofens.

In den Poren und in den Fugen der Steine eines neu errichteten
oder neu zugestellten Hochofens befindet sich Feuchtigkeit, welche,
wenn man den Hochofen sofort nach Beendigung der Zustellung rasch
erhitzen wollte, durch eine massenhafte Dampfentwickelung leicht zu
einer Lockerung des Steinverbandes oder gar zum Zerspringen einzelner
Steine Veranlassung geben würde. Es ist daher ein allmähliches Aus-
[504]Der Hochofenbetrieb.
trocknen und Anwärmen des Hochofens erforderlich, bevor man zu
dem eigentlichen Anblasen schreiten kann.


Dass bei Hochöfen mit Massezustellung die Gefahr einer Be-
schädigung der letzteren durch die entweichenden Dämpfe noch grösser
ist als bei Oefen mit Steinzustellung, ist leicht erklärlich, und jene Oefen
erfordern daher eine ganz besonders vorsichtige Behandlung.


Man bewirkt das Austrocknen und erste Anwärmen des Hochofens,
indem man vor demselben eine einfache Rostfeuerung anlegt und die
Verbrennungsgase in dem Schachte des Ofens, welcher hierbei als Esse
wirkt, aufsteigen lässt. Die Anlage der Feuerung ist sehr einfach. Ein
gewöhnlicher Rost von ½—1 qm Fläche wird von Ziegelsteinen ge-
tragen und oberhalb desselben wird eine Verbrennungskammer ein-
gerichtet, die man in das Ofeninnere münden lässt. Als Zugang in
das Ofeninnere dient bei Oefen mit offener Brust diese selbst, in welche
man den Wallstein und auch den Tümpelstein noch nicht eingesetzt
hat; bei Oefen mit geschlossener Brust lässt man eine Oeffnung in
der Gestellwand, welche erst später durch eingesetzte Steine ge-
schlossen wird.


Ist bei dem Austrocknen ganz besondere Vorsicht erforderlich —
z. B. bei den Oefen mit Massezustellung —, so legt man auch wohl
die Feuerung anfänglich in einiger Entfernung von dem Ofen an und
lässt die Verbrennungsgase ohne Einschaltung eines Kanales durch den
Ofenschacht ansaugen, so dass sie reichlich mit Luft vermischt und
nur im lauwarmen Zustande in den Ofen eintreten. Allmählich nähert
man dann die Feuerung dem Ofen in dem Maasse wie die Austrock-
nung fortschreitet. In jedem Falle darf beim Beginne der Arbeit die
Feuerung nur schwach sein und erst nach und nach verstärkt werden,
muss aber ununterbrochen Tag und Nacht hindurch unterhalten werden,
damit nicht Wiederabkühlung eintrete.


Man verwendet flammende oder verkohlte Brennstoffe. Letztere
entwickeln am wenigsten Wasserdampf und wirken daher am kräftig-
sten austrocknend. Um den gewöhnlich übermässig starken Zug abzu-
schwächen und die Gase mit den Wänden des Ofens in ausgedehntere
Berührung zu bringen, auch zur Verhütung, dass Regen oder Schnee
in den Ofen gelange, deckt man (bei offener Gicht) zweckmässigerweise
die Gichtöffnung durch eiserne Platten ab, welche auf Querträgern auf-
ruhen. Die Gase werden hierdurch gezwungen, an dem Rande ihren
Austritt zu nehmen. Soll der Ofen mit einem Gichtverschluss ver-
sehen werden, so wird dieser mitunter erst später angebracht, ohne
dass jedoch hierfür eine bestimmte Regel maassgebend wäre. Manche
Hochofenleute z. B. schliessen den Ofen, der mit Langen’schem, von
Hoff’schem oder ähnlichem Gasfange versehen ist, während des An-
wärmens mittelst desselben und lassen die Gase durch das am oberen
Ende geöffnete Centralrohr entweichen.


Die Zeitdauer dieses Austrocknens und Anwärmens richtet sich
nach der Beschaffenheit des Zustellungsmateriales, auch zum Theil nach
der jedesmaligen Geschäftslage. Drängt dieselbe nicht sehr zu einem
beschleunigten Vorgehen, so setzt man, um desto sicherer zu gehen,
das Anwärmen wohl einige Tage länger fort als unter anderen Ver-
hältnissen, zumal da der Brennstoffaufwand hierfür nicht sehr beträcht-
[505]Das Anblasen des Hochofens.
lich ist. Bei Oefen mit Steinzustellung wird man mindestens 10 Tage,
besser 14 Tage hierauf verwenden müssen, während bei Massezu-
stellungen vier bis sechs Wochen dafür erforderlich zu sein pflegen.
In jedem Falle muss das Anwärmen so lange fortgesetzt werden, bis
die Gestell- und Raststeine auch aussen deutlich warm geworden sind.


Manche legen, nachdem das Anwärmen durch den Ofen von aussen
geraume Zeit gedauert hat, einen Rost in das Gestell selbst und erhalten
auf diesem einige Tage hindurch ein Koks- oder Holzkohlenfeuer, um
die Gestellsteine bis nahe zum Glühen zu erhitzen. Hierbei tritt aber
der Uebelstand ein, dass der Boden kalt bleibt, während gerade eine
gute Vorwärmung desselben von Wichtigkeit ist. Man muss also in
diesem Falle schliesslich auch den Rost beseitigen und auf dem Boden
selbst ein Feuer unterhalten, nachdem man die im Gestelle von aussen
nach innen führende Oeffnung durch einen senkrecht stehenden Rost
geschlossen hat.


Die Windformen setzt man gewöhnlich erst ein, wenn das An-
wärmen sein Ende erreicht hat, und hält inzwischen die betreffenden
Oeffnungen durch eingesetzte Steine verschlossen.


Ist das Austrocknen und Anwärmen beendet, so entfernt man die
dafür benützte Feuerung, reinigt den Ofenherd von Asche und schreitet
zum Anblasen.


In früherer Zeit wurde diese Arbeit in ausserordentlich umständ-
licher, zeitraubender Weise ausgeführt. Nachdem die Oeffnungen im
Gestell durch eingesetzte Steine, auch die Formöffnungen durch Thon
geschlossen worden waren, so dass nur noch ganz beschränkter Luft-
zutritt stattfinden konnte, wurden glühende Kohlen in den Herd ge-
bracht und eine Lage frischer Kohlen (oder Koks) darauf geschüttet.
Man wartete nun gewöhnlich, bis an der Oberfläche der eingeschütteten
Kohlen sich brennbares Gas zeigte und schüttete dann erst, um dem
Ersticken des Ofens vorzubeugen, aufs Neue Kohlen nach. Durch theil-
weises Oeffnen oder vollständiges Schliessen der Oeffnungen im Ge-
stelle regelte man den Luftzug, verzögerte aber aus übertriebener Vor-
sicht nicht selten absichtlich die Verbrennung möglichst lange und fuhr
in dieser Weise fort, allmählich den Ofen mit Kohlen bis zur Gicht oder
doch wenigstens bis nahe unterhalb der Gicht zu füllen. Auch bei
kleineren Oefen währte es in Anbetracht der Pausen zwischen dem
Nachfüllen frischer Kohlen und dem Erscheinen der Flamme an deren
Oberfläche mindestens mehrere Tage, bis das Füllen vollbracht war; bei
grösseren Oefen mit Koksfeuerung oft einige Wochen. Inzwischen
sammelte sich aber im Herde Asche von den verbrannten Kohlen,
welche von Zeit zu Zeit entfernt werden musste, um einer Verstopfung
des Gestelles durch dieselbe vorzubeugen. Diese Entfernung der Asche
geschah mit Hilfe eines Verfahrens, welches für die beschriebene Me-
thode des Anblasens charakteristisch ist und nach welchem dieselbe
benannt zu werden pflegt: des sogenannten Rostschlagens. Man
entfernte die Steine, mit welchen der Zugang in den Herd verschlossen
war (bei den Oefen mit offener Brust war der Wallstein während des
Füllens noch nicht eingesetzt und der Kanal unterhalb des Tümpel-
steines in der erwähnten Weise zugesetzt), legte eine starke Eisenstange
in horizontaler Lage quer vor die Oeffnung, so dass ihre Enden durch
[506]Der Hochofenbetrieb.
untergelegte Steine oder in anderer Weise unterstützt waren und ihre
Oberkante ein wenig tiefer lag als der obere Rand der Oeffnung, und
schob nun über diese Querstange hinweg eine Anzahl langer Eisen-
stangen in das Gestell bis zur Rückwand des Ofens. Zwischen den
einzelnen Stangen liess man soviel Zwischenraum, dass die Asche und
kleineren Kohlenstücke hindurchfallen konnten, die grösseren Stücke
aber nicht. Die Stangen, deren aussen befindliche Enden durch Arbeiter
oder durch irgend eine einfache Vorrichtung festgehalten wurden,
bildeten demnach einen horizontalen Rost, unter welchem nunmehr die
angesammelte Asche mit langen Krücken ausgeräumt wurde. Wegen
der von den glühenden Kohlen ausgestrahlten grossen Hitze war dieses
Rostschlagen eine mühselige Arbeit, musste aber doch mindestens alle
12 Stunden wiederholt werden, so dass bei grösseren Oefen nicht selten
ein 50—60 maliges Rostschlagen erforderlich war.


War der Hochofen in der beschriebenen Weise mit Brennstoff
gefüllt, so begann man schwache Erzgichten zu setzen. Sehr vor-
sichtige Hochofenmeister liessen auch jetzt noch die Verbrennung der
Kohlen lediglich durch den natürlich zutretenden Luftzug bewirken,
bis die erste Schlacke sich zeigte; gewöhnlich jedoch öffnete man,
nachdem die erste Erzgicht gesetzt worden war, die Formen und blies
mit sehr schwacher Pressung Gebläsewind ein. In jedem Falle musste,
so lange noch keine geschmolzene Schlacke sich zeigte, auch jetzt noch
das Rostschlagen fortgesetzt werden, und erst, wenn flüssige Schlacke
vor die Formen trat, wurde der Wallstein eingesetzt, beziehentlich das
Gestell vollständig geschlossen. Der Erzsatz wurde allmählich gesteigert
und nach Verlauf von 4—8 Wochen, vom Beginne des Füllens an
gerechnet, pflegte der Ofen in vollen Betrieb gekommen zu sein.


Noch jetzt wird bei Holzkohlenhochöfen mitunter diese Methode
des Anblasens befolgt. Sie gewährt eine grosse Sicherheit für den
späteren guten Gang des Hochofens, und ihre hauptsächlichsten Nach-
theile — grosser Kohlenverbrauch und lange Zeitdauer — fallen um
so unbedeutender aus, je kleiner der Ofen ist.


Umgekehrt aber musste die seit den vierziger Jahren zunehmende
Vergrösserung der mit Koks betriebenen Hochöfen nothwendigerweise
zu einer Vereinfachung jener Methode des Anblasens führen, welche
bei ungeänderter Anwendung für die grossen Oefen der Jetztzeit ausser-
ordentlich grosse Opfer an Kohlen, Arbeitslöhnen und Zeit erheischen
würde. Zuerst kürzte man in England das Verfahren, indem man zu
unterst Holz in den Ofen brachte, darüber Koks; mit dem Erzsatze
begann man, wenn der Ofen bis zu etwa der Hälfte seiner Höhe ge-
füllt war, entzündete alsdann das Holz und füllte nun allmählich den
Ofen, worauf der Wind eingelassen wurde. 1) Durch Lürmann in
Georgs-Marienhütte wurde das Verfahren noch weiter vervollkommnet
und insbesondere das so lästige und zeitraubende Rostschlagen voll-
ständig beseitigt.


Dieses abgekürzte, jetzt bei grossen Hochöfen ganz allgemein
[507]Das Anblasen des Hochofens.
angewendete Verfahren des Anblasens verläuft im Wesentlichen folgen-
dermaassen.


In das Gestell und den unteren Theil der Rast bis ungefähr zur
Mitte oder bei sehr hohen Rasten bis zu einem Drittel der Höhe der-
selben bringt man trockenes Holz (Scheite), welches den Zweck hat,
später eine rasche Entzündung der Koks zu bewirken, darüber eine
grössere Lage Koks. Die hierfür zweckmässigerweise zu verwendende
Menge Koks wird man bemessen können, wenn man für je 100 cbm
Rauminhalt des ganzen Ofens 4000 kg Koks rechnet. Bei grossen Oefen
wird das Verhältniss etwas knapper genommen werden können, bei
kleinen empfiehlt sich ein etwas reichlicheres Verhältniss. Den Koks
aber schlägt man eine ihrem Aschengehalte entsprechende Menge Kalk-
stein zu, damit aus jener Asche eine leichtflüssige Schlacke gebildet
werde. Nur hierdurch ist es begreiflicherweise möglich, das Rost-
schlagen zu umgehen. Auf 1 Thl. Koksasche kann man 1.5 Thl. Kalk-
stein rechnen. Nun kommen einige Koksgichten, deren Grösse der-
jenigen bei vollem Betriebe gleich sein kann und auf jede Koksgicht
wiederum Kalkstein, zugleich aber auch eine gewisse Menge Hochofen-
schlacke. Die Menge der Schlacke und des Kalksteines kann dem
Gewichte der Koks annähernd gleich sein; ist die Schlacke an und für
sich schon sehr kalkerdereich und der Aschengehalt der Koks nicht
sehr beträchtlich, so kann auch der Kalksteinzuschlag nunmehr ganz
in Wegfall kommen und Schlacke an dessen Stelle treten. Die schmel-
zende Schlacke nimmt vermöge ihrer ziemlich beträchtlichen specifischen
Wärme 1) eine entsprechend grosse Wärmemenge auf, führt dieselbe
nach unten, bereitet in solcher Weise den Herd des Ofens vor und
bildet für das später nachfolgende Roheisen ein an Wärme reiches Bad,
welches dasselbe vor Abkühlung und Erstarrung schützt.


Auf die Gichten mit Schlackenzusatz folgen nun schwache Erz-
gichten, zuerst gewöhnlich 5—6 Gichten mit ungefähr ein Drittel des
Erzsatzes, welcher bei vollem Betriebe gegeben wird, nebst Hochofen-
schlacke; dann ebensoviel Gichten mit dem halben Satze; u. s. f. In
dieser Weise wird der Hochofen ganz oder bis nahe zum Rande gefüllt.


Damit aber der Ofen nicht durch allzu dichte Lagerung der ein-
gefüllten Materialien beim Anblasen ersticke, dürfen dieselben nicht,
wie es bei der älteren Methode des Anblasens geschehen konnte, von
oben her mit der Schaufel eingeworfen werden, sondern man muss sie
in Körben an einem Seile von oben herunter befördern und dann be-
hutsam und gleichmässig ausbreiten. Die Gichtverschlüsse müssen zu
diesem Zwecke entfernt werden, und ein über der Gicht aufgestellter
Haspel dient zweckmässigerweise zum Hinunterlassen der gefüllten
Körbe.


Wenn der Ofen in dieser Weise gefüllt ist, setzt man die im Ge-
stell etwa noch fehlenden Steine ein, prüft, ob alle Theile sich in gutem
Zustande befinden, leitet das Kühlwasser zu den Formen und sonstigen
gekühlten Theilen und bringt durch das Stichloch Feuer in den Herd.
Die Formen bleiben einstweilen geschlossen (durch Thonkugeln oder
[508]Der Hochofenbetrieb.
dergleichen). Das Holz entzündet sich und nach einiger Zeit treten
auch glühende Koks vor die Formen. Sobald die erste Schlacke sich
zeigt, pflegt man den Wind mit schwacher Pressung anzulassen. Der
Abstich wird vorher mit feuerfester Masse, welche fest eingestampft
wird, soweit geschlossen, dass nur eine engere (durch Einlegen eines
Holzmodelles beim Einstampfen der Masse frei gehaltene) Oeffnung, die
eigentliche Stichöffnung für das Roheisen, noch offen bleibt1); gewöhn-
lich lässt man, um den Boden des Ofens noch besser vorzuwärmen,
anfänglich die Gase durch dieselbe austreten (sofern nicht die Brust
des Ofens offen ist) und schliesst sie erst, wenn die Schlacke anfängt,
aus derselben auszufliessen.


Die Winderhitzungsapparate werden, sofern es irgend angeht, zuvor
mit natürlichem Brennstoffe geheizt, damit der Wind bereits erhitzt
dem Ofen zugeführt werde. Bei eisernen Apparaten, welche regel-
mässig mit Rostfeuerung versehen zu sein pflegen, ist dieses leicht zu
bewirken; bei steinernen Apparaten wird man nur dann mit warmem
Winde blasen können, wenn Gase eines andern schon im Betriebe
befindlichen Ofens zur Heizung der Apparate verfügbar sind.


Die Gasfänge und Gichtverschlüsse werden vor dem Anlassen des
Windes an Ort und Stelle gebracht und in gehörigen Stand gesetzt;
die Benutzung der Hochofengase zur Heizung der Kessel, Winderhitzer
u. s. w. beginnt, sobald sie sich als brennbar erweisen.


In dem Maasse, wie die Beschaffenheit des erfolgenden Roheisens
und der Schlacke es als zulässig erscheinen lassen, steigert man nun-
mehr die Windpressung wie den Erzsatz, und nach Verlauf von drei
bis vier Tagen pflegt der Betrieb des Ofens in völlig regelrechtem
Gange sich zu befinden.


Beispiele.


1) Anblasen des Hochofens zu Meppen im Juli 1869. 2) Raum-
inhalt des Ofens ca. 135 cbm. Zu unterst Holzfüllung wie beschrieben;
darauf 250 kg Holzkohlen, 5000 kg Koks. Alsdann 62 Gichten à 700 kg
Koks, die ersten derselben erhielten einen Erzsatz von 700 kg (incl.
Kalksteinzuschlag), welcher bei den letzten vier bis auf 1280 kg ge-
steigert wurde.


2) Anblasen eines Hochofens zu Hoerde. 3) Höhe des Ofens 15.7 m.
Auf die Holzfüllung kamen 5000 kg Koks mit 500 kg Kalkstein, dann
6000 kg Koks mit abermals 500 kg Kalkstein, hierauf Koksgichten von
je 1100 kg, und zwar 1 Gicht mit 1100 kg basischer Hochofenschlacke,
5 Gichten mit à 850 kg Möller (incl. des erforderlichen Kalkzuschlages)
[509]Die Arbeiten während des gewöhnlichen Betriebes.
und 250 kg Schlacke, 5 Gichten mit 1100 kg Möller und 150 kg
Schlacke u. s. f., bis der höchste Satz von 2250 kg Möller erreicht war.


3) Anblasen eines Hochofens zu Zeltweg im Jahre 1874. 1) Raum-
inhalt des Ofens ca. 200 cbm. Zu unterst wurde in rostartiger Ver-
theilung Holz eingebracht, hierauf 12 Bund Stroh, dann 2600 kg Holz-
kohlen. Auf diese kamen Koksgichten in folgender Reihenfolge: 1 Gicht
à 2200 kg Koks, 300 kg Kalk, 625 kg Hochofenschlacke; 1 Gicht
à 2600 kg Koks, 400 kg Kalk, 625 kg Hochofenschlacke; 1 Gicht à 2500 kg
Koks, 400 kg Kalk, 625 kg Hochofenschlacke; 1 Gicht à 2500 kg Koks,
500 kg Kalk, 1000 kg Hochofenschlacke, 500 kg Erz; 2 Gichten à 2000 kg
Koks, 550 kg Kalk, 1250 kg Schlacke, 1000 kg Erz; alle folgenden
Gichten à 1500 kg Koks mit abnehmendem Zusatze von Schlacke und
zunehmendem Erzsatze, bis dieser bei den drei letzten Gichten (der
36—38. Gicht) auf 1750 kg Erz mit 500 kg Kalkzuschlag gesteigert war.
Der übrige Verlauf wie gewöhnlich.


b) Die Arbeiten während des gewöhnlichen Betriebes.

Dieselben erstrecken sich im Wesentlichen auf das Herbeischaffen
der Schmelzmaterialien von ihren Lagerplätzen, Abmessen oder Abwägen
derselben in den erforderlichen gegenseitigen Verhältnissen, Hinauf-
befördern auf die Gichtebene und Einschütten in die Gicht, sobald die
Oberfläche der Beschickungssäule um das entsprechende Maass gesunken
ist; ferner die Beaufsichtigung der Windformen und Reinigung der-
selben, wenn nöthig, von erstarrten Ansätzen, sowie die Beaufsichtigung
des Schlackenabflusses und die Entfernung der erfolgenden Schlacken;
endlich die Herrichtung des sogenannten Gussbettes zur Aufnahme des
Roheisens und das Ablassen desselben in bestimmten Zeiträumen.


Den Inbegriff des Erzgemisches, wie es der Hochofen zur Dar-
stellung dieser oder jener Roheisensorte erhält, heisst der Möller, die
Arbeit des Mischens die Möllerung. Um die Arbeit abzukürzen und
nicht gezwungen zu sein, auch bei Nacht die Erze von ihren oft ent-
fernt liegenden Lagerplätzen herbeizuholen, hat man bei den meisten
Hochofenwerken unmittelbar hinter den Oefen ein besonderes Möller-
haus
eingerichtet, in welchem während des Tages die den Bedarf des
Ofens während 24 Stunden deckende Menge von Erzen und Zuschlägen
aufgespeichert wird, um von hier aus in bestimmten Einzelposten von
Gicht zu Gicht nach dem Hochofen befördert zu werden. Das Verfahren
der Möllerung aber ist nach der Grösse des Hochofens und nach der
Anzahl der Erzsorten, welche „gattirt“ werden, verschieden.


Je kleiner der Hochofen ist und je grösser die Zahl der gattirten
Erze, desto empfindlicher ist der erstere gegen jede zufällige Unregel-
mässigkeit in der Zusammensetzung der Beschickung. Deshalb pflegt
bei Holzkohlenhochöfen, insbesondere den auf graues Roheisen betriebe-
nen, eine ganz besondere Sorgfalt auf die Möllerung verwendet zu
werden. In dem Möllerhause fährt man auf dem mit Eisenplatten
abgedeckten Fussboden die einzelnen Erzsorten in flachen Schichten
[510]Der Hochofenbetrieb.
mit rechteckiger Grundfläche über einander auf, so dass ein regelmässiger
Haufen in Form einer ganz flachen abgestumpften Pyramide von
¾—1 m Höhe entsteht. Jede Schicht eines einzelnen Erzes wird, ehe
die nachfolgende darüber aufgeschüttet wird, mit Holzkrücken geebnet
und gleichmässig auf der ganzen Fläche vertheilt. Sind Zuschläge
erforderlich, so werden auch diese zwischen den Erzen eingeschaltet.
Von diesem Möller wird nun mit der Keilhacke und Schaufel durch
senkrechte Schnitte ein Theil nach dem andern losgetrennt, gut durch
einander geschaufelt, und von dieser Mischung erhält alsdann der
Hochofen die erforderliche Menge per Gicht. Bevor der erste Möller
in dieser Weise verbraucht ist, muss an einer andern Stelle des Möller-
hauses bereits ein zweiter fertig aufgefahren sein, damit nicht Mangel
eintrete.


Weit einfacher pflegt das Verfahren bei grossen, mit Koks be-
triebenen Hochöfen zu sein. Hier schüttet man im Möllerhause die
einzelnen Erze und Zuschläge gewöhnlich getrennt in Bretterver-
schlägen oder in ähnlicher Weise auf, entnimmt für das jedesmalige
Aufgichten so viel von jeder Sorte als der vorgeschriebenen Zusammen-
setzung des Möllers entspricht, und schüttet die Materialien, ohne sie
vorher besonders zu mischen, ohne Weiteres in die Gicht, so dass erst
in dem Ofen selbst die Mischung erfolgt. Wo der Stürzplatz für die
Erze in unmittelbarer Nähe des Hochofens sich befindet, umgeht man
auch wohl die Anlage eines Möllerhauses ganz und befördert die Mate-
rialien von dem Stürzplatze ohne Weiteres nach dem Gichtaufzuge.


Zur Beförderung der Materialien von den Lagerplätzen nach dem
Möllerhause und von hier nach dem Hochofen bedient man sich vier-
rädriger Karren (Hunde), welche auf Schienen laufen. Die zur Mölle-
rung dienenden können aus Holz gefertigt sein. Die eine Längswand
des prismatischen Kastens ist dann gewöhnlich zum Herausnehmen ein-
gerichtet, so dass die Entleerung leicht von Statten geht. Die Gicht-
wagen dagegen, welche die Schmelzmaterialien auf die Gichtebene
befördern und unmittelbar in die Gichtöffnung entleert werden, müssen
aus Eisenblech gefertigt sein. Um das Entleeren in kürzester Zeit be-
wirken zu können, pflegt man sie als Kippwagen einzurichten, deren
Kasten um eine horizontale Achse so weit drehbar ist, dass beim
Aufkippen desselben der Inhalt rasch und vollständig herausstürzt.
Fig. 147 und 148 stellen zwei übliche Formen solcher Kippkarren für
Eisenhochöfen dar. Bei beiden ist a die Achse, um welche der Kasten
beim Kippen gedreht wird. Bei dem Karren Fig. 147, welcher besonders
häufig zum Aufgichten der Erze benutzt wird, stürzt der Inhalt, wie
leicht ersichtlich ist, ohne Weiteres heraus, sobald der Kasten ent-
sprechend weit aufgekippt ist. Bei dem Karren Fig. 148, welcher
weniger für Erze als für Brennstoffe geeignet sein dürfte, ist die Stirn-
wand zum Aufklappen eingerichtet und wird durch einen Riegel fest-
gehalten; da ihre Drehungsachse oben liegt, öffnet sie sich von selbst,
wenn der Riegel zurückgezogen und der Kasten aufgekippt wird.


Bei Holzkohlenöfen mit enger Gicht und ohne Centralrohr benutzt
man mitunter Karren mit beweglichem Boden, welche auf Schienen
bis über die Mitte der Gicht gefahren und hier entleert werden. Der
Boden der Kohlenkarren besteht in diesem Falle aus zwei Klappen,
[511]Die Arbeiten während des gewöhnlichen Betriebes.
welche nach unten aufschlagen und die Kohlen in die Mitte der Gicht
stürzen lassen; ein einfacher Hebelmechanismus dient dazu, das Oeffnen
und Schliessen der Klappen zu bewirken. Der Boden der Erzkarren
dagegen hat die Form eines an einer senkrechten Stange hängenden

Figure 107. Fig. 147.


Figure 108. Fig. 148.


Kegels, welcher mit Hilfe einer Schraube oder eines Hebels gesenkt
wird und die Erze rings nach den Wänden des Ofens hin vertheilt.


Den Karren für Erze pflegt man einen räumlichen Inhalt von
3—4 Hektolitern, denen für Brennstoffe einen Inhalt von 4—6 Hekto-
litern zu geben.


Die aufzugichtenden Erze, Zuschläge und Brennstoffe werden ent-
weder gewogen (auf einer im Möllerhause aufgestellten Centesimal-
waage) oder gemessen (wobei die Gichtkarren selbst gewöhnlich als
Messgefässe dienen), und man ermittelt in dem letzteren Falle von Zeit
zu Zeit das Durchschnittsgewicht einer bestimmten Maasseinheit der
Schmelzmaterialien, um durch eine einfache Rechnung das Gewicht
der gesammten aufgegichteten Materialien zu erhalten. Letztere Methode
hat den Vortheil der grösseren Einfachheit, da das jedesmalige Wägen
wegfällt; und man vermeidet bei der Berechnung der Betriebsergebnisse
eher die Unrichtigkeiten, welche die Schwankungen in dem Wasser-
gehalte der im Freien lagernden Schmelzmaterialien bei verschiedenen
Witterungsverhältnissen leicht herbeiführen. Besonders bei Verhüttung
dichter, mulmiger Brauneisenerze zeigen sich in dieser Beziehung oft
ganz erhebliche Abweichungen bei Regen und bei trockenem Wetter.
Anderntheils lässt sich nicht leugnen, dass das specifische Gewicht der
Brennstoffe, insbesondere der Holzkohlen und Koks, auch wenn sie
derselben Bezugsquelle entstammen, doch häufig Schwankungen unter-
liegt, man also Gefahr läuft, beim Messen statt Wägen derselben dem
Hochofen per Gicht verschiedene Mengen Kohlenstoff auf die gleiche
Erzmenge zuzuführen, wodurch dann selbstverständlich Aenderungen
im Gange des Hochofens herbeigeführt werden.


Da der Gang des Ofens aber auch bei sorgfältigster Beachtung aller
maassgebenden Verhältnisse nicht vollständig von Schwankungen frei
bleibt, so lässt sich während des Betriebes nicht ein vollständig unver-
ändertes Verhältniss zwischen Brennstoff und Erzsatz beibehalten, son-
dern dem wechselnden Ofengange gemäss muss dieses Verhältniss ge-
ändert werden. Eine derartige Aenderung würde nun ebensowohl durch
Vergrösserung beziehentlich Verkleinerung der Brennstoffgichten als der
Erzgichten zu erreichen sein; die Regel ist aber, die Brennstoffgichten
[512]Der Hochofenbetrieb.
unverändert zu lassen und die Grösse der Erzgichten bei wechselndem
Hochofengange zu verändern. Der Grund hierfür ist, dass die Erze bei
ihrem bedeutend grösseren specifischen Gewichte und ihrer geringeren
Stückgrösse im Hochofen weniger Raum einnehmen als die Brennstoffe,
obgleich ihr Gesammtgewicht doppelt bis dreifach so gross zu sein pflegt
als das der letzteren; in der Vertheilung der Materialien und in dem
Niedergange derselben im Ofen würden deshalb grössere Veränderungen
eintreten, wenn man die Grösse der Brennstoffgichten ändern wollte als
im andern Falle.


Die Grösse des jedesmaligen Brennstoffsatzes per Gicht aber muss
im Wesentlichen von der Grösse des Hochofens abhängig sein. Es
kommt hierbei vornehmlich in Betracht, dass, je grösser die einzelnen
Gichten sind, desto tiefer die Beschickungsoberfläche sinken muss, bevor
frisch aufgegichtet werden kann, und dass mithin die durch das Ein-
schütten kalter Materialien in den Ofen hervorgebrachte Abkühlung
bei grösseren Gichtsätzen nicht allein stärker ist als bei kleineren,
sondern auch sich bis zu einer grösseren Tiefe im Ofen erstreckt. Wenn
von diesem Gesichtspunkte aus kleinere Gichtsätze vortheilhafter sind
als grosse, so giebt es doch auch in dieser Beziehung eine Grenze des
Zweckmässigen. Mit abnehmender Grösse der einzelnen Gichten wird
natürlich ihre Zahl per Tag grösser; es wächst hierdurch auch die erfor-
derliche Arbeit, und bei Oefen mit geschlossener Gicht, wo beim jedes-
maligen Aufgichten ein Oeffnen des Gichtverschlusses stattfinden muss,
ist hiermit zugleich ein Gasverlust verknüpft. Bei den Oefen mit selbst-
thätiger Aufgichtung aber (Parry’scher, von Hoff’scher, Langen’-
scher Gasfang) ist die Vertheilung der Schmelzmaterialien beim Auf-
gichten sehr wesentlich von der Grösse der einzelnen Gichten abhängig,
wie schon bei der Besprechung jener Apparate erläutert wurde, und
es giebt hier eine bei den einzelnen Hochöfen durch Erfahrung ermittelte
Normalgrösse des Brennstoffsatzes, welche nicht ohne Nachtheil für den
Verlauf des Schmelzganges unterschritten werden kann.


Da die Holzkohlen specifisch leichter sind als Koks, d. h. in dem
Ofen einen grösseren Raum als diese einnehmen, und da anderntheils
die Holzkohlenhochöfen einen erheblich geringeren Rauminhalt als Koks-
hochöfen zu besitzen pflegen, so ist auch die Grösse der Brennstoff-
gichten dem Gewichte nach bei ersteren durchweg kleiner als bei
letzteren. Die kleinsten Holzkohlenöfen erhalten Brennstoffgichten von
nur 50 kg, bei den meisten dürfte das Gewicht jedoch 100—150 kg
betragen, selten geht es über 200 kg hinaus. Die Brennstoffgichten der
Kokshochöfen dagegen sind jetzt selten kleiner als 1000 kg, häufiger
beträgt ihr Gewicht 2000—3000 kg; und in dem nur 215 cbm grossen
Hochofen zu Gleiwitz wurde der Betrieb günstiger, als man bei An-
wendung eines Langen’schen Gasfanges den Kokssatz von 2500 auf
4200 kg erhöhte. 1)


Als Richtschnur für die Zusammensetzung des Möllers oder, falls
nicht besonders gemöllert wird, der einzelnen Erzgichten dient eine im
Möllerhause oder sonst an geeigneter Stelle aufgehängte Tafel, auf
[513]Die Arbeiten während des gewöhnlichen Betriebes.
welcher von dem Betriebsbeamten des Hochofens die einzelnen zu
gattirenden Erzsorten ihrer Menge nach vorgeschrieben werden. Lässt
man besondere Möller von bestimmtem Inhalte auffahren, so ergiebt
die Anzahl der in bestimmten Zeiträumen verbrauchten Möller ohne
Weiteres den Erzverbrauch; im andern Falle erhält man denselben
als Product aus der Anzahl der eingeschütteten Gichten mal ihrem
Inhalte. In jedem Falle muss die Zahl dieser Gichten auf der soge-
nannten Gichtentafel notirt werden, da aus derselben gewöhnlich auch
der stattgehabte Brennstoffverbrauch berechnet wird, und der Betriebs-
leiter aus dieser Zahl ausserdem seine Schlussfolgerungen für den mehr
oder minder raschen Verlauf des Schmelzganges ziehen muss.


Die Entfernung der Schlacke aus dem Hochofen ist ziemlich ein-
fach, wenn dieselbe dünnflüssig genug ist, um von selbst abzufliessen,
ein Fall, welcher bei allen mit heissem Winde betriebenen Kokshoch-
öfen und auch bei den auf Weisseisen arbeitenden Holzkohlenhochöfen
vorliegt. An die Schlackenform (S. 361) beziehentlich an die Schlacken-
spur bei Oefen mit offener Brust (S. 354) wird eine mit Masse aus-
gekleidete Rinne angeschlossen, welche die Schlacke einem Sammelorte
zuführt. Die Aufgabe des Schmelzers ist es dann nur, dafür zu sorgen,
dass die Austrittsöffnung für die Schlacke aus dem Ofen nicht ver-
stopft werde.


Die Art und Weise des Ansammelns der flüssigen und Fort-
schaffens der erstarrten Schlacke richtet sich nach der beabsichtigten
Verwendung derselben, von welcher im siebenten Abschnitte die Rede
sein wird. In den meisten Fällen lässt man die Schlacke unmittelbar
aus der höher liegenden Schlackenrinne in gusseiserne Wagen laufen,
in denen sie erstarrt und an einen entfernt liegenden Stürzplatz ge-
fahren wird. Diese Wagen, welche auf Schienen laufen, sind vierrädrig;
auf den Achsen ruht eine starke Gusseisenplatte, welche den Boden des
zur Aufnahme der Schlacke bestimmten Eisenkastens bildet. Der Kasten
ist aus vier unter einander und mit dem Boden verdübelten Platten
zusammengesetzt, so dass er sich auseinander nehmen lässt, und pflegt
ca. 1 m lang, 0.6—0.7 m breit und hoch zu sein, doch werden auch noch
grössere Abmessungen angewendet. Bisweilen giebt man ihm die Form
eines abgestumpften Kegels, so dass man ihn, wenn an dem Stürz-
platze ein Krahn vorhanden ist, ohne ihn auseinander zu nehmen,
von dem erstarrten Schlackenkörper abheben kann, um diesen alsdann
zu beseitigen; stehen die Wände des Kastens dagegen senkrecht, so
pflegt man den Kasten nach Lösung der Dübel auseinander zu nehmen,
wenn die erstarrte Schlacke entfernt werden soll.


Die Aufgabe, die Schlacke über den obern Rand des Kastens
hinweg in denselben einfliessen zu lassen, lässt sich in den meisten
Fällen ohne Schwierigkeit lösen; man legt eben, wie schon früher
erwähnt wurde, von vorn herein den Bodenstein des Ofens so hoch
über die Ebene der Hüttensohle, dass sowohl hierfür als für das Ab-
lassen des Roheisens der nöthige Fall gewahrt bleibt.


Bei Holzkohlenhochöfen, welche graues Roheisen für die Giesserei
liefern, pflegt die Schlacke nicht so dünnflüssig zu sein, dass ein regel-
mässiges Abfliessen derselben in der soeben geschilderten Weise mög-
Ledebur, Handbuch. 33
[514]Der Hochofenbetrieb.
lich wäre, und man pflegt auch aus diesem Grunde, wie früher erörtert
wurde, diese Oefen nicht mit geschlossener, sondern mit offener Brust
zu versehen. Die Oberfläche der zwischen Tümpel und Wallstein
stehenden Schlacke wird mit einer Schicht Holzkohlenlösche bedeckt
gehalten, um sie vor allzu rascher Abkühlung zu schützen; von Zeit
zu Zeit, wenn die Oberfläche der Schlacke im Ofen steigt, hebt man
mit einer Eisenstange die vor dem Tümpel befindliche halberstarrte
Schlackendecke empor, zieht sie mit einer eisernen Krücke über die
Oberkante des Wallsteines hinweg, fährt, wenn nöthig, mit einem
langen eisernen Haken unter dem Tümpel hinweg bis in das Gestell
des Ofens, um erstarrte Schlackenansätze loszubrechen und der Schlacke
den Weg nach vorn hin frei zu machen, und schüttet dann frische
Lösche auf.


Wenn das Roheisen im Herde des Ofens sich soweit angesammelt
hat, dass nur noch eine niedrige Schlackendecke auf demselben schwimmt,
wird „abgestochen“. Im Verlaufe von 24 Stunden pflegt dieses Ab-
stechen zwei- bis fünfmal erforderlich zu sein, abweichend nach dem
Fassungsraume des Herdes und der Leistungsfähigkeit des Ofens.


In den Pausen zwischen den einzelnen Abstichen muss das „Guss-
bett“ zur Aufnahme des flüssigen Roheisens vorgerichtet werden. Zur
Erzielung des nöthigen Falles von dem Stichloche des Ofens nach dem
Gussbette hin muss das letztere tiefer als ersteres liegen, doch aber in
nicht allzu grosser Entfernung vor demselben (gewöhnlich etwa 4—8 m)
angeordnet sein. Es besteht aus einer Lage mässig feinkörnigen, für
Gase durchlässigen Sandes, wie er auch in Eisengiessereien für Her-
stellung sogenannten Herdgusses benutzt wird; in demselben stellt man
mit Hilfe eines Modelles die Gussformen her, in welchen das flüssige
Roheisen erstarren soll. Diese Gussformen sind oben offen und haben
demnach die Form flacher oder halbcylindrischer Rinnen, entsprechend
der Form, welche man den Roheisengänzen (Masseln) zu geben beab-
sichtigt; damit aber das Anfüllen derselben mit dem aus dem Stich-
loche des Hochofens kommenden Roheisen in regelrechter Weise ver-
laufe, müssen sie nach einem Systeme neben und hinter einander
angeordnet sein.


Zu diesem Zwecke führt man jene Rinne oder Gosse, welche das
Roheisen zunächst aufnimmt, von dem Stichloche aus an dem Rande
des Gussbettes entlang; von hier aus werden quer über das Gussbett
hinüber eine Anzahl paralleler Rinnen in Abständen von etwa 2 m
von einander abgezweigt und an jede derselben schliessen sich nun,
wie die Zinken eines Kammes an den Quersteg desselben, die dicht
neben einander liegenden eigentlichen Ganzformen von etwa 1.5 m Länge
an. Mit Hilfe sogenannter Abstichschaufeln, spatenartig ausgeschmie-
deter Eisenstäbe, welche mit Lehm überzogen sind und quer in die
Rinnen gesteckt werden, um dieselben abzusperren, regelt man die
Vertheilung des Roheisens. Zunächst lässt man dasselbe in die erste
Reihe der Gänze eintreten, indem man den Hauptkanal unmittelbar
hinter der ersten Abzweigung absperrt; dann in die zweite Reihe, u. s. f.


Statt der Sandformen wendet man bei Darstellung gewöhnlichen
Weisseisens nicht selten gusseiserne Formen an, welche, nachdem sie
[515]Die Arbeiten während des gewöhnlichen Betriebes.
entleert wurden, nur wieder an der betreffenden Stelle und in der
richtigen Reihenfolge in das Sandbett eingegraben zu werden brauchen,
um aufs Neue zur Aufnahme des Roheisens bereit zu sein. Man spart
dadurch die Arbeit des Einformens der Gänze, und, was gerade für
die Verwendung des Weisseisens nicht ohne Belang ist, die Masseln
bleiben frei von Sand, der an den im Sande gegossenen Masseln in
oft nicht unerheblicher Menge haften bleibt. Durch das häufig wieder-
holte Erhitzen und Abkühlen aber pflegen diese Gusseisenformen einer
ziemlich raschen Zerstörung unterworfen zu sein, so dass sie einer
öfteren Auswechselung bedürfen, und eine eigentliche Ersparung dürfte
deshalb mit ihrer Anwendung kaum verknüpft sein. Für graues Roh-
eisen und Spiegeleisen dagegen sind solche gusseiserne Formen über-
haupt nicht gut anwendbar. Durch die raschere Abkühlung in den-
selben werden Einflüsse auf die Textur des Eisens ausgeübt, welche
zwar den wirklichen Werth desselben nicht beeinträchtigen, wohl aber
im Handel, wo die Textur den ersten Maassstab für die Beurtheilung
der Beschaffenheit des Roheisens zu bilden pflegt, leicht zu einer un-
günstigen Beurtheilung der Roheisenqualität verleiten würden. Graues
Roheisen wird feinkörniger, graphitärmer, Spiegeleisen feinspiegeliger,
unter Umständen strahlig.


Auf vielen englischen und auch auf mehreren deutschen Hoch-
ofenwerken hat man das Gussbett vollständig im Freien angeordnet;
bei anderen Anlagen, insbesondere bei fast allen älteren deutschen
Werken, findet man vor dem Hochofen eine überdachte Giesshalle,
welche den darin beschäftigten Arbeitern Schutz vor Regen und Schnee
gewährt, auch das Gussbett selbst und die darin hergestellten Guss-
formen vor Zerstörung und allzu starker Durchweichung bei plötzlichen
Regengüssen bewahrt.


Wenn Alles zu dem Abstiche bereit ist, wird bei den Oefen mit
offener Brust das Gebläse abgestellt, weil sonst eine mächtige Flamme
unter dem Tümpel hervorbrechen und den Aufenthalt vor demselben
unmöglich machen würde, sobald die Oberfläche der geschmolzenen
Massen im Herde zu sinken beginnt; bei Oefen mit geschlossener Brust
pflegt man auch während des Abstechens zu blasen und selbst noch mit
dem Blasen einige Zeit fortzufahren, nachdem das Roheisen ausgeflossen
ist, um hierdurch den Herd möglichst zu reinigen. Erst dann wird das
Gebläse abgestellt, nachdem die Sicherheitsklappen in den Düsen-
ständern, welche das Zurücktreten der Gase verhindern sollen, ge-
schlossen worden sind, das Stichloch von etwa gebildeten Ansätzen
gereinigt und dann mit einem Pfropfen aus feuerfester Masse oder Thon
und Sand wieder geschlossen. Dann beginnt das Blasen aufs Neue.
Die Schlackenöffnung (Schlackenform) bei den Oefen mit geschlossener
Brust wird nun so lange mit Thon verschlossen gehalten, bis die
Schlacke aufs Neue zu den Formen emporgestiegen ist.


Bei den Oefen mit offener Brust pflegt man, nachdem der Herd
entleert worden ist, den Wind für kurze Zeit zuzulassen, um so viel
als thunlich eine Reinigung von Lösche und dergleichen zu bewirken,
dann stellt man aufs Neue das Gebläse ab und reinigt nun mit langen
eisernen Stangen (Rengeln) und Haken (Schaffhaken), welche unter
33*
[516]Der Hochofenbetrieb.
dem Tümpel hindurch eingeschoben werden, den Herd von allen An-
sätzen („Ausarbeiten“ des Herdes), füllt den vor dem Tümpel befind-
lichen Theil des Herdes mit Kohlenlösche oder Thon, legt bei Oefen
mit stärkerer Windpressung eine Gusseisenplatte darauf, um das Aus-
treten der Gase unter dem Tümpel hervor unmöglich zu machen, und
lässt nun erst das Gebläse wieder an. Der Nachtheile für den Schmelz-
gang und die Leistungsfähigkeit des Hochofens, welche dieser erforder-
liche längere Stillstand des Gebläses bei den Oefen mit offener Brust
nach sieh zieht, wurde schon oben bei Besprechung der Lürmann’-
schen Schlackenform gedacht (S. 328).


c) Die Betriebsstörungen der Hochöfen.

Wie bereits mehrfach erwähnt wurde, verläuft auch bei sorgfältig-
ster Wartung des Hochofens der Betrieb nicht immer in der gleichen
regelmässigen Weise, sondern von Zeit zu Zeit tritt mehr oder minder
heftiger Rohgang ein. Die Ursachen, welche die Entstehung des Roh-
ganges herbeiführen, wurden schon bei Besprechung des Hochofen-
processes erörtert (S. 477) und können ziemlich mannigfaltig sein. Un-
regelmässigkeiten beim Aufgichten, grosser Feuchtigkeitsgehalt der
Schmelzmaterialien bei anhaltendem Regenwetter, schlechte Beschaffen-
heit der Brennstoffe, unrichtige Zusammensetzung der Beschickung,
Abkühlung des Gebläsewindes, Lecken der Formen oder sonstigen
wassergekühlten Theile, Ungleichmässigkeiten in dem Niederrücken der
Beschickung, welche besonders häufig bei schon längere Zeit im Be-
triebe befindlichen Hochöfen durch das unregelmässige Profil derselben
herbeigeführt werden, allzu grosse Beschleunigung oder auch allzu
grosse Verlangsamung des Schmelzganges durch unrichtige Wind-
führung dürften die am häufigsten vorkommenden Ursachen des Roh-
ganges sein. Mitunter ist es schwierig, die wirkliche Ursache eines
bestimmten Falles zu erforschen. Eine Vermehrung der directen Re-
duction aber ist die erste Folge des Rohganges; hieraus erwächst eine
Abkühlung des Ofens, welche wiederum eine Zunahme des Rohganges
nach sich zieht; solcherart kühlt der Ofen, wenn nicht rechtzeitig Gegen-
maassregeln getroffen werden, mehr und mehr ab und das Ende ist
das sogenannte Einfrieren des Hochofens, dem Sterben belebter Wesen
vergleichbar: der Schmelzraum ist mit erstarrten Massen verstopft, der
Wind vermag nicht mehr durchzudringen, die Gluth erlischt und der
ganze Ofen wird kalt.


Eine Hauptsorge jedes Hochofenmannes ist es daher, die Kenn-
zeichen des eintretenden, beziehentlich zunehmenden Rohganges recht-
zeitig wahrzunehmen, um nöthigenfalls Mittel zur Beseitigung des-
selben ergreifen zu können. Diese Merkmale des Rohganges wie die
anzuwendenden Gegenmittel wurden theilweise schon auf S. 477 be-
sprochen.


Am deutlichsten pflegt die Beschaffenheit der Schlacken den be-
ginnenden Rohgang zu verrathen. Helle Schlacken werden dunkler,
grün, zuletzt schwarz. Infolge der noch im Schmelzraume fortgesetzten
Reduction von Eisen aus den Schlacken werden sie durch das hierbei
[517]Die Betriebsstörungen der Hochöfen.
entstehende Kohlenoxyd aufgebläht und zeigen sich nach dem Erstarren
von Gasblasen durchsetzt, eine Erscheinung, welche besonders deutlich
bei den saigeren Schlacken der mit Holzkohlen auf graues Roheisen
betriebenen Hochöfen hervorzutreten pflegt. Die Schlackenmenge wird
reichlicher, da eine grössere Menge Körper (Eisen, Mangan, Silicium)
unreducirt verschlackt wird; die Schlacke selbst wird durch den grösseren
Eisen- und Manganoxydulgehalt dünnflüssiger, erstarrt aber gewöhn-
lich rasch. Nimmt jedoch die Abkühlung des Ofens zu, so bleibt auch
die erfolgende Schlacke kälter und verliert dann ihre Dünnflüssigkeit.
Ist man mit der äusseren Beschaffenheit (Farbe, Dünnflüssigkeit) der
normalen Schlacke eines Hochofens bei dem Betriebe auf diese oder
jene Roheisensorte vertraut, so geben die bei Rohgang eintretenden
Veränderungen dieser Beschaffenheit ein sehr zuverlässiges Merkmal
für den Beginn des Rohganges.


Sieht man durch die Formen in den Ofen, so gewahrt man bei
Gaargang, sobald sich das Auge an das blendende Licht gewöhnt hat,
die verbrennenden Kohlen und die gleichmässig niedertropfenden flüssigen
Massen. Die Weissgluth deutet auf hohe Temperatur, Ansätze an den
Formen sind wenig bemerkbar und lassen sich ohne Schwierigkeit ent-
fernen. Bei Rohgang verlieren die Formen an Helligkeit, die schmel-
zende Schlacke zeigt sich in unruhiger Bewegung, erzeugt durch die
unter Kohlenoxydgasbildung vor sich gehende Reduction von Eisen
aus derselben. Kommt das unmittelbar über den Formen reducirte,
also noch kohlenstoffarme, schwerschmelzige Eisen in Berührung mit
den kälteren Ofenwandungen, insbesondere mit dem Rüssel der Formen
oder sonstigen gekühlten Theilen, so setzt es sich hier als sogenanntes
Frischeisen fest — dasselbe ist thatsächlich schmiedbares Eisen —,
Ansätze bildend, welche, wenn sie nicht beseitigt werden, immer mehr
wachsen und Veranlassung zu einer vollständigen Verstopfung des
Ofens geben können. Die Beseitigung dieses zähen, fest an den
Wänden haftenden Frischeisens aber ist weit schwieriger als die Be-
seitigung von entstandenen Schlackenansätzen.


Bei Oefen, welche mit Koks und hocherhitztem Winde betrieben
werden, tritt diese Erscheinung weit weniger bemerkbar hervor als bei
Holzkohlenbetrieb und weniger heissem Winde, besonders, wenn man
in letzteren graues Roheisen darstellt. Eisenhüttenleute, welche noch
den Betrieb mit kaltem Winde gekannt haben, erinnern sich sehr wohl
der ausserordentlich beschwerlichen Arbeit, welche das Losbrechen
dieser Frischeisenansätze veranlasste. Schwere eiserne Stangen —
Rengel — wurden unter dem Tümpel hinweg in den Ofen geführt,
und durch Stossen und Drücken mit denselben wurde das angesetzte
Eisen entfernt. Seit Einführung der Winderhitzung ist auch bei Holz-
kohlenhochöfen die Arbeit des „Rengelns“ seltener und weniger be-
schwerlich geworden; aber die Construction der Oefen mit offener Brust
verdankt, wie schon früher erwähnt wurde, unzweifelhaft dem Umstande
ihre Entstehung, dass bei geschlossener Brust die Entfernung der Frisch-
eisenansätze kaum möglich ist.


Auch das Aeussere der Gichtflamme lässt, sofern der Ofen mit
offener Gicht arbeitet, oft mit grosser Deutlichkeit den Eintritt von Roh-
[518]Der Hochofenbetrieb.
gang erkennen. Sie verliert an Lebhaftigkeit, die beim Gaargange blaue
Farbe wird gelblich, der weisse Beschlag, welchen — besonders bei
Graueisendarstellung — die Gichtflamme abzusetzen pflegt, verschwindet
oder wird geringer und nimmt gelbliche Färbung an. Auch hier ist
jedoch, da die Beschaffenheit der Flamme unter verschiedenen Betriebs-
verhältnissen nicht die gleiche ist, eine genaue, nur durch eigene
Beobachtung zu erlangende Kenntniss ihrer Eigenthümlichkeiten bei
dem einzelnen Betriebe erforderlich, wenn man Schlussfolgerungen
daraus auf den Hochofengang ziehen will.


Der Mittel, welche zur Beseitigung des Rohganges in Anwendung
zu bringen sind, wurde schon auf S. 478 gedacht. Sie müssen natur-
gemäss darauf gerichtet sein, die Temperatur im Schmelzraume zu stei-
gern, das Maass der indirecten Reduction zu vergrössern. Verringerung
des Erzsatzes, wo es angeht stärkere Erhitzung des Gebläsewindes,
Verlangsamung des Schmelzganges durch Verminderung der Wind-
menge sind die üblichsten derselben. Der Einsicht des Betriebsleiters
muss es überlassen bleiben, die Ursachen des Rohganges zu erforschen
und die entsprechenden Gegenmittel — unter Umständen andere, als
die genannten — zu ergreifen.


Besondere Schwierigkeiten bietet die Beseitigung von Ver-
setzungen
im Hochofen, die unter Umständen auch ohne eigentlichen
Rohgang entstehen können. Sehr strengflüssige Beschickungen, ins-
besondere sehr kalkerdereiche, geben ziemlich leicht die Veranlassung
zur Entstehung solcher Versetzungen, wenn durch einen Zufall die
Temperatur im Schmelzraume abnahm, wenn durch Unregelmässig-
keiten beim Aufgichten oder beim Niedergehen der Gichten die schlacken-
bildenden Bestandtheile in unrichtiger Mischung in den Schmelzraum
gelangten, und dergleichen. 1)


So lange in diesem Falle die Versetzungen noch nicht ein solches
Maass erreicht haben, dass der Wind nicht mehr durchdringen kann,
wird man natürlich Alles daran setzen, sie durch Steigerung der
Temperatur über den Formen zum Schmelzen zu bringen. Eine starke
Verringerung des Erzsatzes, unter Umständen das Aufgeben mehrerer
leerer Gichten (Brennstoffgichten ohne Erze) ist in jedem Falle am
Platze, vermag aber allein nicht immer die Versetzung zu beseitigen,
da, bevor die Gichten an der Stelle der letzteren anlangen, der Ofen
schon vollständig zugesetzt und erstickt sein kann. Man wird also
häufig darnach trachten müssen, Brennmaterial von unten her in den
Ofen zu bringen und durch möglichst stark erhitzten Gebläsewind zu
verbrennen. Zur Erreichung dieses Zieles ist man mitunter gezwungen,
den Ofen an einer geeigneten Stelle aufzubrechen, eine Arbeit, welche
natürlich ausserordentlich beschwerlich ist und grosse Umsicht erheischt.
Befindet sich die Versetzung in grösserem Abstande über den Formen,
so wird man mitunter genöthigt sein, eine oder mehrere besondere
Formen in der betreffenden Höhe einzulegen, um die Stelle der grössten
[519]Das Dämpfen und Ausblasen der Hochöfen.
Wärmeentwickelung jener Versetzung zu nähern. Auch das Einlegen
einer Form oberhalb der Versetzung, um hier Verbrennung und grössere
Wärmeentwickelung hervorzurufen, ist mitunter von gutem Erfolge
begleitet gewesen.


So lange in solchen Fällen die Gase noch Durchgang finden, ver-
ringert sich, wenn man schwächere Gichten aufgegeben hat, von Stunde
zu Stunde die Gefahr eines völligen Einfrierens; ist aber der Ofen
bereits vollständig verstopft, so kann nur ein rasches und energisches
Einschreiten noch Erfolg haben. Ein Aufbrechen des Ofens ist un-
erlässlich, um die erstarrten Massen (den sogenannten Bär) zu beseitigen,
sei es durch Einbringen von Kohlen, sei es durch Losbrechen mit
eisernen Stangen.


Drastische Mittel sind auf amerikanischen Eisenwerken mitunter
zur Anwendung gebracht worden, um die Versetzungen zu zerstören.
In einem derartigen Falle hat man mit Anwendung von Pulver, welches,
in Holzkästen verpackt, unter den Bär gebracht wurde, eine Sprengung
desselben bewirkt; in einem andern Falle wurde durch Kanonenschüsse
aus einem aufrecht gerichteten Geschütze die Zertrümmerung bewirkt. 1)
Auch die Anwendung von Petroleum, welches aus einem Fasse in einem
entsprechend starken Strahle unmittelbar unter die erstarrten Massen
geleitet und hier durch zugeführte Luft verbrannt wurde, soll guten
Erfolg gehabt haben, während sie in einem andern Falle nutzlos blieb.


d) Das Dämpfen und Ausblasen der Hochöfen.

Besondere Verhältnisse können es erforderlich machen, dass der
Gang des Hochofens auf einige Zeit — Tage oder auch Wochen — zum
Stillstand gebracht wird, ohne dass ein eigentliches Ausblasen statt-
findet, welches immerhin die Erneuerung der Ofenzustellung und ein
kostspieliges Wiederanblasen erforderlich macht. Dieser Fall kann z. B.
eintreten, wenn durch äussere Vorkommnisse — Krieg, Unwetter oder
dergleichen — die Zufuhr der Materialien auf einige Zeit abgeschnitten
ist; wenn Reparaturen des Hochofenschachtes vorgenommen werden
müssen, die nur von innen aus bewerkstelligt werden können; u. s. w.
Man schreitet dann zum Dämpfen des Hochofens. Hat man die aus-
reichende Zeit, so giebt man am besten einige leere Gichten, welche
bei aschenreichen Brennstoffen nur mit soviel Kalkstein beschickt wer-
den, als zur Verschlackung der Asche nothwendig ist, entfernt dann
alles flüssige Roheisen nebst Schlacken aus dem Hochofen, stellt das
Gebläse ab, schliesst sämmtliche Oeffnungen möglichst luftdicht durch
Verstreichen mit Masse oder Thon und füllt nur von Zeit zu Zeit, wenn
die Oberfläche der Beschickung gesunken ist, frische Kohlen nach.
Auf diese Weise lässt sich ein Ofen Monate hindurch dämpfen und
dann in verhältnissmässig kurzer Zeit wieder in regelrechten Betrieb
setzen. Nach dem Wiederbeginne des Betriebes wird anfänglich schwach
geblasen, um nicht grössere Mengen unreducirter Erze in den Schmelz-
raum zu führen, bis der Ofen seine normale Temperatur wieder
[520]Der Hochofenbetrieb.
erlangt hat. Sollten Versetzungen im Ofen entstanden sein, so müssen
dieselben in der vorstehend beschriebenen Art und Weise beseitigt
werden.


Zur Vornahme von Arbeiten im Innern des Ofenschach-
tes
(Losbrechen sogenannten Zinkschwammes, Auswechseln schadhaft
gewordener Steine und dergleichen) giebt man einige schwächere Erz-
gichten als gewöhnlich, zuletzt zweckmässigerweise einige Schlacken-
gichten und lässt dann die Beschickung, ohne weiter aufzugichten, bis
zu der erforderlichen Tiefe niedergehen. Nun wird das Gebläse abgestellt,
die Formen u. s. w., wie oben erwähnt, geschlossen und auf die Be-
schickungsoberfläche eine Decke feingepochter Hochofenschlacke ge-
schüttet, um das Aufsteigen der kohlenoxydreichen Gase möglichst zu
hindern. Beansprucht die erforderliche Arbeit längere Zeit, so ist es
empfehlenswerth, durch einen oder mehrere auf der Gicht aufgestellte
Exhaustoren die Gase aus dem Schachte unmittelbar über der Be-
schickungsoberfläche abzusaugen. Auch ein öfterer Wechsel der im
Schachte beschäftigten Arbeiter ist nothwendig, um sie vor der längeren
Einwirkung der Ofengase zu schützen. Auf diese Weise hat man selbst
einen grossen Theil der gesammten Schachtmauerung eines Hochofens
erneuert, ohne denselben auszublasen. 1)


Soll wegen allzu ausgedehnter Beschädigungen der Ofenzustellung,
welche eine fortgesetzte Benachtheiligung des Ofenganges zur Folge
haben, der Ofen neu zugestellt werden, oder soll aus irgend einem
andern Grunde der Hochofenbetrieb eingestellt werden, so erfolgt das
Ausblasen des Hochofens.


An und für sich ist diese Arbeit sehr einfach. Man hört mit Auf-
gichten auf, bläst so lange, bis vor den Formen keine schmelzenden
Massen mehr erscheinen, bricht dann den Ofen unten auf (durch Ent-
fernung des Wallsteines oder bei geschlossener Brust eines Gestell-
steines), räumt mit langen Eisenkrücken die noch im Innern befind-
lichen glühenden, halbgeschmolzenen Massen aus und lässt ihn erkalten.


Bei einem derartigen Niederblasen aber entwickelt sich aus der
Gicht des Ofens eine immer länger und heisser werdende Flamme, da
die aufsteigenden Gase nicht mehr von frisch aufgeschütteten Materialien
abgekühlt werden und die Widerstände, welche der Wind im Ofen
findet, sich immer mehr verringern. Die Gichtverschlüsse müssen, um
vor Zerstörung durch die Flamme bewahrt zu bleiben, abgenommen
werden, und in Gegenden, wo das Ausblasen noch in dieser Weise
bewirkt wird, ist es üblich, zuvor in der ganzen Umgegend Kunde
davon zu geben, damit nicht bei Nacht durch den weithin leuchtenden
Feuerschein Feueralarm entstehe.


Durch ein sehr einfaches, seit Ende der sechziger Jahre ziemlich
allgemein angewendetes Mittel ist man jedoch im Stande, der Entwicke-
lung dieser Flamme vorzubeugen und dadurch auch den Ofenschacht
[521]Der Betrieb auf verschiedene Roheisensorten.
gegen die zerstörenden Einwirkungen derselben zu schützen. Sobald
die Flamme anfängt, grösser zu werden, schüttet man Kalkstein nach
und wiederholt dieses Nachschütten so oft, als es erforderlich erscheint,
bis das Ausblasen beendet ist. Der untere Raum des Ofens füllt sich
hierdurch mit gebranntem, unschmelzbarem Kalk, welcher später aus-
geräumt wird und zur Mörteldarstellung benutzt werden kann.


2. Der Betrieb auf verschiedene Roheisensorten.
Allgemeines.


Aus den früheren Darlegungen über den Hochofenprocess geht
hervor, dass die Beschaffenheit des erfolgenden Roheisens im Wesent-
lichen von folgenden Umständen abhängig ist:


1. Von der chemischen Zusammensetzung der einzelnen verhütteten
Erzsorten an und für sich. Aus einem manganarmen Erze kann natür-
licherweise niemals ein manganreiches Roheisen entstehen; aus einem
phosphorreichen Erze kein phosphorarmes Roheisen.


2. Von der chemischen Zusammensetzung der gesammten Be-
schickung. Reduction von Mangan wird durch eine stark basische Be-
schaffenheit der schlackengebenden Bestandtheile der Beschickung er-
leichtert; Schwefel wird durch eine stark basische Schlacke aufgenom-
men. Ausserdem ist aber die Schmelztemperatur der erfolgenden Schlacke
von ihrer chemischen Zusammensetzung abhängig. Je mehr fremde,
schwieriger als Eisen reducirbare Körper (Silicium, Mangan) reducirt
und mit dem Eisen legirt werden sollen, desto höher muss im All-
gemeinen die Schmelztemperatur der Schlacke liegen. Die Gründe
hierfür ergeben sich aus den früheren Erörterungen über den Hoch-
ofenprocess.


3. Von der mineralogischen Beschaffenheit der Bestandtheile der
Beschickung. Schon auf S. 464 ist darauf hingewiesen worden, dass
die Bildungstemperatur der Schlacke noch wichtiger als die Schmelz-
temperatur für die Beschaffenheit des erfolgenden Roheisens, insbesondere
auch für den Siliciumgehalt desselben, sei und dass diese Bildungs-
temperatur sehr wesentlich von der äusseren Form abhänge, in welcher
die schlackengebenden Bestandtheile sich in der Beschickung finden.
Auch die verschiedene Reducirbarkeit verschiedener Erze kommt hier
in Betracht. Bei Verhüttung schwierig reducirbarer Erze werden grössere
Mengen Eisen als bei Verhüttung leichtreducirbarer verschlackt werden;
es wird also auch in ersterem Falle schwieriger sein, kohlenstoff-,
silicium- oder manganreiche Roheisensorten darzustellen als in letzterem.


4. Von der Temperatur im Schmelzraume des Ofens. Die Re-
duction von Mangan und Silicium in grösseren Mengen erfordert hohe
Temperaturen; daher lassen sich silicium- oder manganreiche Roheisen-
sorten nicht in kalt gehenden Hochöfen darstellen. Die Temperatur im
Ofen ist abhängig von der Temperatur des Gebläsewindes, der Beschaffen-
heit des Brennstoffes, dem Verhältniss der Menge des Brennstoffes zum
Erzsatze und dem Wärmeverbrauche des Ofens; letzterer aber ist be-
trächtlicher, wenn grössere Mengen Mangan und Silicium reducirt
[522]Der Hochofenbetrieb.
werden und bei Verhüttung schwer reducirbarer Erze, als im umge-
kehrten Falle. 1) Alle diese Umstände zusammen machen einen um so
grösseren Brennstoffverbrauch und Anwendung stärker erhitzten Windes
erforderlich, je silicium- oder manganreicher das Roheisen werden soll.


5. Von der Windmenge, welche der Ofen in der Zeiteinheit erhält;
oder richtiger von dem Verhältnisse dieser Windmenge zu dem Raum-
inhalte des Hochofens. Je mehr Wind der Ofen empfängt, desto rascher
verläuft der Schmelzprocess; desto grösser ist die Menge des dargestellten
Roheisens; aber desto leichter tritt vorzeitige Verschlackung unredu-
cirten Eisens ein und desto unbedeutender wird die Reduction von
Silicium oder Mangan ausfallen. Ein Hochofen, welcher auf gewöhn-
liches Weisseisen betrieben wird, verträgt daher und erfordert sogar
eine stärkere Beschleunigung des Schmelzganges als ein solcher, welcher
graues oder manganreicheres Roheisen darstellen soll.


Durch entsprechende Gattirung mehrerer Erzsorten oder durch
Beschicken derselben mit geeigneten Zuschlägen ist man im Stande,
verschiedenartige Roheisensorten aus den gleichen Erzen darzustellen,
wenn auch die ursprüngliche Beschaffenheit der Erze sie oft mehr
geeignet für den einen als für den andern Zweck erscheinen lässt.
Rasenerze, mit Quarzkörnern durchmengt oder quarzige Rotheisenerze
werden fast immer die Graueisenbildung befördern; manganreiche Spathe
dagegen werden, auch wenn sie auf graues Roheisen verarbeitet werden,
immerhin demselben die Neigung ertheilen, bei rascher Abkühlung
weiss zu werden, leichter aber auf weisses Roheisen oder Spiegeleisen
sich verarbeiten lassen. Ein grösserer Thonerdegehalt der Erze macht
sie gewöhnlich geeigneter für Graueisen- als für Weisseisendarstellung,
da er die Bildungs- und Schmelztemperatur der Schlacke erhöht; um-
gekehrt wird die Graueisendarstellung schwieriger, wenn nur thonerde-
freie Erze zur Verhüttung vorliegen.


Selbstverständlich ist es, dass man für Darstellung bestimmter
Roheisensorten nicht Erze benutzen wird, durch welche Bestandtheile,
nachtheilig für die Verwendung jener Roheisensorten, denselben zuge-
führt werden. Die Verwendung des Spiegeleisens erheischt möglichste
Reinheit von Phosphor; dasselbe ist bei dem für den älteren Bessemer-
process bestimmten grauen Roheisen der Fall. Es würde widersinnig
sein, hier phosphorreiche Erze verhütten zu wollen. Weniger von
Belang ist ein Phosphorgehalt in dem Giessereiroheisen und dem ge-
wöhnlichen Weisseisen; der basische Bessemerprocess (Thomasprocess)
verlangt sogar ein Roheisen mit grösserem Phosphorgehalte. Hier also
sind phosphorhaltige Erze verwendbar. Ein höherer Mangangehalt aber
ist für Giessereiroheisen von Nachtheil, da er demselben die Eigen-
schaft, leicht hart, weiss zu werden verleiht; für die Verwendung des
Weisseisens ist er eher förderlich als nachtheilig. Phosphorhaltige man-
[523]Berechnung der Beschickung.
ganreichere Erze eignen sich demnach mehr für Weisseisendarstellung,
während manganarme für beide Zwecke brauchbar sind, häufig aber,
besonders bei grösserem Thonerdegehalte, mehr die Graueisen- als die
Weisseisendarstellung befördern. Von solchen Erwägungen muss zu-
nächst die Benutzung der zur Verfügung stehenden Erze abhängig sein.


Berechnung der Beschickung.

Wie oben erläutert wurde, ist die Entstehung bestimmter Roh-
eisensorten geknüpft an die Bildungs- und Schmelztemperatur der mit-
erfolgenden Schlacke; die erste Aufgabe für die Darstellung einer be-
stimmten Roheisensorte muss also sein, die Beschickung in solcher
Weise zusammenzusetzen, dass eine Schlacke von der entsprechenden
Beschaffenheit, d. i. von der richtigen chemischen Zusammensetzung
erfolgt.


Dieses Ziel lässt sich, wie es früher ganz allgemein geschah, auf
empirischem Wege erreichen, indem man verschiedene Beschickungen
versuchsweise — am sichersten zunächst im Tiegel — schmilzt, bis der
gewünschte Erfolg erreicht ist. Rascher gelangt man durch Berechnung,
d. h. auf stöchiometrischem Wege, zum Ziele.


Für die Benutzung des letzteren Weges muss man sich klar
darüber sein, welche Zusammensetzung der Schlacke die geeignetste
für die Darstellung dieser oder jener Roheisensorte unter den gegebenen
Verhältnissen (Betrieb mit Holzkohlen oder Koks, Anwendung stärker
oder weniger stark erhitzten Windes u. s. w.) ist. Zuverlässige Ana-
lysen von Hochofenschlacken, welche unter bestimmten Betriebsverhält-
nissen gefallen waren, müssen daher die Grundlage der Berechnung in
allen diesen Fällen bilden, indem man darnach trachtet, die Beschickung
in solcher Weise zusammenzustellen, dass eine der gewählten Normal-
schlacke möglichst ähnliche Schlacke erfolgt. 1) Da es nun aber bei der
ziemlich grossen Zahl der in den Hochofenschlacken auftretenden Körper
und der Mannigfaltigkeit in der Zusammensetzung der verhütteten
Materialien unmöglich sein würde, aus vorhandenen Erzen und Zu-
schlägen eine Beschickung zu berechnen, deren Zusammensetzung in
allen Stücken genau mit derjenigen einer gegebenen Normalschlacke
übereinstimmt, so begnügt man sich, eine Schlacke zu bilden, welche
wenigstens in den wesentlichsten, die Schmelzbarkeit bedingenden Um-
ständen jene Uebereinstimmung zeigt. Hierher gehört vor allen Dingen
das Verhältniss der Kieselsäure zu den Basen; in zweiter Reihe das
Verhältniss der Thonerde zu den stärkeren Basen (Kalkerde und Mag-
nesia); endlich auch, wenn irgend möglich, das gegenseitige Verhältniss
der beiden zuletzt genannten Basen. Es lässt sich in der Praxis häufig
die Beobachtung machen, dass dieses gegenseitige Verhältniss von Kalk-
erde und Magnesia keineswegs gleichgültig für die Schmelzbarkeit der
Schlacke ist; eine Schlacke mit höherem Magnesia- und geringerem
[524]Der Hochofenbetrieb.
Kalkerdegehalte ist bei gleichem Silicirungsgrade gewöhnlich streng-
flüssiger als im umgekehrten Falle. 1)


Bei der Berechnung ist jedoch nicht allein die Zusammensetzung
der Schlacke sondern auch die Menge derselben im Verhältnisse zu
dem erfolgenden Roheisen und das Ausbringen an Roheisen aus der
Beschickung zu berücksichtigen. Je reichlicher die Schlackenmenge ist,
desto mehr Wärme wird zu der Schmelzung derselben verbraucht, desto
mehr Brennstoff muss auf Erzeugung jener Wärme verwendet werden;
je geringer die Schlackenmenge ist, desto rascher ändert sie ihre Zu-
sammensetzung bei vorkommenden Unregelmässigkeiten im Ofengange,
desto empfindlicher ist der Ofen gegen jede Einwirkung, desto leichter
tritt Rohgang ein. Ein Hochofenbetrieb ohne Schlacke ist überhaupt
nicht denkbar. Im Allgemeinen wird man mit schlackenarmen Be-
schickungen leichter gewöhnliches Weisseisen als Graueisen oder Spiegel-
eisen darstellen können. Immerhin ist der Fall selten, dass man ge-
zwungen ist, lediglich zur Vermehrung der Schlackenmenge ent-
sprechende Zuschläge zu geben.


Auf steirischen und kärntnischen Eisenwerken, welche aus leicht-
reducirbaren Erzen mit Holzkohlen Weisseisen darstellen, ist das Ver-
hältniss der erfolgenden Schlacke zum Eisen mitunter nicht erheblich
grösser als 0.6 : 1; bei Cleveländer Hochöfen, welche mit Koks auf
Giessereiroheisen betrieben werden, beziffert sich dasselbe wie 1.5 : 1;
mitunter steigt es auf 2 : 1. Eine reichere Schlackenmenge als in dem
letzteren Falle würde den Brennstoffverbrauch in einer Weise erhöhen,
dass der Betrieb nur ausnahmsweise noch als ökonomisch vortheilhaft
erscheinen kann.


Mit dem Schlackengehalte der Beschickung steht das Ausbringen
an Roheisen aus der Beschickung in naher Beziehung. In den meisten
Fällen wird dasselbe zwischen 25 und 40 Proc. schwanken. Bei jenen
erwähnten alpinen Hochöfen steigt dasselbe mitunter bis fast auf
50 Proc.; bei einem niedrigeren Ausbringen als 25 Proc. dagegen wird
man nur unter ganz besonderen Verhältnissen in der Lage sein, einen
nutzenbringenden Betrieb zu führen. 2)


Zur Erleichterung der Aufgabe, aus gegebenen Erzen und Zu-
schlägen eine Beschickung zu berechnen, aus welcher eine Schlacke
von vorgeschriebener Zusammensetzung erfolgt, deren Menge zugleich
sich innerhalb der angegebenen Grenzen hält, sind verschiedene Vor-
schläge gemacht worden. In Folgendem soll eine von Mrázek er-
sonnene Methode, welche für die praktische Benutzung die geeignetste
sein dürfte, eingehender besprochen werden. 3)


Auf Grund der durch genaue Durchschnittsanalysen ermittelten
chemischen Zusammensetzung der Erze und Zuschläge, beziehentlich
auch der Koksasche, wird eine Tabelle aufgestellt, welche folgende
Einrichtung besitzt.


[525]Berechnung der Beschickung.

Stöchiometrische Erz- und Zuschlagstabelle der Eisenhütte zu . . . . . .


[526]Der Hochofenbetrieb.

Rubrik 1—5 enthält die durch Analyse gefundene Menge der
in einer Gewichtseinheit des Erzes, der Zuschläge, der Koksasche ent-
haltenen schlackengebenden Bestandtheile. Ist zu erwarten, dass ein
Theil der Bestandtheile des Erzes ausser dem Eisen reducirt werde
— z. B. ein Theil des Mangan- oder Siliciumgehaltes —, so ist hierauf
Rücksicht zu nehmen. In den meisten Fällen wird man der Wahrheit
ziemlich nahe kommen, wenn man annimmt, dass die Hälfte des Man-
gangehaltes verschlackt, die andere Hälfte reducirt werde. Die Reduction
des Siliciums kann bei Weisseisendarstellung vernachlässigt werden;
bei Graueisendarstellung wird man annehmen können, dass ein Kiesel-
säuregehalt, welcher 1/25 des Eisengehaltes im Erze ausmacht (ent-
sprechend etwa 2 Proc. Silicium im Roheisen) reducirt werde; bei
einigermaassen beträchtlicher Schlackenmenge wird man jedoch auch
hierbei die Reduction des Siliciums vernachlässigen können, da die
ganze Berechnung wegen der mancherlei vorkommenden unberechen-
baren Vorgänge im Hochofen (Verflüchtigung verschiedener Körper in
Form von Chloriden, Cyaniden, Sulfiden, Zurückbleiben unreducirten
Eisens in den Schlacken u. s. w.) immerhin nur Annäherungswerthe zu
liefern im Stande ist, welche später durch den praktischen Versuch
Ausgleichung finden müssen.


Rubrik 6 enthält die Summe sämmtlicher schlackenbildender Be-
standtheile, Rubrik 7 den Eisengehalt (welchem bei Reduction beträcht-
licher Mengen Mangan dieses hinzuzurechnen sein würde). Beide
Rubriken ermöglichen später eine leichte Ermittelung des Verhältnisses
zwischen Schlacke und Eisen in einer berechneten Beschickung sowie
des Eisenausbringens aus derselben.


In den Rubriken 8—13 folgen die Sauerstoffgehalte der in den
Rubriken 1—5 aufgeführten Gewichtsmengen der einzelnen Körper.
Eine Addition der in den Rubriken 8—11 enthaltenen Ziffern ergiebt
die Ziffer für Rubrik 12, d. h. den gesammten in Basen auftretenden
Sauerstoff (mit B bezeichnet), während Rubrik 13 (S) den Sauerstoff-
gehalt der Kieselsäure angiebt. Das Verhältniss giebt offenbar den
Silicirungsgrad des betreffenden Erzes, Zuschlags u. s. w. an.


Hieraus lassen sich nun in sehr einfacher Weise die Ziffern für
Rubrik 14—17 berechnen, welche angeben, wie viel Sauerstoff ent-
weder
die Basen oder die Kieselsäure des betreffenden Erzes u. s. w.
überschüssig enthalten, wenn irgend ein vorgeschriebenes Silikat gebildet
werden soll. In der als Beispiel benutzten Tabelle ist die Rechnung
für Singulosilikat- und für Bisilikatbildung durchgeführt worden; mit
derselben Leichtigkeit würde sie für Subsilikat, Vierdrittelsilikat und
jede andere Silicirungsstufe, entsprechend der Zusammensetzung der zu
bildenden Schlacke, sich haben anstellen lassen.


Bei dem unter 1 aufgeführten Liaserze z. B. beträgt nach Rubrik
12 der Sauerstoff der Basen 0.0321, nach Rubrik 13 der Sauerstoff der
Kieselsäure 0.0832 Gewichtstheile in 1 Gewichtstheil Erz. Für Bildung
einer Singulosilikatschlacke, in welcher der Sauerstoffgehalt der Basen
gleich dem der Kieselsäure sein soll (S. 149), besitzt demnach das Erz
überschüssigen Sauerstoff der Kieselsäure und zwar 0.0832—0.0321 =
[527]Berechnung der Beschickung.
0.0511 Gewichtsth.; diese Ziffer kommt in Rubrik 15. Soll dagegen
Bisilikatschlacke gebildet werden, bei welcher der Sauerstoffgehalt
der Kieselsäure doppelt so gross ist als der der Basen, so würden für
die 0.0321 Gewichtstheile Basensauerstoff 2 × 0.0321 = 0.0642 Gewichts-
theile Sauerstoff der Kieselsäure erforderlich sein; es ist also immer
noch ein Ueberschuss des Sauerstoffes der Kieselsäure = 0.0832—0.0642
= 0.0190 Gewichtstheile vorhanden (Rubrik 17).


Bezeichnet man (wie in der Tabelle bereits geschehen) die Ziffern
der Rubrik 12 allgemein mit B, der Rubrik 13 mit S, der Rubrik 14
beziehentlich 16 mit β, der Rubrik 15 beziehentlich 17 mit σ, so
hat man


  • für ⅔ Silikatbildung   β = B—1½ S
    σ = S—⅔ B
  • für Singulosilikatbildung   β = B—S
    σ = S—B
  • für 4/3 Silikatbildung   β = B—¾ S
    σ = S—4/3 B
  • für Bisilikatbildung   β = B—½ S
    σ = S—2 B

allgemein für die Bildung eines Silikates, in welchem das Verhältniss
des Sauerstoffgehaltes der Kieselsäure zu dem der Basen = n ist

Als reciproke Werthe der Ziffern in den soeben be-
sprochenen Rubriken ergeben sich nun durch einfache Division die
Ziffern der Rubriken 18—21. Dieselben geben an, wie viel Gewichts-
theile des Erzes, Zuschlages u. s. w. erforderlich sind, um 1 Gewichts-
theil des neben einem Singulosilikate, Bisilikate u. s. w. überschüssigen
Sauerstoffes in die Beschickung zu bringen. Wenn 1 Gewichtstheil
Erz β Gewichtstheile Sauerstoff in den Basen mehr enthält, als zur
Bildung eines vorgeschriebenen Silikates nothwendig ist, so bedarf man
offenbar, um 1 Gewichtstheil dieses überschüssigen Basensauerstoffes
in die Beschickung zu bringen, Gewichtstheile des betreffenden
Erzes; die nämliche Beziehung ergiebt sich, wenn das Erz nicht über-
schüssigen Basensauerstoff sondern Kieselsäuresauerstoff enthält. Das
Liaserz Nr. 1 enthält für Singulosilikatbildung in 1 Gewichtstheil Erz
0.0511 überschüssigen Kieselsäuresauerstoff; zur Einbringung von 1 Ge-
wichtstheil dieses überschüssigen Kieselsäuresauerstoffes sind demnach
Gewichtstheile Erz erforderlich (Rubrik 19).


Die Ziffern dieser Rubriken, in der Ueberschrift als stöchiometri-
sche Aequivalente bezeichnet, geben also offenbar diejenigen Gewichts-
mengen der verschiedenen Erze u. s. w. an, durch welche bei bestimm-
ter Silikatbildung die gleichen Mengen Sauerstoff in die Beschickung
geführt werden. Alle in derselben Rubrik über einander erscheinenden
Ziffern sind betreffs der Silikatbildung einander gleichwerthig; sie geben
[528]Der Hochofenbetrieb.
an, wie viel des einen Erzes u. s. w. erforderlich ist, um ein anderes
zu ersetzen, ohne dass eine Aenderung in dem Kieselsäuregehalte der
erfolgenden Schlacke eintritt.


Jedes basische Aequivalent giebt mit so vielen Säure-
äquivalenten, als der Silicirungsgrad der zu bildenden
Schlacke angiebt, eine Schlacke von dem verlangten Sili-
cirungsgrade; für Singulosilikatbildung
(Rubriken 18 und 19)
hat man je ein basisches Aequivalent mit je einem Säure-
äquivalente zusammenzustellen; für Bisilikatbildung (Ru-
briken 20 und 21) je ein basisches Aequivalent mit je zwei
Säureäquivalenten
; u. s. f.


Die Tabelle zeigt uns z. B. sofort, dass es ohne Anwendung
sonstiger Zuschläge möglich ist, aus den sub 1 und 2 aufgeführten
Erzen eine Singulo- wie eine Bisilikatschlacke zu bilden; in beiden
Fällen liefert das Liaserz Nr. 1 das Säureäquivalent, der Spatheisen-
stein Nr. 2 das basische Aequivalent.


Für Singulosilikatschlacke ist ein Aequivalent oder 19.59 Gewichts-
theile Liaserz mit 1 Aequivalent oder 12.72 Gewichtstheilen Spatheisen-
stein zu vereinigen. 1)


Beweis.


  • 19.59 Gewichtsthle. Liaserz enthalten Sauerstoff der Basen
    19.59 × 0.0321   0.629
  • 12.72 Gewichtsthle. Spatheisenstein enthalten Sauerstoff der
    Basen 12.72 × 0.0845  1.075
  • 1.704
  • 19.59 Gewichtsthle. Liaserz enthalten Sauerstoff der Kiesel-
    säure 19.59 × 0.0832   1.629
  • 12.72 Gewichtsthle. Spatheisenstein enthalten Sauerstoff der
    Kieselsäure 12.72 × 0.0059  0.075
  • 1.704.

Für Bisilikatschlacke sind zwei Aequivalente oder 2 × 52.62 =
105.24 Gewichtstheile des Liaserzes mit einem Aequivalente oder 12.27
Gewichtstheilen des Spatheisensteines zu vereinigen.


Beweis.


  • 105.24 Gewichtsthle. Liaserz enthalten Sauerstoff der Basen
    105.24 × 0.0321   3.378
  • 12.27 Gewichtsthle. Spatheisenstein enthalten Sauerstoff der
    Basen 12.27 × 0.0845  1.036
  • 4.414
  • 105.24 Gewichtsthle. Liaserz enthalten Sauerstoff der Kiesel-
    säure 105.24 × 0.0832   8.756
  • 12.27 Gewichtsthle. Spatheisenstein enthalten Sauerstoff der
    Kieselsäure 12.27 × 0.0059  0.072
  • 8.828.

Da die Zusammensetzung der einzelnen Erze bekannt und, so weit
sie die schlackenbildenden Bestandtheile betrifft, in den Rubriken 1—5
[529]Berechnung der Beschickung.
enthalten ist, so lässt sich leicht auch die gesammte Zusammensetzung
der Schlacke berechnen, nachdem man die Beschickung in der soeben
erläuterten Weise zusammengestellt hat. Jene Singulosilikatschlacke
aus 19.59 Gewichtstheilen Liaserz und 12.72 Gewichtstheilen Spatheisen-
stein würde z. B. enthalten:


  • Mn O aus dem Liaserz 19.59 × 0.007   0.137 Gewichtsthl.
  • „ „ „ Spatheisenstein 12.72 × 0.023 0.292 „ 0.429 Gewichtsthl.
  • Ca O aus dem Liaserz 19.59 × 0.000
  • „ „ „ Spatheisenstein 12.72 × 0.159   2.022 „
  • Mg O aus dem Liaserz 19.59 × 0.000
  • „ „ „ Spatheisenstein 12.72 × 0.085   1.081 „
  • Al2 O3 aus dem Liaserz 19.59 × 0.065   1.273 „
  • „ „ „ Spatheisenstein 12.72 × 0.000
  • Si O2 aus dem Liaserz 19.59 × 0.156   3.057 Gewichtsthl.
  • „ „ „ Spatheisenstein 12.72 × 0.011 0.139 „
  • 3.196 „
  • 8.001 Gewichtsthl.

32.31 Gewichtsthle. Beschickung aus den beiden Erzsorten liefern
mithin 8.001 Gewichtsthle. Schlacke, deren procentale Zusammensetzung
sich nunmehr ohne Schwierigkeit berechnen lassen würde. Handelt es
sich nur darum, die Gesammtmenge der erfolgenden Schlacke, nicht ihre
Zusammensetzung, zu ermitteln, so würde man kürzer durch Benutzung
der in Rubrik 6 enthaltenen Ziffern zum Ziele gelangt sein. Das Ver-
hältniss der Thonerde zu den übrigen Basen in der Schlacke beträgt
1.273 : 3.532 = 1 : 2.7. 1)


Der Eisengehalt der berechneten Beschickung würde betragen
(Rubrik 7):


  • 19.59 × 0.428   8.384 Gewichtsthle.
  • 12.72 × 0.226   2.874 „
  • 32.31 Gewichtsthle. Beschickung enthalten 11.258 Gewichtsthle.,
  • d. i. 34.8 Proc. Eisen.

Das Ausbringen an Roheisen würde sich wegen des Kohlen-
stoffgehaltes desselben etwas höher beziffern und etwa 36 Proc. be-
tragen. Das Verhältniss der erfolgenden Schlackenmenge zum Eisen
ist 8.001 : 11.258 = 0.7 : 1, lässt sich demnach als ein für den Betrieb
günstiges bezeichnen.


Geschieht die Verhüttung mit Brennstoffen, welche bedeutende
Aschenmengen hinterlassen, so muss man diesen Aschengehalt bei der
Berechnung berücksichtigen. Es kann dieses in folgender Weise ge-
schehen. Man ermittelt die Menge des Aschengehaltes sowie die chemi-
sche Zusammensetzung desselben und trägt die letztere ebenso wie die
der übrigen Bestandtheile der Beschickung in die Tabelle ein (vergl.
die oben mitgetheilte Tabelle). Nun veranschlagt man den zur Ver-
hüttung von 100 kg Erzen und Zuschlägen erforderlichen Koksver-
brauch, welcher in den meisten Fällen 30—40 kg, durchschnittlich also
35 kg betragen wird, und berechnet hiernach den Koksverbrauch zur
Verhüttung der die berechnete Beschickung bildenden Erz- und Zu-
Ledebur, Handbuch. 34
[530]Der Hochofenbetrieb.
schlagsmengen. Aus dem Koksverbrauche ergiebt sich die erfolgende
Aschenmenge und man hat dann nur nöthig, aus der Tabelle zu ent-
nehmen, welche Menge eines entgegengesetzt zusammengesetzten Erzes
oder Zuschlages zur Verschlackung derselben erforderlich ist.


Es möge z. B. die Verhüttung der oben für Singulosilikatschlacke be-
rechneten, aus 19.59 Gewichtsthln. Liaserz und 12.72 Gewichtsthln. Spath-
eisenstein bestehenden Beschickung mit Koks bewirkt werden, deren
Aschengehalt 10 Proc. beträgt, und die chemische Zusammensetzung
der Koksasche entspreche den in Horizontalreihe 5 der früheren Tabelle
enthaltenen Ziffern. 32.21 Gewichtsthle. Beschickung werden zu ihrer
Verhüttung etwa 12 kg Koks erfordern, welche 1.2 kg Asche liefern.
Bei Singulosilikatbildung sind 7.2 Gewichtsthle. Koksasche 1 Säure-
äquivalent (Rubrik 19), 1.2 Gewichtsthle. Koksasche mithin ⅙ Aequi-
valent. Es ist also ⅙ basisches Aequivalent zur Verschlackung der
Koksasche erforderlich; benutzt man hierzu wiederum den Spatheisen-
stein, so würden demnach noch ⅙ . 12.72 = 2.12 Gewichtsthle. Spath-
eisenstein mehr, als oben berechnet wurde, in die Beschickung geführt
werden müssen, und dieselbe besteht dann aus


  • 19.59 Gewichtstheilen Liaserz
  • 14.84 „ Spatheisenstein.

Hält man es aus irgend einem Grunde für zweckmässiger, die
Verschlackung nicht durch Vermehrung des Spatheisensteines, sondern
durch einen besonderen Zuschlag von Kalkstein zu bewirken, dessen
Zusammensetzung u. s. w. in der Horizontalreihe 4 aufgeführt ist, so
würden, da das Aequivalent desselben für Singulosilikatbildung = 7.31
ist (Rubrik 18), ⅙ . 7.31 = 1.22 Gewichtsthle. Kalkstein der Beschickung
zugeschlagen werden müssen.


In derselben Weise, wie es in dem vorstehenden Beispiele für
eine Beschickung aus nur zwei Erzen entwickelt wurde, lässt sich eine
Beschickung aus beliebig vielen Erzen und Zuschlägen zusammen-
setzen, sofern man auch hier die Regel befolgt, dass die Summe
sämmtlicher Säureäquivalente sich zu der Summe sämmt-
licher basischen Aequivalente verhält, wie es die durch
den Silicirungsgrad der zu bildenden Schlacke angege-
bene Verhältnisszahl vorschreibt
. Je ein basisches Aequivalent
muss bei Singulosilikatbildung durch ein, bei Bisilikatbildung durch
zwei, bei Zweidrittelsilikatbildung durch ⅔ Säureäquivalente gedeckt
werden; u. s. f. Treten hierbei mehrere basische oder mehrere saure
Schmelzmaterialien neben einander auf, so muss das zweckmässigste
gegenseitige Verhältniss derselben unter einander nach ihren sonstigen
Eigenthümlichkeiten bemessen werden. Hierher gehört ihr verschiedener
Thonerdegehalt in Rücksicht auf den Umstand, dass dieser weder zu
beträchtlich noch zu gering ausfallen darf, wenn die Schlacke nicht zu
strengflüssig werden soll, und dass es demnach wünschenswerth ist,
das Verhältniss desselben zu den übrigen Basen in möglichste Ueber-
einstimmung mit der gewählten Normalschlacke zu bringen; dasselbe
ist hinsichtlich des Verhältnisses der Magnesia zur Kalkerde der Fall.
Sodann kommt der Eisengehalt der berechneten Beschickung in Betracht
[531]Berechnung der Beschickung.
sowie das Verhältniss der erfolgenden Schlacke zu dem Roheisen; ferner
die Menge der fremden Bestandtheile — Phosphor, Mangan, unter Um-
ständen Schwefel —, welche dem Roheisen aus dem einen oder andern
Erze zugeführt werden und die Eigenschaften desselben beeinflussen.
Endlich darf auch das Preisverhältniss der einzelnen zur Verhüttung
stehenden Erze und Zuschläge nicht unberücksichtigt bleiben, von
welchem sehr wesentlich der Preis des erfolgenden Roheisens abhängt.


Es liege z. B. die Aufgabe vor, aus dem Liaserze (Nr. 1), dem
Rasenerze (Nr. 3) unter Zuschlag von Kalkstein eine Beschickung für
Bisilikatschlacke zusammenzustellen, in welcher das Verhältniss der
Thonerde zu Kalkerde plus Magnesia ¼ bis ⅓ beträgt. Auch von
dem Spatheisenstein kann, sofern es sich als zweckmässig heraus-
stellen sollte, eine entsprechende Menge in Mitverwendung genommen
werden.


Für Bisilikatbildung muss je ein basisches Aquivalent zwei Säure-
äquivalenten gegenüberstehen. In dem vorliegenden Falle treten, wie
die Rubriken 20 und 21 nachweisen, das Liaserz und das Rasenerz
als Säureäquivalente, der Kalkstein und der Spatheisenstein als basi-
sche Aequivalente auf; ohne Zusatz eines der beiden zuletzt genannten
Materialien würde mithin die Verhüttung der Lias- und Rasenerze mit
Bisilikatbildung überhaupt nicht möglich sein.


Stellt man zunächst versuchsweise eine Beschickung ohne Spath-
eisenstein und je 1 Aequivalent der beiden Erze enthaltend zusammen,
so besteht dieselbe aus:

Der Gehalt an Al2 O2, einerseits sowie Ca O + Mg O andererseits
in dieser Beschickung beträgt:

Das Verhältniss der Thonerde zur Kalkerde u. s. w. ist also viel
zu hoch. Die Menge des Liaserzes muss bedeutend abgemindert, die
des Rasenerzes erhöht werden.


Nimmt man von ersterem nur 0.2 Aequivalent, so besteht nunmehr
die Beschickung aus:

und es hat sich demnach jenes Verhältniss auf 1 : 3.5 ermässigt.


34*
[532]Der Hochofenbetrieb.

Der Eisengehalt dieser zuletzt berechneten Beschickung würde
betragen:

Unter Berücksichtigung des Kohlenstoffgehaltes ist also ein Roh-
eisenausbringen von etwa 38 Proc. zu erwarten, und die Beschickung
würde in dieser Beziehung als vollkommen schmelzwürdig erscheinen,
ohne dass eine Anreicherung des Eisengehaltes — etwa durch Ersatz
des Kalksteines durch Spatheisenstein — nothwendig erschiene. Eine
andere Veranlassung dazu könnte jedoch der Umstand sein, dass jene
Lias- und Rasenerze reich an Phosphor wären und eine Abminderung
des Phosphorgehaltes als nothwendig oder wünschenswerth erschiene.
Das Liaserz möge 0.5 Proc. Phosphor, das Rasenerz 1.2 Proc. Phosphor
enthalten. Nimmt man an, dass derselbe vollständig von dem Eisen
aufgenommen werde — was wenigstens annähernd der Fall ist —, so
beträgt der Phosphorgehalt des erfolgenden Roheisens:


  • 10.52 Gewichtsthle. Liaserz liefern Phosphor   0.052 Gewichtsthle.
  • 54.54 „ Rasenerz „ „  0.654 „
  • 0.706 Gewichtsthle.

Diese 0.706 Gewichtsthle. Phosphor werden von 26.47 Gewichtsthln.
Eisen, welche der oben angestellten Berechnung zufolge in den Erzen
enthalten sind, aufgenommen; der Gehalt des erfolgenden Roheisens an
Phosphor wird mithin etwa 2.6 Proc. betragen.


Der Spatheisenstein sei frei von Phosphor. Ersetzt man nun ver-
suchsweise den gesammten Zuschlagskalkstein durch eine äquivalente
Menge Spatheisenstein, so erhöht man das Eisenausbringen der Be-
schickung und erniedrigt auf diese Weise den Phosphorgehalt des
erfolgenden Eisens. Man erhält alsdann folgende neue Beschickung:

Verhältniss der Thonerde zu Kalk und Magnesia = 1 : 3,


Eisengehalt der Beschickung 37.8,


Phosphorgehalt des Eisens etwa 2.4 Proc.


Die Abminderung des Phosphorgehaltes würde mithin in diesem
Falle nicht sehr erheblich sein.


Es würde dann noch die Frage entstehen, wie sich die Kosten der
beiden berechneten Beschickungen gegen einander verhalten. Ein Ver-
gleich in dieser Beziehung ist nur möglich, wenn man diese Kosten
nicht auf die Gewichtseinheit der Beschickung sondern auf die Ge-
wichtseinheit des in der Beschickung enthaltenen Eisens

bezieht. Beispielsweise mögen die Kosten der verschiedenen Erze incl.
des Transportes nach der Hütte folgende sein:


[533]Berechnung der Beschickung.
  • für 1000 kg Liaserz   9 ℳ
  • „ 1000 „ Rasenerz   6 „
  • „ 1000 „ Spatheisenstein   8 „
  • „ 1000 „ Kalkstein   4 „

so kosten bei der zuerst berechneten Beschickung ohne Spatheisenstein:


  • 10.52 kg Liaserz mit 4.50 kg Eisen   0.095 ℳ
  • 54.54 „ Rasenerz „ 21.97 „ „   0.327 „
  • 7.02 „ Kalkstein „ — „ „   0.028 „
  • 26.47 kg Eisen   0.450 ℳ

26.47 kg Eisen in der Beschickung kosten 0.450 ℳ, also 1000 kg Eisen
17 ℳ — ₰.


Bei der zweiten Beschickung mit Spatheisenstein würden die Kosten
betragen:


  • 10.52 kg Liaserz mit 4.50 kg Eisen   0.095 ℳ
  • 54.54 „ Rasenerz „ 21.97 „ „   0.327 „
  • 12.27 „ Spatheisenstein „ 2.77 „ „   0.098 „
  • 29.24 kg Eisen   0.520 ℳ,

also kosten 1000 kg Eisen in der Beschickung 17 ℳ 78 ₰., d. i. 78 ₰. mehr als in
der ersten phosphorreicheren Beschickung, und um annähernd ebenso viel würde
sich der Selbstkostenpreis des erfolgenden Roheisens erhöhen. Man würde in diesem
Falle von der Verwendung des Spatheisensteins voraussichtlich absehen.


Soll die Verhüttung mit Koks geschehen, so würde es auch hier,
wie in dem früher mitgetheilten Beispiele, zweckmässig sein, den Aschen-
gehalt derselben zu berücksichtigen. Rechnet man wiederum einen
Koksverbrauch von 35 kg per 100 kg zu verhüttender Beschickung,
und einen Aschengehalt der Koks = 10 Proc. mit der in der Tabelle
angegebenen Zusammensetzung, so würden bei Verhüttung der zuerst
berechneten Beschickung mit Kalkstein auf 72.08 Gewichtstheile Be-
schickung etwa 24 Gewichtsthle. Koks mit 2.4 Gewichtsthln. Asche
kommen. Da für Bisilikatbildung das Aequivalent der Koksasche = 89.28
ist, so entsprechen jene 2.4 Gewichtsthle. ungefähr 1/37 Aequivalent und
es würden zu ihrer Verschlackung 1/74 basische Aequivalente, bei Be-
nutzung von Kalkstein also etwa 0.10 Gewichtsthle. erforderlich sein,
welche den schon vorhandenen 7.02 Gewichtsthln. Kalkstein hinzutreten.


Will man nun auch die vollständige Zusammensetzung der erfolgen-
den Schlacke berechnen, so ergiebt sich dieselbe folgendermaassen:

Wo eine derartige Tabelle mit den sämmtlichen für die Ver-
hüttung bestimmten Schmelzmaterialien einmal berechnet worden ist,
lässt sich, wie die im Vorstehenden besprochenen Beispiele beweisen,
in sehr kurzer Zeit eine Beschickung für eine vorgeschriebene Zusam-
mensetzung der Schlacke berechnen; oder, wo die Beschaffenheit der
[534]Der Hochofenbetrieb.
zu gattirenden Erze es überhaupt unmöglich macht, diese oder jene
Schlacke zu bilden, giebt die Tabelle sofort den Nachweis darüber.


Ebenso leicht als die Berechnung ganz neuer Beschickungen lassen
sich Aenderungen vorhandener Beschickungen mit Hilfe der Tabelle
vornehmen, wenn z. B. der Vorrath einer Erzsorte zu Ende geht, wenn
ein neues Erz in die Beschickung eingeschaltet werden soll, wenn der
Phosphorgehalt abgemindert oder der Mangangehalt erhöht werden soll;
und dergleichen mehr. In der Praxis kommt dieser Fall noch häufiger
vor als die Berechnung einer neuen Beschickung; und die Lösung
dieser Aufgabe ist insofern leichter, als hier gewöhnlich bereits eine
Schlacke von bewährter Zusammensetzung vorhanden ist und es also
nur darauf ankommt, die Zusammensetzung der Beschickung zu ändern,
ohne dass die Zusammensetzung der Schlacke wesentliche Aenderungen
erfährt. In allen derartigen Fällen bleibt der Silicirungs-
grad der Schlacke derselbe, sofern man die verschiedenen
Erze oder Zuschläge in dem Gewichtsverhältnisse, in
welchem ihre stöchiometrischen Aequivalente zu ein-
ander stehen, sich gegenseitig vertreten lässt
. 19.59 Ge-
wichtstheile Liaserz sind bei Singulosilikatbildung, wie Rubrik 19 der
oben mitgetheilten Tabelle ohne Weiteres angiebt, gleichwerthig mit
23.92 Gewichtstheilen Rasenerz; enthält also eine Beschickung 25 Ge-
wichtstheile Liaserz, welche durch Rasenerz ersetzt werden sollen, so
würden dazu 25 = 30.5 Gewichtstheile des letztern Erzes erfor-
derlich sein. Der Silicirungsgrad der Schlacke würde in diesem Falle also
unverändert bleiben; der Thonerdegehalt der Beschickung aber würde,
wie sich leicht erkennen lässt, bei dem Ersatze des Liaserzes durch
Rasenerz geringer ausfallen. Soll dieses vermieden werden, so würde
ein Zusatz eines thonerdereicheren Materiales, etwa Thonschiefer, erfor-
derlich sein; und sobald dessen Zusammensetzung und Aequivalent-
zahl ermittelt worden ist, würde die Tabelle wiederum erkennen lassen,
in welcher Weise ein solcher Zusatz zu ermöglichen ist.


Darstellung des grauen Roheisens.

Die Reduction des Siliciums, dieses nothwendigen Bestandtheiles
alles grauen Roheisens, erfordert einestheils eine hohe Temperatur im
Schmelzraume und ist anderntheils nur möglich, wenn nicht eine vor-
zeitige Verschlackung des unreducirten Eisens stattfindet. Die Gegen-
wart einer eisenreichen Schlacke macht die Reduction grösserer Mengen
Silicium unmöglich; die Reduction des letzteren durch Kohle gelingt
überhaupt nur, wenn bereits reducirtes Eisen vorhanden war, mit dem
es im Entstehungszustande sich legiren konnte (S. 241).


Es kommt also bei Graueisendarstellung darauf an, die indirecte
Reduction der Erze soviel als möglich auszudehnen, die reducirten
Erze aber einer nunmehr rasch steigenden Temperatur auszusetzen.
Verlangsamter Schmelzgang, starke Erhitzung des Gebläsewindes, reich-
liches Verhältniss des Brennstoffes zum Erz (zur Deckung des für
die Reduction des Siliciums stattfindenden Wärmeverbrauches) und eine
[535]Darstellung des grauen Roheisens.
Schlacke, deren Entstehungstemperatur hoch liegt, sind die hauptsäch-
lichsten Mittel zur Darstellung grauen Roheisens.


Bei dem Betriebe mit Holzkohlen, welcher überhaupt nicht
die Erreichung so hoher Temperaturen als es bei Koksbetrieb möglich
ist, gestattet, verleiht man gern der Schlacke durch höheren Kiesel-
säuregehalt die erforderliche Strengflüssigkeit und erleichtert dadurch
zugleich die Reduction von Silicium. Die Bildung einer kieselsäure-
reichen Schlacke liegt hier gewöhnlich um so näher, als die meisten
Erze ohnehin einen Ueberschuss von Kieselsäure besitzen und des-
halb basischer Zuschläge bedürfen; je grösser aber der Kieselsäure-
gehalt der Schlacke sein kann, desto geringere Mengen solcher, den
Eisengehalt der Beschickung abmindernder Zuschläge sind erforder-
lich. Der Procentgehalt an Kieselsäure dieser bei Graueisendarstellung
mit Holzkohlen aus kieselsäurereicheren Erzen gebildeten Schlacken
beträgt in den meisten Fällen 55—65 Proc., und steigt in einzelnen
Fällen auf 70 Proc. Besonders üblich sind bei Verhüttung sand-
reicher Rasenerze solche Schlacken mit mehr als 60 Procent Kiesel-
säure.


Bei Verhüttung von Beschickungen aus quarzführenden Roth-
und älteren Brauneisenerzen pflegt dagegen der Kieselsäuregehalt der
Schlacke nicht unter 50 und nicht über 60 Proc. zu betragen und
durchschnittlich um so niedriger zu sein, je höher der daneben an-
wesende Thonerdegehalt ist. In fast allen diesen Fällen steht der Sili-
cirungsgrad der Schlacke zwischen Bi- und Trisilikat und nur bei
Beschickungen aus Rasenerzen wird mitunter das Trisilikat erreicht.


Basischere Schlacken — zwischen Singulo- und Bisilikat stehend
und gewöhnlich 40—45 Proc. Kieselsäure enthaltend — treten nicht
selten bei Verhüttung von Spathen oder anderen an basischen Gang-
arten reichen Erzen auf. Eine Bildung kieselsäurereicherer Schlacken
würde hier nur durch entsprechende Zuschläge zu erreichen sein,
welche den Eisengehalt der Beschickung abmindern würden; sind die
Erze aber reich an Magnesia, wie es z. B. bei vielen Spathen der Fall
ist, so würde, wie die Erfahrung lehrt, ein Betrieb mit hohem Kiesel-
säuregehalte gar nicht möglich sein, ja man ist — z. B. auf ungari-
schen Eisenwerken — nicht selten gezwungen, den schon basischen
Erzen noch einen Kalksteinzuschlag zu geben, um neben der Magnesia
auch soviel Kalk in die Beschickung zu führen, dass die Menge des-
selben die der Magnesia überwiegt.


Folgende Beispiele zeigen die Zusammensetzung solcher Schlacken,
welche bei Verhüttung verschiedenartiger Erze, theils in früherer,
theils in neuester Zeit, entstanden sind. In allen Fällen wurden die
Hochöfen, denen die Schlacken entstammen, mit erwärmtem Wind
betrieben.


[536]Der Hochofenbetrieb.

Schlacken bei Darstellung grauen Roheisens mit Holzkohlen.


Sowohl der Silicirungsgrad als die Zusammensetzung der Schlacken
im Allgemeinen bewegen sich, wie schon oben erwähnt wurde, in ziem-
lich weiten Grenzen, ein Beweis, dass es auch unter abweichenden
Verhältnissen möglich sein kann, Graueisen mit Holzkohlen darzu-
stellen. Einige Schlacken dagegen, in weit von einander entlegenen
Gegenden und zu verschiedenen Zeiten erblasen, zeigen wieder eine
auffallende Uebereinstimmung (z. B. die Schlacken von Pfeilhammer
und Ilsenburg, ferner von Krompach und Neuberg u. a.) und gewöhn-
lich wird sich in solchen Fällen auch eine Uebereinstimmung in der
Beschaffenheit der verwendeten Erze nachweisen lassen. Weder jener
Unterschied zwischen einzelnen noch die Aehnlichkeit zwischen anderen
Schlacken wird auffällig erscheinen, wenn man sich des Umstandes
erinnert, dass nicht allein die Schmelztemperatur sondern nicht minder
auch die Entstehungstemperatur der Schlacken die Beschaffenheit des
erfolgenden Roheisens beeinflusst, jene Entstehungstemperatur aber
sehr wesentlich auch von der äusseren Form der schlackenbildenden
Körper abhängt.


Bei dem Betriebe mit Koks auf graues Roheisen muss die
erforderliche Strengflüssigkeit der Schlacke in den meisten Fällen durch
hohen Basengehalt hervorgerufen werden. Der Silicirungsgrad dieser
Schlacken steht deshalb gewöhnlich unter dem Singulosilikate und bei
dem Betriebe auf die graphitreichsten Sorten (Nr. I) oft dem Zwei-
drittelsilikat nahe. Der Procentgehalt an Kieselsäure in diesen Schlacken
[537]Darstellung des grauen Roheisens.
geht daher nur selten erheblich über 35 Proc. hinaus und beträgt mit-
unter weniger als 30 Proc.


Zwei Ursachen sind es vornehmlich, welche diese stark basische
Beschaffenheit der Schlacken beim Betriebe mit Koks nothwendig
machen. Zunächst wird die Bildungstemperatur der Schlacken dadurch
erhöht und somit die erste Bedingung zur Erzielung von Graueisen
erfüllt; zweitens wird der oft beträchtliche Schwefelgehalt der Koks
dadurch in die Schlacke geführt und für das Roheisen unschädlich
gemacht, ein Umstand, dessen schon früher öfter gedacht wurde.
Letzterer Zweck wird in besonders vollkommener Weise durch grossen
Kalkerdegehalt der Schlacken erreicht; weniger deutlich zeigt sich
dieser Erfolg, wenn die Kalkerde zum grossen Theile durch Magnesia
oder Thonerde ersetzt ist (vergl. S. 249).


Andrerseits erschweren die beiden zuletzt genannten Basen weniger
als die stark basische Kalkerde die erforderliche Reduction von Silicium;
und erfahrungsmässig pflegen thonerdereiche Erze besonders gut zur
Darstellung von Graueisen geeignet zu sein (z. B. die thonigen Sphäro-
siderite Clevelands und Schottlands), ein Umstand, welcher ebensowohl
durch jene weniger stark basische Beschaffenheit der Thonerde als
durch den Einfluss eines höheren Thonerdegehaltes auf die Schmelz-
temperatur der Schlacke seine Erklärung finden dürfte. Dennoch er-
fordern auch thonerdereiche Erze gewöhnlich einen bedeutenden Kalk-
steinzuschlag, weil die entstehenden Schlacken ohne denselben gar
nicht schmelzbar sein würden. Die unten mitgetheilten Analysen eng-
lischer Schlacken sind für einen derartigen Betrieb charakteristisch.


Wo aber kalkerdeärmere Schlacken gebildet werden, da darf in
Rücksicht auf die soeben besprochene Aufgabe der Kalkerde der Schwefel-
gehalt der Brennstoffe oder der Erze nicht sehr hoch sein, wenn nicht
ein schwefelreiches Roheisen entstehen soll; und bei dem Betriebe
mit schwefelarmen Koks findet man mitunter Schlacken, deren Zusam-
mensetzung nicht erheblich von derjenigen abweicht, welche die bei
Holzkohlenbetrieb gebildeten basischeren Schlacken besitzen. Im Uebri-
gen spielt auch die Temperatur des Gebläsewindes hierbei eine Rolle.
Je stärker derselbe erhitzt wird, desto basischer muss die Schlacke
sein, wenn die Entstehung eines allzu siliciumreichen Roheisens ver-
mieden werden soll; und umgekehrt muss auch der Wind um so
stärker erhitzt werden, je basischer die Schlacke ist, damit die zum
Schmelzen derselben erforderliche hohe Temperatur vor den Formen
erzeugt werde.


Andrerseits dürfte die Darstellung jener Siliciumeisenlegirungen,
welche auf S. 242 und 306 besprochen wurden, nur bei weniger basi-
scher Schlacke möglich sein und aus diesem Grunde die Anwendung
schwefelarmer Brennstoffe erfordern. Starke Verlangsamung des Schmelz-
ganges und reichliches Verhältniss des Brennstoffsatzes zum Erz sind
ebenfalls Bedingungen, deren Erfüllung für die Reduction reichlicher
Mengen Silicium nothwendig ist.


[538]Der Hochofenbetrieb.

Schlacken bei Darstellung grauen Roheisens mit Koks (Anthraciten, Steinkohlen).

Darstellung des Spiegeleisens.

Es soll ein mangan- und kohlenstoffreiches, siliciumarmes Roh-
eisen erzeugt werden. Die Reduction des Mangans erfolgt nur direct
durch festen Kohlenstoff; sie kann nicht früher oder doch in erheb-
lichem Maasse nicht früher stattfinden, bevor nicht das leichter redu-
cirbare Eisen annähernd vollständig reducirt worden ist. Ein mangan-
haltiges Roheisen und eine eisenreiche Schlacke würden bei ihrer Be-
rührung ihre Bestandtheile gegen einander austauschen derartig, dass
das Mangan in die Schlacke geführt und der Eisengehalt der letzteren
dafür reducirt würde. Aus diesem Grunde ist die Anwendung leicht
reducirbarer Erze von Vortheil; geröstete manganhaltige Spatheisen-
1)
[539]Darstellung des Spiegeleisens.
steine pflegen das Hauptmaterial für die Spiegeleisendarstellung zu
bilden, und man gattirt sie mit manganhaltigen Brauneisenerzen, Roth-
eisenerzen u. s. w. Die Leichtreducirbarkeit der Erze befördert zugleich
die Aufnahme von Kohlenstoff; denn je später die Reduction des Eisens
stattfindet, desto weniger Zeit findet dasselbe, noch Kohlenstoff auf-
zunehmen.


Dass man zur Darstellung des Spiegeleisens nicht phosphorreiche
Erze benutzen werde, wurde bereits auf S. 309 erläutert.


Für hochmanganhaltiges Spiegeleisen reicht der Mangangehalt der
Spathe selten aus und man ist genöthigt, den Eisenerzen wirkliche
Manganerze zuzusetzen.


Die Reduction des Mangans wird durch hohe Temperatur im Schmelz-
raume und basische Beschaffenheit der Schlacke befördert. Die Erzielung
der erforderlichen hohen Temperatur wird, wie bei der Darstellung von
Graueisen, durch Anwendung hocherhitzten Windes und von Koks statt
Holzkohlen erleichtert; die directe Reduction des Mangans aber bedingt
einen hohen Wärmeverbrauch, welcher durch einen vermehrten Auf-
wand an Brennstoff gedeckt werden muss. Ihrem Silicirungsgrade nach
pflegt die Schlacke einem Singulosilikate nahe zu stehen oder noch
basischer als dieses zu sein. Mitunter freilich findet man auch Ana-
lysen mit höherem Kieselsäuregehalte; aber neben demselben auch
dann regelmässig einen höheren Mangangehalt. Vorwiegend entstammen
solche Schlacken dem Betriebe mit Holzkohlen und weniger stark
erhitztem Winde, wobei die zum Schmelzen kalkreicherer und mangan-
ärmerer basischer Schlacken erforderliche hohe Temperatur nicht erreicht
werden konnte.


Die Bedingungen für Bildung des Spiegeleisens sind somit denen
für Bildung von tiefgrauem Roheisen ähnlich; nothwendig für
Spiegeleisenerzeugung ist aber immerhin — auch bei Bil-
dung kalkreicher basischer Schlacken — die Gegenwart
eines gewissen Mangangehaltes in der Schlacke
. Ohne den-
selben erfolgt halbirtes oder graues Roheisen. Die Regel ist, dass bei
Anwendung von Koks und hocherhitztem Winde 40—50 Proc. des
Mangangehaltes der Beschickung in der Schlacke zurückbleiben müssen.
Durch Verlangsamung des Schmelzganges und Erhöhung des Brenn-
stoffsatzes zum Erze würde man zwar im Stande sein, grössere Mengen
Mangan zu reduciren; neben denselben aber wird bereits Silicium in
reicherem Maasse reducirt, und das erfolgende Roheisen zeigt Graphit-
bildung. Die Wirkung dieses Mangangehaltes in der Schlacke ist
unschwer zu erkennen. Da die Schlacke stark basisch ist, wird die
Reduction des Siliciums erschwert oder unmöglich gemacht, so lange
in der Schlacke noch reichlichere Mengen einer durch Kohlenstoff redu-
cirbaren Base — in dem vorliegenden Falle Manganoxydul — zugegen
sind; je mehr aber infolge der stattfindenden Reduction der Gehalt an
Manganoxydul abnimmt, welches einen Schutz für den Kieselsäure-
gehalt der Schlacke gegen die Reduction zu bilden bestimmt ist, und
je mehr dadurch die Schlacke zugleich an basischer Beschaffenheit ein-
büsst, desto ungehinderter werden die reducirenden Einflüsse des
Hochofens nunmehr auch auf den Kieselsäuregehalt der Schlacke sich
ausdehnen.


[540]Der Hochofenbetrieb.

Ein hoher Thonerdegehalt der Schlacke erschwert die
Spiegeleisenbildung
. Der Umstand, dass die Thonerde als sehr
schwache Base, sofern sie an Stelle stärkerer Basen zugegen ist, die
Reduction des Siliciums und somit die Entstehung von Graueisen be-
günstigt und die Reduction des Mangans wenigstens nicht in dem
Maasse als stärkere Basen erleichtert, erklärt leicht jene Thatsache.


Es ist kaum zu bezweifeln, dass die Schmelztemperatur der bei
Spiegeleisenerzeugung entstandenen Schlacken tiefer liegt, als wenn ihr
Mangangehalt durch Kalkerde, Magnesia oder Thonerde ersetzt wäre;
und somit auch tiefer als diejenige vieler bei Graueisendarstellung mit
Koks gefallenen Schlacken. Ob dasselbe auch mit der Bildungstempe-
ratur der Schlacke der Fall sei, lässt sich mit geringerer Sicherheit
behaupten. Es kommt hierbei in Betracht, dass die sich bildende
Schlacke, welche noch fast den ganzen Mangangehalt der Beschickung
aufzunehmen hat, basischer ist als die Endschlacke, während bei Grau-
eisendarstellung mit Koks, wo aus der Schlacke mehr und mehr Silicium
reducirt wird, das Umgekehrte der Fall ist. Ein Grund für die in
Abhandlungen und Lehrbüchern vielfach ausgesprochene Theorie, dass
für Spiegeleisenbildung die Bildungstemperatur der Schlacke nicht erheb-
lich höher liegen dürfe als die Schmelztemperatur des entstehenden
Roheisens ist kaum vorhanden. Wenn Spiegeleisen auch aus Be-
schickungen erfolgt, welche Schlacken mit niedriger Entstehungstempe-
ratur liefern, so ist der Grund dafür vornehmlich in der Leichtreducir-
barkeit der verwendeten Erze zu suchen, welche auch in diesem Falle
die annähernd vollständige Beendigung der Eisenreduction vor dem
Beginne der Schlackenbildung ermöglicht.


Schlacken bei Darstellung von Spiegeleisen.

[541]Darstellung des weissstrahligen und gewöhnlichen weissen Roheisens.
Darstellung des weissstrahligen und gewöhnlichen weissen
Roheisens.

Bei Darstellung eines gewöhnlichen manganarmen Weisseisens
kommt es zunächst darauf an, die Reduction grösserer Mengen Silicium,
welche Graphitausscheidung hervorrufen würden, zu hindern. Das ein-
fachste und am nächsten liegende Mittel hierfür ist niedrige Temperatur
im Schmelzraume; also reichlicheres Verhältniss des Erzsatzes zum
Brennstoff als bei Darstellung von Graueisen oder Spiegeleisen. Damit
aber in dieser niedrigeren Temperatur nicht Versetzungen des Ofens ein-
treten können, muss auch die Bildungs- und Schmelztemperatur der
Schlacke tiefer liegen als bei Darstellung jener Roheisensorten. Man er-
reicht dieses Ziel durch Gattirung der Erze und Zuschläge in solchen
Verhältnissen, dass eine Singulosilikatschlacke oder eine Zwischenstufe
zwischen Singulo- und Bisilikat mit nur mässigem Thonerdegehalte
erfolgt. Da weder Mangan noch Silicium reducirt zu werden brauchen,
so ist eine um so stärkere Beschleunigung des Schmelzganges zulässig,
je geringeren Werth man zugleich auf einen hohen Kohlenstoffgehalt
des erfolgenden Roheisens legt. Auch ein grosser Phosphorgehalt der
Beschickung ermöglicht eine stärkere Beschleunigung des Schmelzganges;
denn da der Phosphorgehalt des Roheisens dessen Schmelztemperatur
erniedrigt, so bleibt auch das bei beschleunigtem Schmelzgange erfolgende
kohlenstoffärmere Roheisen noch ausreichend flüssig, sofern es eine
grössere Menge Phosphor enthält.


Diese Beschleunigung des Schmelzganges ist gleichbedeutend mit
einer günstigeren Ausnutzung des Hochofens, d. h. mit Erzielung einer
höheren Production; aber sie befördert, zumal bei Verhüttung von
schwieriger reducirbaren Erzen, die Entstehung einer eisenreicheren
Schlacke, deren Eisengehalt als gleichbedeutend mit einem Eisenver-
luste zu betrachten ist. Steigt der Eisengehalt der Schlacke über-
mässig — bei wirklichem Rohgange —, so entsteht das auf S. 301
und 315 besprochene geringwerthige grelle Roheisen oder Treibeisen,
und der Betrieb wird wegen der Abkühlung des Ofens sehr misslich.


Für das eigentliche strahlige und hochstrahlige Roheisen, welches
durch einen höheren Kohlenstoffgehalt und gewöhnlich durch einen
Mangangehalt von einigen Procenten ausgezeichnet zu sein pflegt, müssen
die Betriebsverhältnisse des Hochofens den für Spiegeleisendarstellung
zu erfüllenden Bedingungen um so mehr entsprechen, je näher das dar-
zustellende Roheisen selbst in seiner Beschaffenheit dem Spiegeleisen
stehen soll. Manganhaltige Erze, stärker basische Schlacke, verringerter
Erzsatz u. s. w. sind die hauptsächlichsten Mittel, um statt des gewöhn-
lichen Weisseisens jene Uebergangsstufen zwischen diesem und dem
Spiegeleisen zu erzeugen. Nicht gerade selten ist der Fall, dass beim
Betriebe auf hochstrahliges Roheisen wirkliches Spiegeleisen erfolgt,
wenn die Verhältnisse im Hochofen sich gerade ausnahmsweise günstig
für die Reduction des Mangans gestalteten; häufiger freilich kommt es
vor, dass beim Betriebe auf Spiegeleisen strahliges Roheisen erfolgt,
wenn eine Abkühlung des Ofens eintrat oder aus sonstigen Gründen
die Manganreduction beeinträchtigt wurde.


Ist aber beim Betriebe auf strahliges oder gewöhnliches weisses
Roheisen die Temperatur im Schmelzraume hoch, so wird, zumal bei
[542]Der Hochofenbetrieb.
manganarmer, wenig basischer Schlacke, die Reduction von Silicium
befördert und es entsteht das schon mehrfach (S. 301, 314) erwähnte
halbirte Weisseisen. Aus diesem Grunde ist es, wie schon erwähnt,
bei Anwendung hocherhitzten Windes schwieriger als bei kälterem
Winde, normales, d. i. graphitfreies Weisseisen darzustellen.


Schlacken bei Darstellung von Weissstrahl und gewöhnlichem Weisseisen.

Darstellung der Eisenmangane.

Grössere Mengen Mangan als für Darstellung des Spiegeleisens
sollen reducirt werden. Jene oben besprochenen, die Manganreduction
betreffenden Bedingungen müssen also in erhöhtem Maasse erfüllt
werden: hohe Temperatur, stark basische Schlacke, Mangangehalt der
Schlacke, verzögerter Schmelzgang, reiches Verhältniss des Brennstoffs
zum Erz. Je höher der Mangangehalt werden soll, desto mehr wirk-
liche Manganerze müssen der Beschickung zugeschlagen werden, und
bei Darstellung der reichsten Eisenmangane besteht dieselbe nur aus
Manganerzen mit den entsprechenden schlackenbildenden Zuschlägen.


Da die Erzeugungstemperatur dieser Legirungen höher liegt als die
Verdampfungstemperatur des Mangans, so wird ein Theil des letzteren
verflüchtigt (S. 253). In dem oberen Theile des Hochofens oxydirt sich
[543]Darstellung der Eisenmangane.
dasselbe unter der Einwirkung von Kohlensäure, Wasserdampf oder
dem Sauerstoff der Erze, wird aber in feiner Vertheilung von den
Gasen mit empor geführt und entweicht als brauner Rauch aus dem
Hochofen. Nach Schilling1) gehen bei Darstellung von Eisenmanganen
mit 60—70 Proc. Mangan durch Verflüchtigung bis zu 17 Proc. des
ursprünglichen Mangangehaltes, bei 80 procentigen Legirungen noch weit
mehr verloren.


Infolge des Umstandes, dass dem aufsteigenden Gasstrome durch
den geringeren Erzsatz weniger Wärme als bei gewöhnlichem Betriebe
entzogen wird, tritt eine starke Erhitzung des ganzen Ofens ein; ver-
hüttet man aber Manganerze, deren Sauerstoffgehalt grösser ist als der
des Oxyds oder Oxyduloxyds — unvorbereitete Braunsteine u. s. w.
—, so werden dieselben schon im oberen Theile des Hochofens durch
den heissen kohlenoxydreichen Gasstrom zu Oxyduloxyd oder unter Um-
ständen zu Oxydul reducirt, ein Vorgang, welcher von einer beträcht-
lichen Wärmeerzeugung begleitet ist. Besteht z. B. das Erz aus Hyper-
oxyd Mn O2, und wird dieses durch Kohlenoxyd zu Oxydul reducirt,
so ist dazu ein Wärmeverbrauch von 1344 W.-E. per 1 kg Sauerstoff,
welcher den Erzen entzogen wird, erforderlich (S. 22). Diesem Wärme-
verbrauche steht eine Wärmeerzeugung durch Oxydation des als Re-
ductionsmittel dienenden Kohlenoxyds gegenüber. Da der chemische
Vorgang nach der Formel Mn O2 + C O = Mn O + C O2 verläuft, so
entwickelt hierbei 1 kg Sauerstoff 4205 W.-E. 2); der reine Wärmegewinn
beträgt mithin 4205—1344 = 2861 W.-E. Da die Reduction der sauer-
stoffreicheren Manganerze zu niedrigeren Oxydationsstufen im Kohlen-
oxydstrome schon bei einer Temperatur von annähernd 300°C. vor sich
gehen kann, die Gase aber, wie erwähnt, ziemlich heiss in dem Ofen
aufsteigen, so findet jene Wärmeentwickelung vorwiegend in dem oberen
Theile des Ofens statt; die Folge davon ist eine fernere Temperatur-
steigerung, d. h. eine Verstärkung des ohnehin durch den reichlichen
Brennstoffsatz hervorgerufenen Oberfeuers. 3) Dieses Oberfeuer erschwert
ausserordentlich den Betrieb der Manganhochöfen. Es wirkt zerstörend
auf die Schachtsteine, sofern nicht dieselben durch besondere Kühlungen
geschützt sind, und ein öfteres Durchbrennen derselben ist die Folge;
im Vereine mit dem erwähnten starken Gichtrauche macht es das Ab-
fangen der Gichtgase unmöglich, da alle Gichtgasfänge in der hohen
[544]Der Hochofenbetrieb.
Temperatur zerstört werden würden, und wie die Hochöfen der alten
Zeit entlassen noch heute die Manganhochöfen ihre Gichtgase als eine
hoch aufsteigende rothe Flamme in die freie Luft; es vermehrt endlich
die directe Reduction des Eisens, indem es eine vorzeitige Verschlackung
desselben herbeiführt, und erhöht dadurch den Brennstoffverbrauch.


Je höher der Mangangehalt in der darzustellenden Legirung aus-
fallen soll, desto grösser wird der Manganverlust durch Verflüchtigung
und Verschlackung, desto höher der erforderliche Brennstoffverbrauch,
desto stärker das Oberfeuer und die aus demselben hervorgehenden
Schwierigkeiten.


Es ist daher leicht erklärlich, dass der Selbstkostenpreis der gleichen
Menge metallischen Mangans sich weit höher beziffert, wenn dasselbe
in einer manganreicheren als wenn es in einer manganärmeren Legirung
enthalten ist.


Um nicht bei Abstechen der Eisenmangane aus dem Hochofen
Verlust durch Oxydation zu erleiden, wird der Wind zuvor abgestellt,
das Abstechen findet ohne sogenanntes Ausblasen des Herdes statt
(vergl. die Beschreibung des Abstechens auf S. 515).


Schlacken bei Darstellung von Eisenmanganen.

3. Der Betrieb mit verschiedenen Brennstoffen.


Der Betrieb mit Koks oder Holzkohlen.

Koks in dem einen, Holzkohlen in dem andern Falle bilden die
eigentlichen normalen Brennstoffe des Hochofenbetriebes; und nur
besondere örtliche Verhältnisse können die Verwendung anderer, ins-
besondere roher, Brennstoffe an Stelle der oben genannten oder neben
[545]Der Betrieb mit Koks oder Holzkohle.
denselben rechtfertigen. Der Umstand, dass sie, bereits verkohlt, bei
der Erhitzung keine Gase oder Dämpfe in grösseren Mengen mehr ent-
wickeln, welche mit den Verbrennungsgasen sich mischen und die
Gasspannung im Ofen erhöhen würden, verleiht ihnen allen rohen
Brennstoffen gegenüber ein Uebergewicht für den Betrieb aller Schacht-
öfen und somit auch des Hochofens; hierzu kommt der Umstand, dass
auch die Veränderungen in der Form und Stückgrösse wegfallen,
welche rohe Brennstoffe bei ihrer Erhitzung zu erleiden pflegen, und
welche nicht unerhebliche Störungen im Verlaufe des Schmelzprocesses
herbeiführen können. Man vergegenwärtige sich z. B. das bedeutende
Schwinden des Holzes beim Verkohlen; gefährlicher noch würde die
Eigenschaft des Backens einzelner Steinkohlensorten, des Zerfallens zu
Pulver anderer Steinkohlensorten sein. Beide Eigenschaften können zu
Versetzungen im Hochofen Veranlassung geben, welche schwer zu
beseitigen sind. Bei der Koksbereitung aus backenden Steinkohlen aber
tritt auch der schon früher betonte Vortheil in den Vordergrund, dass
hier eine vorausgehende Zerkleinerung und Aufbereitung der Kohlen
möglich ist, durch welche der für die Verwendung immerhin nach-
theilige Aschengehalt auf ein bedeutend geringeres Maass zurück-
geführt werden kann.


Auf die Unterschiede in der zweckmässigsten Grösse und Form
des Hochofens wie in der Leitung des Betriebes, welche aus der ver-
schiedenen Dichtigkeit, Verbrennlichkeit und dem verschiedenen Aschen-
gehalte der Koks einerseits und der Holzkohlen andererseits sich
ergeben, wurde bereits früher verschiedentlich hingewiesen, und es
genügt deshalb eine kurze zusammenfassende Wiederholung des schon
Gesagten.


Koks sind weniger leicht zerdrücklich als Holzkohlen 1), aber dichter
und schwerer verbrennlich. Die erstere Eigenschaft ermöglicht die An-
wendung grösserer, insbesondere auch höherer Oefen als beim Holz-
kohlenbetriebe; die Thatsache, dass in dem grösseren Ofen die Wärme-
ausnutzung günstiger zu sein pflegt, lässt diese Anwendung sogar als
zweckmässig erscheinen. Die Schwerverbrennlichkeit der Koks wie die
in dem grösseren Ofen gesteigerte Gasspannung machen die Anwen-
dung stärker gepressten Windes nothwendig; auch durch stärkere Er-
hitzung desselben wird den Nachtheilen, welche die Schwerverbrenn-
lichkeit hervorrufen könnte, in erfolgreicher Weise vorgebeugt.


Der höhere Aschengehalt der Koks sowohl als die chemische Be-
schaffenheit der Koksasche an und für sich machen die Anwendung
reichlicherer Zuschläge beim Koksbetriebe zur Verschlackung der Asche
erforderlich; der selten fehlende Schwefelgehalt der Koks aber lässt die
Bildung stärker basischer Schlacken als beim Holzkohlenbetriebe in
zahlreichen Fällen als nothwendig erscheinen, ein Umstand, welcher
besonders deutlich beim Betriebe auf graues Roheisen zu Tage tritt.
Die kalkerdereichen Schlacken, welche sich für Darstellung von tief-
Ledebur, Handbuch. 35
[546]Der Hochofenbetrieb.
grauem Koksroheisen oder auch von hochprocentigen Eisenmanganen
als zweckmässig oder nothwendig erwiesen haben, würden in der
niedrigeren Temperatur der Holzkohlenhochöfen oft kaum zum Schmelzen
zu bringen sein.


Der Betrieb mit Steinkohlen.

Steinkohlen neben Koks verwendet man mitunter, wo nicht-
backende schwefelarme Kohlen in ausreichender Stückgrösse zu haben
sind, theils aus Ersparungsrücksichten, theils auch, weil in manchen
Fällen eine günstige Beeinflussung des Hochofenprocesses durch einen
mässigen Zusatz von rohen Steinkohlen beobachtet wurde. Besonders
ist dieses der Fall bei dem Betriebe auf graues Roheisen. Eine Er-
klärung dafür lässt sich in dem Umstande finden, dass bei Oefen, die
an Oberfeuer leiden, durch die bei der Zersetzung der Steinkohlen
stattfindende Wärmebindung dieses abgemindert und die Oxydation von
Kohlenstoff durch Kohlensäure in dem oberen Theile des Hochofens
beschränkt wird; ferner auch darin, dass die flüchtigen Zersetzungs-
gebilde der Steinkohlen, grossentheils aus Kohlenwasserstoffen bestehend,
die Menge der reducirenden Bestandtheile im Gasstrome anreichern, die
Reductionswirkung desselben auf die Erze verstärken und, indem sie
die gebildete Kohlensäure verdünnen, auch die Vergasung festen Kohlen-
stoffs durch Kohlensäure erschweren.


Selbst bei kleinen Holzkohlenhochöfen, welche graues Roheisen
unmittelbar für die Giesserei darstellen, kann es, wie ich aus eigener
Beobachtung weiss, mitunter zweckmässig sein, einen — wenn auch
nur geringen — Theil der Holzkohlen (etwa 1/10 ihres Gewichts) durch
aschenarme, nicht backende, gasreiche Steinkohlen zu ersetzen. 1) Es
gelingt hierbei leichter, dem Eisen einen gewissen, für die Benutzung
zur Giesserei erforderlichen Silicium- und Graphitgehalt zu wahren.


Auf oberschlesischen Hütten, deren Hochöfen für Koksbetrieb be-
stimmt sind, lässt man mitunter ein Drittel der Brennstoffgicht aus
rohen nichtbackenden Stückkohlen bestehen. In Rücksicht auf den
Umstand jedoch, dass der Preis dieser Stückkohlen im Vergleiche zu
dem Preise von Koks aus backenden Kleinkohlen ziemlich bedeutend
zu sein pflegt, hat man es häufig als ökonomisch vortheilhafter ge-
funden, zu der alleinigen Verwendung von Koks zurückzukehren. 2)


Als ausschliesslicher Brennstoff für den Hochofenbetrieb finden
rohe Steinkohlen vorzugsweise in Schottland Verwendung, wo die meisten
oder sämmtliche Hochöfen in Ermangelung von verkokungsfähigen
backenden Steinkohlen mit den in reichen Mengen auftretenden aschen-
armen und gasreichen, grossstückigen, auf S. 43 beschriebenen mageren
oder sehr schwach backenden Kohlen betrieben werden.


Geschieht nun bei Benutzung solcher Steinkohlen die Verhüttung
in eben solchen Oefen als bei Koksbetrieb, so übt unläugbar die ausser-
[547]Der Betrieb mit Steinkohlen.
ordentlich starke Gasentwickelung und die mit derselben verknüpfte
Abkühlung des Ofens (welche, wie oben erwähnt wurde, bei beschränk-
tem Zusatze von Steinkohlen unter Umständen günstig wirken kann)
nachtheilige Einflüsse auf den Verlauf des Hochofenprocesses aus, und
der stattfindende Wärmeverlust muss durch einen beträchtlich erhöhten
Aufwand von Brennstoff gedeckt werden. Durch Anwendung weiter
Gichten und hoch erhitzten Windes ist man wohl im Stande, jene
Uebelstände abzumindern, nicht aber sie gänzlich zu beseitigen.


Als zweckmässig hat sich dagegen eine von Ferrie seit dem Jahre
1870, zuerst auf den Monkland-Eisenwerken, später auch bei anderen
Hochöfen, eingeführte Einrichtung erwiesen, welche den Zweck hat, die
Entgasung (Verkokung) der rohen Steinkohlen in dem Hochofen selbst
durch einen Theil der Gichtgase des letzteren bewirken zu lassen.


Zu diesem Zwecke ist der obere Theil des Hochofenschachtes bis
auf eine Tiefe von etwa 6 m unterhalb des Gichtgasfanges durch vier
radial stehende, von gemauerten Bogen getragene Scheidewände in
ebenso viele Kammern getheilt, welche selbstverständlich oben und unten
offen sind, und in welchen, wie in einem gewöhnlichen Hochofen-
schachte, die oben in abwechselnden Lagen eingeschütteten Kohlen und
Erze sich abwärts bewegen. Jene, etwa 20 cm starken Scheidewände
sowohl als die Aussenwände des oberen Schachtes, wo die Scheide-
wände sich befinden, sind von einem Kanalsysteme durchzogen, in
welches ein Theil der durch einen Parry’schen oder andern Gasfang
abgeleiteten Gase hineingeführt wird, um hier durch Vermischung mit
atmosphärischer Luft verbrannt zu werden. Der Zug in den Kanälen
wird durch Essen hervorgebracht, welche auf der Gicht des Hochofens
aufgestellt sind und die verbrannten Gase ableiten. Die erwähnten vier,
von den Scheidewänden und dem Ofenmauerwerk eingeschlossenen
Kammern wirken demnach wie Retorten und besitzen eine gewisse Aehn-
lichkeit mit Appolt’schen Verkokungsöfen, jedoch mit dem Unter-
schiede, dass bei letzteren das Füllen und Entleeren periodisch statt-
findet, während bei dem Ferrie’schen Hochofen die zu entgasenden
Kohlen (und mit ihnen die zu verhüttenden Erze) ununterbrochen durch
die Kammern hindurch sich bewegen.


Der Vortheil dieser Einrichtung liegt offenbar in dem Umstande,
dass die zur Entgasung der Steinkohle erforderliche Wärme nicht dem
Ofen entzogen sondern von aussen her zugeführt wird und zwar —
wie bei den meisten Verkokungsöfen — unter Benutzung der aus den
Kohlen selbst entwickelten Gase. Der Steinkohlenverbrauch im Ofen
zur Darstellung einer bestimmten Menge Roheisen wird hierdurch
erniedrigt, und zwar hat man auf den Monkland-Eisenwerken im
Jahre 1871 eine Ermässigung desselben von 2600 kg auf etwa 1700 kg
per 1000 kg Roheisen beobachtet. Allerdings darf hierbei nicht unerwähnt
bleiben, dass der nach Ferrie’s System gebaute Hochofen beträchtlich
grösser war (Gesammthöhe ca. 25 m) als der frühere Ofen und somit
auch eine günstigere Ausnutzung der Wärme ermöglichte, welcher
wenigstens theilweise jene günstigeren Ergebnisse zuzuschreiben sein
dürften.


Neuerdings hat man bei schottischen Hochofenwerken (Gartsherry)
den Betrieb mit rohen Kohlen noch lohnender zu machen gesucht,
35*
[548]Der Hochofenbetrieb.
indem man Einrichtungen traf, um das mit den Gichtgasen entweichende
Ammoniak, aus der Destillation der Kohlen entstanden, zu gewinnen
(vergl. Literatur).


Je mehr Gichtstaub aber die Hochofengase absetzen, desto öfter
wird eine Reinigung jener Züge nothwendig werden, und es ist kaum
anzunehmen, dass diese Reinigung in leichter Weise ausführbar sein
wird. Hierin dürfte ein Grund liegen, weshalb ausserhalb Schottlands
von dem Ferrie-Hochofen nur in vereinzelten Fällen Anwendung ge-
macht worden ist. Auf denjenigen oberschlesischen Eisenwerken z. B.,
wo für den Hochofenbetrieb den schottischen Steinkohlen ähnliche
Kohlen zur Verwendung stehen (Königshütte, Borsigwerk u. a.) zieht
man es vor, sie in gewöhnlichen Meilern oder in Schaumburger Ver-
kokungsöfen zu entgasen; und der Zinkgehalt der oberschlesischen
Eisenerze dürfte dieses Verfahren vollständig rechtfertigen.


Der Betrieb mit Anthraciten.

Obwohl im weiteren Sinne die Anthracite ebenfalls den Stein-
kohlen sich beigesellen lassen, so zeigt doch ihr Verhalten sowohl im
Allgemeinen als auch insbesondere bei ihrer Benutzung für den Hoch-
ofenbetrieb so erhebliche Abweichungen gegenüber dem Verhalten der
soeben besprochenen gasreichen Kohlen, dass eine besondere Be-
sprechung der Eigenthümlichkeiten des Anthracit-Hochofenbetriebes noth-
wendig erscheint.


Besonders reich an Anthraciten ist Pennsylvanien, und eine grosse
Anzahl nordamerikanischer Hochöfen in den Districten östlich vom
Alleghanygebirge benutzt den Anthracit als ausschliesslichen Brennstoff
für den Hochofenbetrieb.


Wie schon aus den auf S. 46 gegebenen Mittheilungen hervor-
geht, ist der Anthracit die kohlenstoffreichste, gasärmste aller natürlich
vorkommenden Kohlensorten und steht in chemischer Beziehung dem
Koks nahe. Eine Verkokung des Anthracits würde daher, ganz abgesehen
von der Schwierigkeit des Verfahrens, in den allermeisten Fällen zweck-
los sein. In physikalischer Beziehung aber unterscheidet sich der
Anthracit sehr wesentlich von dem Koks. Er ist dicht, schwer ver-
brennlich und besitzt oft in starkem Maasse die Neigung, beim Erhitzen in
zahlreiche kleine Stücke zu zerspringen. Diese Eigenschaften erschweren
erheblich die Verwendung des Anthracits beim Hochofenbetriebe.


Neuere amerikanische Anthracithochöfen besitzen eine Höhe von
ca. 22.5 m, Kohlensackdurchmesser 5.5 m, Gestelldurchmesser 3.2 m, Gicht-
durchmesser ca. 4 m. Der Durchmesser der Düsen beträgt etwa 108 mm,
ihr Vorragen in den Ofen 250 mm, ihre Zahl 7.1)


Die Schwerverbrennlichkeit des Anthracits lässt eine Anwendung
desselben in geringerer Stückgrösse zweckmässig erscheinen, wodurch
die dem Winde dargebotene Oberfläche vergrössert wird; als am geeig-
netsten sollen sich Stücke von ungefähr 100 mm im Durchmesser
erweisen. Ein anderes Mittel zur Beförderung der Verbrennung ist
starke Windpressung; und in Rücksicht auf die soeben erwähnte geringe
[549]Der Betrieb mit Anthraciten und Braunkohlen.
Stückgrösse und auf den Umstand, dass, wie schon erwähnt wurde,
häufig noch ein Zerspringen der Stücke in ganz kleine Würfel statt-
findet, ist eine hohe Windpressung sogar nothwendig, um den Gasen
das Durchdringen der dicht liegenden Beschickung zu ermöglichen.
Man construirt deshalb die Gebläse so, dass sie im Stande sind, nöthigen-
falls mit einer Pressung von 1.5 kg per qcm zu blasen, während aller-
dings während des gewöhnlichen Betriebes selten eine höhere Wind-
spannung als 0.6—1 kg per qcm erforderlich ist; immerhin bedeutend
höher als bei den meisten mit Koks betriebenen Hochöfen.


Auch hoch getriebene Winderhitzung befördert naturgemäss die
Verbrennung der Anthracite, und man ersetzt aus diesem Grunde
mehr und mehr die älteren eisernen Winderhitzungsapparate durch
steinerne.


Eine besondere Schwierigkeit liegt jedoch in der öfteren Ent-
stehung von Versetzungen im Hochofen, gebildet durch ein Gemenge
von Anthracitpulver, welches durch das Zerspringen von Anthracit-
stücken entstanden war, mit Schlacken oder gesinterten Massen. Be-
sonders häufig entstehen solche Versetzungen nach dem Abstiche, wenn
das Gebläse abgestellt ist. Pulver, zur Hälfte aus Anthracitstaub, zur
andern Hälfte aus zerfallenen Erzen bestehend, welches an den Rast-
wänden ringförmig sich aufgebaut hatte, rollt dann mit einem Male vor
die Formen und droht, das Feuer zu ersticken. Anwendung sehr hoch
erhitzten Windes (sofern die Apparate nicht inzwischen ebenfalls
abgekühlt sein sollten) und sehr starker Pressung, welche es dem Winde
ermöglicht, die dicht liegenden Massen zu durchdringen, hat in solchen
Fällen häufig gute Dienste gethan und die Beseitigung des Hinder-
nisses zu Wege gebracht. In anderen Fällen sucht man, sofern nicht
bereits Erstarrung zu einem einzigen festen Klumpen eingetreten ist,
den Staub durch Kratzen und Schaufeln aus dem Ofen zu ziehen, bis
die gröberen Stücke des Brennstoffs nachrutschen und der Wieder-
beginn des Blasens ermöglicht ist. Liegt jedoch die Versetzung höher
im Ofen, so bleibt gewöhnlich nichts Anderes übrig, als den Ofen hier
aufzubrechen und nun in irgend einer Weise den „Bär“ zu zerbrechen,
zu schmelzen oder zum Niedergehen zu bringen.


Bei Erwägung dieser Schwierigkeiten findet man die Anwendung
der a. a. O. schon erwähnten, auf nordamerikanischen Eisenwerken bis-
weilen angewendeten Mittel zur Beseitigung jener Versetzungen (Sprengen
mit Pulver u. s. w.) wohl erklärlich.


Der Betrieb mit Braunkohlen.

In Gegenden, wo früher die Hochöfen ausschliesslich mit Holz-
kohlen betrieben wurden, Koks nur aus sehr weiten Entfernungen zu
erlangen sind, Braunkohlen dagegen zu einem mässigen Preise zu
beschaffen sein würden, hat man verschiedentlich Versuche angestellt,
diese an Stelle von Holzkohle, beziehentlich auch an Stelle von Koks,
als Brennmaterial für den Hochofenbetrieb zu benutzen.


Zwei Eigenschaften der Braunkohlen sind es hauptsächlich, welche
diese Verwendung erschweren: der grosse Gas- und Wassergehalt der-
selben einerseits und andererseits das Zerfallen der meisten Braunkohlen
[550]Der Hochofenbetrieb.
in kleine Stücke, eine Eigenschaft welche, wie schon früher (S. 41)
erwähnt wurde, auch das Verkohlen derselben erschwert.


Dass überhaupt nur aschenarme Braunkohlen für die Benutzung
zum Hochofenprocesse in Frage kommen können, bedarf kaum einer
Erwähnung. Da der Kohlenstoffgehalt derselben den eigentlich nutz-
baren Bestandtheil beim Hochofenprocesse ausmacht, so ist der gleiche
Aschengehalt bei Braunkohlen nachtheiliger als bei Steinkohlen oder
Koks, welche reicher als jene an Kohlenstoff sind. Das Vorkommen
solcher aschenarmen Braunkohlen ist aber, so ausgedehnt auch das
Auftreten der Braunkohlen im Allgemeinen ist, nicht gerade häufig.


Besonders in den österreichischen Alpenländern ist man seit Jahr-
zehnten darauf bedacht gewesen, Braunkohle als theilweisen Ersatz
anderer Brennstoffe beim Hochofen zu verwerthen; auch in Ungarn
hat man zeitweise einzelne Holzkohlenhochöfen mit Zusatz von Braun-
kohle betrieben.


Es ergiebt sich aus den hierbei erlangten Resultaten, dass eine aus-
schliessliche Benutzung von Braunkohlen für den Hochofenbetrieb mit
grossen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, während allerdings ein Zusatz
von Braunkohlen zu anderen Materialien (in Zeltweg und Prävali zu
Koks, in Vordernberg zu Holzkohlen) zweckmässig sein kann, sofern
der Preis der Braunkohlen ausreichend billig ist. Auch bei dieser Art
der Benutzung hat sich jedoch ergeben, dass ein zuvoriges Abflammen
der Kohlen, d. h. eine theilweise Verkohlung nothwendig ist, um die
Nachtheile der allzu starken Gasentwickelung im Hochofen abzu-
mindern.


Die in Vordernberg verwendete Braunkohle (aus dem Köflacher
Revier), Lignit mit Holzstructur, enthielt:


  • Kohlenstoff   41.80 Proc.
  • Gase   28.86 „
  • Wasser   26.00 „
  • Asche   3.34 „

Nachdem sich herausgestellt hatte, dass eine einfache Trocknung
der Braunkohlen bei 70°C. nicht ausreichend sei, ihre Verwendung
im Hochofen als nützlich erscheinen zu lassen, ging man dazu über,
eine Verkohlung derselben in besonderen Kammern vorzunehmen,
welche eine Erhitzung bis zu 300°C. ermöglichten. 1) Das Ausbringen
an Kohle hierbei betrug 45—48 Proc. mit einem Kohlenstoffgehalt von
80.5 Proc. und 7.1 Proc. Asche; die Verkohlungskosten für Feuerung,
Arbeitslöhne und Amortisation stellten sich per 100 kg fertiger Kohle
auf ca. 25 Pfennig.


Von der erhaltenen Kohle, welche zum grossen Theile sich als
mürbe und zerreiblich erwies, waren etwa 130 kg erforderlich, um 100 kg
Fichtenholzkohle zu ersetzen. Die kleinstückige Beschaffenheit der
Braunkohlen steigerte die Schwierigkeiten des Betriebes, indess war es,
da der benutzte Ofen nicht sehr hoch war (10.8 m), möglich, bis 40 Proc.
der Holzkohlen durch Braunkohlen zu ersetzen.


[551]Der Betrieb mit Torf, Torfkohle und rohem Holze.

Auch in den grösseren mit Koks betriebenen Hochöfen zu Zeltweg
und Prävali hat man zeitweise 40 Proc. der Koks durch Braunkohlen
zu ersetzen vermocht.


Der Betrieb mit Torf und Torfkohle.

Roher Torf dürfte seines grossen Wasser- und Gasgehaltes halber
ebenso wenig als rohe Braunkohle geeignet sein, grössere Mengen
anderen, werthvolleren Brennstoffs im Hochofen zu ersetzen; gedarrter
oder theilweise verkohlter Torf dagegen hat mitunter neben Holzkohle
beziehentlich auch neben Koks eine nützliche Verwendung gefunden.


Umfänglichere Versuche über die Benutzbarkeit des Torfs beim
Hochofenbetriebe wurden in den siebenziger Jahren in Vordernberg
angestellt. 1) Man benutzte sogenannten Kugeltorf, d. h. Torf, welcher
zu Kugeln gepresst worden war, eine Form, welche sich als besonders
geeignet für die in Rede stehende Benutzung erwies. Im lufttrockenen
Zustande enthielt derselbe 31 Procent Kohle (Destillationsrückstand),
1.7—4 Proc. Asche, und 100 kg dieses lufttrockenen Torfes waren
erforderlich, um 34 kg Holzkohle zu ersetzen. In den auf S. 38 be-
sprochenen Verkohlungsöfen von Barff und Thursfield verkohlt
enthielt derselbe 64.5 Proc. Kohle, 30.8 Proc. brennbare Gase, 4.6 Proc.
Asche, und 100 kg dieses halbverkohlten Torfes ersetzten im Hochofen
ca. 91 kg Holzkohle.


Sowohl bei Zusatz des lufttrockenen als des verkohlten Torfes
blieb der Betrieb noch durchführbar, wenn man zwei Drittel der Brenn-
stoffgicht aus Torf bestehen liess.


Der Betrieb mit rohem Holze.

Wegen der beträchtlichen Gasentwickelung und des Schwindens
beim Verkohlen des Holzes dürfte eine ausschliessliche Anwendung des-
selben als Brennstoff für den Hochofenbetrieb kaum durchführbar sein;
wohl aber hat man mit Vortheil bei Holzkohlenhochöfen nicht selten einen
Theil der Holzkohlen durch rohes Holz ersetzt, welches zweckmässiger-
weise zuvor in warmen Räumen einer Trocknung unterworfen worden
war. Verschiedene, inzwischen grossentheils zum Erliegen gekommene
Hochöfen des Harzes wurden in den fünfziger und sechziger Jahren
dieses Jahrhunderts unter Mitbenutzung von rohem Holze, dessen Menge
mitunter dem Gemässe nach die Hälfte des gesammten Brennstoffes,
dem Gewichte nach also noch mehr betrug, betrieben. Es zeigte sich
hierbei, dass das rohe Holz eine grössere Menge Holzkohlen zu ersetzen
im Stande war, als bei der gewöhnlichen Verkohlung aus demselben
erfolgt sein würde. Diese Erscheinung findet ihre genügende Erklärung,
wenn man erwägt, dass bei der Verkohlung, zumal wenn sie in Meilern
geschieht, eine theilweise Verbrennung von Kohlenstoff unumgänglich
ist, und dass fernerhin, wie schon hinsichtlich der rohen Steinkohlen
oben hervorgehoben wurde, die bei der Zersetzung des Holzes im Hoch-
ofen entwickelten Gase die Menge der reducirenden Bestandtheile ver-
[552]Der Hochofenbetrieb.
mehren, mindestens aber den Kohlensäuregehalt der Hochofengase durch
ihr Hinzutreten verringern und hierdurch die Reduction der schon
vorhandenen Kohlensäure zu Kohlenoxyd auf Kosten der Holzkohle
im oberen Theile des Ofens erschweren. Dass unter Umständen auch
die mit der Zersetzung des Holzes verknüpfte Temperaturerniedrigung
in dieser Beziehung von Vortheil sein könne, wurde schon früher
erwähnt.


Wo aber das Holz im Walde, fern von der Hütte, verkohlt wird,
die Fracht nach dem Hochofen also einen nicht unbeträchtlichen Theil
der Selbstkosten des Holzes, beziehentlich der Holzkohlen ausmacht,
da kommt der Umstand in Betracht, dass aus 100 kg Holz nur etwa
22 kg Holzkohlen zu erfolgen pflegen, man also mehr als die vier-
fachen Frachtkosten zu tragen hat, wenn man das rohe Holz statt der
Kohlen nach der Hütte abfahren lässt. Dieser Preisunterschied darf
nicht übersehen werden und dürfte es hauptsächlich erklären, dass die
Anwendung rohen Holzes beim Hochofenbetriebe im Allgemeinen ziem-
lich selten geblieben ist.


Der Betrieb mit Gasen.

Verschiedentlich sind schon Vorschläge, theilweise auch Versuche
gemacht worden, den Hochofen mit zugeleiteten Gasen — Generator-
gasen — zu betreiben. Die Eigenthümlichkeiten des Hochofenprocesses
legen jedoch die Schlussfolgerung nahe, dass es ohne Anwendung festen
Brennstoffs kaum möglich sein wird, einen regelmässigen Hochofen-
process nutzenbringend zu führen.


Der feste Kohlenstoff hat, wie oben ausführlich erörtert wurde, im
Hochofen einen doppelten Zweck zu erfüllen: er soll durch Verbrennung
zu Kohlenoxyd das Reductionsmaterial für die Erze liefern, bei dieser
Verbrennung aber zugleich die zur Durchführung des ganzen Processes
nothwendige Wärme erzeugen. Wird diese Wärme durch Verbrennung
von Gasen erzeugt, so bestehen die Verbrennungsgebilde aus Kohlen-
säure und — bei Benutzung gasförmiger Kohlenwasserstoffe — aus
Wasserdampf, also Gasen, welche in der Schmelztemperatur des Roh-
eisens oxydirend auf die Bestandtheile desselben statt reducirend auf
vorhandene Sauerstoffverbindungen einwirken würden. Eine sehr starke
Verdünnung der Verbrennungsgase durch unverbrannte, d. h. die
Zuleitung eines sehr grossen Gasüberschusses, ist mithin nothwendig,
um jene oxydirende Einwirkung aufzuheben oder ausreichend abzu-
schwächen. Mit der Menge der unverbrannt bleibenden Gase, welche
ebenfalls auf die Temperatur des Schmelzraumes erhitzt werden müssen
und später das eigentliche Reductionsmaterial bilden, steigt aber die
Schwierigkeit, jene erforderliche Temperatur hervorzubringen. Durch
starke Vorwärmung der Gase wie des Gebläsewindes würde sich aller-
dings die Menge der für die Temperaturerzeugung im Schmelzraume
erforderlichen Gase und somit auch die Menge der aus demselben her-
vorgehenden Kohlensäure verringern lassen; dass aber ein wirthschaft-
lich günstiger Erfolg hierdurch erreicht werden könnte, ist nicht
anzunehmen.


Nicht ganz so aussichtslosdürfte vielleicht der Gedanke sein, dem
[553]Die Betriebsergebnisse.
mit festen Brennstoffen betriebenen Hochofen von aussen her noch
reducirende Gase zuzuführen, um die Reduction der Erze durch Kohlen-
oxyd zu erleichtern und insbesondere die Oxydationswirkung der bei
der Reduction entstandenen Kohlensäure auf feste Kohle oberhalb des
Schmelzraumes abzuschwächen. Dass die vielfach beobachtete günstige
Einwirkung eines Zusatzes unverkohlter Brennstoffe beim Hochofen-
betriebe jedenfalls theilweise auf der hierdurch bewirkten Vermehrung
der reducirenden Gase beruhe, wurde oben erwähnt. In den meisten
Fällen jedoch wird die Erzeugung und Zuleitung solcher reducirenden
Gase grössere Kosten verursachen, als der durch Anwendung dieses
Mittels erreichbaren Ersparung an Brennstoff im Hochofen entsprechen
würde.


In der That bildet, wie schon von anderen Metallurgen (z. B.
Lürmann) hervorgehoben worden ist, jeder zur Darstellung von Roh-
eisen bestimmte Hochofen gemäss der früher besprochenen Bestimmung
der ihm zugeführten Kohlen einen Gasgenerator, in welchem ein Theil
der Gase sogleich zur Reduction der mit den Kohlen aufgegebenen Erze
verbraucht wird, während die bei der Vergasung frei werdende Wärme
das Mittel zur Erlangung der für Reduction und Schmelzung erforder-
lichen Temperatur bildet. Es liegt, so lange der Hochofen zur Roh-
eisenerzeugung bestimmt ist, schwerlich ein triftiger Grund vor, eine
örtliche Trennung dieser mit Wärmebildung verbundenen Gaserzeugung
von der Gasverwendung einzuführen. Anders ist es bei der Darstellung
schmiedbaren Eisens aus den Erzen, wo die durch Anwendung fester
Brennstoffe begünstigte Aufnahme fremder Körper — Kohle, Silicium,
Mangan — verhindert werden muss.


In der dritten Abtheilung dieses Buches werden jedoch die Gründe
erörtert werden, weshalb auch in diesem Falle ein mit Gasen betriebener
Schachtofen voraussichtlich keine Aussicht auf eine allgemeine Ein-
führung besitzt.


4. Die Betriebsergebnisse.


Auf Grundlage der von den Aufsehern geführten täglichen Notizen
über den Verbrauch an Erzen, Zuschlägen, Kohlen und über den Erfolg
an Roheisen wird das Schmelzbuch (auch Betriebsbuch, Betriebsregister
genannt) geführt, welches in übersichtlicher Weise neben einander den
stattgehabten Verbrauch wie den Roheisenerfolg erkennen lässt, und
zwar zunächst in täglichen Summen, aus denen sich durch Addition
alsdann die Summen per Woche, per Monat u. s. w. ergeben. Neben
dieser Abrechnung pflegt das Schmelzbuch tägliche Notizen über Pressung
und Temperatur des Windes, Beschaffenheit des erfolgten Roheisens
und über alle jene Vorkommnisse zu enthalten, deren Kenntniss von
Belang für die Beurtheilung des Hochofenganges ist. Auf diese Weise
bildet ein mit Sorgfalt geführtes Schmelzbuch eine Chronik des Hoch-
ofenbetriebes, lehrreich für den, welcher sie mit Aufmerksamkeit studirt.


In bestimmten Zeitabschnitten aber, häufig allwöchentlich, jeden-
falls monatlich und der Regel nach auch am Jahresschlusse, berechnet
man aus den Summen des stattgehabten Materialienverbrauches und
gewonnenen Roheisens die durchschnittlichen Betriebsergebnisse, bezogen
[554]Der Hochofenbetrieb.
auf die Einheit der Zeit, des Gewichts an verbrauchten Materialien,
an erfolgtem Roheisen u. s. w.; und ein Vergleich dieser Betriebs-
ergebnisse, welche zu verschiedenen Zeiten, unter Umständen auch bei
verschiedenen Oefen, erlangt wurden, giebt einen Maassstab für den
mehr oder minder günstigen Verlauf des Hochofenbetriebes und spornt
dazu an, den Ursachen nachzuforschen, welche diese Abweichungen,
insbesondere die ungünstigeren Ergebnisse, hervorriefen.


Dass übrigens Hochöfen, welche einen verschiedenen Rauminhalt
besitzen, welche verschiedene Erze verhütten, verschiedene Brennstoffe
benutzen, verschiedene Roheisensorten darstellen u. s. w., auch sehr
abweichende Betriebsergebnisse liefern können und oft naturgemäss
liefern müssen, versteht sich nach den Eigenthümlichkeiten des Hoch-
ofenprocesses von selbst. Lehrreich ist ein Vergleich der Betriebs-
ergebnisse auch in diesen Fällen, indem er auf die Einflüsse hinweist,
welche durch Rauminhalt des Ofens, Reducirbarkeit und Eisengehalt
der Erze u. s. w. auf den Ausfall der Betriebsergebnisse ausgeübt
werden.


Die wichtigsten dieser Betriebsergebnisse sind folgende.


a) Roheisenerzeugung des Hochofens in bestimmter Zeit
(per Tag oder per Woche). Während in früheren Jahrhunderten ein
Hochofen in 24 Stunden oft nicht mehr als 0.7 t Roheisen lieferte, dürfte
in der Jetztzeit die geringste Leistung eines auch unter den ungünstig-
sten Verhältnissen arbeitenden Hochofens kaum sich niedriger als etwa
2.5 t beziffern. Auch diese Leistung gehört jedoch zu den Ausnahmen.
5 t Roheisen in 24 Stunden dürfte als die durchschnittliche Leistung
der noch aus früheren Jahrzehnten überkommenen, auf graues Giesserei-
roheisen für den directen Guss arbeitenden kleineren Holzkohlenhoch-
öfen anzunehmen sein; dieser Minimalleistung der modernen Hochöfen
steht eine allerdings nur vereinzelt erreichte Maximalleistung von fast
300 t gegenüber. Der Hochofen D der Edgar Thomson Steel Works in
Pittsburgh lieferte z. B. in der Woche vom 22.—28. Mai 1882 im
Ganzen 1807 t, durchschnittlich täglich 258.5 t 1); der Hochofen Nr. II
der Ilseder Hütte, dessen Leistung zu der bedeutendsten der europäi-
schen Hochöfen gehört, lieferte vom 1. Januar bis letzten April 1882
durchschnittlich 135 t per Tag, verschiedene lothringensche und rheinisch-
westfälische Hochöfen vermögen 90—100 t per Tag zu erzeugen.


Die Beziehungen zwischen Rauminhalt und Leistungsfähigkeit des
Ofens sowie die Thatsache, dass die letztere nicht gleichmässig mit dem
ersteren zunimmt, wurden auf S. 330 bereits ausführlich erörtert.


Der Umstand, dass man aus schon erörterten Gründen Holzkohlen-
hochöfen durchschnittlich niedriger baut, als solche für mineralische
Brennstoffe, erklärt es leicht, dass auch die durchschnittliche Leistungs-
fähigkeit der Holzkohlenhochöfen hinter derjenigen der letzteren Oefen
zurückbleibt. Auch hierbei sind die nordamerikanischen Holzkohlen-
hochöfen den europäischen voraus. Ein Hochofen zu Elk Rapids in
Michigan lieferte 1880 durchschnittlich 47 t per Tag, eine Ziffer, welche
kaum von einem andern Holzkohlenhochofen überschritten sein dürfte.
[555]Die Betriebsergebnisse.
In Europa zeichnen sich vorzugsweise die Holzkohlenhochöfen der
österreichischen Alpen durch grosse Leistungsfähigkeit aus (z. B. Ofen
Nr. III in Vordernberg mit einer Tagesproduction bis zu 40 t); schwedi-
sche Holzkohlenhochöfen liefern durchschnittlich 12 t per Tag, welche
Leistung in einzelnen Fällen sich auf 18 t steigert.


Neben der Grösse des Ofens beeinflusst die Beschaffenheit des
erzeugten Roheisens sehr wesentlich die Leistung per Tag, wie sich
schon aus den früheren Erörterungen über den Hochofenprocess und
Hochofenbetrieb ergiebt. Bei Darstellung gewöhnlichen Weisseisens ist
die Leistung am grössten. Die Leistungsfähigkeit eines und desselben
Hochofens bei der Erzeugung verschiedener Roheisensorten dürfte sich
ungefähr folgendermaassen verhalten:

Jene oben erwähnten hohen Productionen einzelner Oefen (Edgar
Thomson Steel Works, Ilseder Hütte, Holzkohlenhochofen in Vordern-
berg) bestehen ausschliesslich in weissem Roheisen. Bei Erzeugung
von grauem Roheisen Nr. I ist man bei amerikanischen Anthracit-
hochöfen bis auf 160 t per Woche gekommen, während jene grossen
auf S. 330 erwähnten Hochöfen Clevelands häufig weniger als 100 t
lieferten.


Auch die Reducirbarkeit der Erze und der Eisengehalt derselben
beeinflusst sehr wesentlich die Leistungsfähigkeit der Hochöfen. Dass
bei Verhüttung leicht reducirbarer Erze der Schmelzgang stärker als
bei Verhüttung schwer reducirbarer beschleunigt werden kann und dass
in dem nämlichen Verhältnisse auch die Leistung des Ofens sich steigert,
bedarf keiner weiteren Erläuterung. Aus eisenreichen Beschickungen
aber erfolgt bei gleicher Durchsetzzeit im Hochofen naturgemäss auch
eine grössere Menge Roheisen als aus eisenärmeren.


b) Erzsatz auf die Gewichtseinheit (1000 kg) des Brennstoffes.
Derselbe ist grösser bei Darstellung von gewöhnlichem Weisseisen als
bei Spiegeleisen- oder Graueisendarstellung, übrigens aber auch von
der Reducirbarkeit und dem Eisengehalte der Erze, der Grösse des
Hochofens, dem Grade der Winderhitzung, der Beschaffenheit der Brenn-
stoffe u. s. w. abhängig. In den meisten Fällen wird der Erzsatz (incl.
der Zuschläge) per 1000 kg Koks 2000—3000 kg, per 1000 kg Holz-
kohlen 2000—3500 kg betragen. Bei Harzer Holzkohlenhochöfen, welche
auf graues Roheisen betrieben werden, beträgt bei einem Eisengehalte
der Beschickung von 33 Proc. der Erzsatz durchschnittlich 2600 kg
(in Rothehütte im Jahre 1870 sogar 4000 kg bei 30 procentiger Be-
schickung); bei dem mehrfach erwähnten Hochofen zu Vordernberg,
welcher aus einer sehr reichen Beschickung (Eisengehalt der Beschickung
ca. 44½ Proc.) weisses Roheisen darstellt, beträgt der Erzsatz incl.
Zuschläge 3330 kg, bei einem kleineren Ofen daselbst 3000 kg. In
schwedischen Holzkohlenhochöfen, deren Beschickung aus reichen und
grossentheils schwer reducirbaren Erzen besteht, beträgt bei Weiss-
eisendarstellung der Erzsatz ca. 2400 kg, bei Graueisendarstellung nur
[556]Der Hochofenbetrieb.
ca. 2100 kg. Aehnliche Verhältnisszahlen ergeben sich bei nordamerika-
nischen Holzkohlenöfen.


Die mit leicht reducirbaren Sphärosideriten auf graues Roheisen
betriebenen Kokshochöfen Clevelands ermöglichen einen Erzsatz von
2700—2800 kg; Luxemburger und Lothringer Hochöfen bei Weiss-
eisendarstellung aus Minette einen Erzsatz von 2800—3000 kg, rheinisch-
westfälische Hochöfen bei Graueisendarstellung einen solchen von etwa
2300 kg, bei Weisseisendarstellung von 2500—3000 kg.


c) Roheisenausbringen aus dem Möller, beziehentlich aus den
Erzen.
Die Berechnung, welche sich ohne Schwierigkeit aus dem Ge-
wichte der verbrauchten Erze (beziehentlich des Möllers) und dem
Gewichte des erfolgten Roheisens anstellen lässt und deren Ergebniss
in Procenten des Erz- oder Möllergewichtes ausgedrückt zu werden
pflegt, ist einestheils erforderlich, um den Nachweis zu liefern, ob das
Ausbringen in verschiedenen Zeiten unverändert geblieben ist (eine
Aenderung bei gleich bleibender Zusammensetzung der Beschickung
aus den verschiedenen Erzsorten würde auf eine Aenderung des Eisen-
gehaltes der Erze schliessen lassen), anderntheils muss auch bei Be-
urtheilung der übrigen Betriebsergebnisse das Ausbringen in Berück-
sichtigung gezogen werden. Die tägliche Leistung eines Ofens wird
durchschnittlich grösser, der Kohlenverbrauch per 1000 kg dargestellten
Roheisens geringer sein, wenn das Ausbringen hoch als wenn es niedrig
ist. Da ein kleiner Theil des Eisengehaltes der Erze verschlackt zu
werden pflegt, das Roheisen aber neben Eisen jedenfalls Kohlenstoff,
häufig Silicium, Phosphor, Mangan u. s. w. in erheblichen Mengen ent-
hält, so kann das Ausbringen nicht mit dem durch Analyse gefundenen
durchschnittlichen Eisengehalte übereinstimmen. Nur bei sehr starkem
Rohgange, wobei grosse Eisenmengen verschlackt werden, kann das
Ausbringen niedriger als der Eisengehalt sein. Am nächsten wird es
bei Darstellung gewöhnlichen manganarmen Weisseisens mit demselben
übereinstimmen; bei Graueisendarstellung und bei Spiegeleisendarstellung
wird es regelmässig um einige Procente höher sein.


In den meisten Fällen beträgt das Ausbringen aus dem Möller
30—35 Proc. In einzelnen Fällen, wo die Preise der Erze und Kohlen
billig sind, lassen sich auch Beschickungen mit nur 25 Proc. oder
weniger Ausbringen noch mit Nutzen verhütten, in anderen günstigen
Fällen — bei Verhüttung reicher Erze auf Weisseisen — ist man in
der Lage, ein Ausbringen von mehr als 40 Proc. zu erzielen.


Im Allgemeinen wird bei Darstellung von Graueisen und Spiegel-
eisen das procentale Ausbringen aus dem Möller geringer als bei Weiss-
eisendarstellung sein theils in Rücksicht auf den Umstand, dass, wenig-
stens bei Anwendung mineralischer Brennstoffe, für die Darstellung der
erstgenannten Roheisensorten grössere Mengen von Zuschlägen erforder-
lich zu sein pflegen, um eine ausreichend basische Schlacke zu bilden,
theils auch, weil eine grössere Schlackenmenge überhaupt, also ein
nicht zu hoher Eisengehalt der Beschickung, den Betrieb auf jene Roh-
eisensorten erleichtert.


d) Verbrauch an Brennstoff zur Darstellung einer bestimmten
Menge — gewöhnlich 1000 kg — Roheisen.
Die öftere Berechnung
[557]Die Betriebsergebnisse.
dieser Ziffer ist von Wichtigkeit. Sie giebt einen Maassstab für die
Wärmeausnutzung im Hochofen und beeinflusst sehr wesentlich die
Selbstkosten des Roheisens.


Der Umstand, dass, wenn Kohlenoxyd bei einer Temperatur von
800—900°C. vorhandenes Eisenoxydul vollständig reduciren soll, das
bei diesem Processe entstehende Gasgemisch höchstens 1 Raumtheil
Kohlensäure auf 2 Raumtheile Kohlenoxyd enthalten darf 1), giebt ein
Mittel zur Berechnung, wie viel Kohle im Hochofen mindestens zur
Reduction der Erze erforderlich ist, vorausgesetzt, dass diese Reduction
vollständig durch Kohlenoxyd erfolge. 2) Nach Akerman beträgt diese
geringste Menge der vor den Formen des Hochofens zu Kohlenoxyd
zu verbrennenden Kohle unter jener Voraussetzung 643 kg für 1000 kg
zu reducirenden Eisens. Liefern nun diese 643 kg Kohle bei ihrer
Verbrennung zu Kohlenoxyd zugleich die für die Durchführung des
Hochofenprocesses erforderliche Wärmemenge, oder wird der fehlende
Wärmebedarf durch Erhitzung des Windes gedeckt, so würde diese
Kohlenmenge unter Hinzurechnung der von dem Roheisen aufgenomme-
nen Kohle zugleich die geringste Menge der zur Darstellung von 1000 kg
Roheisen erforderlichen Kohle darstellen, wie erwähnt unter der Vor-
aussetzung, dass die Reduction der Erze ausschliesslich durch Kohlen-
oxyd bewirkt werde. Rechnet man einen Kohlenstoffgehalt des Roh-
eisens von 4 Proc., so würden in diesem Falle zur Darstellung von
1040 kg Roheisen 683 kg Kohle, also zu 1000 kg Roheisen 657 kg Kohle
erforderlich sein. 3)


Erfolgt aber die Reduction der Erze theilweise durch festen Kohlen-
stoff, so wird, sofern der bei diesem Vorgange stattfindende grosse
Wärmeverbrauch nicht durch einen Mehrverbrauch an Kohle, sondern
durch Erhitzung des Windes gedeckt wird, jener Bedarf an Kohle zur
Darstellung bestimmter Roheisenmengen unter Umständen noch niedriger
als bei ausschliesslicher Reduction durch Kohlenoxyd sein können; und
es zeigt sich mithin in diesem Falle das überraschende Ergebniss, dass
durch theilweise directe Reduction der Erze bei Anwendung hoch-
erhitzten Windes eine Brennstoffersparung gegenüber alleiniger indirecter
Reduction erreichbar ist. 4) Die Erklärung hierfür liegt auf der Hand.
Bei directer Reduction entsteht aus Kohlenstoff Kohlenoxyd; der Formel
Fe O + C = Fe + CO entsprechend bedürfen also 1000 kg Eisen, um
aus Eisenoxydul reducirt zu werden, nur 214 statt 643 kg Kohle, sofern
der Wärmeverbrauch hierbei gedeckt wird. Eine Grenze für diese
Ersparung an Brennstoff durch Vermehrung der directen Reduction und
stärkere Erhitzung des Windes tritt freilich sehr bald ein; denn der
[558]Der Hochofenbetrieb.
schon früher vielfach besprochene bedeutende Mehrverbrauch an Wärme
bei directer Reduction wird naturgemäss um so schwieriger Deckung
durch Anwendung erhitzten Windes finden, je mehr der Bedarf an
Wind überhaupt sich ermässigt; dieser aber ist von der Menge der vor
den Formen verbrannten Kohlen abhängig.


Es lässt sich also mit Sicherheit behaupten, dass auch unter den
allergünstigsten Verhältnissen jener berechnete Bedarf an reiner Kohle
nicht erheblich unterschritten werden kann. Bei einem schwedischen
Hochofen fand Tamm1) einen Verbrauch an reiner Kohle von 584 kg,
bei dem Vordernberger Hochofen, dessen Betriebsverhältnisse auf S. 488
besprochen wurden, betrug der Kohlenstoffverbrauch 629 kg, bei einem
grösseren Ofen (Nr. III) ebendaselbst sogar nur 536 kg. Diese Ergeb-
nisse dürften zu den günstigsten gehören, welche sich überhaupt er-
reichen lassen.


Der Hochofen erhält aber nicht reinen Kohlenstoff, sondern Brenn-
material, welches stets wasserhaltig ist, regelmässig Asche sowie kleinere
Mengen Wasserstoff, Kohlenwasserstoff u. s. w. enthält. Die im Schuppen
lagernde Holzkohle enthält kaum mehr als 80 Proc. festen Kohlenstoff
(S. 34); Holzkohlen, die im Freien der Einwirkung von Regen und
Schnee ausgesetzt waren, und aschenreiche Koks enthalten oft noch
erheblich weniger. Der erforderliche geringste Brennstoffbedarf zur
Darstellung von 1000 kg Roheisen im Hochofen wird demnach auch
unter den allergünstigsten Verhältnissen kaum erheblich weniger als
650 kg betragen können.


Aus den früheren Darlegungen über den Hochofenprocess, den
Wärmeverbrauch im Hochofen u. s. w. ergiebt sich, dass die Dar-
stellung gewöhnlichen Weisseisens unter allen Roheisensorten den ge-
ringsten Wärmeverbrauch erheischt, und dass der letztere mit dem
Siliciumgehalte wie mit dem Mangangehalte des Roheisens steigt. Bei
Verhüttung reicher Beschickungen oder leicht reducirbarer Erze wird
der Brennstoffverbrauch durchschnittlich niedriger sein, als bei Ver-
hüttung armer Beschickungen oder schwer reducirbarer Erze; bei grossen
Oefen und Anwendung hoch erhitzten Windes durchschnittlich niedriger
als bei kleineren Oefen und kälterem Winde.


Die Erfahrung lehrt auch, dass bei Anwendung von Holzkohlen
der Brennstoffverbrauch unter übrigens ähnlichen Verhältnissen niedriger
zu sein pflegt als bei Anwendung von Koks. Der Grund hierfür liegt
hauptsächlich in dem grösseren Aschengehalte der letzteren. Der Pro-
centgehalt an Kohlenstoff ist natürlich in einem aschenreichen Brenn-
stoffe geringer als in einem aschenarmen, und man gebraucht deshalb
von dem ersteren eine entsprechend grössere Menge, um dieselbe Menge
Kohlenoxyd zu erhalten, dieselbe Wärme zu entwickeln; die Asche
selbst aber bedarf, um geschmolzen (verschlackt) zu werden, einer ge-
wissen Wärmemenge, welche ebenfalls einen Mehraufwand von Brenn-
stoff erforderlich macht; und hierzu kommt noch der Umstand, dass
gerade die Koksasche gewöhnlich noch einer entsprechenden Menge
von Zuschlägen (Kalkstein) bedarf, um eine Schlacke von der erforder-
lichen Zusammensetzung zu liefern, wodurch also die Gesammtmenge
[559]Die Betriebsergebnisse.
der entstehenden Schlacke sowohl als der Wärmebedarf zum Schmelzen
derselben noch fernerhin erhöht wird.


Auf einigen Werken Steiermarks und Kärntens, wo man geröstete
leicht reducirbare Spatheisensteine, welche nur geringer Zuschlags-
mengen bedürfen, mit Holzkohlen auf gewöhnliches Weisseisen ver-
arbeitet, ist der Brennstoffverbrauch zur Darstellung von 1000 kg Weiss-
eisen nicht erheblich höher als 650 kg 1); auf anderen dortigen Werken,
deren Oefen kleiner sind oder deren Beschickung eisenärmer ist, rechnet
man 750 kg Holzkohlen per 1000 kg Roheisen, immerhin ein ausser-
ordentlich günstiges Ergebniss. Schwedische Holzkohlenhochöfen, welche
auf weisses Roheisen betrieben werden, weisen einen Brennstoffver-
brauch von durchschnittlich 920 kg auf, welcher bei Graueisen-
darstellung auf 1025 kg steigt. 2) Dass jedoch bei einzelnen dieser
Oefen der Brennstoffverbrauch niedriger als diese Durchschnittsziffern
sei, wurde schon oben erwähnt.


Auf nordamerikanischen Eisenwerken, welche mit Holzkohle auf
weisses Roheisen betrieben werden, beträgt der Kohlenverbrauch per
1000 kg Roheisen 820—900 kg und steigt bei Graueisendarstellung auf
1200 kg, mitunter noch etwas höher. 3)


In den (jetzt theilweise erloschenen) Holzkohlenhochöfen des Harzes,
welche aus Roth-, Braun- und Magneteisenerzen graues Roheisen für
den directen Guss aus dem Hochofen darstellten, gebrauchte man in
den sechziger Jahren 960—1200 kg Kohlen, verschieden nach der
Grösse des einzelnen Ofens und der Temperatur des Gebläsewindes;
in dem grösseren Hochofen zu Rothehütte am Harz (Abbildung des-
selben auf S. 340) im Jahre 1870 sogar nur 830 kg.


Beim Betriebe der Kokshochöfen beträgt der Koksverbrauch
per 1000 kg Roheisen, sofern Weisseisen dargestellt wird, auch bei
günstigen Verhältnissen (leicht reducirbaren Erzen, aschenarmen Koks,
grosser Leistungsfähigkeit des Ofens) kaum jemals weniger als 900 kg
(Ilsede 930 kg, Burbacher Hütte 960—980 kg, Rümlingen 1050—1100 kg,
Esch 1100 kg). 4) Bei Graueisendarstellung dürften die grossen Hoch-
öfen Clevelands die günstigsten Ergebnisse hinsichtlich des Brennstoff-
verbrauches aufzuweisen haben. Sie verarbeiten die schon mehrfach
erwähnten leichtreducirbaren, thonigen und wegen ihres Thonerde-
gehaltes besonders für Graueisendarstellung geeigneten Sphärosiderite
Clevelands mit aschenarmen Koks und hoch erhitztem Winde; hierbei
ergiebt sich ein Koksverbrauch von 1000—1200 kg, in einzelnen Fällen
sogar noch etwas weniger. Der Brennstoffverbrauch wird höher, wenn
man, wie auf vielen deutschen Eisenwerken, gezwungen ist, eine
weniger leicht reducirbare ärmere Beschickung unter reichlichem Zu-
schlage von Kalkstein zu verhütten (Friedrich-Wilhelmshütte zu Mül-
heim a. d. Ruhr 1700—1800 kg, Gutehoffnungshütte 1700 kg; Cambria
[560]Der Hochofenbetrieb.
Iron Works in Pennsylvanien 1600 kg, Lucy Furnace ebenda 1400 kg u. s. f.).
Bei Verarbeitung sehr armer Erze kann der Koksverbrauch bis auf
2000 kg steigen.


Spiegeleisendarstellung mit Koks erfordert, sofern der Mangangehalt
nicht erheblich mehr als 12 Proc. beträgt, zwar einen höheren Brenn-
stoffverbrauch als gewöhnliches Weisseisen, ohne dass derselbe jedoch
die Höhe wie bei Darstellung tiefgrauen Roheisens erreichte. In Rhein-
land und Westfalen gebraucht man gewöhnlich 1100—1250 kg Koks
für 1000 kg Grobspiegel. Bei hochhaltigem Spiegeleisen (20 Proc.
Mangan) steigt der Koksverbrauch auf 1500—1800 kg Koks, bei Dar-
stellung von Eisenmangan mit hohem Mangangehalt bis auf 3000 kg
und darüber.


Der Brennstoffverbrauch beim Betriebe von Anthracithochöfen stellt
sich dem der Kokshochöfen annähernd gleich, sofern den Eigenthüm-
lichkeiten des Brennstoffes bei der Anlage und Betriebsführung gebüh-
rend Rechnung getragen ist.


e) Selbstkosten des erzeugten Roheisens. Insofern von den
Selbstkosten und dem Verhältnisse derselben zu dem Verkaufspreise
des Roheisens in erster Reihe das Gedeihen eines Hochofenwerkes ab-
hängt, bilden dieselben das wichtigste aller Betriebsergebnisse, zugleich
aber auch dasjenige, dessen genaue Ermittelung am wenigsten einfach
ist. Diese Selbstkosten setzen sich aus folgenden Einzelwerthen zu-
sammen.


1. Ausgabe für die Erze zur Darstellung einer be-
stimmten Menge
(1000 kg) Roheisen. Die Menge der verbrauchten
Erze für die verschiedenen Roheisensorten ergiebt das Schmelzbuch,
den Preis der einzelnen Erzsorten incl. der Ausgaben für Frachten,
Abladen u. s. w. das Contobuch. Falls die Erze geröstet werden, müssen
natürlicherweise auch die Kosten hierfür in Betracht gezogen werden.
Im Allgemeinen wird sich der Preis nach dem Eisengehalte und dem
Gehalte an nachtheiligen Bestandtheilen richten; und je eisenreicher
das Erz ist, desto weiter lässt sich dasselbe verfrachten, ohne wegen
übermässiger Vertheuerung für den Hochofenprocess unbrauchbar zu
werden.


    • 2. Ausgabe für Zuschläge (Kalkstein)
    • 3. Ausgabe für Brennstoffe
    ergeben sich aus den-
    selben Büchern wie 1.

4. Löhne. Der Gesammtbetrag der gezahlten Löhne lässt sich
unschwer aus den Lohntabellen oder dem Contobuche entnehmen; der
auf die Gewichtseinheit des dargestellten Roheisens entfallende Betrag
ergiebt sich dann leicht durch Rechnung. Letzterer hängt zwar zum
Theil von örtlichen Verhältnissen, d. h. von den üblichen Lohnsätzen
am Orte des Hochofenwerkes, weit mehr aber von der Leistung des
Hochofens ab. Je grösser die letztere ist, desto niedriger fallen die
Löhne per Gewichtseinheit des dargestellten Roheisens aus. Aus diesem
Grunde sind trotz der in England üblichen hohen Lohnsätze die dort
per Tonne Roheisen gezahlten Löhne durchschnittlich nicht höher als
bei deutschen Hochofenwerken; der Betrieb von Holzkohlenhochöfen
erfordert durchschnittlich höhere Löhne per Tonne Roheisen als der
Betrieb von Kokshochöfen, die Darstellung des grauen Roheisens oder
[561]Die Betriebsergebnisse.
des Eisenmangans höhere Löhne als die Darstellung gewöhnlichen
Weisseisens.


In den meisten Fällen wird sich der Betrag der per Tonne ge-
zahlten Löhne auf ℳ 4.00—4.50 beziffern, unter sehr günstigen Ver-
hältnissen (Weisseisendarstellung, grosse Leistung der Oefen u. s. w.)
allerdings sich mitunter auf ℳ 3.00 ermässigen und unter ungünstigeren
Verhältnissen auf mehr als ℳ 5.00 steigen.


5. Die Insgemeinkosten. Man versteht hierunter eine grosse
Anzahl von Ausgaben, deren Betrag im Einzelnen zu geringfügig ist,
um besonders in Rechnung gestellt zu werden, während sämmtliche
verschiedene Ausgaben zusammen genommen eine ganz ansehnliche
Summe darstellen. Hierher gehört z. B. die Wartung der Maschinen
(Löhne, Schmiermaterialien, Reparaturkosten), die Instandhaltung des
Gezähes und Inventars (der Werkzeuge, Gicht- und Schlackenwagen
u. s. w.), Besoldungen der Beamten und Aufseher, Bureaukosten, Steuern,
Amortisation, Beleuchtung u. s. w. u. s. w.


Enthält das Eisenwerk neben der Hochofenanlage noch Anlagen
für andere Betriebszweige, so werden einzelne dieser Insgemeinkosten
nur im Ganzen sich ermitteln lassen (Steuern, Besoldungen, Bureau-
kosten u. a.); es muss dann nach einer als geeignet befundenen Regel
eine Vertheilung derselben auf die einzelnen Betriebszweige bewirkt
werden. In den meisten Fällen dürfte das Verhältniss der bei diesem
und jenem Betriebszweige gezahlten Löhne einen passenden Maassstab
für die Vertheilung jener Insgemeinkosten abgeben.


Berechnet man die Selbstkosten des Roheisens für einen längeren
Zeitabschnitt, z. B. ein Jahr, so ergiebt ein Auszug aus den Büchern
ohne Weiteres die Summe jener Insgemeinkosten; will man aber für
einen kürzeren Zeitabschnitt, z. B. einen Monat, eine Selbstkosten-
berechnung des Roheisens aufstellen, so würde man auf diese Weise
kaum auf ein zuverlässiges Ergebniss rechnen können, da manche der
hierher gehörigen Ausgaben überhaupt nur in einer oder in wenigen
grösseren Summen im Laufe eines Jahres aufzutreten pflegen (z. B.
Steuern).


In solchen Fällen wird man also die Insgemeinkosten, früheren
Ergebnissen entsprechend, in Ansatz zu bringen haben; und zwar
dürfte auch hier eine Berechnung derselben nach dem Verhältnisse der
gezahlten Löhne das zuverlässigste Ergebniss liefern. Mit den Löhnen,
d. h. mit der Zahl der beschäftigten Arbeiter, steigen und fallen fast
sämmtliche der zu den Insgemeinkosten gehörenden Ausgaben; stellt
der per Tonne Roheisen gezahlte Lohnbetrag sich günstig, so wird das-
selbe fast immer auch hinsichtlich der Insgemeinkosten der Fall sein,
und umgekehrt.


Gewöhnlich wird der Betrag der per Tonne Roheisen entfallenden
Insgemeinkosten des Hochofenbetriebes dem Betrage der Löhne annähernd
gleich sein.


Aus der Verschiedenheit des Brennstoffverbrauches, der Leistungs-
fähigkeit des Ofens, der Löhne u. s. w. bei verschiedenen Roheisen-
sorten, sowie ferner aus dem Umstande, dass phosphorarme Erze erheb-
Ledebur, Handbuch. 36
[562]Der Hochofenbetrieb.
lich höher bezahlt zu werden pflegen als phosphorreiche, erklärt sich
leicht, dass unter allen Roheisensorten phosphorreiches Weisseisen die
niedrigsten Selbstkosten zu besitzen pflegt; dann kommen die phosphor-
ärmeren, manganreicheren Sorten Weisseisens, sowie die silicium-
ärmeren Sorten Giessereiroheisens (Nr. III); hierauf das tiefgraue,
siliciumreiche Giessereiroheisen (Nr. I) sowie Spiegeleisen; am kost-
spieligsten ist die Herstellung der Eisenmangane wie des eigentlichen
Siliciumeisens, und es steigt aus den früher erörterten Gründen der
Herstellungspreis dieser Legirungen rasch mit ihrem Mangan- beziehent-
lich Siliciumgehalte.


Beispiele.


1. Es mögen, um zunächst die Art der Berechnung zu erläutern,
auf einem Hochofenwerke zur Darstellung von 1 Tonne (1000 kg) grauem
Roheisen während des letztverflossenen Monats durchschnittlich die in
nachfolgender Zusammenstellung angegebenen Schmelzmaterialien zu
den ebenfalls angegebenen Einheitspreisen verbraucht worden sein; die
Höhe der per Tonne gezahlten Löhne möge ℳ 4.82 betragen haben
und das Verhältniss der Insgemeinkosten zu den Löhnen möge nach
dem Abschlusse der letzten Jahresrechnung = 1.1 : 1 sein; so ergiebt
sich der Betrag der Selbstkosten per Tonne Roheisen in dem betreffen-
den Monate:


  • 1430 kg gerösteter Kohleneisenstein   à t ℳ 9.66 ℳ 13.81
  • 550 „ Rotheisenstein   à t „ 15.00 „ 8.25
  • 390 „ Frischschlacken   à t „ 6.00 „ 2.34
  • 675 „ Kalkstein   à t „ 5.00 „ 3.37
  • 1720 „ Koks   à t „ 11.80 „ 20.29
  • Löhne   „ 4.82
  • Insgemeinkosten 1.1 × 4.82  „ 5.30
  • Summa der Selbstkosten   ℳ 58.18.

2. Die Selbstkosten des in Cleveland aus gerösteten Sphärosideriten
dargestellten grauen Giessereiroheisens (mit ca. 1.4 Proc. Phosphor) be-
trugen im Jahre 1872 per Tonne durchschnittlich: 1)


  • Erze   ℳ 12.58
  • Koks   „ 13.33
  • Kalkstein   „ 2.50
  • Löhne   „ 4.08
  • Insgemeinkosten  „ 3.91
  • ℳ 36.40.

3. Die Selbstkosten der besten (phosphorärmsten und siliciumreichen)
Sorten rheinisch-westfälischen Giessereiroheisens betrugen im Jahre 1878
per Tonne durchschnittlich: 2)


  • Erze   ℳ 27.95
  • Koks   „ 17.40
  • Kalkstein   „ 4.30
  • Löhne   „ 4.36
  • Insgemeinkosten  „ 6.05
  • ℳ 60.06.

[563]Der Hochofenbetrieb in verschiedenen Ländern.

4. Bei dem mit Anthracit betriebenen Cedar Point Hochofen zu
Port Henry am Lake Champlain betrugen die Selbstkosten des erzeugten
Bessemerroheisens während des Jahres 1875 per Tonne nach einer Ver-
anschlagung von Kupelwieser:1)


  • Erze   ℳ 32.40
  • Anthracit   „ 30.00
  • Kalkstein   „ 2.32
  • Löhne   „ 6.00
  • Insgemeinkosten  „ 8.00
  • ℳ 78.70
  • Hierzu die Verzinsung und Amortisation des
    Anlagekapitals von 2.4 Millionen Mark zu
    10 Proc. bei einer Jahreserzeugung von
    15000 t  „ 16.00
  • Summa   ℳ 94.70.

Dagegen betrugen die Selbstkosten bei sämmtlichen pennsylvani-
schen Anthracithochöfen während des Jahres 1875 nach einer Zusam-
menstellung des Secretairs der Eastern Iron Masters Association durch-
schnittlich per Tonne: 2)


  • Erze   ℳ 43.28
  • Anthracite   „ 28.84
  • Kalkstein   „ 4.12
  • Löhne   „ 10.28
  • Insgemeinkosten  „ 7.44
  • ℳ 93.96
  • Hierzu Verzinsung des Anlagecapitals  „ 6.48
  • Summa   ℳ 100.44.

Die Verzinsung des Anlage- und Betriebscapitals muss, sofern sie,
wie bei den letzten Beispielen, überhaupt in Rechnung gezogen wird,
als besondere Summe aufgeführt werden. Der Unterschied zwischen
Selbstkosten- und Verkaufspreis bildet den erzielten Nutzen und somit
erst die in Wirklichkeit stattgehabte Verzinsung.


5. Der Hochofenbetrieb in verschiedenen Ländern.


Da das Roheisen das Material nicht allein für die unmittelbare
Herstellung von Gebrauchsgegenständen durch Giessen, sondern auch
für die Gewinnung der überwiegend grössten Menge alles auf der
Erde gefertigten schmiedbaren Eisens bildet, so pflegt der Hochofen-
betrieb eines Landes zugleich ein ziemlich sicherer Maassstab für den
Umfang der gesammten Eisenindustrie desselben überhaupt zu sein.


Grossbritannien.

Wie aus den auf S. 9 mitgetheilten Ziffern sich ergiebt, nimmt
Grossbritannien unter allen eisenerzeugenden Ländern den ersten Rang
ein; und es hat diese Stelle behauptet, so lange überhaupt statistische
36*
[564]Der Hochofenbetrieb.
Nachrichten über Eisendarstellung vorliegen. Es erscheint daher wohl
gerechtfertigt, wenn auch bei der Besprechung der Eisenindustrie ver-
schiedener Länder dieses den übrigen vorausgestellt wird.


Kein anderes Land der Erde ist von der Natur mit so ausser-
ordentlich reichen Hilfsquellen für die Eisenindustrie versehen als Gross-
britannien. Mächtige Lager reicher, leicht reducirbarer Erze, nicht
weniger mächtige Lager vorzüglicher Steinkohlen und der erforderliche
Zuschlagskalkstein finden sich gewöhnlich nahe bei einander, nicht
selten über einander in einer und derselben Erdformation; ein Netz
schiffbarer Kanäle und Flüsse in Verbindung mit zahlreichen Eisen-
bahnen erleichtern den Verkehr der Hochofenwerke nicht allein mit
den Fundstätten der Schmelzmaterialien, sondern auch mit dem das
Land rings einschliessenden Meere, welches den Transport des Eisens
auch auf weite Entfernungen in billiger Weise ermöglicht. So erklärt es
sich leicht, dass auch kein anderes Land so billiges Eisen, insbesondere
Roheisen darzustellen vermag, als Grossbritannien, und dass gross-
britannisches Eisen im Stande ist, in den fernsten Ländern trotz der
oft hohen Schutzzölle derselben dem einheimischen Eisen Concurrenz
zu bereiten.


Dass unter solchen Verhältnissen die Versuchung für die britischen
Eisenhüttenleute nahe lag, zur Steigerung der Leistungsfähigkeit ihrer
Schmelzöfen und sonstigen Apparate die Grösse derselben auf ein Maass
auszudehnen, welches bisweilen über die Grenze des Zweckmässigen
hinausgeht (Hochöfen, Röstöfen), ist leicht begreiflich.


Grossbritannien besitzt im Ganzen nahe an 1000 Hochöfen (am
31. Dec. 1881 waren nach einer Statistik der British Iron Trade Asso-
ciation 968 Hochöfen vorhanden), von denen 160 auf Schottland, die
übrigen auf England entfallen. Unter dieser grossen Zahl befinden sich
noch 6 mit Holzkohlen betriebene Hochöfen; alle übrigen benutzen als
Brennmaterial Koks oder Steinkohlen.


Wenige oder gar keine Hochöfen finden sich im Norden Schott-
lands und im südöstlichen England, dem Gebiete der Themse, Gegenden,
welche arm an nutzbaren Eisenerzen sind. In fast allen übrigen
Bezirken Grossbritanniens aber wird die Roheisendarstellung in mehr
oder minder grossem Umfange betrieben.


Die bedeutendsten Hochöfen Schottlands finden sich auf dem
Landstriche zwischen der Mündung des Clyde bei Glasgow an der
Westküste bis zur Mündung des Forth an der Ostküste bei Edinburg;
Glasgow ist der Haupthandelsplatz für das hier erzeugte Roheisen. Das
Material für den schottischen Hochofenbetrieb bilden die in der erwähnten
Gegend massenhaft auftretenden Kohleneisensteine (Blackbands) und
thonigen Sphärosiderite; als Brennstoff dienen die in der nämlichen Forma-
tion vorkommenden langflammigen, wenig backenden, aber nicht aschen-
reichen Steinkohlen, welche eine Verkokung nicht gut ermöglichen und
deshalb im rohen Zustande verwendet werden. Der Eigenthümlich-
keiten dieses Betriebes wurde bereits mehrfach, insbesondere auch auf
S. 546 gedacht.


Hervorragende Hochofenwerke Schottlands sind die Hütten Coltness,
Langloan, Gartsherry, Monkland u. a. m.


[565]Der Hochofenbetrieb in verschiedenen Ländern.

Die Beschaffenheit der Schmelzmaterialien weist die meisten Hoch-
ofenwerke zunächst auf die Darstellung grauen Roheisens hin; die billige
Gewinnung jener Materialien und die Lage der Werke in der Nähe des
Meeres oder schiffbarer Flüsse ermöglicht einen ausgedehnten Export
nach allen Weltgegenden, und das graue Roheisen Schottlands, ins-
besondere das von den obengenannten Werken stammende, erfreut sich,
obwohl es nicht gerade arm an Phosphor ist, als Material für die
Eisengiesserei einer ausserordentlich ausgedehnten Verbreitung.


Das unter der Bezeichnung Nr. I in den Handel gebrachte Roh-
eisen der Werke Coltness, Langloan, Gartsherry besitzt im Wesent-
lichen die nämliche Zusammensetzung und enthält durchschnittlich
3.5 Proc. Kohlenstoff, 2.5 Proc. Silicium, 1.2 Proc. Mangan, 0.8 Proc.
Phosphor, 0.03 Proc. Schwefel (vergl. auch die Analysen auf S. 306).
Diese Zusammensetzung, insbesondere der hohe Siliciumgehalt bei
mässigem Mangangehalte, befähigen das Eisen, ein öfteres Umschmelzen
zu ertragen, ohne durch die unvermeidlichen oxydirenden Einflüsse des
Umschmelzens graphitarm und dadurch hart, schwer bearbeitbar und
spröde zu werden; auch in den dünnsten Querschnitten, wo also die
Abkühlung rasch verläuft, bleibt das eingegossene Roheisen noch grau,
weich, gut bearbeitbar. In dieser Eigenschaft liegt bei der Verwendung
jenes Roheisens für die Giesserei ein nicht zu unterschätzender Vorzug,
welchem es zum nicht geringen Theile seine erwähnte grosse Aus-
breitung verdankt; es dient vorzugsweise als Zusatzmaterial zu anderen,
von Natur oder infolge öfteren Umschmelzens graphitärmeren Roheisen-
sorten, um beim Umschmelzen deren Verwendbarkeit zu erhöhen, sie
weicher, leichter bearbeitbar zu machen. Der Phosphorgehalt aber,
obschon nicht ohne allen Nachtheil in solchen Fällen, wo eine besonders
grosse Festigkeit des Gusseisens verlangt wird, erreicht doch bei den
erwähnten besseren Sorten schottischen Roheisens nicht jenes Maass,
wo bei gewöhnlichen Eisengusswaaren die nachtheilige Einwirkung des-
selben merklich hervortritt. 1)


Südwestlich von Schottlands Grenze an der Westküste des nörd-
lichen Englands befinden sich in der Umgegend von Whitehaven, des
Hauptverschiffungsplatzes dieses Bezirkes, die Hochöfen Cumber-
lands
, welche die bei Whitehaven in Lagern bis zu 15 m Mächtigkeit
auftretenden vorzüglichen Rotheisensteine — Glasköpfe — verhütten.
Die Reinheit dieser Erze von Phosphor verleiht ihnen eine ganz be-
sondere Wichtigkeit. Man arbeitet meistens auf tiefgraues Roheisen mit
einem Siliciumgehalte von 2.5—3 Proc., welches in Grossbritannien
sowohl als auch auf dem Continente ein gesuchtes Material für den
Bessemerprocess bildet. Der Phosphorgehalt dieses Roheisens pflegt nicht
über 0.05 Proc. hinauszugehen; bemerkenswerth ist auch der ausser-
gewöhnlich geringe Mangangehalt desselben (ca. 0.1 Proc.), welcher in
einzelnen Fällen, wo ein grosser Mangangehalt nachtheilig sein würde,
dem Eisen einen gewissen Vorzug gegenüber anderen Roheisensorten
verleiht (z. B. für Darstellung schmiedbaren Gusses, vergl. Abth. III).


[566]Der Hochofenbetrieb.

Eines der berühmtesten der Cumberländer Hochofenwerke ist die
Hematite Iron Company, unmittelbar bei Whitehaven am Meere gelegen,
deren Roheisen gewöhnlich unter der Bezeichnung Hematitroheisen auf
den Markt gebracht wird.


Südlich von Cumberland, unmittelbar an dieses grenzend, beginnt
das ebenfalls durch reiche Vorkommnisse von Rotheisenerzen wichtige
Gebiet von Lancashire. In der Umgegend von Ulverstone, nördlich
von Lancaster und der Morecambe-Bay bedecken diese theilweise sehr
mächtigen Erzlager eine ansehnliche Fläche. Zahlreiche Hochöfen in
Lancashire verhütten theils diese Rotheisenerze theils die im süd-
lichen Theile dieses Bezirkes und in Staffordshire auftretenden Sphäro-
siderite.


Eine fast noch grössere Bedeutung als hier besitzt die Roheisen-
darstellung in der weiter südwestlich gelegenen Provinz Wales, ins-
besondere dem südlicheren Theile derselben in der Nähe der Städte
Cardiff und Merthyrtidfil. Hier befinden sich die in Früherem theil-
weise schon erwähnten Eisenwerke Dowlais, Ebbw Vale u. v. a. Süd,
wales ist nicht nur reich an Sphärosideriten aus der Kohlenformation
sondern enthält auch Brauneisensteine, Rotheisensteine und Spatheisen-
steine, welche letztere auch südlich von Wales in mitunter beträcht-
licher Mächtigkeit auftreten und das Material für eine in Wales neuer-
dings lebhaft betriebene Spiegeleisendarstellung bilden.


Oestlich und nordöstlich von Wales befinden sich die Gebiete von
Staffordshire und Derbyshire, reich besonders an Sphärosideriten,
zwischen Kohlenlagern auftretend, welche hier die Grundlage für einen
ebenfalls nicht unbedeutenden Hochofenbetrieb bilden. Berühmt durch
seine Eisenindustrie ist das mit dem Namen black country bezeichnete
Gebiet in Staffordshire mit der Stadt Dudley als Mittelpunkt und den
Städten Birmingham, Stourbridge u. a.


Die Leistung der bis jetzt besprochenen Gebietstheile Gross-
britanniens in der Roheisendarstellung wird jedoch weit durch jenen
Bezirk überboten, welcher im nordöstlichen Theile Englands nördlich
von York an der Küste sich hinzieht, und welcher in Früherem
bereits mehrfach unter der allgemein gebräuchlichen Bezeichnung
Cleveland erwähnt wurde. 1) Vorzugsweise ist es der Fluss Tees mit
dem Handelsplatze Middlesborough, in dessen Nähe sich die Roheisen-
erzeugung Clevelands zusammendrängt. Nördlich und westlich von hier
nach Schottland und Cumberland zu, aber in nächster Nähe dieses
Bezirks, finden sich die berühmten Steinkohlenlager von Durham und
Northumberland, welche allein fast ein Viertel der gesammten Stein-
kohlenerzeugung Grossbritanniens decken, und zwar ist es vorwiegend
Durham (nördlich vom Teesfluss), welches sich durch ungeheure Vor-
kommnisse von Steinkohlen auszeichnet. Diese Steinkohlen, welche ihrer
[567]Der Hochofenbetrieb in verschiedenen Ländern.
Beschaffenheit nach theilweise den langflammigen, theilweise den ge-
wöhnlichen Backkohlen (S. 44) zuzurechnen sein dürften, sind ver-
kokungsfähig und zeichnen sich durch geringen Aschengehalt aus,
welcher häufig weniger als 4 Proc. beträgt. Theilweise werden sie,
und zwar naturgemäss die aschenreicheren Sorten, einem Vorbereitungs-
processe durch Waschen unterzogen, theilweise aber auch ohne Weiteres
verkokt, und zwar bedient man sich vielfach noch der alten sogenannten
Bäckeröfen oder Bienenkörbe (S. 62) zur Verkokung, ein Verfahren,
welches wegen des Gasreichthums der dortigen Steinkohlen als das ge-
eignetste betrachtet wird. Thatsache ist es, dass die Hochofenleute die
in diesen Oefen aus jenen Steinkohlen gewonnenen Koks den aus den-
selben Steinkohlen in liegenden, schmalen Oefen erzeugten vorzuziehen
pflegen. Das Koksausbringen beträgt 60—65 Proc., und die Koks ent-
halten gewöhnlich 5.5—6.5 Proc. Asche.


Derselben Formation, welcher diese Kohlenlager angehören, ent-
stammt auch der Kalkstein, welcher bei den Hochöfen Clevelands als
Zuschlagsmaterial benutzt wird. Die meisten dortigen Hochöfen ge-
winnen einen durch grosse Reinheit ausgezeichneten Kalkstein 1) in der
Nähe der Stadt Stanhope.


Zwei Sphärosideritlager sind es hauptsächlich, welche den Erz-
reichthum Clevelands ausmachen. Das eine, das obere Lager (top-stone)
genannt, tritt unter einem mächtigen Sandsteinlager auf, erreicht mit-
unter eine Mächtigkeit von mehr als 3.7 m, ist übrigens weniger regel-
mässig und wird vorzugsweise bei Rosedale Abbey abgebaut; das zweite
Lager, welches die grössere Zahl der Hochöfen mit Erzen versorgt,
bedeckt eine Fläche von etwa 52000 Hektaren, bei einer Mächtigkeit
von 2.5—3 m, an einzelnen Stellen von mehr als 4 m, ist aber häufig
durch eingelagerte Schichten von Thonschiefer unterbrochen, welcher
fest an den Erzen haftet, und den Eisengehalt herabdrückt. Den Midd-
lesborougher Fabrikanten Bolckow und Vaughan gebührt das Verdienst,
die Wichtigkeit dieser Erzlager, welche bis zum Jahre 1840 ziemlich
unbeachtet geblieben waren, zuerst erkannt und dadurch den Grund
zu einer Hochofenindustrie gelegt zu haben, welche an Grossartigkeit
diejenige aller anderen Länder übertrifft. Ungefähr 170 Hochöfen sind
für die Verhüttung dieser Erze bestimmt, und unter denselben befinden
sich die ihrer ungeheuren Abmessungen halber früher mehrfach er-
wähnten Hochöfen von Consett, Ferryhill, Clarence, Middlesborough u. a.
Das Werk Eston \& Middlesborough zählt allein 14 Hochöfen, Clarence 12,
Ferryhill 10; sonstige Hochofenwerke des Clevelandbezirks, deren Namen
vielfach genannt werden, sind Clay Lane, Tees Side, Linthorpe, Ayre-
some, Newport, Stockton, u. v. a.


Der in dem zuletzt erwähnten Lager auftretende Sphärosiderit ent-
hält neben etwa 27 Proc. metallischem Eisen (welches als Carbonat
vorhanden ist) 6—12 Proc. Thonerde, 8—12 Proc. Kalk und Mag-
nesia, 10 Proc. Kieselsäure, 1—1.5 Proc. Phosphorsäure. Man röstet
[568]Der Hochofenbetrieb.
die Erze in den auf S. 201 beschriebenen Röstöfen, deren Abmessungen
zu denen der colossalen Hochöfen zwar im passenden Verhältnisse
stehen, jedoch theilweise, ebenso wie letztere, jedenfalls die Grenze des
Zweckmässigen überschreiten.


Die Zusammensetzung der Erze, insbesondere ihr beträchtlicher
Thonerdegehalt, erleichtert wesentlich die Darstellung von grauem Roh-
eisen. Der nie fehlende Phosphorgehalt, welcher in sämmtlichen besseren
Roheisensorten ziemlich regelmässig 1.4 Proc. zu betragen pflegt und
demnach nicht unerheblich höher ist als im schottischen Roheisen,
mindert zwar den Werth des Clevelandroheisens ab; diesem Nachtheile
stehen aber die ausserordentlich billigen Herstellungskosten des Roh-
eisens gegenüber, und diese erklären es, dass das graue Cleveland-
Roheisen in noch grösserem Umfange als das schottische exportirt und
in continentalen Eisengiessereien mit Vorliebe als Material für Dar-
stellung von Gusswaaren niederer Gattung verwendet wird. Durch Ver-
mischen des phosphorreichen, aber billigen Roheisens mit einer ent-
sprechenden Menge eines phosphorärmeren ist man beim Umschmelzen
in den Giessereien leicht im Stande, die unleugbar nachtheiligen Ein-
flüsse des hohen Phosphorgehaltes abzumindern.


Ein ungefähres Bild über den Umfang des Hochofenbetriebes in
den einzelnen Bezirken Grossbritanniens erhält man durch folgende
Zusammenstellung. Im Jahre 1882 betrug die Roheisenerzeugung:


  • in Schottland   1126000 Tonnen
  • „ Cumberland   1001000 „
  • „ Lancashire   783000 „
  • „ Wales   932000 „
  • „ Staffordshire, Derbyshire und Notts   1161000 „
  • „ Cleveland   2689000 „
  • „ dem übrigen England  801000 „
  • Insgesammt   8493000 Tonnen.

Die Vereinigten Staaten von Nordamerika.

Der ungeheure Eisenbedarf des gewerbthätigen und sich mehr und
mehr ausdehnenden Landes, das Vorkommen verschiedener reicher
Eisenerz- und Kohlenlager, der bekannte praktische Sinn und die gegen
Schwierigkeiten zähe Ausdauer der Nordamerikaner, sowie endlich ein
nicht unbeträchtlicher Schutzzoll gegen die Einfuhr fremden Eisens
vereinigten sich, die Eisenindustrie der Vereinigten Staaten binnen
einigen Jahrzehnten in einer Weise zu entwickeln, dass die letzteren
in der Jetztzeit unter allen eisenerzeugenden Ländern den zweiten Rang
einnehmen.


Erschwerend für die Roheisenindustrie der Vereinigten Staaten
wirkt der Umstand, dass Erze und Kohlen häufig weit auseinander
liegen, und dass daher mindestens eins dieser Materialien oft hohe
Frachtkosten zu tragen hat, ehe es an den Ort der Verhüttung gelangt.
Der im Westen der Vereinigten Staaten noch vorhandene grosse Holz-
reichthum dagegen erklärt es zur Genüge, dass noch ziemlich viele
Hochöfen mit Holzkohlen betrieben werden; aber freilich wird sich ihre
Zahl voraussichtlich mehr und mehr mindern, je weiter die Verkehrs-
[569]Der Hochofenbetrieb in verschiedenen Ländern.
mittel ausgedehnt werden und je mehr der Holzreichthum sich ver-
ringert. 1) Ein wichtiges und gerade für den Hochofenbetrieb der Ver-
einigten Staaten eigenthümliches Brennmaterial bildet dagegen der
Anthracit, dessen Benutzung für die Roheisendarstellung in Früherem
verschiedentlich erwähnt wurde.


Im Jahre 1881 besass Nordamerika


  • Holzkohlenhochöfen   272 (davon 112 ausser Betrieb)
  • Anthracithochöfen   238 ( „ 76 „ „ )
  • Kokshochöfen  219 ( „ 68 „ „ )
  • Insgesammt   729 (davon 256 ausser Betrieb).

Ganz anders als die Zahl der Hochöfen aber stellt sich, wie leicht
erklärlich ist, ihre Leistung; es betrug nämlich in demselben Jahre


  • die Erzeugung von Holzkohlenroheisn   639000 t
  • „ „ „ Anthracitroheisen   1735000 „
  • „ „ „ Koksroheisen  2268000 „
  • Insgesammt   4642000 t

Unter den verschiedenen Vorkommnissen von Eisenerzen besitzen
einzelne eine besonders hervorragende Bedeutung. Hierher gehören:


Die Erze am Oberen See (Lake superior) im Staate Michigan.
Dieselben bestehen theils aus mulmigen, theils aus festen Rotheisen-
erzen, theils aus Magneteisenerzen. Die mulmigen Erze werden, da sie
wegen eines nur mässigen Eisengehaltes (50—55 Proc.) Verfrachtung
auf sehr weite Strecken nicht vertragen, grossentheils in der Nähe des
Oberen Sees verhüttet; die festen und reicheren Roth- und Magnet-
eisenerze dagegen, deren Eisengehalt annähernd 65 Proc. zu betragen
pflegt, bilden ein wichtiges Material für die Eisenwerke westlich vom
Alleghanygebirge in den Staaten Pennsylvanien, Ohio, Illinois u. a. m.


Die Erze im Staate New York am westlichen Ufer des
Lake Champlain
. Reine, feste Magneteisenerze, deren Gehalt an
fremden Körpern sehr oft nicht mehr als 3 Proc. beträgt, bilden den
Erzreichthum dieser Gegend. Man verhüttet sie theils in unmittelbarer
Nähe des genannten Sees (Cedar Point-Hütte, Port Henry-Hütte u. a.),
theils verschifft man sie auf dem Hudson, um sie in den Eisenwerken
Pennsylvaniens, Ohios u. s. w. neben den Erzen des Oberen Sees zu
verwenden.


Die grösstentheils aus Magneteisenerzen bestehenden Erzlager
des Staates New Jersey
, welche ihrer Menge nach zu den wichtig-
sten Vorkommnissen der Vereinigten Staaten gehören, durchschnittlich
aber hinter den vorstehend erwähnten Erzen an Eisengehalt und guter
Beschaffenheit zurückstehen. Ein geringerer Theil derselben wird in
New Jersey selbst verarbeitet, der grössere Theil an die Hochöfen
Pennsylvaniens geliefert.


Die Erze Pennsylvaniens (Lebanon County), grossentheils
[570]Der Hochofenbetrieb.
Magneteisenerze mit oft reichem Kupfergehalte, so dass einzelne der-
selben auf Kupfer verarbeitet werden. Die weniger kupferreichen werden
in den Hochöfen Pennsylvaniens verhüttet.


Die Eisenerze des Iron Mountain und Pilot Knob in
Missouri;
Eisenglanz, welcher zum geringen Theile in Holzkohlen-
hochöfen des eigenen Bezirks verarbeitet, in grösseren Mengen über
St. Louis auf dem Ohio nach Pennsylvanien verfrachtet wird.


Auch die Staaten Westvirginien, Alabama, Kentucky sind reich
an Eisenerzen mit theilweise grossem Eisengehalte; thonige Brauneisen-
erze finden sich am östlichen Abhange des Alleghanygebirges; Black-
bands und Sphärosiderite in Ohio.


Der grosse Eisengehalt der meisten nordamerikanischen Erze
erleichtert nicht wenig die Erzielung jener hohen, früher mehrfach
erwähnten Productionsziffern, welche für den Hochofenbetrieb Nord-
amerikas eigenthümlich sind; selten dagegen sind manganreichere Erze,
und manche sonst vorzügliche Erze enthalten mehrere Zehntel Procent
Phosphor, ein Umstand, der nicht unerheblich ihren Werth verringert.


Den grössten Reichthum an mineralischen Kohlen besitzt unter
allen Staaten Nordamerikas Pennsylvanien. Im Osten Pennsylvaniens
bilden die Anthracite (vergl. S. 46) eine fast unerschöpfliche Quelle des
Reichthums an Brennstoffen; im westlichen Theile finden sich mächtige
Lager sogenannter bituminöser Kohle, d. h. einer verkokungsfähigen
Steinkohle, deren Koks neben den Anthraciten das Hauptmaterial für
den Hochofenbetrieb bilden.


Einzelne gasreiche magere Kohlen des Staates Ohio werden wie
die Kohlen Schottlands im unverkokten Zustande theils allein, theils mit
Koks gemengt, für den Hochofenbetrieb benutzt.


In kohlenreichen Gegenden entwickelt sich naturgemäss eine leb-
hafte Industrie, welche wiederum einen erhöhten Verbrauch an Eisen,
sei es für den eigenen Bedarf, sei es für die Anlage und Unterhaltung
der Eisenbahnen nach sich zieht. Hieraus erklärt es sich denn, dass
auch die Roheisenerzeugung Nordamerikas sich vorzugsweise in den
kohlenreicheren Bezirken zusammendrängt, und man es vorzieht, die
Erze nach den Kohlen zu verfrachten statt den umgekehrten Weg ein-
zuschlagen. 1) Von der gesammten Eisenerzeugung der Vereinigten
Staaten, welche, wie oben mitgetheilt, im Jahre 1881 sich auf 4642000 t
bezifferte, lieferte allein Pennsylvanien 2191000 t, Ohio 710546 t; beide
benachbarte Staaten zusammen also mehr als die Hälfte.


Auch ein grosser Theil der gesammten Holzkohlenhochöfen be-
findet sich in den genannten beiden Staaten; Pennsylvanien besitzt
etwa 39 Holzkohlenhochöfen, Ohio 37. Die übrigen vertheilen sich vor-
zugsweise auf die Staaten Michigan (welcher Staat der Menge des
[571]Der Hochofenbetrieb in verschiedenen Ländern.
erzeugten Holzkohlenroheisens nach den übrigen Staaten voranzustehen
pflegt), Virginia, Kentucky, Missouri, New York; u. a. m.


Einige der grösseren Hochofenanlagen Nordamerikas wurden be-
reits in Früherem mehrfach erwähnt; für ein eingehenderes Studium
der nordamerikanischen Verhältnisse möge auf die unten gegebene
Literatur verwiesen werden.


Deutschland.

Nicht so leicht als den britischen Eisenhüttenleuten ist den deut-
schen die Lösung der Aufgabe gemacht, ihrer Industrie eine hervor-
ragende Stellung sowohl unter den verschiedenen Gewerbszweigen ihres
eigenen Landes als innerhalb der gesammten Eisenindustrie der Erde
zu sichern. Zwar besitzt Deutschland verschiedene wichtige Eisenerz-
lagerstätten; auch Steinkohlen treten in mitunter ausgedehnten Lagern
auf (Oberschlesien, Sachsen, Rheinland-Westfalen); beide Materialien
finden sich aber seltener als in Grossbritannien in unmittelbarer Nach-
barschaft, die Steinkohlen sind häufiger als dort aschenreich, und vor
allen Dingen vertheuert die geographische Beschaffenheit des Landes
weit mehr als dort die Verfrachtung sowohl der verschiedenen Materia-
lien zu einander als der Erzeugnisse nach den Absatzgebieten. Ist doch
die Wasserfracht von einem der Häfen Grossbritanniens nach der deut-
schen Küste und von hier auf einem der schiffbaren Ströme hinauf
bis zum Herzen Deutschlands, ja selbst bis nach Böhmen, oft kaum
bedeutender als die Eisenbahnfracht von einem deutschen Eisenwerke
nach derselben Stelle.


In den Vereinigten Staaten walten, wie schon erwähnt wurde,
ähnliche Verhältnisse ob; dort aber erleichtern die grössere Entfernung
von anderen eisenerzeugenden Ländern und ein höherer Schutzzoll
nicht unwesentlich den Kampf mit der Concurrenz des Auslandes.


Während daher die Eisenindustrie Grossbritanniens vornehmlich
durch ihre Grossartigkeit, die Eisenindustrie Nordamerikas durch die
oft kühne Ueberwindung technischer Schwierigkeiten und die rasche
Entfaltung innerhalb kurzer Zeiträume unser Interesse erweckt, lehrt
die deutsche Eisenindustrie vornehmlich, wie man im Stande ist, durch
thunlichste Vervollkommnung der Apparate, möglichst ausgedehnte Be-
nutzung aller auf Brennstoffersparung u. s. w. gerichteten Mittel, und
Leitung des Betriebes nach wissenschaftlichen, aber durch die Praxis
erprobten Grundsätzen auch unter äusseren ungünstigen Verhältnissen
noch mit Nutzen zu arbeiten.


Nicht darf hier verschwiegen werden, dass, wie schon aus dem
früher Gesagten zum grossen Theile hervorgeht, die deutschen Eisen-
hüttenleute eine grosse Zahl ihrer Einrichtungen, auch was den Hoch-
ofenbetrieb anbelangt, ursprünglich dem britischen Erfindungsgeiste und
der älteren britischen Eisenindustrie verdanken (Cylindergebläse, Be-
trieb mit Koks, Winderhitzung u. a.); aber diese Einrichtungen mussten
den oft abweichenden deutschen Betriebsverhältnissen angepasst werden
und wurden oft nicht unwesentlich verbessert (Langen’scher, von
Hoff’s
cher, Buderus’scher Gasfang an Stelle des Parry’schen
Trichters, u. a. m.).


[572]Der Hochofenbetrieb.

Unter den verschiedenen Erzvorkommnissen Deutschlands ver-
dienen als besonders wichtig hervorgehoben zu werden die mulmigen,
blei- und zinkhaltigen Brauneisenerze Oberschlesiens, die von der
Ilseder Hütte verarbeiteten oolithischen Brauneisenerze bei Peine (S. 164),
die Kohleneisensteine, Sphärosiderite und Brauneisensteine Westfalens,
die Spathe und Brauneisenerze des Siegerlandes, die Roth- und Braun-
eisenerze aus dem Gebiete der Lahn, die Minetteerze Lothringens und
Luxemburgs. Auch die im Harze (bei Elbingerode) auftretenden Roth-,
Braun- und Magneteisenerze sowie die am Fusse des Harzes (Harz-
burg, Salzgitter) geförderten oolithischen Erze verdienen als Material
für den Betrieb mehrerer Hochofenwerke (Blankenburger Hütte, Mathil-
denhütte bei Harzburg sowie einiger mit Holzkohlen betriebener Hoch-
öfen) Erwähnung; ferner die Spatheisensteine des Thüringerwaldes
(Kamsdorf mit der Maximilianshütte), sowie die Braun-, Roth- und
Magneteisenerze des Erzgebirges, welche theils im Erzgebirge selbst
(Königin-Marienhütte, Schwarzenberger Hütte), theils auswärts ver-
arbeitet werden. Rasenerze der norddeutschen Tiefebene werden theils
auf kleineren mit Holzkohlen betriebenen Hochöfen1) verarbeitet, theils
den Beschickungen der rheinischen und westfälischen Hochöfen zuge-
setzt; eine noch grössere Menge Rasenerze beziehen die letzteren, be-
sonders die am Rhein und der Ruhr gelegenen, aus Holland. Zur Dar-
stellung phosphorarmen grauen Roheisens für den Bessemerprocess,
beziehentlich auch Spiegeleisens, werden Roth- und Brauneisenerze von
Spanien und Algier bezogen (vergl. die Analysen dieser Erze auf
S. 164 und 169); Oberschlesien verhüttet zur Darstellung phosphor-
armen Weisseisens Spatheisensteine aus Ungarn.


Das geschilderte Vorkommen der Erze und Steinkohlen erklärt es,
dass vorzugsweise in Nord- und Mitteldeutschland wie in Lothringen die
Roheisendarstellung betrieben wird, während in Baiern, Würtemberg und
Baden nur vereinzelte Werke dem Hochofenbetriebe obliegen. Die Holz-
bestände Deutschlands aber würden, wenn man sie zur Deckung des
Brennstoffbedarfs der im Betriebe stehenden Hochöfen verwenden wollte,
in kürzester Zeit verbraucht sein; und auch in Deutschland ist daher
der Hochofenbetrieb der Jetztzeit nur durch ausgedehnte Verwendung
mineralischer Brennstoffe, und zwar der Koks, möglich. Von den im
Jahre 1871 erzeugten 2900000 t Roheisen entstammten nur 42000 t
dem Betriebe mit Holzkohlen.


Wo Erze und Kohlen nicht bei einander liegen, findet man das
Hochofenwerk häufiger an der Lagerstätte der Kohlen als an der der
Erze, obgleich für die Darstellung einer bestimmten Menge Roheisen eine
grössere Gewichtsmenge Erze als Kohlen erforderlich zu sein pflegt
und verfrachtet werden muss. Die Gründe hierfür sind die nämlichen,
welche schon bei Besprechung der nordamerikanischen Roheisenindustrie
erläutert wurden: das Roheisen findet seine hauptsächlichste Verwen-
dung da, wo das Vorkommen von Steinkohlenlagern die Grundlage
[573]Der Hochofenbetrieb in verschiedenen Ländern.
einer ausgedehnten Gewerbthätigkeit bildet, und die höheren Fracht-
kosten für die Erze bei der Verhüttung am Fundorte der Brennstoffe
werden durch den Umstand ausgeglichen, dass im anderen Falle das
Roheisen, dessen Selbstkosten am Erzeugungsorte vielleicht etwas
niedriger sein würden, entsprechend weiter verfrachtet werden muss,
um Absatz zu finden. Es kommt noch hinzu, dass viele Hochofen-
werke gezwungen sind, aus verschiedenen, von einander getrennt liegen-
den Fundstätten ihre Erze zu beziehen; und nur wo dieses nicht der
Fall ist, die benutzten Erze vielmehr in einem und demselben Bezirke
nahe bei einander liegen, findet man auch Hochofenwerke in der Nähe
der Erzlagerstätten, welche ihre Brennstoffe von fern her beziehen (die
oben genannten Hochöfen zu Blankenburg und Harzburg am Harz,
die Ilseder Hütte, die Maximilianshütte in Thüringen u. a. m.).


Abgesehen von diesen zuletzt genannten, für die Ausbeutung ein-
zelner Erzlagerstätten bestimmten, vereinzelt liegenden Hochofenanlagen
lassen sich im Wesentlichen drei grosse Gruppen von Hochofenwerken
unterscheiden.


Im Osten Deutschlands gegen Galiziens und Russlands Grenze zu
entwickelte sich, Dank dem Auftreten ausgedehnter Steinkohlenlager
Schlesiens, insbesondere Oberschlesiens Hochofenbetrieb
zu nicht geringer Bedeutung. Etwa ein Neuntel des gesammten deut-
schen Roheisens entstammt Oberschlesiens Hochöfen; und der Umstand,
dass die oberschlesischen Erze nicht fern von der Fundstätte der Kohlen,
in der an das Kohlengebirge anschliessenden Triasformation, aufzutreten
pflegen, wies schon frühzeitig auf die Verhüttung derselben mit Stein-
kohlen, beziehentlich Koks, hin. Auf dem Continente wurde der Hoch-
ofenbetrieb mit Koks zuerst in Oberschlesien eingeführt.


Wie aber die früher schon mehrfach erwähnten Eigenthümlich-
keiten der Oberschlesischen Steinkohlen die Veranlassung sind, dass
dort noch — wie in England — Verkokungsmethoden angetroffen
werden, welche im Westen Deutschlands vollständig verschwunden sind,
so ist anderntheils die Beschaffenheit der zur Verwendung stehenden
Erze die Ursache, dass auch beim Hochofenbetriebe manche Einrich-
tungen einer früheren Zeit noch nicht durch neuere ersetzt wurden.
Die Hochöfen, auch die neu erbauten, sind in Rücksicht auf die mul-
mige Beschaffenheit der Erze, welche den Gasen nur schwierig Durch-
gang gestatten, fast durchweg kleiner als die neueren Oefen anderer
Gegenden; der Zinkgehalt der Erze, welcher zum grossen Theil von
den Gichtgasen davongeführt wird, schreckte die oberschlesischen Eisen-
hüttenleute bislang vor der Einführung steinerner, schwierig zu reini-
gender Winderhitzer zurück, und noch bis heute sind sämmtliche
oberschlesischen Hochofenwerke nur mit eisernen Apparaten ver-
sehen.1)


Der häufig ziemlich beträchtliche Phosphor- und Mangangehalt der
oberschlesischen Brauneisenerze weist vornehmlich auf die Darstellung
weissstrahligen Roheisens für den Puddelbetrieb hin. Vielfach werden
[574]Der Hochofenbetrieb.
die eisenreichen Schlacken der Puddel- und Schweissöfen neben den
Erzen in den Hochöfen wieder auf Roheisen verhüttet, ein Verfahren,
welches hier wegen der dicht liegenden Beschaffenheit und dem oft
geringen Eisengehalte der Erze doppelte Berechtigung erhält. Bei ein-
zelnen Hochöfen hat man mitunter die Hälfte der Beschickung aus
Frischschlacken bestehen lassen; durchschnittlich betrug im Jahre 1881
der Schlackenzusatz ⅙ von dem Gewichte der Erze.


In der Jetztzeit beschäftigen sich 13 schlesische Werke mit etwa
50 Hochöfen mit der Roheisendarstellung (Königshütte, Laurahütte,
Gleiwitz, Redenhütte, Donnersmarkhütte, Borsigwerk u. a.).


Der auf mehreren Werken, welche bleiische Erze verhütten, be-
triebenen Bleigewinnung (unterhalb des Bodensteins) ist schon früher
gedacht worden. Das gewonnene zugleich silberhaltige Blei liefert einen
nicht unwesentlichen Beitrag zu dem jährlichen Erlöse; im Jahre 1881
betrug die Bleigewinnung in den Eisenhochöfen 1832 t.


Eine zweite, grössere Gruppe umfasst die Hochöfen Rhein-
lands und Westfalens
. Ungefähr die Hälfte des gesammten deut-
schen Roheisens wird in diesem Gebiete erzeugt; und zwar erstreckt
sich der rheinisch-westfälische Hochofenbetrieb nicht allein auf die Dar-
stellung des gewöhnlichen weissen Puddelroheisens, sondern auch die
besseren, d. h. phosphorarmen Roheisensorten werden — und zwar in
bedeutenden Mengen — hier gewonnen (Spiegeleisen, Weissstrahl, Besse-
merroheisen, Eisenmangan). Man benutzt hierfür theils eigene, theils
spanische und algierische Erze. Auch die Darstellung eines tiefgrauen
Roheisens für Giessereizwecke, welches an Festigkeit und Zähigkeit dem
schottischen Roheisen überlegen ist, hat eine gewisse Bedeutung erlangt,
seitdem durch ausgedehnte Qualitätsuntersuchungen verschiedener aus-
ländischer und rheinisch-westfälischer Roheisensorten, welche im Jahre
1877 unter Leitung eines von der preussischen Regierung dazu be-
auftragten Eisenhüttenmannes ausgeführt wurden, die Ebenbürtigkeit
des inländischen Giessereiroheisens mit dem schottischen dargethan
wurde.1)


Eine dichte Gruppe theilweise hochberühmter Hochofenwerke drängt
sich in dem verhältnissmässig kleinen Dreiecke zwischen den Städten
Hörde und Dortmund, Ruhrort und Düsseldorf als Eckpunkten des
Dreiecks zusammen (Dortmunder Union, Hörde, Bochumer Gussstahl-
fabrik, Gutehoffnungshütte in Oberhausen, Schalke, Phönix bei Ruhrort,
Niederrheinische Hütte, Johannishütte und Vulkan in Duisburg, Fried-
rich-Wilhelmshütte bei Mülheim a. d. Ruhr. u. v. a.). Andere, theil-
weise bedeutende Hochofenwerke finden sich im Gebiete der Inde bei
Aachen (Eschweiler); wichtiger noch ist aber die Roheisenindustrie des
Siegerlandes östlich und südöstlich von Cöln. Hier ist die eigentliche
Heimath der Spiegeleisendarstellung, für welche die Siegener Spath-
eisensteine das Material liefern; Spiegeleisen sowie das demselben ver-
wandte Roheisen (Weissstrahl) bilden noch jetzt im Siegerlande die vor-
zugsweise erzeugte Roheisengattung (Hochöfen zu Geisweid, Wissen,
u. a. m.).


[575]Der Hochofenbetrieb in verschiedenen Ländern.

Südöstlich vom Siegerlande finden sich verschiedene Hochofen-
werke, welche die Rotheisenerze und Brauneisenerze aus dem Lahn-
gebiete verarbeiten und grossentheils graues Giessereiroheisen daraus
herstellen (Hochöfen zu Sophienhütte bei Wetzlar, Mainweserhütte bei
Giessen u. a.); im südlichsten Theile Rheinpreussens dagegen, im Ge-
biete der Saar, treten einzelne Hochofenwerke auf, welche theilweise
unter ähnlichen Verhältnissen als die sogleich zu erwähnenden Hoch-
öfen Lothringens und Luxemburgs betrieben werden und grossentheils
gewöhnliches Weisseisen für den Puddelbetrieb liefern (Neunkirchen,
Burbach, Saarbrücken u. a.).


Nördlich von der gesammten rheinisch-westfälischen Gruppe liegt
nahe bei Osnabrück das berühmte Werk Georgs-Marienhütte, Braun-
und Spatheisenerze, welche aus dem Zechstein in der Nähe von Osna-
brück stammen, mit Koks verhüttend, bekannt durch eine Reihe
wesentlicher Verbesserungen bei dem Hochofenbetriebe, welche hier
zuerst eingeführt wurden (u. a. die Lürmann’sche Schlackenform).


Eine dritte Gruppe wird durch die Hochöfen Lothringens und des
benachbarten, ebenfalls zum deutschen Zollvereine gehörigen Luxem-
burgs gebildet. Hier bilden die auf S. 165 besprochenen Minetteerze
die Grundlage eines Hochofenbetriebes, welcher besonders seit dem
Anfange der siebenziger Jahre eine bedeutende Ausdehnung erlangt
hat. Man stellt grösstentheils ein phosphorhaltiges Weisseisen für den
Puddelprocess oder basischen Bessemerprocess dar, daneben allerdings
auch Giessereiroheisen, welches zwar dem Giessereiroheisen der rhei-
nisch-westfälischen Werke wegen seines grösseren Phosphorgehaltes
nachsteht, doch aber seiner Billigkeit halber auch in den östlicheren
Theilen Deutschlands mitunter verwendet wird (Hochofenwerke zu
Moyeuvre, Römlingen, Hayange u. a. in Lothringen, Esch, Dommel-
dingen, Eich u. a. in Luxemburg).


Frankreich.

Frankreich ist nicht sehr reich an Eisenerzen; und die französi-
schen Eisenhütten haben mit ähnlichen, theilweise vielleicht mit noch
grösseren Schwierigkeiten als die deutschen zu kämpfen. Wenn es
trotzdem den französischen Eisenhüttenleuten gelang, der Eisenindustrie
Frankreichs eine der Grösse und Bedeutung des Landes entsprechende
Entfaltung zu verschaffen, so gebührt ihrer Thatkraft und ihrer durch
Wissenschaftlichkeit gestützten Umsicht dafür alle Anerkennung.


Rotheisensteine in grösserer Mächtigkeit treten im Departement
Ardèche bei den Orten Veyras, Privas und La Voulte (Rhonegebiet
südlich von Lyon) auf. Häufiger finden sich Brauneisenerze, theils als
brauner Glaskopf in den Pyrenäen, theils als mulmiger, aber gewöhn-
lich phosphorreicher Brauneisenstein in der Champagne, theils als
oolithisches Erz und Bohnerze in der Franche-Comté und weiter nörd-
lich in dem französischen Lothringen, wo die Minette ebenso wie in
Deutsch-Lothringen und Luxemburg ein wichtiges Erzvorkommniss
bildet. Spatheisensteine treten in den Alpen und Pyrenäen auf, Magnet-
eisenerze sind ziemlich selten.


Reicher als an Erzen ist Frankreich an Steinkohlen; und das
[576]Der Hochofenbetrieb.
Brennmaterial für die Roheisenindustrie Frankreichs ist deshalb im
Wesentlichen Koks. Im Norden erstreckt sich von der Grenze Belgiens
in westlicher Richtung durch die beiden Departements Nord und Pas
de Calais ein Kohlenbecken mit zahlreichen Flötzen (Valenciennes,
Anzin u. s. w.), theils anthracitartige, theils gut zur Verkokung geeig-
nete Kohlen enthaltend. Ein zweites Becken, das Burgunder Kohlen-
becken erstreckt sich am rechten Ufer der Saône innerhalb des Saône-
und Loiredepartements von Autun bis Charolles und enthält Flötze
von theilweise bedeutender Mächtigkeit (Creusot, Epinac, Blanzy); wich-
tiger noch ist ein südlich von diesem im Loiredepartement bei den
Städten Lyon, Rive de Gier, St. Etienne gelegenes Becken, welches
verschiedene grössere Eisenwerke mit Kohlen und Koks versorgt. Bei
Alais im Garddepartement, westlich von dem unteren Laufe der Rhone,
finden sich ebenfalls bedeutende Steinkohlenlager, welche besonders
den südlichen Eisenwerken die Brennstoffe liefern; auch ein im Allier-
departement westlich vom Flusse Allier bei den Städten Commentry,
Bezenet auftretendes Steinkohlenbecken besitzt grössere Bedeutung.


Dem geschilderten Vorkommen der wichtigsten Eisenerzlager und
Kohlenbecken entsprechend beschränkt sich die Eisenindustrie Frank-
reichs, insbesondere die Roheisendarstellung, vornehmlich auf den öst-
lichen und südöstlichen Theil, und ist ziemlich unbedeutend im Westen
und Nordwesten.


Eine Gruppe von theils grösseren, theils kleineren Hochofenwerken
befindet sich in der Nähe der belgischen Grenze und verhüttet sowohl
die dort auftretenden oolithischen und thonigen Brauneisenerze als auch
Erze aus Afrika und Spanien, letztere, um Roheisen für den Bessemer-
process daraus darzustellen (Eisenwerke Denain, Anzin, Marquise u. a.).
Südöstlich von hier in der Nähe von Nancy trifft man auf eine zweite
Gruppe von Hochofenanlagen, welche ebenso wie die benachbarten
Werke Deutsch-Lothringens grossentheils die Verhüttung der dort auf-
tretenden Minette zum Zwecke haben (Pont à Mousson, Pompey,
Frouard, Jeuve u. a.); und südwestlich von diesen auf der linken Seite
der Marne liegen zahlreiche kleinere Werke, welche die phosphorreichen
Brauneisenerze der Champagne verarbeiten.


Grössere Bedeutung als diese letztgenannten Werke besitzen die
im Gebiete der Loire und Rhone gelegenen Hochöfen. Hier befindet
sich das grossartig angelegte Werk Creusot in der Nähe des oben
erwähnten Burgunder Steinkohlenbeckens; weiter südlich zwischen
Lyon und St. Etienne das nicht minder berühmte Eisenwerk Terre-
Noire, u. a. m.


Im Departement Allier ist das Eisenwerk Montluçon mit neun Hoch-
öfen erwähnenswerth; im Süden bei Marseille das Werk St. Louis,
welches grossentheils ausländische (italienische, spanische, algierische)
Erze verhüttet.


Belgien.

Aehnliche Verhältnisse als diejenigen, welche die britische Eisen-
industrie zu der grossartigsten der Erde erhoben, liessen in Belgien
eine im Verhältnisse zu der Grösse des Landes immerhin bedeutende
Eisenindustrie emporblühen. Jene vielfach erwähnten Minettelager
[577]Der Hochofenbetrieb in verschiedenen Ländern.
Lothringens und Luxemburgs setzen sich bis nach Belgien hinein fort;
Roth- und Brauneisenerze, theils oolithisch, theils erdig finden sich in
Lagern von mitunter 3 m Mächtigkeit im Gebiete der Maas und nörd-
lich von Namur bis Ligny. Steinkohlen liefert das auch im Nordosten
Frankreichs auftretende oben erwähnte Steinkohlenbecken, welches als
verhältnissmässig schmaler Streifen vom Nordabfalle der Ardennen das
Maasthal entlang über Namur, Lüttich quer durch ganz Belgien hin-
durch bis nach Rheinpreussen hinein sich erstreckt. In diesem Land-
striche, wo Erze und Kohlen nahe bei einander liegen, wo ein Netz
zahlreicher Eisenbahnen und schiffbarer Gewässer den Verkehr mit dem
Binnenlande wie mit dem nahen Meere ausserordentlich erleichtert,
finden sich die wichtigsten Eisenwerke Belgiens (Seraing, Ougrée, Espé-
rance, Tilleur-Sclessin, sämmtlich bei Lüttich, weiter südwestlich bei
Charleroy Providence, Monceau u. a. m.). Man erzeugt theils weisses
Roheisen für den Puddelprocess aus den phosphorhaltigeren Erzen,
theils, unter Mitbenutzung ausländischer reiner Erze, Bessemerroheisen.


Oesterreich-Ungarn.

Oesterreich und Ungarn besitzen zwar einzelne, durch Mächtigkeit
wie durch Reinheit von Phosphor ausgezeichnete Erzvorkommnisse;
selten dagegen und meistens weit von den Erzlagern entfernt treten
mineralische Brennstoffe auf, welche mit Vortheil für den Hochofen-
betrieb benutzt werden könnten. Diese Schwierigkeiten werden durch
die Lage der genannten Länder und die theilweise noch beschränkten
Verkehrsverhältnisse erhöht; so erklärt es sich leicht, dass, obgleich
Oesterreichs Eisenerzeugnisse ihrer Qualität nach zu den vorzüglichsten
der Erde gehören und die Einrichtungen einzelner österreichischer
Werke das Interesse aller Fachleute verdienen, doch die Eisenindustrie
Oesterreich-Ungarns hinsichtlich der Menge des erzeugten Eisens, ins-
besondere Roheisens, selbst dem kleinen Belgien nachsteht.


In Böhmen in der Nähe von Prag und Komorau finden sich
ziemlich mächtige Lager von körnigen Roth- und Brauneisenerzen,
welche auf verschiedenen Werken theils mit Holzkohlen theils mit
Koks (aus dem böhmischen Steinkohlenbecken) verhüttet werden (Adel-
bertshütte bei Kladno).


In Steiermark und Kärnten wurde schon zu der Römerzeit
Eisenindustrie betrieben; die vorzüglichen Spatheisensteine der Alpen
sowie die aus deren Zersetzung hervorgegangenen Braun- und Roth-
eisenerze bilden noch jetzt das Material für den Betrieb zahlreicher
Hochöfen. Der Mangangehalt dieser Erze und ihre Reinheit von
Phosphor verweisen auf ihre Verwendung zur Darstellung der besseren
Sorten Weisseisens oder auch Bessemerroheisens; weniger geeignet sind
sie, wenigstens die grössere Menge derselben, für Giessereiroheisen. Bei
dem Mangel brauchbarer Steinkohlen jedoch ist der Betrieb grössten-
theils auf die Benutzung von Holzkohlen beschränkt, wodurch nicht
allein die Erzeugungskosten gesteigert werden, sondern auch eine
Ausdehnung der Roheisenerzeugung über diejenige Grenze hinaus
unmöglich gemacht ist, welche durch die Menge des für die Eisen-
hütten verfügbaren Holzes gesteckt ist. Der Bestrebungen, Holz
Ledebur, Handbuch. 37
[578]Der Hochofenbetrieb.
ganz oder theilweise durch Braunkohle zu ersetzen, wurde schon früher
gedacht.


Verschiedene Kokshochöfen sind im Laufe der siebenziger Jahre
erbaut worden; aber sie sind gezwungen, ihre Koks aus ziemlich
weiten Entfernungen zu beziehen (Mähren, England), wodurch deren
Preis natürlich sich entsprechend vertheuert (Hochöfen bei Wien, zu
Prävali in Kärnten, Zeltweg in Steiermark zu Schwechat).1)


Auch in Ungarn verhindert der Mangel an geeigneten Stein-
kohlen für den Hochofenprocess wie an billigen Verkehrsmitteln ein
lebhafteres Aufblühen des Hochofenbetriebes. Erze, und zwar theil-
weise vorzügliche Erze, sind in einzelnen Gegenden in grosser Mächtig-
keit und Ausdehnung vorhanden. Spatheisensteine liefern das Zipser,
Abaújer, Tornaer, Sohler, Liptauer und Szörényer Comitat, und die
Lagerstöcke dieser Erze erreichen an einzelnen Stellen eine Mächtig-
keit von mehr als 36 m (Dobschauer Erzberg). Brauneisenerze treten
theils neben diesen Spatheisensteinen als Zersetzungsgebilde derselben,
theils selbstständig auf; der Gömörer Erzberg bei Röcze, aus mulmigen
oder lockeren Brauneisenerzen bestehend, ist in einer Erstreckung von
4½ km und in einer Mächtigkeit von 4—37 m aufgeschlossen; von
noch grösserer Bedeutung ist der Erzberg im Hunyader Comitate,
dessen Haupterzlager bei Gyalár eine Mächtigkeit von 100 m erreicht,
während die Gliederungen dieses Eisensteinzuges auf mehr als 30 km
Erstreckung bekannt sind. Neben den Brauneisenerzen liefert dieser
Erzberg auch Rotheisensteine. An anderen Orten findet sich Magnet-
eisenstein in mächtigen Stöcken (Reschitza) und Eisenglanz. Von den
68 Hochöfen Ungarns werden 64 ausschliesslich mit Holzkohlen, einer
zur Hälfte mit Holzkohlen und Koks (Theissholz), einer mit Steinkohlen
und Koks (Kalán) und einer mit Koks allein (Reschitza) betrieben.


Die Erze aber werden, sofern ihre Lage die Abfuhr ermöglicht,
nicht selten auf auswärtigen Werken verarbeitet. Oberschlesische Hoch-
öfen setzen ihren eigenen Erzen ungarische Spatheisensteine zu, wenn
sie phosphorreinere Roheisensorten darstellen wollen; grosse Mengen
Braun- und Rotheisenerze bezieht alljährlich das Eisenwerk Witkowitz
in Mähren aus einem vom Staate gepachteten Erzrevier im Borsoder
Comitate; auch Eisenwerke in Oesterreichisch-Schlesien besitzen Spath-
eisensteingruben im Zipser Comitate und beziehen von dort den grössten
Theil ihres Erzbedarfes.


Russland.

Jenes Hemmniss für das lebhafte Aufblühen der Eisenindustrie in
manchen anderen erzreichen Ländern, die grossen Entfernungen zwischen
der Lagerstätte der Erze und derjenigen mineralischer Brennstoffe, be-
ziehentlich auch zwischen dem Erzeugungsorte des Roheisens und dem
Verbrauchsorte desselben bei beschränkten Verkehrsmitteln, zeigt in
Russland noch deutlicher als in den zuletzt besprochenen Ländern seinen
[579]Der Hochofenbetrieb in verschiedenen Ländern.
Einfluss. Russland ist keineswegs arm an Eisenerzen; Holz, welches
im verkohlten Zustande vorläufig noch das vorzugsweise benutzte
Material für den Hochofenbetrieb bildet, ist an manchen Orten noch
im Ueberflusse vorhanden, Steinkohlenlager sind wenigstens in einigen
Gegenden aufgeschlossen. Die ungeheueren Entfernungen aber zwischen
einzelnen dieser Vorkommnisse und den Küstengebieten, wo natur-
gemäss der lebhaftere Handel auch einen stärkeren Eisenverbrauch
mit sich bringt, und der erforderliche Landtransport vertheuern in einer
Weise das Eisen, dass trotz eines hohen Schutzzolles ausländisches
Eisen oft billiger als einheimisches und an einen Export kaum zu
denken ist.


Besonders reich an Eisenerzen ist der Ural. Mächtige Lager von
Magneteisenerzen finden sich in den Regierungsbezirken Perm und
Orenburg; der Ort Visokaja-Gora im Permer Bezirk liefert allein jähr-
lich mehr als eine Million Tonnen vortrefflicher Magneteisenerze an
verschiedene umliegende Eisenhütten. Auch Lager hochhaltiger Braun-
eisenerze werden an verschiedenen Punkten des Ural abgebaut (Je-
katharinenburg, Ir-Kiskan u. a. a. O.). Jüngere Brauneisenerze und
Sphärosiderite, häufig phosphorhaltig, werden in den südlich von Moskau
gelegenen Bezirken (Tula, Kaluga, Orlow, Tambow u. s. w.) sowie in
Polen gewonnen; Rasenerze sind sehr verbreitet in verschiedenen Be-
zirken; Eisenglanz findet sich am Tulmsee, 42 km vom Ladogasee ent-
fernt, in der Nähe der Grenze Finnlands sowie im Süden Russlands
bei Cherson.


Die abgetrennte Lage einzelner russischer Hochofenwerke, die
Schwierigkeiten, mit denen eben infolge dieser Lage dieselben zu
kämpfen haben, erklären es, dass auf einzelnen solcher Werke die Ein-
richtungen noch im Wesentlichen die nämlichen sind als sie vor fünfzig
Jahren auf deutschen, mit Holzkohlen betriebenen Werken angetroffen
wurden. Andere günstiger gelegene Werke sind dagegen sowohl in
der Construction der Hochöfen als in der Betriebsleitung mit der Zeit
fortgeschritten, und einige besitzen Hochöfen neuester Construction
(Nischnje-Saldinsk, Nischnje-Tagilsk).


Das Haupterzeugniss ist graues Roheisen, theils für die Giesserei
zum unmittelbaren Gusse, theils auch für den Bessemerprocess be-
stimmt: Spiegeleisen mit 10—12 Proc. Mangan wird aus Brauneisen-
erzen von Visokaja-Gora auf dem Eisenwerke Jurjazan, Ferromangan
wird in Tagilsk erzeugt.


Schweden.

Die eisenindustriellen Verhältnisse Schwedens besitzen mit den
oben geschilderten Verhältnissen der österreichischen Alpenländer inso-
fern eine gewisse Aehnlichkeit, als auch Schweden reich ist an vor-
züglichen Eisenerzen, während mineralische Brennstoffe fast vollständig
fehlen. Es kommt hinzu, dass der Besitz der ausgedehnten Erzlager
oft ausserordentlich zersplittert ist, ein Umstand, der wieder die Aus-
beutung derselben im grossartigen Maassstabe — etwa unter Benutzung
fremder Koks — nicht wenig erschwert. Aus diesem Grunde ist Holz-
kohle, unter Umständen in Gemeinschaft mit rohem Holze, das für den
37*
[580]Der Hochofenbetrieb.
Hochofenbetrieb fast ausschliesslich benutzte Brennmaterial; nur ver-
einzelt setzt man den Holzkohlen Koks zu.


Die wichtigsten Eisenerzlager Schwedens, sofern sie die Grundlage
für die schwedische Eisenindustrie bilden, finden sich zwischen dem
59. und 61. Breitengrade in einem Gürtel, welcher von Nordost nach
Südwest durch den südlichen Theil von Gefleborgs-Län, den südöst-
lichen Theil von Kopparbargs-Län, den nördlichen Theil von Westerås-
Län, den grössten Theil von Oerebro-Län und das östliche Wermland
hindurchzieht. Mächtige, im Norden auftretende, Lager besitzen vor-
läufig wegen mangelnder Verkehrsmittel und dünner Bevölkerung für
die Eisenindustrie keine besondere Bedeutung; wichtiger und theilweise
hochberühmt sind die weiter südlich auftretenden Vorkommnisse in
Upsala-Län, Stockholm-Län, Jönköpings-Län u. a. Zu diesen gehören
das berühmte Dannemora und der Eisenberg zu Taberg an der Süd-
spitze des Wetternsees in Småland. In den genannten Bezirken hat
sich daher die schwedische Hochofenindustrie vorzugsweise entfaltet.


Die hier auftretenden Erze bestehen vornehmlich aus Magnet-
eisenerzen, Eisenglanz und Rotheisensteinen, und man pflegt diese Erz-
gattungen in Schweden mit dem gemeinschaftlichen Namen Bergerze
zu bezeichnen; Seeerze und Raseneisensteine werden in Småland ge-
wonnen. Die erwähnten Bergerze sind ausgezeichnet durch geringen
Phosphorgehalt; seiner Reinheit von Phosphor und der auf derselben
beruhenden grossen Zähigkeit verdankt das schwedische Eisen eine
Berühmtheit, die demselben — sowohl dem Roheisen als dem schmied-
baren Eisen — auch im Auslande eine gewisse Verbreitung gesichert
hat. Man erzeugt weissstrahliges und halbirtes Roheisen für den Herd-
frischprocess, Spiegeleisen, graues Roheisen für die Giesserei und den
Bessemerprocess. Der Menge nach dürfte das halbirte Roheisen für
den Frischprocess vorwiegen.


In wissenschaftlicher Beziehung findet die schwedische Eisen-
industrie eine kräftige Stütze durch die Stockholmer Bergakademie und
die Veröffentlichungen des Jernkontoret (Eisencontor), dessen „Annaler“
in den zahlreichen seit Anfang der zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts
erschienenen Jahrgängen eine Fülle hochwichtiger Ergebnisse wissen-
schaftlicher und praktischer Untersuchungen im Gebiete des Eisen-
hüttenwesens einschliessen.


Literatur.


A. Einzelne Werke.


  • Perey-Wedding, Eisenhüttenkunde, Abth. II, S. 536 und 603 (Gattirung der
    Erze, Berechnung der Beschickung), S. 733 (Arbeiten beim Hochofen), S. 804
    (Hochofenbetrieb in verschiedenen Ländern).
  • P. Tunner, Das Eisenhüttenwesen in Schweden. Freiberg 1858.
  • P. Tunner, Ueber die Eisenindustrie Russlands. Petersburg 1870.
  • P. Tunner, Russlands Montanindustrie, insbesondere dessen Eisen-
    hütten wesen
    . Leipzig 1871.
  • P. Tunner, Das Eisenhüttenwesen der Vereinigten Staaten von Nord-
    amerika
    . Wien 1877.

[581]Literatur.
  • Fr. Kupelwieser, Das Hüttenwesen mit besonderer Berücksichtigung
    des Eisenhüttenwesens in den Vereinigten Staaten Amerikas
    .
    Wien 1877.
  • A. v. Kerpely, Eisen und Stahl auf der Weltausstellung in Paris im
    Jahre
    1878. Leipzig 1879 (enthält eine Schilderung des Eisenhüttenbetriebes
    in Frankreich überhaupt).
  • Die Eisenerze Oesterreichs und ihre Verhüttung. Aus Anlass der Pariser
    Weltausstellung verfasst im k. k. Ackerbau-Ministerium. Wien 1878.
  • A. v. Kerpely, Das Eisenhüttenwesen in Ungarn, sein Zustand und seine
    Zukunft
    . Schemnitz 1872.
  • R. Åkerman, Ueber den Standpunkt der Eisenfabrikation in Schweden
    zu Anfang des Jahres
    1873. Mit einer Karte über Gruben und Hüttenwerke.
    Stockholm 1873.
  • J. Pechar, Kohle und Eisen in allen Ländern der Erde. Berlin 1878.

B. Abhandlungen.


  • F. Lürmann, Ueber die Inbetriebsetzung von Kokshochöfen. Berggeist
    1869, S. 551; Kerpely, Bericht über die Fortschritte der Eisenhüttentechnik
    1869, S. 116.
  • L. Merlet, Das Anlassen des Hochofens in Zeltweg. Jahrbuch der Berg-
    akademieen zu Leoben etc. 1874 (Bd. XXII), S. 263.
  • J. Kennedy, Die Inbetriebsetzung des Hochofens A der Edgar Thom-
    son Steel Works
    . Ztschr. d. berg- und hüttenm. Ver. für Steiermark und
    Kärnten 1880, S. 196.
  • J. Kennedy, Blast-furnace Working. Transactions of the American Institute of
    Mining Engineers, vol. VIII, p. 348.
  • E. Bellani, Das Anblasen der Kokshochöfen. Oesterr. Ztschr. für Berg- und
    Hüttenwesen 1873, S. 25.
  • F. Witherbee, Notes on two scaffolds at the Cedar Point furnace. Trans-
    actions of the American Institute of Mining Engineers, vol. IX, p. 41.
  • J. P. Witherow, Removing scaffolds in blast-furnaces. Transactions of the
    American Institute of Mining Engineers, vol. IX, p. 60.
  • Thomas Whitwell, The construction and management of blast-furnaces.
    Iron, vol. IX, p. 677, 745, 806; vol. XII, p. 456, 486.
  • J. Wolters, Des meilleurs moyens pratiques d’obtenir économiquement
    une grande production dans les hauts-fourneaux sans nuire à la
    qualité
    . Revue universelle 1878, tome II, p. 73; tome III, p. 17; tome IV,
    p. 770; in deutscher Uebersetzung in der Ztschr. d. berg- und hüttenm. Ver.
    für Steiermark und Kärnten, Jahrg. 1878 und 1879.
  • H. Schellhammer, Studien über die Windführung beim Hochofen. Oestr.
    Ztschr. 1882, S. 421.
  • Büttgenbach, Die Rettung eines Hochofens auf Neusser Hütte. Wochen-
    schrift des Ver. deutsch. Ing. 1881, S. 23.
  • Burgers, Einbau eines neuen Schachtes bei gedämpftem Hochofen.
    Wochenschrift des Ver. deutsch. Ing. 1879, S. 354.
  • Besprechung der gegenwärtigen Lage und der neueren Fortschritte
    der deutschen Roheisenerzeugung
    . „Stahl und Eisen“ 1882, I, S. 208
    (Schlink), S. 211 (Limbor), S. 217 (Tiemann), S. 221 (Schilling), S. 223
    (Hilgenstock).
  • W. Mrázek, Ueber stöchiometrische Entwürfe von Eisenhochofen-Be-
    schickungen und Hilfstabellen für dieselbe
    . Jahrbuch der Berg-
    akademieen zu Leoben, Přibram und Schemnitz, Bd. XVIII, S. 282.
  • W. Mrázek, Schnelle stöchiometrische Methode zum Entwerfen von
    Eisenhochofen-Beschickungen
    . Jahrbuch der Bergakademieen zu Leoben
    u. s. w. Bd. XIX, S. 375.
  • H. Wedding, Ueber den Hochofenbetrieb mit rohen Steinkohlen. Ztschr.
    f. Berg-, Hütten- und Salinenwesen in Preussen, Bd. XIX, S. 5.

[582]Der Hochofenbetrieb.
  • Anwendung von Steinkohlen beim Hochofenbetriebe. Berggeist 1869,
    S. 313.
  • Ferrie’s selbstkokender Steinkohlenhochofen. Dingl. Polyt. Journ., Bd. 201,
    S. 108 und 515; Berg- und hüttenm. Ztg. 1871, S. 390.
  • W. Ferrie, Neuerungen an Hochöfen. „Stahl und Eisen“ 1882, II, S. 567.
  • J. M. Hartmann, Ueber amerikanische Anthracit-Hochöfen. Oestr. Ztschr.
    für Berg- und Hüttenwesen 1882, S. 489.
  • E. Heyrowsky, Ueber Verwendung roher Braunkohlen beim Hochofen.
    Ztschr. d. berg- u. hüttenm. Ver. für Steiermark und Kärnten 1875, S. 135.
  • Fr. Kupelwieser, Studien über die Verwendung von Braunkohlen beim
    Hochofenbetriebe
    . Zeitschr. d. berg- und hüttenm. Ver. für Steiermark und
    Kärnten 1881, S. 260.
  • P. Tunner, Ueber die Verwendung von Ligniten oder Braunkohlen im
    Hochofen
    . „Stahl und Eisen“ 1882, II, S. 426.
  • F. Friederici, Ueber Verwendung von Braunkohlen im Hochofen. Oestr.
    Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1882, S. 1.
  • A. Enigl, Ueber Mitverwendung von Maschinentorf beim Hochofen-
    betriebe
    . Zeitschr. d. berg- und hüttenm. Ver. für Steiermark und Kärnten
    1879, S. 260.
  • R. Tatlock, Ueber Gewinnung von Ammoniak aus Hochofengasen. „Stahl
    und Eisen“ 1883, S. 234.
  • H. Wedding, Das Eisenhüttenwesen der Vereinigten Staaten von Nord-
    amerika
    . Zeitschr. für Berg-, Hütten- und Salinenwesen in Preussen, Bd. 24.
  • H. Wedding, Das Eisenhüttenwesen in Deutschland. Wochenschr. d. Ver.
    deutsch. Ing. 1880, S. 370.
  • J. Schlink, Die Roheisenindustrie Deutschlands. Vortrag gehalten auf dem
    Meeting des Iron and Steel-Instituts zu Düsseldorf im August 1880. Mülheim
    a. d. Ruhr 1880 (nicht im Buchhandel).
  • L. Bell, Les progrès de l’industrie sidérurgique du Cleveland. Revue
    universelle 1878, tome III, p. 717.
  • M. S. Jordan, Note sur les ressources de l’industrie du fer en France.
    Revue universelle 1878, tome IV, p. 329.
  • M. E. Gruner, Mémoire sur la situation de la métallurgie du fer en
    Styrie et en Carinthie
    . Annales des mines, série 7, tome 9, p. 471 (1876).
  • P. Tunner, Die Lage der Eisenindustrie in Steiermark und Kärnten.
    Oestr. Zeitschr. f. Berg- und Hüttenwesen 1882, S. 463.
  • A. v. Kerpely, Das Eisenhüttenwesen in Ungarn. Oestr. Zeitschr. f. Berg-
    und Hüttenwesen 1882, S. 467.
  • C. A. M. Balling, Die Eisenindustrie Böhmens. Jahrbuch der Bergakademieen
    zu Leoben etc., Bd. XVII, S. 211.
  • C. A. M. Balling, Die Eisenindustrie Mährens und Oesterreich-Schle-
    siens
    . Jahrbuch der Bergakademieen zu Leoben etc., Bd. XVIII, S. 173.
  • R. Åkerman, Sur l’état actuel de l’industrie de fer en Suède. Rev. univ.
    sér. II, t. III, p. 525 (1878).
  • R. Åkerman, Die schwedische Eisenindustrie. Zeitschrift des berg- und
    hüttenm. Ver. für Steiermark und Kärnten 1877, S. 87.
  • N. A. Jossa, Ueber den Stand der Roheisenfabrikation in Russland.
    Dingl. Polyt. Journ. Bd. 239, S. 219.
  • R. Helmhacker, Ueber das Eisenhüttenwesen in Bosnien. Jahrbuch der
    Bergakademieen zu Leoben etc., Bd. XXVII, S. 133.

[583]Die Gichtgase.

VII. Die Nebenerzeugnisse des Hochofen-
betriebes und ihre Verwendung.


1. Die Gichtgase.


Bei dem bedeutenden Brennwerthe, welchen die Gichtgase besitzen
und wegen der Eigenthümlichkeiten des Hochofenprocesses nothwendiger-
weise besitzen müssen, bilden dieselben ein werthvolles Nebenerzeugniss
des Hochofenbetriebes. Die Abhängigkeit der Zusammensetzung der
Gichtgase von dem Verlaufe des Hochofenprocesses, von der Reducir-
barkeit der Erze u. s. w. ergiebt sich aus dem früher Gesagten von
selbst; gewöhnlich wird die Zusammensetzung innerhalb folgender
Ziffern sich bewegen:



Die Wärmeleistung eines Cubikmeters oder eines Kilogramms trocke-
ner Gichtgase lässt sich aus der chemischen Zusammensetzung unschwer
berechnen; ebenso der für die Verbrennung theoretisch erforderliche
Luftbedarf.


Es lässt sich leicht ermessen, dass, wenn der Kohlensäuregehalt
der Gichtgase vor ihrer Benutzung zu Kohlenoxyd reducirt würde —
etwa durch Hindurchleiten der Gase durch glühende Kohlen in einem
[584]Die Nebenerzeugnisse des Hochofenbetriebes und ihre Verwendung.
Apparate, welcher dem zur Wassergaserzeugung benutzten (S. 97) ähn-
lich sein könnte — man hierdurch ein Gasgemenge erhalten würde,
welches einen geringeren Stickstoffgehalt als sämmtliche Generatorgase
enthielte und deshalb diesen hinsichtlich des Brennwerthes und pyro-
metrischen Wärmeeffects (S. 24) überlegen wäre. Der Grund hierfür
liegt in dem Umstande, dass bei allen Generatorgasen jedes Gewichts-
theil Sauerstoff, welches zur Vergasung des Brennstoffs erforderlich ist,
eine bestimmte Menge Stickstoff mit in das Gasgemenge führt; im
Hochofen dagegen entstammt nur ein Theil des gesammten Sauerstoff-
gehaltes dem zugeführten Winde, ein anderer nicht unbeträchtlicher
Theil ist bei den Reductionsprocessen aus den Erzen und deshalb ohne
den begleitenden Stickstoff in das Gasgemenge geführt.


Eine praktische Nutzanwendung dieses Umstandes ist bislang nicht
gemacht worden, hauptsächlich wohl deshalb nicht, weil die Gichtgase
auch in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung schon für die Heizung
der Winderhitzer und Dampfkessel auszureichen pflegen, und ein Mehr-
bedarf von Brennstoff beim Hochofenbetriebe selten vorliegt.


Ausser jenen eigentlich gasförmigen Bestandtheilen enthalten aber
die Gichtgase regelmässig Wasserdampf, dessen Menge bei wasser-
reichen Beschickungen ganz ansehnlich sein kann; und den schon
mehrfach erwähnten Gichtstaub, welcher, wenn er in grossen Mengen
auftritt, die Entzündbarkeit und Brennbarkeit der Gichtgase benach-
theiligen kann. Dass derselbe bei heissem Gange und basischer Be-
schickung reichlicher aufzutreten pflegt als umgekehrt, wurde schon
früher erwähnt. Von der chemischen Zusammensetzung desselben wird
unten die Rede sein. In 1 cbm Gas fand Stöckmann1) 1.7—2.1 g
Staub, während der Hochofen mit Koks auf weissstrahliges Qualitäts-
roheisen betrieben wurde; bei Graueisendarstellung oder Darstellung
hochmanganhaltiger Legirungen wird die Menge mitunter erheblich be-
trächtlicher sein.


Von der Ableitung, Reinigung und Verbrennung der Gichtgase
ist schon auf S. 367—387 ausführlich die Rede gewesen, und es kann
deshalb hier auf das dort Gesagte verwiesen werden.


2. Schlacken.


Die chemische Zusammensetzung der Hochofenschlacken und die
Einflüsse, welche diese chemische Zusammensetzung auf die Beschaffen-
heit des miterfolgenden Roheisens ausübt, wurden schon früher, theils
beim Hochofenprocesse, theils auf S. 536 ff. besprochen und durch Bei-
spiele erläutert.


Vergegenwärtigt man sich, dass die grössere Zahl Hochöfen an-
nähernd gleiche Gewichtsmengen Roheisen und Schlacke liefern, zahl-
reiche Hochöfen sogar noch mehr Schlacke als Roheisen, während das
specifische Gewicht der Schlacke nur ungefähr ein Drittel so gross ist
als das des Roheisens, so wird man sich sagen, dass, wenn die Schlacke
nur eines einzigen grösseren Hochofens auf die Halde gestürzt werden
sollte, dazu im Laufe der Zeit eine beträchtliche Grundfläche erforder-
[585]Schlacken.
lich sein würde, und Eisenwerke mit zahlreichen Hochöfen würden sehr
bald vor der Unmöglichkeit stehen, ihre Schlacke in dieser Weise
fernerhin unterzubringen.


Dieser Umstand allein schon ist für die Hochofenleute eine ge-
nügende Veranlassung, nach irgend einer Verwendung ihrer Schlacke
zu suchen; lässt sich diese Verwendung aber in einer solchen Weise
erreichen, dass für den Hochofenbetrieb noch ein unmittelbarer Geld-
gewinn daraus erzielt wird, so vereinigt man das Nützliche mit dem
Nothwendigen und befördert das Gedeihen des Betriebes.


Die Verwendungsarten der Hochofenschlacke, welche im Laufe der
Zeit entstanden, sind ziemlich mannigfaltig.


Verwendung zu Strassen- und Dammbauten.

Diese Verwendungsart ist ausserordentlich einfach; und wo die
Beschaffenheit der Schlacke eine solche Verwendung ermöglicht und
der Bedarf an solchem Baumaterial vorliegt, ist dieselbe sehr üblich.


Vorzugsweise eignen sich steinige, nicht allzu kalkreiche Schlacken
hierfür, welche der Zersetzung unter dem Einflusse der Atmosphärilien
möglichst wenig unterworfen sind. Nach der Beschaffenheit des aus-
zuführenden Baues ist die Form, in welcher die Schlacke hierbei zur
Verwendung kommt, verschieden. In einzelnen Fällen benutzt man
ohne Weiteres die Blöcke, zu denen die Schlacke in den Schlacken-
wagen (S. 513) erstarrt. Bei den Dammbauten am Teesflusse in Cleve-
land stellte man in dieser Weise Blöcke mit einem Gewichte bis zu
3½ t her, welche auf dem Schlackenwagen selbst bis zum Damme —
eine Entfernung von ca. 10 km — gefahren wurden. In jedem Falle
ist ein möglichst grosser räumlicher Inhalt des Schlackenblockes, welcher
die Abkühlung verzögert, wünschenswerth; je langsamer die Erkaltung
vor sich geht, desto mehr verliert die Schlacke an Sprödigkeit. Aus
diesem Grunde lässt man Schlacken, welche leicht spröde werden, auch
wohl, statt in dem eisernen Kasten, in einer Grube, welche mit Koks-
lösche ausgefüttert ist, und unter einer Decke von Schlackengrus erstarren.
Die grossen Blöcke werden dann gewöhnlich zerschlagen und die er-
folgenden Stücke besitzen die Festigkeit des Basalts, mitunter eine
noch grössere.


Schlackensand.

Man gewinnt denselben durch Zerkleinerung der Schlacke bis zur
sandigen Beschaffenheit. Der Schlackensand lässt sich zu mancherlei
Zwecken vortheilhaft verwenden. Wo ein natürlich vorkommender
Sand von geeigneter Beschaffenheit fehlt, benutzt man ihn als Material
für Fusswege und Pflasterungen; bei der Mörtelbereitung bildet der-
selbe einen vorzüglichen Zusatz zum Kalk an Stelle der sonst hierbei
gebräuchlichen Zusätze; in noch anderen Fällen dient er als Material
für Ziegeldarstellung nach der unten beschriebenen Methode.


Die Bereitung des Schlackensandes, d. h. die Zerkleinerung der
Schlacke, wird in verschiedener Weise bewirkt.


Bei den Holzkohlenhochöfen, welche auf graues Roheisen für den
unmittelbaren Guss betrieben werden, pflegt die erfolgende zähe Schlacke
[586]Die Nebenerzeugnisse des Hochofenbetriebes und ihre Verwendung.
eine nicht unbeträchtliche Menge Eisenkörner eingeschlossen zu ent-
halten. Man verbindet in diesem Falle die Zerkleinerung der Schlacke
mit der Aufgabe, jenes Eisen wieder zu gewinnen, und bedient sich
dazu eines Pochwerkes (S. 177), welches mit einer Flutherwäsche
(S. 183) verbunden ist. Die Pochsohle befindet sich zu diesem Zwecke
in einem Kasten, dessen eine schmale Seite niedriger als die übrigen
ist und nur etwa 10 cm oder weniger über die Pochsohle vorragt. Vor
diesem Kasten befindet sich ein flaches Gerinne, welches schliesslich in
einen noch etwas flacheren Graben ausmündet. Einzelne flache Quer-
schwellen in dem Gerinne, in derselben Weise angeordnet wie bei den
auf S. 183 beschriebenen Eisensteinswäschen, dienen zum Zurückhalten
der Eisenkörnchen. Die Schlackenstücke werden, wenn sie sehr gross
sind, zunächst durch Hämmer in kleinere Stücke zerschlagen und diese
werden dann unter dem Pochwerke vollends zerkleint. Während des
Pochens lässt man von einem höher liegenden Gerinne aus einen starken
Wasserstrahl durch den Kasten des Pochwerkes fliessen, welcher alle
feineren Theilchen mit fortnimmt, die gröberen Stücke aber sowie die
ausgepochten Eisenkörner zurücklässt. In dem Gerinne und Graben
setzt sich nun der Schlackensand ab; zunächst fallen die etwa zufällig
mitgerissenen Eisenkörner nieder, dann der gröbere Sand, zuletzt der
feinere, so dass man auf diese Weise auch im Stande ist, Sandsorten
von verschiedener Korngrösse zu trennen.


Die ausgewaschenen Eisenkörner, welche man Wascheisen nennt,
werden gesammelt und in den meisten Fällen, da sie dem Rosten stark
unterworfen sind, beim Hochofen wieder aufgegeben. Auch bei kleine-
ren Hochöfen ist die Menge des im Verlaufe eines Jahres erfolgenden
Wascheisens oft nicht unbeträchtlich.


Schlacken, welche im dünnflüssigen Zustande aus dem Ofen kom-
men und demnach höchstens Spuren eingeschlossener Eisenkörnchen
enthalten können — die Schlacken aller Kokshochöfen und der auf
Weisseisen betriebenen Holzkohlenhochöfen — pflegt man, um die Zer-
kleinerung zu erleichtern, zu granuliren, d. h. durch Einleiten un-
mittelbar aus der Schlackenrinne des Hochofens in bewegtes Wasser zu
zertheilen. Die Schlacken nehmen dabei die Form dünner unregel-
mässig geformter Blättchen oder Körnchen von einigen Millimetern
Durchmesser an, welche für die meisten Zwecke schon in diesem Zu-
stande benutzbar sind, jedenfalls mit Leichtigkeit eine weitere Zer-
kleinerung durch Zermahlen oder dergleichen zulassen.


Das einfachste, überall anwendbare Mittel der Granulirung ist das
Einleiten der Schlacke in einen aus Holz, Eisen oder Mauerung her-
gestellten Behälter, in welchem ununterbrochen Wasser ein- und aus-
fliesst. Das von den gekühlten Formen abfliessende Wasser lässt sich
hierzu benutzen.


Wo grosse Mengen Schlacken granulirt werden, pflegt man mit
dieser Vorrichtung eine andere zum Herausheben der granulirten
Schlacke zu verbinden. Ein von einer Transmissionswelle aus ange-
triebenes Becherwerk (Paternosterwerk, S. 57) schöpft vom Boden des
Behälters ununterbrochen die Schlacke empor und schüttet sie in einen
seitlich stehenden, auf Schienen laufenden Wagen. Auch weniger ein-
fache Einrichtungen sind mitunter an Stelle des Paternosterwerkes
[587]Schlacken.
benutzt worden (Georgs-Marienhütte, Cleveland), haben jedoch ihrer
grösseren Kostspieligkeit halber eine ausgedehntere Anwendung nicht
gefunden.


Schlackenwolle.

Wenn man flüssige Hochofenschlacke einen Dampf- oder Wind-
strahl passiren lässt, so wird sie in einzelne, feine Körnchen zertheilt,
deren jedes einen mehr oder minder langen Schlackenfaden, wie einen
Schweif, nach sich zieht. Diese Fäden bilden die Schlackenwolle.


Auch das Verfahren der Herstellung von Schlackenwolle ist dem-
nach sehr einfach. Unter die Rinne, aus welcher die Schlacke in die
Wagen fällt, braucht man nur ein Dampfrohr mit einer Mündung von
6—8 mm Weite zu legen, so dass die Schlacke während des Hinunter-
fliessens von dem Dampfstrahle getroffen wird. Der Schlackenstrahl
darf hierbei keinen grösseren Durchmesser als 10—15 mm haben. In
einer dahinter stehenden, nach der Seite des Rohres zu offenen Kammer
aus Eisenblech von mindestens 2 m Länge, in deren Decke eine Abzugs-
öffnung für den Dampf angebracht ist, kann die Schlackenwolle gesam-
melt werden. Theilt man die Kammer durch ein horizontal eingelegtes
Blech in eine untere und obere Hälfte, so sammeln sich die schwereren
Körnchen zu unterst, und in der oberen Abtheilung findet sich die
feinere Wolle. Ein noch besseres Material als Eisenblech für die Kammer
ist Drahtgewebe, an welchem die Wolle leicht haftet, und welches zu-
gleich dem Dampfe den Durchgang verstattet.1)


Die Schlackenwolle ist ein sehr schlechter Wärmeleiter und findet
deshalb vornehmlich als Verpackungsmaterial für Gegenstände Anwen-
dung, welche stark erhitzt werden und vor Wärmeverlusten geschützt
werden müssen, Leitungsröhren für Dampf, heissen Wind u. s. w. Eine
übele Eigenschaft derselben ist jedoch ihre Zersetzbarkeit unter dem
Einflusse von Feuchtigkeit und Luft. In besonders starkem Maasse sind
die kalkerde- und schwefelreichen Schlacken mancher Kokshochöfen
dieser Zersetzung unterworfen (hinsichtlich des chemischen Vorganges
bei der Zersetzung des Schwefelcalciums vergl. S. 154). Aus der ur-
sprünglich wolligen Substanz wird durch Entstehung von Carbonaten
und Sulfaten des Calciums mitunter ein völlig harter, steinartiger Körper;
wo schwefelreiche Schlackenwolle mit metallischem Eisen in Berührung
war, entsteht Schwefeleisen, welches allmählich in Eisenvitriol umge-
wandelt wird, so dass eine völlige Zerstörung des eisernen Gegen-
standes die Folge davon sein kann; in bewohnten Räumen, wo
man wohl Schlackenwolle als Fussbodenfüllung zu benutzen versucht
hat, macht der sich entwickelnde Schwefelwasserstoff den Aufenthalt
unerträglich.


Diese übelen Eigenschaften mancher Schlackenwolle machen es
erklärlich, dass die Anwendung derselben, welche während der sieben-
ziger Jahre eine sehr ausgedehnte geworden war, doch seitdem erheb-
lich sich verringert hat. Viele Werke, welche früher grosse Mengen
[588]Die Nebenerzeugnisse des Hochofenbetriebes und ihre Verwendung.
von Schlackenwolle lieferten, haben in den letzten Jahren die Her-
stellung ganz eingestellt. Vielleicht ist man, abgeschreckt durch ein-
zelne Misserfolge, auch in der abfälligen Beurtheilung der Anwend-
barkeit der Schlackenwolle zu weit gegangen. Schlackenwolle, aus
schwefelarmer und nicht allzu kalkreicher Schlacke erzeugt, wird immer-
hin ein geeignetes und billiges Material für die oben erwähnten Zwecke
bleiben; denn die Wärmeleitungsfähigkeit derselben ist sehr gering.
Nach Versuchen von C. E. Emery leitet die Schlackenwolle die Wärme
nur ⅕ — ⅙ so gut als atmosphärische Luft.1)


Vorzugsweise dürfte die Schlacke von Holzkohlenhochöfen wegen
ihres geringeren Schwefel- und grösseren Kieselsäuregehaltes zur Dar-
stellung guter Schlackenwolle sich eignen.


Schlackenziegel.

Die Herstellung von Schlackenziegeln, d. h. geformter, für bau-
liche Zwecke an Stelle gewöhnlicher Thonziegel bestimmter Steine,
dürfte in den meisten Fällen, wo die erforderlichen Vorrichtungen dafür
einmal vorhanden sind, die lohnendste Verwendung der Hochofen-
schlacken bilden, sofern nicht eben örtliche Verhältnisse, z. B. ein aus-
nahmsweise niedriger Preis anderer Bausteine, der Verwendung der
Ziegel hinderlich sind.


Die Methoden zur Herstellung derselben sind verschieden. Schein-
bar am einfachsten würde man, wie es auch vielfach versucht worden
ist, Ziegel durch Eingiessen der flüssigen Schlacke in Formen erhalten.
Hierbei kommt aber in Betracht, dass die Schlacke, wie schon oben
hervorgehoben wurde, um so spröder wird, je rascher man sie abkühlt.
Auch wenn man den einzelnen Ziegeln die zehnfache Grösse eines
gewöhnlichen Thonziegels geben wollte, würde doch sehr leicht ein Zer-
springen derselben eintreten. Zur Vermeidung dieses Uebelstandes hat
man bisweilen die glühenden geformten Steine in Temperöfen gebracht,
in welchen sie nun, wie Glaswaaren, einer ganz allmählichen Abküh-
lung während einiger Tage unterworfen werden. Hierdurch aber wird
nicht unerheblich die Herstellung vertheuert.


Auf anderen Eisenwerken mischt man, um das Zerspringen der
Steine zu verhüten, die noch flüssige Schlacke mit Körpern, welche
ähnlich wie die sogenannten Magerungsmittel bei der Verarbeitung des
Thones wirken: Koks- oder Holzkohlenlösche, grobe Quarzkörner, Ziegel-
stücke oder dergleichen. Diese Körper nehmen, wie sich von selbst
versteht, innerhalb der Form einen gewissen Raum ein, verringern
also die Menge der reinen Schlacke, welche zur Ausfüllung der Form
nothwendig ist und führen dadurch die Schwindung beim Abkühlen auf
ein geringeres Maass zurück; sie verringern aber auch unmittelbar die
grosse Sprödigkeit des Schlackenkörpers, indem sie als eingelagerte feste
Körper das Material gewissermaassen auflockern, den Molekülen des-
selben eine gewisse Beweglichkeit ertheilend, welche die Entstehung
von Sprüngen abmindert und die Ausdehnung der entstandenen Risse
[589]Schlacken.
auf ein kürzeres Maass zurückführt. Das Einmischen jener Körper
geschieht am besten mit Hilfe einer Schaufel in der Schlackenrinne,
durch welche die Schlacke in die Gussform einläuft. Letztere wird aus
vier gusseisernen Seitenplatten hergestellt, welche sich leicht aus ein-
ander nehmen lassen, auf einer gusseisernen Bodenplatte aufstehen und
durch einen aufgelegten Deckel, der nach Bedürfniss durch Gewichts-
stücke beschwert werden kann, geschlossen werden. Auch bei dieser
Methode ist eine möglichst langsame Abkühlung des Schlackensteines
von Vortheil.


Sehr kieselsäurereiche Schlacken mancher Holzkohlenhochöfen,
welche überhaupt nicht dünn fliessen, dagegen vor der völligen Erstar-
rung einen weichen, bildsamen Zustand durchlaufen (saigere Schlacken)
gestatten eine derartige Verarbeitung nicht. In folgender Weise jedoch
lassen sich auch aus diesen brauchbare Ziegel herstellen. Die halb-
flüssige Schlacke wird, wenn sie mit der Schaufel aus dem Herde des
Ofens entfernt ist, auf einer eisernen, als Bodenbelag dienenden Platte
oberflächlich abgekühlt, so dass ein formloser Schlackenkuchen entsteht,
der zwar noch bildsam, äusserlich aber doch schon halb erstarrt ist. In
diesem Zustande knetet man nun die Schlacke mit der Schaufel und
unter Benutzung einer hölzernen Stange in die bereit stehende, aus
vier gusseisernen Seitenplatten auf gusseiserner Bodenplatte bestehende
Form, indem man Vorsorge trifft, dass die schon am meisten abgekühlten
Stellen des Schlackenklumpens in die Mitte der Form gedrückt werden,
die heisseren Theile an die Wände kommen. Solcherart erzielt man
eine gleichmässigere Abkühlung und vermeidet das Zerspringen. Der-
artige Ziegel besitzen, für Wohngebäude, Fabrikräume und dergleichen
benutzt, eine völlig ausreichende Haltbarkeit; im Freien aber der Ein-
wirkung starken Frostes ausgesetzt, ehe sie eingemauert wurden, zer-
springen sie leicht und müssen deshalb möglichst bald verwendet
werden.


In allen den bisher besprochenen Fällen empfiehlt es sich, für die
Schlackenziegel ein grösseres Format als für gewöhnliche Ziegel zu
nehmen. Theils verzögert man dadurch die Abkühlung, theils spart
man bei der Verwendung Arbeit und Mörtel. Damit aber die Mög-
lichkeit nicht ausgeschlossen sei, gewöhnliche Ziegelsteine neben den
Schlackenziegeln und in Verband mit denselben zu verwenden, wie es
in Rücksicht auf die grössere Sprödigkeit der Schlackenziegel an ein-
zelnen, der Beschädigung vorzugsweise unterworfenen Stellen der Ge-
bäude (Ecken, Thür- und Fensteröffnungen u. s. w.) zweckmässig
sein kann, empfiehlt es sich, das Format der Schlackenziegel so zu
wählen, dass jede einzelne Abmessung derselben in einem einfachen
Verhältnisse (doppelt, dreifach, vierfach) zu der betreffenden Abmessung
des üblichen Ziegelformates incl. der Mörtelfuge steht.


Für die kalkreichen Schlacken vieler Kokshochöfen ist das nach-
stehend beschriebene Verfahren zur Anfertigung von Schlackenziegeln
entschieden das vollkommenste. Dasselbe ist zwar nicht ganz so ein-
fach als die früher besprochene Methode, zeichnet sich aber durch
Gleichmässigkeit und Güte der erfolgenden Ziegel wesentlich vor der-
selben aus. Dieses Verfahren wurde im Anfange der sechziger Jahre
[590]Die Nebenerzeugnisse des Hochofenbetriebes und ihre Verwendung.
zuerst durch Lürmann auf der Georgs-Marienhütte bei Osnabrück
ausgebildet; später entstand zur umfangreicheren Ausbeutung desselben
eine grössere Fabrik in Osnabrück, welche das Material für die Ziegel-
darstellung von den Georgs-Marienhütter Hochöfen bezog, und seitdem
ist die Methode bei zahlreichen anderen Hochofenwerken zur Anwen-
dung gekommen, so z. B. in besonders grossartigem Maassstabe in
Cleveland.


Die Schlacke, welche zu dieser Art der Schlackenziegeldarstellung
bestimmt ist, wird zunächst in der oben beschriebenen Weise durch
Granulirung in Schlackensand verwandelt. Dieser Schlackensand dient
ohne Weiteres als Material für Herstellung gewöhnlicher Mauerziegel;
für Ziegel jedoch, von denen ein sehr vollendetes Aeussere verlangt
wird, wird derselbe fein gemahlen. Alsdann mischt man ihn im noch
feuchten Zustande mit gebranntem, ungelöschtem Kalke in einem Ver-
hältnisse, welches theils von der chemischen Zusammensetzung, ins-
besondere dem Kalkerdegehalte, theils auch von den Ansprüchen ab-
hängt, welche an die Festigkeit des fertigen Steines gestellt werden.
Englische Ziegel, nach dieser Methode hergestellt, enthielten ca. 30 Proc.
Kalkerde, 25 Proc. Kieselsäure, 22 Proc. Thonerde, 10 Proc. Wasser,
übrigens Magnesia, Eisenoxyd u. s. w.1), in keinem Falle wird also
bei Verwendung basischer Schlacken der erforderliche Zusatz sehr be-
deutend sein. In England mischt man dem Kalke eine kleine Menge
Gyps und Eisenoxyd bei und gebraucht von dieser Mischung etwa 3 kg
zu 1000 Stück Ziegeln gewöhnlichen Formats.


Ein Zusatz von Wasser ist nicht erforderlich, da die granulirte
Schlacke mehr Wasser mitzubringen pflegt, als für die Bindung noth-
wendig ist.


Jene Mischung von Kalk und Schlacke kommt nun in eine guss-
eiserne, mit Stahlplatten ausgelegte Form, welche die Abmessungen des
herzustellenden Ziegels besitzt, und wird in derselben einem kräftigen
Drucke ausgesetzt. Für den Betrieb dieser Presse pflegt Dampfkraft
oder hydraulischer Druck benutzt zu werden, da Handarbeit nicht im
Stande ist, den zur Erzielung grosser Festigkeit erforderlichen Druck
hervorzubringen. Bei einer von Wood construirten Maschine für
Schlackenziegel2) wird durch zwei in einem oberen Stockwerke mündende
Trichter Kalk und Schlacke in regulirbarem Strome in einen darunter
befindlichen Mischapparat mit umlaufenden Messern geführt, in welchem
die Masse durchgearbeitet wird, um dann aus einer unten befindlichen
Oeffnung nach den Formen hin auszutreten. Von diesen sind sechs
in einer drehbaren Tischplatte angeordnet, von welchen jedesmal zwei
gleichzeitig gefüllt, zwei gepresst und zwei entleert werden, worauf
eine entsprechende Drehung des Tisches erfolgt. Die Formen sind
rahmenartig mit eingelegter Bodenplatte gestaltet. Unter die Boden-
platte drückt, sobald die Form an der betreffenden Stelle angelangt ist,
ein vermittelst eines Daumens in senkrechter Richtung bewegter Stahl-
kolben; von oben her ist die Form in dieser Stellung durch einen
[591]Schlacken.
Deckel geschlossen, welcher an einem mit Gegengewicht belasteten
Hebel befestigt ist. Durch stärkere oder geringere Belastung des Hebels
lässt sich der Druck entsprechend der Grösse des Ziegels reguliren,
und man vermeidet Beschädigungen der Maschine durch übermässigen
Druck in dem Falle, dass die Form zu stark gefüllt sein sollte.


In der folgenden Stellung des Tisches werden die gepressten Ziegel
durch einen andern Kolben aus der Form nach oben herausgedrückt
und dann abgehoben, um unter einem Bretterdache der Erhärtung
unter dem Einflusse der Luft ausgesetzt zu werden. Nach 6—8 Tagen
bringt man sie ins Freie, um für neu gefertigte Ziegel Platz zu
machen und nach 5—6 Wochen sind die Ziegel steinhart, für den
Gebrauch fertig.


Eine Maschine, wie oben beschrieben, mit zwei Stempeln vermag
täglich 10000 Stück Ziegel zu liefern.


Vor den gebrannten Thonziegeln besitzen die nach dieser Methode
gefertigten Schlackenziegel mancherlei Vorzüge. Die aus granulirter
(nicht gemahlener) Schlacke hergestellten Ziegel sind leichter als Thon-
ziegel bei mindestens gleicher Festigkeit; die aus granulirter und ge-
mahlener Schlacke hergestellten sind zwar ebenso schwer als gebrannte
Thonziegel, aber fester. Versuche, in der Königl. Gewerbeakademie mit
verschiedenen Ziegeln angestellt, ergaben als Bruchbelastung per qcm:

Dagegen besassen Schlackenziegel, die mit der Handpresse ge-
fertigt waren, nur eine Festigkeit von 31 kg beim Beginne des Reissens
und 32.1 kg bei völliger Zerstörung.


Mit dem Alter der Schlackenziegel wächst ihre Festigkeit ebenso
wie diejenige ähnlicher Körper (Mörtel).


Die Porosität und Permeabilität der Schlackenziegel ist nach Ver-
suchen von Prof. Pettenkofer grösser als die der Thonziegel, ein
Umstand, welcher hinsichtlich ihrer Verwendung für Wohngebäude
nicht unwichtig ist. Unter gleichem Drucke liessen trockene Schlacken-
ziegel die vier- bis fünffache Menge Luft hindurch als Thonziegel. 1)


Für gewöhnliche Verwendungen pflegt man den gepressten Schlacken-
ziegeln das übliche Ziegelformat zu geben. Allzu grosse Steine würden
schwieriger eine gleichmässige Pressung erhalten. Ausser den gewöhn-
lichen Mauerziegeln lassen sich jedoch unter Anwendung der betreffen-
den Formen auch zahlreiche andere Gegenstände, sogenannte Façon-
steine, fertigen.


[592]Die Nebenerzeugnisse des Hochofenbetriebes und ihre Verwendung.
Darstellung von Cement (hydraulischem Mörtel).

Schon oben wurde erwähnt, dass Schlackensand, durch Granu-
lirung hergestellt, ein vortreffliches Material als Zusatz bei der Mörtel-
bereitung an Stelle anderer für diesen Zweck benutzter Körper bilde.
Man mischt den gelöschten Kalk mit drei bis fünf Theilen Schlacken-
sand, und ein derartiger Mörtel besitzt häufig bei entsprechender Be-
schaffenheit der Schlacke, wenn auch vielleicht nicht immer, hydrau-
lische Eigenschaften, d. h. die Fähigkeit auch unter Wasser zu erhärten.
Versuche, welche über die Zerdrückungsfestigkeit gewöhnlichen, d. h.
mit scharfem Mauersande beziehentlich Mauersande und rheinischem Trass
zubereiteten Mörtels, und Schlackenmörtels angestellt wurden, ergaben,
dass die Festigkeit des letzteren beim Erhärten an der Luft 9—16 mal
so gross als die des nur mit Mauersand bereiteten Mörtels, doppelt bis
dreifach so gross als die des mit Mauersand und rheinischem Trass
bereiteten Mörtels war, während beim Erhärten in feuchtem Erdreich
die Festigkeit des Schlackenmörtels doppelt bis vierfach so gross war
als bei Zusatz von rheinischem Trass und Mauersand. Der Festigkeit
des Portlandcements aber stand in beiden Fällen die Festigkeit des
Schlackenmörtels erheblich nach (Verhältniss 1 : 2—1 : 3). 1)


Dass übrigens auch Portlandcement, wenn er mit Schlackensand
statt mit anderen sonst üblichen Körpern gemischt wird, sich ent-
schieden günstiger verhalten müsse, unterliegt keinem Zweifel; haben
doch sogar einzelne Cementfabrikanten den gebrannten Cement schon in
Vermischung mit Schlackensand in den Handel gebracht. 2) Ein dem Port-
landcement gleichwerthiges Baumaterial lässt sich aus Hochofenschlacke
nur darstellen, wenn man unter Beachtung der chemischen Zusammen-
setzung der Schlacke sie mit Zusätzen versieht, und das Gemisch in
einer Weise zubereitet, dass auch die Zusammensetzung mit derjenigen
des Portlandcementes übereinstimmt. Letzterer enthält:


  • Kalkerde  55—63, durchschnittlich 60 Proc.
  • Thonerde   6—10, „ 7,5 „
  • Kieselsäure   22—26, „ 24 „
  • Daneben kleine Mengen Eisenoxyd, Alkalien u. s. w.

In allen Fällen wird also für jenen Zweck eine Anreicherung des
Kalkerdegehaltes der Schlacke, in den meisten Fällen auch eine An-
reicherung des Thonerdegehaltes erforderlich sein. Ein einfaches Mischen
der Körper aber würde kaum den Zweck vollständig erreichen lassen;
vollständiger führt ein Brennen des Gemisches zum Ziel. Als Material
zur Anreicherung des Thonerdegehaltes empfiehlt Roth (vergl. dessen
unter Literatur erwähnte Schrift) den Bauxit, ein Mineral, dessen durch-
schnittliche Zusammensetzung bereits auf S. 137 angegeben ist. Sämmt-
liche erforderliche Materialien, also Hochofenschlacke, Bauxit und Kalk-
stein beziehentlich gebrannter Kalk, werden im fein gemahlenen Zu-
stande in solchen Verhältnissen gemischt, dass die Zusammensetzung
[593]Schlacken. Zinkschwamm.
der Mischung nach dem Brennen derjenigen des Portlandcementes ent-
spricht, dann zu Ziegeln geformt und ebenso wie der Portlandcement
gebrannt. Durch den Wassergehalt des Bauxits soll beim Glühen eine
Zersetzung des Schwefelcalciumgehaltes der Schlacke unter Schwefel-
wasserstoffentwickelung herbeigeführt werden, ein Vorgang, welcher den
Werth des Enderzeugnisses nicht unerheblich erhöhen würde.


Sehr thonerdereiche Schlacken, z. B. diejenigen englischer Hoch-
öfen (vergl. die Analysen auf S. 538), bedürfen eines thonerdehaltigen
Zuschlages überhaupt nicht; man mischt sie mit pulverisirtem Kalk-
stein und brennt sie. Die Festigkeit des daraus dargestellten Cements
soll diejenige gewöhnlichen Portlandcements noch übertreffen. 1)


Glasdarstellung.

Bei der grossen Aehnlichkeit, welche die Zusammensetzung mancher
für gewöhnliche Zwecke benutzten Gläser, insbesondere des sogenannten
Flaschenglases, mit der Zusammensetzung der Hochofenschlacken be-
sitzt, liegt der Gedanke nahe, die letzteren unter Anwendung ent-
sprechender Zusätze für die Glasdarstellung zu verwenden. Nach
Britten2) ist die Zusammensetzung des Flaschenglases ungefähr
folgende:


  • Kieselsäure   45—60 Proc.
  • Kalkerde   18—28 „
  • Magnesia   0— 7 „
  • Thonerde   6—12 „
  • Alkali   2— 7 „
  • Eisenoxydul   2— 6 „

und es wird deshalb oft nur geringer, vorwiegend kieselsäurehaltiger,
Zusätze zur Hochofenschlacke bedürfen, um eine gleiche Zusammen-
setzung zu erzielen; ja, manche Holzkohlenhochofenschlacken stimmen
in ihrer Zusammensetzung schon ziemlich genau mit jener überein
und erstarren in dünneren Querschnitten thatsächlich mit allen Merk-
malen grünlichen Glases. Die Hochöfen zu Finedon in Northamton-
shire liefern für mehrere Glasfabriken das Material, welches aus einer
Schlacke mit 38 Proc. Kieselsäure besteht. In dem Schmelzherde der
Glasfabrik wird die Schlacke mit Alkalien und Sand, färbenden und
entfärbenden Materialien, je nach Beschaffenheit des herzustellenden
Glases, versetzt.


3. Zinkschwamm.


Der Entstehung dieses, auch Gichtschwamm oder Ofenbruch
genannten Körpers wurde bereits bei Besprechung des Hochofenpro-
cesses mehrfach gedacht. Sie beruht auf der Reduction und Verflüch-
tigung von Zink in dem unteren Theile des Hochofens, welches dann
bei seinem Aufsteigen durch den an Kohlensäure und Wasserdampf
immer mehr sich anreichernden Gasstrom allmählich wieder oxydirt
wird und nun in einer gewissen Entfernung unterhalb der Gicht
Ledebur, Handbuch. 38
[594]Die Nebenerzeugnisse des Hochofenbetriebes und ihre Verwendung.
sich ringsum an den Wänden festsetzt, hier einen Ring bildend, dessen
Stärke mehr und mehr zunimmt. Bricht man den Zinkschwamm los,
so findet man einen Körper von graugrüner Farbe und schiefrigem
Gefüge, dessen Spaltungsflächen parallel den Ofenwänden liegen. Die
Analyse zeigt vorwiegend Zinkoxyd; daneben Eisenoxydul, mitunter
etwas metallisches Blei und mechanisch eingemengten Sand. Ebelmen
fand in einem Zinkschwamme vom Hochofen zu Treveray Zinkoxyd
91.6 Proc., Eisenoxydul 3 Proc., Bleioxyd 1.6 Proc., Schwefelblei 1.6 Proc.,
metallisches Blei 1.4 Proc., Sand 0.8 Proc. 1)


Die Stelle, wo im Hochofen der Gichtschwamm gefunden wird,
ist von der Höhe des Ofens und Gichttemperatur abhängig und befindet
sich meistens 1—2 m unterhalb der Gicht.


Damit nicht durch den angesetzten Zinkschwamm der Ofenquer-
schnitt allzu sehr verengt werde, und hauptsächlich auch, damit nicht
grössere Mengen des Zinkschwammes sich von selbst ablösen, mit der
Beschickung nach unten gehen und nachtheilig auf den Ofengang und
die Roheisenbeschaffenheit einwirken, ist es bei Oefen, welche zink-
reiche Erze verarbeiten, nothwendig, von Zeit zu Zeit den Zinkschwamm
loszubrechen und durch die Gicht aus dem Ofen zu entfernen. Das
hierbei angewendete Verfahren wurde schon auf S. 520 beschrieben.


Der Zinkschwamm wird an die Zinkhütten zur Verarbeitung auf
metallisches Zink geliefert. Im Jahre 1881 wurden von 31 im Betriebe
befindlichen oberschlesischen Hochöfen 1580 t Zinkschwamm geliefert;
jedenfalls ist der Erfolg bei einzelnen Oefen erheblich grösser als der
Durchschnittsziffer (51 t) entsprechen würde.


4. Blei.


Des Verfahrens, mittelst dessen bei Hochöfen, welche bleiische Erze
verhütten, das Blei gewonnen werden kann, wurde bereits mehrfach
gedacht (S. 351); auch dass dieses Blei silberhaltig zu sein pflegt,
wurde erwähnt. Im Jahre 1881 erfolgte in den Hochöfen Oberschlesiens
1832 t silberhaltiges Blei; die Hubertushütte allein lieferte per Hoch-
ofen 177 t.


5. Gichtstaub.


An den kälteren Theilen der Gicht, in den Gasleitungsröhren, in
den Winderhitzungsapparaten, in den Zügen der Dampfkesselöfen setzt
sich ein weisslicher oder gelblicher, staubförmiger Beschlag ab, welcher
aus mechanisch mitgerissenen, theilweise ursprünglich flüchtigen Körper-
chen besteht. Manche dieser Körperchen waren zweifellos in anderer
Form in dem Gasstrome enthalten, als sie in dem abgelagerten Staube
gefunden werden und wurden erst durch Oxydation oder sonstige
chemische Einwirkungen umgewandelt.


Nicht nur die Menge dieses Staubes sondern auch seine chemische
Zusammensetzung ist bei verschiedenen Hochöfen sehr verschieden.
Regelmässig enthält derselbe Kieselsäure, welche vermuthlich zum Theil
[595]Gichtstaub. Zufällige Nebenerzeugnisse.
ohne Weiteres aus mitgerissenem Erzstaube stammt, zum anderen
Theile aber auch durch Oxydation flüchtiger Siliciumverbindungen
entstanden sein dürfte; ebenso regelmässig finden sich Alkalien, theils
als Cyanide, theils als Chloride, als Sulfate oder als Carbonate, letztere
höchstwahrscheinlich durch Zersetzung von Cyaniden entstanden, wäh-
rend Sulfate aus der Umwandlung von Sulfiden hervorgegangen sein
dürften; Eisenoxyd, Kalkerde, Magnesia sind ebenfalls regelmässig vor-
kommende Bestandtheile und dürften zum grössten Theil einfach mit-
gerissen sein 1); bei Hochöfen aber, welche zinkische Erze verarbeiten,
pflegt sich auch in dem Gichtstaube ein beträchtlicher Zinkoxydgehalt
und bei bleiischen Erzen ein Bleioxydgehalt vorzufinden.


Beispiele der Zusammensetzung solchen Gichtstaubes oder Gicht-
rauches sind folgende:

Sofern der Gichtstaub reich genug an Zink oder Blei ist, um eine
Verarbeitung auf diese Metalle lohnend erscheinen zu lassen, wird er
gesammelt und an die Zink- oder Bleihütten geliefert; im anderen
Falle pflegt er als werthlos auf die Halde gefahren zu werden. Die
im Betriebe gewesenen 31 oberschlesischen Hochöfen lieferten im Jahre
1881 6286 t Zinkstaub ab, per Ofen durchschnittlich 202 t.


6. Zufällige Nebenerzeugnisse.


Solche zufällige Nebenerzeugnisse, welche zwar eine praktische
Bedeutung nicht besitzen, wohl aber manche interessanten Streiflichter
auf die Eigenthümlichkeiten des Hochofenprocesses zu werfen im Stande
sind, finden sich ziemlich häufig. Besonders reich an denselben pflegt
die nach dem Ausblasen des Hochofens im Herde zurückbleibende so-
genannte Ofensau zu sein. Schon das Eisen dieser Sau an und für
sich zeigt infolge der sehr langsamen Abkühlung, welcher es unter-
worfen war, manches Bemerkenswerthe. Gewöhnlich ist es kohlenstoff-
arm, schmiedeeisenartig, mit grobblättrigem Gefüge. An anderen Stellen,
38*
[596]Die Nebenerzeugnisse des Hochofenbetriebes und ihre Verwendung.
besonders da, wo ein kohlenstoffreicheres Eisen mit kieselsäurereichen
Theilen der Gestellwände in Berührung war und sehr langsam erstarrte,
finden sich mitunter Stücke, deren Gefüge an das des Spiegeleisens
erinnert, die jedoch mit Graphit bedeckt sind und deren Analyse einen
nur geringen Kohlenstoffgehalt (1½—2½ Proc.) bei hohem Silicium-
gehalt (3—4 Proc.) erkennen lässt. Diese Ofensau enthält auch jene
auf S. 265 erwähnten rothen Würfel von Cyan-Stickstofftitan, die man
in alter Zeit für metallisches Kupfer, später für metallisches Titan hielt,
bis Wöhler ihre Zusammensetzung ermittelte. Sie lassen sich von
dem Eisen, welches von ihnen durchwachsen ist, trennen und in oft
grosser Menge sammeln, wenn man das Eisen in Salzsäure auflöst.


Mitunter findet sich an einzelnen Stellen des ausgeblasenen Hoch-
ofens haarförmig oder nadelförmig krystallisirte Kieselsäure, vermuth-
lich durch Zersetzung von Siliciumsulfid (S. 243) entstanden. Häufig
sind auch zinkische Verbindungen mit Kieselsäure, in Nadeln krystalli-
sirt, theils zwischen den Fugen der Gestellwände, theils als Ueberzug
derselben, theils in der Ofensau auftretend.


Zu den zufälligen Nebenerzeugnissen des Hochofenbetriebes kann
auch Cyankalium gerechnet werden, welches zwar regelmässig in den
Oefen gebildet wird und beim Aufsteigen mit dem Gasstrome zum
grossen Theile wieder zerfällt, mitunter aber auch an absonderlichen
Stellen des Ofens sich sammelt. In einer vermauerten Formöffnung des
Hörder Hochofens fand sich ein weisses Salz, welches nach meiner
Untersuchung 34 Proc. Kaliumcarbonat, höchstwahrscheinlich aus der
Zersetzung von Cyankalium hervorgegangen, 9 Proc. Chlorkalium, 27 Proc.
Zinkoxyd, übrigens Eisen, Mangan, Kalkerde u. s. w. enthielt. Bei dem
Holzkohlenhochofen zu Mariazell sammelte sich in den vierziger Jahren
Cyankalium in solcher Menge an der Aussenseite einer in der Brust
angebrachten Oeffnung — eines sogenannten Lichtloches, aus welchem
man während der Nacht eine Flamme zur Beleuchtung der Hütte aus-
treten liess —, dass es gesammelt und zu galvanischen Arbeiten ver-
wendet werden konnte. 1) Auch in den Gasleitungsröhren dieses Hoch-
ofens wurde Cyankalium in reichlicher Menge gefunden.


Literatur.


A. Einzelne Werke.


  • Percy-Wedding, Handbuch der Eisenhüttenkunde, Abth. II, S. 741
    (Schlacken), 756 (Nebenerzeugnisse).
  • C. Stöckmann, Die Gase des Hochofens und der Siemens-Generatoren.
    Ruhrort 1876.
  • L. Roth, Der Bauxit und seine Verwendung zur Herstellung von Ce-
    ment aus Hochofenschlacke.
    Wetzlar 1882.

B. Abhandlungen.


  • F. Lürmann, Ueber Hochofenschlacken und deren Verwendung. Ztschr.
    des Architecten- und Ingenieur-Vereins für Hannover, Bd. XIII, S. 297; Ztschr.
    des Vereins deutsch. Ing., Bd. XII, S. 32.

[597]Literatur.
  • F. Lürmann, Ueber die Fortschritte der Schlackenziegelfabrikation in
    Osnabrück und über andere Schlackenpräparate.
    Ztschr. d. Vereins
    deutsch. Ing., Bd. XIX (1875), S. 185; Polyt. Centralbl. 1875, S. 695.
  • E. Paschen, Ueber Ausnutzung der Hochofenschlacken durch Granu-
    lation.
    Ztschr. d. Ver. deutsch. Ing., Bd. XVIII (1874), S. 321.
  • Schmidhammer, Vorrichtung zur Granulation der Hochofenschlacken
    mittelst Wasserstromes.
    Rittinger Erfahrungen 1868, S. 19; Berg- und
    hüttenm. Ztg. 1870, S. 59.
  • Ch. Wood, The utilization of slag. The Journal of the Iron and Steel Inst.
    1873, p. 186.
  • Ch. Wood, On the progress of the slag industries during the last four
    years.
    The Journal of the Iron and Steel Institute 1877, II, p. 443; Dingler’s
    Polytechn. Journ., Bd. 230, S. 440.
  • P. Tunner, Der Fortschritt der Schlackenindustrie während der letzten
    vier Jahre.
    Ztschr. des berg- und hüttenm. Ver. für Steiermark und Kärnten
    1877, S. 404.
  • Ueber Verwendungsarten der Schlacken in Grossbritannien. Ztschr. d.
    berg- u. hüttenm. Ver. für Steiermark und Kärnten 1880, S. 353.
  • Chr. Meinecke, Chlorverbindungen im Hochofen. Berg- und hüttenm. Ztg.
    1875, S. 47.
  • G. Williger, Bleigewinnung im Hochofen. Berg- u. hüttenm. Ztg. 1882, S. 81.

VIII. Das Umschmelzen und die Reinigung
des Roheisens.


1. Allgemeines.


Nur in verhältnissmässig seltenen Fällen schliesst sich die weitere
Verarbeitung des Roheisens, sie möge nun die Darstellung von Ge-
brauchsgegenständen durch Giessen des flüssigen Roheisens in Formen
bezwecken (Eisengiesserei) oder eine Umwandlung des Roheisens in
schmiedbares Eisen durch irgend einen der in der dritten Abtheilung
dieses Buches beschriebenen Frischprocesse bewirken, unmittelbar an
die Darstellung desselben im Hochofen an. Obgleich diese weitere Ver-
arbeitung fast ausnahmslos im flüssigen Zustande des Roheisens ge-
schieht, und man demnach bei unmittelbarer Aufeinanderfolge der Dar-
stellung und Verarbeitung die Kosten für die abermalige Verflüssigung
— das Umschmelzen — des Roheisens ersparen würde, so entspricht
doch weder die Menge des bei einem vorhandenen Hochofenbetriebe
erfolgenden Roheisens noch die Qualität desselben (welche nach Früherem
auch bei einem und demselben Hochofen einem öfteren unbeabsichtigten
Wechsel unterworfen ist) immer genau den Ansprüchen, welche der
Verarbeitungsprocess stellt. Häufig gattirt man für den letzteren mehrere
Roheisensorten, um sie gemeinschaftlich zu schmelzen und hierdurch
ein Material zu erlangen, welches besser als die einzelne Sorte den
Eigenthümlichkeiten des betreffenden Processes entspricht; häufig auch
würden örtliche Verhältnisse es nicht einmal gestatten, die Anlagen
[598]Das Umschmelzen und die Reinigung des Roheisens.
für die Darstellung und Verarbeitung des Roheisens einander so nahe
zu bringen, dass jene unmittelbare Aufeinanderfolge beider Processe
überhaupt stattfinden kann.


Es sind also Schmelzöfen erforderlich, in welchen die abermalige
Verflüssigung des Roheisens bewirkt wird. Wo eine Umwandlung des
Roheisens in schmiedbares Eisen der Zweck der Verarbeitung ist, benutzt
man mitunter den nämlichen Ofen, in welchem diese Arbeit vor-
genommen wird, auch zum vorausgehenden Schmelzen des Roheisens;
die Einrichtung dieser Oefen wird demgemäss in Abtheilung III Be-
sprechung finden. In anderen Fällen dagegen benutzt man für das
Umschmelzen des Roheisens besondere Oefen, deren einziger Zweck
eben dieses Umschmelzen ist; das Roheisen geht wiederum als solches
aus dem Ofen hervor, um dann erst weiter verarbeitet zu werden, sei
es durch Eingiessen in Formen zu Eisengusswaaren, sei es durch einen
Frischprocess in einem besonderen Apparate zu schmiedbarem Eisen.


Auch bei diesem Umschmelzen lässt sich jedoch eine chemische
Beeinflussung des Roheisens nicht ganz vermeiden. Am geringsten
würde dieselbe ausfallen, wenn man das Roheisen entweder, wie im
Hochofen, in einer kohlenoxydreichen Gasatmosphäre schmelzen, oder
wenn man es durch Einschliessen in einen schützenden Tiegel vor der
Berührung mit den Verbrennungsgasen aus dem Brennstoffe schützen
wollte. In Rücksicht auf die ungleich ungünstigere Wärmeleistung der
Brennstoffe bei der Verbrennung des Kohlenstoffs zu Kohlenoxyd statt
zu Kohlensäure (S. 20) lässt sich ersteres Mittel nicht ohne einen be-
deutenden Mehrverbrauch an Brennstoff anwenden; noch ungünstiger
wird dieser Brennstoffverbrauch beim Tiegelschmelzen, wo mehrere Um-
stände zusammenkommen, um die Wärmeausnutzung auf ein sehr ge-
ringes Maass herabzudrücken.


Nur in seltenen Fällen, und zwar nur dann, wenn eine möglichste
Einschränkung jeder Aenderung der chemischen Zusammensetzung des
Roheisens Bedingung für das Gelingen des betreffenden Processes und
die Menge des zu schmelzenden Roheisens nicht beträchtlich ist, wird
man das Tiegelschmelzen benutzen, dessen Kosten noch obenein durch
den Verbrauch an Tiegeln beträchtlich gesteigert werden. Auch beim
Schmelzen ohne Tiegel (in Schacht- oder Herdflammöfen) wird man
meistens als erstes Ziel eine thunlichste Einschränkung des Brennstoff-
verbrauches ins Auge fassen; und dieses Ziel wird sich um so eher
erreichen lassen, je vollständiger der Brennstoff in dem Schmelzofen zu
Kohlensäure und Wasser verbrannt wird.


Bei einem derartigen Schmelzen in oxydirender Atmosphäre ist
nun freilich eine theilweise Oxydation der Bestandtheile des Roheisens
unvermeidlich; dieselbe wird um so weniger bedeutend sein, je rascher
der Schmelzprocess verläuft, je rascher also das Roheisen den Ein-
wirkungen desselben entzogen wird. Einer etwaigen Benachtheiligung
der Verwendbarkeit des Roheisens für diesen oder jenen Zweck durch
jene Verringerung einzelner Bestandtheile lässt sich entgegen wirken,
indem man von vorn herein ein Roheisen zum Einschmelzen verwendet,
welches einen entsprechenden Ueberschuss der austretenden Körper
enthält.


[599]Allgemeines.

Von diesem einfachen Mittel wird z. B. in den Eisengiessereien
täglich ein ausgiebiger Gebrauch gemacht. Für die meisten Gusswaaren
ist ein mässig graphitreiches und wegen seines Graphitgehaltes durch
schneidende Werkzeuge (Meissel, Drehstahl u. s. w.) leicht bearbeit-
bares Roheisen erforderlich. Da der Graphitgehalt nur bei einem ge-
wissen Siliciumgehalte bestehen kann, dieser aber beim Umschmelzen
sich zu verringern pflegt, so wird das Roheisen beim Umschmelzen
auch graphitärmer, und ein Material, welches an und für sich gut
brauchbar für einen bestimmten Zweck wäre, würde an Brauchbarkeit
verlieren, wenn es zuvor umgeschmolzen werden müsste. Ein mehrmals
wiederholtes Umschmelzen würde schliesslich eine Umwandlung des
grauen Roheisens in weisses, silicium- und kohlenstoffarmes Eisen her-
beiführen. Man schmilzt also ein an Silicium um so viel reicheres
Roheisen ein, als dem Siliciumverluste beim Umschmelzen entspricht.
Nun aber ist man vielfach gezwungen, auch ein siliciumärmeres Material,
insbesondere ein schon umgeschmolzenes Roheisen — Abfälle in der
Giesserei, Ausschussgussstücke und dergleichen — mit aufzuarbeiten;
und gerade für diesen Fall gelangt nun der Werth jenes früher be-
sprochenen silicium- und graphitreichen Roheisens Nr. I (S. 305) zur
Geltung, durch dessen Zusatz der fehlende Siliciumgehalt wieder gedeckt
wird, und welches deshalb ein unentbehrliches Material in allen den
Eisengiessereien bildet, wo man das Roheisen in eigenen Schmelzöfen
umschmelzt.


Ebenso wie in der Giesserei verfährt man beim Umschmelzen des
Roheisens für andere Processe, bei denen eine bestimmte Zusammen-
setzung des geschmolzenen Materials erforderlich ist (Bessemerprocess).


Das Maass der Aenderungen, welche das Roheisen beim Um-
schmelzen erfährt, d. h. die Gesammtmenge der ausscheidenden Bestand-
theile, hängt von der Einrichtung des Schmelzofens, der Beschaffen-
heit des Brennstoffs, der Zeitdauer des Schmelzens ab; die Reihenfolge
aber, in welcher die Körper austreten, ist theils durch die Zusammen-
setzung des verwendeten Roheisens, theils durch die Temperatur beim
Umschmelzen, theils auch durch die Beschaffenheit der Ofenbaumate-
rialien, sowie etwa absichtlich zugesetzter schlackenbildender Körper
bedingt.


In je grösseren Mengen ein Bestandtheil im Roheisen gegenwärtig
ist, desto leichter wird er, auch wenn er an und für sich schwieriger
oxydirbar sein sollte als mancher andere anwesende Bestandtheil, von
der Oxydationswirkung betroffen; je unbedeutender seine Menge, je
stärker verdünnt er also im Roheisen zugegen ist, desto stärker wird
er durch die übrigen Bestandtheile geschützt. Hieraus erklärt es sich
z. B., dass von dem Eisengehalte des Roheisens beim Umschmelzen
stets ein gewisser Theil oxydirt wird, lange bevor die anwesenden
leichter oxydirbaren Körper — Mangan, Silicium, Kohle — vollständig
ausgeschieden sind. Bei einem manganreichen Roheisen dagegen (Spiegel-
eisen, Eisenmangan) wird vorzugsweise der ohnehin leicht oxydirbare
Mangangehalt von der Oxydationswirkung des Umschmelzens getroffen,
Silicium, Kohle und andere Bestandtheile werden dadurch geschützt
werden; ja, es kann geschehen, dass bei geringem Siliciumgehalte des
Roheisens noch Silicium aus kieselsäurehaltigen Ofenwänden oder kiesel-
[600]Das Umschmelzen und die Reinigung des Roheisens.
säurereicher Schlacke durch das ausscheidende Mangan reducirt und
der Siliciumgehalt des Roheisens solcherart angereichert statt verringert
wird (vergl. S. 241 und 254).


Die Einflüsse der verschiedenen Temperatur wurden bereits auf
S. 283 besprochen. Es möge deshalb hier nur an das in dieser Be-
ziehung vorzugsweise wichtige Verhalten des Kohlenstoffs erinnert
werden, dessen Verwandtschaft zum Sauerstoff mit der Temperatur in
raschem Maasse steigt (vergl. auch S. 12). Wird das Roheisen in einer
die Schmelztemperatur desselben nur wenig übersteigenden Temperatur
geschmolzen, so kann es geschehen, dass infolge des Austretens anderer
Körper — Silicium, Mangan, Eisen — der Procentgehalt an Kohlen-
stoff in dem umgeschmolzenen Roheisen noch etwas höher ausfällt als
zuvor; je höher die Temperatur steigt, desto mehr wird auch der
Kohlenstoffgehalt des Roheisens der Verbrennung ausgesetzt.


Auch die Einflüsse der Zusammensetzung anwesender dritter Körper
auf den Verlauf der Oxydation wurden schon auf S. 14 und 283
erörtert, und es kann hier auf das dort Gesagte Bezug genommen
werden.


Neben dieser Ausscheidung einzelner Bestandtheile aus dem Roh-
eisen durch Oxydation beim Umschmelzen kann unter Umständen auch
eine Anreicherung anderer Körper herbeigeführt werden. Dass Silicium
durch ausscheidendes Mangan in das Roheisen geführt werden könne,
wurde schon erwähnt; aus der Asche schwefelhaltiger Brennstoffe kann,
sofern dieselbe mit dem schmelzenden Roheisen in Berührung tritt und
der Schwefelgehalt nicht durch einen reichlichen Kalkzuschlag gebunden
wird, Schwefeleisen in das Roheisen übergehen; sogar eine Reduction
von Phosphor aus phosphorsäurehaltiger Asche durch den Kohlenstoff-
oder Mangangehalt des Roheisens ist nicht ausgeschlossen, sofern die
Temperatur hoch und der Kieselsäuregehalt der entstehenden Schlacke
beträchtlich ist.


Die Zahl der zuverlässigen Untersuchungen, welche bislang über
die chemischen Veränderungen des Roheisens beim Umschmelzen an-
gestellt wurden, ist ziemlich gering.


E. v. Köppen fand bei einmaligem Umschmelzen verschiedener
Roheisensorten im Cupolofen (Schachtofen) folgende Aenderungen des
Mangan-, Kohlenstoff- und Siliciumgehaltes 1):

[601]Allgemeines.

In allen Fällen fand hier neben starkem Manganverluste eine Zu-
nahme des procentalen Silicium- und Kohlenstoffgehaltes statt, welche
sich theils aus der Verringerung der Gesammtmenge des Roheisens
theils aus der stattgehabten Siliciumreduction durch Mangan erklärt;
der Umstand, dass Kohlenstoff nicht verbrannt wurde, lässt auf niedrige
Temperatur beim Umschmelzen schliessen.


In Gutehoffnungshütte wurden durch Scheffer in einem eigens
für diese Versuche bestimmten kleinen Cupolofen mit gewöhnlichem
kieselsäurereichem Futter drei verschiedene Sorten grauen Roheisens
eine jede einem viermaligen Umschmelzen in hoher Temperatur unter-
zogen, und nach jedem Umschmelzen wurde von mir die Zusammen-
setzung des Roheisens ermittelt. Die Zusammensetzung vor dem ersten
und nach dem vierten Umschmelzen war folgende: 1)

Hier verringerte sich regelmässig ebensowohl der Kohlenstoff-
gehalt als der Mangan- und Siliciumgehalt. Die Abnahme des Kohlenstoff-
gehaltes ist am geringsten in dem manganreichsten Roheisen (Gleiwitz)
und beträgt hier 0.49 Proc., am bedeutendsten im manganärmsten Roh-
eisen (Gutehoffnungshütte), wo dieselbe 0.69 Proc. beträgt.


Schärfer noch tritt diese Verschiedenheit in den Einflüssen des
Umschmelzens bei verschiedener Zusammensetzung des Roheisens bei
einem Vergleiche des Mangan- und Siliciumgehaltes hervor. Das man-
ganreichste Roheisen verliert auch die grösste Menge Mangan; aber je
mehr Mangan austritt, desto unbedeutender ist die Beeinflussung des
Siliciumgehaltes. Das manganarme Roheisen von Gutehoffnungshütte
verliert 0.50 Proc. Silicium, während das manganreiche Gleiwitzer Roh-
eisen nur 0.19 Proc. einbüsst. Der Mangangehalt schützt also,
indem er selbst den Oxydationswirkungen sich aussetzt,
den Kohlenstoff- und mehr noch den Siliciumgehalt des
Roheisens vor dem Wegbrennen;
es folgt hieraus, dass, obgleich
ein Mangangehalt an und für sich dem Roheisen die Neigung ertheilt,
weiss, hart zu werden, doch ein graues Roheisen ein um so öfteres
Umschmelzen in Oefen mit kieselsäurereichem Futter erträgt, ohne
infolge des Silicium- und Kohlenstoffverlustes weiss zu werden, je
reicher es ursprünglich an Mangan war. Weniger deutlich würde vor-
aussichtlich der Einfluss des Mangangehaltes sein, wenn nicht dem
[602]Das Umschmelzen und die Reinigung des Roheisens.
entstehenden Manganoxydul durch die Gegenwart freier Kieselsäure
Gelegenheit zur Sättigung mit derselben gegeben wäre.


Der Phosphorgehalt zeigt bei allen drei Roheisensorten eine deut-
liche Zunahme.


Da bei dem Umschmelzen des Roheisens in Schmelzöfen ohne
Tiegel der Gehalt desselben an fremden Körpern — Silicium, Kohlen-
stoff, Mangan — stärker als der Eisengehalt sich zu verringern pflegt,
der procentale Eisengehalt also steigt, so ist jeder derartige Um-
schmelzprocess in gewissem Sinne auch ein Reinigungsprocess des
Roheisens; denn je mehr fremde Körper aus demselben austreten, desto
mehr nähert sich dasselbe in seiner Beschaffenheit derjenigen des
reinen Eisens.


Damit ist nun freilich keineswegs gesagt, dass das reinere Roh-
eisen auch unter allen Umständen das werthvollere sei. Das für die
Eisengiesserei bestimmte Roheisen muss sogar, wie schon oben hervor-
gehoben wurde, einen gewissen Siliciumgehalt besitzen, ohne welchen
es unbrauchbar für seine Bestimmung wird; der Preis des Spiegel-
eisens steigt und fällt mit seinem Mangangehalte; und für einen
neueren Process der Darstellung schmiedbaren Eisens aus Roheisen,
den Thomas- oder basischen Bessemerprocess ist sogar ein bestimmter
Phosphorgehalt des Roheisens nothwendig, ohne welchen der Process
nicht durchführbar ist.


Von der Bestimmung des umgeschmolzenen Roheisens sowie von
seiner ursprünglichen Zusammensetzung hängt es also ab, ob die ge-
schilderten Einflüsse des Umschmelzens als vortheilhaft oder ungünstig
bezeichnet werden müssen. Immerhin kann der Fall eintreten, dass
eine möglichst weit getriebene Ausscheidung einzelner bestimmter Körper
aus dem Roheisen, sei es innerhalb des zum Umschmelzen bestimmten
Schmelzofens selbst, sei es in einem besonders hierfür bestimm-
ten Apparate, förderlich für seine weitere Verarbeitung ist. Wenn
graues Roheisen durch einen Frischprocess (S. 282) in schmiedbares
Eisen umgewandelt werden soll, so wird der eigentliche Frischprocess
abgekürzt werden können, wenn man dem Roheisen durch einen Vor-
bereitungsprocess seinen Siliciumgehalt entzieht; soll ein phosphor-
reiches Roheisen das Material zur Darstellung schmiedbaren Eisens mit
Hilfe eines Processes bilden, welcher nur eine beschränkte Phosphor-
abscheidung ermöglicht, so wird man ein vorzüglicheres Enderzeugniss
erhalten, wenn man schon durch einen Vorbereitungsprocess das Roh-
eisen eines Theils seines Phosphorgehaltes beraubt; eine Entschwefelung
schwefelreichen Roheisens würde, sofern sie mit ausreichend einfachen
Mitteln durchführbar ist, den Werth desselben für beinahe alle Ver-
wendungen erhöhen; u. s. f.


Bestimmte Verhältnisse können also die Anwendung gewisser Hilfs-
mittel rechtfertigen, durch welche eine weiter gehende Reinigung des
Roheisens, als sie durch einfaches Umschmelzen zu erreichen ist, herbei-
geführt wird, ohne dass, wie bei den Frischprocessen, auch der Kohlen-
stoffgehalt hierbei unter jene Grenze abgemindert wird, wo eben das
Roheisen seinen Charakter als solches verliert und zu schmiedbarem
[603]Allgemeines.
Eisen wird. Eine Entsilicirung des Roheisens zu dem oben erörterten
Zwecke nennt man gewöhnlich das Feinen desselben, eine Entphos-
phorung bezeichnet man mitunter als Raffination, ein Ausdruck,
welcher allerdings ebenso gut die Ausscheidung aller übrigen fremden
Körper bedeuten kann. 1)


Das oben und auf S. 283 geschilderte Verhalten des Roheisens
beim Umschmelzen zeigt den Weg, auf dem man zu der Abscheidung
einzelner Bestandtheile gelangen kann. In allen Fällen ist, wenn dieser
Reinigungsprocess nicht auch zum theilweisen Frischprocesse werden
soll, bei welchem Kohlenstoff verbrannt wird, eine Temperatur erforder-
lich, welche die Schmelztemperatur des zu reinigenden Roheisens nicht
sehr erheblich übersteigt. Erhält man nun in einer solchen Temperatur
das Roheisen unter oxydirenden Einwirkungen — Darüberleiten von
Gebläsewind, Vermischen mit Eisenoxyden, Braunstein oder anderen
oxydirenden Körpern — längere Zeit flüssig, so werden in jedem Falle
Silicium und Mangan ausgeschieden werden. Das Silicium wird um
so rascher austreten, je mehr Gelegenheit zur Entstehung einer basi-
schen Schlacke gegeben ist, und auch in dieser Beziehung wirkt die
Anwesenheit jener Metalloxyde förderlich, mit deren niedrigeren Oxy-
dationsstufen die entstehende Kieselsäure sich zu Silikaten vereinigen
kann.


Auch eine Abscheidung des Phosphors findet in niedriger Tempe-
ratur vor der Verbrennung des Kohlenstoffs unter oxydirenden Ein-
flüssen statt, sofern eine stark basische Schlacke zur Aufnahme der
entstehenden Phosphorsäure zugegen ist. Die Erfüllung dieser letzteren
Bedingung ist freilich für die Abscheidung des Phosphors unumgäng-
lich. In einem Ofen mit kieselsäurereichem Futter, welches der vor-
handenen Schlacke stets aufs Neue Gelegenheit zur Sättigung mit Kiesel-
säure giebt, ist deshalb eine Entphosphorung des Roheisens unmöglich;
gewöhnlich wird der Phosphorgehalt höher statt niedriger, da andere
Körper an Stelle desselben austreten. Steigt aber die Temperatur eines
Ofens, in welchem nach stattgehabter Entphosphorung die phosphorsäure-
haltige Schlacke noch mit dem Roheisen in Berührung war, so wird um
so leichter eine Reduction der Phosphorsäure und Zurückführung an das
Roheisen durch den Kohlenstoffgehalt desselben bewirkt werden, je
weniger stark basisch die Beschaffenheit jener Schlacke ist.


Eine theilweise Entschweflung des Roheisens lässt sich, wie schon
mehrfach erwähnt wurde, ebenfalls durch Einwirkung einer basischen,
zumal kalkerdereichen, Schlacke herbeiführen, ohne dass jedoch hierbei
eine Oxydationswirkung stattzufinden braucht. Das Sulfid wird einfach
in der Schlacke gelöst.


Vielfach ist von Chemikern Wasserdampf als Reinigungsmittel für
Roheisen von Phosphor und Schwefel vorgeschlagen worden, ohne dass
jedoch die zahlreichen mit der Anwendung desselben bereits angestellten
[604]Das Umschmelzen und die Reinigung des Roheisens.
Versuche irgend einen praktischen Erfolg aufzuweisen gehabt hätten.
Die Erklärung hierfür liegt nahe genug. Wenn im Laboratorium
Schwefeleisen oder Phosphoreisen, welches im Wasserdampfstrome ge-
glüht wird, thatsächlich Schwefelwasserstoff, beziehentlich Phosphor-
wasserstoff entlässt, so ist doch die Verwandtschaft des Schwefels und
Phosphors zum Eisen zweifellos eine weit stärkere, wenn sie im Roh-
eisen, legirt mit weit grösseren Mengen freien Eisens, auftreten; auch
die höhere Temperatur des geschmolzenen Roheisens im Vergleiche mit
der Temperatur, wie sie bei Laboratoriumsversuchen angewendet zu
werden pflegt, dürfte die beabsichtigte Zerlegung der Eisenlegirungen
durch Wasserdampf eher erschweren als erleichtern. Aus denselben
Gründen ist das erwähnte Mittel auch für Reinigung des flüssigen
schmiedbaren Eisens von jenen Körpern ohne jeden Erfolg geblieben.


2. Die Schmelzöfen.


A. Die Cupolöfen.

Cupolöfen nennt man die zum Umschmelzen des Roheisens be-
stimmten Schachtöfen. Wenn der Cupolofen mit dem Hochofen darin
übereinstimmt, dass dieser ebenfalls ein Schachtofen ist, welcher als
Enderzeugniss flüssiges Roheisen liefert, so unterscheidet er sich doch
sehr wesentlich von demselben dadurch, dass in dem Hochofen aller
vor die Formen gelangender Kohlenstoff durch den Sauerstoff zu Kohlen-
oxyd verbrannt werden muss, damit der Reductionsprocess möglich
werde, während im Cupolofen die Brennstoffausnutzung um so günstiger
ist, je weniger Kohlenoxyd und je mehr Kohlensäure vor den Formen
entsteht. In früherer Zeit, selbst noch in den sechziger Jahren dieses
Jahrhunderts, wurde dieser Unterschied nicht gebührend beachtet. Man
sah den Cupolofen etwa wie einen jüngeren, kleineren Bruder des
Hochofens an und construirte ihn demzufolge im Wesentlichen nach
denselben Regeln als diesen; die Folge davon war, dass der Brennstoff
vor den Formen grossentheils zu Kohlenoxyd verbrannt wurde, und
man die dreifache Menge Brennstoff als bei einem zweckmässiger con-
struirten Ofen gebrauchte. Noch heute findet man bisweilen auf einsam
liegenden Eisenhütten Cupolöfen, welche eher Gaserzeugern als Schmelz-
öfen gleichen, und deren lange blaue Gichtflamme unverkennbar den
grossen Kohlenoxydgehalt des austretenden Gasgemisches verräth.


Zur Lösung jener Aufgabe, vor den Formen Kohlensäure statt
Kohlenoxyd zu erzeugen, ist die Erfüllung nachfolgender Bedingungen
erforderlich.


Anwendung dichter Brennstoffe (vergl. S. 18). Holzkohlen
liefern daher — im Gegensatze zum Hochofenbetriebe — in allen Fällen
ungünstigere Ergebnisse als Koks.


Rasches Aufsteigen der Gase, um eine allzu lange aus-
gedehnte Berührung mit den entgegen rückenden Brennstoffen und
eine dadurch beförderte Reduction von Kohlensäure zu Kohlenoxyd auf
Kosten des Brennstoffes zu vermeiden; also rascher Schmelzgang,
herbeigeführt durch reichlich zugeführte Windmengen.


Mässige Höhe des Ofens, ebenfalls zur Vermeidung einer allzu
ausgedehnten Berührung zwischen Gasen und Brennstoff.


[605]Die Cupolöfen.

Schwache Pressung und reichliche Vertheilung des
einströmenden Windes.
Die Wirkung dieses Mittels hinsichtlich
der reichlicheren Kohlensäurebildung wurde auf S. 18 erläutert. Es
kommt hinzu, dass bei gleicher Arbeitsleistung der Betriebsmaschine
das Gebläse um so reichlichere Windmengen liefern wird, je geringer
die Windspannung ist; reichliche Windmengen aber befördern nach
Obigem ebenfalls die Brennstoffausnutzung. Die Ausflussquerschnitte
aus der Windleitung müssen so reichlich bemessen sein, dass die in
der Leitung messbare Spannung fast nur durch den Widerstand, welchen
die Gase im Ofen selbst finden, hervorgerufen wird. 0.04 kg Wind-
spannung per qcm (40 cm Wassersäule) dürfte die höchste zweck-
mässigerweise anzuwendende Pressung beim Cupolofenbetriebe sein.


Nachtheilig ist Erhitzung des Gebläsewindes, da sie die
Verbrennung zu Kohlenoxyd befördert (S. 14, 16). Der geringen Er-
sparung an Brennstoff, welche durch die vom heissen Winde zugeführte
Wärme erreicht wird, steht der grössere Mehrverbrauch durch reich-
lichere Kohlenoxydgasbildung gegenüber. Nach der Einführung der Wind-
erhitzung bei Hochöfen ging man, angespornt durch die hierbei er-
langten günstigen Ergebnisse und befangen in unklaren Anschauungen
über die eigentliche Wirkungsweise des heissen Windes, vielfach daran,
auch bei dem Cupolofenbetriebe dieses Mittel anzuwenden; aber bald
überzeugte man sich von der Zwecklosigkeit desselben, welche um so
deutlicher hervortrat, je mehr man lernte, durch Befolgung der in
Vorstehendem aufgeführten Regeln den früheren hohen Brennstoffver-
brauch der Cupolöfen auf ein geringeres Maass abzumindern.


Wie beim Hochofenbetriebe kennzeichnet die Zusammensetzung
der Gichtgase eines Cupolofens die stattgehabte Ausnutzung des Brenn-
stoffes. Zur Veranschaulichung des über den Einfluss der Windführung
auf die Brennstoffausnutzung Gesagten möge daher eine Gegenüber-
stellung von Gichtgas-Analysen einiger älterer und neuerer Cupolöfen
dienen. Die älteren Oefen waren, wie schon oben erwähnt wurde, ähn-
lich den Hochöfen mit engen Windeinströmungen versehen, wurden mit
stark gepresstem Winde und verhältnissmässig geringen Windmengen be-
trieben; die neueren Oefen waren den oben entwickelten Grundsätzen
gemäss eingerichtet. Sämmtliche Cupolöfen wurden mit Koks betrieben.



[606]Das Umschmelzen und die Reinigung des Roheisens.
Constructionsregeln für Cupolöfen.

Form und Querschnitt des Schachtes. Auf die Schacht-
form eines Cupolofens kommt nicht gerade viel an. Die einfachste
Form ist der Cylinder; bisweilen jedoch giebt man dem Schachte die
Form eines abgestumpften Kegels, d. h. man macht den Gichtdurch-
messer ein wenig kleiner als den Durchmesser im unteren Theile, um
das Aufhängen sperriger Roheisenstücke an den Wänden zu erschweren.
Nicht selten auch findet man Cupolöfen, deren Schacht unten, ähnlich
wie bei Hochöfen, verengt ist (vergl. u. a. die Abbildung Fig. 149),
theils um das Vordringen des Windes bis zur Mitte des Ofens zu
erleichtern, theils auch, um hier, wo die Schachtsteine am raschesten
wegschmelzen, eine etwas grössere Steinstärke zu erhalten. Bei sehr
weiten Oefen empfiehlt sich ein oblonger Querschnitt mit den Wind-
einströmungsöffnungen an den beiden Langseiten, damit der Wind gleich-
mässiger bis zur Mitte vordringe.


Als erforderlichen Schachtquerschnitt im Schmelzraume, um per
Stunde
1000 kg Roheisen zu schmelzen, kann man rechnen:


bei vorzüglichen Koks und raschem Schmelzgange (reichlichen
Windmengen) 700 qcm;


bei mittelguten Koks und weniger raschem Schmelzgange 800 bis
1000 qcm;


unter noch ungünstigeren Verhältnissen 1100—1400 qcm.


Ein geringerer Schachtdurchmesser als 0.5 m im Innern ist jedoch
in keinem Falle zweckmässig, da es kaum möglich sein würde, Repa-
raturen eines solchen Ofens vorzunehmen.


Grösse und Anordnung der Windeinströmungen. Für
die Grösse derselben kann man ⅛—½ des engsten Schachtquer-
schnittes rechnen, ohne fürchten zu müssen, zu viel zu thun; ihre
Anordnung, d. h. die Vertheilung der einzelnen Oeffnungen im Ofen
kann eine ausserordentlich mannigfaltige sein, und die zahlreichen so-
genannten Cupolofensysteme, welche im Laufe der Jahre in die Praxis
eingeführt wurden, unterscheiden sich gewöhnlich im Wesentlichen nur
durch diese verschiedene Anordnung der Windeinströmungen. Besondere
Vorzüge des einen oder andern Systems sind dabei kaum zu erkennen,
sofern nur der oben gegebenen allgemeinen Regel: reichlicher Quer-
schnitt und reichliche Vertheilung des Windstromes genügt wird. Bei
einzelnen Cupolöfen gelangt der Wind durch einfache kreisrunde Oeff-
nungen in den Ofen; bei anderen sind zwei Reihen solcher Oeffnungen
in Abständen von 0.5—1 m über einander angebracht; noch andere
Oefen haben längliche Schlitze als Einströmungen mit geringer Breite
und bedeutender Höhe, wodurch allerdings die Vertheilung des Windes
auf einen grossen Raum erleichtert wird; u. s. f. Die unten gegebenen
Beispiele ausgeführter Cupolöfen werden einzelne dieser Anordnungen
näher erläutern.


Höhe des Ofens. Dieselbe soll erfahrungsmässig nicht unter
2.5 m oberhalb der Windeinströmungen betragen, während auch bei
grossen Oefen eine grössere Höhe als 4 m kaum als zweckmässig
[607]Construction der Cupolöfen.
erscheinen dürfte, sofern die übrigen Abmessungen des Ofens richtig
bemessen sind.


Herd (Sammelraum für das geschmolzene Roheisen). Derselbe
wird entweder in gleicher Weise wie bei Hochöfen mit geschlossener
Brust unmittelbar unter den Windöffnungen angeordnet; oder man
bringt neben dem Schachte einen sogenannten Vorherd an (vergl. unten
Fig. 149), in welchem die geschmolzenen Massen sich sammeln. Letztere
Einrichtung, von Krigar eingeführt, empfiehlt sich besonders dann,
wenn grosse Mengen Roheisen angesammelt werden sollen, ehe zum
Abstiche geschritten wird; der Schmelzprocess im Ofenschachte bleibt
alsdann ganz unbeeinflusst von dem höheren oder niedrigeren Stande
des Roheisens im Herde. Das an der tiefsten Stelle des Herdes befind-
liche Stichloch pflegt 50—90 cm über dem Fussboden der Hütte an-
gebracht zu werden. Soll, wie in den Eisengiessereien, das ausfliessende
Roheisen in einer Giesspfanne aufgefangen werden, so pflegt man eine
mit Lehm ausgekleidete eiserne Rinne vor dem Stichloche zu befestigen,
unter welche die Pfanne gestellt wird.


Ofenmantel und Schachtfutter. Kühlungen. Man pflegt
den Ofen mit einem Mantel zu umgeben, der, besonders bei kreis-
rundem Querschnitte des Ofens, am geeignetsten aus Eisenblech von
etwa 10 mm Stärke gefertigt wird. Die Stärke des, gewöhnlich aus
feuerfesten Thonziegeln gefertigten, Schachtfutters pflegt mindestens
150 mm, häufiger 200—400 mm im Schmelzraume zu betragen. Die
Zeitdauer, während welcher der Cupolofen im Betriebe erhalten wird,
spricht hierbei mit. Cupolöfen der Eisengiessereien pflegen täglich nur
einige Stunden im Betriebe zu sein und dann abzukühlen; Cupolöfen
der Bessemerwerke sollen mehrere Tage und Nächte hindurch im Be-
triebe bleiben. Erstere erhalten deshalb gewöhnlich schwächere Schacht-
stärken als letztere.


Kühlungen, ähnlich den Kühlungen der Hochöfen, sind bislang
nur vereinzelt zur Anwendung gebracht, obwohl sich mit grosser
Wahrscheinlichkeit annehmen lässt, dass die Kosten derselben durch
die längere Haltbarkeit der Ofenfutter bald ausgeglichen sein würden.
Dagegen wurde im Eisenwerke Gröditz vor mehreren Jahren ein Cupol-
ofen angelegt, dessen Schmelzraum, ohne Anwendung von Steinen,
nur aus gekühltem Eisenblech hergestellt war. 1) Zu diesem Zwecke
war der wasserdicht vernietete Eisenblechcylinder, welcher den Schmelz-
raum bildete, concentrisch von einem zweiten Eisenblechcylinder um-
geben, so dass zwischen beiden ein Zwischenraum von 90 mm blieb,
und dieser Zwischenraum war mit ununterbrochen zu- und abfliessen-
dem Wasser ausgefüllt. Die Höhe des gekühlten Theiles betrug 1.25 m;
darüber befand sich ein aus nicht gekühlten Gusseisensegmenten von
□ förmigem Querschnitte hergestellter Aufsatz von 1.35 m Höhe; der Herd
dagegen war, wie es zur Vermeidung einer raschen Abkühlung des
sich sammelnden Roheisens zweifellos erforderlich ist, aus feuerfesten
Thonziegeln hergestellt. Als Windeinströmungen dienten cylindrische
Hülsen, welche durch den Kühlraum hindurch gingen und selbstver-
[608]Das Umschmelzen und die Reinigung des Roheisens.
ständlich wasserdicht mit den Wänden desselben verbunden waren.
Der Wasserbedarf betrug bei einem inneren Durchmesser des Ofens
von 700 mm 65 l per Minute und die Temperatur des Kühlwassers stieg
dabei um 20—25 Grad. Der Ofen war mehrere Jahre hindurch mit
befriedigendem Erfolge in Anwendung, bis er wegen Abbruchs des
betreffenden Giessereigebäudes ebenfalls ausser Anwendung kam.


Eine im Wesentlichen ganz gleiche Einrichtung eines wasser-
gekühlten Cupolofens, wie sie soeben beschrieben wurde und seit 1878
schon in Gröditz in Anwendung war, ist neuerdings in Oesterreich
und Deutschland patentirt worden. 1).


Beispiele verschiedener Cupolofenformen.

Einen Cupolofen der einfachsten Art stellen die Abbildungen
Fig. 149—152 dar (Cupolofen zu Königin-Marienhütte bei Zwickau).
Der Wind strömt durch vier in der Schachtmauerung ausgesparte Oeff-
nungen in den Ofen. Bei a ist die Einfüllöffnung für die Schmelz-
materialien; dieselbe liegt höher über den Windeinströmungen als sonst
üblich, eine Einrichtung, welche in dem vorliegenden Falle allerdings
eine günstigere Ausnutzung des Brennstoffes herbeigeführt haben soll.
Das geschmolzene Roheisen sammelt sich in einem Krigar’schen Vor-
herde, dessen Einrichtung ohne Weiteres verständlich sein wird. b b b
sind Oeffnungen in der Seitenwand des Vorherdes, zum Ablassen der
Schlacke beim allmählichen Ansteigen des Roheisens bestimmt. c ist die
Stichöffnung, d eine Oeffnung, durch welche nöthigenfalls eine Stange
in den Vorherd geschoben werden kann, um den Kanal zwischen Ofen-
schacht und Vorherd frei zu halten. Durch einen eingesetzten Stein
wird dieselbe verschlossen gehalten. An der Rückseite des Ofens be-
findet sich die zum Einsteigen in den Ofenschacht dienende Oeffnung e,
welche während des Betriebes vermauert ist und erst nach dem Kalt-
legen des Ofens geöffnet wird.


Beachtenswerth ist die Einrichtung der Düsenvorrichtungen dieses
Cupolofens (in Fig. 151 und 152 in grösserem Maassstabe gezeichnet).
Von dem rings um den Ofen herum geführten Vertheilungsrohre f aus
sind die vier Düsenständer abgezweigt, welche von Consolen, an dem
Blechmantel des Ofens befestigt, getragen werden. Durch eine kreis-
runde Oeffnung in jedem Düsenständer gelangt der Wind in das kurze
Düsenstück g, welches jedoch nicht an den ersteren angegossen ist,
sondern mit einem aus zwei Hälften verschraubten Ringe denselben
umschliesst. Will man zur Form gelangen, um eine Reinigung der-
selben vorzunehmen oder zu einem andern Zwecke, so dreht man das
Düsenstück zur Seite; hierdurch aber wird selbstthätig der Wind ab-
gesperrt, da der Ring, an welchem das Düsenstück sitzt, nunmehr die
Auslassöffnung aus dem senkrechten Düsenständer schliesst. Umgekehrt
erhält der Wind sofort wieder Zulass, sobald das Düsenstück in seine
richtige Stellung zurückgedreht ist.


Statt der einzelnen Düsenständer für jede Windeinströmungsöffnung
benutzt man häufig einen rings um den Ofen herumlaufenden und mit
[][]

[figure]

[]

[figure]

[][609]Beispiele verschiedener Cupolofenformen.
demselben verbundenen Vertheilungskanal, welcher durch jene Oeff-
nungen unmittelbar in das Ofeninnere mündet. Falls der Ofen mit
einem Blechmantel versehen ist, pflegt man jenen Kanal ebenfalls aus
Eisenblech zu fertigen und an den Mantel anzunieten. Eine solche

Figure 109. Fig. 153.


Figure 110. Fig. 154.


Anordnung ist um so bequemer, je grösser die Zahl der Windein-
strömungen ist. Einen derartigen Cupolofen mit herumlaufendem, an
den Blechmantel angenietetem Vertheilungskanale zeigen die Abbil-
dungen Fig. 153 und 154.


Der Ofen hat zwei Reihen Windöffnungen über einander, eine
Ledebur, Handbuch. 39
[610]Das Umschmelzen und die Reinigung des Roheisens.
Einrichtung, welche zuerst von dem Engländer Ireland eingeführt
und dann später bei zahlreichen Cupolöfen zur Anwendung gebracht
worden ist. Sie ermöglicht die Anbringung zahlreicherer Oeffnungen
als eine einzelne Reihe und befördert unmittelbar die Ausbreitung des
Windes auf einen grösseren Raum. Bei dem abgebildeten Ofen ent-
hält die untere Reihe drei grössere, die obere sechs kleinere Oeff-
nungen. Das Verhältniss des Querschnittes der unteren und oberen
Oeffnungen findet man mitunter derartig bemessen, dass sämmtliche
Oeffnungen der oberen Reihe zusammen den halben Querschnitt sämmt-
licher unterer Oeffnungen besitzen; ein etwas geringerer Querschnitt
der oberen Reihe im Vergleiche zu derjenigen der unteren dürfte jeden-
falls zweckmässig sein. Dass bei dem abgebildeten Ofen die oberen
Oeffnungen quadratischen, die unteren kreisrunden Querschnitt besitzen,
ist nebensächlich.


Ausserdem empfiehlt sich eine Theilung des Vertheilungskanales
durch eine Scheidewand in eine obere und untere Hälfte, damit man
im Stande sei, beim Anblasen des Ofens zunächst allein durch die
unteren Oeffnungen zu blasen. Indem man hierbei die Verbrennung
auf den unteren Theil des Ofens beschränkt, wärmt man denselben
stärker an und verhütet leichter eine Abkühlung des später ankom-
menden flüssigen Roheisens. Die Abbildung lässt diese Einrichtung
erkennen. Der Wind gelangt durch das Rohr a von aussen in die
untere Abtheilung des Vertheilungskanales, durch das mit Drossel-
klappe versehene Rohr b in die obere Abtheilung.


Damit man die Vorgänge im Innern beobachten und nöthigenfalls
Reinigungen der Windöffnungen vornehmen könne, ist hinter jeder der
letzteren in der Aussenwand des Vertheilungskanales ein durch eine
Glimmerplatte verschlossenes Visir angebracht, welches sich öffnen lässt,
wenn eine Eisenstange eingeschoben werden soll. Fig. 154 lässt ver-
schiedene dieser Visire erkennen.


Die Oeffnung zum Einsteigen in den Ofen befindet sich in diesem
Falle an der Vorderseite. Sie wird während des Schmelzens wie ge-
wöhnlich vermauert, wobei unten eine entsprechend weite Stichöffnung
gelassen wird. Damit nicht der Druck des sich sammelnden Roheisens
die eingesetzten Steine aus ihrer Lage bringe, wird vor der Oeffnung
eine Eisenblechthür befestigt, an welcher hier eine Gussrinne aus Eisen-
blech angenietet ist. Die Thür wird von einem Stück Winkeleisen ge-
tragen, welches unterhalb derselben an den Blechmantel des Ofens
angenietet ist.


Eine eigenthümliche Art der Windvertheilung findet sich bei den
von H. Krigar in Hannover gebauten und nach demselben benannten
Cupolöfen, deren Einrichtung durch die Abbildung Fig. 155 ver-
anschaulicht ist (1/50 der wirklichen Grösse). Auch hier ist ein rings
um den Mantel des Ofens herum laufender Vertheilungskanal d ange-
ordnet; aus demselben aber gelangt der Wind nicht, wie bei dem
früher besprochenen Ofen, durch zahlreiche horizontal gerichtete Oeff-
nungen in den Ofen, sondern derselbe tritt zunächst durch zwei abwärts
führende Kanäle oder Schlitze f f, welche einander gegenüber angebracht
[611]Beispiele verschiedener Cupolofenformen.
sind, in breite überwölbte Oeffnungen, welche bis auf den Boden
herabgehen, und durch diese in das Innere. Die Breite jeder dieser
Oeffnungen und somit auch der Schlitze f f pflegt ⅙—⅕ des ganzen
inneren Ofenumfanges zu betragen, die Höhe der Oeffnungen schwankt
zwischen 400 und 700 mm, je nachdem der Ofen mit oder ohne Vor-
herd versehen ist.


Die Einrichtung des Vorherdes g unterscheidet sich nicht wesent-
lich von derjenigen des früher besprochenen Ofens Fig. 149. s und t
sind auch hier Oeffnun-
gen zum Ablassen der
Schlacke. Vorn ist der
Vorherd des abgebilde-
ten Ofens durch eine
Thür o verschlossen, an
welcher die Gussrinne p
befestigt ist. q und r
sind Visire mit Glimmer-
platten.


Eigenthümlich ist
bei diesem Ofen die Ein-
richtung des Bodens un-
ter dem Schmelzraume.
Derselbe besteht aus
einem stark gegossenen
Gusseisenrahmen n, an
welchem der Eisenblech-
mantel des Ofens be-
festigt ist und welcher
durch die gusseiserne
Rückwand m des Vor-
herdes und zwei kurze
Gusseisensäulen getra-
gen wird (von denen nur
die eine in der Abbil-
dung sichtbar und mit m
bezeichnet ist). In der
Mitte des Rahmens n
befindet sich eine Oeff-
nung, deren Durchmesser
ungefähr dem inneren

Figure 111. Fig. 155.


Durchmesser des Ofenschachtes entspricht. Eine Klappe k, durch einen
Riegel oder Vorreiber festgehalten, schliesst während des Schmelzens
die Oeffnung; und eine Lage festgestampfter und getrockneter Masse,
aus welcher, wie gewöhnlich, die Herdsohle hergestellt ist, schützt die
Klappe vor dem Glühendwerden. Nach Beendigung des Schmelzens
wird der Verschluss der Klappe gelöst, dieselbe schlägt auf und alle
noch im Ofen befindlichen glühenden Massen, welche sonst durch lange
eiserne Haken durch die Thür des Ofens entfernt werden müssen,
stürzen heraus.


39*
[612]Das Umschmelzen und die Reinigung des Roheisens.

Der Krigar’sche Cupolofen hat seit Mitte der sechziger Jahre,
wo er in die Praxis eingeführt wurde, eine häufige Anwendung in
und ausserhalb Deutschlands gefunden.


Die Gebläse der Cupolöfen.

Der Cupolofen bedarf, um einen befriedigenden Erfolg zu liefern,
reichlicher Windmengen von schwacher Pressung. Verschiedene Ge-
bläsesysteme sind geeignet, diese Aufgabe zu erfüllen.


Das Cylindergebläse, zur Beschaffung grosser und zugleich
stark gepresster Windmengen, wie sie u. a. der Eisenhochofen ver-
langt, allein brauchbar, ist doch kostspielig in seiner Anlage, erfordert
reichlichen Platz für seine Aufstellung, und die Ausnutzung der von
der Betriebsmaschine zu leistenden Arbeit wird ungünstiger, wenn die
erforderliche Windspannung auf jenes für Cupolöfen übliche Maass
sinkt. Der Grund hierfür liegt in dem Umstande, dass die zu überwinden-
den Reibungswiderstände, welche in jedem Falle ziemlich beträchtlich
sind, annähernd unverändert bleiben, gleichviel ob starke oder schwache
Verdichtung des Windes stattfindet; bei starker Verdichtung, welche
einen grösseren Aufwand mechanischer Arbeit erheischt, bildet dem-
nach die Ueberwindung jener Reibungswiderstände einen geringeren
Theil der gesammten zu leistenden Arbeit als bei schwacher Ver-
dichtung.


Aus diesen Gründen ist mit vollem Rechte das Cylindergebläse
zum Betriebe der Cupolöfen von Eisengiessereien nur sehr vereinzelt
in Anwendung. Hier, wo der Betrieb nur periodisch stattfindet und
das Gebläse während der Nacht in allen Fällen, häufig auch während
der grösseren Zeit des Tages zu stehen pflegt, kommt auch jener Ver-
zug des Cylindergebläses, die grosse Dauerhaftigkeit desselben im Ver-
gleiche zu anderen Gebläsesystemen, wenig in Betracht.


Häufiger findet man, eben dieses Vorzuges halber, Cylindergebläse
in solchen Fällen, wo ein andauernder Betrieb bei Tag und Nacht erfor-
derlich ist: zum Umschmelzen des Roheisens in Bessemerhütten und
in ähnlichen Fällen. Immerhin bleibt zu erwägen, dass auch in solchen
Fällen die Kosten der Anlage zweier anderer, einfacherer Gebläse,
deren eins als Reserve bei vorkommenden Beschädigungen zu dienen
bestimmt wäre, noch bei Weitem nicht die Kosten eines einzigen Cylin-
dergebläses von gleicher Leistungsfähigkeit erreichen würden.


Centrifugalgebläse, gewöhnlich Ventilatoren genannt, bilde-
ten in den sechziger Jahren und noch bis gegen die Mitte der sieben-
ziger Jahre das zum Betriebe der Cupolöfen in Eisengiessereien am
häufigsten benutzte Gebläse. Bekanntlich bestehen dieselben aus einem
mit grosser Geschwindigkeit (mitunter 100 m per Secunde) umlaufen-
dem Flügelrade innerhalb eines Gehäuses, an dessen Umfange sich ein
tangential gegen denselben gerichteter Auslass für die Luft befindet,
während durch Oeffnungen rings um die Achse des Flügelrades herum
frische Luft zutreten kann. Vermöge der Centrifugalkraft wird die Luft
innerhalb des Gehäuses an dem Umfange desselben verdichtet und aus
[613]Die Gebläse der Cupolöfen.
dem erwähnten Auslasse hinausgedrückt, während in der Nähe der
Achse frische Luft nachströmt.1)


Je geringer die zu erzeugende Windspannung ist, desto günstiger
ist der Wirkungsgrad der Centrifugalgebläse, desto vortheilhafter ist
ihre Anwendung. Die Windspannung aber, welche ein solches Gebläse
zu erzielen vermag, ist lediglich abhängig von der Umlaufsgeschwindig-
keit der Flügel und unabhängig von der Grösse des Ausflussquerschnittes.
Nur wenige Centrifugalgebläse vermögen höhere Windspannungen als
30 cm Wassersäule zu liefern; bei vielen bleibt die erreichbare Wind-
spannung nicht unerheblich hinter dieser Ziffer zurück. Mit wachsen-
der Umlaufsgeschwindigkeit der Flügel steigt auch die Gefahr, dass
durch ihre Centrifugalkraft eine Zertrümmerung der Maschine herbei-
geführt werde, ein Vorgang, durch welchen Menschenleben bedroht
werden können. Für rasches Schmelzen im Cupolofen, welches in Rück-
sicht auf den grösseren Widerstand, den die Gase beim Durchdringen
der Schmelzsäule finden, immerhin Windspannungen von mindestens
30 cm Wassersäule erforderlich macht, eignen sich deshalb Centrifugal-
gebläse nicht; bei lange andauerndem Betriebe pflegen häufige Repara-
turen erforderlich zu werden. In Bessemerhütten sind sie aus diesem
Grunde wenig oder gar nicht in Gebrauch. Ihre Anlagekosten aber
sind geringer als die aller übrigen Gebläse; und dieses ist der Grund,
weshalb sie trotz jener Mängel in Eisengiessereien mit beschränkter
Schmelzzeit auch jetzt noch vielfach in Anwendung sind.


Das Kapselgebläse oder Roots’sche Gebläse enthält zwei in
entgegengesetzter Richtung innerhalb eines gusseisernen Gehäuses um-
laufende Flügel, welche sich dicht an die Gehäusewand anlegen und
somit die vor ihnen befindliche Luft vor sich her und aus einem ent-
sprechend angeordneten Auslassstutzen hinaus drücken.2) Sie sind roti-
renden Kolben vergleichbar; und die Wirkung dieses Gebläses beruht
demnach nicht, wie die des Centrifugalgebläses, auf der durch grosse
Geschwindigkeit des Umlaufes erzeugten Verdichtung des Windes,
sondern sie ist, wie die eines Cylindergebläses abhängig von dem
räumlichen Inhalte des Gebläses, der Bewegungsgeschwindigkeit der
Flügel und der Dichtigkeit der Anschlüsse zwischen Gehäusewand und
Flügel. Hierdurch kommt der Hauptübelstand der Centrifugalgebläse,
die erforderliche ausserordentlich grosse Umfangsgeschwindigkeit, in
Wegfall. Das Kapselgebläse liefert auch bei mässiger Umfangsgeschwin-
digkeit (200—300 Umgänge per Minute) grössere Windspannungen als
das Centrifugalgebläse; aber allerdings verringert sich mit zunehmender
Windspannung der Wirkungsgrad dieses Gebläses nicht unerheblich,
da ein so dichter Abschluss zwischen den Flügeln unter sich wie mit
der Gehäusewand als zwischen dem Kolben und der Cylinderwand
eines Cylindergebläses niemals zu erreichen ist, und die Windverluste
[614]Das Umschmelzen und die Reinigung des Roheisens.
demnach mit der Windspannung sich steigern. Für einen Hochofen-
betrieb wird das Kapselgebläse deshalb niemals das Cylindergebläse
ersetzen können; beim Cupolofenbetriebe in Bessemerhütten kann es,
zumal wenn ein Reservegebläse vorhanden ist, an Stelle des Cylinder-
gebläses recht wohl benutzt werden, und es gewährt hierbei den Vor-
theil geringerer Anlagekosten und geringerer Raumbeanspruchung; in
den Eisengiessereien hat es mit voller Berechtigung das ältere Centri-
fugalgebläse bereits vielfach verdrängt.


Eine Berechnung der vom Gebläse gelieferten Wind-
menge
ist beim Cupolofenbetriebe nur möglich, wenn man die Menge
des per Minute verbrannten Kohlenstoffs und die Zusammensetzung
der Gichtgase als Mittel für die Berechnung benutzt. Eine Berechnung
aus Windspannung und Einströmungsquerschnitt würde hier, wo die
Windspannung zum allergrössten Theile durch die Gasspannung im
Ofeninnern hervorgerufen wird, vollständig falsche, unbrauchbare Er-
gebnisse liefern. Nach Fischer’s oben mitgetheilten Analysen der
Cupolofen-Gichtgase kann man annehmen, dass dieselben bei den Oefen
der Jetztzeit durchschnittlich 21 Gewichtstheile Kohlensäure, 5.3 Ge-
wichtstheile Kohlenoxyd und 73.7 Gewichtstheile Stickstoff enthalten.
Aus dem Verhältnisse des Kohlensäure- zum Kohlenoxydgehalte würde
sich als erforderliche Luftmenge zur Verbrennung von 1 kg Kohlenstoff
7¾ cbm ergeben; aus dem Verhältnisse des Stickstoff- zum Kohlen-
stoffgehalte dagegen würden sich 9.1 cbm ergeben. Im Durchschnitte
wird man also rechnen können, dass im Cupolofen per 1 kg ver-
brannter Kohle
(natürlich excl. Asche, Wasser u. s. w.) 8.5 cbm
atmosphärischer Luft vom Gebläse zugeführt werden müssen.


Der Betrieb der Cupolöfen.

Derselbe ist ziemlich einfach. Nachdem der Schacht und Herd
reparirt worden sind, entzündet man auf dem Boden des Herdes ein
Feuer aus Holz, Torf oder dergleichen, schüttet dann allmählich Koks
in die Gluth, damit auch diese sich entzünden, und füllt nun den Ofen
bis etwa zur Hälfte seiner Höhe mit Koks. Durch das noch offene Stich-
loch, sowie durch etwa offen gelassene Visiröffnungen kann inzwischen
von aussen her Luft zuströmen, um das Feuer zu unterhalten. Sind die
Koks vor den Windöffnungen in volle Gluth gekommen, so kann der Ofen
mit abwechselnden Gichten von Koks und Roheisen vollständig gefüllt
und dann das Gebläse angelassen werden. Man bläst sogleich mit voller
Spannung. Das Stichloch bleibt vorläufig noch geöffnet, damit ein Theil
der Gase hier entweiche und den Herd anwärme. Erst wenn das Roh-
eisen anfängt auszufliessen, wird das Stichloch geschlossen.


Jeder Koksgicht giebt man eine gewisse Menge zu feinen Stücken
zerpochten Kalksteines bei, um die Koksasche und den an den Roh-
eisenstücken haftenden Sand zu verschlacken. Die Menge des Zuschlag-
kalksteines kann per Gewichtstheil Koksasche zwei bis zwei und einhalb
Gewichtstheil Kalkstein betragen. Dass bei zu geringem Kalkstein-
zuschlage das Roheisen leicht Schwefel aus dem Brennstoffe aufnimmt,
wurde schon früher erwähnt.


Das Verhältniss zwischen Roheisen- und Koksgichten richtet sich
[615]Flammöfen.
nach der Beschaffenheit der Koks, der Einrichtung des Ofens, der
Windführung und der Ueberhitzung, welche das geschmolzene Roh-
eisen erhalten soll. In den günstigsten Fällen kann man 20 Gewichts-
theile Roheisen mit 1 Gewichtstheil Koks schmelzen; häufiger beträgt
der Roheisensatz nur das 10—15 fache vom Gewichte der Koks; dauert
das Schmelzen längere Zeit (in Bessemerhütten), so pflegt jenes Ver-
hältniss ungünstiger zu sein, als bei einem Schmelzen von wenigen
Stunden, wo die von den Füllkoks beim Beginne des Schmelzens ent-
wickelte reichliche Wärmemenge eine anfängliche starke Erhitzung des
ganzen Ofens herbeiführt, die alsdann auch dem Schmelzprocesse zu
Gute kommt. Fehlerhaft würde es deshalb sein, wenn man etwa, wie
beim Anblasen eines Hochofens, mit schwächeren Roheisengichten be-
ginnen und später den Satz steigern wollte.


Die zweckmässigste Grösse jeder einzelnen Koksgicht hängt vom
Gichtdurchmesser ab. Als passendes Verhältniss kann man per qm Gicht-
querschnitt einen einmaligen Kokssatz von 80 kg rechnen und den
Roheisensatz den oben besprochenen Verhältnissen entsprechend be-
messen. Die Erfahrung muss schliesslich für die zulässige Höhe des
Roheisensatzes den Ausschlag geben.


Mit dem Aufgichten von Koks, Roheisen und Kalkstein wird so
lange fortgefahren, als das Schmelzen währen soll. Alsdann bläst man
wieder, öffnet, wenn alles Roheisen geschmolzen ist, den Ofen, räumt
die noch rückständigen Koks (welche, nachdem sie mit Wasser gelöscht
wurden, zum Füllen wieder benutzt werden können) aus und lässt den
Ofen erkalten, um am folgenden Tage das Schachtfutter, die Herd-
sohle u. s. w. einer Reparatur zu unterziehen.


Die früher besprochene Oxydation einzelner Bestandtheile des
Roheisens sowie der stattfindende mechanische Verlust durch Ver-
spritzen des flüssigen Roheisens beim Abstechen u. s. w. erklären es,
dass das Gewicht des umgeschmolzenen Roheisens stets etwas geringer
ausfällt als dasjenige des aufgegichteten. Den entfallenden Gewichts-
unterschied pflegt man Abgang oder Abbrand zu nennen. Derselbe
beträgt unter verschiedenen Verhältnissen gewöhnlich 3—5 Proc. vom
ursprünglichen Roheisengewichte.


B. Flammöfen.

Die Einrichtung derselben entspricht im Wesentlichen der auf
S. 109—130 geschilderten Einrichtung der Flammöfen überhaupt. Wie
alle diese gestatten sie zwar die Anwendung unverkohlter Brennstoffe;
aber die Ausnutzung der Wärme ist erheblich ungünstiger als in Cupol-
öfen, in welchen die Gase den Ofen im fast abgekühlten Zustande ver-
lassen können, und der Kostenaufwand für den zum Betriebe erforder-
lichen Brennstoff pflegt deshalb nicht unerheblich höher zu sein als
in letzteren.


Während in den Cupolöfen das Schmelzen ununterbrochen fortgeht,
muss in einem Flammofen gewöhnlich die ganze Menge des zu schmel-
zenden Roheisens mit einem Male eingesetzt werden, und dasselbe
bleibt dann mehrere Stunden hindurch der Einwirkung der Flamme
preisgegeben, bis es vollständig geschmolzen ist. Nicht allein verliert
[616]Das Umschmelzen und die Reinigung des Roheisens.
hierdurch der Betrieb an Einfachheit, auch das Roheisen bleibt längere
Zeit als im Cupolofen der Einwirkung oxydirender Gase preisgegeben
und wird stärker dadurch beeinflusst.


Diese Umstände erklären es zur Genüge, dass, während die Anwen-
dung der Cupolöfen die Regel bei dem Schmelzen des Roheisens bildet,
die Anwendung von Flammöfen zu den Ausnahmen zählt. Man be-
dient sich ihrer in Eisengiessereien, wenn sehr grosse Gussstücke aus
einem graphitarmen Materiale hergestellt werden sollen; seltener noch
in den Bessemerhütten, wo ihre Anwendung sich nur dann recht-
fertigen lässt, wenn ein zum Flammofenbetriebe brauchbares, aber nicht
verkokungsfähiges Material (z. B. magere, gasreiche Steinkohlen, Braun-
kohlen) zu billigem Preise zur Verfügung steht, Koks dagegen kost-
spielig sein würden.


Da in den Eisengiessereien die Flammöfen auch da, wo sie vor-
handen sind, nicht regelmässig im Betriebe bleiben, sondern nur für
bestimmte Fälle stundenweise in Benutzung genommen und dann wieder
kalt gelegt werden, so beschränkt man sich bei ihrer Anlage gewöhn-
lich auf directe Feuerung (S. 110). Bicheroux- oder Boëtiusöfen (S. 122,
123) kommen mitunter, jedoch selten zur Anwendung; Siemensöfen
(S. 116), deren Vortheile erst nach Verlauf einer Zeit zur Geltung
kommen können, während welcher das Schmelzen in Oefen mit directer
Feuerung bereits beendigt zu sein pflegt, würden für Eisengiessereien
vollständig unpraktisch sein.


Ein solcher Flammofen mit directer Feuerung, wie er für
Eisengiessereien gewöhnlich angewendet wird, ist in den Abbildungen
Fig. 156—158 dargestellt.


Wie Fig. 157 erkennen lässt, befindet sich der Sammelraum für
das geschmolzene Roheisen unmittelbar hinter der Feuerbrücke, und
nach Beendigung des Schmelzens wird das flüssige Metall durch ein
an der vorderen Langseite des Ofens angebrachtes Stichloch (a in
Fig. 158) abgelassen. Das Einsetzen des Roheisens erfolgt durch die
Oeffnung b, welche alsdann mit Steinen zugesetzt wird, und zwar
bringt man die Roheisenstücke möglichst in die Nähe des Fuchskanales.
Das Roheisen fliesst dann beim Schmelzen auf der geneigten Sohle des
Herdes abwärts den Gasen entgegen, um sich an der schon bezeich-
neten Stelle zu sammeln. Damit die Sohle dieses Sammelherdes
(Sumpfes) gut vorgewärmt werde und das Roheisen während des Stehens
daselbst nicht abkühle, muss die gewölbte Decke des Ofens hier mög-
lichst tief herunter gezogen werden (Fig. 157), so dass auch die Flammen
gezwungen sind, nahe über der Sohle hinwegzuziehen. Die Erfüllung
dieser Bedingung ist unerlässlich; aber das Gewölbe leidet gewöhnlich
stark, wenn es allzu tief herunter geht, und muss deshalb mit besonderer
Vorsicht hergestellt werden. c ist eine kleine Thür, welche die Be-
obachtung des geschmolzenen Roheisens, das Losbrechen etwa ent-
standener Ansätze u. s. w. ermöglicht.


Bei dem abgebildeten Ofen lässt sich der Aschenfall durch eine
Klappe schliessen, wenn man mit Unterwind statt mit natürlichem Essen-
zuge arbeiten will. Das Rohr d dient alsdann zur Zuleitung des Ge-
bläsewindes. Die Einrichtung hat sich jedoch nur bewährt, wenn starke
Oxydationswirkungen beabsichtigt werden.


[][]
[figure]
[]
[figure]
[][617]Flammöfen.

Seltener findet man für Roheisenschmelzöfen in Eisengiessereien
eine Form ähnlich derjenigen, wie sie in Fig. 17 auf S. 110 dargestellt
ist, und bei welcher das geschmolzene Roheisen sich an der von der
Feuerbrücke am weitesten entlegenen Stelle unterhalb der Esse sammelt.
Die Esse befindet sich dann unmittelbar am Ende des Herdes, und
statt des Fuchses d führt eine in der Decke des Ofens angebrachte
Oeffnung in die Esse.


Als Constructionsregeln für derartige Flammöfen mit directer Feue-
rung lassen sich folgende Verhältnisszahlen annehmen:


Grösse der Herdfläche (von der Feuerbrücke bis zum Beginn des
Fuchses) per 1000 kg des in einem Einsatze zu schmelzenden Roh-
eisens 0.5—1 qm (bei Oefen mit kleinem Einsatze mehr, mit grossem
Einsatze weniger).


Länge des Herdes 3—4 m.


Grösse der gesammten Rostfläche ⅓ der Herdfläche.


Grösse des Flammenloches 0.5—0.7 der gesammten Rostfläche.


Fuchsquerschnitt = 1/9—1/10 der gesammten Rostfläche.


Essenquerschnitt an der engsten Stelle = ⅕ der gesammten
Rostfläche.


Essenhöhe ca. 25 m.


Die Zeitdauer des Schmelzens, vom Beginn des Anheizens an
gerechnet, pflegt 5—6 Stunden zu sein; verarbeitet man mehrere
Einsätze nach einander, so dass das Roheisen in den schon glühen-
den Ofen eingesetzt wird, so beschränkt sich die Schmelzzeit gewöhn-
lich auf 3—4 Stunden.


Am häufigsten benutzt man Steinkohlen als Brennmaterial. Auch
in den günstigsten Fällen wird der Brennstoffverbrauch zum Schmelzen
von 1000 kg Roheisen nicht weniger als 350 kg Steinkohlen betragen;
häufiger beziffert sich derselbe auf 500—700 kg; unter besonders
ungünstigen Fällen auf 1000 kg und darüber. Bei Anwendung von
Braunkohlen, Torf oder Holz würde der Brennstoffverbrauch in dem-
selben Maasse höher sein, als der Brennwerth derselben niedriger ist
(vergl. die betreffenden Angaben auf S. 29, 37, 41 u. s. w.).


Der Abbrand beim Flammofenschmelzen pflegt infolge der stärkeren
Oxydation höher als beim Cupolofenschmelzen zu sein und 5—7 Proc.
zu betragen.


Siemensöfen, welche unter besonderen, schon oben erörterten
Verhältnissen mitunter in Bessemerhütten zum Schmelzen des Roheisens
Verwendung finden, können in Rücksicht auf die Eigenthümlichkeiten
dieses Feuerungssystems nicht jenes unsymmetrische Profil wie der oben
abgebildete Flammofen mit directer Feuerung erhalten, sondern müssen
mit einem muldenförmigen Herde versehen sein, über welchen die
Flamme abwechselnd in der einen und andern Richtung hinzieht. Von
dem in Fig. 19—24 (S. 116) abgebildeten Siemensofen unterscheiden
sich diese Schmelzöfen im Wesentlichen nur durch die Form des Herdes,
welcher, wie erwähnt, muldenartig geformt ist und in der Bewegungs-
richtung der Flamme eine grössere Ausdehnung besitzt; letzterer Um-
stand bedingt dann auch eine etwas andere Führung von Gas und
[618]Das Umschmelzen und die Reinigung des Roheisens.
Luft, damit eine längere Flamme gebildet werde (vergl. die Bemerkungen
auf S. 115). Die in der dritten Abtheilung enthaltene Abbildung eines
Martinofens mit Siemensfeuerung (vergl. Martinprocess) wird noch besser
als die soeben erwähnte die Einrichtung eines solchen Schmelzofens für
Roheisen veranschaulichen.


Mehrere derartige Oefen sind im Teplitzer Bessemerwerke im Be-
triebe. Sie werden mit Braunkohlengas geheizt, welches zuvor durch
Condensation eines grossen Theils seines Wassergehaltes beraubt wurde
(S. 95). Jeder Ofen fasst 6.5 t Roheisen; die Herdlänge ist 3.8 m, die
Herdbreite 2.0 m. Das geschmolzene Eisen nimmt die ganze Herdbreite,
von der Länge dagegen nur 3 m ein und steht in der Mitte 0.3 m tief.
Die Regeneratoren für Luft enthalten 15.5 cbm, diejenigen für Gas
14.5 cbm. Die Gesammtrostfläche der Generatoren beträgt per Ofen
5—8 qm. Das Schmelzen der oben genannten Roheisenmenge währt,
wenn die Oefen einmal in Gluth sind, ca. 2 Stunden; in 24 Stunden
werden 8 Einsätze verarbeitet. 1) Der Brennstoffverbrauch zum Schmelzen
von 1000 kg Roheisen beträgt 450 kg Teplitzer Braunkohle (Nusskohle).


Beachtenswerth ist die bedeutende Verringerung des Mangan-
gehaltes des Roheisens in diesen Oefen. Ein (weisses) Roheisen mit
2 Proc. Mangan enthält nach dem Schmelzen nur noch 0.6 Proc.2)


C. Tiegelöfen.

Noch seltener als Flammöfen kommen Tiegelöfen zum Schmelzen
des Roheisens in Anwendung. Der Brennstoffverbrauch hierbei beträgt
mindestens das Zehnfache als beim Schmelzen in Cupolöfen; der Ver-
brauch an Tiegeln vertheuert fernerhin das Verfahren; die Menge des
in einem einzigen Tiegel zu schmelzenden Metalles aber ist beschränkt
und geht selten über 50 kg hinaus, so dass für grössere Schmelzen
auch eine grosse Anzahl Tiegel erforderlich sein würden. Diesen schwer
wiegenden Nachtheilen des Tiegelschmelzens vermag der Umstand, dass
die chemische Zusammensetzung des Roheisens weniger als bei anderen
Schmelzmethoden geändert wird, nur in Ausnahmefällen das Gegen-
gewicht zu halten. In der That findet das Tiegelschmelzen des Roh-
eisens nur bei einem einzigen Zweige des Eisenhüttenbetriebes, der in
der dritten Abtheilung besprochenen Darstellung sogenannten schmied-
baren Gusses, Verwendung; und auch hierbei ersetzt man in der Neuzeit
den Tiegelofen mehr und mehr durch den billiger arbeitenden Cupolofen.


Die einfachste und zum Roheisenschmelzen auch am häufigsten
angewendete Form eines Tiegelofens ist ein niedriger Schacht, unten
durch einen Rost abgeschlossen, auf dem die Tiegel stehen, um durch
die rings herum eingeschütteten Kohlen (Koks) erhitzt zu werden. Man
hat Oefen für einen und für mehrere Tiegel; da aber die Schwierig-
keit, eine gleichmässige Erhitzung mehrerer Tiegel zu erreichen, mit
ihrer Anzahl wächst, so geht man selten über vier bis fünf, fast niemals
über neun Tiegel hinaus. Der Querschnitt durch den Schacht ist kreis-
förmig, quadratisch oder oblong.


[619]Tiegelöfen.

Einen Tiegelschachtofen für zwei Tiegel zeigen die Abbildungen
Fig. 159 und 160.


Da die Temperatur unmittelbar über dem Roste, wo die kalte Luft
eintritt, verhältnissmässig niedrig ist, würde der Fuss des Tiegels, wenn
man ihn unmittelbar auf den Rost stellen wollte, kalt bleiben. Man
giebt deshalb jedem Tiegel einen Untersatz aus feuerfestem Thon, ge-

Figure 112. Fig. 159.


Figure 113. Fig. 160.


wöhnlich Käse genannt, dessen Höhe 7—10 cm betragen kann. Die
Höhe des Tiegelofens pflegt annähernd doppelt so gross zu sein als die
Höhe der Tiegel; die Weite wird derartig bemessen, dass zwischen
Tiegel und Ofenwand ein Raum von mindestens 60 mm bleibt. Der be-
quemeren Bedienung halber pflegt man die Oefen, wie die Abbildung
zeigt, vertieft in den Boden einzubauen, so dass nur die Gichtöffnung um
[620]Das Umschmelzen und die Reinigung des Roheisens.
einige Centimeter aus demselben hervorragt. Damit in diesem Falle der
Luftzug unter den Rost nicht leide, muss neben dem Ofen ein aus-
reichend weiter Schacht angebracht sein, von welchem aus der Aschen-
fall zugänglich ist und welcher zugleich die Bedienung des Rostes ermög-
licht. Um Unglücksfälle durch Hineinfallen von Personen zu verhüten,
deckt man den Schacht gewöhnlich mit durchbrochenen Gusseisenplatten
ab, welche sich leicht entfernen lassen.


Oberhalb der Tiegel befindet sich in der Rückwand des Ofens der
Fuchskanal, welcher die Gase entweder nach einer unmittelbar hinter
dem Ofen stehenden Esse oder nach einem für mehrere Oefen gemein-
schaftlichen Essenkanale — wie in der Abbildung — führt. Bei Oefen
mit oblongem Grundrisse vertheilt man, um eine gleichmässigere Ver-
brennung zu erzielen, die Gase gern in zwei oder noch mehr Fuchs-
kanäle, wie bei dem abgebildeten Ofen, so dass hinter je einem Tiegel
oder einer Tiegelreihe sich ein solcher Fuchs befindet. Der Querschnitt
der sämmtlichen zu einem Ofen gehörenden Füchse pflegt ⅛—¼ des
Ofenquerschnittes zu betragen.


Damit nicht durch die Gichtöffnung Luft nach dem Fuchse hin
angesaugt werde, hierdurch den Essenzug schwäche und eine Ver-
brennung der Kohlen schon im oberen Theile des Ofens herbeiführe,
deckt man jene Oeffnung durch einen Deckel ab, welcher aus einem
Gusseisenrahmen mit eingesetzten feuerfesten Steinen zu bestehen pflegt.
Bei kleineren Oefen hebt man ihn, wenn Brennmaterial nachgeschüttet
oder der Tiegel herausgenommen werden soll, vermittelst einer Hand-
habe ab; bei grösseren Oefen richtet man ihn zum Aufklappen ein und
befestigt an der vorderen Seite eine über eine Rolle geführte Kette mit
Gegengewicht, durch welches das Gewicht der Klappe ausgeglichen wird.


Bei der geringen Höhe, welche die Tiegelöfen besitzen, genügt in
allen Fällen die Wirkung einer Esse, den erforderlichen Luftzug her-
vorzubringen; aber damit dieselbe ihren Zweck erfülle, muss sie minde-
stens 10 m, besser 15 m hoch und ihr Querschnitt gleich ⅙—⅓ des
Ofenquerschnittes sein. Durch Anbringung eines Registers lässt sich
eine zu kräftige Wirkung der Esse abmindern; bei zu schwachem
Essenzuge geht das Schmelzen langsam von Statten, die Kohlenoxyd-
bildung wird vermehrt, die Temperatur im Ofen bleibt niedrig, und
der Brennstoffverbrauch ist hoch.


Bei den feststehenden Tiegelöfen, wie sie soeben besprochen wurden,
muss der Tiegel, nachdem das Metall geschmolzen und die Brennstoff-
schicht entsprechend weit gesunken ist, mit Hilfe einer Zange aus der
Gicht des Ofens herausgehoben werden, um alsdann nach dem Orte
seiner Bestimmung getragen und hier entleert zu werden. Diese Arbeit
ist nicht allein umständlich, sondern sie bewirkt auch eine rasche
Abnutzung der Tiegel theils durch die mechanische Einwirkung der
Zange, theils durch die rasche Abkühlung nach dem Ausgiessen. Zweck-
mässiger in solchen Fällen, wo nur ein einziger Tiegel in den Ofen
eingesetzt wird, ist deshalb ein von dem Franzosen Piat construirter
tragbarer Tiegelofen, in welchem der Tiegel feststeht, und aus welchem
die Entleerung bewirkt wird, ohne dass der Tiegel herausgenommen
wird. Fig. 161 zeigt die Einrichtung eines solchen Ofens im Innern,
Fig. 162 die Handhabung beim Giessen. Der Ofen ist mit einem Eisen-
[621]Tiegelöfen.
blechmantel eingefasst, und an demselben ist ein starkes, rings herum
laufendes Schmiedeeisenband befestigt, welches zwei einander diagonal
gegenüberstehende starke Zapfen trägt. Mit denselben hängt der Ofen,
wie Fig. 161 erkennen lässt,
während des Schmelzens in
gusseisernen Lagerböcken,
sofern man nicht vorzieht,
ihn auf einen gemauerten
Untersatz zu stellen; beim
Tragen und Ausgiessen aber
dienen die Zapfen, deren En-
den zu diesem Zwecke vier-
kantig ausgeschmiedet sind,
zum Aufstecken von Hand-
haben, deren Einrichtung
ganz die nämliche ist als
derjenigen, welche in Eisen-
giessereien täglich zum Tra-
gen und Entleeren von grös-
seren Giesspfannen benutzt
werden. Ist das Gewicht
des Ofens sammt Inhalt zu
schwer, um durch mensch-
liche Kraft bewegt zu wer-
den, so hängt man den Ofen
mit den erwähnten Zapfen
in den Bügel eines Krahnes,
ebenfalls in der Weise, wie

Figure 114. Fig. 161.


es beim Bewegen grosser Giesspfannen geschieht, bringt ihn mit Hilfe
desselben an den Ort seiner Bestimmung und entleert ihn, während
er im Krahne hängt, vermittelst der schon erwähnten Handhaben.


Figure 115. Fig. 162.

Die Art und Weise, wie der Ofen mit der Esse in Verbindung
gesetzt wird, sowie die Einrichtung des Ausgusses zeigt Fig. 161
[622]Das Umschmelzen und die Reinigung des Roheisens.
ausreichend deutlich, um eine besondere Erklärung entbehrlich zu
machen.


Die Piatöfen werden in verschiedenen Grössen mit Tiegelinhalten
von 20—120 kg gebaut. Auf der Pariser Ausstellung 1878 wurde die
Einrichtung durch Verleihung der goldenen Metaille ausgezeichnet; in
Deutschland aber scheinen sie bislang weder in Eisenwerken noch in
Metallschmelzereien ausgedehntere Anwendung gefunden zu haben. 1)


Aus denselben Gründen, welche beim Cupolofenbetriebe den Koks
als Brennstoff ein entschiedenes Uebergewicht über Holzkohlen ver-
leihen, liefern auch beim Tiegelschmelzen in den beschriebenen Oefen
erstere ungleich günstigere Ergebnisse. Nur die Abnutzung der Tiegel,
deren Wände durch die Asche der Koks oft stark angegriffen werden,
ist beim Koksschmelzen beträchtlicher, und aus diesem Grunde ist die
Wahl möglichst aschenarmer Koks von Nutzen.


Der Brennstoffverbrauch beim Roheisenschmelzen pflegt durch-
schnittlich per 1000 kg Roheisen 1000 kg Koks zu betragen, ist übrigens
verschieden, je nachdem ein oder mehrere Tiegel in einen Ofen ein-
gesetzt werden, je nachdem die Koks dichter oder weniger dicht, aschen-
reicher oder aschenärmer sind, u. s. f.


Der Abgang ist unbedeutend und dürfte sich in den meisten
Fällen kaum auf 2 Proc. beziffern.


Wenn eine grosse Zahl Tiegel mit einem Male eingesetzt werden
soll und der Betrieb ununterbrochen fortgeht — ein Fall, der übrigens
beim Schmelzen von Roheisen sehr selten vorkommen dürfte —, so
besitzen Oefen mit Gasfeuerung vor den besprochenen Tiegelschachtöfen
mit Koksheizung entschiedene Vortheile. Die Tiegel kommen nicht mit
der Asche der Brennstoffe in Berührung und werden mehr geschont;
das Herausnehmen der Tiegel ist weniger beschwerlich, da man nicht
auf das Niedergehen der Koks zu warten braucht; die Anwendung
roher Brennstoffe statt der Koks kann aus Ersparungsrücksichten wün-
schenswerth sein. Die für diesen Zweck benutzten Oefen sind Herd-
flammöfen mit ebenem Herde von geringer Ausdehnung, auf welchem
die Tiegel in Parallelreihen aufgestellt sind. Das Einsetzen und Her-
ausnehmen der Tiegel erfolgt durch Oeffnungen in der Decke des Ofens
über dem Herde. Die Feuerung muss so eingerichtet sein, dass eine
kurze, heisse Flamme entsteht; besonders geeignet hierfür ist das Sie-
mens’s
che System. Die Abbildungen Fig. 19—24 (S. 116) stellen
einen solchen Siemensofen zum Tiegelschmelzen dar, welcher ebenso
wohl zum Roheisenschmelzen als zum Schmelzen anderer Metalle sich
[623]Das Feinen (die Entsilicirung) des Roheisens.
benutzen lässt. Hinsichtlich der Einrichtung dieses Ofens kann auf
das a. a. O. Gesagte Bezug genommen werden.


Der Brennstoffverbrauch bei solchen Oefen mit Siemensfeuerung
und Anwendung von Steinkohlen dürfte 1300 — 1600 kg per 1000 kg
Roheisen betragen.


3. Das Feinen (die Entsilicirung) des Roheisens.


In früherer Zeit, als graues Roheisen für die Giesserei das Haupt-
erzeugniss der meisten Hochöfen bildete und man nur das für die
Giesserei entbehrliche Roheisen auf schmiedbares Roheisen zu verarbeiten
pflegte, spielte das Feinen dieses letzteren eine nicht unwichtige Rolle unter
den eisenerzeugenden Processen. Indem man durch diesen Vorbereitungs-
process das Roheisen seines Siliciumgehaltes (und Mangangehaltes, falls
solcher zugegen war) beraubte, das graue Roheisen in weisses und
zugleich manganarmes Roheisen umwandelte, kürzte man den späteren
eigentlichen Frischprocess ab, welcher nunmehr nur noch die Aus-
scheidung des Kohlenstoffes zu bewirken hatte; der Frischapparat wurde
stärker ausgenutzt, die Leistung desselben vergrössert.


In allen Fällen beruhte, wie sich von selbst versteht, das Feinen
auf einer Oxydation durch den Sauerstoff der Luft oder zugesetzter
sauerstoffabgebender Körper. Die hierfür benutzten Methoden aber waren
ziemlich mannigfaltig.


Im Hochofen selbst bewirkte man mitunter das Feinen, indem man
durch eine abwärts gerichtete Düse Wind auf die Oberfläche des im
Herde stehenden Roheisens blies. Der Process war beendet, wenn das
Eisen anfing Funken zu werfen, ein Zeichen der eintretenden Ver-
brennung von Kohle. Oder man liess durch die Formen feingepulverte
Eisenerze, eisenoxydreiche Frischschlacke oder dergleichen vom Winde
in den Ofen blasen, ein Verfahren, welches man Futtern des Hochofens
nannte, und welches einen mehrtägigen Rohgang desselben nach sich
zu ziehen pflegte.


In Oberschlesien bediente man sich in den vierziger Jahren ver-
schiedentlich eines mit Gas geheizten Flammofens, auf dessen Herde
das Roheisen geschmolzen und durch darüber geleiteten Gebläsewind
gefeint wurde. Da der Herd aus Quarz oder kieselsäurereichem Mate-
riale hergestellt wurde, blieben die wiederholt angestellten Versuche,
den Process auch als Mittel für eine Entphosphorung zu benutzen,
erfolglos. Der Ofen, unter dem Namen Eck’scher Feinofen, wurde
s. Z. ausführlich in Zeitschriften und metallurgischen Handbüchern be-
sprochen. Noch im Jahre 1882 fand ich auf einem oberschlesischen
Eisenwerke einen derartigen, jetzt unbenutzt stehenden oder für Neben-
zwecke dienenden Feinofen als Reliquie aus verflossenen Jahrzehnten.


In anderen Fällen bediente man sich eines niedrigen, von ge-
kühlten Gusseisenplatten gebildeten Feuers zum Feinen 1), in welchem
das Roheisen unter sehr hohem Koksverbrauche zwischen zwei ein-
[624]Das Umschmelzen und die Reinigung des Roheisens.
ander gegenüberliegenden Reihen Düsen niedergeschmolzen wurde.
Setzte man hierbei reichliche Mengen eisenreicher Schlacken zu, so
war auch eine theilweise Entphosphorung möglich; aber auch der ge-
sammte Abbrand war hoch und betrug mitunter mehr als 16 Proc.


Bei allen diesen Methoden wird, sofern die Temperatur nicht allzu
hoch steigt und der Process nicht allzu lange ausgedehnt wird, vorzugs-
weise Silicium und Mangan abgeschieden. Phosphor kann, wie erwähnt,
theilweise in die Schlacke geführt werden, sofern diese ausreichend
basisch ist, Kohlenstoff wird nicht verbrannt und ist seinem Procent-
gehalte nach in dem gefeinten Eisen oft reichlicher vorhanden als in
dem rohen. Infolge der Abscheidung des Siliciums wird das graue Roh-
eisen in weisses umgewandelt.


Anders verläuft der Process, wenn die Temperatur sehr gesteigert
wird, z. B. durch Anwendung heissen Windes statt kalten. Die Ver-
brennung wirft sich alsdann theilweise auf den Kohlenstoffgehalt des
Roheisens und der Siliciumgehalt wird weniger als im andern Falle
beeinflusst. In dieser Beziehung interessant, wenn auch übrigens ohne
praktische Wichtigkeit, ist ein Verfahren, welches vor einigen Jahren
auf französischen Eisenwerken unter dem Namen Hamoirprocess durch-
geführt wurde und im Wesentlichen auf dem Einblasen heissen Windes
in das aus dem Hochofen fiiessende Roheisen beruhte. Die Analyse
eines derartig behandelten Roheisens zeigte, dass der Kohlenstoffgehalt
von 4.10 Proc. auf 2.80 Proc., der Siliciumgehalt von 1.16 Proc. auf
0.69 Proc., der Phosphorgehalt von 1.71 Proc. auf 1.44 Proc. sich ver-
ringert hatte. 1)


Seitdem man gelernt hat, beim Hochofenbetriebe die Beschaffenheit
des erfolgenden Roheisens fast beliebig zu regeln, und solcherart unmittel-
bar Roheisensorten zu erzeugen ähnlich denjenigen, wie sie früher erst
durch den Feinprocess aus grauem Roheisen gewonnen wurden; seitdem
ferner der Bedarf an diesem weissen Roheisen den Bedarf an grauem
Roheisen ganz erheblich überstiegen hat, und somit jene frühere Betriebs-
weise, bei der nur die Abfälle von der Gusswaarendarstellung durch
Feinen in Weisseisen umgewandelt wurden, zur Deckung des Bedarfes
an letzterem überhaupt unmöglich geworden ist, hat auch das Feinen
des Roheisens seine frühere Wichtigkeit vollständig verloren. Im Hoch-
ofen lässt sich, wie aus den früheren Darlegungen hervorgeht, ein
siliciumarmes Weisseisen nicht unerheblich billiger als Graueisen dar-
stellen; durch den Feinprocess aber werden die Kosten des letzteren
noch fernerhin vertheuert.


Wohl aber führt man unabsichtlich mitunter einen Feinprocess
aus, wo eine Entphosphorung des Roheisens nach einer der im Nach-
folgenden beschriebenen Methoden der Hauptzweck ist; denn es ist
kein Verfahren bekannt, durch welches grössere Mengen Phosphor
aus dem Roheisen ohne gleichzeitige Abscheidung des ganzen Silicium-
gehaltes entfernt werden könnten.


[625]Die Entphosphorung des Roheisens.

4. Die Entphosphorung des Roheisens.


Schon bei den verschiedenen Methoden des Roheisenfeinens hatte
man mit mehr oder minder Erfolg versucht, auch den Phosphor-
gehalt zur Abscheidung zu bringen; aber unbekannt mit den Grund-
bedingungen für die Durchführung dieses Processes — Anwesenheit
basischer Schlacke und um so niedrigere Temperatur, je mehr Kohlen-
stoff noch anwesend ist — hatte man gewöhnlich den Oefen ein kiesel-
säurereiches Ofenfutter gegeben und dadurch von vorn herein eine
umfänglichere Entphosphorung vereitelt.


Dass in dem zur Darstellung schmiedbaren Eisens aus dem Roheisen
bestimmten Puddelofen, dessen Herd mit eisenoxydreichen Schlacken
ausgesetzt ist, ein grosser Theil des Phosphors sich abscheiden lässt,
sofern die Temperatur nicht zu hoch steigt, ist schon seit vielen Jahr-
zehnten bekannt; eine Entphosphorung des Roheisens aber als beson-
derer Process, unabhängig von der späteren Verarbeitung und ohne
gleichzeitige Verbrennung des Kohlenstoffes, wurde zuerst von L. Bell
in den siebenziger Jahren durchgeführt, nachdem derselbe durch mehr-
jährige verdienstliche Versuche das Verhalten des Phosphors in dieser
Beziehung studirt hatte.


Das Bell’sche Entphosphorungsverfahren beruht im Wesentlichen
auf denselben Vorgängen, welche auch im Puddelofen die Phosphor-
abscheidung bewirken. Das geschmolzene Roheisen wird mit eben-
falls geschmolzenen oder doch gut vorgewärmten eisenoxydreichen
Körpern — Hammerschlag, Frischschlacken, Eisenerzen — in möglichst
innige Mischung gebracht und dann, nachdem die Einwirkung statt-
gefunden hat, durch Abstechen von der specifisch leichteren phosphor-
säurehaltigen Schlacke getrennt. Als Mischapparat diente ein mit Eisen-
oxyden ausgefutterter, länglicher, trogartiger, oben überwölbter Behälter
von ca. 4 m Länge, welcher sich wie ein Balancier um zwei horizon-
tale Zapfen in schwingende Bewegung versetzen liess; eine Dampf-
maschine diente dazu, diese Bewegung hervorzubringen. Das Schwingen
wurde 10 Minuten lang wiederholt, wobei das Roheisen mit der zuge-
setzten Schlacke 60—80 Mal hin- und herfloss. Das Einlassen des Roh-
eisens geschah unmittelbar vom Hochofen oder von einem Cupolofen.


Es gelang auf diese Weise, graues Clevelandroheisen mit ca. 1.5 Proc.
Phosphor in weisses Roheisen mit durchschnittlich 0.22 Proc. Phosphor
und mitunter erheblich weniger umzuwandeln. Der Siliciumgehalt ver-
ringerte sich hierbei von 1.8 Proc. auf 0.05 Proc. Bei Verwendung
gerösteter Clevelanderze als Entphosphorungsmaterial betrug der Ver-
brauch an denselben ca. 50 Proc. von dem Gewichte des Roheisens.


Fast zu derselben Zeit (1877), als Bell in England seine Versuche
anstellte und die Ergebnisse derselben dem Iron and Steel Institute
vorlegte, nahm Alfr. Krupp in Essen ein Patent auf ein Entphos-
phorungsverfahren für Roheisen, welches auf ganz ähnlichen Grund-
sätzen beruhte. Während jedoch Bell, wie es scheint, den Mangan-
gehalt des Roheisens unberücksichtigt liess, empfiehlt Krupp aus-
drücklich die Verwendung eines etwas manganhaltigen Roheisens. Der
Mangangehalt hat hierbei eine doppelte Aufgabe zu erfüllen: er schützt
Ledebur, Handbuch. 40
[626]Das Umschmelzen und die Reinigung des Roheisens.
als leichtoxydirbarer Körper den Kohlenstoff vor dem Verbrennen; und
das entstehende Manganoxydul erhöht als kräftige Base die Neigung
des Phosphors, aus dem Roheisen auszutreten, um Phosphate zu bilden.


Das Krupp’sche Verfahren ist in Essen und auf einigen anderen,
besonders ausserdeutschen Werken in Anwendung.


Als Mischapparat pflegt ein mit Siemensfeuerung versehener Pernot-
ofen (S. 128) benutzt zu werden, dessen Herd mit Eisenerzstücken aus-
gekleidet ist. Der äussere Durchmesser des in Essen angewendeten
Ofenherdes beträgt 3.6 m, die Tiefe 0.9 m, die Stärke des Futters an
den Wänden 0.33 m, am Boden 0.23 m, so dass sich eine innere Weite
des Herdes von 2.94 m und eine Tiefe von 0.67 m ergiebt. An einer
Stelle des Umfanges ist eine Abstichöffnung angebracht. Der jedes-
malige Roheiseneinsatz (welcher in Essen, wo keine Hochöfen vor-
handen sind, im Cupolofen geschmolzen wird) beträgt gewöhnlich 5 t.
Als Entphosphorungsmaterial pflegt man Erze, gemischt mit Hammer-
schlag, zu benutzen, deren Kieselsäuregehalt nicht über 15 Proc.
betragen soll; bei Verarbeitung von Roheisen mit mehr als 1 Proc.
Silicium wird den Erzen eine gewisse Menge Kalk zugeschlagen. Ein
geringer Kieselsäuregehalt dagegen (mindestens 6 Proc.) ist erforder-
lich, jedenfalls, um der Schlacke die erforderliche Schmelzbarkeit zu
verleihen. Die erforderliche Menge des Zuschlages beträgt durchschnitt-
lich 20 Proc. vom Roheisengewichte, bei sehr hohem Phosphorgehalte
jedoch mehr. Die Erze werden vor dem Roheisen in den Ofen ge-
bracht und am Rande des Herdes vertheilt, während dieser langsam
gedreht und ziemlich stark erhitzt wird. Nach dem Einlassen des Roh-
eisens wird die Drehung des Ofens beschleunigt (11 Umgänge per
Minute); sobald sich deutliche Kohlenoxydgasbildung zeigt, was nach
Verlauf von 5 — 8 Minuten der Fall zu sein pflegt, wird das Eisen
abgestochen. Für die ganze Verarbeitung eines Einsatzes incl. Reparatur
des Herdfutters, Einlassen, Abstechen u. s. w. ist eine Gesammtzeit von
etwa 75 Minuten erforderlich, so dass in 24 Stunden 9 Einsätze ver-
arbeitet werden können. Der Gewichtsverlust pflegt 1.5 — 2 Proc. vom
Roheisengewichte zu betragen.


Ueber den chemischen Erfolg des Processes geben folgende von
Holley mitgetheilte 1) Analysen Aufschluss.


Die erfolgende Schlacke enthielt:

[627]Die Entphosphorung des Roheisens.

Ilseder Roheisen, welches unter Verwendung von Ilseder Erzen
entphosphort wurde, enthielt:

und die entstandene Schlacke bestand aus:

Es werden also 75—80 Proc. des ursprünglichen Phosphorgehaltes
des Roheisens entfernt. Der Brennstoffverbrauch im Pernotofen beträgt
ungefähr 90 kg Steinkohlen per 1000 kg Roheisen; die Löhne 0.90 ℳ,
die Reparaturkosten für den Ofen 0.351) Hierzu kommen die Kosten
für die erforderlichen Zuschläge wie für den Betrieb der Dampfmaschine
zur Bewegung des Ofens und, sofern das Roheisen nicht unmittelbar
aus dem Hochofen entnommen werden kann, die Kosten des Cupol-
ofenschmelzens, so dass die Gesammtkosten sich auf 4—6 ℳ per
1000 kg Roheisen excl. des Cupolofenschmelzens, 8 — 10 ℳ incl. des-
selben beziffern dürften.


Die örtlichen Verhältnisse eines Eisenwerkes werden darüber ent-
scheiden müssen, ob trotz dieser Kosten die Entphosphorung noch loh-
nend sein kann, oder ob nicht die Verwendung eines von vorn herein
aus phosphorärmeren Erzen erblasenen Weisseisens zweckmässiger
erscheint. In zahlreichen Fällen dürfte letzteres der Fall sein.


Es unterliegt keinem Zweifel, dass eine theilweise Entphosphorung
des Roheisens sich auch ohne Weiteres im Cupolofen erreichen lassen
wird, sofern hier die Bedingungen für Entstehung einer basischen
Schlacke und für die Oxydation des Phosphors erfüllt werden. Vor
allen Dingen ist es zur Erreichung dieses Zweckes erforderlich, dass
der Cupolofen nicht mit kieselsäurereichen Körpern ausgefuttert sei;
basische Ofenbaumaterialien (S. 141) oder — vielleicht besser noch —
ein mit Wasser gekühlter eiserner Ofen (S. 607) sind hier am Platze.
Eine Schwierigkeit erwächst aus dem Umstande, dass eisenoxydreiche
Körper, welche bei dem Bell’schen und Krupp’schen Verfahren als
Oxydationsmittel und gleichzeitig als Basen dienen, im Cupolofen bei
der längeren Berührung mit dem Roheisen auch ein völliges Frischen
desselben herbeiführen würden; daher muss die Oxydation vorwiegend
durch den Windstrom bewirkt und die basische Beschaffenheit der
Schlacke durch Kalksteinzuschlag hervorgerufen werden. Damit aber
die kalkreiche Schlacke ausreichend schmelzbar bleibe, ist ein Zusatz
von Flussspath zweckmässig (vergl. S. 174).


40*
[628]Das Umschmelzen und die Reinigung des Roheisens.

Nach Rollet1) kann der Kalkzuschlag 100 — 350 kg per 1000 kg
Roheisen, der Flussspathzuschlag 38 — 50 kg betragen. Bei Versuchen,
welche in Givors angestellt wurden, erhielt man nach Rollet’s An-
gabe folgende chemische Aenderungen des Roheisens:

Der Gehalt der Schlacken an Kieselsäure und Phosphorsäure darf
nach den in Givors gemachten Beobachtungen nicht über 18 Proc.
hinausgehen, und es muss die Menge des erforderlichen Zuschlages
dieser Bedingung entsprechend bemessen werden.


5. Die Entschweflung des Roheisens.


Da man bei der Verhüttung der Eisenerze im Hochofen im Stande
ist, theils durch entsprechende Vorbereitung derselben (Rösten, Aus-
laugen), theils durch Bildung basischer Schlacken den grössten Theil
des Schwefelgehaltes sowohl der Erze als der Brennstoffe von dem
Roheisen fern zu halten, so besitzt eine Entschweflung des Roheisens
als besonderer Process nur selten eine gewisse Wichtigkeit. Das ein-
fachste Mittel dafür würde ein Schmelzen des Roheisens mit reich-
lichem Kalksteinzuschlage, unter Umständen mit Flussspathzusatz sein.
Bei den oben besprochenen, von Rollet in Givors angestellten Ver-
suchen, im Cupolofen eine Reinigung des Roheisens herbeizuführen,
war nicht allein die Entphosphorung, sondern auch die Entschweflung
beabsichtigt, und man scheint sogar absichtlich ein besonders schwefel-
reiches Roheisen für diesen Zweck dargestellt zu haben; die mit-
getheilten Analysen lassen erkennen, dass in Wirklichkeit die Ent-
schweflung in noch vollkommnerem Grade als die Entphosphorung
gelungen ist. Während aber die Entphosphorung aus den früher
erörterten Gründen durch eine niedrige Temperatur befördert wird, tritt
der Schwefel erfahrungsmässig um so vollständiger aus dem Roheisen
aus, in je höherer Temperatur dasselbe mit der basischen Schlacke in
Berührung gebracht wird.


Dass auch beim Krupp’schen Entphosphorungsprocess der grösste
Theil des anwesenden Schwefels mit dem Mangan aus dem Roheisen
austritt, zeigen die auf S. 626 mitgetheilten Analysen eines Roheisens
von dem Eisenwerke Phönix.


[629]Literatur.

Literatur.


A. Grössere Werke.


Ueber Schmelzöfen für Roheisen


  • E. F. Dürre, Wissenschaftlich-technisches Handbuch des gesammten
    Giessereibetriebes
    . Leipzig 1875.
  • A. Ledebur, Handbuch der Eisengiesserei. Weimar 1882, S. 46.

Ueber die älteren Methoden der Reinigung des Roheisens,
insbesondere des Feinens
:


  • H. Wedding, Die Darstellung des schmiedbaren Eisens. Braunschweig
    1875, S. 24.

B. Abhandlungen.


Ueber Schmelzöfen.


  • F. Fischer, Ueber Cupolöfen. Dingl. Polyt. Journal, Bd. 231, S. 38.
  • A. Ledebur, Ueber Cupolöfen. Civilingenieur, Bd. 13, Heft 8.
  • G. Ahlemeyer, Der Ibrügger’sche Cupolofen. Glaser’s Annalen für Gewerbe
    und Bauwesen, Bd. IX, S. 231.
  • H. Frey, Der Fauler’sche Cupolofen Ztschr. d. berg- und hüttenm. Ver. f.
    Steiermark und Kärnten 1881, S. 321.
  • Voisin’s Cupolofen. Dingl. Polyt. Journal, Bd. 218, S. 490.
  • Lawrence’s Cupolofen. Dingl. Polyt. Journal, Bd. 224, S. 401.
  • Amerikanische Cupolöfen für Bessemerhütten Dingl. Polyt. Journ. Bd. 241,
    S. 296 (aus Engineering 1880, S. 592).
  • A. Ledebur, Cupolofen mit Wasserkühlung. Berg- und hüttenm. Ztg. 1878,
    S. 150.
  • O. Gmelin, Ein neuer Cupolofen mit Wasserkühlung. Oestr. Ztschr. für
    Berg- und Hüttenwesen 1882, S. 526; „Stahl und Eisen“ 1882, S. 306.
  • Wagner, Ueber den Bau von Gussflammöfen und deren Betrieb. Oestr.
    Ztschr. f. Berg- und Hüttenwesen 1857, S. 115.
  • K. Wittgenstein und A. Kurzwernhart, Ueber die Fabrikation von Stahl-
    schienen mit Braunkohlen in Teplitz
    (Siemens-Flammofen zum Roh-
    eisenschmelzen). „Stahl und Eisen“ 1883, S. 211.

Ueber Reinigung des Roheisens.


  • L. Bell, On the separation of carbon, silicon, sulphur and phosphorus
    in the refining and puddling furnaces
    . The Journal of the Iron and
    Steel Institute 1877, p. 108, 322; deutsch bearbeitet in der Zeitschr. d. berg-
    und hüttenm. Ver. für Steiermark und Kärnten 1877, S. 385.
  • L. Bell, On the separation of phosphorus from pig-iron. The journal of
    the Iron and Steel Institute 1878, p. 17.
  • J. E Stead, Phosphor und Eisen. Zeitschr. d. berg- und hüttenm. Ver. für
    Steiermark und Kärnten 1878, S. 67 (aus Iron).
  • A. Holley, Washing phosphoric pig-iron for the open-hearth process
    at Krupp’s works
    . Transactions of the American Institute of Mining Engi-
    [630]Das Umschmelzen und die Reinigung des Roheisens.
    neers, vol. VIII, p. 156; deutsch in der Zeitschr. d. berg- und hüttenm. Ver.
    für Steiermark und Kärnten 1879, S. 413.
  • C. Petersen, Die Entphosphorung des Roheisens nach Krupp’s Patent.
    Wochenschrift des Ver. deutscher Ing. 1880, S. 36.
  • A. Rollet, Der Cupolofen als Reinigungsapparat für Roheisen. „Stahl
    und Eisen“ 1883, S. 305.
  • P. Tunner, Der Hamoirprocess. Zeitschr. d. berg- und hüttenm. Ver. f. Steier-
    mark und Kärnten 1878, S. 1.

[[631]]

DRITTE ABTHEILUNG.
DAS SCHMIEDBARE EISEN
UND
SEINE DARSTELLUNG.


[[632]][[633]]

I. Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des
schmiedbaren Eisens.


1. Eintheilung.


Wie schon auf S. 5 besprochen worden ist, lässt sich fast alles
schmiedbare Handelseisen in Schweisseisen und Flusseisen ein-
theilen. Ersteres wird im ungeschmolzenen, aber stark erweichten
Zustande gewonnen und ist mit Schlacke durchsetzt, welche bei dem
Darstellungsprocesse gebildet wurde und zwischen den Eisenkörnchen
zurückblieb; letzteres erfolgt im vollständig flüssigen Zustande und ist
schlackenfrei.


Sowohl das Schweisseisen als das Flusseisen zerfallen nach den
für ihre Darstellung benutzten Methoden in verschiedene Arten, wie
sich aus der später folgenden Besprechung der einzelnen Processe
ergeben wird.


Ausserdem giebt es jedoch einige Arten schmiedbaren Eisens,
welche ihrer Entstehung und ihrer Beschaffenheit gemäss weder un-
mittelbar dem Schweisseisen noch dem Flusseisen zugerechnet werden
können, obgleich sie mitunter als Zwischenerzeugnisse zur Darstellung
der einen oder andern dieser Eisengattungen benutzt, oder auch aus
denselben erst durch einen nachfolgenden Process erzeugt wurden.


Glüht man z. B. ein graphitfreies, silicium- und manganarmes Roh-
eisen, ohne es zu schmelzen, in Berührung mit sauerstoffabgebenden
Körpern (Eisenoxyden, atmosphärischer Luft), so wird, wie schon auf
S. 281 und 282 geschildert wurde, der Kohlenstoff verbrannt und das
Roheisen in schmiedbares Eisen umgewandelt, welches man allgemein
als Tempereisen bezeichnen kann und welches seiner Darstellung
und Bestimmung gemäss wieder in zwei verschiedene Arten (schmied-
barer Guss und Glühstahl) zerfällt.


Glüht man aber kohlenstoffarmes schmiedbares Eisen mit Kohle,
so nimmt es Kohlenstoff auf und wandelt sich dadurch in Cement-
stahl
um (S. 232).


Weniger scharf als die soeben besprochene Eintheilung des schmied-
baren Eisens ist die Unterscheidung des Stahles vom Schmiede-
eisen
.


Ledebur, Handbuch. 41
[634]Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.

Nach den Erörterungen auf S. 4 und 5 soll die Härtbarkeit das
Unterscheidungsmerkmal des ersteren vom letzteren bilden. Schwierig
oder unmöglich ist es aber, die Grenze genau zu ermitteln, wo die
Härtbarkeit anfängt oder aufhört. In neuerer Zeit kommt, die Unter-
scheidung erschwerend, der andere, ebenfalls schon erwähnte Umstand
hinzu, dass zahlreiche, besonders britische Eisenhüttenleute gewöhnt
sind, alles Flusseisen als Stahl zu bezeichnen, gleichviel, ob es härtbar
ist oder nicht. Dass alles, auch das weichste und am wenigsten härt-
bare Flusseisen in seinen Eigenschaften dem Stahle näher steht als
weiches Schweisseisen, ist nicht in Abrede zu stellen.


Wie es in Deutschland üblich ist, soll in Folgendem unter der
Bezeichnung Stahl, wo dieselbe überhaupt zur Anwendung kommt,
nur ein kohlenstoffreicheres, deutlich härtbares Eisen verstanden werden,
dessen Gegensatz das nicht härtbare Schmiedeeisen bildet; die Aus-
drücke Schweisseisen und Flusseisen dagegen sind allgemeine
Bezeichnungen, welche ebensowohl auf kohlenstoffreicheres, härtbares
als kohlenstoffärmeres, nicht deutlich härtbares schmiedbares Eisen be-
zogen werden können.


2. Die Schmiedbarkeit und Dehnbarkeit.


Ein Körper heisst schmiedbar im eigentlichen Sinne, wenn er
befähigt ist, im erhitzten, aber ungeschmolzenen Zustande unter Ein-
wirkung von Hammerschlägen bleibende Formveränderungen zu er-
tragen, ohne zertrümmert zu werden. Der Zweck der Erhitzung hierbei
ist eine Verringerung seines Widerstandes gegen jene Formveränderung,
d. i. seiner Härte.


Nicht selten jedoch dehnt man den Begriff der Schmiedbarkeit
weiter aus und versteht darunter die Fähigkeit der Körper, in irgend
einer beliebigen Temperatur Formveränderungen durch Hammerschläge
zu ertragen.


In jedem Falle bildet die Schmiedbarkeit eine besondere Art der
allgemeineren Eigenschaft, welche man als Dehnbarkeit bezeichnet,
d. h. die Fähigkeit, unter Einwirkung irgend einer äusseren Kraft (Druck,
Zug u. s. w.) Formveränderungen im ungeschmolzenen Zustande zu
ertragen.


Sowohl die Schmiedbarkeit im engeren als die Dehnbarkeit im
weiteren Sinne können, da sie nur auf bleibende Formveränderungen
bezogen werden, erst zur Geltung gelangen, nachdem unter der Wirkung
des ausgeübten Schlages, Druckes, Zuges u. s. w. die Elasticitätsgrenze
des betreffenden Körpers in der jedesmal angewendeten Temperatur
überschritten ist; sie verlieren ihre Geltung, wenn das Maass der
angewendeten äusseren Kraft grösser ist als die Festigkeit des beein-
flussten Körpers. Demnach wird eine beabsichtigte Formveränderung
im Allgemeinen um so leichter durchführbar sein, je weiter die Elasti-
citätsgrenze und Festigkeit aus einander liegen.


Für die Elasticitätsgrenze und Festigkeit eines und desselben
Körpers entfallen nun aber gewöhnlich ganz verschiedene Werthe, je
nachdem die eine oder andere Art der äusseren Einwirkung (Druck,
Zug) stattfindet, und je nachdem die Temperatur hierbei höher oder
[635]Die Schmiedbarkeit und Dehnbarkeit.
niedriger ist. Es folgt hieraus einestheils, dass ein Körper, dessen Dehn-
barkeit unter anderen Einflüssen vielleicht beträchtlich ist, doch nicht
immer gut schmiedbar zu sein braucht; und anderntheils, dass die
Schmiedbarkeit eines und desselben Körpers auch unter verschiedenen
Temperaturen grosse Abweichungen zeigen kann.


Nicht immer steigert sich die Schmiedbarkeit im geraden Verhält-
nisse mit der Temperatur. Bei manchen Metallen, und insbesondere
auch bei gewissen Arten des schmiedbaren Eisens, fallen z. B. in einer
bestimmten höheren Temperatur, gewöhnlich dunkler oder heller Roth-
gluth, die Werthe für Elasticitätsgrenze und Festigkeit so nahe zu-
sammen, dass schon Zertrümmerung eintritt, sobald die erstere über-
schritten wird; das Metall ist in dieser Temperatur nicht schmiedbar, es
ist rothbrüchig. Häufig aber ist die Schmiedbarkeit vorhanden
ebensowohl, wenn die Temperatur unter jenem gefährlichen Punkte
bleibt, als wenn sie über denselben hinaus gesteigert wird.


Dehnbarkeit und Schmiedbarkeit stützen sich auf die Zähigkeit,
d. h. das Maass des Widerstandes, welchen ein Körper nach dem Ueber-
schreiten der Elasticitätsgrenze der Zertrümmerung entgegensetzt.


Das Maass der Schmiedbarkeit eines Körpers ist im Wesentlichen
von zwei Umständen abhängig. Erstens von dem grösseren oder ge-
ringeren Widerstande, welchen derselbe der stattfindenden Formver-
änderung entgegensetzt, d. h. seiner Härte; der Körper ist um so leichter
schmiedbar, je weniger hart er ist. Zweitens von der Grösse der Form-
veränderung, welche er, ohne zertrümmert zu werden, unter
einer einmaligen Schlagwirkung ertragen kann, und welche natürlich
von der Intensität dieser Schlagwirkung abhängig ist. Je kräftigere
Schläge der Körper aushält, ohne zu zerfallen, desto rascher schreitet
die Formveränderung vorwärts, desto besser schmiedbar ist der Körper.


Reines Eisen ist leicht schmiedbar und gut dehnbar. Die Schmied-
barkeit und Dehnbarkeit verringern sich mit zunehmendem Gehalte
fremder Körper.


Nicht alle fremden Bestandtheile des Eisens jedoch beeinflussen
jene Eigenschaften gleich stark. Während ein Mangangehalt von
selbst mehreren Procenten die Schmiedbarkeit des Eisens in höherer
Temperatur oft nicht merklich verringert, ruft ein Schwefelgehalt
von weniger als 0.1 Proc. häufig einen solchen Rothbruch hervor, dass
das Eisen unverarbeitbar ist; dieser Einfluss des Schwefelgehaltes wird
abgemindert, wenn neben demselben Mangan zugegen ist (vergl. S. 251
und 256). Anders ist es in gewöhnlicher Temperatur.


Ein Mangangehalt, indem er die Härte des schmiedbaren Eisens
steigert, verringert merklich, wenn auch bei mässigem Gehalte nicht
erheblich die Dehnbarkeit; ein Schwefelgehalt, welcher starken Roth-
bruch hervorruft, wirkt dagegen auf die Dehnbarkeit des kalten Eisens
oft kaum nachtheilig ein. Dass ein rothbrüchiges Eisen sich auch in
Weissgluth oft ohne Schwierigkeit schmieden lässt, wurde bereits mehr-
fach erwähnt.


Aehnlich wie Schwefel beeinflusst ein im Flusseisen sich findender
Sauerstoffgehalt (Eisenoxydulgehalt) die Dehnbarkeit und Schmied-
41*
[636]Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.
barkeit desselben. Ein Sauerstoffgehalt von mehr als 0.1 Proc. kann
das Eisen vollständig rothbrüchig machen; aber in Weissgluth pflegt
dasselbe Eisen gut schmiedbar zu sein, und in der Kälte besitzt es
einen oft hohen Grad von Dehnbarkeit (S. 276).


Phosphor verringert, auch wenn er in mehreren Zehntelprocenten
zugegen ist, die Schmiedbarkeit in Rothgluth nicht merklich, ja, viele
Sorten phosphorhaltigen Eisens zeichnen sich durch vorzügliche Schmied-
barkeit aus; über Rothgluth hinaus aber erträgt das Eisen, ohne zu
zerfallen, weniger starke Erhitzungen als phosphorärmeres, dessen
Schmelzpunkt höher liegt; und in gewöhnlicher Temperatur werden die
Zähigkeit und Dehnbarkeit des schmiedbaren Eisens durch einen Phos-
phorgehalt in starkem Maasse benachtheiligt. Elasticitätsgrenze und
Festigkeit liegen nahe bei einander; das Eisen ist spröde (S. 246).


Silicium im übrigens reinen Eisen beeinflusst die Schmiedbar-
keit in Weissgluth und Rothgluth nicht sehr erheblich, sofern sein
Gehalt nicht über das gewöhnliche Maass (einige Zehntelprocente) hin-
ausgeht; stärker scheint die Dehnbarkeit in der Kälte durch einen
Siliciumgehalt benachtheiligt zu werden, obschon der Einfluss des
Siliciums erheblich schwächer ist als der des Phosphors. Die Erken-
nung desselben wird durch das regelmässig stattfindende Vorkommen
anderer Körper, insbesondere von Kohlenstoff neben dem Silicium,
erschwert (vergl. auch S. 244).


Die Einwirkung eines Kupfergehaltes wurde schon auf S. 259
besprochen.


Kohlenstoff, dieser niemals ganz fehlende Begleiter alles tech-
nisch gewonnenen Eisens, beeinträchtigt die Schmiedbarkeit in der
Wärme und, indem er die Härte steigert, auch die Dehnbarkeit in der
Kälte. Da die Schmelztemperatur des Eisens mit zunehmendem Kohlen-
stoffgehalte rasch abnimmt, so erträgt dasselbe beim Schmieden um so
weniger starke Erhitzungen, je kohlenstoffreicher es ist. Dass im übrigens
reinen Eisen ein Kohlenstoffgehalt von etwa 2.3 Proc. die Grenze be-
zeichnet, wo die Schmiedbarkeit völlig aufhört und das Eisen dem-
nach die Eigenschaften des Roheisens annimmt, wurde schon auf S. 4
erwähnt; da aber die meisten anderen Metalloide, welche neben Kohlen-
stoff im Eisen aufzutreten pflegen (Silicium, Phosphor, Schwefel), ähn-
lich wie dieser, aber verschieden kräftig, einwirken, so erklärt es sich,
dass es überhaupt nicht möglich ist, genau anzugeben, welches der
höchste Gehalt an fremden Körpern incl. des Kohlenstoffes im Eisen
sein darf, ohne dass dasselbe seine Schmiedbarkeit einbüsse.


Flusseisen enthält durchschnittlich eine grössere Menge fremder,
chemisch gebundener (legirter) Körper als Schweisseisen, welches be-
sonders von Mangan und Silicium frei zu sein pflegt. Hieraus erklärt
sich dann, dass bei gleichem Kohlenstoffgehalte ersteres nicht ganz so
gut schmiedbar zu sein pflegt, oder doch einen höheren Arbeitsauf-
wand beim Schmieden erheischt, als letzteres. Deutlicher noch als im
kohlenstoffarmen Eisen pflegt im Stahle dieser Unterschied beider Eisen-
gattungen hervorzutreten.


[637]Die Schweissbarkeit.

3. Die Schweissbarkeit.


Schweissbar nennen wir ein Metall, wenn sich zwei Stücke des-
selben unter Einwirkung eines äussern Druckes zu einem Ganzen ver-
einigen lassen. Der Druck hat hierbei die Aufgabe zu erfüllen, eine
Näherung der Moleküle an den Berührungsflächen in solchem Grade
herbeizuführen, dass die Cohäsionskraft zwischen den vorher getrennt
gewesenen Theilchen in Wirksamkeit tritt. Für dieses genaue Zusam-
menpassen der Berührungsflächen aber ist ein erweichter Zustand der
zu vereinigenden Stücke erforderlich; derselbe wird durch Erhitzung
jener Stücke herbeigeführt.1)


Nicht alle Metalle sind gleich gut schweissbar; viele, welche plötz-
lich in den flüssigen Zustand übergehen, ohne zuvor jenen für die
Schweissung nothwendigen, bildsamen Zustand zu durchlaufen, lassen
sich in dem gewöhnlichen Sinne überhaupt nicht schweissen. Unter
allen übrigen Metallen aber zeichnen sich gewisse Arten schmiedbaren
Eisens durch Leichtschweissbarkeit aus, und diese Eigenschaft gewährt
eine wichtige Unterstützung für ihre Darstellung wie für ihre spätere
Verarbeitung.


Wie bei den Metallen im Allgemeinen, so ist auch bei den ein-
zelnen Arten des Eisens im Besondern die Schweissbarkeit eine ver-
schiedene, je nachdem der Uebergang aus dem festen in den flüssigen
Zustand plötzlicher oder allmählicher stattfindet. Eine je stärkere und
allmählichere Erweichung vor der völligen Verflüssigung eintritt, desto
besser schweissbar wird der Regel nach das Eisen sein. Im All-
gemeinen ist daher das reinste Eisen auch das am leichte-
sten schweissbare
; denn fast alle fremden Körper erniedrigen die
Schmelztemperatur und bewirken theils hierdurch, theils auch, indem
sie unmittelbar die Härte und Sprödigkeit des Eisens in der unter dem
Schmelzpunkte liegenden Temperatur steigern, einen plötzlicheren Ueber-
gang aus dem festen in den flüssigen Zustand. Aus diesem Grunde
ist weder das Roheisen noch das an fremden Körpern reichere schmied-
bare Eisen überhaupt schweissbar.


Das Maass des Einflusses, welchen gleiche Mengen verschiedener
Körper in dieser Beziehung ausüben, ist jedoch ein sehr verschiedenes.
Es erklärt sich dieser Umstand leicht, wenn man erwägt, dass auch
die Schmelztemperatur und die Härte des nahe zum Schmelzen erhitzten
Eisens in verschieden starkem Maasse durch jene im Eisen auftreten-
den Körper beeinflusst werden.


Kohlenstoff verringert mit zunehmendem Gehalte die Schweiss-
barkeit merklich; aber ein Stahl mit 1 Proc. Kohlenstoff pflegt, sofern
er von sonstigen, die Schweissbarkeit benachtheiligenden Körpern frei ist,
immerhin noch ohne grosse Schwierigkeit schweissbar zu sein; ja selbst
bei 1.2 Proc. Kohlenstoff zeigen einige Stahlsorten, wenn sie mit Vor-
sicht behandelt werden, noch Schweissbarkeit. Ueber diese Grenze
[638]Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.
hinaus hört aber die Schweissbarkeit völlig auf; und sie erreicht schon
bei weit geringerem Kohlenstoffgehalte ihr Ende, wenn neben demselben
noch andere, die Schweissbarkeit benachtheiligende Körper (Silicium,
Phosphor, Chrom, Wolfram, Mangan u. s. w.) zugegen sind.


Silicium verringert zweifellos die Schweissbarkeit um so stärker,
je kohlenstoffreicher das Eisen ist. Eine Grenze des Siliciumgehaltes,
wo bei fehlendem oder sehr geringem Kohlenstoffgehalte die Schweiss-
barkeit aufhört, ist nicht ermittelt worden.


Phosphor zeigt, sofern das Eisen kohlenstoffarm ist, nur geringen
Einfluss auf die Schweissbarkeit. Schweisseisen mit 0.4 Proc. Phosphor
und 0.1 Proc. oder weniger Kohlenstoff ist gewöhnlich mit grosser
Leichtigkeit schweissbar; kohlenstoffreichere Eisensorten dagegen büssen
an Schweissbarkeit ein, wenn sie neben dem Kohlenstoff auch Phosphor
enthalten.


Schwefel, der zwar die Schmiedbarkeit des Eisens in Rothgluth
beeinträchtigt, weit unerheblicher aber in Weissgluth, d. i. derjenigen
Temperatur, in welcher die kohlenstoffarmen Eisensorten überhaupt
geschweisst zu werden pflegen, wirkt aus eben diesem Grunde auf die
Schweissbarkeit dieses Eisens nicht sehr nachtheilig ein, sofern seine
Menge nicht allzu beträchtlich ist; und da man schon in Rücksicht auf
den durch Schwefel erzeugten Rothbruch einen Schwefelgehalt von mehr
als 0.1 Proc. im Flusseisen und von mehr als 0.04 Proc. im Schweiss-
eisen so viel als thunlich zu vermeiden sucht, so bleibt die jedenfalls
geringe Einwirkung dieses niedrigen Schwefelgehaltes auf die Schweiss-
barkeit ohne praktische Bedeutung.


Sauerstoff (Eisenoxydul) verhält sich dem Schwefel ähnlich;
d. h. im kohlenstoffarmen Eisen, welches Erhitzung auf Weissgluth
erträgt, beeinträchtigt er die Schweissbarkeit nicht erheblich. Ein durch
den Thomasprocess dargestelltes Flusseisen mit 0.037 Proc. Kohlenstoff
und 0.244 Proc. Sauerstoff, welches in Rothgluth unter dem Hammer
in Stücke zerfiel, liess sich in Weissgluth ohne Schwierigkeit schweissen. 1)


Arsen und Antimon, welche freilich nur in seltenen Fällen im
schmiedbaren Eisen auftreten, verringern stark die Schweissbarkeit.


Mangan in grösseren Mengen, welche überhaupt nur im Fluss-
eisen vorkommen können, wirkt nachtheilig auf die Schweissbarkeit
ein. Flusseisensorten mit mehr als 0.3 Proc. Mangan sind selten
schweissbar; doch kommt auch hierbei jedenfalls die Anwesenheit anderer
Körper neben dem Mangan mit in Betracht.


Bei Untersuchung einer grösseren Zahl theils schweissbarer, theils
nicht schweissbarer Eisensorten (allerdings nur solcher, deren Kohlen-
stoffgehalt in keinem Falle über 0.3 Proc. hinausging) zeigte sich, dass
die Schweissbarkeit völlig aufhörte, wenn die Summe aller fremden
Körper über 1 Proc. hinaus ging; die gut schweissbaren enthielten nicht
erheblich mehr als 0.6 Proc. 2) Dass indess ein übrigens reiner Stahl
auch noch bei 1 Proc. Kohle ziemlich leicht schweissbar sein kann,
wurde schon erwähnt.


[639]Die Schweissbarkeit.

Durchschnittlich ist übrigens alles Schweisseisen
leichter schweissbar als Flusseisen
. Manche Sorten Flusseisen
sind unschweissbar, selbst wenn ihr Gehalt an fremden Körpern nicht
mehr als 0.5 Proc. beträgt. Ein Bessemereisen von Königshütte z. B. mit

zeigte keine Schweissbarkeit. Die Ursache dieses abweichenden Ver-
haltens ist mit Sicherheit nicht aufgeklärt. Vermuthen lässt sich, dass
in der höheren Erzeugungstemperatur des Flusseisens die Atomgruppi-
rung eine andere werde als in der niedrigeren Temperatur, in welcher
Schweisseisen entsteht, und dass demzufolge auch die Eigenschaften in
dem einen und andern Falle verschieden ausfallen. Auch bei den
Legirungen anderer Metalle lässt sich bisweilen beobachten, dass ihre
Eigenschaften durch die Entstehungstemperatur beeinflusst werden.


Damit die Schweissung möglich werde, ist vollständige Reinheit
der zu vereinigenden Flächen von Oxyden oder anderen Körpern er-
forderlich. Eine mechanische Reinigung der Flächen durch Befeilen
oder dergleichen würde Nichts nützen, da das Eisen schon in weit
niedrigeren Temperaturen als Schweisshitze sich sofort wieder mit Oxyden
überzieht. Man hilft sich, indem man vor der Schweissung die Ver-
bindungsflächen mit irgend einem Pulver bestreut, welches mit den
entstehenden Oxyden eine in der Schweisstemperatur flüssige Schlacke
bildet, die alsdann unter dem beim Schweissen angewendeten Drucke
aus der Fuge herausgequetscht wird. Dieses Pulver heisst Schweiss-
pulver. Die Zusammensetzung desselben muss sich nach der höheren
oder niederen Schweisstemperatur der betreffenden Eisensorte richten;
diese aber liegt um so tiefer, je härter das Eisen (der Stahl), d. h. je
höher sein Kohlenstoffgehalt ist.


Offenbar wird aber die Wahl des Schweisspulvers um so leichter
sein, je höher die Schweisstemperatur liegt, je stärker also die ent-
stehende Schlacke selbst erhitzt wird. Bei den kohlenstoffarmen Eisen-
sorten genügt schon ein Bestreuen mit Sand oder Thonmehl zur Er-
reichung des Zweckes; bei kohlenstoffarmem, schlackenreichem Schweiss-
eisen ist sogar die Anwendung eines besonderen Schweisspulvers nicht
einmal unbedingt erforderlich, sondern die eingeschlossene Schlacke
genügt häufig, auch die neugebildeten Oxyde aufzulösen, um dann mit
denselben aus der Schweissfuge auszutreten. Auch dieser Umstand
erklärt wohl zum Theil die leichtere Schweissbarkeit dieses schlacken-
reichen Schweisseisens im Vergleiche zum Flusseisen; und eine soge-
nannte „saftige Schweisshitze“, bei welcher unter den die Schweissung
bewirkenden Hammerschlägen oder dem Drucke der Walzen reich-
liche Schlackenmengen aus der Schweissfuge ausfliessen, pflegt ein
Merkmal einer gut gelingenden Schweissung zu sein.


Für solches kohlenstoffarme Eisen ist Weissgluth die richtige
Schweisstemperatur, mittelharter Stahl dagegen lässt sich nur in Gelb-
gluth, harter in beginnender Gelbgluth (Hellrothgluth) schweissen. Auch
[640]Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.
der Schweissstahl enthält weit geringere Mengen eingeschlossener Schlacke
als jenes leicht schweissbare sehnige Schweisseisen; hier also müssen
besondere, leicht schmelzbare und die Oxyde leicht auflösende Schweiss-
pulver zur Anwendung kommen. Häufig setzt man diesen, die
Schmelzung der Schlacke bewirkenden Bestandtheilen auch solche zu,
welche dem Stahle Kohlenstoff zuführen und hierdurch einen Ausgleich
für den Verlust an Kohlenstoff herbeizuführen bestimmt sind, welchen
der Stahl beim Glühen erleiden könnte. Das üblichste Mittel hierfür
ist Blutlaugensalz.


Die besondere Zusammensetzung der verschiedenen zum Stahl-
schweissen vorgeschlagenen Schweisspulver aber ist ausserordentlich
mannigfaltig. Gewöhnlich enthalten sie Alkalien, da diese stärker als
die meisten anderen Basen die Schmelztemperatur der Schlacken ab-
mindern; nicht selten Baryt (Schwerspath), welcher ebenfalls dünn-
flüssige Schlacken bildet; Borax oder Borsäure in Rücksicht auf die
auflösende Wirkung der letzteren; u. a. m. Beispiele altbewährter
Schweisspulver für Stahl sind z. B.:


  • Borsäure   41.5 Gewichtsthl.
  • Kochsalz   35.0 „
  • Blutlaugensalz   15.5 „
  • Gebranntes kohlensaures Natron   8.5 „

oder


  • Borax   8 „
  • Blutlaugensalz   1 „
  • Salmiak   1 „

u. a. m.


Die Schweissbarkeit des Eisens gewährt ein vortreffliches Mittel
ebensowohl, um bei der Herstellung von Gebrauchs-Gegenständen
getrennte Stücke oder (bei ringförmigen Körpern) Enden zu einem
Ganzen zu vereinigen, als auch, um bei der Herstellung des gewöhn-
lichen Handelseisens aus Schweisseisen eine weitergehende Reinigung
desselben von Schlacke herbeizuführen. Letzterer Vorgang beruht auf
dem Umstande, dass bei der mechanischen Bearbeitung — Streckung
— des Eisens die Reinigung von Schlacke um so vollständiger sein
wird, auf je dünnere Querschnitte das Eisen gestreckt wurde; indem
man also zunächst Stäbe oder Platten von dünneren Querschnitten
erzeugt, diese zerschneidet, zusammenschweisst, abermals ausstreckt
und nach Befinden dieses Verfahren nochmals wiederholt, wird man
ein reineres, besseres Enderzeugniss erhalten, als wenn man das frisch
dargestellte Schweisseisen ohne Weiteres zu der vorgeschriebenen Form
ausarbeiten wollte. Auch Abfälle, Ausschussstücke oder Alteisen werden
vermöge ihrer Schweissbarkeit wieder verwerthet, indem man sie zu-
sammenschweisst und aufs Neue ausstreckt, hierbei zugleich eine fernere
Verfeinerung derselben bewirkend.


Dennoch darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass man nach
stattgehabter Schweissung zweier Eisenstücke nicht im Stande ist, ohne
Anstellung einer mechanischen Prüfung der Schweissstelle mit Sicher-
heit zu erkennen, ob auch die Schweissung gelungen ist; und es muss
[641]Das Gefüge.
ausdrücklich betont werden, dass auch die gelungenste Schweis-
sung fast niemals die volle Festigkeit des ungeschweissten
Eisens besitzt
. Häufig wird man durch mehrmals wiederholtes Hin-
und Herbiegen einer Schweissstelle mit scheinbar gut gelungener
Schweissung die Verbindung wieder lösen können.


Bei Versuchen, welche durch eine vom Vereine zur Beförderung
des Gewerbfleisses ernannte Commission über die Schweissbarkeit des
Eisens angestellt wurden, ergab sich, dass die Festigkeit


ungeschweissten harten Flusseisens (mit ca. 0.2 Proc. C, 0.2 bis
0.3 Proc. Mn) 1.725 mal so gross war als die des geschweissten;


ungeschweissten weichen Flusseisens (mit ca. 0.1 Proc. C, 0.2 Proc.
Mn) 1.410 mal so gross als die des geschweissten; und


ungeschweissten Schweisseisens 1.229 mal so gross als die des ge-
schweissten. 1)


Dieser Umstand verleiht allem Flusseisen, welches einer Reinigung
von Schlacke und demnach jener Schweissung, mit deren Hilfe die-
selbe herbeigeführt wird, nicht bedarf, ein entschiedenes Uebergewicht
über das Schweisseisen in solchen Fällen, wo vorwiegend Festigkeit
und Haltbarkeit verlangt werden. Gegenstände aus ungeschweisstem
Flusseisen besitzen in fast allen diesen Fällen eine weit längere Dauer,
als aus Schweisseisen. Eisenbahnschienen, aus Schweisseisen (Schweiss-
stahl) gefertigt, splittern unter der Einwirkung der darüber rollenden
Räder im Laufe der Zeit auf, indem die Schweissfugen allmählich sich
lösen; ähnlich verhalten sich zahlreiche andere Gegenstände, die auf
Abnutzung durch mechanische Einflüsse in Anspruch genommen werden.


4. Das Gefüge.


Das eigentliche, ursprüngliche Gefüge des schmiedbaren Eisens
lässt sich als krystallinisch-körnig bezeichnen. Alles im flüssigen Zu-
stande gewonnene und noch nicht weiter verarbeitete schmiedbare Eisen
besitzt ein solches krystallinisch-körniges Gefüge. Auch bei dem unter
Hämmern oder Walzen bearbeiteten schmiedbaren Eisen lässt sich, wenn
der Bruch in richtiger Weise bewirkt wird, dieses krystallinisch-körnige
Gefüge fast immer erkennen.


Die Grösse der Absonderungsflächen (des Korns) hängt theils von
der chemischen Zusammensetzung, theils von der vorausgegangenen
Bearbeitung des Eisens ab. Kohlenstoff, Mangan, Wolfram erzeugen
ein feinkörniges, Phosphor ein grobkörniges Gefüge. Da die zuerst
genannten Körper zugleich die Härte des schmiedbaren Eisens steigern,
und ein höherer Kohlenstoffgehalt in chemischer Hinsicht das Haupt-
unterscheidungsmerkmal des Stahles vom Schmiedeeisen bildet, so ist
Stahl feinkörniger als Schmiedeeisen und mit der Härte desselben nimmt
die Feinheit des Gefüges zu. Bei den härteren Stahlsorten (Werk-
zeugstahl) sind die einzelnen Absonderungsflächen oft so klein, dass
sie mit unbewaffnetem Auge nicht mehr sich erkennen lassen, und die
[642]Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.
Bruchfläche nimmt infolge dieses Umstandes ein sammetartiges, glanz-
loses Aussehen an.


In Rücksicht auf den erwähnten Einfluss des Phosphors auf das
Gefüge sowie auf den Umstand, dass Phosphor Kaltbruch erzeugt, pflegt
man ein grobkörniges Gefüge des schmiedbaren Eisens als Zeichen des
Kaltbruches zu betrachten. Dieses Merkmal muss jedoch, wenn es nicht
zu Trugschlüssen führen soll, mit Vorsicht benutzt werden. Auch ein
sehr kohlenstoffarmes und von sonstigen Beimengungen freies Eisen
kann, sofern es in entsprechender Weise abgebrochen wurde, ein ziem-
lich grobkörniges Gefüge zeigen, während es, seiner Zusammensetzung
entsprechend, sich durch grosse Zähigkeit auszeichnet (schwedisches
Frischfeuereisen). Grobkörniges kaltbrüchiges, d. h. phosphorreiches
Eisen pflegt sich durch stärkeren Glanz und bläuliche Farbe auf der
Bruchfläche von dem kohlenstoffarmen und deshalb ebenfalls grobkör-
nigeren Eisen, dessen Farbe mehr gelblich erscheint, zu unterscheiden.
Nur ein geübtes Auge vermag indess diese Unterscheidungsmerkmale
wahrzunehmen. Immerhin ist jenes grobkörnige Eisen mit geringem
Phosphorgehalte selten, und in den allermeisten Fällen ist daher die
erwähnte Beziehung richtig.


Durch mechanische Bearbeitung des Eisens im ungeschmolzenen
Zustande (Hämmern, Walzen) wird das Gefüge feinkörniger und zwar
in um so [stärkerem] Maasse, je niedriger die Temperatur war, in welcher
die Bearbeitung vorgenommen wurde. Ein kohlenstoffarmes und auch
sonst reines Eisen zeigt, wenn es zu Blöcken gegossen wurde, ein so
grob-krystallinisches Gefüge, dass man es als blättrig-krystallinisch
statt körnig-krystallinisch bezeichnen könnte; in der Nähe der Ab-
kühlungsflächen gruppiren sich die blättrigen Absonderungsflächen zu
strahlenartigen Bildungen, welche rechtwinklig gegen die Abkühlungs-
flächen gerichtet sind und von diesen allmählich nach innen verlaufen.
Dasselbe Eisen aber, in heller Rothgluth zu einem Stabe von einigen
Centimetern Durchmesser ausgestreckt, nimmt ein vollständig anderes,
ziemlich feinkörniges Gefüge an, dessen Absonderungsflächen um so
feiner sind, je dünner der Querschnitt des fertigen Stabes ist und je tiefer
die Temperatur desselben bei der Beendigung der Arbeit gesunken war.


Durch Erhitzung auf eine dem Schmelzpunkte nahe liegende Tempe-
ratur ohne darauf folgende Bearbeitung wird das Gefüge eines durch
fortgesetzte Bearbeitung feinkörnig gewordenen Stabes wieder gröber.
Das höchste Stadium dieser Veränderung, welche unter Umständen auch
von chemischen Aenderungen (Oxydation von Kohlenstoff, Mangan,
Silicium, Auflösung von Eisenoxydul) begleitet sein kann, nennt man
das Verbrennen des Eisens und Stahles. Das Eisen sprüht Funken
und zeigt nach dem Erkalten ein grobkörniges, stark glänzendes Ge-
füge; es ist brüchig und schwieriger schmiedbar geworden. Hatten
chemische Aenderungen hierbei nicht stattgefunden, so lässt sich das
verbrannte Eisen oder der Stahl durch vorsichtiges Wiedererhitzen und
Ausschmieden „regeneriren“; im andern Falle gelingt begreiflicher-
weise eine vollständige Wiederherstellung der früheren guten Eigen-
schaften nicht (vergl. auch S. 277).


Aus jenen Thatsachen folgt, dass das Gefüge allein nicht im Stande
ist, einen Maassstab für den Kohlenstoffgehalt, die Härte u. s. w. des
[643]Das Gefüge.
schmiedbaren Eisens abzugeben, wenn nicht auch die vorausgegangene
Bearbeitung in Rücksicht gezogen wird. Gegossenes Eisen hat in allen
Fällen ein anderes, weniger feinkörniges und weniger gleichmässiges
Bruchaussehen als geschmiedetes oder gewalztes; und jenes ausser-
ordentlich feinkörnige, gleichmässige, sammetartig aussehende Gefüge
der harten Stahlsorten entsteht nur unter dem Einflusse einer lange
fortgesetzten Bearbeitung.


Sehnenbildung im schmiedbaren Eisen. Wenn man einen
Stab schmiedbaren Eisens rings herum einfeilt, und wenn man dann
durch einen scharfen kurzen Schlag an dieser Stelle einen Bruch her-
beiführt, so wird in fast allen Fällen die Bruchfläche ein mehr oder
minder gleichmässiges körniges Gefüge zeigen.


Wird aber jener Stab nur an der einen Seite mit einem, durch
Einhauen mit dem Meissel hervorgebrachten Einschnitte versehen und
man ruft nunmehr den Bruch durch ganz allmähliches Umbiegen des
Stabes nach der jenem Einschnitte entgegengesetzten Seite hervor (so
dass sich der Einschnitt auf der convexen Seite befindet), so wird,
sofern das Eisen Zähigkeit genug besitzt, um ein starkes Umbiegen
vor dem Bruche zu ertragen, bei gewissen Eisensorten, insbesondere
beim kohlenstoffarmen Schweisseisen, ein Gefüge sichtbar werden, welches
durch zahlreiche neben einander liegende Fasern oder Sehnen gebildet
zu sein scheint und welches man demnach als sehniges Gefüge zu be-
zeichnen pflegt.


In allen Fällen liegen diese Sehnen in derjenigen Richtung, in
welcher bei der Formgebung des Eisens die letzte Streckung stattfand,
also bei einem Stabe in der Längenrichtung desselben. Ihre Entstehung
ist eine Folge der Verschiebungen, welche die einzelnen Krystalle bei
der Streckung in einer Temperatur erlitten, welche bereits tiefer als
diejenige lag, bei welcher eine völlige, dem Schmelzen vorausgehende
Erweichung eintritt.


Diese Verschiebungen finden zunächst in der Weise statt, dass Kry-
stalle, welche vor dem Strecken über einander lagen, schräge Stellung
gegen einander erhalten (vergl. unten Fig. 182); solcherart bilden sich
in der Richtung der Streckung Fasern aus zusammenhängenden Kry-
stallen, die mit den Nachbarfasern einen nur geringeren Zusammen-
hang besitzen, und es ist daher die Festigkeit sehnigen Eisens in der
Querrichtung merklich geringer als in der Richtung der Fasern.


Durch jene Biegung des erkalteten Eisens zum Zwecke des Ab-
brechens wird nun eine fernere Verschiebung der Fasern über ein-
ander herbeigeführt, und die Fasern selbst werden erst hierdurch dem
Auge blossgelegt. Bricht man den Stab dagegen, ohne ihn zu biegen,
kurz ab, wie oben zuerst beschrieben wurde, so gewahrt man auf der
rechtwinklig gegen die Faserrichtung stehenden Bruchfläche eben nur
die äusseren Begrenzungsflächen der neben einander liegenden Krystalle,
also ein körniges Gefüge oder höchstens an einigen Stellen eine An-
deutung des sehnigen. Eisen, welches überhaupt eine derartige starke
Biegung nicht erträgt, sondern kurz abbricht, zeigt deshalb niemals
sehniges Gefüge; hierher gehört alles phosphorreiche und deshalb kalt-
brüchige Eisen sowie auch die kohlenstoffreicheren Eisensorten.


Bei letzteren wird die Sehnebildung auch jedenfalls durch den
[644]Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.
Umstand erschwert, dass sie, wie oben erörtert wurde, weniger leicht
schmiedbar sind als kohlenstoffarme, und deshalb auch vorsichtiger,
langsamer bearbeitet werden müssen, wobei jene Verschiebungen der
Krystalle über einander, welche die Sehnebildung hervorrufen, ver-
mieden oder doch beschränkt werden. Noch ein dritter Umstand kommt
hinzu, um die Erklärung dafür zu liefern, dass kohlenstoffreichere Eisen-
sorten niemals Sehnebildung zeigen. Die Entstehung des sehnigen Ge-
füges wird nämlich, wie die Beobachtungen der Praxis erweisen, durch
einen reichlichen Gehalt an mechanisch eingemengter Schlacke befördert.
Die Wirkung der Schlacke hierbei ist wohl die, dass sie den Zusam-
menhang lockert, das Gleiten der Krystalle über einander erleichtert.
Kohlenstoffreichere Eisensorten aber sind, wie sich aus der Beschreibung
ihrer Herstellungsmethoden später ergeben wird, durchweg reiner an
Schlacke als kohlenstoffarmes Schweisseisen. Aus demselben Grunde
lässt sich bei Flusseisen, auch wenn dasselbe noch so kohlenstoffarm
ist, überhaupt nur ausnahmsweise die Andeutung eines sehnigen Ge-
füges hervorrufen.


Gewalztes Eisen neigt stärker zur Sehnebildung als gehäm-
mertes, jedenfalls infolge des Umstandes, dass beim Walzen jene Ver-
schiebungen in der Längsrichtung in stärkerem Maasse stattfinden als
beim Hämmern.


Sehr dicke Eisenstäbe zeigen besonders im Innern niemals sehniges
Gefüge. Sie wurden eben bei der Bearbeitung weniger abgekühlt, ver-
harrten in einem weicheren Zustande als dünnere, und die Krystalle
bewahrten deshalb auch in der Querrichtung ihren vollständigen Zu-
sammenhang.


Sehniges Eisen, zur Weissgluth erhitzt und alsdann nur so lange
bearbeitet als die Temperatur noch hoch war, wird in körniges Eisen
umgewandelt.


Da die Sehnebildung, wie erwähnt, überhaupt nur in kohlenstoff-
und phosphorarmen Eisensorten auftritt, so lässt sie, wo sie bemerkbar
ist, auf das Vorhandensein eines solchen Eisens schliessen, welches
durch Leichtschmiedbarkeit, Leichtschweissbarkeit und Zähigkeit sich
auszeichnet. Falsch aber würde der umgekehrte Schluss sein, dass alles
Eisen, von welchem die genannten Eigenschaften verlangt werden, nun
auch bei dem Bruche sehniges Gefüge erkennen lassen müsse. Das
oben Gesagte über die Entstehung der Sehnen giebt die Erklärung
hierfür.


Eisen aber, auf dessen Bruchfläche Sehnebildung und körniges
Gefüge durch einander in unregelmässiger Vertheilung erkennbar sind,
pflegt wenig gleichartig zu sein und deshalb nur geringe Brauchbarkeit
zu besitzen.


5. Die Härte und Härtbarkeit.


Das chemisch reine Eisen ist verhältnissmässig weich, und seine
Härte wächst mit dem Gehalte an legirten fremden Körpern. Die Ein-
flüsse dieser letzteren auf die Härte des Eisens wurden bereits in der
ersten Abtheilung (S. 239, 244, 246, 255, 261, 263) besprochen. Es geht
daraus hervor, dass von den in dem Handelseisen häufiger auftreten-
den Körpern vorzugsweise Kohlenstoff und Mangan deutliche Härte-
[645]Die Härte und Härtbarkeit.
steigerung hervorrufen, gleiche Mengen des ersteren aber in dieser
Beziehung bedeutend kräftiger wirken als des letzteren. Unter den
selteneren Körpern, die mitunter absichtlich der durch sie bewirkten
Härtesteigerung halber mit dem Eisen legirt werden, besitzen Chrom
und Wolfram eine grössere Wichtigkeit; und zwar legirt man Chrom
in Gewichtsmengen bis zu 1 Proc., Wolfram bis zu 8 Proc. mit dem
Eisen (S. 262 und 263).


Diejenige Härte, welche das gegossene oder das in Rothgluth be-
arbeitete und dann an der Luft abgekühlte schmiedbare Eisen besitzt,
also seine eigentliche normale Härte, nennt man die Naturhärte
desselben. Diese Naturhärte lässt sich in mehr oder minder starkem
Maasse steigern, wenn das Eisen im kalten Zustande anhaltend be-
arbeitet, einer Formveränderung unterworfen wird; zweitens auch, wenn
man dasselbe, insbesondere die kohlenstoffreicheren Sorten, auf eine
Temperatur von etwa 500 Grad C. (dunkle Rothgluth) erhitzt und dann
rasch abkühlt, z. B. durch Eintauchen in Wasser.


Die erstere Eigenschaft, die Zunahme der Härte bei stattfindender
Formveränderung im kalten Zustande, theilt das Eisen mit allen übrigen
Metallen; aber das Maass dieser Härtesteigerung durch die nämliche
Formveränderung zeigt wieder bei verschiedenen Metallen sowohl als
bei den verschiedenen Eisensorten beachtenswerthe Abweichungen. Im
Allgemeinen nimmt die Härte um so rascher zu, je grösser sie bereits
im unbearbeiteten Metalle war; und da durch Legirung mit anderen
Körpern stets die Härte eines reinen Metalls gesteigert wird, so tritt
jene durch Bearbeitung hervorgerufene Härtesteigerung auch deut-
licher in Legirungen als in reinen Metallen, deutlicher in kohlenstoff-,
mangan-, chrom- oder wolframhaltigem Eisen als in reinem Eisen
hervor.


Diese Härtezunahme der Metalle bei der Bearbeitung im kalten
Zustande verdient alle Beachtung. Mit ihr geht, wie unten noch aus-
führlicher erörtert werden wird, eine Steigerung der Sprödigkeit Hand
in Hand, und infolge hiervon würde eine fernere Bearbeitung über-
haupt sehr bald unmöglich werden, wenn nicht glücklicherweise durch
ein sehr einfaches Mittel die Möglichkeit gegeben wäre, die gesteigerte
Härte und Sprödigkeit auf ihr ursprüngliches Maass wieder zurück-
zuführen: ein Ausglühen des hart gewordenen Metalles. Welche Tempe-
ratur hierbei anzuwenden ist, richtet sich nach der Beschaffenheit des
Metalles; bei den verschiedenen Eisensorten und den meisten in hoher
Temperatur schmelzenden Metallen ist Rothgluth die geeignetste.


Die Härtungsfähigkeit der kohlenstoffreicheren Sorten schmied-
baren Eisens ist schon mehrfach als das wesentlichste Unterscheidungs-
merkmal des Stahles vom kohlenstoffarmen Schmiedeeisen bezeichnet
worden. Bei übrigens reinem Eisen liegt die Grenze der deutlichen
Härtbarkeit und somit die Grenze zwischen Stahl und Schmiedeeisen
bei einem Kohlenstoffgehalte von etwa 0.6 Proc.; jedoch zeigt auch in
dieser Beziehung das Flusseisen einen Unterschied vom Schweisseisen,
indem es leichter als dieses auch bei niedrigem Kohlenstoffgehalte
Härtung erkennen lässt.


Einen gleichen Einfluss auf die Härtungsfähigkeit wie Kohle übt
Mangan, jedoch schwächer als diese (S. 255); auch Chrom und Wolfram
[646]Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.
steigern die Härtungsfähigkeit, während Silicium keinen Einfluss in
dieser Beziehung erkennen lässt. Ueberhaupt pflegt ein Stahl auch um
so leichter härtbar zu sein, d. h. für die Härtung einer um so weniger
kräftig wirkenden Wärmeentziehung zu bedürfen, und durch die Här-
tung einen um so höheren Härtegrad zu erlangen, je grösser schon
seine Naturhärte ist.


In jedem Falle tritt Härtung überhaupt nur dann ein, wenn der
Stahl auf die Härtungstemperatur, welche bei etwa 500 Grad C. liegt1),
erhitzt worden war, ehe die Abkühlung stattfand. Eine Erhitzung auf
eine niedrigere Temperatur erzeugt nicht etwa eine schwächere Härtung,
sondern bleibt überhaupt wirkungslos; eine stärkere Erhitzung als auf
jene Härtungstemperatur ist nicht allein nutzlos, da sie keineswegs zur
Erreichung höherer Härtegrade beiträgt, sondern bewirkt auch leicht
eine Verschlechterung der Stahlbeschaffenheit. Geschieht das Härten
durch Eintauchen des glühenden Stahles in Wasser, so kann durch die
übermässige Erhitzung sogar der Erfolg des Härtens verringert werden,
indem die überschüssige, von dem Stahle aufgenommene Wärme zu-
nächst, ehe Härtung eintritt, an das Wasser abgegeben und zur Er-
wärmung desselben verbraucht wird; ist alsdann der Stahl auf die
Härtungstemperatur abgekühlt, so geht die fernere Abkühlung desselben
durch das wärmere Wasser weniger rasch vor sich, und die Härtung
fällt schwächer aus.


In der Praxis erkennt man den Zeitpunkt der Erhitzung, bei
welchem die Härtung des Stahles vorgenommen werden muss, an dem
Grade des Erglühens desselben; dunkle Rothgluth zeigt bei härterem,
Kirschrothgluth bei weicherem Stahle die geeignete Temperatur an.


Die durch Härtung erzeugte Härte vermindert sich durch Erwär-
mung des gehärteten Stahles, und der letztere nimmt seine Naturhärte
wieder an, wenn er bis zur Härtungstemperatur erhitzt und dann der
ruhigen Abkühlung überlassen wird. Das Maass, um welches bei der
Erwärmung die künstlich erzeugte Härte sich verringert, ist von dem
Grade der Erwärmung unmittelbar abhängig; eine stärkere Erwärmung
ruft stärkere Abminderung der Härte hervor, d. h. der Stahl wird
weicher, und umgekehrt. Aber auch die Zeitdauer der Erwärmung ist
hierbei von grossem Einflusse. Soll daher eine Abminderung der Härte
nur bis zu einem genau vorgeschriebenen Grade bewirkt werden, so
ist ein Ablöschen des Stahles in Wasser in dem Augenblicke erforder-
lich, wo jener Zeitpunkt erreicht ist; andernfalls würde der Stahl,
auch ohne dass die künstliche Erwärmung fortgesetzt wird, durch die
bereits aufgenommene Wärme eine fernere Einbusse an seiner Härte
erleiden.


Schon eine verhältnissmässig unbedeutende Erwärmung des Stahles
ruft, wenn sie lange fortgesetzt oder öfters wiederholt wird, eine deut-
liche Abminderung der Härte hervor. Eine gute Hausfrau weiss sehr
wohl, auch wenn sie die Ursache nicht kennt, dass Tischmesser, wenn
sie öfters in heissem statt in lauwarmem Wasser gewaschen werden,
leicht sich abstumpfen, d. h. an Härte verlieren.


[647]Die Härte und Härtbarkeit.

Das Verfahren, dem gehärteten Stahl durch Erwärmung einen Theil
seiner Härte zu nehmen, nennt man das Anlassen desselben. Man
erhält hierdurch ein vortreffliches Mittel, Gegenständen aus einem und
demselben Stahle sehr verschiedene Härtegrade zu ertheilen, je nach-
dem er für diesen oder jenen Zweck bestimmt ist; und es ist diese
Regelung des Härtegrades durch das Anlassen um so wichtiger, da
der härtere (weniger stark angelassene) Stahl auch der sprödere ist,
d. h. leichter unter dem Einflusse von Erschütterungen zerspringt, es
also in Rücksicht auf die grössere Haltbarkeit wünschenswerth ist,
dem Stahle keine grössere Härte zu verleihen, als die Verwendung
des Stahlgegenstandes es erfordert.


Gehärteten und nicht angelassenen Stahl nennt man glashart.
Gegenstände aus solchem glasharten Stahle finden wegen der soeben
besprochenen Beziehungen zwischen Sprödigkeit und Härte nur da
Verwendung, wo eben der höchste Härtegrad Erforderniss ist (z. B.
für Feilen). Der durch Anlassen erzeugte Härtegrad, welcher zwischen
Glashärte und Naturhärte liegt, heisst die Anlasshärte.


Beim Anlassen, welches gewöhnlich durch Erhitzen des gehärteten
Stahlgegenstandes in einem Holzkohlenfeuer bewirkt wird, erkennt man
den gewünschten Härtegrad an den sogenannten Anlauffarben,
welche an einer blank geschabten Stelle des Stahlstückes infolge der
Erwärmung erscheinen. Sie werden durch die Entstehung eines Oxyd-
häutchens hervorgerufen, welches immer stärker und daher anders-
farbiger wird, je stärker die Erhitzung fortschreitet. Obgleich die ein-
zelnen Farbentöne dieser Anlauffarben bei verschiedenen Stahlsorten
nicht immer ganz genau übereinstimmen, so zeigt sich doch hinsicht-
lich des Erscheinens und Verschwindens der Farben im Grossen und
Ganzen stets die nämliche Reihenfolge. Zuerst, bei einer Temperatur
von etwas über 200°C., erscheint hellgelbe Farbe; bei 240°C. wird
dieselbe dunkler, um bei etwa 250°C. einen bräunlichen Ton anzu-
nehmen und bei 265°C. in Braunroth überzugehen. Bei 275°C.
erscheint purpurrothe Farbe; bei 285°C. bekommt sie einen Stich ins
Blaue (violet), bei 295°C. ist sie kornblumenblau, wird bei 315°C.
hellblau oder graublau und bei 330°C. grau.


Wie sich aus dem oben Gesagten ergiebt, ist es zur Erreichung
des einer bestimmten Anlauffarbe entsprechenden Härtegrades erforder-
lich, dass der betreffende Gegenstand, sobald die betreffende Anlauf-
farbe erscheint, durch Eintauchen in Wasser abgekühlt werde. Im
anderen Falle würde durch das längere Warmbleiben der Härtegrad
stärker abgemindert werden als beabsichtigt war.


Es verdient ausserdem hervorgehoben zu werden, dass gleiche
Anlauffarben auch nur dann gleichen Härtegraden entsprechen können,
wenn die Naturhärte der betreffenden Stahlgegenstände dieselbe ist.
Wie ein Stahl mit 1.2 Proc. Kohlenstoff sowohl vor als nach dem
Härten einen bedeutend grösseren Härtegrad zeigt als ein solcher mit
0.6 oder 0.7 Proc. Kohlenstoff, so wird auch beim Anlassen auf eine
bestimmte Anlauffarbe der kohlenstoffreichere Stahl naturgemäss immer-
hin der härtere bleiben. Von der Verwendung des Stahles muss daher
zunächst die Wahl der Stahlsorte — ob härter oder weicher — ab-
hängig sein, und in zweiter Reihe erst wird sich entscheiden lassen,
[648]Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.
bis zu welcher Anlauffarbe der übrigens fertige Gegenstand (in den
meisten Fällen ein Werkzeug zur Metall-, Holz- oder Steinbearbeitung)
angelassen werden kann.


Es ist kaum zu bezweifeln, dass die eigentliche Ursache des
Härtens und Anlassens in den Veränderungen zu suchen ist, welche
die Legirung des Eisens mit dem Kohlenstoff erleidet, wenn in einem
Falle plötzliche Abkühlung des glühenden Stahles, in dem andern
Falle allmähliche Erwärmung des gehärteten Stahles herbeigeführt wird.
Die chemischen Untersuchungen Caron’s, Rinman’s u. A. über die
abweichenden Formen des Kohlenstoffs im gehärteten und ungehärteten
Stahle, sowie die Schlussfolgerungen, welche sich aus jenen Unter-
suchungen für die Theorie des Härtens und Anlassens ziehen lassen,
wurden bereits auf S. 237 und 238 besprochen.


Durch das Härten des Stahles wird das specifische Gewicht des-
selben verringert. Der durch die Erhitzung ausgedehnte Körper kann
sich offenbar bei der plötzlichen Abkühlung nicht so rasch zusammen-
ziehen, als er seine Wärme verliert, und sobald die Abkühlung beendet
ist, muss auch die Zusammenziehung aufhören; die Abmessungen
bleiben grösser als vor dem Härten. Ein gehärteter Stempel passt nicht
mehr in eine Oeffnung, in welche er vorher genau hineingepasst war;
ein gehärteter Draht geht nicht mehr durch eine Oeffnung, durch welche
er sich vor dem Härten hindurchziehen liess. Es verdient jedoch Be-
achtung, dass diese Vergrösserung nur bei den Querschnittsabmessungen,
nicht auch bei der Längenabmessung eines stabförmigen Gegenstandes
wahrnehmbar ist; letztere wird sogar, wie Caron zuerst nachwies,
beim Härten verkürzt. Aus eben diesem Grunde wird ein Stahlring
kleiner im Durchmesser, wenn man ihn härtet.


Das Maass jener Verringerung des specifischen Gewichtes beziehent-
lich der Vergrösserung der Querschnittsabmessungen beim Härten ist
im Allgemeinen um so bedeutender, je härter der Stahl ist und je
stärker er vor dem Härten erhitzt wurde. Metcalf und Langley,
welche verschieden harte Stahlsorten theils stärker, theils weniger stark
erhitzten und dann härteten, fanden dabei folgende Aenderungen der
specifischen Gewichte1):

[649]Die Festigkeitseigenschaften.

Beim Anlassen des gehärteten Stahles nimmt das specifische Ge-
wicht desselben wieder zu, und beim Erscheinen der grauen Anlauf-
farbe hat dasselbe annähernd das ursprüngliche Maass, welches es vor
dem Härten besass, erreicht.


Ist der Stahl an und für sich sehr hart und die stattfindende Ab-
kühlung beim Härten sehr bedeutend, so kann infolge der ungleichen
Zusammenziehung der äusseren und inneren Theile der Stahl Risse
bekommen oder in Stücke zerspringen. Die Gefahr wächst, wenn ein
Gegenstand mit sehr verschiedenen Querschnitten gehärtet wird. Statt
des kalten Wassers zum Ablöschen wendet man in solchen Fällen
schwach erwärmtes oder auch Flüssigkeiten an, welche die Wärme
weniger gut als Wasser leiten (z. B. Oel, Seifenwasser, Kalkmilch).
Weniger harter Stahl dagegen, welcher der Gefahr des Zerspringens
in geringerem Maasse unterworfen ist, lässt sich stärker härten, wenn
er in gut wärmeleitenden Flüssigkeiten (schwefelsäurehaltigem Wasser
oder dergl.) abgelöscht wird.


Die Veränderungen, welche die Festigkeitseigenschaften durch das
Härten erfahren, werden unten Besprechung finden.


6. Die Festigkeitseigenschaften.


Unter den verschiedenen Arten der Festigkeit, welche die Mechanik
uns unterscheiden lehrt, kommt beim schmiedbaren Eisen vorzugs-
weise die Zerreissungsfestigkeit in Betracht. In Folgendem ist
daher auch vorzugsweise auf diese Bezug genommen.


Bei Verwendung der Körper zu Constructionstheilen müssen jedoch
auch noch andere, der Festigkeit nahe stehende Eigenschaften berück-
sichtigt werden.


Hierher gehört zunächst die Zähigkeit, welche schon auf S. 635
als das Maass des Widerstandes bezeichnet wurde, welchen der Körper
nach dem Ueberschreiten der Elasticitätsgrenze dem Zerreissen ent-
gegensetzt. Wie die Festigkeit, so wird auch die Zähigkeit eine ver-
schiedene sein können, je nachdem der Körper auf Zerreissen, Zer-
drücken, Biegen u. s. w. in Anspruch genommen wird. Bei Ermittelung
der Zerreissungsfestigkeit pflegt man die Zähigkeit entweder nach der
stattgehabten Längenausdehnung des geprüften Stabes vor dem Zer-
reissen oder auch nach der Contraction des Stabquerschnittes an der
Zerreissungsstelle zu schätzen. Es wurde schon oben erläutert, dass
die Zähigkeit gewissermaassen die Grundlage der Dehnbarkeit bilde; je
zäher aber ein Körper ist, um so weniger plötzlich wird eine Zer-
trümmerung desselben stattfinden können, und desto ungefährlicher
werden vorübergehende äussere Einwirkungen — Erschütterungen u. s. w.
— bleiben.


Um diese Thatsache zu verstehen, braucht man nur zu erwägen,
dass für die durch die Zähigkeit eines Materiales bedingte Formver-
änderung vor dem Zerreissen eine mechanische Arbeit erforderlich ist,
welche durch die stattfindende äussere Einwirkung vollbracht werden
muss und für welche deren mechanische Leistung ganz oder theil-
weise verbraucht wird, sofern eben jene Einwirkung nur vorüber-
gehend war.


Ledebur, Handbuch. 42
[650]Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.

Durchschnittlich wird die Zähigkeit um so grösser sein, je weiter
die Festigkeit und die Elasticitätsgrenze aus einander liegen. Sie ver-
ringert sich daher, wenn die Elasticitätsgrenze steigt, ohne dass auch
die Festigkeit zunimmt.


Elasticität ist bekanntlich die Eigenschaft der Körper, vorüber-
gehende Formveränderungen unter dem Einflusse von Kräften zu
ertragen, deren Maass unterhalb der Elasticitäsgrenze bleibt. Auch für
diese vorübergehenden Formveränderuugen ist ein Arbeitsverbrauch
erforderlich; und aus diesem Grunde ist auch ein elastischer Körper
plötzlichem Zerspringen weniger ausgesetzt als ein weniger elastischer.


Körper, welche weder Zähigkeit noch Elasticität besitzen, also
weder vorübergehende noch bleibende Formveränderungen ertragen,
heissen spröde. Die Elasticitätsgrenze derselben liegt sehr nahe bei
der Festigkeit.


Die Festigkeit des schmiedbaren Eisens sowie die verwandten soeben
besprochenen Eigenschaften desselben sind abhängig von der chemi-
schen Zusammensetzung, der Herstellungsmethode und der der Prüfung
vorausgegangenen mechanischen Bearbeitung. Die Grenzwerthe dieser
Eigenschaften liegen deshalb bei verschiedenen Eisensorten häufig sehr
weit aus einander; so beträgt beispielsweise die Zerreissungsfestigkeit
einiger zwar geringwerthiger aber immerhin für untergeordnete Zwecke
noch brauchbarer Eisensorten nicht mehr als 25 kg per qmm und steigt
bei anderen auf mehr als 100 kg.


Im Allgemeinen besitzen diejenigen Eisensorten, deren
Festigkeit das höchste Maass erreicht, eine nur geringe
Zähigkeit; und umgekehrt wird die grösste Zähigkeit nur
bei solchem Eisen gefunden, dessen Festigkeit nicht über
das mittlere Maass hinausgeht
.


Je vorzüglicher das Eisen ist, desto grösser wird allerdings das
Maass beider Eigenschaften neben einander sein. In Rücksicht auf
diese Thatsache schreiben verschiedene Eisenbahnverwaltungen nach
Wöhler’s Vorgange für Eisenlieferungen eine sogenannte Qualitäts-
ziffer
vor, welche durch die Summe der Zerreissungsfestigkeit per qmm
in Kilogrammen und der Contraction des Querschnittes an der Zer-
reissungsstelle in Procenten des ursprünglichen Querschnittes gebildet
wird. Besitzt z. B. ein Eisen eine Zerreissungsfestigkeit von 57 kg
per qmm und eine Contraction des Querschnittes von 40 Proc., so ist
die Qualitätsziffer 57 + 40 = 97; ein anderes Eisen möge eine Festig-
keit von 43 kg und eine Contraction von 45 Proc. besitzen, so ist seine
Qualitätsziffer 43 + 45 = 88; u. s. f. Da es aber für eine bestimmte
Verwendung des Eisens nicht gleichgültig ist, ob dasselbe bei gleicher
Qualitätsziffer eine hohe Festigkeit und geringe Zähigkeit oder hohe
Zähigkeit und geringe Festigkeit besitzt, so ist es bei Benutzung einer
solchen Qualitätsziffer als Maassstab für die Güte des Eisens immerhin
erforderlich, auch für jede der beiden Eigenschaften ein zulässiges
geringstes Maass vorzuschreiben, wobei die Summe der beiden Minimal-
ziffern niedriger ausfallen muss, als die vorgeschriebene Qualitätsziffer,
[651]Die Festigkeitseigenschaften.
damit ein gewisser Spielraum für das Maass jener Eigenschaften ge-
wahrt bleibe.


Das reinste Eisen besitzt durchschnittlich die grösste
Zähigkeit, aber eine nur mässige Zerreissungsfestigkeit
.
Durch die Anwesenheit fremder Körper wird in allen Fällen die Zähig-
keit verringert; die Festigkeit wird durch einzelne Körper, sofern ihre
Menge eine gewisse Grenze nicht überschreitet, gesteigert, durch andere
verringert. Körper, welche die Entstehung eines feinkörnigen Gefüges
befördern, pflegen auch die Festigkeit zu erhöhen; hierher gehören
Kohlenstoff, Mangan, Chrom, Wolfram. Die Grenze, über
welche hinaus eine fernere Anreicherung dieser Körper im Eisen keine
Festigkeitssteigerung mehr hervorbringt sondern eher nachtheilig wirkt,
liegt für den Kohlenstoff bei etwa 1 Proc., für Mangan bei etwa
3 Proc.1), für Chrom bei etwa 1 Proc. und für Wolfram bei 6 Proc.;
jedoch ist hierbei nicht ausser Acht zu lassen, dass diese Einflüsse
immerhin durch die gemeinschaftliche Anwesenheit mehrerer Körper
neben einander nicht unwesentliche Aenderungen erleiden.


Silicium neben wenig Kohlenstoff erhöht die Festigkeit; die
Grenze des Siliciumgehaltes, wo dieser Einfluss aufhört, ist bislang
nicht ermittelt (vergl. S. 244).


Phosphor verleiht dem Eisen ein grobkörnigeres Gefüge und
verringert, wenn er in grösseren Mengen auftritt, die Festigkeit; stärker
noch wird die Zähigkeit des Eisens dadurch beeinträchtigt, dasselbe
wird kaltbrüchig, spröde. Dass dieser Einfluss des Phosphors sich um
so kräftiger geltend mache, je mehr Kohlenstoff neben demselben zu-
gegen sei, wurde schon auf S. 247 besprochen. Auch wurde bereits
früher erwähnt, dass Flusseisen durchschnittlich empfindlicher gegen
diese Einflüsse des Phosphorgehaltes ist und deshalb, selbst bei niedri-
gem Kohlenstoffgehalte, nur geringere Mengen Phosphor erträgt als
Schweisseisen.


Schwefel in den Mengen, wie er im schmiedbaren Eisen auf-
zutreten pflegt, übt in der Kälte keine erhebliche Einwirkung auf die
Festigkeitseigenschaften desselben aus. Dass in Rothgluth die Festig-
keit des Eisens durch Schwefel erheblich abgemindert, es dadurch roth-
brüchig werde, ist bereits verschiedentlich hervorgehoben worden (u. a.
auf S. 251).


Kupfer, Kobalt, Nickel sind für die Festigkeit des Eisens
eher günstig als nachtheilig; ein nachtheiliger Einfluss auf die Zähig-
keit ist bei den kleinen Mengen, in welchen diese Metalle im Eisen
aufzutreten pflegen, nur selten bemerkbar.


Durch mechanische Einlagerung fremder Körper, welche da, wo
sie sich befinden, den Zusammenhang unterbrechen, wird die Festig-
keit des Eisens wie jedes anderen Materiales geschwächt; und auch
die Zähigkeit muss erheblich darunter leiden. Einen deutlichen Beweis
hierfür liefert ein Vergleich der Festigkeit und Zähigkeit des mit
Graphitblättchen durchsetzten Gusseisens mit der des schmiedbaren
42*
[652]Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.
Eisens; die Festigkeit des Gusseisens ist bedeutend geringer, seine
Zähigkeit pflegt fast gleich Null zu sein (vergl. S. 296—298).


Auch bei den verschiedenen Gattungen des schmiedbaren Eisens
zeigt sich dieser Einfluss mechanisch eingemengter fremder Körper.
Schweisseisen ist von Schlacke durchsetzt, Flusseisen ist schlackenfrei;
daher besitzt bei ähnlicher chemischer Zusammensetzung
Flusseisen eine grössere Festigkeit und grössere Zähigkeit
als Schweisseisen
. Der Unterschied in der Festigkeit beider Eisen-
gattungen bei ähnlicher chemischer Zusammensetzung, insbesondere bei
gleichem Kohlenstoffgehalte, pflegt mindestens 10 Proc. zu betragen,
ist aber häufig noch erheblich grösser.


Enthält das Flusseisen dagegen, wie es nicht selten ist, Mangan
oder Silicium in einigermaassen erheblichen Mengen, so mindern diese
Körper seine Zähigkeit, obschon sie die Festigkeit erhöhen. In den
kohlenstoffarmen Sorten des Schweisseisens kommen dieselben nicht
vor; und in solchem Falle kann bei gleichem Kohlenstoffgehalte das
Schweisseisen zäher sein als Flusseisen.


Wie früher erörtert wurde, entsteht das sogenannte sehnige Gefüge
nur in phosphor- und kohlenstoffarmem, überhaupt von chemisch ge-
bundenen Körpern (mit Ausnahme des Schwefels) möglichst freiem
Eisen, insbesondere dem Schweisseisen. Solches Eisen aber zeichnet
sich eben wegen seiner Reinheit von legirten fremden Körpern durch
grosse Zähigkeit und wegen seiner Reinheit von Phosphor durch eine
im Verhältniss zu seiner grossen Zähigkeit immerhin nicht unbedeutende
Festigkeit aus. Aus diesem Grunde pflegt man sehniges Gefüge des
schmiedbaren Eisens, besonders des Schweisseisens, als das Merkmal
grosser Zähigkeit bei entsprechender Festigkeit zu betrachten. Dass
aber solches sehnige Eisen in der Querrichtung durchschnittlich eine
geringere Festigkeit besitzt, als in der Richtung der Sehnen, dabei zum
Aufsplittern geneigt und deshalb weniger gut brauchbar ist, wo es in
dieser Hinsicht beansprucht wird, ergiebt sich aus dem über Sehne-
bildung früher Gesagten.


Folgende Beispiele von Festigkeits-Versuchsergebnissen mögen die
Beziehungen zwischen chemischer Zusammensetzung und Festigkeit
(beziehentlich Zähigkeit, Elasticität), sowie den Unterschied in dem Maasse
dieser Eigenschaften beim Schweisseisen und Flusseisen veranschau-
lichen. Sämmtliche Ziffern beziehen sich auf gewöhnlich, d. h. in der
Wärme, bearbeitetes (gestrecktes), nicht gehärtetes Eisen und geben die
Festigkeit u. s. w. desselben bei gewöhnlicher Temperatur an. Hinsicht-
lich der Längenausdehnung, welche die geprüften Stäbe erfuhren, muss
auf den Umstand aufmerksam gemacht werden, dass eine Benutzung
derselben als vergleichender Maassstab der Zähigkeit nur dann mög-
lich ist, wenn dieselbe auf die gleiche ursprüngliche Länge bezogen
wurde. In der Nähe der Bruchstelle ist diese Längenausdehnung am
beträchtlichsten; von da an nimmt sie mehr und mehr ab. Je grösser
also die ursprüngliche Länge war, deren Ausdehnung gemessen wurde,
ein desto niedrigeres Verhältniss der stattgehabten Ausdehnung zu der
Gesammtlänge wird sich ergeben. Wo daher in den benutzten Ver-
öffentlichungen die ursprüngliche Länge, auf welche die Ausdehnung
[653]Die Festigkeitseigenschaften.
bezogen wurde, angegeben worden ist, wird dieselbe auch in Folgendem
mitgetheilt werden.


Inwiefern auch durch die vorausgegangene Bearbeitung sämmt-
liche Festigkeitseigenschaften des Eisens Aenderungen erleiden, wird
unten erörtert werden.


Beispiele für den Einfluss des Kohlenstoffgehaltes.






Beispiele für den Einfluss des Mangangehaltes.



[654]Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.

Beispiele für den Einfluss des Chromgehaltes und Wolframgehaltes.



Beispiele für den Einfluss des Phosphorgehaltes.



Eine Verringerung der durchschnittlichen Festigkeitsziffer hat selbst
bei einem Gehalte von 0.25 Proc. Phosphor noch nicht stattgefunden;
wohl aber zeigt sich deutlich an der geringeren Längenausdehnung des
phosphorreicheren Eisens die Abnahme der Zähigkeit. Auch die Con-
traction des Querschnittes beim Zerreissen liess in den vorstehend er-
wähnten Fällen — wenigstens im Grossen und Ganzen — denselben
Einfluss des Phosphors erkennen; dieselbe betrug bei dem

Durch mechanische Bearbeitung deserhitztenEisens,
welche mit einer Querschnittsverdünnung verbunden ist
,
[655]Die Festigkeitseigenschaften.
wird die Festigkeit regelmässig gesteigert, die Dehnungs-
fähigkeit fast immer verringert
. Von zwei aus demselben
Materiale geschmiedeten oder gewalzten Stäben mit verschiedenen Quer-
schnitten wird demnach der durch eine länger fortgesetzte Bearbeitung
auf einen dünneren Querschnitt ausgestreckte Stab die grössere Festig-
keit per qmm besitzen und eine geringere Dehnung beim Zerreissen
zeigen als der dickere.


Beispiele.1)


Bei der Verarbeitung (dem Ausstrecken) des Eisens im
kaltenZustande wird neben der Härte (S. 644) die Festig-
keit, die Elasticitätsgrenze und, sofern die Verarbeitung
ein gewisses Maass nicht überschreitet, auch die Elasti-
cität erhöht, die Dehnungsfähigkeit aber erheblich ver-
ringert; durch Ausglühen lassen sich diese Eigenschaften
auf das ursprüngliche Maass zurückführen
.


Es ist z. B. bekannt, dass kalt gezogene Eisendrähte eine bedeu-
tend grössere Festigkeit besitzen als geglühte; aber ihre Elasticitäts-
grenze fällt schliesslich nahe mit der Festigkeit zusammen und ein
weiteres Ausziehen derselben ist deshalb ohne vorausgegangenes Glühen
nicht möglich. Wertheim2) fand:

[656]Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.
Ebenso bekannt ist es, dass der kalt gezogene Draht seiner Elasticität
halber zu Sprungfedern und dergleichen benutzt werden kann, durch
das Ausglühen aber biegsam wird, seine Spannkraft verliert. Aber
auch ein allzu lange fortgesetztes Ausziehen würde, indem es seinen
Elasticitätsmodul (die erforderliche Kraft zur Erzeugung vorübergehender
Formveränderungen) übermässig steigerte, seiner Elasticität nachtheilig sein.


Je grösser die Festigkeit und Elasticität des Eisens an und für
sich, je grösser also insbesondere sein Kohlenstoffgehalt ist, desto früh-
zeitiger, merkbarer treten bei der Verarbeitung im kalten Zustande jene
Veränderungen auf. Bei der Verarbeitung des Stahles zu Gebrauchs-
gegenständen, welche hart und zugleich elastisch sein sollen (Federn,
Klingen u. a. m.) ist es deshalb ein vielfach benutztes Mittel, sie im
kalten Zustande zu hämmern.


Transmissionswellen verleiht man mitunter durch Walzen im kalten
Zustande eine grössere Steifigkeit und Elasticität und befähigt sie
dadurch, stärkere Kraftleistungen als im weichen Zustande ohne Gefahr
für Torsion zu übertragen (Verfahren von Jones und Laughlins in
Pittsburg).


Nach Versuchen von W. M. Made1) betrug bei

Durch das Ablöschen oder Härten (S. 645) wird die Festig-
keit, die Elasticitätsgrenze und der Elasticitätsmodul des
Eisens und Stahles gesteigert, die Dehnungsfähigkeit ver-
ringert. Durch Anlassen des gehärteten Stahles wird die
entgegengesetzte Wirkung hervorgebracht, und durch Er-
hitzung bis zum Glühen und langsames Erkalten werden
jene Eigenschaften auf ihr ursprüngliches, unter Um-
ständen sogar auf ein noch geringeres Maass zurück-
geführt
.


Die Steigerung des Elasticitätsmoduls durch Härten ist sehr be-
trächtlich, und die Folge davon ist eine grössere Sprödigkeit des ge-
härteten Eisens (Stahles). Auch diese Eigenschaft wird durch das An-
lassen wieder abgemindert.


Mit der Härtbarkeit des Stahles, also mit seinem Kohlenstoffgehalte,
steigert sich auch das Maass jener Aenderungen der Festigkeitseigen-
schaften; und bei einem und demselben Stahle ist ebenso wie der
Härtegrad, welchen der Stahl beim Härten erlangt, auch der Grad
jener Eigenschaften von der mehr oder minder raschen Abkühlung
abhängig. Während aber die Härtbarkeit erst beim eigentlichen Stahle,
dem kohlenstoffreicheren schmiedbaren Eisen, deutlich zu Tage tritt,
zeigt sich die besprochene Einwirkung des sogenannten Härtens auf die
Festigkeitseigenschaften auch bei gewöhnlichem kohlenstoffarmem Eisen.
[657]Die Festigkeitseigenschaften.

1)


Es ergiebt sich aus diesen, wie aus den früher mitgetheilten Ziffern,
in wie hohem Grade die Festigkeitseigenschaften des schmiedbaren Eisens
[658]Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.
von der vorausgegangenen Behandlung abhängig sind. Die Festigkeit
des gewalzten oder gehämmerten Eisens wird verringert, aber die Aus-
dehnungsfähigkeit gesteigert, wenn man dasselbe glüht und langsam
abkühlen lässt; umgekehrt steigt die Festigkeit und die Elasticitäts-
grenze durch Ablöschen des rothglühenden Eisens, aber die Ausdeh-
nungsfähigkeit wird geringer. Diese Thatsachen, welche zwar früher schon
bekannt, aber doch ihrer Bedeutung nach nicht immer voll gewürdigt
waren, sind nicht allein geeignet, manche scheinbare Gegensätze in dem
Verhalten des Eisens, sofern es auf Festigkeit beansprucht wird, auf-
zuklären, sondern geben auch dem Praktiker ein Mittel an die Hand,
die Eigenschaften eines und desselben Eisens durch verschiedene Be-
handlung desselben seinem Zwecke entsprechend zu regeln.


Besonders deutlich treten jene Veränderungen, welche durch Ab-
löschen (Härten), beziehentlich Anlassen oder Glühen hervorgebracht
werden, bei dicht (d. h. ohne Gasblasen im Innern) gegossenem Fluss-
eisen hervor. Dass gegossenes, übrigens unbearbeitet gebliebenes Fluss-
eisen beim Glühen und Ablöschen seine Eigenschaften ebenso wie be-
arbeitetes ändert, ergiebt sich schon aus den beiden letzten der oben
mitgetheilten Beispiele; erhitzt man nun aber das abgelöschte (gehärtete)
Eisen abermals bis zum Glühen und lässt es ruhig abkühlen, so zeigt
sich, dass nicht allein die Ausdehnungsfähigkeit, sondern auch die
Festigkeit grösser ist als diejenige des rohen Metalls; dass also das
Verfahren des Härtens und Wiederausglühens in jeder Beziehung eine
Verbesserung der Festigkeitseigenschaften hervorgerufen hat ähnlich
derjenigen, welche durch mechanische Bearbeitung vermittelst Hämmerns,
Walzens oder dergleichen hervorgebracht wird. Dieser Umstand, auf
welchen schon früher Chernoff aufmerksam machte, wurde bei Gelegen-
heit der Pariser Weltausstellung 1878 durch eine Reihe von Versuchs-
ergebnissen veranschaulicht, welche von dem Eisenwerk Terrenoire
veröffentlicht wurden.1) Beispielsweise betrug bei

[659]Die Festigkeitseigenschaften.

In Terrenoire macht man bei Herstellung von Gussgegenständen
aus Flusseisen von diesem Verhalten desselben eine öftere Benutzung.1)


Mit zunehmender Temperatur des Eisens verringert
sich stetig seine Festigkeit; die Ausdehnungsfähigkeit
nimmt im Allgemeinen bis zu einer gewissen Temperatur
zu, um dann bei fernerer Temperatursteigerung sich eben-
falls zu verringern
. Durch Styffe2) wurde nachgewiesen, dass die
bei starker Winterkälte eintretende Zunahme von Brüchen an Rad-
reifen, Achsen u. s. w. bei Eisenbahnwagen keineswegs auf einer Ver-
ringerung der Festigkeit durch die Kälte beruhe. Dagegen wächst mit
abnehmender Temperatur, wie ebenfalls durch Styffe nachgewiesen
wurde, die Elasticitätsgrenze und der Elasticitätsmodul; das Eisen wird
spröder, und hierin dürfte vorwiegend die Ursache jener häufigeren
Brüche unter dem Einflusse starker Erschütterungen zu suchen sein.


Durch Kollmann wurde eine umfassende Reihe von Versuchen
über das Verhalten des Eisens in verschiedenen Temperaturen angestellt,
von deren Ergebnissen einige hier Platz finden mögen. 3)


Sehniges Schweisseisen aus Gutehoffnungshütte mit 0.10 Proc. Kohlen-
stoff, 0.34 Proc. Phosphor (also ziemlich kaltbrüchiges Eisen).


Feinkörniges Schweisseisen mit 0.12 Proc. Kohlenstoff, 0.20 Proc.
Phosphor, 0.11 Proc. Silicium, 0.14 Proc. Mangan.


[660]Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.

Bessemereisen mit 0.23 Proc. Kohlenstoff, 0.30 Proc. Silicium,
0.09 Proc. Phosphor, 0.86 Proc. Mangan, 0.05 Proc. Schwefel.


Die grösste Ausdehnungsfähigkeit lag demnach in den Tempera-
turen zwischen 400 und 500 Grad. Dass übrigens die Beeinflussung,
welche die Zähigkeit und Dehnbarkeit des Eisens durch Temperatur-
wechsel erleiden, auch sehr wesentlich von der chemischen Zusammen-
setzung desselben abhängt, beweist das Verhalten des rothbrüchigen
(schwefel- oder sauerstoffhaltigen) Eisens, bei welchem das Maass dieser
Eigenschaften in Rothgluth am geringsten ist und wieder zunimmt,
wenn die Temperatur auf Weissgluth gesteigert wird.


Vielfach will man schon seit früherer Zeit die Beobachtung ge-
macht haben, dass Eisen, welches anhaltenden Erschütterungen aus-
gesetzt ist, z. B. Achsen von Eisenbahnwagen, Krahnketten u. s. w.,
infolge einer Aenderung seines Gefüges an Festigkeit und Zähigkeit
einbüsse; insbesondere auch, dass sehniges zähes Eisen auf diese Weise
allmählich in körniges, sprödes Eisen umgewandelt werde und dass in
diesem Vorgange mitunter die Ursache vorgekommener Brüche von
Gegenständen zu suchen sei, welche Jahrzehnte hindurch, ohne zu
brechen, ihrem Zwecke genügt hatten. Die anhaltende Erschütterung
würde also in diesem Falle eine ganz ähnliche Einwirkung ausüben
wie Erhitzung bis nahe zum Schmelzpunkte und allmähliches Abkühlen
(Verbrennen des Eisens; vergl. S. 642).


Da es, wenn ein Bruch erfolgt ist und das Eisen an dieser Stelle
körniges Gefüge zeigt, gewöhnlich unmöglich ist, nachzuweisen, ob
nicht doch dieses Gefüge schon von Anfang an bestanden habe und
der Bruch durch irgend eine Zufälligkeit herbeigeführt worden sei, so
ist die Frage noch keineswegs mit Sicherheit beantwortet, ob in Wirk-
lichkeit eine derartige Aenderung der Eigenschaften des Eisens mög-
lich sei. Versuche, welche durch Bauschinger im Jahre 1878 über
die Beschaffenheit von Kettengliedern einer im Jahre 1829 erbauten
Bamberger Kettenbrücke angestellt wurden, weisen auf eine Beant-
wortung jener Frage im verneinenden Sinne hin. Da hier noch Re-
servekettenglieder aus der Zeit der Herstellung der Brücke vorhanden
waren, welche aus demselben Materiale als die benutzten gefertigt
worden und inzwischen unbenutzt geblieben waren, so lag hier der
seltene Fall vor, dass ein zuverlässiger Vergleich des benutzten und
unbenutzten Eisens sich ermöglichen liess. Die Versuche ergaben:
[661]Die Prüfung des schmiedbaren Eisens.

Die Bruchfläche der zerrissenen Glieder liess keinen durch die
Benutzung herbeigeführten Unterschied erkennen; die benutzten Glieder
zeigten zum grossen Theil sehniges Gefüge.


Bei schmiedeeisernen Hängebolzen einer hölzernen Eisenbahnbrücke
der Allgäubahn, welche vor der Benutzung auf ihre Festigkeitseigen-
schaften geprüft worden waren und dann durch Bauschinger nach
25 jähriger Benutzung wiederum geprüft wurden, zeigte sich ebenfalls
keine Verschlechterung der Festigkeitseigenschaften. Es betrug als Durch-
schnitt aus mehreren Versuchen:

7. Die Prüfung des schmiedbaren Eisens.


Die Verschiedenheit der Ansprüche, welche an die Eigenschaften
des schmiedbaren Eisens gestellt werden, je nachdem dasselbe für den
einen oder andern Zweck bestimmt ist, erklärt es, dass auch die Me-
thoden für die Prüfung desselben ziemlich mannigfaltig sind. Für be-
sondere Arten oder Formen des schmiedbaren Eisens (Bleche, Träger,
Eisenbahnschienen u. s. w.) können auch ganz besondere Prüfungs-
methoden am Platze sein; und die Prüfung wird um so wichtiger, je
grösser die Gefahr ist, welche durch ungenügende Beschaffenheit des
Eisens — z. B. bei einer Eisenbahnschiene oder dem Radreifen eines
Eisenbahnwagens — herbeigeführt wird.


Nicht selten wird man eine, wenn auch vielleicht nur vorläufige,
Prüfung unmittelbar auf die Herstellung folgen lassen, um sich von
der Beschaffenheit des in einem Male dargestellten Eisens zu über-
zeugen. Je grösser die Menge dieses Eisens ist und je mehr Werth
auf eine bestimmte Beschaffenheit desselben gelegt wird, desto noth-
wendiger ist ein solches Verfahren. Einige unten beschriebene Methoden
zur Prüfung der Schmiedbarkeit, Zähigkeit u. s. w., welche sich in Zeit von
wenigen Minuten ausführen lassen, sind hierfür geeignet und besonders
bei Darstellung des Flusseisens ziemlich regelmässig in Anwendung.1)


[662]Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.

a) Chemische Untersuchung. Bei den engen Beziehungen, welche
zwischen chemischer Zusammensetzung und physikalischen Eigenschaften
des Eisens bestehen, ist eine chemische Untersuchung überall da uner-
lässlich, wo man sich ein klares Bild über die Eigenschaften einer
bestimmten Eisensorte und die Ursachen, welche diese Eigenschaften
hervorriefen, verschaffen will. Die Einflüsse, welche durch die ein-
zelnen im schmiedbaren Eisen auftretenden Körper auf dessen Eigen-
schaften ausgeübt werden, sind bereits in der ersten Abtheilung dieses
Buches (Abschnitt VII) sowie in den vorstehenden Besprechungen
über die Eigenschaften des schmiedbaren Eisens ausführlich erörtert
worden.


Eine vollständige chemische Untersuchung irgend einer Eisensorte
aber erfordert, wie bekannt, einige Tage Zeit. So wichtig sie auch in
einzelnen Fällen werden kann, so wenig geeignet ist sie, als Mittel zur
täglichen Beaufsichtigung des Betriebes zu dienen. Nicht selten aber
— und zwar besonders häufig bei Darstellung des an legirten Körpern
ohnehin reicheren Flusseisens — sind es einzelne bestimmte Körper,
von deren Gehalte im Eisen die Verwendbarkeit desselben für den
einen oder andern Zweck vorwiegend abhängt, sei es, dass eine gewisse
Menge derselben für die gewünschte Beschaffenheit des Eisens noth-
wendig ist, während ein allzu beträchtlich gesteigerter Gehalt die Brauch-
barkeit beeinträchtigen würde (Kohlenstoff, Mangan), sei es, dass ein
möglichst geringer Gehalt an denselben in jedem Falle wünschenswerth
ist (Phosphor, Schwefel). Hier also kann es von grossem Nutzen sein,
die Darstellung des Eisens durch eine regelmässig wiederholte Be-
stimmung jener einzelnen Bestandtheile zu überwachen; die Lösung
dieser Aufgabe aber ist nur dann möglich, wenn die betreffenden Unter-
suchungsmethoden so rasch zum Ziele führen, dass eben ohne einen
übermässigen Aufwand von Arbeitskräften eine grössere Zahl von Be-
stimmungen im Laufe eines einzigen Tages ausgeführt werden kann.


Für verschiedene der hier in Betracht kommenden Körper giebt
es solche Bestimmungsmethoden, und mit Nutzen macht man von den-
selben Gebrauch. Auf schwedischen und österreichischen Stahl- und
Flusseisenwerken bestimmt man mit Hilfe der Eggertz’schen oder
colorimetrischen Kohlenstoffprobe1), welche im Laufe weniger
Stunden die gleichzeitige Untersuchung verschiedener Stahlsorten ermög-
licht, regelmässig den Kohlenstoffgehalt des gewonnenen Erzeugnisses,
von welchem, wie bekannt, gerade die Eigenschaften des eigentlichen
Stahles in erster Reihe abhängen. Auf nordamerikanischen und neuer-
dings auch auf deutschen Eisenwerken ermittelt man in solchen Fällen,
wo ein bestimmter Mangangehalt nothwendig ist (bei gewissen Fluss-
eisensorten zu Blechen, Eisenbahnschienen und anderen Zwecken)
diesen vermittelst einer colorimetrischen Manganprobe2), welche
im Zeitraume von ungefähr einer Stunde ausführbar ist; auch ein
Schwefelgehalt, obgleich dieser nur ausnahmsweise in Betracht zu
[663]Schmiedeprobe.
kommen pflegt, lässt sich wenigstens annäherungsweise vermittelst der
Eggertz’schen Schwefelprobe 1) in sehr kurzer Zeit bestimmen.


Für Bestimmung von Phosphor und Silicium giebt es bislang leider
keine Methoden, welche bei ausreichender Genauigkeit in der kurzen
Zeit wie jene erwähnten zum Ziele führen.


So gross nun aber auch die Wichtigkeit ist, welche die chemische
Untersuchung als Hilfsmittel zur Erforschung der Eigenschaften des
schmiedbaren Eisens und besonders zur Ueberwachung der Darstellung
desselben sich in neuerer Zeit errungen hat, so darf doch niemals der
Umstand ausser Acht gelassen werden, dass die Beschaffenheit des
Eisens nicht allein von der chemischen Zusammensetzung abhängig,
sondern dass auch die stattgehabte mechanische Bearbeitung hierbei
von grösstem Einflusse ist. Die vorausgegangenen Erörterungen dieses
Abschnittes werden zur Genüge dargethan haben, dass die Festig-
keit, Zähigkeit, Dehnbarkeit, Härte u. s. w. u. s. w. eines und desselben
Eisens ganz bedeutende Abweichungen zeigen können, je nachdem das
Eisen längere oder kürzere Zeit, in höherer oder in niedrigerer Tempe-
ratur bearbeitet, rascher oder weniger rasch abgekühlt worden war u. s. w.,
Abweichungen, welche oft nicht minder bedeutend sind, als sie durch
sehr verschiedene chemische Zusammensetzung hervorgerufen werden.


Zur Prüfung der mechanischen Eigenschaften des schmiedbaren
Eisens genügt mithin die chemische Analyse allein nicht; mechanische
Prüfungsmethoden sind hier unerlässlich, wenn man mit einiger Sicher-
heit Auskunft über die Beschaffenheit des Eisens erhalten will.


b) Schmiedeprobe. Es kommt hierbei in Betracht, dass die
Schmiedbarkeit des Eisens durchschnittlich geringer wird, wenn der
Kohlenstoffgehalt zunimmt, und dass man aus diesen Gründen an
einen harten Stahl nicht die nämlichen Ansprüche hinsichtlich der
Schmiedbarkeit stellen kann wie an weiches, kohlenstoffarmes Eisen.
Immerhin muss auch ein Stahl mit einem Kohlenstoffgehalte bis zu
etwa 1 Proc. oder wenig darüber die nachfolgend beschriebenen Proben
aushalten können, sofern seine Beschaffenheit gut ist und bei den
Proben einige Rücksicht auf seinen höheren Kohlenstoffgehalt genom-
men wird.


Ein Stück des zu prüfenden Eisens wird im Schmiedefeuer auf
Hellrothgluth erwärmt und nun auf dem Ambos mit der Finne (der
schmalen Seite) des Hammers theils in der Längenrichtung gestreckt,
theils in der Breitenrichtung ausgebreitet. 2) Es dürfen hierbei weder
im vollen Eisen noch an den Kanten Risse entstehen, auch wenn das
Ausschmieden bis auf einen Querschnitt von nur wenigen Millimetern
Stärke fortgesetzt wird. Kühlt bei lange fortgesetztem Ausschmieden
das Probestück allzu sehr ab, so ist, zumal beim Prüfen härteren Mate-
rials, eine abermalige Erhitzung erforderlich.


[664]Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.

Den auf einen geringen Querschnitt ausgeschmiedeten Streifen kann
man in Rothgluth bandartig mehrmals zusammenlegen (Fig. 163), wobei

Figure 116. Fig. 163.


derselbe, wenn er ganz frei ist von Roth-
bruch, keine Risse bekommen darf. Je
kleiner der Durchmesser des zusammen-
gebogenen Eisenstückes (der Schleife) inner-
halb der Biegung ist, ohne dass Risse ent-
stehen, desto besser schmiedbar ist das Eisen; ein nicht rothbrüchiges
Eisen wird sich, falls sein Querschnitt gering ist, vollständig glatt zu-
sammenlegen lassen. Schwach rothbrüchiges, aber übrigens gut schmied-
bares Eisen wird zwar in gewöhnlicher Rothgluth Risse bekommen, in
Gelbgluth oder beginnender Weissgluth dagegen die Behandlung er-
tragen, ohne zu reissen.


Ein Rundstab oder Quadratstab von etwa 30 mm Durchmesser
wird erwärmt und in Rothgluth, ohne zuvor ausgeschmiedet zu werden,
über einem Dorne zu einer einfachen Schleife (Fig. 164) zusammen-

Figure 117. Fig. 164.


gebogen. Es ist klar, dass hierbei um
so leichter Risse entstehen, je dicker
der Stab ist; und umgekehrt, dass der
letztere um so vorzüglicher schmiedbar
ist, auf einen je kleineren Schleifen-
durchmesser er das Biegen erträgt, ohne
Risse zu bekommen. Verwendet man zu dieser Probe Quadratstäbe
(beziehentlich Flachstäbe), so kann man die Kanten derselben, welche
am leichtesten Risse bekommen, zuvor mit der Feile etwas abrunden.
Ein gut schmiedbares Eisen lässt sich auch bei 30 mm Stärke voll-
ständig zusammenhämmern, ohne zu reissen.


Bei Flach- und Quadratstäben kann der Versuch auch in der
Weise angestellt werden, dass man sie um die scharfe Amboskante
statt über einen runden Dorn biegt und dann allmählich zusammen-
hämmert.


Dieselben Versuche können, wenn das stärkere Eisen sie nicht
besteht, mit schwächeren Stäben (25, 20, 15 mm stark) wiederholt werden.
Steht eine Presse zur Verfügung, so können Knickproben, bei denen
das Eisen in der Mitte seiner Länge um einen bestimmten Winkel
(90°, 120° u. s. f.) gebogen wird, an Stelle der Schmiedeproben treten
oder neben denselben ausgeführt werden.


Ein Rund- oder Quadratstab, dessen Länge gleich dem doppelten
Durchmesser ist, wird zur Hellrothgluth erwärmt, aufrecht auf den
Ambos gestellt und durch Hammerschläge auf die obere Stirnfläche
gestaucht, d. h. in seiner Längenabmessung verkürzt (Stauchprobe).
Die Probe ist mehr für die besseren Sorten weichen Schweisseisens als
für Flusseisen oder Stahl geeignet. Von gutem Schweisseisen verlangt
man, dass es sich in dieser Weise auf ein Drittel seiner Länge zusam-
menstauchen lasse, ohne Risse zu zeigen.


Eine empfindlichere Probe auf Rothbruch als durch einfaches Um-
biegen, wie oben beschrieben wurde, lässt sich in folgender Weise
[665]Kaltbiegeprobe.
anstellen. Ein Stück Flacheisen, etwa 25—30 mm breit, 10 mm stark,
wird in Rothgluth an dem einen Ende auf eine Länge von 50—60 mm
mit Hilfe des Schrotmeissels aufgespalten, die hierbei entstehenden zwei
Lappen werden alsdann nach den beiden Seiten hin umgebogen und
schliesslich, sofern sie nicht etwa wegen Rothbruches abbrechen, voll-
ständig nach rückwärts an das Eisenstück angelegt (Fig. 165). An einer
andern Stelle des Eisenstabes (bei a in Fig. 165) schlägt man mit Hilfe
des Durchschlages und Lochringes durch
das rothglühende Eisen ein Loch, dessen
Durchmesser mindestens gleich der hal-
ben Breite des Stabes ist (so dass zwi-
schen demselben und der äusseren Kante
des Stabes nur noch eine schmale Eisen-
stärke bleibt) und biegt nun, wenn nicht

Figure 118. Fig. 165.


schon bei dem Lochen ein Reissen des Eisens an den schmalen Stellen
eintrat, den Stab an dieser Stelle um 180 Grad zusammen. Roth-
brüchiges Eisen bekommt hierbei Risse oder bricht vollständig durch.


Prüft man Stahl in dieser Weise, so ist eine geringere Stärke des
Probestabes, als oben angegeben wurde, erforderlich; 3—5 mm genügt
in diesem Falle.


c) Kaltbiegeprobe. Dieselbe kommt vorzugsweise bei solchen Eisen-
sorten zur Anwendung, bei welchen grosse Zähigkeit ein Haupterforder-
niss ist; weniger häufig bei Stahl. Will man letztere in dieser Weise
prüfen, so kann es nur in gut ausgeglühtem Zustande geschehen.


Die Ausführung lässt sich, gemäss der verschiedenen Form des zu
prüfenden Eisens, in verschiedener Weise bewirken.


Stäbe biegt man entweder im Schraubstocke oder mit Hilfe einer
besonderen Biegevorrichtung zu einer Schleife zusammen, deren lichter
Durchmesser theils von der Stärke des Stabes, theils von der erforder-
lichen Beschaffenheit abhängig ist. Kohlenstoff- und phosphorarmes, sehr
zähes Eisen muss bei 15 mm Stärke eine Biegung zu einer Schleife
ertragen, deren innerer Durchmesser nicht grösser ist als die Stärke
des Probestabes; bei weniger zähem Eisen genügt die doppelte Stärke
des Eisens als Durchmesser der Schleife. Schwächere Stäbe (3—5 mm
stark) müssen, wenn sie aus zähem Eisen gefertigt sind, sich vollständig
um 180 Grad biegen und flach zusammenschlagen lassen. Haben die
Stäbe vierseitigen Querschnitt (Flach- und Quadrateisen), so empfiehlt
sich auch hier, wie bei der Schmiedeprobe, eine zuvorige Abrundung
der Kanten durch Befeilen.


Prüft man Stäbe, welche aus Blechen ausgeschnitten sind, in dieser
Weise, um die Beschaffenheit der Bleche kennen zu lernen, so kommt
in Betracht, dass, wenigstens bei Schweisseisenblechen, die Biegsamkeit
in der Richtung der Längsfaser grösser ist als gegen dieselbe, ferner
dass die für Dampfkessel, Träger u. s. w. bestimmten Bleche in ziem-
lich abgekühltem Zustande das Walzwerk verlassen und, ohne aus-
geglüht zu werden, in den Handel kommen. Ihre Festigkeit ist daher
grösser, ihre Biegsamkeit aber geringer, als wenn sie, wie die meisten
anderen Eisensorten, glühend aus der Verarbeitung hervorgingen. Nach
dem Uebereinkommen des Vereins deutscher Eisenhüttenleute sollen
Ledebur, Handbuch. 43
[666]Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.
z. B. Schweisseisenbleche bester Qualität bei 6—7 mm Stärke eine
Biegung in der Längsfaser um 110 Grad, in der Richtung gegen die
Faser um 90 Grad aushalten; bei 10—11 mm Stärke soll die Biegung
90, beziehentlich 70 Grad betragen; bei 20—21 mm Stärke 60 beziehent-
lich 30 Grade. Für geringwerthigere Bleche ist auch die erforderliche
Biegung geringer. 1)


Ausgeglühte Bleche dagegen, insbesondere auch solche aus Fluss-
eisen, müssen sich, ohne zu reissen, um 180 Grad biegen lassen, wobei
der Halbmesser der Biegung je nach der Beschaffenheit und Stärke des
Bleches gleich der halben bis 1 ½ fachen Blechdicke sein kann.


Flusseisenblöcke mit geringem Kohlenstoffgehalte prüft man mit-
unter, ehe sie weiter verarbeitet werden, in folgender Weise auf ihre
Biegungsfähigkeit (Zähigkeit beim Biegen). Man schmiedet eine kreis-
runde Scheibe von ungefähr 150 mm Durchmesser, 5 mm Stärke und
faltet dieselbe nach dem Erkalten in der Mitte um 180 Grad zusammen.
Hält die Probe diese Biegung aus, so wird sie ein zweites Mal gefaltet
(so dass sie, wie ein Papierfilter, Viertelkreisform annimmt) und unter
dem Hammer vollständig zusammengeschlagen. Nur sehr weiches, ge-
schmeidiges Eisen erträgt diese Probe, ohne Risse zu bekommen.


d) Schlag- und Wurfprobe. Dieselbe hat den Zweck, das Eisen
auf Widerstandsfähigkeit gegen Stösse und Erschütterungen zu prüfen.


Die Schlagprobe wird, sofern das zu prüfende Eisen Stabform
besitzt, gewöhnlich in der Weise ausgeführt, dass man das Eisen auf
zwei in entsprechender Entfernung von einander angebrachte Stütz-
punkte frei auflegt und nun einen Fallbär aus bestimmter Höhe auf
die Mitte des frei liegenden Probestückes niederfallen lässt. Am häufig-
sten kommt diese Schlagprobe bei der Prüfung von Eisenbahnschienen
in Anwendung. So z. B. sollen nach den Vorschlägen des Vereins
deutscher Eisenhüttenleute Schienen im Gewichte von mehr als 30 kg
per Meter und einer Profilhöhe von ungefähr 130 mm bei 1 m freier
Auflage zwei Schläge mit einem Fallbär von 600 kg aus einer Höhe
von 5 m ohne Bruch aushalten; bei Schienen im Gewichte von 20 bis
24 kg und einer Profilhöhe von 100 mm dagegen soll bei ebenfalls 1 m
freier Auflage und 600 kg Gewicht des Fallbäres die Fallhöhe nur 2 m
betragen; u. s. f.


Bleche hat man bisweilen, um einen Vergleich über die Wider-
standsfähigkeit verschiedener Sorten zu erhalten, durch die Schlag-
probe geprüft, indem man kreisrunde Scheiben aus denselben aus-
schnitt, dieselben mit Schrauben auf einem cylindrischen Rahmen be-
festigte und nun den Fallbär auf die Mitte des freiliegenden Bleches
aufschlagen liess. Bei Versuchen, welche vom Jernkontoret in Stock-
holm zum Vergleiche des Verhaltens von Blechen aus Schweisseisen
und Flusseisen durchgeführt wurden, hatten die Bleche 9.3 mm Stärke,
der innere Durchmesser des Rahmens betrug 537 mm, das Gewicht
des Fallbäres 872 kg. Flusseisenbleche mit 0.14—0.22 Proc. Kohlenstoff,
0.01—0.03 Proc. Phosphor ertrugen 5—9 Schläge aus 4.5 m Höhe;
Schweisseisenbleche mit etwa 0.10 Proc. Kohlenstoff, 0.01—0.02 Proc.
[667]Schlagprobe. Zerreissprobe.
Phosphor rissen oft schon beim ersten Schlage, ertrugen dagegen aus
nur 1.5 m Fallhöhe 4—11 Schläge; Staffordshireblech mit 0.24 Proc.
Phosphor brach schon beim ersten Schlage aus 1 m Höhe. 1)


Die Wurfprobe wird mitunter (besonders beim Herdfrischfeuer-
betriebe) zur Prüfung von Stangeneisen angewendet. Ein Arbeiter hebt
die zu prüfende Stange, welche eine Länge von 3—4 m haben kann,
mit gestreckten Armen über den Scheitel empor und wirft sie in hori-
zontaler Lage mit voller Wucht quer auf die schmale Bahn eines am
Boden aufgestellten gusseisernen Amboses; und zwar mehrmals nach
einander mit verschiedenen Stellen. Kaltbrüchiges oder schlecht ge-
schweisstes Eisen zerspringt hierbei.


e) Zerreissprobe. Dieselbe bezweckt die Ermittelung der Zer-
reissungsfestigkeit des zu untersuchenden Eisens sowie der sonstigen
zu dieser in Beziehung stehenden Eigenschaften (Ausdehnungsfähigkeit,
Elasticität u. s. w.). Sie ist wichtig in allen Fällen, wo das Eisen auf
Zerreissungsfestigkeit in Anspruch genommen wird und wo durch den
Bruch ein grösserer Unglücksfall herbeigeführt werden kann; und da
zu der Zerreissungsfestigkeit des schmiedbaren Eisens auch die relative
(Durchbiegungs-) Festigkeit in naher Beziehung zu stehen pflegt, eine
Prüfung auf erstere aber in Rücksicht auf die grosse Biegsamkeit
dünnerer Stäbe aus schmiedbarem Eisen gewöhnlich leichter durch-
führbar ist als letztere, so pflegt man die Zerreissprobe überhaupt da
anzuwenden, wo eine gewisse Festigkeit des Eisens unumgänglich noth-
wendig ist, damit der aus demselben dargestellte Gebrauchsgegenstand
— die Eisenbahnschiene, der Träger, der Dampfkessel u. s. w. —
seinen Zweck ohne Gefahr für Leben und Gesundheit der Menschen
erfülle.


Zur Ausführung der Zerreissprobe ist eine Festigkeitsprobirma-
schine erforderlich, welche in ziemlich verschiedener Weise eingerichtet
sein kann. 2) Der auszuübende Druck wird entweder durch allmähliche
Gewichtsbelastung hervorgebracht und durch ein Hebelsystem verviel-
fältigt; oder man benutzt hydraulischen Druck.


Da jede derartige Maschine nur für eine bestimmte Maximal-
belastung eingerichtet sein kann, so kommt es darauf an, wenn stärkere
Eisensorten probirt werden sollen, Probirstücke aus denselben von
solchen Querschnittsabmessungen herzustellen, als der Leistungsfähigkeit
der Maschine entspricht. Schmieden oder Auswalzen des Probestückes
auf jene Abmessungen muss jedoch in Rücksicht auf die früher be-
sprochenen Einflüsse dieser Arbeiten auf die Festigkeitseigenschaften
des Eisens ausgeschlossen sein, sofern man genaue Ergebnisse über
das Maass dieser Eigenschaften bei dem ursprünglich vorhandenen
Eisenstücke erhalten will; es ist vielmehr erforderlich, auf der Dreh-
bank oder Hobelmaschine das Probestück aus dem vollen Eisen heraus-
zuarbeiten.


43*
[668]Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.

Neben der Zerreissungsfestigkeit pflegt man bei solchen Versuchen
die stattfindende Längenausdehnung des Probestabes vor dem Zerreissen,
oder die Contraction des Querschnittes, oder beide Veränderungen zu-
sammen zu ermitteln, um sie als Maassstab für die Zähigkeit des Eisens
zu benutzen. Vollständig genaue Schlussfolgerungen für die Zähigkeit
des Materiales gewährt nun freilich weder die Längenausdehnung noch
die Contraction, wie schon aus der Thatsache sich ergiebt, dass bei
einem und demselben Eisen ziemlich abweichende Ziffern für beide
Vorgänge zu entfallen pflegen, je nachdem man Stäbe von kreisrundem,
quadratischem oder rechteckigem Querschnitte der Probe unterwirft,
während der Zerreissungsmodul nicht durch die Form des Querschnittes
beeinflusst wird 1); immerhin wird man wenigstens im Allgemeinen von
einem Eisen, welches, ehe es reisst, eine bedeutende Längenausdehnung
zeigt oder seinen Querschnitt an der Zerreissungsstelle stark verringert,
auch eine grössere Zähigkeit erwarten können, als wenn diese Ver-
änderungen nur unbedeutend sind und der Bruch somit plötzlich ein-
tritt. Ob aber Längenausdehnung oder Querschnittscontraction das
zuverlässigere Maass für die Zähigkeit bilde, darüber sind die Techniker
keineswegs einig. Während von einigen Seiten, insbesondere von den
Verwaltungen der Eisenbahnen, die Querschnittscontraction als maass-
gebend für die Zähigkeit betrachtet wird und man aus der Summe der
Contraction in Procenten und der Festigkeit per qmm in Kilogrammen
die sogenannte Qualitätsziffer bildet (S. 650), wird von anderer Seite
mit vollem Rechte darauf hingewiesen, dass die Contraction in höherem
Maasse als die Längenausdehnung von Zufälligkeiten abhängig und
deshalb auch weniger zuverlässig als diese sei. Die früher mitgetheilten
Beispiele der Festigkeitseigenschaften verschiedener Eisensorten werden
erkennen lassen, dass auch bei einem und demselben Eisen die Längen-
ausdehnung und Contraction keineswegs immer in gleichem Verhältnisse
ab- und zunehmen, wenn durch Bearbeitung, Ausglühen, Härten u. s. w.
die Festigkeitseigenschaften überhaupt sich ändern; während aber die
Aenderung der Ausdehnungsfähigkeit ziemlich regelmässig im umge-
kehrten Verhältnisse zu den Aenderungen der Festigkeit steht, lässt sich
hinsichtlich der Contraction eine gleiche Regelmässigkeit nicht immer
wahrnehmen. 2)


Dass es erforderlich sei, die stattgehabte Längenausdehnung auch
auf eine bestimmte Längeneinheit zu beziehen, sofern man sie für einen
Vergleich verschiedener Eisensorten benutzen will, wurde schon früher
erörtert. In der Nähe der Zerreissungsstelle ist die Längenausdehnung
regelmässig am stärksten; auf eine je kleinere Längeneinheit man sie
also bezieht, desto grössere Ziffern wird man erhalten. In der Praxis
pflegt man 150 oder 200 mm Länge als Einheit anzunehmen und dieses
Maass mit Körnerpunkten auf dem eingespannten Stabe anzuzeichnen.


f) Härtungsprobe. Da kohlenstoffarmes Eisen überhaupt keine oder
nur sehr undeutliche Härtungsfähigkeit zeigt, so kommt die Härtungs-
probe nur bei den kohlenstoffreicheren Sorten, dem Stahle, in Betracht;
[669]Härtungsprobe.
und sie besitzt eine besondere Wichtigkeit bei dem zur Herstellung
von Werkzeugen bestimmten Stahle, weil gerade hier die Brauchbar-
keit zum grossen Theile von der Härtungsfähigkeit abhängt. Reiser1)
empfiehlt, die Untersuchung in folgender Weise auszuführen.


Zuerst stellt man eine Vorprüfung an zur Ermittelung der geeig-
netsten Härtungstemperatur. Ein geschmiedetes oder gewalztes Stück
Stahl von vielleicht 20 mm Durchmesser wird in Abständen von 15 zu
15 mm mit etwa neun herumlaufenden Kerben versehen und dann in
einem Schmiedefeuer derartig erhitzt, dass nur das erste eingekerbte
Stück der Gluth unmittelbar preisgegeben ist, und die übrigen sich
ausserhalb des Feuers befinden. Ist das erste Stück bis zum Funken-
sprühen, also bis zum Verbrennen (S. 642) erhitzt, während die Er-
hitzung des letzten Stückes bis zur dunkeln Braunröthe vorgeschritten
ist, so löscht man die Stange rasch in Wasser ab und trocknet sie mit
einem Tuche oder dergleichen sorgfältig ab. Man prüft nun zunächst
mit einer harten Feile die Härte der einzelnen Stücke. Das erste, ver-
brannte Stück wird in jedem Falle ziemlich hart sein. An der Aussen-
seite desselben haben sich sogenannte Hartkörner gebildet, vermuth-
lich ausgesaigerte, leichter schmelzbare Legirungen von Mangan, Eisen,
Silicium, Phosphor u. s. w., ähnlich dem Anbrande des Roheisens
(S. 293).


Das zweite, nicht verbrannte Stück dagegen ist weicher; da aber
seine Erhitzung die normale Härtungstemperatur des Stahles bereits
überschritten hatte, so ist es auch weicher, als wenn es nur bis zu
dieser erhitzt worden wäre. Aus eben diesem Grunde ist das dritte
Stück wieder härter als das zweite, das vierte härter als das dritte;
und bei fortschreitender Untersuchung wird man, gewöhnlich zwischen
dem sechsten und zehnten Stücke, schliesslich auf ein Stück treffen,
welches unter allen das härteste ist und dessen Temperatur mithin die
geeignetste für das Härten war. Von diesem Stücke bis zu dem
zweiten Ende des Stahlstabes vermindert sich die Härte wieder bis zur
Naturhärte des Stahles.


Mit dieser Aenderung der Härte steht die Aenderung des beim
Abschlagen der einzelnen Stücke erkennbaren Gefüges in naher Be-
ziehung. Das verbrannte Stück zeigt, wie gewöhnlich, eine grobkry-
stallinische glänzende Bruchfläche; dasjenige Stück, welches die zum
Härten geeignetste Temperatur besass, ist am feinkörnigsten.


Harter Stahl wird bei dieser Vorprobe nicht selten reissen, ein
Vorgang, welcher jedoch an und für sich keineswegs ein Beweis für
eine ungenügende Beschaffenheit desselben ist.


Nachdem man in solcher Weise erkannt hat, ob die Härtungs-
temperatur des zu prüfenden Stahles höher oder niedriger liegt (im
Allgemeinen wird sie bei härterem Stahle tiefer als bei weniger hartem
liegen), schmiedet man aus demselben eine Stange von quadratischem
Querschnitte und etwa 15—20 mm stark, erwärmt sie zu der als ge-
eignet befundenen Härtungstemperatur und härtet sie in Wasser von
20°C. Temperatur. Ein nicht sehr harter Stahl muss, ohne zu reissen,
[670]Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.
diese Härtung aushalten. Beachtenswerth ist, dass ein Rundstab weniger
leicht als ein quadratischer Risse bekommt, gerade deshalb aber sich
auch weniger gut für eine scharfe Probe eignet.


Sobald der Stahl im Wasser vollständig erkaltet ist, wird er her-
ausgenommen und abgetrocknet. Je weniger vollständig der Stahl
hierbei seinen Glühspan abgeworfen hat (man nennt dieses Abwerfen
Abschütten), desto weniger hart pflegt er zu sein. Alsdann unter-
sucht man ihn mit einer Feile. Nur die weichsten Stahlsorten (mit
einem Kohlenstoffgehalte bis zu 0.6 Proc.) werden von derselben etwas
angegriffen, auf allem härteren Stahle gleitet die Feile.


Auf der Kante des Amboses schlägt man nun ein Stück ab. Harter
Stahl springt beim ersten Schlage, weicher erträgt mehrere Schläge.
Das Aussehen der Bruchfläche giebt ein weiteres Merkmal für die Be-
schaffenheit.


Bei sehr harten Stahlsorten, welche die beschriebene Härtung bei
quadratischem Querschnitte nicht, ohne zu reissen, ertrugen, kann das
Verfahren wiederholt werden, nachdem der Stab rund geschmiedet
worden war; schützt auch dieses Mittel nicht vor dem Reissen, so wendet
man Härtung in Oel an.


Recht zuverlässige Ergebnisse über die Brauchbarkeit eines Stahles
für Werkzeuge erhält man, wenn man aus demselben einen Meissel
fertigt, ihn härtet, bis zur purpurrothen oder violetten Farbe anlässt
(S. 647) und nun auf Gusseisen, Schmiedeeisen oder weichem Stahl
probirt. Staucht sich hierbei die Schneide (welche unter einem Winkel
von 60—70 Graden angeschliffen zu werden pflegt), so besitzt der Stahl
geringe Härte und Härtungsfähigkeit; springen aus derselben Stückchen
aus, so ist der Stahl spröde und wenigstens für Werkzeuge mit
schärferen Schneiden nicht geeignet. 1)


g) Aetzprobe. Dieselbe bildet ein in vielen Fällen nützliches Mittel
zur Erkennung sowohl des inneren Gefüges der Eisensorten als auch
mitunter von Fehlstellen (unganzen Schweissstellen und dergleichen),
welche ohne Aetzung der Beobachtung leicht entgehen. Sie beruht auf
der Einwirkung starker Säuren auf die zu untersuchende Stelle des
Eisens. Gewöhnlich wird man, sofern nicht besondere Veranlassung
zur Untersuchung einer ganz bestimmten Stelle vorliegt, zur Prüfung
den Querschnitt eines Eisenstabes wählen, wie er durch Abschneiden
auf der Kreissäge oder durch Abbrechen und Befeilen erhalten wird.
Auf einem Schleifsteine glättet man dann noch die zu ätzende Schnitt-
fläche und polirt sie schliesslich, so dass mit unbewaffnetem Auge keine
einzelnen Schleif- oder Feilstriche mehr zu erkennen sind.


Für gewöhnlichere Untersuchungen, bei denen es sich nur darum
handelt, Fehlstellen zu entdecken oder ein allgemeines Bild von der
inneren Beschaffenheit des Eisens zu erhalten, genügt es auch, wenn
die zu ätzende Fläche mit einer Schlichtfeile möglichst glatt gefeilt wird.


[671]Aetzprobe.

Als Aetzmittel lassen sich verschiedene Säuren oder Säuregemische
benutzen. Einige verwenden ein Gemisch von drei Theilen concen-
trirter Salzsäure mit einem Theil rauchender Salpetersäure; ich pflege
mich eines Gemisches aus zwei Raumtheilen gewöhnlicher Salpetersäure
mit einem Raumtheile englischer Schwefelsäure zu bedienen.


Lässt sich der zu prüfende Stab in senkrechter Stellung hängend
befestigen, so bringt man am geeignetsten die Aetzflüssigkeit in eine
nicht allzu flache Porzellanschale und lässt den Stab von oben her
in die Säure eintauchen, ohne dass er den Boden der Schale berührt;
ist es dagegen nicht möglich, ihn in dieser Weise zu befestigen oder
soll nur eine bestimmte Stelle auf einer grösseren Fläche — einer Blech-
tafel, einem Schmiedestücke u. s. w. — untersucht werden, so umgiebt
man diese Stelle oder Fläche mit einem Wachsrande und giesst die
Säure hinein. Für tiefe Aetzungen ist eine Einwirkung von einer bis
zwei Stunden erforderlich. Es empfiehlt sich, das Eisenstück, wenn es
angeht, während dieser Zeit einige Male aus der Flüssigkeit heraus-
zunehmen, mit Wasser gut abzuspülen und die geätzte Fläche mit
einer harten Zahnbürste von abgelagertem Kohlenstoff und dergleichen
zu reinigen, auch wird es bisweilen nothwendig sein, die Säure zu
erneuern, sofern das Aufhören der Gasentwickelung zeigt, dass sie nicht
mehr einwirkt.


Schliesslich spült man das Probestück sehr sorgfältig in fliessendem
Wasser ab, bringt es hierauf, sofern seine Grösse es gestattet, mit der
geätzten Fläche in kochendes Wasser, lässt es so lange darin verweilen,
bis auch der nicht im Wasser befindliche Theil heiss geworden ist und
nimmt es heraus, worauf das anhaftende Wasser von dem heissen
Eisenstücke in wenigen Augenblicken verdunstet.


Will man die Proben etwa längere Zeit aufbewahren, so empfiehlt
es sich, sie vor dem Einbringen in heisses Wasser, aber nach dem
Abspülen in kaltem, zunächst in Kalkwasser zu tauchen, und schliess-
lich, nachdem sie aus dem heissen Wasser kommen, sie noch heiss in
geschmolzenes ziemlich stark erhitztes Wachs einige Secunden ein-
zulegen. Mit reinem Fliesspapier wischt man, wenn sie herauskommen,
das überschüssige flüssige Wachs ab und es hinterbleibt dann immerhin
noch eine ausreichend starke Wachsschicht, um sie vor dem Rosten zu
schützen, ohne ihrem Aussehen zu schaden.


Der Erfolg der Aetzprobe nun beruht auf dem Umstande, dass
durch die Säure dichtere Stellen des Eisens weniger stark als lockere,
härtere, insbesondere kohlenstoffreichere, weniger stark als weichere,
kohlenstoffärmere angegriffen werden. Ersterer Umstand erklärt es z. B.,
dass bei sehnigem Eisen die einzelnen Sehnen oder Fasern, welche
vielleicht auf der Bruchfläche gar nicht erkennbar waren, nach dem
Aetzen reliefartig sich von den übrigen Partien abheben und dem
Auge sich darstellen. Wie schon früher erörtert wurde, bestehen diese
Sehnen aus fest zusammenhängenden Krystallreihen, welche wie die
Strähnen eines Taues neben einander liegen und sich verschlingen,
gegenseitig aber verhältnissmässig wenig Zusammenhang besitzen. Zwi-
schen den einzelnen Sehnen also dringt die Säure leicht in das Gefüge
ein und löst hier das lockere Eisen auf, während die Sehnen selbst
erst allmählicher angegriffen werden.


[672]Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.

Dieselbe Ursache erklärt es, dass auch Fehlstellen im Eisen durch
das Aetzen leichter wahrnehmbar werden. Eine solche Fehlstelle besteht
aus einem Spalte, welcher durch unvollständige Schweissung, durch
Rothbruch beim Schmieden oder auch im kalten Zustande durch irgend
eine äussere Einwirkung entstanden war. Beim Aetzen dringt die Säure
in den Spalt ein, erweitert denselben und macht ihn dem Auge er-
kennbar.


Härtere Stellen pflegen beim Aetzen erhaben vor den weicheren
herauszutreten.


Eigenthümlich für alles Schweisseisen beim Aetzen ist die Ent-
stehung von Löchern in unregelmässiger Vertheilung und oft grosser
Zahl auf der geätzten Fläche, deren Durchmesser und Tiefe mitunter
einige Millimeter erreicht. Sie sind offenbar eine Folge des Schlacken-
gehaltes des Schweisseisens. An der Stelle jedes solchen Loches befand
sich ursprünglich ein Schlackenkörnchen, welches bei der Erweiterung
der Oeffnung herausfiel und so der Säure Gelegenheit zu einer raschen
ferneren Erweiterung der Oeffnung gab. An dem Boden des Gefässes,
in welchem das Aetzen vorgenommen wurde, lassen sich mitunter die
Reste dieser Schlackenkörnchen entdecken.


Da sehniges Schweisseisen durchschnittlich am meisten Schlacke
zu enthalten pflegt, so ist auch bei diesem die Zahl jener Löcher am
grössten. Je vollständiger das Eisen durch vorausgegangene mecha-
nische Bearbeitung von Schlacke gereinigt worden war, desto mehr
verschwinden auch diese Anzeichen des Schlackengehaltes.


Da alles Flusseisen seiner Entstehungsweise gemäss nicht nur
frei von Schlacke sondern auch durch und durch annähernd gleich-
artig zusammengesetzt und gleichartig in seinem Gefüge ist, so treten bei
diesem die Wirkungen des Aetzens weit weniger charakteristisch hervor
als beim Schweisseisen. Man erblickt eine ebene, matte Fläche, auf der
wohl bisweilen einige zerstreute schwarze Pünktchen, aus schwerer lös-
lichen Bestandtheilen bestehend, erhaben hervortreten. Einen praktischen
Zweck kann das Beizen des Flusseisens nur haben, wenn es sich darum
handelt, Fehlstellen desselben, bei der mechanischen Bearbeitung ent-
standen, zu entdecken.


Literatur.


A. Einzelne Werke.


  • Knut Styffe, Die Festigkeitseigenschaften von Eisen und Stahl. Deutsch
    von C. M. v. Weber. Weimar 1870.
  • Fr. Reiser, Das Härten des Stahles in Theorie und Praxis. Leipzig 1881.
  • A. v. Kerpely, Eisen und Stahl auf der Weltausstellung zu Paris im
    Jahre
    1878. Leipzig 1879, S. 159, 160, 169 (Festigkeitsversuche).

B. Abhandlungen.


  • M. Janoyer, Untersuchungen über die Textur des Schmiedeeisens. Mit
    Bemerkungen von L. Gruner
    . Aus den Annales des mines, série 7, tome V
    in deutscher Uebersetzung in der berg- und hüttenm. Ztg. 1853, S. 53.
  • A. Ledebur, Beiträge zur Metallurgie des Eisens (Schweissbarkeit). Glaser’s
    Annalen Bd. X, S. 179.

[673]Literatur.
  • Fr. Reiser, Beiträge zur Theorie der Schweissbarkeit des Eisens. Glaser’s
    Annalen, Bd. XI, S. 25.
  • R. Howson, On welding iron. The Journal of the Iron and Steel Institute 1876,
    p. 357.
  • Dr. Böhme, Bericht der vom Vereine zur Beförderung des Gewerb-
    fleisses berufenen Commission für die Untersuchung der Schweiss-
    barkeit des Eisens
    . Verhandlungen des Ver. zur Beförd. des Gewerbfleisses
    1883, S. 146.
  • Jarolimek, Ueber das Härten des Stahles. Oestr. Zeitschr. für Berg- und
    Hüttenwesen 1876, S. 69.
  • P. v. Tunner, Ueber das Härten des Stahles, seine Ursachen und Wirkungen.
    Zeitschr. d. berg- und hüttenm. Ver. für Steiermark und Kärnten 1879, S. 307.
  • W. Metcalf, Ueber das Härten des Stahles. Zeitschr. des berg- und hüttenm.
    Ver. für Steiermark und Kärnten 1880, S. 103.
  • R. Åkerman, On hardening iron and steel. The Journal of the Iron and Steel
    Institute 1879, II.
  • A. Martens, Ueber das Härten des Stahles. Centralzeitung für Optik und
    Mechanik 1883.
  • H. Caron, Études sur l’acier. Comptes rendus, tome 56, p. 43 et 211.
  • A. Ledebur, Das Verbrennen des Eisens und Stahles. Jahrbuch für Berg-
    und Hüttenwesen im Königreiche Sachsen auf das Jahr 1883, S. 19.
  • J. Bauschinger, Ueber Einrichtungen und Ziele von Prüfungsanstalten
    für Baumaterialien, insbesondere für Eisen und Stahl
    . Zeitschr. des
    Ver. deutsch. Ing. 1879, S. 50.
  • J. Bauschinger, Ueber die Erhöhung der Elasticitätsgrenze der Me-
    talle
    . Dingl. Polyt. Journal, Bd. 224, S. 1.
  • J. Bauschinger, Das Krystallinischwerden und die Festigkeitsver-
    minderung des Eisens durch den Gebrauch
    . Dingl. Polyt. Journal,
    Bd. 235, S. 169.
  • Knut Styffe, Ueber die Elasticität, Dehnbarkeit und absolute Festig-
    keit des Eisens und Stahles
    . Aus Jernkontorets Annaler auszugsweise in
    der Oesterr. Ztschr. für Berg- und Hüttenwesen 1867, S. 67; Dingl. Polyt.
    Journal, Bd. 185, S. 205 (vergl. die vollständige Abhandlung unter A).
  • F. Kosch, Die Festigkeitseigenschaften der Metalle, namentlich des
    Eisens und Stahles
    . Zeitschr. des Ver. deutsch. Ing. 1882, S. 636, 703.
  • C. P. Sandberg, Eisen und Stahl hinsichtlich ihrer Verwendung zu Con-
    structionszwecken
    . „Stahl und Eisen“ 1882, S. 362.
  • Versuche mit Platten aus Schweisseisen und aus Flusseisen. „Stahl und
    Eisen“ 1882, S. 137.
  • Ed. Richards, Ueber gewisse Eigenschaften des weichen Stahles. Glaser’s
    Annalen Bd. X, S. 271.
  • H. Wedding, Der Einfluss des Mangans auf die Festigkeit des Eisens.
    Verh. des Ver. zur Beförd. des Gewerbfl. 1881, S. 509; Dingl. Polyt. Journal,
    Bd. 243, S. 333.
  • F. Gautier, Ueber die Festigkeit des Eisens und Stahles bei Tempera-
    turen unter Null Grad
    . Dingl. Polyt. Journal, Bd. 242, S. 288.
  • G. Pisati und G. Saporito-Ricca, Festigkeit des Eisens bei verschiede-
    nen Temperaturen
    . Beiblätter zu Poggend. Annalen der Physik und Chemie,
    Bd. 1 (1877), S. 305.
  • J. Kollmann, Ueber die Festigkeit des erhitzten Eisens. Verh. des Ver.
    zur Beförd. des Gewerbfleisses 1880, S. 92.
  • Brauns, Bericht der zur Revision der Classificationsbedingungen für
    Eisen und Stahl eingesetzten Commission des Vereins deutscher
    Eisenhüttenleute
    . „Stahl und Eisen“ 1881, S. 3.
  • Brauns, Ueber Qualitätsuntersuchungen von Eisen und Stahl und An-
    stellung von Zerreissproben
    . „Stahl und Eisen“ 1883, S. 3.

[674]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.
  • In Sachen: Classification von Eisen und Stahl. „Stahl und Eisen“ 1883,
    S. 112.
  • L. Tetmajer, Zur Frage der Qualitätsuntersuchungen von Eisen und
    Stahl
    . „Stahl und Eisen“ 1881, S. 100.
  • L. Tetmajer, Zur Frage der Classification von Eisen und Stahl. „Stahl
    und Eisen“ 1881, S. 190.
  • L. Tetmajer, Zur Frage der Qualitätsbestimmung zäher Constructions-
    metalle
    . „Stahl und Eisen“ 1882, S. 365.
  • F. C. G. Müller, Wird die Zähigkeit durch die Dehnung oder durch die
    Lokalcontraction eines zerrissenen Probestabes gemessen
    ? „Stahl
    und Eisen“ 1882, S. 100.
  • Instruction für Prüfung der für Dampfkessel der kaiserlichen Marine
    bestimmten Eisensorten
    . Glaser’s Annalen, Bd. XII, S. 280.
  • V. Pohlmeyer, Probir- und Zerreissmaschine. „Stahl und Eisen“ 1881,
    S. 236.
  • W. Wedding, Maschine für Festigkeitsversuche in der Königl. Ver-
    suchsanstalt zu Berlin
    . Verh. d. Ver. zur Beförd. d. Gewerbfl. 1881, S. 206.

II. Die Maschinen für die Verdichtung und
Formgebung.


Alles Schweisseisen ist, wie schon verschiedentlich hervorgehoben
wurde, von Schlacke durchsetzt, und, sofern man nicht etwa durch
einen Schmelzprocess das Schweisseisen in Flusseisen umwandelt, lässt
sich ein Theil dieser Schlacke nur entfernen, indem man das Eisen im
schweisswarmen, stark erweichten Zustande einem starken Drucke oder
öfters wiederholten Schlägen unterwirft. Flusseisen enthält gewöhnlich
Hohlräume im Innern, theils durch entwickelte Gase erzeugt, theils
infolge der Schwindung entstanden, welche sich beseitigen lassen, sofern
das Eisen, ebenfalls im schweisswarmen Zustande, einer mechanischen
Bearbeitung unterzogen wird, wobei ein kräftiges Zusammendrücken
desselben erfolgt.


Diese Verdichtung des Schweisseisens und Flusseisens ist nun aber
nothwendigerweise mit einer Formveränderung verknüpft; es liegt daher
für den Eisenhüttenmann die Veranlassung nahe, diesen Process in
solcher Weise durchzuführen, dass das Enderzeugniss in einer solchen
Form aus demselben hervorgeht, welche dasselbe ohne Weiteres als
Handelswaare erscheinen lässt.


Solcherart gehen Verdichtung (beziehentlich Reinigung von Schlacke)
und Formgebung des schmiedbaren Eisens stets Hand in Hand; und
je stärker die Aenderungen sind, welche die Form des Eisens hierbei
erleidet, je stärker insbesondere die stattfindenden Querschnittsverdün-
nungen, desto vollständiger pflegt auch, zumal beim Schweisseisen, die
Reinigung und Verdichtung zu sein.


Dass mit dieser mechanischen Bearbeitung auch eine Aenderung
der Festigkeitseigenschaften, insbesondere eine Steigerung der Festigkeit
selbst, verknüpft sei, wurde schon oben erörtert; zum Theil ist diese
Festigkeitszunahme erst die Folge der Reinigung und Verdichtung.


[675]Die Hämmer.

Eine mechanische Bearbeitung des dargestellten Eisens zu dem
besprochenen Zwecke würde durch Handarbeit — etwa durch Aus-
schmieden mit dem Handhammer — nur möglich sein, wenn das Eisen-
stück selbst nicht gross und der Umfang der gesammten Eisenerzeugung
sehr beschränkt wäre. Solche Handarbeit für die Verdichtung und Form-
gebung finden wir in den Anfängen der Eisendarstellung, sowohl im
Alterthum bei allen eisenerzeugenden Völkern als noch jetzt in ent-
legenen Gegenden. In allen Kulturstaaten dagegen ist jene einfache
Handarbeit längst durch Maschinenarbeit ersetzt, und die moderne Eisen-
industrie verdankt zum nicht geringen Theile ihre gewaltige Ausdehnung
der Leistungsfähigkeit der für die Verdichtung und Formgebung des
schmiedbaren Eisens benutzten Maschinen.


1. Die Hämmer.


Unter allen formgebenden Apparaten bei der Darstellung schmied-
baren Eisens sind die Hämmer die ältesten. Aus dem seit Jahrtausen-
den benutzten Schmiedehammer, welcher von dem Arme des Schmiedes
geführt wird, entwickelte sich, nachdem die Anwendung der Wasser-
kraft beim Hüttenwesen Eingang gefunden hatte, die ältere Form des
Maschinenhammers, dessen Stiel, an dem hinteren Ende um Zapfen
schwingend, durch Hebedaumen emporgehoben wurde.


Die Wirkung des Hammers bei der Verdichtung und Formgebung
des schmiedbaren Eisens beruht auf der Ausübung zahlreicher, rasch
auf einander folgender Schläge. Die theoretische Wirkung eines Schlages
lässt sich, wenn M die sogenannte Masse 1) des niederfallenden Ham-
mers, v die Endgeschwindigkeit desselben bezeichnet, durch die Formel
bezeichnen. Hieraus würde sich folgern lassen, dass für eine
vorgeschriebene Leistung des Hammers es gleichgültig sein müsse, ob
die Masse, beziehentlich das Gewicht des Hammers gross und die
Endgeschwindigkeit klein sei oder umgekehrt, sofern nur das Product
die vorgeschriebene Grösse erreiche.


In der Wirklichkeit stellt sich jedoch die Nothwendigkeit heraus,
das Gewicht des Hammers in jedem Falle um so reichlicher zu nehmen,
je grösser das Gewicht des zu bearbeitenden Eisenstückes und je
grösser der Härtegrad desselben in der beim Schmieden angewendeten
Temperatur ist.


Verschiedene Umstände liefern die Erklärung für diese Thatsache.


Offenbar verlangen grössere Eisenstücke auch eine grössere Schlag-
wirkung als kleinere, härtere eine grössere Schlagwirkung als weniger
harte, sofern diese Wirkung sich nicht blos auf die Oberfläche des
Arbeitsstückes erstrecken soll, sondern auch eine Verdichtung der
inneren Theile bezweckt. Für die Endgeschwindigkeit v aber giebt es
naturgemäss ein gewisses grösstes Maass, welches nicht ohne Nachtheil für
die Zweckmässigkeit und Haltbarkeit der Hammeranlage überschritten
[676]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.
werden kann; ist dieses Maass erreicht, so kann eine grössere Leistung
nur noch durch Vergrösserung des Hammergewichtes erzielt werden.


Andererseits werden die Abmessungen eines Hammers naturgemäss
um so kleiner sein, je geringer sein Gewicht ist. Bei allzu geringen
Abmessungen im Verhältniss zu der hervorgebrachten Schlagwirkung
würde der Hammer selbst der Gefahr einer Zertrümmerung unterliegen.
Je kleiner aber die Abmessungen des Hammers sind, auf eine desto
kleinere Fläche des Arbeitsstückes wird die Wirkung des einzelnen
Schlages zusammengedrängt werden. An der getroffenen Stelle nun
wird zwar eine stärkere Formveränderung hierdurch hervorgebracht
werden, als wenn bei Anwendung eines grösseren Hammers mit gleicher
Schlagwirkung auch eine grössere Fläche getroffen worden wäre; eben
hierdurch aber wird die gleichmässige Bearbeitung erschwert und unter
Umständen eine Beschädigung des Arbeitsstückes herbeigeführt werden.


Diese Verhältnisse erklären es, dass das Gewicht der in der Eisen-
industrie benutzten Hämmer immer mehr gesteigert wurde, je mehr die
Abmessungen der Eisenblöcke zunahmen, welche unter denselben be-
arbeitet werden sollten, und dass die schwersten Hämmer, welche über-
haupt gebaut wurden, für die Bearbeitung des Flussstahles (Tiegelguss-
stahles, Bessemerstahles u. s. w.) bestimmt sind, welcher in erheblich
grösseren Blöcken als Schweissstahl und Schweisseisen zur Verarbeitung
gelangt und auch in der Schmiedetemperatur wesentlich härter ist als
Schweisseisen.


Jeder Hammer wird durch den, gewöhnlich aus Gusseisen gefer-
tigten Ambos ergänzt, welcher als Unterlage für das in Verarbeitung
befindliche Schmiedestück dient.


Die beiden einander zugekehrten, glatt bearbeiteten Flächen des
Hammers und Ambos, von denen das Schmiedestück berührt wird,
nennt man die Hammer- und Ambosbahn.


Der Ambos ruht auf dem Hammerstocke oder der Chabotte,
dazu bestimmt, die überschüssig geleistete, d. h. nicht zu einer Form-
veränderung des Arbeitsstückes verbrauchte, Schlagwirkung aufzunehmen
und dadurch allzu beträchtliche Erschütterungen der Umgebung des
Hammers zu vermeiden. Es ist leicht zu ermessen, dass dieser Zweck
um so vollständiger erfüllt werden wird, je grösser das Gewicht dieser
Unterlage des Ambos und je elastischer dieselbe fundamentirt ist. Allen
grösseren Hämmern giebt man daher gusseiserne Chabotten, deren
Gewicht mit dem Gewichte des Hammers zunimmt und oft ins Unge-
heure steigt. v. Hauer giebt für die Bemessung dieses Chabotten-
gewichtes (insbesondere bei Dampfhämmern) die Formel


  • für weiches Eisen  
  • „ Stahl  .
  • worin Q das Chabottengewicht in Kilogrammen
  • „ G „ Hammergewicht „ „
  • „ v die Endgeschwindigkeit in Metern
  • „ g „ Fallbeschleunigung (9.810 m) bezeichnet.

[677]Stirnhämmer und Brusthämmer.

Für den Guss der Chabotten zu schweren Hämmern, welche, sofern
es angeht, in einem einzigen oder doch in wenigen grösseren Stücken
gegossen werden, ist gewöhnlich die Aufstellung ganz besonderer
Schmelzapparate an Ort und Stelle erforderlich, da ein Transport dieser
Ungeheuer nicht möglich sein würde. Die Art und Weise der Anord-
nung der Chabotte ergiebt sich aus den unten mitgetheilten Beispielen
einzelner Hämmer.


Der Betrieb der in den Eisenhütten gebräuchlichen Hämmer pflegt
durch unmittelbare Uebertragung von einem Wasserrade oder einer
Dampfmaschine aus zu geschehen. Unter den ziemlich mannigfaltigen
Hammerconstructionen, welche die Neuzeit geschaffen hat, kommen für
die Darstellung des Eisens vorwiegend die nachstehend beschriebenen
in Betracht. 1)


a) Stirnhämmer und Brusthämmer.

Fig. 166 zeigt die Einrichtung eines Stirnhammers. 2) Der Ham-
mer B ist mit dem Stiel zusammen in einem Stücke aus Gusseisen
gefertigt und hat die Form eines liegenden T, dessen beide Arme die
Schwingungsachse bilden und mit Zapfen in Lagern A ruhen. In dem

Figure 119. Fig. 166.


Kopfe des Hammers ist der als besonderes Stück aus hartem Guss-
eisen oder Stahl gefertigte und zum Auswechseln eingerichtete „Pellert“ b,
d. h. ein mit der Hammerbahn versehenes Einsatzstück, mit durch-
gehendem Zapfen und Holzkeilen befestigt; unter demselben befindet
sich die Chabotte D auf einem aus starken Eichenschwellen hergestellten
Fundamente.


[678]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.

Vor dem Kopfe des Hammers liegt, parallel zu der Schwingungs-
achse desselben, die Daumentrommel a, von einem Wasserrade mit
Schwungrad und Bremsvorrichtung (zur rascheren Verlangsamung des
Ganges erforderlich) aus angetrieben. Die Vorrichtung f an der Rück-
seite der Chabotte dient zum Auffangen des Hammers, sobald die Arbeit
beendigt ist. Da, wo die Hebedaumen den Kopf des Hammers ergreifen,
ist derselbe mit einer eingesetzten und zum Auswechseln bestimmten
Gussstahlplatte, der sogenannten Streichbahn, versehen.


Man giebt solchen Stirnhämmern ein Gewicht von 2.5—8 Tonnen
(incl. des Stieles und der Arme), eine Hubhöhe von 0.3—0.6 m und
50—100 Schläge per Minute.


Da ein grosser Theil des Hammergewichtes in dem Stiele und den
Armen enthalten ist, so ist die Ausnutzung dieses Gewichtes ungünstig,
d. h. für Erzielung einer bestimmten Schlagstärke ist ein verhältniss-
mässig bedeutendes Gewicht erforderlich 1) und die Anlage wird dadurch
kostspielig. Ein fernerer, nicht zu unterschätzender Nachtheil des Stirn-
hammers liegt auch in dem Umstande, dass derselbe nur von einer
einzigen Seite aus bequem zugänglich ist, wodurch die Handhabung
der Schmiedestücke erschwert wird.


Aus diesen Gründen ist die Anwendung des Stirnhammers selten.
Nur in Gegenden, welche reich sind an Wasserkraft, benutzt man ihn
mitunter zum Zängen (d. h. zum Ausquetschen der Schlacke) der Luppen
des Puddelbetriebes.


Jener Nachtheil der Schwerzugänglichkeit wird vermieden, wenn
man die Daumentrommel nicht am Kopfe, sondern zwischen Kopf und
Drehungspunkt derartig anordnet, dass ihre Drehungsachse unter dem
Hammer liegt und ihre obere Hälfte innerhalb eines eingegossenen
Schlitzes des ebenfalls gusseisernen Hammers den nöthigen Spielraum
findet. An der dem Hammerkopfe zunächst liegenden Kante dieses
Schlitzes befindet sich die Streichbahn für den Angriff der Daumen.
Aus dem Stirnhammer wird dann ein Brusthammer, dessen Ambos
nunmehr von drei Seiten her zugänglich ist, während er im Uebrigen
dem Stirnhammer ähnelt und mit diesem den Uebelstand theilt, dass
das für eine vorgeschriebene Schlagwirkung erforderliche Hammer-
gewicht bedeutend ist. Auch die Brusthämmer sind aus diesem Grunde
nicht häufig.


b) Aufwerfhämmer.

Mit diesem Namen bezeichnet man Stielhämmer mit hölzernem
Stiele, bei welchen, wie beim Brusthammer, der Angriff der Daumen
zwischen Kopf und Drehungsachse erfolgt; während aber bei jenem die
Achse der Daumentrommel parallel zur Drehungsachse gerichtet ist,
liegt sie beim Aufwerfhammer, wie es in Rücksicht auf die Verwendung
[679]Aufwerfhämmer.
von Holz zum Hammerstiele kaum anders möglich sein würde, parallel
neben dem Stiele, die Richtung der Drehungsachse kreuzend.


Fig. 167 lässt die Einrichtung eines solchen Aufwerfhammers er-

Figure 120. Fig. 167.


kennen. 1)B ist der aus Schmiedeeisen mit verstählter Bahn, seltener
aus Gusseisen gefertigte Hammerkopf, durch Holzkeile an dem aus
zähem Holze gefertigten Stiele oder
HelmeA befestigt. Das hintere Ende
des Helmes steckt in einem mit zwei
angegossenen Zapfen versehenen Guss-
eisenringe, der HülseD; letztere ruht
mit ihren Zapfen, deren Mittellinie die
Schwingungsachse des Hammers bildet,
in sogenannten Büchsen, d. i. Lagern,
welche in den Büchsensäulen T T be-
festigt sind. Die Daumenwelle W pflegt
aus Holz gefertigt zu sein und dient
häufig zugleich als Wasserradwelle, so
dass das Wasserrad unmittelbar auf dem

Figure 121. Fig. 168.


Ende derselben befestigt ist. Der gusseiserne Ring K mit den Daumen
E E, Fig. 168, wird mit Keilen auf der Welle an der Stelle befestigt,
[680]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.
wo der Angriff erfolgen soll, und der Hammerhelm wird da, wo er
von den Daumen erfasst wird, durch ein umgelegtes eisernes Band vor
rascher Abnutzung geschützt. Die gusseisernen Daumen aber versieht
man an derjenigen Seite, mit welcher sie den Hammerhelm berühren,
zum ferneren Schutze des letzteren mit einem angelegten Holzstücke
F in Fig. 168 (Frosch genannt), welches durch ein übergeschobenes
Schmiedeeisenband mit dem Daumen verbunden wird.


Nun wird offenbar in jedem derartigen Hammer, sobald er von
dem Daumen angehoben wird, eine gewisse lebendige Kraft erzeugt,
vermöge deren er noch um ein bestimmtes Maass emporsteigt, nach-
dem der Angriff des Daumens bereits aufgehört hat; die lebendige
Kraft und somit auch die Höhe, zu welcher der Hammer emporgeworfen
wird, wächst mit der Anfangsgeschwindigkeit, d. h. mit der Geschwindig-
keit der angreifenden Daumen. Zur Hervorbringung starker
Schläge bei gegebenem Gewichte ist mithin eine grosse
Umlaufsgeschwindigkeit der Daumentrommel erforderlich
;
je schwächer die Schläge werden sollen, desto langsamer müssen die
Daumen sich bewegen. Natürlicherweise wird nun aber mit zunehmen-
der Geschwindigkeit der Daumen die Zeitdauer sich verkürzen, während
welcher ein neuer Daumen in die Angriffsstellung einrückt; geschieht
dieses früher als der Hammer wieder niedergefallen ist, so wird der-
selbe von dem nachfolgenden Daumen gefangen, und der Schlag findet
überhaupt nicht statt. Durch Verringerung der Daumenzahl würde
zwar dieser Uebelstand sich beseitigen lassen; aber die Zahl der in
gegebener Zeit erfolgenden Schläge würde dadurch in demselben Ver-
hältnisse sich verringern.


Lässt man nun aber den Hammer nicht bis zu seiner vollen, der
Anfangsgeschwindigkeit entsprechenden Hubhöhe aufsteigen, sondern,
bald nachdem er den Daumen verlassen hat, gegen einen elastischen
Körper schlagen, welcher ihn in die Anfangsstellung zurückwirft, so
wird er mit annähernd der gleichen Endgeschwindigkeit niederfallen
und die Wirkung des Schlages wird annähernd ebenso gross sein, als
wenn er frei aufgestiegen wäre; aber die Zeitdauer des Hubes ist ent-
sprechend abgekürzt und man erhält auf diese Weise die Möglichkeit,
auch bei grosser Endgeschwindigkeit zahlreiche Schläge auszuführen.
Eine derartige Vorrichtung zur Unterbrechung des Hubes bei raschem
Gange des Hammers nennt man die Prellung. Aus je elastischerem
Materiale sie gefertigt wurde, desto vollständiger wird sie ihren Zweck
erfüllen.


Bei dem Aufwerfhammer dient ein aus elastischem Holze gefer-
tigter Balken H, den man Reitel nennt, als Prellung. Er ist in der
Mitte in der Reitelsäule K, am Ende in der Hintersäule L befestigt
und ragt mit dem vorderen Ende, gegen welches der Hammerhelm
schlägt, frei aus der Reitelsäule heraus.


Nun wird aber offenbar ein und derselbe Daumen um so länger
innerhalb der Bewegungsebene des Hammerhelmes verweilen, je
schwächer die Krümmung, d. h. je grösser der Durchmesser des Kreises
ist, in welchem der Daumen sich bewegt. Mit dem Durchmesser des
Daumenkreises wächst also auch die erforderliche wirkliche Hubhöhe
des Hammers bis zum Reitel; je grösser diese Höhe ist, desto weniger
[681]Aufwerfhämmer.
Schläge kann der Hammer ausführen, ohne von den Daumen gefangen
zu werden. Ein möglichst kleiner Durchmesser des Daumenkreises
begünstigt also die Erzielung einer grossen Hubzahl; dieser kleine
Durchmesser ist nur möglich, wenn die Daumenwelle dicht neben dem
Hammer liegt. Aus diesem Grunde pflegt man den Zapfen der oben
erwähnten Hammerhülse ungleiche Längen zu geben. Den Zapfen C
(Fig. 168) an der Seite der Daumenwelle macht man so kurz als mög-
lich, damit die Büchsensäule nicht der Welle im Wege sei; der ent-
gegengesetzte Zapfen C1 ist länger, damit das Ganze zugänglicher
bleibe. Hieraus entsteht dann die unsymmetrische Form der beiden
Büchsensäulen (Fig. 167).


Damit nicht das Ganze durch die starken Erschütterungen, welche
der Reitel zu erleiden hat, seinen Zusammenhalt verliere, ist eine sorg-
fältige Verbindung und Unterstützung desselben erforderlich. Ein aus
durchbrochenen Gusseisenplatten gebildeter, mit Erdreich gefüllter
Kasten Q R Q1R1, welcher auf einer Holzunterlage O P ruht, dient
als Fundament; die Reitelsäule und die Hintersäule, welche durch die
Erschütterungen der Hammerschläge vorzugsweise beansprucht werden,
gehen durch die Deckplatte des Kastens hindurch und sind in der
Sohlplatte desselben bei M und N verkeilt; die Büchsensäulen stehen
in Schuhen t, welche auf der Deckplatte angegossen sind und werden
am oberen Ende durch eine Kopfplatte S zusammengehalten, welche an
die Reitelsäule angegossen ist.


Der gusseiserne Ambos ist, vollständig unabhängig von dem Ham-
merwerke, in einem eichenen Hammerstocke X befestigt, welcher unten
auf hölzernen Schwellen Y Z aufruht.


Die Aufwerfhämmer werden mit einem Gewichte des Hammer-
kopfes von 150—500 kg bei 0.5—0.8 m Hubhöhe und 80—150 Schlägen
per Minute gebaut. Vor den Stirnhämmern haben sie den Vortheil
der günstigeren Ausnutzung des Fallgewichtes infolge theils der An-
wendung des hölzernen statt des gusseisernen Helmes theils der Prel-
lung. Eben durch diese Eigenthümlichkeiten ist aber auch der Grösse
und Leistungsfähigkeit der Hämmer eine Grenze gesteckt, welche nicht
gut überschritten werden kann.


Unter allen Hammerformen gehört der Aufwerthammer zu den
ältesten, und noch heute dient derselbe in wasserreichen Gegenden als
eine aus früherer Zeit überkommene Construction nicht gerade selten
zum Verdichten und Ausschmieden des Eisens. Noch in der ersten
Hälfte dieses Jahrhunderts besass er als Zubehör einer Frischfeuer-
anlage (siehe unten Herdfrischen) eine hervorragende Wichtigkeit; später
wurde er nicht selten auch zum Zängen der Puddelluppen an Stelle
des kostspieligeren und schwieriger zu handhabenden Stirnhammers
benutzt. Durch die Wandlungen, welche seitdem der Eisenhütten-
betrieb erfuhr, insbesondere durch die Zusammendrängung der Eisen-
darstellung auf grössere Werke und der damit im nahen Zusammen-
hange stehenden vermehrten Benutzung der Dampfkraft hat der nur
bei vorhandener Wasserkraft zweckmässige Aufwerfhammer an Wichtig-
keit verloren.


Ledebur, Handbuch. 44
[682]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.
c) Schwanzhämmer.

Der hölzerne Stiel oder Helm des Hammers ist über die Drehungs-
achse hinaus nach rückwärts verlängert und wird hier durch die
Daumen der hinter dem Hammer angeordneten, zur Drehungsachse
parallelen Daumentrommel niedergedrückt, wobei der Hammerkopf steigt.
Fig. 169 lässt diese Einrichtung erkennen. W ist die Daumentrommel,
L der durch umgelegte Eisenbänder verstärkte „Schwanz“ des Hammers,
C der Ambos auf dem in gleicher Weise wie beim Aufwerfhammer
eingerichteten Hammerstocke D. Zur Abkürzung der Hubzeit ist auch
hier eine Prellung eingerichtet, bestehend in einem eisernen Klotze,

Figure 122. Fig. 169.


welcher in dem hölzernen Reitel- oder Prellstocke S befestigt ist und
auf welchen der Hammerhelm mit seinem Ende aufschlägt.


In seiner äusseren Form dem Aufwerfhammer ähnlich besitzt der
Schwanzhammer vor diesem unläugbar verschiedene Vorzüge. Durch
die Anordnung der Prellung im Erdboden ist die ganze Construction
des Hammergerüstes einfacher und beschränkt sich auf die Anordnung
zweier hölzerner oder eiserner Büchsensäulen, welche oben und unten
verbunden sind und von Längshölzern getragen werden, die auch den
Prellklotz stützen. Die Anordnung der Daumenwelle hinter dem Ham-
mer gewährt die Möglichkeit, derselben einen kleineren Durchmesser als
beim Aufwerfhammer zu geben; wie aber oben ausführlicher erörtert
wurde, kann bei dem kleineren Durchmesser auch die wirkliche Hub-
höhe geringer, die Anzahl der Daumen (beziehentlich die Umfangs-
geschwindigkeit derselben) grösser sein. Man ist hierdurch im
Stande, einen Schwanzhammer zahlreichere Hübe als
einen Stirnhammer ausführen zu lassen
. Endlich kommt noch
in Betracht, dass der Raum an der einen Seite des Hammers nicht,
wie beim Aufwerfhammer, durch die Daumenwelle in Anspruch ge-
nommen ist; der Ambos ist von drei Seiten zugänglich.


Diese Vorzüge des Schwanzhammers, insbesondere die grosse er-
reichbare Hubzahl und die Leichtzugänglichkeit, kommen ganz be-
[683]Schwanzhämmer. Dampfhämmer.
sonders beim Schmieden, d. h. bei der Herstellung von Gebrauchs-
stücken aus Handelseisen, zur Geltung; und sie machen es im Ver-
eine mit der verhältnissmässigen Billigkeit der Anlage erklärlich, dass
man selbst da, wo Dampf als Betriebskraft dient, in Schmiedewerk-
stätten mitunter einen kleinen Schwanzhammer an Stelle kostspieligerer
Einrichtungen verwendet, indem man ihn unmittelbar von der Dampf-
maschine oder auch von einer Transmissionswelle aus antreiben lässt.
Wie beim Aufwerfhammer ist aber die Grösse des Hammers und die
erreichbare Schlagwirkung durch die Eigenthümlichkeiten der Form
und die Anwendung des Holzes begrenzt; bei grösseren Schwanz-
hämmern macht sich im Vergleiche zu den Aufwerfhämmern ein
häufigeres Abbrechen des hölzernen Stieles in nachtheiliger Weise be-
merkbar.


Je nachdem der Schwanzhammer vorwiegend zum raschen Aus-
schmieden kleinerer Eisengegenstände oder für die Verdichtung be-
stimmt ist, giebt man ihm ein Gewicht von 50—350 kg; den kleinsten
eine Hubzahl, welche bis zu 300 per Minute gesteigert werden kann
bei einer Hubhöhe von mitunter nicht mehr als 150 mm; den grösseren
eine Hubzahl bis zu 120 per Minute bei einer Hubhöhe bis zu 480 mm.


d) Dampfhämmer.

Obschon man als Dampfhammer im allgemeinen Sinne jeden durch
Dampfkraft betriebenen Hammer bezeichnen könnte — also z. B. auch
einen durch eine Dampfmaschine betriebenen Schwanzhammer —, so
versteht man doch regelmässig unter jener Benennung einen solchen
Hammer, dessen Fallstück, welches man den Bär des Hammers nennt,
unmittelbar an der Kolbenstange des darüber angeordneten Dampf-
cylinders befestigt ist und mit dieser von dem Dampfkolben gehoben
wird. Die unten gegebenen Abbildungen von Dampfhämmern ver-
anschaulichen genugsam diese Anordnung.


Während bei den bisher besprochenen Hämmern, welche man
gemeinsam als Stielhämmer zu bezeichnen pflegt, die Bewegung des
Hammerkopfes nach einer Kreisbogenlinie stattfand, geht sie beim
Dampfhammer geradlinig vor sich. Bei den ersteren Hämmern giebt
es nur eine einzige Stellung, in welcher die Hammer- und Ambosbahn
vollständig parallel zu einander stehen, bei dem Dampfhammer behalten
sie ihre gegenseitige Stellung unverändert bei, man mag dickere oder
dünnere Stücke darunter bearbeiten.


Grösser noch ist der Vortheil, welchen die leichtere Regelung der
Schlagstärke dem Dampfhammer gewährt. Bei einem Stielhammer lässt
sich eine stärkere Schlagwirkung nur durch Beschleunigung des Ganges
hervorbringen, durch welchen die theoretische Hubhöhe vergrössert wird
(vergl. die Erläuterungen auf S. 680); arbeitet der Hammer, wie der
Stirn- und Brusthammer, ohne Prellung, so tritt hierbei sehr bald die
Grenze des Zulässigen ein, damit er nicht von den rascher folgenden
Daumen gefangen werde; bei Anwendung einer Prellung wird mit der
Schlagstärke auch die Schlagzahl unvermeidlich gesteigert. Nicht immer
jedoch ist eine solche gemeinschaftliche Steigerung der Schlagstärke
44*
[684]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.
und Schlagzahl wünschenswerth; gerade die schwersten Arbeitsstücke,
welche die kräftigsten Schläge erfordern, lassen sich am schwierigsten
handhaben, und aus diesem Grunde pflegt ein langsamerer Gang des
Hammers für ihre Bearbeitung erforderlich zu sein.


Bei dem Dampfhammer kann man in jedem beliebigen Stande
des Bäres den Hub unterbrechen, indem man den Dampfzufluss ab-
sperrt, also mit geringerer und grösserer Hubhöhe arbeiten; man kann
den Bär beliebig lange in der Höhe schwebend erhalten, wodurch das
erforderliche Drehen und Wenden des Arbeitsstückes vor erfolgendem
Schlage natürlicherweise ganz erheblich erleichtert wird; man kann
endlich auch bei einem schweren Hammer die Schlagwirkung ganz
beliebig abmindern, indem man vor dem beendigten Niederfallen wieder
frischen Dampf unter den Kolben zutreten lässt. Es ist ein bekanntes
Kunststückchen der Führer schwerer Dampfhämmer, eine auf dem
Ambos liegende Nuss zu zerknacken, ohne den Kern zu beschädigen.


Diese Vorzüge allein schon genügen, dem Dampfhammer beim
Grossbetriebe, wo seine höheren Anlage- und Unterhaltungskosten weniger
in Betracht kommen, ein entschiedenes Uebergewicht über jene älteren
und einfacheren Stielhämmer zu verleihen. Es kommt aber noch hinzu,
dass die Leistungsfähigkeit (Schlagwirkung) eines Stielhammers aus
schon erörterten Gründen über ein gewisses ziemlich beschränktes Maass
hinaus nicht gut gesteigert werden kann, diejenige eines Dampfhammers
dagegen durch Vergrösserung der Fallhöhe und des Fallgewichtes in
fast unbegrenzter Weise und jedenfalls weit über die Leistung auch
des grössten Stielhammers hinaus sich ausdehnen lässt. Dieser Um-
stand macht den Dampfhammer unentbehrlich, wo sehr schwere Eisen-
blöcke verarbeitet werden sollen; und die Fortschritte, welche die Neu-
zeit in der Herstellung grosser Schmiedestücke gemacht hat, würden
ohne Anwendung der Dampfhämmer unmöglich gewesen sein.


Folgende Zusammenstellung giebt ein ungefähres Bild von dem
Gewichte und der Hubhöhe, welche man Dampfhämmern für ver-
schiedene Zwecke zu geben pflegt.


Der grösste aller bis jetzt gebauten Dampfhämmer, dessen Ver-
hältnisse den Ziffern der letzten Reihe entsprechen, wurde Ende der
siebenziger Jahre zu Creusot in Frankreich errichtet; die Chabotte
[685]Dampfhämmer.
desselben besitzt das ansehnliche Gewicht von 622 t (vergl. unten die
Abbildung desselben in Fig. 175 auf S. 693). Lange Zeit hindurch war
ein schon in früheren Jahrzehnten von Fr. Krupp in Essen gebauter
Hammer von 50 t bei 3 m Hubhöhe der grösste der Erde.


Schon James Watt, der Erfinder der Dampfmaschine, nahm im
Jahre 1784 ein Patent auf die Construction eines Dampfhammers; aber
er erlebte nicht die Ausführung seiner Idee. Das Bedürfniss für die
Benutzung derselben lag noch nicht vor. Der Bedarf an schmiedbarem
Eisen überhaupt war nicht bedeutend; Schmiedestücke von grösseren
Abmessungen, wie sie der Maschinenbau der Jetztzeit verlangt, waren
nicht erforderlich. Die schon seit lange benutzten Wasserhämmer ge-
nügten vollkommen allen Ansprüchen der damaligen Zeit, waren billiger
in der Anlage und erforderten nicht den Brennstoffaufwand zur Er-
zeugung des Dampfes.


Erst sechzig Jahre später, im Jahre 1842, wurden ziemlich gleich-
zeitig auf zwei weit von einander entlegenen Eisenwerken, dem Eisen-
werke Creusot in Frankreich und der Königin-Marienhütte in Sachsen,
die ersten beiden Dampfhämmer gebaut, beide nach einer Construction
des Ingenieur Nasmyth zu Patricoft bei Manchester.


Inzwischen aber hatte die Lage der Eisenindustrie sich wesentlich
geändert. Der Bedarf an schmiedbarem Eisen war seit Einführung der
Eisenbahnen ausserordentlich gestiegen, die Eisenwerke waren mächtig
vergrössert worden, und eben infolge dieser Vergrösserungen war die
Dampfkraft mehr und mehr an die Stelle der früher ausschliesslich
benutzten Wasserkraft für den Betrieb der erforderlichen Maschinen
getreten; der mehr und mehr aufblühende Maschinenbau aber stellte
auch hinsichtlich der Grösse der aus den Eisenwerken hervorgehenden
Schmiedestücke Ansprüche, die nur durch kräftiger wirkende Hämmer
als bisher erfüllt werden konnten. So dehnte sich die Anwendung der
Dampfhämmer rasch aus, und jedes neue Jahrzehnt brachte Verbesse-
rungen in der Einrichtung derselben.


Bei den verschiedenen Dampfhämmern erfolgt das Niederfallen des
Bäres entweder lediglich infolge der Schwere, nachdem man dem unter
dem Kolben befindlichen, zum Anheben benutzten Dampfe Auslass ins
Freie verschafft hat, und solche Hämmer heissen einfachwirkende;
oder man lässt, nachdem umgesteuert wurde, auch frischen Dampf über
den Kolben treten, um das Niederfallen zu beschleunigen, die Schlag-
wirkung zu verstärken, die Hubzeit abzukürzen, und nennt die Häm-
mer der letzteren Art doppeltwirkende oder Hämmer mit Unter-
und Oberdampf
. Je grösser nun bei einem doppeltwirkenden
Hammer die freie Cylinderfläche oberhalb des Dampfkolbens ist, desto
grösser wird die Beschleunigung beim Niedergange sein, desto geringer
kann also für eine geforderte theoretische Schlagwirkung das Gewicht
des Bäres und die Hubhöhe ausfallen; je geringer aber die Hubhöhe
und je grösser die Beschleunigung des Hammerbäres ist, desto zahl-
[686]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.
reichere Schläge können in derselben Zeit ausgeführt werden. Auf
diesen Umständen beruht die Einrichtung der in kleinen Schmiedewerk-
stätten mit Nutzen verwendeten sogenannten Schnellhämmer, welche
durch verhältnissmässig grossen Cylinderquerschnitt und geringe Hub-
höhe befähigt sind, oft bis zu 400 Schläge per Minute auszuführen.
Je kleiner das Arbeitsstück ist, desto rascher kühlt es ab und desto
vortheilhafter ist demnach eine grosse Hubzahl.


Dass aber mit der Grösse des zu bearbeitenden Eisenstückes auch
nothwendigerweise das Gewicht des Hammerbäres wachsen müsse,
wurde schon oben erörtert; umgekehrt verringert sich mit zunehmen-
der Grösse des Schmiedestückes die Nothwendigkeit einer grossen Hub-
zahl, da das schwerere Stück nicht nur weniger rasch abkühlt, son-
dern auch weniger rasch sich in die zum Schmieden erforderliche
Lage bringen lässt. Aus diesem Grunde sieht man durchschnittlich
um so häufiger von der Anwendung des Oberdampfes ab (welche
immerhin die Einfachheit der Construction beeinträchtigt), je grösser
der Hammer ist. Während die Hämmer mit einem Gewichte bis zu
1000 kg fast ohne Ausnahme mit Oberdampf arbeiten, ist die An-
wendung desselben bei den grössten Hämmern verhältnissmässig selten.


Wie bei jeder andern Dampfmaschine unterscheidet man bei dem
Dampfhammer eine innere Steuerung, d. h. diejenigen Theile, durch
welche der Zu- und Abfluss des Dampfes regulirt wird, und eine
äussere Steuerung, bestehend in einem Systeme von Hebeln und
Zugstangen, durch welche die innere Steuerung ihre Bewegung erhält.


Für die innere Steuerung benutzt man bei kleinen Hämmern am
häufigsten Schieber, welche leicht eine rasche und genaue Umsteue-
rung ermöglichen; je grösser aber der Hammer wird, je grösser also
auch der Schieber und der auf demselben lastende Dampfdruck ist,
desto mehr verliert die Benutzung des Schiebers als Steuerungsmecha-
nismus an Zweckmässigkeit, da mit dem Dampfdrucke auch die erfor-
derliche Kraft zur Bewegung des Schiebers zunehmen muss. Bei sehr
grossen Hämmern mit Schiebersteuerung findet man deshalb wohl einen
besondern kleinen Dampfcylinder angeordnet, durch dessen Kolben-
stange erst der Schieber des grossen Cylinders bewegt wird; die ganze
Einrichtung aber wird dadurch schwerfälliger. Sogenannte entlastete
Plattenschieber haben sich wenig bewährt; wohl aber findet man
Napier’sche Röhrenschieber bei grösseren und kleineren Hämmern
in Anwendung.


Für grosse Hämmer dürfte die Ventilsteuerung mit entlastetem
Doppelsitzventil am gebräuchlichsten sein. Hahnsteuerung (Wilson’-
scher Hahn) wird mitunter bei kleinen und mittelgrossen Hämmern
benutzt; Kolbensteuerung ist wegen rascher Abnutzung wenig in Ge-
brauch.


Die äussere Steuerung ist bei allen Schnellhämmern selbstthätig,
so dass der Hammer ununterbrochen fortarbeitet, sobald er einmal in
Betrieb gesetzt ist; aber in jedem Falle kann durch eine Verstellung
[687]Dampfhämmer.
der Steuerung von Hand in jedem Augenblicke der Hub abgekürzt
und beim Niederfallen vorzeitig frischer Unterdampf zugeleitet, die
Schlagstärke also beliebig geregelt werden.


Für grosse Hämmer, deren Hubzeit länger ist, bei denen also
der Hammerwärter vollauf Zeit hat, die Umsteuerung zu bewirken,
verliert die selbstthätige Steuerung an Werth. Man begnügt sich hier
gewöhnlich, in dem höchsten zulässigen Stande des Hammerbäres
eine selbstthätig wirkende Hubbegrenzung einzuführen, durch welche
einer Beschädigung des Dampfcylinders vorgebeugt wird.


Einen einfach wirkenden Dampfhammer des Eisenwerkes Neuberg
in Kärnten mit 17.5 t Fallgewicht, 2.7 m Hubhöhe und Ventilsteuerung
von Hand stellen die Abbildungen Fig. 170 und 171 auf S. 688 und 689
dar. Die Einrichtung des aus Eisenblech gefertigten Hammergerüstes wird
ohne Erläuterung verständlich sein. Zwischen den beiden mit guss-
eisernen Führungsleisten g versehenen Ständern N gleitet der lang-
gestreckte gusseiserne Hammerbär B auf und ab. Der Hammerführer
befindet sich auf der an der linken Seite des Hammers angebrachten
Bühne Q, zu welcher er auf einer (abgebrochen gezeichneten) Treppe
gelangt und von welcher aus er die Arbeiten auf dem Ambos über-
sehen kann. Soll der Hammer in Thätigkeit versetzt werden, so öffnet
er zunächst den in dem Dampfzuleitungsrohre a angeordneten Dampf-
schieber m1, worauf der Dampf in das Ventilgehäuse eintritt. Ein- und
Auslassventil sind vorläufig geschlossen. Durch Bewegung der Steue-
rungsstange n nach rechts wird nun die an dem linken Hammer-
ständer gelagerte senkrechte Steuerungswelle b um ein gewisses Maass
gedreht, und durch Vermittelung eines an dem oberen Ende derselben
befindlichen Hebels nebst Zugstange wird das Einlassventil geöffnet;
der Bär steigt. An der vorderen Seite des Bäres nun befindet sich
eine angegossene, oben durch eine schräge Fläche begrenzte Rippe u.
Sobald der Bär eine gewisse Höhe erreicht hat, stösst jene schräge
Fläche gegen einen mit Rolle versehenen, an die erwähnte senkrechte
Welle angeschlossenen Arm r und schiebt denselben nach auswärts.
Die Welle wird dadurch in entgegengesetzter Richtung gedreht als
zuvor, das Einlassventil geschlossen. Der Dampf expandirt. Beim
weiteren Aufsteigen des Bäres erhält auch der Arm r, sowie die Welle b
eine fernere Drehung; jetzt öffnet sich das Auslassventil. Der Bär
steigt noch vermöge seiner lebendigen Kraft um eine gewisse Höhe;
dann beginnt der Rückgang und er fällt mit einer der erreichten Hub-
höhe entsprechenden Geschwindigkeit auf das Arbeitsstück nieder.


Eine Abminderung der Schlagwirkung ist möglich, indem der
Wärter das Einlassventil wieder öffnet kurz bevor der Schlag erfolgt.
Durch eine besondere Vorrichtung ist jedoch bei dem abgebildeten
Hammer diese Regelung der Schlagstärke noch erleichtert. Eine Spiral-
feder c (Fig. 171) ertheilt dem Einlassventil das Bestreben, geöffnet zu
bleiben, sobald es sich selbst überlassen ist. Der Hammerbär würde
also, sofern es nicht in der geschlossenen Stellung festgehalten wird,
sofort wieder emporsteigen, ohne einen Schlag ausgeführt zu haben,
sobald die Rippe u den Arm r frei lässt, und dieses Spiel würde sich
[688]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.

Figure 123. Fig. 170.


[689]Dampfhämmer.
unausgesetzt wiederholen. Nun ist aber die Steuerungsstange n nicht
unmittelbar an die Welle b angeschlossen, sondern sie bewegt zunächst
einen Klinkhebel q, welcher mit einem zweiten an der Welle b be-

Figure 124. Fig. 171.


festigten Hebel p im Eingriffe steht. Fig. 172 zeigt diesen Mechanis-
mus in vergrössertem Maassstabe. Bei der Umsteuerung durch die
Rippe des Hammerbäres wird der Hebel p ebenso wie der oben
erwähnte Arm r nach aussen gedreht; der Zug-
stange n ist durch eine Feder das Bestreben ertheilt,
sich nach links zu bewegen. Sobald also die Um-
steuerung beendet, das Einlassventil vollständig ge-
schlossen ist, klinkt der Hebel q in p ein (wie in
Fig. 172) und hält ihn in seiner Stellung fest; der

Figure 125. Fig. 172.


Schlag erfolgt jetzt mit voller Wucht. Soll er abgemindert werden, so
wird q nach rechts gedrückt, so dass p ganz oder theilweise frei wird,
und Dampf strömt ein.


Durch Höher- oder Niedrigerstellen des Armes r, welches mit
Hilfe einer Kette K und eines Hebels d (Fig. 170) sich ermöglichen
lässt, kann man auch die Hubhöhe verändern.


Der verbrauchte Dampf entweicht durch das Rohr e. Durch ein
Seitenrohr w steht dieses letztere mit dem Raume über dem Kolben
in Verbindung. Bei dem Niederfallen des letzteren tritt somit der
Dampf zunächst in jenen Raum ein, die Entstehung einer Luftver-
dünnung verhütend; erst beim abermaligen Aufsteigen entweicht er
ins Freie.


Die Einrichtung und Fundamentirung der Chabotte des abgebil-
deten Dampfhammers ist in Fig. 173 dargestellt. Die Chabotte selbst,
170 t schwer, ist in fünf Stücken gegossen, welche durch Keile und
starke Schrauben unter einander verbunden sind, und auf dem obersten
Stücke wird in einer schwalbenschwanzförmigen Nuth der Ambos be-
festigt. Der Untersatz für die Chabotte ist aus senkrecht stehenden
[690]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.
starken Holzstücken zusammengefügt und durch zahlreiche Schmiede-
eisenbänder wie durch hindurchgehende Anker zu einem festen Ganzen
verbunden. Ein Schacht aus Quadermauerwerk schliesst die Chabotte
nebst ihrer Unterlage ein, jedoch so, dass eine unmittelbare Berührung
an keinem Punkte stattfindet, damit nicht die Erschütterungen der
Chabotte auf das Mauerwerk übertragen werden. Auf dieser gemauer-
ten Einfassung, also ebenfalls unabhängig von der Chabotte und den
Erschütterungen derselben, stehen die Pfeiler, welche das Hammer-
gerüst tragen.


Figure 126. Fig. 173.

Ohne eine wesentliche Aenderung in der äusseren Form hätte der be-
schriebene Hammer auch als doppeltwirkender construirt werden können.
Statt der zwei Ventile hätten deren vier eingerichtet werden müssen,
und ein Dampfkanal an der Seite des Cylinders würde die Verbindung
zwischen den beiden Ventilen für den Oberdampf und dem Innern des
Cylinders hergestellt haben. Fig. 174 zeigt das Aeussere eines solchen
Dampfhammers mit Unter- und Oberdampf. 1) Das Fallgewicht desselben
beträgt 5 t. In der Abbildung bezeichnet


  • E U Einlassventil für den Unterdampf,
  • A U Auslassventil „ „ „
  • E O Einlassventil für den Oberdampf,
  • A O Auslassventil „ „ „

[]
Figure 127. Fig. 174.

[][691]Dampfhämmer.

Hubbegrenzung findet bei diesem Hammer durch das am Bär be-
festigte Röllchen r statt, welches beim Aufsteigen gegen die Verlänge-
rung des Hebels f schlägt, das linke Ende desselben empor, das rechte
Ende abwärts drückt. In der aus der Abbildung leicht ersichtlichen
Art und Weise wird hierbei zunächst das Einlassventil für den Unter-
dampf geschlossen, der Dampf expandirt. Durch eine horizontale Zug-
stange stehen die Ventile für den Unterdampf mit denen für den Ober-
dampf in Verbindung. Bei weiterem Aufsteigen des Bäres wird also
das Auslassventil für den Oberdampf geschlossen, der noch ein-
geschlossene Dampf wird zusammengedrückt; alsdann öffnet sich das
Auslassventil für den Unterdampf und schliesslich das Auslassventil für
den Unterdampf; der Kolben wird mit beschleunigter Geschwindigkeit
abwärts geworfen.


Durch Empordrücken des Hebels f an der rechten Seite leitet der
Hammerführer einen neuen Hub ein; und durch Umsteuerung von
Hand kann er leicht den Hub unterbrechen, ehe selbstthätige Umsteue-
rung eintritt.


Ebenso kann man, da das Oberdampfeinlassventil erst ganz zuletzt
geöffnet wird, bei rechtzeitiger Unterbrechung der Steuerung auch ohne
Oberdampf arbeiten. Eine excentrische Scheibe i, gegen welche der
Hebel f bei Niedergange schlägt, und welche mit Hilfe der Klinke k
höher oder niedriger gestellt werden kann, dient dazu, diese Unter-
brechung herbeizuführen.


e ist ein Ventilgehäuse, durch welches die Dampfzuleitung aus dem
Kessel nach dem Hammer stattfindet.


Die Ständer des abgebildeten Hammers sind aus Gusseisen und
durch die Schienen a mit einander verbunden. g und h sind Funda-
mentschrauben. c c sind Schmiedeeisenringe, durch welche die pris-
matischen Führungen des Hammerbäres an den Ständern festgehalten
werden. b b sind Holzstücke, gegen welche der Bär im höchsten zu-
lässigen Stande schlägt; m m Ausflussröhen für condensirtes Wasser.


Während bei kleinen und mittelgrossen Hämmern das zu be-
arbeitende Eisenstück mit Hilfe einer Zange erfasst und von einem
oder mehreren zusammen angreifenden Arbeitern gehandhabt wird, ist
bei der Bearbeitung grosser Schmiedeeisenstücke, insbesondere der
schweren Flusseisen- und Flussstahlblöcke, welche in der Neuzeit
für mannigfache Zwecke gefertigt werden, eine derartige Handhabung
nicht mehr möglich. Hier muss Maschinenarbeit an Stelle der Hand-
arbeit treten. Krahne, von Dampfkraft bewegt, heben und wenden
den in Ketten hängenden Eisenblock, und die Handarbeit beschränkt
sich auf die Nachhilfe beim Drehen und Wenden mit eisernen Stangen
und Haken.


Jene oben erwähnten schweren Hämmer, für diesen Zweck be-
stimmt, müssen deshalb in jedem Falle durch einen oder mehrere
ausreichend kräftig gebaute Krahne ergänzt werden; und gewöhnlich
gruppirt man den Hammer, die Krahne und die zum Erhitzen der
Eisenblöcke erforderlichen Oefen in solcher Weise, dass ein und der-
selbe Krahn dazu dient, den Block aus dem Ofen zu holen und dem
Hammer zuzuführen.


[692]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.

Fig. 175 giebt ein Bild einer derartigen vollständigen Hammer-
hütte mit dem schon oben erwähnten 80 t Hammer zu Creusot, bis
jetzt dem grössten der Erde. 1) Derselbe steht in der Mitte der ganz
aus Eisen construirten Halle, deren Höhe bis zum Dachstuhlgebinde
17 m beträgt. Sein Gerüst A ist aus hohlen Gusseisenständern ge-
bildet, welche in Form eines A verschraubt und oben durch ein guss-
eisernes Querstück verbunden sind. Der Hammer ist einfach wirkend.
Der Durchmesser des Dampfcylinders beträgt 1.9 m, Durchmesser der
Kolbenstange 36 cm, also freier Cylinderquerschnitt unterhalb des
Kolbens 2.734 qm. Der grösste Kolbenhub ist 5 m; die Weite zwischen
den Füssen des Ständers 7.5 m. Die Steuerung geschieht durch Ventile
von Hand. Das Fundament ruht in 11 m Tiefe unter dem Boden auf
einem Felsen; auf diesem ist zunächst 4 m hohes Cementmauerwerk
hergestellt, dann folgt eine Eichenholzbettung von 1 m Höhe und auf
dieser ruht die 622 t schwere Chabotte, welche aus elf Theilen zusam-
mengesetzt ist. Auch bei diesem Hammer ist die Fundamentirung der
Chabotte vollständig unabhängig von der des Hammergerüstes, wie die
Abbildung erkennen lässt.


Vier Krahne C C — zwei an jeder Seite des Hammers — sind
zur Bedienung desselben bestimmt. Drei derselben besitzen eine Trag-
kraft von 100 t, der vierte eine solche von 160 t. Sie sind aus Eisen-
blech construirt, und jeder derselben ist mit einer am Ständer be-
festigten 60 pferdigen Dampfmaschine versehen. Der Halbmesser des
Auslegerkreises ist 9.35 m.


Jedem Krahne entspricht ein Glühofen D. Schienengleise ver-
binden die Hammerhütte mit der in der Nähe gelegenen Stahlhütte,
in welcher die Blöcke erzeugt werden.


e) Die Theorie des Schmiedens.

Wenn mit dem Hammer ein Schlag auf eine beliebige Stelle eines
durch Erhitzung erweichten Eisenstückes ausgeführt wird, so entsteht
an dieser Stelle ein Eindruck, d. h. eine Verdünnung des Querschnittes.
Je kleiner die Stelle war, auf welche die Schlagwirkung ausgeübt
wurde, desto tiefer muss bei übrigens gleicher mechanischer Wirkung
des Schlages der Eindruck, desto stärker die Querschnittsverdünnung
ausfallen.


Wenn es sich also nicht sowohl darum handelt, durch die Ham-
merschläge weitgehende Querschnittsveränderungen hervorzubringen als
vielmehr ein Auspressen von Schlacke aus weichem Schweisseisen,
eine Verdichtung blasigen Flusseisens herbeizuführen, so wird man
jeden einzelnen Schlag möglichst auf die ganze Oberfläche des auf dem
Ambos ruhenden Arbeitsstückes einwirken lassen, d. h. einen Hammer
mit breiter Bahn verwenden. Dass aber auch hierbei das Gewicht und
die Fallhöhe des Hammers mit der Dicke des zu bearbeitenden Eisen-
stückes im Einklange stehen müssen, wenn die Wirkung der Schläge
[693]Die Theorie des Schmiedens.

Figure 128. Fig. 175.


[694]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.
sich nicht nur auf die Oberfläche des letzteren erstrecken soll, wurde
schon früher erörtert.


Auch bei einer solchen Bearbeitung der ganzen Oberfläche eines
Arbeitsstückes vermittelst eines Hammers mit breiter Bahn findet nun
naturgemäss eine allmähliche Querschnittsverdünnung unter entsprechen-
der Ausbreitung statt. Ist eine derartige Formveränderung nicht be-
absichtigt, so ist es nicht schwierig, ihr entgegen zu arbeiten; man
braucht nur das Arbeitsstück von Zeit zu Zeit um 90 Grad zu wenden
(es auf die hohe Kante zu stellen), um nunmehr durch die Hammer-
schläge eine Verkürzung in der Richtung der zuvorigen Ausbreitung,
eine Verdickung in der Richtung der zuvorigen Querschnittsverdünnung
herbeizuführen.


Uebt man vermittelst eines Hammers, dessen Bahn kreisrunde
Form von nicht allzu beträchtlichem Durchmesser besitzt und etwas
convex gewölbt ist, einen Schlag auf eine Stelle eines platten-
förmigen Arbeitsstückes aus, welche in der Mitte oder wenigstens nicht
am Rande sich befindet, so entsteht hier eine Beule, d. h. infolge der
stattfindenden Querschnittsverdünnung muss das Metall aus der Ebene
heraustreten; und wenn man zahlreiche solche Beulen in bestimmter
Folge an einander reiht, so nimmt allmählich die ganze Platte eine
ausgebauchte Form an, es entsteht ein Hohlkörper. Es ist dieses eine
Arbeit, die zwar bei der Herstellung und ersten Formgebung des
Eisens selten oder gar nicht in Anwendung kommt, bei der Verarbeitung
der Metalle zu Gebrauchsgegenständen aber seit Alters her eine grosse
Wichtigkeit besitzt und Treiben genannt wird.


Benutzt man einen Hammer mit langgestreckter schmaler Bahn
und führt man mit Hilfe desselben einen Schlag aus, welcher quer
über das ganze Arbeitsstück hinübergeht, so entsteht an dieser Stelle
eine entsprechende Furche. Der Querschnitt wird hier verdünnt; und
die nächste Folge davon ist eine Längenausdehnung in der Richtung
rechtwinklig gegen die Richtung jener Furche. Bei dem Arbeitsstücke

Figure 129. Fig. 176.


Fig. 176 muss die Entstehung der Furche
a b eine Verlängerung in der Richtung des
Pfeiles zur Folge haben. Reiht man nun
zahlreiche solcher Parallelfurchen eine dicht
neben die andere, so wird das ganze Arbeits-
stück, ohne erheblich verbreitert zu werden, eine entsprechende Längen-
ausdehnung und gleichzeitige Querschnittsverdünnung erfahren. Diese
Arbeit, Längenausdehnung und Querschnittsverdünnung ohne Verbreite-
rung, welche sowohl bei der ersten Formgebung als bei der späteren
Verarbeitung des Eisens und anderer Metalle ausserordentlich häufig
in Anwendung kommt, wird Strecken genannt. Je schmaler die Bahn
des beim Strecken benutzten Hammers ist, desto stärker fällt die durch
jeden einzelnen Schlag hervorgebrachte Querschnittsverdünnung aus,
desto rascher ist der Verlauf des Streckens, desto geringer die statt-
findende Ausbreitung des Arbeitsstückes.


Je dichter nun die benachbarten Hammerschläge, welche das
Strecken bewirkten, neben einander liegen, desto weniger bemerkbar
werden offenbar die Spuren derselben auf der Oberfläche des Arbeits-
stückes zurückbleiben. Vollständig lassen dieselben sich tilgen, wenn
[695]Die Theorie des Schmiedens.
nach beendigtem Strecken das Arbeitsstück mit wenigen Schlägen einer
Hammerbahn bearbeitet wird, deren Längenrichtung mit der Längen-
richtung des gestreckten Arbeitsstückes übereinstimmt, während ihre
Breite mindestens so gross ist als die Breite des Arbeitsstückes. Die
Schlagwirkung wird hierbei auf eine grosse Fläche vertheilt, und eine
erhebliche Querschnittsverdünnung beziehentlich Ausbreitung findet nicht
statt; aber die mit Furchen bedeckte Oberfläche wird geglättet. Diese
Vervollkommnung der Oberfläche eines durch Hammerschläge ge-
streckten Arbeitsstückes heisst Schlichten.


Die entgegengesetzte Arbeit des Streckens ist das Stauchen,
eine Verkürzung der Längenabmessung (beziehentlich auch Breiten-
abmessung) unter Vergrösserung der Dicke. Dasselbe wird, wie schon
oben erwähnt wurde, ausgeführt, indem man das Arbeitsstück hoch-
kantig auf den Ambos stellt und Schläge auf die Stirnfläche ausführt.
Natürlicherweise lässt sich ein Maschinenhammer hierfür nur benutzen,
sofern die Länge des Arbeitsstückes, welche verkürzt werden soll, nicht
schon beträchtlicher ist, als die Hubhöhe des Hammers.


Der geschilderte Verlauf des Streckens, Schlichtens und Stauchens,
welche Arbeiten bei jedem Hammer zur Ausführung kommen, der nicht
etwa zum Treiben bestimmt und deshalb mit besonders geformter Bahn
versehen ist, erklärt die übliche Form und Anwendung der Hammer-
bahnen.


Den Aufwerf- und Schwanzhämmern der Herdfrischhütten, welche
die Bestimmung haben, zum Ausschmieden des Eisens zu Stäben benutzt
zu werden, pflegt man, wie schon oben
erwähnt wurde, eine rechteckige, lang-
gestreckte Bahn zu geben. Je schma-
ler die Bahn ist (deren Form mit der-
jenigen der Ambosbahn übereinstim-
men muss), desto rascher geht das
Strecken unter dem Hammer vor-
wärts; aber in Rücksicht auf das nach-
folgende Schlichten darf die Breite der
Bahn immerhin nicht geringer sein als
diejenige der zu schmiedenden Stäbe.


Beim Strecken nun wird man den
Stab so halten, dass er quer über dem
Ambos liegt (Fig. 177), beim Schlichten
legt man ihn von der Stirnseite des
Hammers aus der Länge nach auf
den Ambos. Soll die Breitenrichtung
verkürzt oder sollen die Kanten ge-

Figure 130. Fig. 177.


ebnet werden, so wird er mit der schmalen Seite auf den Ambos
gelegt.


Grösseren Hämmern dagegen — Stirnhämmern, Brusthämmern,
Dampfhämmern — pflegt man eine Hammer- und Ambosbahn, wie in
Fig. 178 im Grundrisse skizzirt ist, d. i. mit Tförmiger Grundfläche
zu geben. Die beiden rundlichen Ansätze in den Ecken dienen nur
zur Verstärkung. Beim Strecken wird man, je nachdem dasselbe
[696]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.
rascher oder weniger rasch verlaufen soll, das Arbeitsstück entweder
in der Richtung A B oder C D quer über einen der Schenkel legen;

Figure 131. Fig. 178.


beim Schlichten nach der Richtung E F oder
G H. Der mittlere Theil der Bahn in der
Nähe der Kreuzungsstelle dient zum Stauchen,
welches besonders bei der ersten Verdichtung
und Reinigung der Eisenblöcke und Luppen
ziemlich regelmässig erforderlich ist.


Im Uebrigen muss bei der Construction
der Hammer- und Ambosbahn auch die An-
ordnung des Hammergerüstes in Betracht kom-
men, von welcher die Zugänglichkeit des
Amboses abhängt.


Sonstige Arbeiten des Schmiedens kommen mehr bei der späteren
Verarbeitung als bei der ersten, in den Eisenhütten bewirkten Form-
gebung in Anwendung und sind ihrer Theorie nach so einfach, dass
sie einer eingehenderen Erörterung nicht bedürfen. Hierher gehört das
Schmieden in Gesenken, formgebenden, aus Eisen hergestellten Er-
gänzungsstücken zum Hammer und Ambos, welche beim Schmieden
einen ganz ähnlichen Zweck zu erfüllen haben als die Gussformen
beim Giessen; das Abhauen einzelner Stücke vom Ganzen mit Hilfe
des Schrotmeissels und Abschrotes; die Herstellung einer durch-
gehenden Oeffnung vermittelst des Durchschlages und Lochringes;
u. a. m. In jeder kleineren und grösseren Schmiedewerkstatt kann
man die hierfür benutzten Geräthe und ihre Anwendung täglich in
Augenschein nehmen.


2. Die Walzwerke.


a) Allgemeine Erörterungen.

Ein Walzwerk für Eisen- oder Metallbearbeitung nennen wir eine
Vorrichtung, bei welcher das zu bearbeitende Metallstück zwischen zwei

Figure 132. Fig. 179.


sich in entgegengesetzter Richtung drehen-
den, gewöhnlich horizontal liegenden, Walzen
hindurchgeführt wird, um hierbei eine Ver-
dünnung seines Querschnittes zu erleiden
(Fig. 179). Die Walzen erhalten hierbei ihren
Antrieb von aussen her; das zu walzende
Arbeitsstück wird infolge der Reibung der
Walzenoberflächen von den Walzen ergriffen
und zwischen ihnen hindurchgeführt.


Ein Walzwerk mit nur zwei parallelen
Walzen, wie Fig. 179, heisst Duowalz-
werk
und man unterscheidet bei demselben
die Oberwalze a und die Unterwalze b; ordnet
man eine dritte Parallelwalze an zu dem
Zwecke, das Walzstück, nachdem es zwischen
der ersten und zweiten Walze hindurchgegangen ist, zwischen der
zweiten und dritten wieder zurückführen zu können (Fig. 180), so
[697]Die Walzwerke.
heisst das Walzwerk Triowalzwerk oder Walzentrio mit Ober-
walze, Mittelwalze und Unterwalze. Ein Triowalzwerk ermöglicht, wie
leicht zu erkennen ist, eine grössere Beschleunigung der Arbeit als ein
Duowalzwerk und seine Anwendung ist deshalb vorzugsweise zweck-
mässig beim Walzen von Gegenständen mit dünneren
Querschnitten, welche rascher erkalten; aber die Ab-
nutzung der drei Walzen ist ungleich, da die Mittel-
walze doppelt so oft als die anderen beiden in An-
spruch genommen wird.


Gewöhnlich erfolgt die Bewegung der Walzen
durch in einander greifende Getriebe, deren Wellen
mit den Zapfen der Walzen gekuppelt sind und von
welchen eins seinen Antrieb von der Betriebsmaschine
(Wasserrad, Dampfmaschine) aus erhält; in einzelnen
besonderen Fällen jedoch treibt man unter Weg-
lassung der Getriebe nur die eine Walze an und
lässt die zweite, beziehentlich die zweite und dritte
nur durch die Reibung des von der ersten Walze
mitgenommenen Arbeitsstückes in Drehung ver-
setzen. Solche Walzen ohne äusseren Antrieb heissen
Schleppwalzen.


Figure 133. Fig. 180.

Sollen plattenförmige Körper (Bleche) gewalzt werden, so ist die
Oberfläche der Walzen glatt; sollen dagegen stabförmige Körper von
bestimmter Querschnittsform hergestellt werden, so ist die Oberfläche
mit ringförmig herumlaufenden Profilbegrenzungen bedeckt, welche
das hindurchgehende Walzstück einschliessen und Kaliber genannt
werden. Sie vertreten gewissermaassen die Stelle des Gesenkes beim
Schmieden, der Gussform beim Giessen. Auf der einzelnen Walze
erscheinen sie theils als Einschnitte oder Furchen, theils als Ringe,
welche in die Furche der zweiten Walze eingreifen (vergl. unten
Fig. 183 auf S. 701). Natürlicherweise müssen die Kaliber der zu ein-
ander gehörenden Walzen genau einander ergänzen, zu einander passen.


Der Vorgang beim Walzen besitzt eine gewisse Aehnlichkeit mit
dem oben geschilderten Vorgange des Streckens unter dem Hammer.
Die Unterwalze vertritt beim Walzen die Stelle des Amboses, die Ober-
walze diejenige des Hammers; in beiden Fällen, beim Strecken durch
Hämmern wie beim Walzen beruht die Streckung vornehmlich auf
dem Umstande, dass das quer über das ganze Arbeitsstück hinüber-
gehende Werkzeug (der Hammer in dem einen, die Walze in dem
zweiten Falle) an der Berührungsstelle einen Eindruck, eine Quer-
schnittsverdünnung erzeugt, welche eben die Ursache der normal gegen
die Richtung des entstandenen Eindruckes stattfindenden Verlängerung
des Arbeitsstückes ist.


Beim Hämmern aber muss das Arbeitsstück nach jedem stattgehabten
Schlage weitergeschoben werden, der Hammer muss emporgehoben
werden und wieder niederfallen, damit ein neuer Schlag erfolge; bei
dem Walzen bewirken die Walzen selbstthätig ununterbrochen den
Vorschub des Arbeitsstückes, und der Zeitverlust für das Anheben und
Niederfallen des Hammers kommt in Wegfall. Aus diesem Grunde ist
die Leistungsfähigkeit eines Walzwerkes beim Strecken eine ungleich
Ledebur, Handbuch. 45
[698]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.
grössere als die des Hammers, und überall, wo die Aufgabe vorliegt,
rasch grössere Metallmengen durch Strecken zu verarbeiten, hat das
Walzwerk den Hammer verdrängt. Die Einrichtung eines Walzwerkes aber
ist, wie sich aus der später folgenden Beschreibung der verschiedenen
Gattungen von Walzwerken ergeben wird, weniger einfach als die eines
Hammers, der Raumbedarf grösser; daher konnte das Walzwerk seine
jetzige Wichtigkeit überhaupt erst dann erlangen, nachdem die ge-
änderten Zeitverhältnisse in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts
mehr und mehr zu einer Massenerzeugung des schmiedbaren Eisens
hindrängten. 1) Das Walzwerk aber vermag nur zu strecken und ent-
weder Bleche oder in Kalibern stabförmige Körper von bestimmten
Querschnittsformen zu erzeugen. Die Benutzbarkeit des Hammers ist
ungleich vielseitiger; und ein vollständiger Ersatz desselben durch das
Walzwerk ist deshalb nicht denkbar.


Beim Hammer fällt, wie oben besprochen wurde, die durch jeden
einzelnen Schlag hervorgebrachte Streckung in der Längenrichtung um
so stärker, die Ausbreitung um so geringer aus, je schmaler die Ham-
merbahn ist; eine ganz ähnliche Erscheinung zeigt sich beim Walzen.
Hier ist die Berührungsstelle zwischen der Walzenoberfläche und dem
Arbeitsstücke offenbar um so schmaler und der gleiche ausgeübte Druck
ruft deshalb eine um so stärkere Querschnittsverdünnung hervor, je
stärker die Krümmung der Walzenoberfläche d. h. je kleiner der Walzen-
durchmesser ist. Daher ist bei Walzen mit kleinem Durch-
messer die Streckung grösser, die Ausbreitung in der
Walzenachse geringer als bei Walzen mit grösserem Durch-
messer, vorausgesetzt, dass der ausgeübte Druck und die
Umfangsgeschwindigkeit in beiden Fällen gleich gross sei
.


Bei dem Walzen in Kalibern wird durch die immerhin statt-
findende Ausbreitung ein Seitendruck erzeugt, welcher zwar die Aus-
bildung scharfer Umrisse des entstehenden Querschnittsprofiles ermög-
licht, andererseits aber, wenn er zu beträchtlich ist, zu einem Fest-
klemmen des Arbeitsstückes und zu anderen Uebelständen führen kann.
Das Maass dieses Seitendruckes ist abhängig von dem Walzendurch-
messer, von der Grösse des überhaupt ausgeübten Druckes (d. i. der
stattfindenden Querschnittsverkleinerung) und besonders auch von dem
Verhältnisse der Breite des Kalibers zu der Breite des eingeführten
Walzstückes. Je grösser dieses Verhältniss ist, d. h. je mehr Gelegen-
heit dem Walzstücke zur Ausbreitung gegeben ist, desto schwächer muss
der Seitendruck ausfallen.


Wenn es zufolge den oben erörterten Beziehungen zwischen dem
Walzendurchmesser und dem Maasse der Streckung zweckmässig er-
scheint, möglichst kleine Walzendurchmesser anzuwenden, wo eine
rasche Streckung erforderlich ist, so muss doch anderntheils der Walzen-
[699]Die Walzwerke.
durchmesser immerhin in einem gewissen Verhältnisse zu der Stärke
des Walzstückes stehen, wenn das letztere noch von den Walzen
ergriffen und zwischen ihnen hindurchgeführt werden soll. Es lässt
sich diese Thatsache durch folgende Betrachtung erklären.


An der Stelle, wo das Walzstück die Walzenoberfläche berührt,
wird ein radialer Druck P (Fig. 181) erzeugt, welcher in eine Hori-
zontalkraft Q und eine Verticalkraft R zerlegt gedacht werden kann.
Erstere strebt das Walzstück zurückzu-
stossen, letztere erzeugt Reibung und
vermöge derselben Fortbewegung des
Walzstückes. Je kleiner R ist, desto
grösser fällt Q aus; R verringert sich
aber, wie leicht zu ermessen ist, mit ab-
nehmendem Walzendurchmesser, sofern
der Walzenabstand von einander und die
Stärke des vor die Walzen gebrachten
Walzstückes unverändert bleibt. Es tritt
daher eine Grenze ein, wo die erzeugte
Reibung nicht mehr ausreichend ist, das
Zurückstossen des Walzstückes zu hin-
dern, wo dieses nicht mehr mitgenom-
men wird. Als Erfahrungsregel nimmt
man an, dass der Walzendurchmesser
mindestens 10 mal so gross sein müsse
als die Stärke des Walzstückes vor dem
Durchgange durch die Walzen, oder min-
destens 20 mal so gross als die Stärke
desselben nach dem Durchgange.


Figure 134. Fig. 181.

Ueber die Vorgänge beim Walzen sind bereits zahlreiche Unter-
suchungen angestellt und Theorien entwickelt worden (vergl. Literatur),
ohne dass der Gegenstand bis jetzt völlig erschöpfend behandelt worden
wäre. Jedenfalls sind diese Vorgänge, insbesondere die Verschiebungen
der Theilchen beim Walzen, etwas anders, wenn das Metall, wie das
Eisen, heiss als wenn es, wie z. B. das Blei, kalt gewalzt wird. Im
ersteren Falle wird die von den kälteren Walzen berührte Aussenfläche
des Walzstückes abgekühlt, sie verliert dadurch an Geschmeidigkeit,
während der Kern weicher bleibt; beim Kaltwalzen fällt dieser Unter-
schied weg. Hieraus erklärt es sich, dass die Enden heiss gewalzter
Metalle einen convexen Rand, kalt gewalzter einen concaven Rand zu
besitzen pflegen. In der Mitte des Walzstückes aber sind in beiden
Fällen, man mag heiss oder kalt walzen, die stattfindenden Ver-
schiebungen im Wesentlichen dieselben; eine diesbezügliche Beobach-
tung lässt sich anstellen, wenn man in dem Walzstücke hindurch-
gehende Stiftchen in genau gleichen Abständen von einander befestigt,
welche rechtwinklig gegen die beiden Oberflächen stehen und genau
mit denselben abschneiden. 1) Der Stab wird dann, nachdem ein Theil
45*
[700]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.
desselben zwischen den Walzen hindurchgegangen, ein anderer Theil
noch zurückgeblieben ist, der Länge nach zerschnitten, und die Form-
veränderung, welche jene Stiftchen erlitten haben, lässt nunmehr die
stattgehabten Verschiebungen erkennen. Fig. 182 giebt ein ungefähres
Bild derselben. Unter dem Drucke der Walzen entsteht bei a b, d. h.
vor dem Eintreten des Stabes, eine Verdickung; auch der austretende
Stab hat nicht genau die Stärke des Abstandes der beiden Walzen-

Figure 135. Fig. 182.


oberflächen von einander, sondern ist ein wenig dicker, ein Umstand,
welcher bei Herstellung von Stäben mit genau vorgeschriebenen Ab-
messungen Beachtung verdient.


Die Geschwindigkeit des Walzstückes ist beim Eintreten zwischen
die Walzen geringer als die der Walzenoberfläche; die Reibung reicht
eben nicht aus, dem Walzstücke die volle Geschwindigkeit zu ertheilen
und in der Nähe der Eintrittsstelle gleiten deshalb die Walzenober-
flächen auf der Oberfläche des ersteren. Die stattfindende Streckung
aber muss naturgemäss eine Beschleunigung der Bewegungsgeschwindig-
keit desselben während des Durchganges hervorbringen; und beim Aus-
treten aus den Walzen ist daher diese Bewegungsgeschwindigkeit regel-
mässig grösser als die Umfangsgeschwindigkeit der Walzen. Je stärker
die Streckung, desto stärker ist auch dieses Voreilen des Walzstückes.


Die allgemeine Einrichtung eines Duowalzwerkes ist durch die Ab-
bildung Fig. 183 veranschaulicht. A A sind die Walzenständer, in denen
sich die Lager für die Walzenzapfen befinden, B B zwei Paar kalibrirter
Walzen. Je zwei zu einander gehörige Walzenständer bilden zusammen
ein Walzgerüst und sind oben und unten durch Ankerschrauben mit
einander verbunden (die unteren Anker sind in der Abbildung durch
die Rippen der Fundamentplatte V verdeckt und deshalb nicht sichtbar).
Ein Walzwerk oder eine Walzstrecke kann unter Umständen nur ein
einziges Walzgerüst mit den zugehörigen Walzen enthalten; häufiger
sind, wie in der Abbildung, zwei Walzgerüste mit einander gekuppelt,
1)
[701]Die Walzwerke.

Figure 136. Fig. 183.


[702]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.
und mitunter enthält die Strecke sogar drei bis sieben Walzgerüste.
Die Verbindung der Walzen zweier benachbarter Walzgerüste unter
sich sowie der Walzen mit den Getrieben oder, wie man häufiger sich
auszudrücken pflegt, KammwalzenE, von welchen aus die Be-
wegung auf die Walzstrecke fortgepflanzt wird, erfolgt durch Kupp-
lungen, bestehend aus Kupplungsmuffen C und Kupplungsspindeln D.
Die Einschaltung solcher Kupplungsspindeln (statt einer unmittelbaren
Verkupplung der betreffenden Theile) ist nothwendig, theils um den
Walzen eine gewisse Beweglichkeit in der Höhenlage zu sichern, ohne
dass die benachbarten Theile, insbesondere die Getriebe, bei dem
Heben oder Senken der Walze in Mitleidenschaft gezogen werden, theils
auch, um das Auswechseln der Walzen zu erleichtern.


Mit dem unteren der beiden Getriebe pflegt die Antriebswelle ge-
kuppelt zu werden, welche entweder unmittelbar von der Betriebs-
maschine aus oder, sofern mehrere Walzstrecken von derselben Maschine
betrieben werden, vermittelst einer Transmission (Seil- oder Riemen-
transmission) ihre Bewegung empfängt. Wendet man ein Schwungrad
an, dessen Weglassung nur bei einer einzigen Gattung von Walz-
werken, den unten besprochenen Kehrwalzwerken, zu rechtfertigen sein
würde, so erhält dasselbe zwischen Betriebsmaschine und Walzwerk
seinen Platz, um die nachtheiligen Folgen der von letzterem ausgehen-
den Stösse abzumindern.


Ein Triowalzwerk unterscheidet sich im Aeussern von dem abge-
bildeten Duowalzwerke im Wesentlichen nur durch das Vorhandensein
dreier Walzen in einem Walzgerüst sowie dreier Getriebe. Der Antrieb
pflegt hier von dem mittleren Getriebe aus zu geschehen.


b) Die einzelnen Theile des Walzwerkes.

Die Walzen.

Dieselben sind bei den Eisenwalzwerken fast ohne Ausnahme aus
Gusseisen gefertigt. Den in der Mitte befindlichen Haupttheil a der
Walze (Fig. 184), nennt man den Walzenbund; an diesen schliessen
sich die beiden in den Lagern der Walzenständer ruhenden Lauf-

Figure 137. Fig. 184.


zapfen b, und die beiden Enden werden
durch die aus den Ständern herausragenden
Kupplungszapfen c gebildet, welche zum
Ueberschieben der Muffe bestimmt sind
und profilirten Querschnitt erhalten, damit
sie die Bewegung zu übertragen fähig sind,
ohne in der Muffe zu gleiten.


Die Grundform des Walzenbundes ist in allen Fällen cylindrisch.
Auch für Kaliberwalzen giebt man dem Bunde beim Giessen zunächst
Cylinderform und dreht später die Kaliber ein; nur bei den allergröb-
sten Walzen giebt man schon von vorn herein eine Andeutung der
Kaliber beim Giessen, um die Arbeit des Eindrehens abzukürzen und
den Materialverlust durch Zerspanung abzumindern.


Die Verhältnisse, von denen der Durchmesser der Walzen abhängig
ist, wurden schon oben erörtert. Je rascher die Streckung vor sich
[703]Walzwerke. Die Walzenständer nebst Zubehör.
gehen soll und je dünner die Walzstücke sind, desto geringer kann
der Walzendurchmesser sein. Mit dem Durchmesser verringern und
erhöhen sich das Gewicht, die Herstellungskosten und die Zapfen-
reibung. Versuche, die Walzen hohl zu giessen, um bei bestimmtem
Durchmesser ein geringeres Gewicht zu erhalten, sind bis jetzt auf
vereinzelte Fälle beschränkt geblieben. Es ist zu befürchten, dass die
Widerstandsfähigkeit der Walzenzapfen gegen das Abbrechen durch
das Hohlgiessen allzu sehr beeinträchtigt werden würde.


Selten findet man bei den Eisenwalzwerken geringere Walzen-
durchmesser als 200 mm, und grössere als 800 mm.


Je grösser der Walzendurchmesser ist, desto grösser kann auch
die Länge des Walzenbundes sein, ohne dass die Gefahr für das Ab-
brechen der Walze oder eine starke Durchbiegung allzu nahe tritt. Bei
Blechwalzwerken ist diese Länge zugleich von der Breite der zu walzen-
den Bleche abhängig, und bei sehr breiten Blechen muss dieser Um-
stand mitunter auch für den Walzendurchmesser den Ausschlag geben,
damit die lange Walze nicht zu schwach ausfalle; bei Kaliberwalzen
kommt die Anzahl und Breite der Kaliber in Betracht, welche die
Walze erhalten soll. Gewöhnlich schwankt, entsprechend diesen ver-
schiedenen Verhältnissen, die Bundlänge der Eisenwalzen zwischen
500 mm bei den kleinsten und 1400 mm bei den grössten und im Durch-
messer stärksten Walzen.


Bei Kaliberwalzen pflegt man die am tiefsten eingeschnittenen
Kaliber in die Nähe der Walzenzapfen zu verlegen, wo sie am wenig-
sten die Festigkeit der Walze gegen das Abbrechen beeinträchtigen.


Für die Bemessung des Zapfendurchmessers giebt Hauer die
Formel
,
worin d den Zapfen- und D den Walzendurchmesser bezeichnet. Die
Länge l der Lagerschalen ist durchschnittlich 1 = ; für die gesammte
Länge des Laufzapfens giebt man dieser Abmessung noch 10—20 mm zu.


Den Durchmesser der Kupplungszapfen nimmt man bei kleinen
Walzen um einige Millimeter, bei sehr grossen Walzen um mehrere
Centimeter kleiner als den der Laufzapfen; die Länge der Kupplungs-
zapfen pflegt 0.7—0.9 ihres Durchmessers zu betragen.


Die Walzenständer nebst Zubehör.

Die Ständer haben die Form eines starken gusseisernen Rahmens,
in welchem die Lager der beiden, beziehentlich der drei Walzen in
geeigneter Weise befestigt sind.


Das Lager der Unterwalze ruht in jedem Falle im Fusse des
Ständers und besteht gewöhnlich nur aus der unteren Lagerhälfte, da
ein Anheben der Unterwalze aus ihrem Lager durch den von oben
her wirkenden Druck von selbst ausgeschlossen ist. Anders ist es hin-
sichtlich der Lagerung der Oberwalze. Auf diese wirkt von unten her
während des Hindurchgehens des Walzstückes der Widerstand des-
[704]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.
selben gegen die stattfindende Querschnittsverdünnung und strebt sie
emporzudrücken. Eine allzu starre Lagerung der Oberwalze würde
häufige Zapfenbrüche zur Folge haben, sobald jener Widerstand ein
bestimmtes Maass überschreitet. Man ertheilt daher der Oberwalze eine
gewisse Beweglichkeit in der Höhenrichtung, indem man das Oberlager
derselben durch eine Stell- oder Druckschraube festhält, welche durch
den Kopf des Ständers hindurchgeht (vergl. unten Fig. 185), bei über-
mässiger Steigerung des Druckes aber selbstthätig aufwärts gedreht
wird und dem Zapfenlager einen entsprechenden Spielraum zum An-
heben überlässt.


Hinsichtlich der Art und Weise aber, wie das Zapfenlager mit der
darin ruhenden Oberwalze getragen wird, lassen sich zwei verschiedene
Systeme unterscheiden.


Bei fast allen Kaliberwalzen kommt es darauf an, dass die Kaliber
der beiden zu einander gehörigen Walzen genau auf einander schliessen,
dass also auch die beiden Walzenachsen einen ganz bestimmten nor-
malen Abstand von einander erhalten. Jedes einzelne Kaliber dient
eben nur zur Ausbildung einer ganz bestimmten Querschnittsform, eine
Näherung oder Entfernung der Walzen findet — abgesehen von jenem
selbstthätigen Heben der Oberwalze bei zu starkem Drucke — nicht
statt. Es giebt also eine gewisse Normalstellung der Walzen gegen
einander, und es kommt darauf an, ihre Lagerung so einzurichten,
dass sie durch festes Anziehen der Druckschraube vor jedem Durch-
gange des Walzstückes ohne Weiteres in jene Normalstellung gebracht
werden.


Bei Duowalzwerken pflegt man daher den Walzenständern für
derartige Walzen mit unveränderlichen Kalibern die in Fig. 185—188
gezeichnete Einrichtung zu geben. 1) Das Oberwalzenlager besteht aus
den zwei Hälften c und d, in denen die aus Rothguss oder Hartblei
gefertigten Lagerpfannen eingelassen sind, und ist an den zwei Bolzen
h h aufgehängt, welche durch Bohrungen beider Lagerhälften wie des
Ständers hindurchgehen und oben durch Schraubenmuttern getragen
werden. Durch Drehung dieser Schraubenmuttern lässt sich die Höhen-
lage des Lagers, beziehentlich der Walze genau regeln, während andern-
theils das Emporsteigen bei zu starkem Drucke des Walzstückes nicht
behindert ist. e ist die erwähnte Stell- oder Druckschraube, oben mit
vierkantig geschmiedetem Kopfe zum Aufstecken eines Schlüssels ver-
sehen (in der Abbildung Fig. 183 auf S. 701 ist der Schlüssel an
dem rechtsseitig befindlichen Ständer sichtbar), durch dessen Drehung
die Schraube wieder in ihre richtige Stellung zurückgedreht wird, wenn
sie beim Durchgange des Walzstückes emporgedreht sein sollte. f ist
die zugehörige Schraubenmutter aus Flusseisen oder Bronze.


Zwischen Druckschraube und Oberlager schaltet man eine sogenannte
Brechkapsel i ein, aus einem kastenartigen Gussstücke bestehend,
welches zertrümmert wird und hierdurch den Walzenzapfen vor dem
[705]Walzwerke. Die Walzenständer nebst Zubehör.
Abbrechen schützt, wenn einmal ein ausnahmsweise heftiger Stoss
oder Druck zwischen den Walzen erzeugt werden sollte.


m ist das offene Unterlager, dessen Höherstellung durch unter-
geschobene Keile geregelt werden kann.


Der Walzenständer a wird regelmässig in einem einzigen Stücke
gegossen. Die Füsse desselben sind an der unteren Seite mit soge-
nannten Arbeitsleisten versehen, welche vollständig eben behobelt

Figure 138. Fig. 185.


Figure 139. Fig. 186.


Figure 140. Fig. 187.


Figure 141. Fig. 188.


werden und mit denen er auf entsprechenden Arbeitsleisten der Sohl-
platte aufruht. An der den Walzen zugekehrten Seite sind Falze t t
(Fig. 188) ausgespart, in welche die Lager mit angegossenen Vorsprüngen
eingreifen, um vor Verschiebung nach aussen geschützt zu sein, wäh-
rend sie an der Innenseite durch die Walzen selbst in ihrer Lage fest-
gehalten werden. Bei Walzwerken für feinere Eisensorten freilich pflegt
man durch Schrauben, welche bei t t durch den Ständer hindurchgehen
und deren Enden gegen die Vorsprünge der Lager drücken, die Stellung
der letzteren noch genauer festzustellen.


[706]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.

n n sind die durchgehenden Löcher für die schon oben erwähnten
Verbindungsschrauben zweier zu einander gehörenden Ständer, b b sind
eingegossene Nuthen, zur Befestigung von Eisenstäben dienend, welche,
von einem zum andern Ständer hinüberreichend, einen Bestandtheil
der Vorrichtungen für die Unterstützung des Walzstückes vor und nach
dem Hindurchgehen bilden.


Bei einer Lagerung der Oberwalze wie in Fig. 185 wird offenbar
die Zapfenreibung der Oberwalze um so grösser werden, je stärker
man die Stellschraube e anzieht, um eine genaue Lagerung zu erzielen.
Dieser Nachtheil fällt weg, wenn man der Lagerung eine Einrichtung
giebt, wie sie in Fig. 189 dargestellt und bei neueren Walzwerken
vielfach zur Anwendung gekommen ist. 1) Hier hängt nur die obere
Hälfte des Lagers an den Schrauben h, und die untere Hälfte ist

Figure 142. Fig. 189.


mit besonderen Schrauben an dieser befestigt. Offenbar bleibt nun-
mehr der von der Druckschraube ausgeübte Druck vollständig ohne
Einfluss auf die Zapfenreibung.


Eine andere bei neueren Walzwerken sehr gebräuchliche Ab-
weichung von der oben beschriebenen Einrichtung eines Walzenständers
ist das Weglassen der Falze t (Fig. 188), gegen welche die Vorsprünge
der Lager sich stemmen. Die Feststellung der Lager erfolgt in diesem
Falle durch Spannbügel, welche eine genaue Regelung der Stellung
ermöglichen. Die Abbildungen Fig. 190—192, welche zugleich die
Construction eines grösseren Triowalzenständers veranschaulichen 2), lassen
jene Einrichtung erkennen. a a … sind die schmiedeeisernen Spann-
bügel. Ein durch den Ständer hindurchgesteckter Bolzen, dessen vier-
kantig geschmiedeter Kopf an der gegenüberliegenden Seite in einer
[707]Walzwerke. Die Walzenständer nebst Zubehör.
entsprechenden Oeffnung festgehalten wird, geht durch die Mitte des
Bügels und trägt ausserhalb desselben eine Schraubenmutter, durch deren
Anziehen das eine Ende des Bügels gegen das Lager gedrückt wird.


Figure 143. Fig. 190.

Figure 144. Fig. 191.

Figure 145. Fig. 192.

[708]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.

Bei allen Triowalzenständern muss zur Vermeidung übermässiger
Reibungsverluste auf eine Einrichtung Bedacht genommen werden,
durch welche der beim Hindurchgehen des Walzstückes ausgeübte
Druck auf die Druckschraube übertragen werde, ohne dass dadurch
auch die Zapfen der dritten Walze in Mitleidenschaft gezogen werden.
Am einfachsten wird dieser Zweck erreicht, indem man die Lager aus
Einbaustücken bestehen lässt, welche eins von dem andern getragen
werden, so dass durch diese der Druck übertragen wird. Bei dem
abgebildeten Ständer ist das Unterlager, welches hier ebenso wie bei
Duowalzwerken nur aus einer Hälfte besteht, ohne Weiteres mit dem
Ständer in einem Stücke gegossen, eine Einrichtung, die nur dann
zulässig ist, wenn die Welle der Antriebsmaschine mit dem unteren
(statt dem mittleren) Getriebe gekuppelt ist. Die Lagerschale wird dann
durch untergeschobene Keile höher oder niedriger gestellt. Die untere
Hälfte des Mittelwalzenlagers wird vom Ständer getragen und ihre
Höherstellung wird durch Keile (bei b b) geregelt. Der Zapfen der
Unterwalze bleibt mithin völlig unbeeinflusst, wenn zwischen Ober-
und Mittelwalze ein Arbeitsstück hindurchgeht. Das Oberlager der
Mittelwalze und das Unterlager der Oberwalze bestehen aus einem
Stücke; auf diesem ruht oben das Obertheil des Oberwalzenlagers.
Zwischen die getrennten Theile kommen Einlegestücke, welche den
Druck von dem einen zum andern fortpflanzen und zugleich den Ab-
stand derselben von einander regeln. Mitunter benutzt man hierfür
Holzstücke; genauer lässt sich eine Regelung bewirken, wenn man,
wie bei dem abgebildeten Ständer, Stahlkeile anwendet, an Bolzen c c
befestigt, welche durch den Ständer hindurchgehen und durch Mutter
und Gegenmutter festgehalten werden.


Einen Triowalzenständer eines Feineisenwalzwerkes, dessen Ein-
richtung zwar im Wesentlichen auf denselben Grundsätzen beruht wie
die des vorstehend besprochenen Schienenwalzenständers, in den Einzel-
heiten aber doch verschiedene Abweichungen erkennen lässt, zeigen
die Abbildungen Fig. 193 und 194. 1) Sämmtliche Lager werden auch
hier durch Spannbügel in der richtigen Horizontalstellung eingestellt
und festgehalten. Bei Fig. 193 sind die Spannbügel an der dem Be-
schauer abgewendeten Seite des Ständers gedacht und man sieht daher
nur die vierkantigen Köpfe a a .. der Schraubenbolzen, welche durch
die Ständer hindurchgehen und die Stellung der Bügel vermitteln.
Durch Punktirung sind übrigens die Stellen angedeutet, wo die Füsse
der Bügel auf dem Ständer und den Lagern aufliegen. Das Lager der
Unterwalze ist als selbstständiges Stück gefertigt, da die Betriebs-
maschine dieses Walzwerkes mit dem mittleren Getriebe gekuppelt ist,
und ein Keil bewirkt in der leicht erkennbaren Art und Weise die
Verstellung des Unterwalzenlagers in der Höhenrichtung. Die untere
Hälfte des Mittelwalzenlagers ruht wieder im Ständer; die untere Hälfte
des Oberwalzenlagers aber besteht hier nicht, wie bei dem vorigen
Triowalzenständer, mit der Oberhälfte des Mittelwalzenlagers aus einem
Stücke, sondern ist in der schon früher besprochenen Art und Weise
[709]Walzwerke. Die Walzenständer nebst Zubehör.
durch starke Schrauben an der oberen Hälfte des Oberwalzenlagers
befestigt. Die Lager werden hierdurch unabhängiger von einander als
bei der früheren Einrichtung. Für die Druckübertragung von einem
Lager zum andern und für die Regelung der Höhenstellung dienen
auch hier Stahlkeile b b, welche jedoch nicht von der schmalen Seite
der Ständer aus, sondern in der Richtung der Walzenzapfen verschoben
werden und zwar, wie Fig. 194 erkennen lässt, mit Hilfe von Bügeln c c,
welche gegen die Lager selbst sich stemmen.


Figure 146. Fig. 193.

Figure 147. Fig. 194.

Sollen die Walzen nicht, wie bei den bisher besprochenen Walzen-
ständern, eine einzige normale Lage gegen einander einnehmen, son-
dern soll ihr Abstand von einander veränderlich sein, so lässt sich
eine Lagerung der Oberwalze in der beschriebenen Weise nicht an-
wenden. Die Lager beider Zapfen der Oberwalze müssen in der Höhen-
richtung sich verstellen lassen; und diese Aufgabe wird am einfachsten
erfüllt, indem man das Gewicht der Oberwalze sammt Lagern durch
Gegengewichte ausgleicht, so dass die Walze gewissermaassen schwebend
erhalten wird und nun durch die Stellung der Druckschrauben den
Abstand der Walzen von einander regelt.


Es ist dieses das zweite System der Walzenständer, von dem
ersten unterschieden durch die Gewichtsausgleichung der Oberwalze.
Vorzugsweise findet es beim Walzen von Blechen Anwendung, wobei
[710]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.

Figure 148. Fig. 195.


nach jedem Durchgange der Tafel eine Näherstellung der glatten (nicht
kalibrirten) Walzen bewirkt wird, um bei abermaligem Durchgange
eine fernere Querschnittsverdünnung herbeizuführen. Nur in Ausnahme-
fällen findet sich diese Einrichtung bei Kaliberwalzen; und aus nahe
liegenden Gründen ist sie hier auch nur da anwendbar, wo lediglich eine
erste, ganz rohe Formgebung beabsichtigt ist (amerikanische Block-
walzwerke zur Verdichtung von Flusseisenblöcken).


Ein zwar älteres Blechwalzwerk, dessen Einrichtung jedoch im
Wesentlichen keine erheblichen Unterschiede gegenüber der Einrichtung
der neueren Walzwerke mit Gewichtsausgleichung der Oberwalze er-
kennen lässt, ist in Fig. 195 und 196 abgebildet. Die Einrichtung
[711]Walzwerke. Die Walzenständer nebst Zubehör.

Figure 149. Fig. 196.


[712]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.
des Ständers an und für sich ist die nämliche wie bei den Walzwerken
ohne Gewichtsausgleichung; er besteht aus einem starken Gusseisen-
rahmen, in dessen Kopfe die Schraubenmutter der Druckschraube ein-
gelassen ist. Das Lager der Oberwalze aber wird von zwei Stahl-
stangen getragen, welche, durch Bohrungen des Ständerfusses hin-
durchgehend, unten durch ein Querhaupt verbunden sind, und ver-
mittelst desselben auf das kürzere Ende eines ungleicharmigen Hebels
b b1c c1 drücken, an dessen längerem Ende ein Gegengewicht hängt.
Für jedes Ständerpaar sind demnach zwei Hebel erforderlich, deren
jeder die zwei Stangen eines Lagers trägt. Gewöhnlich belastet man
jeden dieser beiden Hebel selbstständig; bei dem abgebildeten Walz-
gerüste dient ein gemeinsames Gegengewicht zur Belastung beider
Hebel, welche durch Zugstangen mit demselben verbunden sind.


Damit eine leichte Regelung der Belastung möglich sei, besteht
das Gegengewicht aus einzelnen kreisrunden Gusseisenscheiben mit
je einem radialen Schlitze, welcher es gestattet, die Scheiben über
die zum Tragen dienende Stange überzuschieben und wieder abzu-
nehmen.


Bei einem derartigen Walzwerke ist es nun natürlicherweise von
grosser Wichtigkeit, dass die Verstellung beider Zapfen der Oberwalze
stets ganz gleichmässig erfolge, und die horizontale Lage derselben
unverändert bleibe. Aus diesem Grunde ist es nothwendig, eine Vor-
richtung anzuordnen, mit deren Hilfe beide Druckschrauben gleich-
zeitig ihre Verstellung um genau dasselbe Maass erhalten. Zu diesem
Zwecke sind auf den oberen Enden derselben Schneckenräder g g
(Fig. 195) befestigt, welche durch zwei auf einer gemeinschaftlichen
horizontalen Welle befindliche Schnecken oder Schrauben in der einen
oder andern Richtung gedreht werden können. Die Welle wird von
Hand mit Hilfe des an dem Ende befestigten Rades h (Fig. 196) ge-
dreht. Auch Winkelräder statt der Schneckenräder hätten zur Be-
wegungsübertragung von der Welle aus dienen können und sind bei
neueren Walzwerken noch häufiger als diese in Anwendung, da sie
bei starkem Drucke ein selbstthätiges Zurückdrehen ermöglichen und
daher die Gefahr eines Zapfenbruches der Walze vermindern (vergl.
unten die Abbildung Fig. 197). Die Lager der horizontalen Welle
müssen natürlicherweise, damit die Bewegungsübertragung in jedem
Höhenstande der Druckschrauben stattfinde, mit diesen gehoben und
gesenkt werden. Bei dem abgebildeten Walzwerke ist dieser Zweck
dadurch erreicht, dass man sie auf einer gemeinschaftlichen Guss-
eisenplatte befestigte, welche über die cylindrisch gedrehten Köpfe der
Druckschrauben übergeschoben wurde.


Jene in Fig. 189 auf S. 706 dargestellte Lagerung der Oberwalze
zur Abminderung der Zapfenreibung bei starkem Drucke lässt sich
selbstverständlich auch bei Walzenständern mit Gewichtsausgleichung
der Oberwalze ebenso gut und mit gleichem Vortheile als in jenem
ersteren Falle anwenden. An die Stelle der Hängebolzen zum Auf-
hängen des Oberlagers treten bei entlasteter Walze die oben besproche-
nen, von Hebeln getragenen Stangen, welche von unten her das Ober-
lager tragen.


[713]Walzwerke. Die Walzenständer nebst Zubehör.

Auch auf Triowalzwerke hat man das System der Gewichtsaus-
gleichung der Oberwalze ausgedehnt. Ein derartiges, von Lauth
construirtes Trioblechwalzwerk, welches seit Anfang der siebenziger
Jahre auf verschiedenen Eisenwerken Anwendung gefunden hat, ist in
Fig. 197—199 in 1/64 der wirklichen Grösse dargestellt. Die Oberwalze
ist in ganz derselben Weise, wie bei dem oben beschriebenen Walz-
werke, durch Anordnung senkrechter Tragstangen und Hebel mit
Gegengewichten entlastet; die Mittelwalze wird entweder durch das
Walzstück selbst gehoben, wenn es zwischen Unter- und Mittelwalze

Figure 150. Fig. 197.


hindurchgeht; oder die Lager derselben hängen an Seilen, mit denen
sie emporgezogen werden. Erstere einfachere Einrichtung ist die üb-
lichere, selbstverständlich aber nur bei kleinen Walzwerken anwendbar.
In jedem Falle muss das Gewicht der Mittelwalze möglichst gering
sein, theils damit das Anheben möglich sei, theils auch, damit sie
nicht mit allzu heftigem Stosse auf die Unterwalze niederfalle, wenn
das Walzstück hindurch gegangen ist. Man giebt ihr also einen wesent-
Ledebur, Handbuch. 46
[714]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.
lich kleineren Durchmesser als der Ober- und Unterwalze, befördert
aber freilich dadurch die stärkere Erhitzung und Abnutzung.


Die Mittelwalze dieses Lauth’schen Walzwerkes ist stets Schlepp-
walze und wird durch die Reibung des Arbeitsstückes mitgenommen.
Geht das letztere zwischen Unter- und Mittelwalze hindurch, so wird
der Druck durch Mittel- und Oberwalze, welche dicht auf einander

Figure 151. Fig. 198.


liegen, auf die Druckschrauben übertragen; beim Hindurchgehen zwi-
schen Mittel- und Oberwalze ruht die Mittelwalze auf der Unterwalze
und pflanzt auf diese den Druck fort. Bei grösseren derartigen Walz-
werken kuppelt man die Ober- und Unterwalze mit dem oberen und
unteren dreier im Eingriff stehender Getriebe; bei kleineren Walz-
werken, wie dem in der Abbildung dargestellten, lässt man die Getriebe
ganz fehlen, kuppelt die Unterwalze mit der Antriebswelle der Betriebs-
[715]Walzwerke. Die Walzenständer nebst Zubehör.
maschine, und lässt auch die obere Walze als Schleppwalze laufen.
Beim Hindurchgehen des Walzstückes zwischen Mittel- und Oberwalze
muss also die erstere durch die Reibung der Unterwalze mitgenommen
werden, um die solcherart empfangene Bewegung auf das Walzstück
zu übertragen.


Unter den schon oben kurz erwähnten amerikanischen Triowalz-
werken mit verstellbaren Kalibern zum Verdichten der Flusseisenblöcke
lassen sich zwei verschiedene Systeme unterscheiden.


Bei dem Fritz’schen Walzwerk sind die Ober- und die Unter-
walze durch Gegengewichte in derselben Weise wie die Oberwalze der
soeben besprochenen Walzwerke entlastet; das Getriebe der festliegen-

Figure 152. Fig. 199.


den Mittelwalze ist mit der Antriebswelle gekuppelt. Die Verstellung
der Oberwalze erfolgt in der nämlichen Weise, wie bei gewöhnlichen
Blechwalzwerken, d. h. vermittelst je einer Druckschraube oberhalb
jedes Zapfens, deren Mutter in dem Ständerkopfe befestigt ist; eine
eben solche Druckschraube nun geht durch den Ständerfuss nach unten
und ermöglicht die Verstellung der Unterwalze. 1)


Bei dem Holley’schen Walzwerke dagegen liegen die Ober- und
die Unterwalze fest, die mittlere Walze wird verstellt. Zu diesem
Zwecke hängt das Lager derselben an zwei Bolzen mit Schrauben-
gewinden, deren Muttern in dem Lager befestigt sind. Eine Drehung
der Bolzen in der einen oder andern Richtung bewirkt Höher- oder
Niedrigerstellung. Auf den Köpfen der Bolzen sind Getriebe befestigt,
46*
[716]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.
und ein Paar gekuppelter paralleler Zahnstangen, von einem horizontal
liegenden hydraulischen Cylinder aus bewegt, bewirkt die gleichzeitige
Drehung sämmtlicher zu einem Walzgerüste gehöriger vier Bolzen. 1)


Walztische, Abstreif- und Ueberhebvorrichtungen.

Die in der Ueberschrift genannten Vorrichtungen haben theils den
Zweck, das Einlassen des Walzstückes zwischen die Walzen zu er-
leichtern, also eine Unterstützung und — bei Kaliberwalzen — eine
Führung für dasselbe zu bilden, theils sollen sie das herauskommende
Walzstück aufnehmen und insbesondere das Umwickeln desselben um
eine der Walzen verhindern, und endlich — bei schweren Walzstücken
— dienen sie dazu, das Walzstück auf die Höhe der Oberkante der
Oberwalze bei Duowalzwerken, der Mittelwalze bei Triowalzen zu heben,
um das Zurückgeben desselben zu ermöglichen.


Zur Unterstützung des hineingehenden wie herauskommenden Walz-
stückes dienen die Walztische, Eisenplatten, deren Oberkante annähernd
tangential gegen die Oberkante der Unterwalze gerichtet ist. Zu ihrer
Unterstützung dienen Stäbe, welche in den früher erwähnten Nuthen
der Walzenständer (b bei Fig. 185 und 188) befestigt werden. Bei dem
Walzenständer Fig. 196 auf S. 711 ist rechts der zum Einlassen der
Bleche dienende Walztisch (l), links, punktirt gezeichnet, der zur Auf-
nahme der herauskommenden Bleche bestimmte Tisch (m).


Kommt es darauf an, dass das Walzstück ganz genau einem be-
stimmten Kaliber zugeführt werde (besonders bei Feineisenwalzen), so
bringt man vor den Kalibern Einlässe in Form von Rinnen oder
Büchsen an, welche ebenfalls an den Stäben vor den Walzen befestigt
werden.


Durch die Reibung an der Walzenoberfläche bekommt das Walz-
stück leicht die Neigung, sich aufzuwickeln. Ein solcher Vorgang aber
würde nicht allein eine Beschädigung des Walzstückes nach sich ziehen,
sondern unter Umständen ein Zerbrechen der Walze zur Folge haben
können. Es ist klar, dass dieses Aufwickeln leichter bei Kaliberwalzen
als bei glatten Walzen (Blechwalzen) eintreten wird, leichter bei tief
eingeschnittenen Kalibern mit steilen Wänden als bei flachen.


Um zunächst die Gefahr des Aufwickelns auf die Unterwalze zu
beschränken, wo die Vorrichtungen zur Vermeidung desselben am
leichtesten anzubringen sind, befolgt man die Regel, der oberen Walze
— sowohl bei Blech- als bei Kaliberwalzen — einen etwas grösseren
Durchmesser als der unteren zu geben. Die Streckung an der oberen
Seite wird dadurch etwas grösser, das Walzstück wird nach unten ge-
krümmt. 2) Zur Verhütung des Aufwickelns dienen Abstreifplatten oder
— bei Kaliberwalzen — auch einzelne Stäbe (Abstreifmeissel), welche,
mit dem einen Ende auf den mehrfach erwähnten Längsstäben auf-
ruhend, mit dem andern, meisselartig zugeschärften Ende sich gegen
[717]Die Walzwerke und ihre Theile.
den Walzenumfang anlegen, so dass das herauskommende Walzstück
buchstäblich abgestreift wird. Bei dem Walzwerke Fig. 196 ist links
die Anordnung dieser Abstreifplatte, welche hier zugleich den Tisch
für das herauskommende Walzstück bildet, deutlich zu erkennen.


Das zwischen den Walzen herauskommende Walzstück muss nun,
so lange das Walzen noch fortgesetzt werden soll, emporgehoben werden,
um bei Duowalzwerken über die Oberwalze zurückgegeben, bei Trio-
walzwerken zwischen Mittel- und Oberwalze zurückgewalzt zu werden.
Leichte Walzstücke lassen sich von Hand emporheben; bei mittel-
schweren benutzt man wohl eine Einrichtung, wie sie in Fig. 183 auf
S. 701 dargestellt ist. Ein eiserner Hebel hängt an einer Kette und
dient zum Ergreifen und Anheben des Walzstückes; die Kette aber
ist an einer Rolle befestigt, welche auf einer in der Höhe angebrachten
Schiene läuft und sich leicht nach jeder beliebigen Stelle des Walz-
werkes bewegen lässt.


Für schwere Walzstücke jedoch, insbesondere auch für lange und
breite Bleche, reicht eine derartige Vorrichtung nicht aus. Man benutzt
hier bewegliche Walztische, welche das ganze Walzstück aufnehmen
und emporheben. Die Abbildungen des Lauth’schen Walzwerkes
Fig. 198 und 199 auf S. 714 u. 715 zeigen einen derartigen Walztisch
der einfachsten Art. Derselbe ist gitterartig aus Eisenstäben zusammen-
gesetzt, und zwischen den Stäben sind Rollen eingelassen, deren Ober-
kante ein wenig über die Stäbe hervorragt, so dass das Walzstück
auf ihnen gleitet. Die beiden äussersten Glieder des Gitters sind weit
nach rückwärts verlängert und ruhen hier mit horizontalen Zapfen in
Lagern. Die Bewegung des Walztisches kann, wenn das Gewicht des-
selben gering ist, auf die in Fig. 198 skizzirte Art und Weise ge-
schehen, d. h. von Hand mit Hilfe zweier gekuppelter Hebel, an
welchen der Tisch in Ketten hängt; schwerere Walztische dagegen
erfordern eine maschinelle Vorrichtung zum Heben. Häufig dient ein
Dampfcylinder hierfür, welcher entweder vertieft unterhalb des Tisches
oder in der Höhe angebracht und dessen Kolbenstange mit dem Ende
des Tisches verbunden ist; mitunter auch benutzt man hydraulischen
Druck; seltener lässt man vom Walzwerke selbst aus durch Frictions-
scheiben mit Seil die Bewegung ausführen, eine Vorrichtung, die zwar
den Vortheil der Einfachheit für sich hat, bei welcher aber der Seil-
verbrauch sehr bedeutend zu sein pflegt.


Ist das Gewicht des Walzstückes einigermaassen bedeutend, so pflegt
man statt des einen Walztisches deren zwei (am beiden Seiten der
Walzen) anzuordnen, welche gleichzeitig gehoben und gesenkt werden.
Man vermeidet hierdurch die Stösse, welche das zwischen Ober- und
Mittelwalze oder — bei Duowalzwerken — über die Oberwalze zurück-
kommende Walzstück bei seinem Niederfallen verursachen würde, und
die Beschädigungen, welche es bei diesem Niederfallen erleiden könnte.
Die Bewegung beider Walztische lässt sich ohne Schwierigkeit mit
Hilfe einer und derselben Vorrichtung bewirken.


Bei den schon oben (S. 715) erwähnten amerikanischen Block-
walzwerken hat man Walztische angebracht, welche eine selbstthätige
Bewegung der zu verdichtenden Flusseisenblöcke ermöglichen. Die
Rollen dieser Tische nehmen die ganze Breite derselben ein und tragen
[718]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.
an dem einen Ende je ein Getriebe; durch Vermittelung je eines
Zwischengetriebes zwischen den Getrieben zweier benachbarten Rollen
erhalten dieselben sämmtlich Drehung nach der gleichen Richtung,
sobald nur eine derselben gedreht wird. Die den Walzen zunächst
gelegene Rolle ist nun zugleich mit einer Frictionsscheibe verbunden
und an dem Walzenständer sind zwei andere Frictionsscheiben über
einander, den beiden Stellungen des Walzentisches entsprechend, ge-
lagert, welche sich in entgegengesetzter Richtung drehen und durch
einen Hebel leicht gegen die Frictionsscheibe des Tisches gedrückt
werden können. Die Rollen des letzteren werden demnach auch ver-
schiedene Drehung erhalten, je nachdem sie in der oberen oder unteren
Stellung des Tisches ihren Antrieb erhalten, d. h. je nachdem das Walz-
stück die Walzen verlässt oder hineingeführt werden soll. Die Ein-
richtung ist ziemlich complicirt; beim Herauskommen aber wird das
Walzstück durch die Walzen selbst ausreichend weit fortgeschoben, so
dass jene selbstthätige Bewegung hier wenigstens entbehrlich sein
dürfte. 1)


Kupplungen.

Dieselben bestehen aus den Kupplungsmuffen und den zwischen
den gegenüberstehenden Zapfen der zu kuppelnden Walzen oder Ge-
triebe eingeschalteten Kupplungsspindeln. Der Zweck der letzteren
wurde schon früher erwähnt: sie sollen den durch das hindurchgehende
Walzstück in Anspruch genommenen Walzen, insbesondere der Ober-
und Mittelwalze, eine gewisse Beweglichkeit in der Höhenrichtung ge-
statten, ohne dass die Nachbarwalze oder gar die Getriebe dadurch in
Mitleidenschaft gezogen würden. Dieser Zweck lässt sich nur erreichen,
wenn die Kupplungsspindeln sowie die Kupplungszapfen der Walzen
innerhalb der Muffen einen gewissen Spielraum finden, d. h. nicht allzu
dicht von denselben umschlossen werden; anderntheils ist eine grosse
Länge der Spindeln förderlich hierbei, da jede Veränderung in der
Höhenlage einer Walze offenbar die Richtung der Spindel um so weniger
bemerkbar beeinflussen wird, je länger die letztere ist.


In jedem Falle muss die Länge der Kupplungsspindeln mindestens
doppelt so gross sein als die Länge der Kupplungsmuffen, damit die
beiden zu einer Kupplung gehörenden Muffen gemeinschaftlich auf die
Spindel geschoben und mit dieser zwischen den Zapfen herausgenommen
werden können. Nach Hauer soll die Länge der Spindeln das 15 bis
20 fache der Höhe betragen, auf welche die Walzen gehoben werden;
daher ist sie bei groben Blechwalzwerken am bedeutendsten und be-
trägt hier bisweilen einige Meter, während sie bei Feineisenwalzwerken
mitunter nicht 0.5 m erreicht.


Die Länge der Muffen soll gleich der doppelten Länge der Kupp-
lungszapfen 2) plus 10—20 mm sein.


[719]Die Walzwerke und ihre Theile.

Den Muffen pflegt man äusserlich kreisrunde Form zu geben; der
Querschnitt der Oeffnung muss natürlich der Querschnittsform der Zapfen
und Spindeln entsprechen und nur — aus dem schon angeführten
Grunde — etwas grösser im Durchmesser als
dieser sein. Fig. 200 zeigt als Beispiel, wie sich
eine passende Querschnittsform construiren lässt,
damit die Hebung der Walzen in jedem Stande
der sich drehenden Wellen möglich sei. 1)


Die geringste Wandstärke der Muffe beträgt
durchschnittlich ¼ des grössten Durchmessers der
Kupplungsspindeln.


In der Mitte giebt man den Kupplungsspin-
deln häufig einen etwas geringeren Durchmesser
als an den Enden, wo sie in den Muffen stecken
(vergl. Fig. 183). Man lenkt dadurch die Gefahr

Figure 153. Fig. 200.


eines Abbrechens bei starken Widerständen oder Stössen von den
Kupplungszapfen der kostspieligen Walzen ab und auf die Spindeln,
welche ohne erhebliche Kosten und rasch zu ersetzen sind.


Die Getriebe oder Kammwalzen nebst Ständern.

In Rücksicht auf die beträchtlichen Stösse, welche vom Walzwerke
ausgehen, müssen die Zähne der Getriebe ausnahmsweise kräftig con-
struirt sein; man wählt daher die Zahl der Zähne für einen vorge-
schriebenen Theilkreisdurchmesser so gering, als es irgend möglich ist,
ohne den Eingriff zu benachtheiligen und giebt ihnen eine beträcht-
lichere Länge (in der Achsenrichtung des Walzwerkes) als bei gewöhn-
lichen Getrieben. Zur Verstärkung der Zähne werden an beiden Seiten
Scheiben angegossen (vergl. Fig. 183) und wenn die Länge der Zähne
sehr gross ist, werden sie nicht selten auch in der Mitte ihrer Länge
durch eine dritte Scheibe verstärkt, welche das Getriebe in zwei Hälften
theilt (vergl. Fig. 201). Sämmtliche Scheiben werden nach dem Theil-
kreisdurchmesser abgedreht, so dass
die Scheiben der in einander greifen-
den Getriebe auf einander laufen.


Bei neueren Walzwerken wendet
man vielfach Getriebe mit Winkel-
zähnen an (Fig. 201), welche zwar
etwas kostspieliger in der Herstellung,

Figure 154. Fig. 201.


dem Abbrechen der Zähne aber weniger als bei der gewöhnlichen Zahn-
form unterworfen sind.


Man giesst die Getriebe aus Gusseisen, Gussstahl oder mitunter
aus Bronze. Grössere Getriebe werden zweckmässigerweise in zwei
Stücken gefertigt, dem Zahnkranze und der Achse mit den Lauf- und
Kupplungszapfen. Beide Stücke werden genau aus- beziehentlich abge-
dreht, über einander geschoben und mit Nuth und Feder befestigt.


Die Ständer für die Getriebe versieht man, abweichend von den
Walzenständern, mit einem aufgeschraubten Deckel, statt sie in einem
[720]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.
Stücke zu giessen, wodurch das Einlegen der Getriebe erleichtert wird.
Im Uebrigen pflegen sie in ihrer äusseren Form den Walzenständern
ähnlich zu sein. Druckschrauben kommen selbstverständlich nicht zur
Anwendung, da die Lage der Getriebe unverändert bleibt.


Das Schwungrad.

Dasselbe soll die während des Leerganges von der Betriebs-
maschine überschüssig geleistete Arbeit ansammeln, um sie während des
Durchganges des Walzstückes nutzbar zu machen. Je schwerer das
Schwungrad und je länger jene Pausen sind, während welcher die
Walzen leergehen, desto schwächer kann die Betriebsmaschine sein;
anderntheils wird auch das erforderliche Gewicht des Schwungrades
mit der Grösse der überhaupt aufzuwendenden Arbeit für das Walzen
zunehmen müssen. Bei einem kleinen Walzwerke würde ein allzu
schweres Schwungrad den Arbeitsverlust durch Zapfenreibung unver-
hältnissmässig vergrössern. Selten jedoch beträgt — auch bei Walz-
werken für feinere Eisensorten — das Schwungradgewicht weniger als
15 t; bei gröberen Walzwerken steigt es auf 30 t; neuere, rasch lau-
fende Schienenwalzwerke haben Schwungräder bis zu 50 t Gewicht.


Sohlplatten und Fundament.

Die Walzenständer sowohl als die Getriebeständer werden auf
starken gusseisernen Sohlplatten in solcher Weise befestigt, dass eine
Verschiebung in der Achsenrichtung der Walzen ohne grosse Schwierig-
keit möglich ist, wenn Walzen von anderer Länge eingelegt werden
sollen. Die Sohlplatten sind rahmenartig geformt; die üblichste Art
und Weise der Befestigung der Ständer auf denselben ist diejenige, wie
sie die Abbildungen Fig. 190, S. 707 und Fig. 196, S. 711 erkennen
lassen. Zwischen den aufwärts gerichteten, kräftig geformten Rippen,
welche die Ständer der Sohlplatte an den Langseiten bilden, werden
die Ständer mit hölzernen und eisernen Einlegestücken verkeilt. Dass
der Fuss der Ständer an der Unterseite, sowie die Oberfläche der Sohl-
platte mit gehobelten, gut auf einander schliessenden Arbeitsleisten ver-
sehen werden müsse (vergl. Fig. 190), wurde schon früher erwähnt.


Eine andere, vornehmlich bei neueren Walzwerken zur Anwen-
dung gekommene Befestigung der Ständer auf der Sohlplatte zeigt
Fig. 193, S. 709. Schraubenbolzen, welche in den Schlitzen der auf
die Sohlplatte aufgegossenen Rippen verschiebbar sind, stellen die Ver-
bindung her.


Die Sohlplatte wird mit kräftigen Ankerschrauben auf einem in
Cement gemauerten Steinfundamente befestigt. Holzfundamente, welche
in früherer Zeit vielfach angewendet wurden, sind nicht mehr üblich,
da sie einer raschen Zerstörung unterworfen zu sein pflegen. In
Fig. 196 ist die Fundamentirung eines Walzenständers erkennbar.


c) Kehrwalzwerke.

Die Arbeit des Anhebens des Walzstückes auf die Oberkante der
Mittelwalze bei Triowalzwerken, der Oberwalze bei Duowalzwerken,
[721]Kehrwalzwerke.
um es auf die andere Seite des Walzwerkes zurückzugeben, lässt sich
vermeiden, wenn man den Walzen, sobald das Walzstück dieselben
verlassen hat, eine entgegengesetzte Drehung ertheilt, so dass nun-
mehr auch das Walzstück in umgekehrter Richtung als zuvor zwischen
ihnen hindurchgeführt werden kann. Derartige Walzwerke mit abwech-
selnder Bewegungsrichtung heissen Kehr- oder Reversirwalzwerke.


Diese Kehrwalzwerke vermeiden zugleich den Nachtheil des mit
dem leeren Rückgange bei Duowalzwerken verknüpften Zeitverlustes,
sowie der ungleichen Abnutzung der Walzen bei Triowalzwerken. Sie
würden dieser Vortheile halber ungleich häufiger in Anwendung sein
als es der Fall ist, wenn nicht mit der Umkehr der Bewegung auch
ein erhöhter Arbeitsverbrauch verknüpft wäre. In den sich drehenden
Theilen des Walzwerkes ist eine beträchtliche lebendige Kraft ent-
halten, welche bei dem plötzlichen Stillstande vernichtet und bei dem
Beginne der entgegengesetzten Drehung von Neuem erzeugt werden
muss. Eine Umsteuerung des Schwungrades aber würde der eigent-
lichen Bestimmung desselben geradezu widersprechen; ohne sehr lange
Pausen zwischen den einzelnen Durchgängen würde dieselbe überhaupt
unausführbar sein.


Nun lässt sich allerdings eine Einrichtung treffen, welche eine
Umsteuerung des Walzwerkes ermöglicht, ohne dass auch das Schwungrad
seine Bewegung ändert. Die Skizze Fig. 202 auf S. 722 lässt den Grundsatz
einer solchen Anordnung erkennen. Auf der rechts sichtbaren Schwung-
radwelle sitzt das kleine Getriebe B im Eingriffe mit dem grösseren C.
Von hier aus kann nun die Bewegung in zweierlei Weise auf die
Triebwelle des Walzwerkes fortgepflanzt werden; erstens mit einmaliger
Uebersetzung vermittelst des mit C im Eingriffe stehenden Rades E;
zweitens mit zweimaliger Uebersetzung durch die Räder G H J. Offen-
bar laufen die beiden Räder E und J in entgegengesetzter Richtung;
und so wird die Welle F in verschiedener Richtung sich drehen, je
nachdem die Bewegungsübertragung durch das eine oder andere dieser
Räder erfolgt. Damit die entgegengesetzte Drehung der genannten
Räder überhaupt möglich sei, müssen sie lose auf ihrer Welle sitzen
und es kommt also darauf an, abwechselnd das eine und das andere
so mit der Welle zu kuppeln, dass dieselbe nunmehr die Bewegung
des Rades annimmt, während das zweite Rad unverändert in seiner
Drehungsrichtung beharrt. Zu diesem Zwecke sind Klauen K K an
den Naben beider Räder angegossen und zwischen denselben sitzt, auf
der Welle durch Nuth und Feder verschiebbar befestigt, die Klauen-
muffe L, welche vermittelst eines langen Hebels M sowohl nach links
als rechts verschoben und hierdurch mit einer der beiden Klauen K in
Eingriff gebracht werden kann. Da die Triebwelle F mit der Muffe L
durch eine Feder verbunden ist, also auch jede Drehung derselben
mitmachen muss, so wird sie sofort in der Richtung des betreffenden
Rades sich drehen, sobald Einrückung erfolgt ist; beim Ausrücken
tritt Stillstand ein, beim Einrücken in das zweite Rad entgegengesetzte
Drehung.


Durch eine derartige Umsteuerungsvorrichtung würde also der Haupt-
nachtheil aller Kehrwalzwerke, der Verlust an geleisteter mechanischer
Arbeit, auf ein geringes Maass beschränkt werden; der praktischen
[722]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.
Anwendung dieser Einrichtung aber stellt sich die Schwierigkeit ent-
gegen, eine Kupplung herzustellen, welche den heftigen Stössen beim
Einrücken den nöthigen Widerstand entgegensetzt. Klauenkupplungen
der abgebildeten Art, welche in früherer Zeit hierfür benutzt wurden,
erwiesen sich auch in den stärksten Abmessungen nicht als zuverlässig
genug. Günstiger verhalten sich Frictionskupplungen, welche den Vor-
theil eines allmählichen Eingriffes besitzen; die Schwierigkeit bei Be-
nutzung derselben liegt aber in der Herstellung jenes hohen Druckes,
wie er zur Uebertragung der bedeutenden Arbeitsleistung eines Walz-
werkes durch Friction erforderlich ist. Auf einigen englischen Walz-

Figure 155. Fig. 202.


werken wendet man für diesen Zweck hydraulischen Druck an und
führt das Druckwasser in der hohlen Kupplungswelle den Frictions-
scheiben zu. Eine ausgedehntere Anwendung hat diese etwas compli-
cirte Einrichtung bislang nicht gefunden. 1)


Es bleibt noch ein zweiter Ausweg zur Vermeidung einer Um-
steuerung des Schwungrades: Anlage eines Walzwerkes ohne Schwung-
rad mit Umsteuerung der Betriebsmaschine.


Thatsächlich ist dieser Weg der bei Anlage von Kehrwalzwerken
am häufigsten betretene in Rücksicht auf die unleugbaren Schwächen,
welche die soeben geschilderte Einrichtung eines Kehrwalzwerkes mit
[723]Walzwerke. Die Kalibrirung der Walzen.
Schwungrad besitzt. Die Betriebsmaschine hat bei einem solchen Walz-
werke nunmehr die volle Arbeit beim Durchgange des Walzstückes zu
liefern und muss dementsprechend bedeutend kräftiger als bei einem
Walzwerke mit Schwungrad gebaut sein, ihre Anlagekosten sind höher,
der Verbrauch an Elementarkraft (Dampf, Wasser) ist beträchtlicher.


Aus diesen Gründen pflegt man die Anwendung der Kehrwalz-
werke auf diejenigen Fälle zu beschränken, wo schwere Arbeitsstücke,
insbesondere Bleche, gewalzt werden, deren Anheben und Zurück-
geben nicht ohne umfangreiche maschinelle Vorrichtungen und ohne
grossen Zeitverlust zu ermöglichen sein würde.


Benutzt man, wie gewöhnlich, Dampfkraft für den Betrieb eines
solchen Kehrwalzwerkes ohne Schwungrad, so ist eine Zwillingsmaschine
erforderlich, deren Kurbeln unter rechtem Winkel gegen einander ge-
stellt sind. Expansion ist nur in beschränktem Maasse anwendbar,
damit nicht die Umsteuerung an bestimmte Kurbelstellungen gebunden
sei; auch hierdurch wird der Dampfverbrauch verhältnissmässig hoch.


d) Die Kalibrirung der Walzen.

Von der zweckmässig gewählten Form der Kaliber (S. 697) hängt
zum grossen Theile die Leistung des Walzwerkes sowohl in qualitativer
als quantitativer Beziehung ab; und die Kalibrirung der Eisenwalzen
ist daher eine Aufgabe von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit.


Kaliber, welche gleichmässig auf Ober- und Unterwalze vertheilt
sind, so dass jede der letzteren eine Hälfte des Kalibers als furchen-
artigen Einschnitt enthält (wie bei den rechts befindlichen Walzen in
Fig. 183, S. 701) nennt man offene; tritt dagegen die Oberwalze mit
einem vorspringenden Rande in die Furche der Unterwalze, wie bei
den linksseitigen Walzen der genannten Abbildung, so heisst das Kaliber
geschlossen. Geschlossene Kaliber, bei denen die Furche in der
Oberwalze, der Rand in der Unterwalze liegt, kommen nur ausnahms-
weise vor, da es aus schon früher erörterten Gründen in allen Fällen
wünschenswerth ist, dass der Durchmesser der Oberwalze innerhalb
des Kalibers grösser sei als der der Unterwalze.


Je zwei benachbarte Kaliber sind durch einen dazwischen liegen-
den Rand oder Ring getrennt. Man pflegt demselben 10—25 mm Breite
zu geben. Je breiter die Ringe sind, desto mehr Walzenlänge geht
für die Benutzung zu Kalibern verloren; sehr schmale Ringe dagegen
brechen leichter aus.


In allen Fällen muss das Arbeitsstück, um verdichtet zu werden
und eine bestimmte Endform zu erhalten, nach einander verschiedene
Kaliber durcheilen, deren Querschnitt für jeden neuen Durchgang
kleiner ist. Der Querschnitt des letzten oder Endkalibers entspricht
dem Querschnitte des fertigen Stabes; von hier bis zum ersten Kaliber
aufwärts bilden sämmtliche Kaliber eine zusammenhängende Reihe mit
allmählichen Uebergängen sowohl der Querschnittsgrösse als Quer-
schnittsform.


Je allmählicher diese Uebergänge stattfinden, desto mehr Kaliber
sind für eine und dieselbe Endform erforderlich, desto länger ist die
Zeitdauer des Auswalzens, desto mehr kühlt das Walzstück während
[724]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.
der Arbeit ab, und desto öfter muss es unter Umständen neu erhitzt
werden; raschere Uebergänge tragen zur Beschleunigung der Arbeit
bei, machen aber eine höhere Leistung der Betriebsmaschine erforder-
lich und vergrössern die Gefahr einer Beschädigung des Walzstückes
unter dem Einflusse eines allzu starken Streckens.


Je mehr Eisensorten von verschiedenen Querschnittsformen auf
einem und demselben Eisenwerke gefertigt werden, und je mehr Kaliber
für eine und dieselbe Endform erforderlich sind, desto grösser ist natür-
licherweise der Bedarf an Walzen. Nicht selten aber lassen sich gleiche
Anfangskaliber für verschiedene, wenn auch ähnliche Endformen be-
nutzen. Indem man nun bei einer Walzstrecke mit zwei oder mehreren
Walzgerüsten die Kaliber so vertheilt, dass die Walzen des einen Ge-
rüstes, die Vorwalzen, nur Anfangskaliber, für mehrere Endformen
brauchbar, die Walzen des zweiten Gerüstes, die Fertigwalzen, nur
die letzten, für eine einzige Endform benutzbaren Kaliber enthalten,
erlangt man verschiedene Vortheile. Man kommt weniger häufig in die
Nothwendigkeit, die Walzen auswechseln zu müssen, theils weil die
Vorwalzen ohnehin für verschiedene Zwecke brauchbar sind, theils auch,
weil die Länge der Fertigwalzen häufig ausreichend gross ist, um nun-
mehr die Kaliber verschiedener Endformen aufzunehmen; und man
ermöglicht eine Beschleunigung der Arbeit, da nunmehr gleichzeitig
in den Vorwalzen und in den Fertigwalzen gearbeitet werden kann.


Eine horizontale Linie, durch die Mitte der Kaliber gelegt, nennt
man die Walzlinie. Da, wie schon erwähnt wurde, der Durch-
messer der oberen Walze innerhalb des Kalibers etwas grösser zu sein
pflegt als der der unteren, so legt man die Walzlinie entsprechend tiefer
als die Mittellinie zwischen beiden Walzenachsen. Bei offenen Kalibern
(wie auch bei Blechwalzen) pflegt der Unterschied 1½—3 mm zu be-
tragen, bei flachen geschlossenen Kalibern 2—8 mm, bei tief ein-
geschnittenen geschlossenen Kalibern liegt oft mehr als ⅔ der Kaliber-
höhe unter der Mittellinie, und der Abstand der letzteren über der
Walzlinie beträgt mitunter mehr als 25 mm.


Die stärkere Streckung, welche hierbei durch die obere Walze mit
grösserem Durchmesser und deshalb grösserer Umfangsgeschwindigkeit
ausgeübt wird, nennt man Oberdruck.


Die Querschnittsabnahme, welche das Walzstück beim Durchgange
durch ein Kaliber erfährt, nennt der Praktiker den Druck des Ka-
libers
. Das Verhältniss des Querschnittes eines nachfolgenden Kalibers
zu dem des vorausgegangenen heisst der Abnahmecoëfficient.


Die Wahl eines geeigneten Abnahmecoëfficienten ist begreiflicher-
weise von grösster Wichtigkeit für die Kalibrirung. Von der Grösse
desselben ist zunächst unmittelbar die Anzahl der Kaliber oder Stiche 1)
abhängig, welche das Walzstück im Ganzen zu durchlaufen hat, also
auch, wie schon oben hervorgehoben wurde, die Zeitdauer des Walzens,
die Höhe der Arbeitslöhne, die Anzahl der erforderlichen Erhitzungen.
[725]Walzwerke. Die Kalibrirung der Walzen.
Je grösser der Coëfficient ist, je geringer also der Druck, desto zahl-
reichere Kaliber sind erforderlich.


In der Praxis nun pflegt man bei der Construction der Kaliber
nicht einen bestimmten Abnahmecoëfficienten als maassgebend für die
Zahl der Kaliber anzunehmen, sondern man schlägt den umgekehrten
Weg ein: nach den bereits vorliegenden Erfahrungen mit ähnlichen
Profilen bestimmt man zunächst die Anzahl der erforderlichen Stiche
oder Kaliber, und aus dieser lässt sich dann leicht, da die Querschnitte
des ersten und letzten Kalibers gegeben sind, der durchschnittliche
Abnahmecoëfficient berechnen. Ist der Anfangsquerschnitt = H, der
Endquerschnitt = h und die Anzahl der Stiche = n, so ist der Ab-
nahmecoëfficient α = .


Je weicher, bildsamer das zu walzende Eisen, je grösser die
Arbeitsleistung der Maschine und je grösser die Umfangsgeschwindig-
keit der Walzen ist, je rascher also die letzteren strecken und je
weniger das Eisen während des Streckens abgekühlt wird, desto kleiner
kann der Abnahmecoëfficient, desto geringer die Anzahl der Kaliber
sein. Kohlenstoff- und schwefelarmes Schweisseisen erträgt starke Ab-
nahme, rothbrüchiges Eisen oder harter Stahl geringe.


In den meisten Fällen schwankt der Abnahmecoëfficient zwischen
0.7 und 0.9 und beträgt durchschnittlich bei der ganzen Reihe der zu
einander gehörigen Kaliber annähernd 0.8. Betrachtet man jedoch die
Abnahmecoëfficienten einer solchen Reihe einzeln, so zeigt sich, dass
dieselben keineswegs immer übereinstimmen. Bisweilen, wo die Kalibri-
rung rein empirisch vorgenommen wurde, bewegen sich jene Ab-
weichungen in ganz zufälligen, regellosen Schwankungen; in anderen
Fällen dagegen haben die stattfindenden Abweichungen ihre volle Be-
rechtigung und lassen eine gewisse Gesetzmässigkeit erkennen. In dem
ersten Kaliber ist das Walzstück am heissesten, am weichsten; je mehr
Kaliber es durchläuft, desto mehr wird es abgekühlt und desto härter
wird es, desto grösser ist also auch der erforderliche Arbeitsaufwand,
um den Stab durch das Kaliber hindurchzuführen. Dieser Umstand
könnte es mithin rechtfertigen, wenn der Abnahmecoëfficient stetig zu-,
der Druck der Kaliber stetig abnehme.


Andererseits giebt man, um einem Zerbrechen der Walze thun-
lichst vorzubeugen, den in der Mitte gelegenen Kalibern gern einen
etwas weniger starken Druck, also einen grösseren Abnahmecoëfficienten,
als denjenigen, welche in der Nähe der Walzenenden angeordnet sind.


Auf graphischem Wege kann man unschwer dahin gelangen, bei
Bemessung der Kaliberquerschnitte diesen Umständen Rechnung zu
tragen. In allen Fällen muss entweder die Anzahl der Stiche oder der
durchschnittliche Abnahmecoëfficient als gegeben betrachtet werden;
ferner ist die Grösse des ersten und des letzten Kaliberquerschnittes
gegeben. Unter der vorläufigen Annahme, dass der Abnahmecoëfficient
bei allen Kalibern unverändert bleibe, lässt sich alsdann leicht die
Grösse der einzelnen Kaliber berechnen. Trägt man nun die Anzahl der
erforderlichen Stiche als Abscisse, die Grösse der Kaliberquerschnitte
als Ordinaten eines rechtwinkligen Coordinatensystems auf, so erhält
[726]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.
man eine Curve, welche anfangs steil abfallend sich nach dem Ende
hin mehr und mehr verflacht.


Es verhalte sich z. B. der Querschnitt des Anfangskalibers für
irgend einen zu walzenden Stab zu dem des Endkalibers = 120 : 16.28,
und man habe sich für 12 anzuwendende Kaliber entschieden, so ist
der durchschnittliche Abnahmecoëfficient
± = = 0.847.1)


Berechnet man mit Hilfe desselben die Kaliberquerschnitte für den
Fall, dass der Abnahmecoëfficient unverändert bleibt, so erhält man
folgende Ziffern


  • 0 Stich   120.0
  • 1 „   101.37
  • 2 „   86.02
  • 3 „   61.67
  • 6 „   44.21
  • 8 „   31.69
  • 10 „   22.66
  • 12 „   16.28

und trägt man nun diese Werthe als Ordinaten ein, so erhält man die
in Fig. 203 als volle Linie verzeichnete Curve.


Hätte man in den ersten Kalibern in Rücksicht auf die höhere
Temperatur des Eisenstabes einen kleineren Coëfficienten (stärkeren Druck),
in den Endkalibern dagegen einen höheren Coëfficienten (schwächeren
Druck) als den mittleren gewählt, so würde man, wie leicht zu ermessen
ist, eine Curve erhalten haben, welche anfänglich steiler abfiel als die
gezeichnete, um später flacher als diese auszulaufen. Umgekehrt wird
man, wenn man zuvor eine derartige Curve entwirft, leicht die ent-
fallenden Querschnitte aus der Länge der Ordinaten abnehmen und die
jedesmaligen Abnahmecoëfficienten daraus berechnen können.


Läge andererseits die Aufgabe vor, die erforderlichen Kaliber auf
zwei Walzgerüste mit je 6 Stichen zu vertheilen, den in der Mitte der
Walzen gelegenen Kalibern aber einen geringeren, den an den Enden
gelegenen einen stärkeren Druck, als der mittlere ist, zu geben, so
würde sich eine Curve von der punktirt gezeichneten Form ergeben.
Diejenigen Kaliber, bei welchen die punktirte Linie am flachsten ist
(3 und 9), haben den grössten Abnahmecoëfficienten, d. h. geringsten
Druck und müssen in der Mitte der Walze liegen.


Bei der Construction der Kaliber ist vor Allem der Umstand
zu berücksichtigen, dass die Abnahme des Querschnittes nur in der
Höhenrichtung, niemals in der Breite stattfinden kann. Mit anderen
Worten: jedes Kaliber muss mindestens ebenso breit sein als das Walz-
stück, welches hindurchgehen soll; gewöhnlich nimmt man das Kaliber
etwas breiter, um die Entstehung eines allzu beträchtlichen Seiten-
druckes zu vermeiden. Ist dieser Seitendruck zu gross, so haftet nicht
[727]Walzwerke. Die Kalibrirung der Walzen.
allein das Metall fester an den Walzen, sondern es entstehen leicht
sogenannte Bärte durch das Hineindrücken des weichen Metalles in
die Fugen zwischen beiden Walzen, welche sich oft nur schwierig und
unvollkommen entfernen lassen. Je ausgiebigere Gelegenheit dem Eisen
zur Ausbreitung gegeben ist, je geringer der Seitendruck also ausfällt,
desto stärker kann die Abnahme der Höhenabmessung eines Kalibers

Figure 156. Fig. 203.


sein. Auf diesem Umstande beruht die beim Walzen feinerer Eisen-
sorten von quadratischem oder kreisrundem Querschnitte übliche Ein-
schaltung sogenannter Ovalkaliber [...], durch zwei flache Kreisbogen
begrenzt, welche bei starkem Höhendrucke eine fast unbegrenzte Aus-
breitung ermöglichen.


Jene Thatsache nun, dass eine Querschnittsabnahme nur in der
Höhenrichtung stattfinden kann, eine, wenn auch geringe Ausbreitung
in wagerechter Richtung dagegen nothwendig ist, führt eine stete Ver-
breiterung des Walzstückes herbei, sofern dasselbe stets in derselben
[728]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.
Lage durch die verschiedenen Kaliber geführt wird. Ist eine solche
Verbreiterung nicht beabsichtigt, so lässt sich Abhilfe schaffen, indem
man das Walzstück, nachdem es durch ein oder mehrere Kaliber hin-
durch gegangen ist, um 90 Grad dreht, so dass nunmehr in dem
folgenden Kaliber eine Verkleinerung derjenigen Abmessung herbei-
geführt wird, welche in dem vorausgehenden Kaliber verbreitert wurde.


Stäbe mit Profilen regelmässiger Form (Quadratstäbe, Rundstäbe),
welche auf geometrisch ähnliche Profile verkleinert werden sollen,
pflegt man nach jedem Durchgange um 90 Grad zu drehen. Jedes
folgende Kaliber erhält mindestens die Höhe des vorausgegangenen
zur Breite und eine dem Abnahmecoëfficienten entsprechende geringere
Höhe, hat also eine gedrückte Form; indem man den Stab durch
das letzte Kaliber zwei oder mehrere Male nach steter Drehung um
90 Grad hindurchführt, berichtigt man die anfänglich zu grosse Breite.

Figure 157. Fig. 204.


So z. B. lässt sich ein Rund-
eisenkaliber in folgender Weise
construiren. 1)C D und N O in
Fig. 204 sind Viertelkreisbogen,
deren Durchmesser C O gleich
dem Durchmesser des herzu-
stellenden Stabes ist. Mit der
Weite C D beschreibt man von
den Ecken C, D, N, O aus Bogen,
welche die Durchmesser C O
und D N schneiden, und in
den Durchschnittspunkten L
u. s. w. liegen nun die Mittel-
punkte für die Kreisbogen C I,
D K, I N, K O, welche die seit-
liche Begrenzung des Kalibers
bilden. In den Eckpunkten I
und K, wo die Fuge der bei-
den Walzen liegt, rundet man das Kaliber durch eine schwache Ver-
breiterung ein wenig aus, um die Walze vor Rissen zu schützen. Der
Durchmesser des einzuführenden Stabes darf, wie erwähnt, nicht grösser
sein als I K und nach einmaligem Durchgange wird derselbe um
90 Grad gedreht und nochmals hindurchgeführt, damit auch jene Ab-
messung auf den kleinsten Kaliberdurchmesser verringert werde.


In ähnlicher Weise werden sogenannte Spitzbogenkaliber Fig. 205
construirt, welche als Vorkaliber bei Verarbeitung des Schweisseisens
mannigfache Verwendung finden. Ist A B die Diagonale des zu walzen-
den Eisenblockes oder Packets, 7/8 der Abnahmecoëfficient, so nehme
man E F = E H = 7/8 A E und erhält hierdurch die Höhe des
Kalibers. Die begrenzenden Bogen lassen sich in folgender Weise
zeichnen. Mit dem Halbmesser F J = ¾ A B beschreibt man die
Kreisbogen A F, F B, B H und A H, worauf man, wie bei dem be-
sprochenen Rundkaliber, die Ecken mit einer schwachen Erweiterung
[]

[figure]

[][729]Walzwerke. Die Kalibrirung der Walzen.
abrundet. Sollen zwei oder mehr Spitzbogenkaliber auf einander folgen,
so erhält das folgende die Höhe des vorausgangenen zur Breite, also
E K = E F. Die Höhe E L
wird, sofern der frühere Ab-
nahmecoëfficient beibehalten
wird, = 7/8 E K; die Bogen
werden wie vorhin gezeichnet.


Aehnlich wie Spitzbogen-
kaliber, d. h. mit senkrecht
stehender Diagonale, wer-
den Quadrateisenkaliber con-
struirt. Die Höhe derselben
ist aus den erörterten Grün-
den etwas geringer als die
Breite; in Wirklichkeit be-
sitzen sie also die Form
eines Trapezes, dessen oberer
und unterer Winkel 92 bis
92½ Grad (statt 90 Grad)
beträgt.


Bei weniger symmetri-
schen Formen, deren Breite

Figure 158. Fig. 205.


grösser ist als die Dicke, ist ein solches Drehen des Walzstückes um
90 Grad nach jedem Durchgange natürlicherweise nicht erforderlich;
wohl aber schaltet man, wenn nach dem Hindurchgange durch mehrere
Kaliber die Ausbreitung allzu beträchtlich geworden sein sollte, ein
sogenanntes Stauchkaliber ein, dessen Zweck es ist, eine Zusammen-
drückung jener zu gross gewordenen Abmessung zu bewirken, nach-
dem das Walzstück um 90 Grad gedreht wurde. Dieser Fall tritt z. B.
bei Eisenbahnschienenwalzen ein, deren Kalibrirung bei Besprechung
der Anfertigung der Schienen ausführlicher erörtert werden wird, in
ihrer allgemeinen Anordnung bei Duowalzwerken jedoch durch die
Abbildungen Fig. 206 und 207 1) veranschaulicht werden kann. Fig. 206
sind die Vorwalzen, Fig. 207 die Fertigwalzen. Die Kaliber 3, 5 und 8
sind Stauchkaliber.


Die Kalibrirung der Walzen für Profile, welche an verschiedenen
Stellen sehr verschieden starke Querschnittsabmessungen besitzen, wird
durch den Umstand erschwert, dass die schwächeren Theile rascher
abkühlen als die stärkeren, dadurch härter werden und dem Zerreissen
leichter unterworfen sind. Man sucht diese Schwierigkeit dadurch zu
umgehen, dass man die stärkeren Querschnitte zuerst, die schwächeren,
rascher erkaltenden zuletzt ausbildet.


Eine andere, mitunter noch grössere Schwierigkeit gewähren solche
Profile, deren Kaliber an einzelnen Stellen des Querschnittes erheblich
tiefer als an anderen eingeschnitten sind, an den ersten also der
Walzenachse auch näher liegen als an den letzteren. Bei dem Kaliber
Ledebur, Handbuch. 47
[730]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.
einer Eisenbahnschiene, welche naturgemäss in liegender Stellung ge-
walzt werden muss, bildet der Fuss der Schiene eine solche ein-
geschnittene Stelle; in noch stärkerem Maasse ist dieses bei vielen
Sorten T- und Doppelt-T eisen der Fall, dessen Steg in dem Kaliber
wagerecht liegt, während die Schenkel als senkrechte Einschnitte
erscheinen. Offenbar ist hier die Umfangsgeschwindigkeit der Walze
und somit auch das Maass der Streckung an den tief eingeschnittenen
Stellen des Kalibers geringer als an den höher liegenden; es tritt eine

Figure 159. Fig. 208.


Zerrung ein, welche eine
Beschädigung des Walz-
stückes oder Spannung in
dem fertigen Stabe erzeu-
gen kann. Es kommt bei
derartigen Formen der Um-
stand hinzu, dass die Aus-
bildung der im Kaliber
senkrecht stehenden Flä-
chen (des Fusses der Schie-
nen, der Schenkel des Tei-
sens) nur durch Seiten-
druck erfolgen kann; und
es wächst aus diesen Grün-
den die Schwierigkeit der
Herstellung mit der Breite
jener Theile, welche in dem
Kaliber als schmale und
tiefe Einschnitte erscheinen.


Bei Triowalzen wird
die Aufgabe, fortschreitend
abnehmende Kaliberquer-
schnitte anzuordnen, durch
den Umstand erschwert,
dass hier die in der Mittel-
walze enthaltene Kaliber-
hälfte ebensowohl mit dem
Kaliber der Unterwalze als
dem der Oberwalze zusam-
menpassen muss. Am ein-
fachsten gestaltet sich noch
die Lösung dieser Aufgabe, wenn in offenen Kalibern einfache Quer-
schnitte gewalzt werden, bei denen es auf genaue Symmetrie nicht
ankommt.


Fig. 208 zeigt z. B., wie man bei der Construction von Spitz-
bogenkalibern für Triowalzen verfahren kann. Der Abnahmecoëfficient
sei hier wieder 7/8; A B die Diagonale des durch das erste Kaliber
hindurchgehenden Walzstückes. Man nimmt also C D = 7/8 A B, ver-
theilt jedoch die gesammte Abnahme derartig, dass nur ein Drittel
derselben in die Unterwalze, zwei Drittel in die Mittelwalze fallen; es
wird also C E = A E — ⅓ . 1/8 A B = 11/24 A B; D E = A E
[731]Walzwerke. Die Kalibrirung der Walzen.
⅔ . 1/8 A B = 10/24 A B; C E + D E = C D = 7/8 A B. Die Bogen
werden ebenso wie bei den Spitzbogenkalibern der Duowalzen (Fig. 205)
verzeichnet, d. h. man nimmt die Weite ¾ A B in den Zirkel, be-
schreibt aus den gefundenen Eckpunkten A, D, B, C die Bogen, welche
in den Punkten i i . . sich schneiden, und aus diesen Kreuzungs-
punkten die das Kaliber begrenzenden Bogen. Bei A und B giebt
man auch hier eine schwache Erweiterung. Das zweite Kaliber liegt
zwischen Mittel- und Oberwalze; die untere Hälfte desselben wird
durch die nämliche Furche der Mittelwalze gebildet, welche als obere
Kaliberhälfte des ersten zwischen Mittel- und Unterwalze liegenden
Kalibers diente. F H G muss also gleich A B D sein. Alsdann nimmt
man H J = 7/8 C D und erhält so die vier Eckpunkte des zweiten
Kalibers. Das dritte Kaliber liegt wieder zwischen Mittel- und Unter-
walze; die Breite desselben ist gleich der Höhe des zweiten, also
L M = H J; die Eckpunkte N und O werden ebenso gefunden wie
bei dem ersten Kaliber; u. s. f.


Hinsichtlich der Art und Weise, wie man auch bei Herstellung
weniger einfacher Formen, z. B. Eisenbahnschienen, in Triowalzwerken
versucht hat, jenem Umstande bei der Kalibrirung Rechnung zu tragen,
dass das Kaliber der Mittelwalze ebensowohl mit dem der Ober- als
Unterwalze zusammengreift, muss auf die unten gegebene Literatur,
insbesondere die Abhandlungen von Daelen, Hollenberg und Diek-
mann
über Walzenkalibrirung, verwiesen werden.


Gewöhnlich freilich schlägt man in solchen Fällen einen ein-
facheren Weg ein, die in Rede stehende Schwierigkeit zu umgehen:
man verlegt die oberen und unteren Kaliber derartig, dass jedes Kaliber
der Mittelwalze entweder einem Kaliber der Oberwalze oder einem
solchen der Unterwalze, nicht aber beiden zugleich angehört, oben
und unten also abwechselnd immer nur ein benutztes Kaliber erscheint,
während über jedem unteren und unter jedem oberen benutzten Kaliber
ein sogenanntes Blindkaliber, eine einfache Furche, in welcher der
Ring der Mittelwalze Platz findet, angebracht ist.


Die soeben erwähnte Vertheilung der Kaliber hat jedoch die Folge,
dass die Walzen ungünstiger ausgenutzt werden; für die gleiche An-
zahl Kaliber ist die doppelte Zahl Walzen erforderlich als bei einem
Triowalzwerke, dessen Walzen in der zuerst erwähnten Weise kalibrirt
sind, die anderthalbfache Zahl als bei einem Duowalzwerke mit der
gleichen Kaliberzahl. Eine kalibrirte Walze aber ist ein kostspieliges
Inventarstück und jede grössere Walze ruft auch eine grössere Zapfen-
reibung hervor. In Rücksicht hierauf hat man, zuerst in Belgien,
neueren Triowalzwerken mitunter eine derartige Anordnung gegeben,
dass in einem und demselben Walzgerüste immer nur zwei Walzen
über einander liegen, die Stelle der dritten aber durch eine Kupplung
eingenommen wird, welche die Bewegung auf das benachbarte Walz-
gerüst überträgt. Die Skizze Fig. 209 auf S. 732 zeigt diese Einrich-
tung. Die beiden in einem Gerüste liegenden Walzen können nun-
mehr ebenso wie Duowalzen kalibrirt werden, d. h. die Blindkaliber
fallen weg, und die Zahl der erforderlichen Walzen beträgt nur zwei
47*
[732]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.
Drittel von derjenigen, welche bei Anwendung von Blindkalibern
erforderlich gewesen sein würde; das Walzstück aber muss, um zurück-
gewalzt werden zu können, nach dem benachbarten Gerüste hinüber-
geschafft werden. Letzterer Umstand mindert unleugbar die Vortheile
dieses Walzwerkssystemes beim Walzen schwererer Gegenstände ab;
sehr geeignet ist dasselbe zum Walzen von Feineisen, welches in den
Fertigwalzen eine sehr bedeutende Länge annimmt und aus diesem

Figure 160. Fig. 209.


Grunde, noch ehe es das eine Paar Walzen ganz verlassen hat,
an dem vorderen Ende umgebogen und in den Walzen eines andern
Gerüstes zurückgewalzt wird, so dass es unter Umständen gleichzeitig
in vier oder fünf Kalibern gestreckt wird.


Einige besondere Kaliberformen verdienen noch kurze Erwähnung.


Wenn man auf der Oberfläche einer glatten Walze oder innerhalb
eines Kalibers einzelne bestimmte Vertiefungen oder Erhabenheiten
anbringt, so werden dieselben naturgemäss auf dem hindurchgehenden
Stabe sich abdrücken und ein längerer Stab wird eine ganze Reihen-
folge solcher Abdrücke aufweisen. Man nennt solche Kaliber periodi-
sche
und benutzt sie für verschiedene Zwecke, deren Besprechung
freilich mehr dem Gebiete der Metallverarbeitung als dem der Eisen-
hüttenkunde angehört. Es sei deshalb nur erwähnt, dass sich bei-
spielsweise Fabrikzeichen, Ziffern, Inschriften u. s. w. auf diese Weise
leicht einwalzen lassen; Hufstabeisen mit vorstehenden Buckeln wird
ebenso gewalzt; u. s. f.


Giebt man dem Umfange der einen von zwei zu einander ge-
hörigen Walzen excentrische Form, so lassen sich Gegenstände mit
keilförmigem Querschnitte dazwischen walzen. Auch diese Verwendung
des Walzwerkes gehört in das Gebiet der Metallverarbeitung. 1)


Bei Herstellung von Flacheisen (mit flach rechteckigem Quer-
schnitte) wendet man bisweilen, um an Walzenlänge zu sparen, Walzen
mit offenen Kalibern an, zwischen denen die Ränder fehlen, so dass
der Durchmesser der Walzen von dem einen Ende zum andern terrassen-
[733]Die Universalwalzwerke.
artig mehr und mehr abnimmt. Solche Walzen heissen Staffel- oder
Stufenwalzen. Da der Seitendruck in den Kalibern fehlt, kann
zwar das Strecken rasch vorwärts gehen, die Ränder des Eisens aber
werden nur unvollkommen ausgebildet.


Wenn es bei der Herstellung stabförmiger Eisensorten auf genaue
Innehaltung bestimmter Querschnittsabmessungen ankommt, so ist der
Umstand in Betracht zu ziehen, dass das glühende Eisen, nachdem es
das letzte Kaliber verlassen hat, sich abkühlt und demnach zusammen-
zieht. Man muss also den Abmessungen des letzten Kalibers so viel
zugeben, als dieser Zusammenziehung, d. h. dem Schwind- oder
Schrumpfmaasse des Eisens entspricht. Diese Schwindung jedoch
ist nicht in allen Fällen gleich gross; sie ist abhängig von der Be-
schaffenheit der Eisensorte, welche gewalzt wird, und von der Tempe-
ratur, mit welcher der Eisenstab die Walzen verlässt, und pflegt
1/50—1/64 der linearen Abmessungen zu betragen.


Im Uebrigen können auch Zufälligkeiten die Schwindung beein-
flussen. Wenn das Walzwerk nach längerem Stillstande angelassen
wird, sind die Walzen kalt und wirken stark abkühlend auf den hin-
durchgehenden Stab; bei länger fortgesetzter Benutzung erwärmen sie
sich 1), auch der Stab kommt demnach wärmer aus dem letzten Kaliber
heraus und schwindet stärker als im Anfange. Dass auch die physika-
lischen Eigenschaften, die Härte, Festigkeit, Zähigkeit u. s. w. durch
diesen Unterschied in der Temperatur des Walzstückes beeinflusst
werden müssen, ergiebt sich aus dem über diese Einflüsse der Tempe-
ratur früher Gesagten von selbst.


e) Die Universalwalzwerke.

Wenn man bei einem Walzwerke ausser einem Paar horizontaler
Walzen mit entlasteter, verstellbarer Oberwalze auch ein Paar vertikaler
unmittelbar vor oder hinter den ersteren anordnet, deren Abstand von
einander ebenfalls verstellbar ist, und welche die Seitenflächen des hin-
durchgehenden Walzstückes bearbeiten, so lassen sich mit Hilfe dieser
zwei Paar Walzen offenbar Eisenstäbe von sehr verschiedenen Quer-
schnittsabmessungen herstellen, ohne dass die Anwendung besonderer
Kaliber dafür erforderlich wäre.


Eine derartige Einrichtung, d. h. eine Vereinigung zweier Walzen-
paare mit horizontalen und vertikalen Achsen, bildet die Haupteigen-
thümlichkeit fast aller sogenannter Universalwalzwerke, deren erstes
durch Daelen in Hoerde in den fünfziger Jahren dieses Jahrhunderts
erbaut wurde und welche seitdem eine ziemlich verbreitete Anwendung
gefunden haben. Naturgemäss eignen sich dieselben besonders gut zur
Herstellung von Flacheisenstäben, und die ursprüngliche Bestimmung
derselben war die Anfertigung jener vorzugsweise in der Dampfkessel-
[734]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.
fabrikation vielfach erforderlichen mehr oder minder schmalen Streifen,
welche man bis dahin aus Blechen auszuschneiden pflegte. Auch für
Herstellung profilirter Eisensorten, insbesondere für Doppelt-T eisen, hat

Figure 161. Fig. 210.


man jedoch später das Universalwalzwerk verschiedentlich mit mehr
oder minder günstigem Erfolge in Anwendung gebracht.


In Fig. 210 ist ein Daelen’sches Universalwalzwerk in 1/32 der
wirklichen Grösse abgebildet. A A sind die wagerechten, B B die senk-
rechten Walzen. Erstere erhalten wie gewöhnlich ihren Antrieb durch
[735]Die Universalwalzwerke.
die beiden Getriebe C C und sind mit Hilfe der unterhalb der Sohl-
platte sichtbaren Hebel entlastet; auf die senkrechten Walzen wird die
Bewegung durch Vermittelung der von dem oberen Getriebe C aus
angetriebenen Räder D und E übertragen. In Rücksicht auf den Um-
stand, dass die Bewegung des Walzstückes vor dem Eintreten zwischen
die wagerechten Walzen langsamer, nach dem Herauskommen aber
rascher als diejenige der Walzenoberfläche ist, die Bewegungsgeschwin-
digkeit der Walzenoberflächen B B mithin auch eine etwas andere sein
muss als diejenige der Walzen A A, eine ganz genaue Regelung dieser
Geschwindigkeit von vorn herein aber nicht immer möglich sein wird,
sitzt das Getriebe E nicht fest auf seiner Welle, sondern es ist zwischen
zwei Frictionsscheiben eingeklemmt, welche demselben bei grösseren
Widerständen eine gewisse Beweglichkeit sichern, um Stauchung oder
Zerrung des Walzstückes zu vermeiden.


Die verschiebbar auf ihrer Welle befestigten Winkelräder n n m m
übertragen die Bewegung auf die Achsen der senkrechten Walzen,
welche letztere aus Gussstahl gefertigt und auf den Wellen be-
festigt sind.


Die Verstellung der Walzen A A in senkrechter Richtung erfolgt
in der bei Blechwalzen üblichen, oben erläuterten Art und Weise; die
Verstellung der Walzen B B in wagerechter Richtung geschieht mit
Hilfe der gekröpften Spindeln c c. Jede der beiden Walzenachsen steckt in
zwei Lagern a a, welche mit horizontalen Schraubenspindeln f f fest ver-
bunden sind. Die Muttern dieser Schraubenspindeln sind in den Walzen-
ständern befestigt, so dass durch Drehung der Spindeln auch eine ge-
radlinige Vor- oder Rückwärtsbewegung derselben sowie der an ihnen
befestigten Lager mit den Walzen hervorgebracht wird. Auf den nach
auswärts gerichteten Köpfen der Schraubenspindeln sind Schnecken-
räder befestigt, welche von den an den Enden der Spindeln c c sicht-
baren Schnecken d d angetrieben werden. Die Lager der Spindeln c c
sind mit einer Hülse über die Hälse der Schrauben f f geschoben, so
dass sie von diesen bei ihrer Fortbewegung mitgenommen werden
und der Eingriff der Schnecken in die betreffenden Räder unverändert
bleibt.


Von dem Umstande, ob die senkrechten Walzen vor oder hinter
den wagerechten liegen, hängt die Form der Ränder des herauskom-
menden Walzstückes ab. Liegen sie vor denselben, geht das Walz-
stück also zuletzt zwischen den wagerechten Walzen hindurch, so erhält
es hier Oberdruck, wird ein wenig ausgebreitet und bekommt einen
rundlichen convexen Rand; liegen die senkrechten Walzen hinter den
wagerechten, so wird der Rand hier gestaucht und tritt gratartig über
die Fläche des Walzstückes hinaus. Gewöhnlich zieht man die erstere
Anordnung der letzteren vor, da der abgerundete Rand des Walz-
stückes für die Verwendung weniger nachtheilig als der aufgeworfene
zu sein pflegt.


In neuerer Zeit sind verschiedene abweichende Constructionen von
Universalwalzwerken vorgeschlagen worden, welche sämmtlich den
Zweck verfolgen, den zuletzt erwähnten Uebelstand des Daelen’schen
[736]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.
Universalwalzwerkes, die mangelhafte Ausbildung des Randes zu ver-
meiden. Bei verschiedenen derselben (Walzwerk von Hutchinson,
Flotat, Ed. Daelen
) sind statt der vier Walzen des älteren Universal-
walzwerkes nur zwei wagerechte Walzen mit je einem aufgeschobenen
Ringe angewendet, welcher letzterer als seitliche Kaliberbegrenzung
dient und in eine Furche der zweiten Walze eingreift. Eine Ver-
breiterung oder Verengung des Kalibers wird erzielt, indem man die
eine der beiden Walzen, welche zu diesem Zwecke mit entsprechender
Vorrichtung versehen ist, in wagerechter Richtung verschiebt, wobei
sie den Ring der zweiten Walze mitnimmt; in der Höhenrichtung
erfolgt die Verstellung wie gewöhnlich.


Das Walzwerk von Wenström dagegen enthält, wie das be-
schriebene Universalwalzwerk von Daelen, vier Walzen, deren Achsen
jedoch in einer gemeinschaftlichen Vertikalebene sich drehen und von
denen nur die beiden wagerechten eigenen Antrieb besitzen, während
die senkrechten rollenartig durch das Walzstück gedreht werden. Die
eine dieser letzteren berührt mit ihrem Umfange die Stirnfläche der
oberen Horizontalwalze, mit ihrer unteren Stirnfläche dagegen den Um-
fang der Unterwalze und ist nicht verschiebbar; die zweite Rolle be-
rührt mit ihrem Umfange die Stirnfläche der Unterwalze, mit ihrer
oberen Stirnfläche den Umfang der Oberwalze und ist mit der Unter-
walze in wagerechter, mit der Oberwalze in senkrechter Richtung ver-
stellbar. Alle vier Walzen zusammen begrenzen demnach ein Kaliber,
dessen Abmessungen durch die Verstellung der Walzen geändert
werden können.


Hinsichtlich der ausführlicheren Beschreibung dieser Universal-
walzwerke, welche wenigstens zum Theile bislang wohl nur auf dem
Papiere existiren, muss auf die gegebenen Literaturnachweise wie auf
die Patentschriften verwiesen werden. 1)


f) Die Walzenzugsmaschinen.

Die zum Betriebe eines Walzwerkes erforderliche Maschine pflegt
man als Walzenzugsmaschine zu bezeichnen.


Nur in verhältnissmässig seltenen Fällen ist eine ausreichend grosse
Wasserkraft verfügbar; weit häufiger findet die Dampfmaschine Ver-
wendung.


Während man ziemlich allgemein noch bis zum Anfange der sieben-
ziger Jahre die Regel befolgte, die Dampfmaschinen für den Betrieb der
Walzwerke möglichst einfach zu bauen, damit sie den Stössen des
Walzwerkes gegenüber widerstandsfähiger seien, sie aus diesem Grunde
höchst selten oder nie mit Condensation versah, die Anwendung der
Expansion auf ein geringes Maass beschränkte und ziemlich regel-
mässig jeder grösseren Walzenstrecke auch eine eigene Dampfmaschine
zutheilte, welche dann, im unmittelbaren Anschlusse an die Walzen-
strecke, gewöhnlich in dem von Staub, Rauch und Wasserdämpfen
[737]Walzwerke. Die Walzenzugsmaschinen.
erfüllten Hauptgebäude der Walzhütte ihren Platz erhielt, ist man seit
jener Zeit, veranlasst durch die bedeutende Dampfverschwendung bei
einer solchen Anlage wie durch die gemachten Fortschritte im Maschi-
nenbau, ziemlich allgemein zu den fast entgegengesetzten Anschauungen
hinsichtlich der Construction der Walzenzugsmaschinen übergegangen;
und der Erfolg hat die Richtigkeit der neueren Grundsätze bestätigt.
Expansion kommt regelmässig, Condensation häufig zur Anwendung.
Woolf’sche und Compounddampfmaschinen haben sich bereits gut
bewährt. Eine einzige grössere Maschine treibt nicht selten mehrere
Walzstrecken; zur Bewegungsübertragung pflegt man Riemen- oder
besser Seiltransmissionen statt der bei kleinen Walzwerken in früherer
Zeit üblichen Getriebe zu benutzen.


Wichtig ist die Bemessung der erforderlichen Leistungsfähigkeit
einer anzulegenden Walzenzugsmaschine. Eine allzu reichliche Ver-
anschlagung der Kraftleistung vertheuert die Anlagekosten und erhöht
den Dampfverbrauch; schlimmer noch ist eine zu geringe Leistung der
Maschine: das Walzen wird verzögert, die Arbeitslöhne u. s. w. werden
gesteigert.


Die gesammte von der Maschine zu leistende Arbeit setzt sich zu-
sammen aus der zum Strecken und Hindurchziehen des Walzstückes
und der zur Ueberwindung der Reibung erforderlichen Arbeit. Erstere
ist von der Beschaffenheit und Temperatur des zu walzenden Materiales
wie von dem Abnahmecoëfficienten abhängig; letztere von der Art und
Weise der Lagerung, der Instandhaltung der Lager und dem durch
die Druckschrauben der Ständer ausgeübten Drucke. Wendet man aber,
wie bei allen nur in einer Richtung laufenden Walzwerken, ein Schwung-
rad an, so kommt die von diesem während des Durchganges des Walz-
stückes abgegebene Arbeit von der obigen Summe in Abzug, und die
erforderliche Leistungsfähigkeit der Maschine fällt deshalb, wie schon
früher erwähnt wurde, um so kleiner aus, je grösser die Pausen zwischen
den Durchgängen sind (während deren das Schwungrad Arbeit auf-
speichert) und je grösser das Gewicht des Schwungrades ist.


Es folgt aus diesen Darlegungen, dass eine theoretische Berech-
nung der erforderlichen Leistungsfähigkeit der Betriebsmaschine eines
Walzwerkes allein kaum ausreichend sein wird, ein zuverlässiges Er-
gebniss zu liefern. Man ist gezwungen, sich auf praktische Beobach-
tungen zu stützen.


In neuerer Zeit, wo man, durch äussere Verhältnisse dazu ver-
anlasst, die Leistungsfähigkeit der Walzwerke zur Abminderung der
Selbstkosten der Erzeugnisse mehr und mehr zu vergrössern suchte,
indem man die Geschwindigkeit der Walzen beschleunigte, statt der
Duowalzwerke Triowalzwerke einführte, die Pausen zwischen den Durch-
gängen der Walzstücke abkürzte u. s. f., war man deshalb auch ge-
zwungen, kräftigere Maschinen als früher zum Betriebe zu benutzen.
Für sogenannte Rohschienenwalzwerke, Duo- oder Triowalzwerke zum
ersten Auswalzen des Schweisseisens bestimmt, genügt eine Arbeits-
leistung der Maschine von 50—80 Pferdestärken; Duowalzwerken für
gewöhnlichere Sorten Handelseisen mittlerer Abmessungen (Quadrat-
eisen, Rundeisen u. s. w.), welche etwa 75 Umgänge per Minute machen,
pflegt man 75—100 pferdige Maschinen zu geben; sogenannte Schnell-
[738]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.
walzwerke für feine Eisensorten (Walzdraht) mit etwa 400 Umgängen
per Minute und 6—8 Walzgerüsten erhalten Maschinen von 400—500
Pferdestärken. Kleine Blechwalzwerke mit Schwungrad für dünne Eisen-
sorten (Schwarzblech) lassen sich bei 40 Umgängen per Minute schon
mit einer 20—30 pferdigen Maschine treiben; für Kesselbleche wendet
man 100—200 pferdige Maschinen an und zu dem Betriebe eines Kehr-
walzwerkes ohne Schwungrad für die Darstellung der schwersten Blech-
sorten ist eine 600—800 pferdige Maschine erforderlich.


Am deutlichsten zeigt sich die Steigerung der Ansprüche, welche
man an die Leistungsfähigkeit der Walzenzugsmaschinen stellt, bei den
Eisenbahnschienen-Walzwerken. Während man in den sechziger Jahren,
wo man sich der Duowalzwerke zum Auswalzen bediente und Schweiss-
eisen als Material für die Schienen verwendete, Maschinen mit 250 Pferde-
stärken als ausreichend betrachtete, pflegt man in der Jetztzeit den
Schienenwalzwerken 600—800 pferdige Maschinen zu geben und dadurch
ihre Leistungsfähigkeit auf oft das Dreifache der früheren Zeit zu steigern.


3. Die Luppenquetschen und Luppenmühlen.


Alle unter die in der Ueberschrift enthaltenen Benennungen fallen-
den Vorrichtungen sind lediglich dazu bestimmt, die weichen, von
flüssiger Schlacke durchsetzten, formlosen Eisenklumpen, Luppen ge-
nannt, welche das erste rohe Erzeugniss der Schweisseisendarstellung
zu bilden pflegen, einer vorläufigen Reinigung von Schlacke zu unter-
ziehen. Zur Verdichtung von Flusseisenblöcken oder für eine weiter-
gehende Formgebung des Eisens sind sie nicht geeignet.


Geschieht jene Reinigung durch mehrfach wiederholtes Drücken
des weichen Eisens, so heisst der Apparat Luppenquetsche oder Luppen-
presse; wird dagegen die Luppe zwischen Walzen gerollt und dabei
ausgedrückt, so pflegt man die Vorrichtung als Luppenmühle zu be-
zeichnen.


Mannigfache Constructionen sind im Laufe der Zeit für den ge-
nannten Zweck ersonnen worden, von denen jedoch nur eine sehr
beschränkte Zahl sich einer allgemeineren Anwendung zu erfreuen
vermochte.


Die am häufigsten benutzte Vorrichtung dieser Art, welche in
fast jeder Puddelhütte angetroffen werden kann, ist die in Fig. 211
abgebildete Luppenquetsche, welcher man ihrer eigenthümlichen Form
halber auch wohl scherzweise den Namen Alligatorquetsche gegeben
hat. Sie besteht aus einem um horizontale Zapfen schwingenden,
kräftig gebauten Gusseisenhebel, dessen längeres Ende durch eine
Schubstange oder ein Excenter auf- und niedergehende Bewegung
erhält. Das kürzere Ende dieses Hebels bildet gewissermaassen den
Oberkiefer des Maules. An der Unterseite desselben ist eine aus-
wechselbare Platte aus Hartguss oder Stahl eingesetzt, welche mit nach
rückwärts gerichteten Zähnen zum besseren Erfassen der Luppe ver-
sehen zu sein pflegt. Die untere Hälfte des Maules bildet der fest-
liegende, aber ebenfalls auswechselbare Ambos. An der vorderen Kante
desselben befindet sich ein treppenstufenartiger Absatz, welcher eine
[739]Die Luppenquetschen und Luppenmühlen.
Stauchung der während des Auspressens zu einem prismatischen Blocke
geformten Luppe in der Längenrichtung ermöglicht.


Man giebt den Luppenquetschen einen Hub von 0.25 — 0.30 m
am äussersten Ende. Die Länge des vorderen Hebelarmes beträgt bis
zum Drehungspunkte etwa 1.3 m, die Länge des hinteren Hebelarmes
etwa 2 m. Die Breite des vorderen Theiles ist ungefähr 0.5 m. Bei
60—100 Hüben per Minute und einem Arbeitsaufwande von 10—12
Pferdestärken ist eine solche Luppenquetsche im Stande, 12—16 Puddel-
öfen zu bedienen. 1)


Vor den Dampfhämmern oder Stirnhämmern, welche zu demselben
Zwecke wie die Luppenquetschen benutzt werden können, haben die
letzteren den Vortheil der billigeren Anlage, einfacheren Bedienung
und geringerer Reparaturbedürftigkeit voraus. Andererseits ist die
Grösse der zu zängenden (auszuquetschenden) Luppen an gewisse

Figure 162. Fig. 211.


Grenzen gebunden, und das Auspressen selbst erfolgt, wie wenigstens
behauptet wird und sich leicht begründen lassen würde, weniger voll-
ständig als beim Zängen unter dem Hammer.


Luppenmühlen sind ziemlich selten in Anwendung. Sie sind zweifel-
los häufigeren Reparaturen als die Quetschen unterworfen, während
die Nachtheile der letzteren, insbesondere die Nothwendigkeit, eine be-
stimmte Grösse der Luppen inne zu halten, noch schärfer hervortreten.
Es wird aus diesen Gründen gerechtfertigt erscheinen, wenn hinsicht-
lich der besonderen Einrichtung derselben auf die gegebene Literatur, ins-
besondere auf v. Hauer, Hüttenwesensmaschinen sowie auf Wedding,
Darstellung des schmiedbaren Eisens verwiesen wird, in welchen beiden
Werken die meisten oder sämmtliche vorgeschlagenen Constructionen
dieser Maschinen mit ausreichender Ausführlichkeit besprochen wor-
den sind.


[740]Die Maschinen für die Verdichtung und Formgebung.

Literatur.


A. Grössere Werke.


  • J. v. Hauer, Die Hüttenwesensmaschinen. Zweite Aufl., Leipzig 1876 (S. 290
    bis 468 Hämmer, S. 470—477 Luppenpressen und Luppenmühlen, S. 478—562
    Walzwerke).
  • S. Jordan, Album du cours de métallurgie. Paris 1875 (Tafel 84—88 Dampf-
    hämmer, Taf. 74, 75, 89—103, 114—122 Walzwerke).
  • P. v. Tunner, Ueber die Walzenkalibrirung für Eisenwalzen. Leipzig 1867.
  • Daelen, Hollenberg und Diekmann, Die Kalibrirung der Eisenwalzen.
    Drei von dem Vereine zur Beförderung des Gewerbfleisses preisgekrönte Ab-
    handlungen. Im Sonderabdrucke in Berlin (Nicolai) 1870.
  • F. Neveu et L. Henry, Traité pratique du laminage de fer. Paris 1881.
  • A. Ledebur, Die Verarbeitung der Metalle auf mechanischem Wege.
    Braunschweig 1877 (S. 395—467 Hämmer, S. 480—526 Walzwerke).

B. Abhandlungen.


  • Fr. Kick, Beiträge zur Kenntniss der Mechanik weicher Körper. Dingl.
    Polyt. Journ., Bd. 224, S. 465; Bd. 234, S. 257 und 345.
  • J. A. Herrick, The eighty-ton-steam-hammer in Creusot. Transactions of
    the American Institute of Mining Engineers, vol. VIII, p. 560.
  • C. Fink, Theorie der Walzenarbeit. Zeitschr. f. Berg-, Hütten- und Salinen-
    wesen in Preussen, Bd. XXII, S. 200.
  • R. M. Daelen, Ueber die Bestimmung der Kraftleistung der Walzen-
    zugsmaschinen und des Kraftverbrauches beim Walzen von Stahl
    und Eisen
    . Commissionsbericht, erstattet dem Verein deutscher Eisenhütten-
    leute. „Stahl und Eisen“ 1881, S. 57 und 132.
  • E. Blass, Bemerkungen über einige beim Walzen auftretende Erschei-
    nungen
    . „Stahl und Eisen“ 1882, S. 233.
  • E. Blass, Zur Theorie des Walzprocesses. „Stahl und Eisen“ 1882, S. 283.
  • Böck, Versuche über den Kraftaufwand beim Walzen von Blech. Jahr-
    buch der Bergakademieen zu Leoben etc., Bd. XXI (1873), S. 314.
  • Hollenberg, Bemerkungen zu den Vorgängen beim Walzen von Eisen.
    „Stahl und Eisen“ 1883, S. 121.
  • P. v. Tunner, Ueber einige Neuerungen in der Einrichtung der Walzen-
    streckwerke
    . Zeitschr. d. berg- und hüttenm Ver. für Steiermark und
    Kärnten 1878, S. 216.
  • Erdmann’s Triowalzwerk mit vollkommen entlasteter stellbarer Lage-
    rung der Walzenzapfen
    . Zeitschr. d. berg- und hüttenm. Ver. für Steier-
    mark und Kärnten 1880, S. 362.
  • E. Schwarz, Die Präcisionsstellung der Walzen bei Triowalzwerken.
    Zeitschr. d. berg- und hüttenm. Ver. f. Steiermark und Kärnten 1881, S. 14.
  • R. M. Daelen, Triowalzenständer mit Präcisionslagerung. Zeitschr. d.
    berg- und hüttenm. Ver. f. Steiermark und Kärnten 1881, S. 284.
  • R. M. Daelen, Ueber die Lagerung der Walzen in ihren Gerüsten. Ztschr.
    d. Ver. deutsch. Ingenieure 1872, S. 662; 1877, S. 36.
  • R. M. Daelen, Ueber das Vor- und Rückwärtswalzen. Zeitschr. d. Ver.
    deutsch. Ingenieure 1875, S. 98.
  • A. Spannagel, Neue Schnellwalzwerksanlage der Eisenhütte Phönix.
    „Stahl und Eisen“ 1882, S. 186.
  • A. L. Holley, American Rolling Mills. The Journal of the Iron and Steel
    Institute 1874, 1873, I, p. 348.
  • B. C. Louth’s Patent Three-high Plate- and Sheet-rolls. The Journal of
    the Iron and Steel Institute 1872, II, p. 86.

[741]Literatur.
  • A. Thomas, Improvements in Belgian Three-high Rolling-mills. The
    Journal of the Iron and Steel Institute 1877, II, p. 439.
  • Ueberhebvorrichtung mit beweglicher Trittplatte. „Stahl und Eisen“
    1881, S. 147.
  • Ueberhebvorrichtungen für Walzwerke. Dingl. Polytechn. Journ., Bd. 244,
    S. 363.
  • Graham Stevenson, Reversing rolling-mills. The Journal of the Iron and
    Steel Institute 1872, II, p. 47.
  • D. Napier’s differential friction-gear for reversing rolling-mills. The
    Journal of the Iron and Steel Institute 1872, II, p. 43.
  • Helmholtz, Ueber Reversirmethoden bei Walzwerken. Zeitschr. d. Ver.
    deutsch. Ingenieure, Bd. 16, S. 667.
  • P. Tunner, Kitson’s hydraulische Kupplung für Kehrwalzwerke. Ztschr.
    d. Ver. zur Beförderung des Gewerbfleisses 1881, S. 152.
  • Varley and Furness, Power-couplings for rolling-mills. The Journal of
    the Iron and Steel Institute 1874, I, p. 166.
  • E. Blass, Beitrag zur Theorie der Abnahmecoïfficienten bei der Walzen-
    kalibrirung
    . „Stahl und Eisen“ 1882, S. 189.
  • M. L. Valant, Tracé des cannelures de cylindres des divers systèmes
    d’emboitement des cylindres usités dans la pratique
    . Revue univer-
    selle, tome XXVIII, p. 79.
  • A. Klomann’s Universalwalzwerk. Zeitschr. d. berg- und hüttenm. Ver. für
    Steiermark und Kärnten 1880, S. 7.
  • Ueber Universalwalzwerke. Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ingenieure 1881, S. 570.
  • E. Freitag, Welche Anforderungen stellt man an Walzenzugsmaschinen
    und wie soll man sie bauen
    ? Oestr. Ztschr. für Berg- und Hüttenwesen
    1876, S. 417.
  • A. Trappen, Neue Walzenzugsmaschine der Märkischen Maschinen-
    bauanstalt
    . „Stahl und Eisen“ 1881, S. 47.
  • Ernst Klein, Ueber die Kraftübertragung bei Drahtstrassen. „Stahl und
    Eisen“ 1882, S. 234.

III. Die Darstellung des Schweisseisens.


1. Allgemeines.


Alles bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts dargestellte schmied-
bare Eisen war Schweisseisen; noch um die Mitte des neunzehnten
Jahrhunderts war die Menge des erzeugten und verbrauchten Fluss-
eisens verschwindend klein gegen den Bedarf an Schweisseisen. Erst
die Erfindung neuerer Processe in der zweiten Hälfte dieses Jahr-
hunderts, welche die Darstellung grösserer Mengen Flusseisen und zu
billigeren Gestehungskosten als bisher ermöglichten, bereitete einen
Kampf vor zwischen Schweisseisen und Flusseisen um die Herrschaft
auf dem Eisenmarkte, der zwar heute kaum schon entschieden ist,
dessen Ende aber voraussichtlich dereinst in einem Siege des Fluss-
eisens bestehen wird.


Die schon vielfach erwähnte hauptsächlichste Eigenthümlichkeit
des Schweisseisens ist sein Gehalt an eingemengter Schlacke. Diese
Schlacke beeinträchtigt als eingelagerter fremder Körper die Festigkeit
[742]Die Darstellung des Schweisseisens.
wie die Dehnbarkeit des Eisens und lässt sich nur theilweise durch
fortgesetzte mechanische Bearbeitung entfernen, niemals aber auch hier-
durch vollständig. Je höhere Ansprüche an die Eigenschaften des
Schweisseisens gestellt werden, desto länger muss demnach jene Be-
arbeitung fortgesetzt, auf desto dünnere Querschnitte muss das Eisen
dabei ausgestreckt werden.


Im gewöhnlichen Handelseisen beträgt jener Schlackengehalt mitunter
mehr als 2 Procent; in besseren Eisensorten, zumal im Schweissstahl,
ist er erheblich geringer. Die Schlacke besteht zum grossen Theil aus
Eisenoxyden. War bei der Herstellung des Schweisseisens die äussere
Luft von der Oberfläche desselben abgeschlossen, so wird die Zusam-
mensetzung der dem erfolgenden Eisen beigemengten Schlacke ziem-
lich genau mit der Zusammensetzung der im Ofen, welcher für den
Process benutzt wurde, zurückbleibenden Schlacke übereinstimmen;
waren aber die entstehenden Eisenkrystalle zeitweise der Einwirkung
der Luft oder oxydirender Gase ausgesetzt (z. B. im Puddelofen), so
wird die eingemengte Schlacke erheblich eisenreicher als die zurück-
bleibende sein können.


In jedem Falle wird der Gehalt des Schweisseisens an
zurückbleibender Schlacke um so geringer sein, je kleiner
die Menge des mit einem Male dargestellten Eisens ist, je
höher die angewendete Temperatur war (weil in der höheren
Temperatur die Schlacke leichter aus dem Eisen ausfliesst),
je dünnflüssiger die Schlacke an und für sich ist und je
weniger die gebildeten Eisenkrystalle noch oxydirenden
Einflüssen unterworfen wurden
.


Die Darstellung des Schweisseisens geschah im Alterthume und in
den ersten Zeiten des Mittelalters bis zur Erfindung der Roheisendar-
stellung lediglich aus Erzen. Als man dann Roheisen zu gewinnen
und zu benutzen gelernt hatte, trat neben jene sogenannte directe
Methode die Verarbeitung des Roheisens zu schmiedbarem Eisen, das
Frischen, anfangs jedenfalls nur vereinzelt und erst allmählich sich aus-
bildend, dann aber — besonders im 18. Jahrhundert — zu einem
wichtigen Zweige des Eisenhüttengewerbes sich entfaltend und die
ältere Methode mehr und mehr verdrängend. In der Jetztzeit bildet
die Benutzung des Roheisens die Regel, die Darstellung des Schweiss-
eisens unmittelbar aus den Erzen die Ausnahme.


Diese Thatsache kann vielleicht auffallend erscheinen, wenn man
erwägt, dass doch der Natur der Sache nach die Darstellung aus dem
Roheisen umständlicher sein muss, als die Darstellung unmittelbar aus
den Erzen. Eine ausreichende Erklärung hierfür liefert jedoch der
Umstand, dass eine annähernd vollständige Reduction des Eisens
aus seinen Erzen durch Kohle in so hoher Temperatur, dass die
Gangarten der Erze dabei zum Verschlacken kommen, nicht möglich
sein würde, ohne dass nicht das entstehende Eisen zugleich grössere
Mengen Kohlenstoff aufnimmt, sich dadurch in ein stahl- oder roh-
eisenartiges Erzeugniss umwandelnd. Ein kohlenstoffarmes Eisen
kann nur entstehen, wenn die Reduction unvollständig

[743]Allgemeines. Die älteren Rennarbeiten.
bleibt, d. h. wenn ein grösserer Theil des Eisens verschlackt wird.
Es entsteht also stets bei diesen Processen eine eisenreiche Schlacke;
die Verschlackung des Eisens aber ist gleichbedeutend mit einem Eisen-
verluste, dessen Bedeutung um so schwerer wiegt, je höher die Erze
im Preise stehen.


Aehnliche Schwierigkeiten zeigen sich, wenn man die Reduction,
statt durch Kohle, durch Kohlenoxyd in einer niedrigeren Temperatur,
als zum Schmelzen der Schlacke nothwendig ist, bewirkt und soge-
nannten Eisenschwamm darstellt. Die Gangarten bleiben hier natürlich
dem reducirten Eisen beigemengt und vor allen Dingen ist deshalb die
Anwendung möglichst reiner Erze erforderlich. Eine vollständige Re-
duction aber ist auch hier kaum möglich, ohne dass Kohle aus dem
Kohlenoxyd sich ablagert und von dem Eisen aufgenommen wird (vergl.
S. 230), und erfahrungsmässig bleibt deshalb ein Theil der Erze unvoll-
ständig reducirt; endlich kommt noch hinzu, dass das solcherart redu-
cirte Eisen seiner lockeren Beschaffenheit halber sehr leicht oxydirbar
ist, wenn es erhitzt wird, ein Umstand, welcher zu einem aber-
maligen Eisenverluste bei der erforderlichen weiteren Verarbeitung Ver-
anlassung giebt.


Ein Phosphorsäuregehalt der Erze wird bei der directen Dar-
stellung schmiedbaren Eisens weniger vollständig reducirt als im Hoch-
ofen, wie schon auf S. 245 erwähnt wurde. Dieselbe eisenreiche Schlacke,
welche die Aufnahme grösserer Mengen von Kohlenstoff durch das ent-
stehende Eisen verhindert, tritt auch der Phosphorreduction hemmend
in den Weg. Dieses Verhalten des Phosphors ist jedenfalls zum Theile
die Veranlassung dafür, dass man in einzelnen Gegenden (Nordamerika,
Finnland), wo reiche aber phosphorhaltige Erze und neben denselben
Holzkohlen zu billigen Preisen zur Verwendung stehen, noch heute
uralte Processe zur directen Darstellung schmiedbaren Eisens in Be-
nutzung findet. Man erzeugt hierbei ein verhältnissmässig phosphor-
armes schmiedbares Eisen, welches, solange Holzkohlen das Brenn-
material bilden, in dieser Qualität durch einen Frischprocess kaum zu
erlangen sein, vielleicht auch kostspieliger ausfallen würde.


Trotz jener unverkennbaren Schwächen der auf directe Darstellung
schmiedbaren Eisens gerichteten Methoden haben die Versuche, in loh-
nenderer Weise als bisher Schweisseisen, beziehentlich Eisenschwamm,
aus den Erzen darzustellen, nicht aufgehört. Auch den neueren hierher
gehörigen Processen lässt sich jedoch um so weniger eine Zukunft vor-
hersagen, als voraussichtlich, wie schon erwähnt wurde, das gesammte
Schweisseisen von Jahr zu Jahr durch das Flusseisen mehr verdrängt
werden wird, je grössere Vervollkommnung die für Darstellung des
letzteren bestimmten neueren Methoden erlangen.


2. Die älteren Rennarbeiten.


Unter Rennarbeit pflegt man allgemein die Darstellung schmied-
baren Eisens aus Erzen, vorzugsweise aber die älteren Methoden hier-
für, zu verstehen.


Die Art und Weise, wie man vor Jahrtausenden Eisen darstellte,
lässt sich mit ziemlicher Deutlichkeit aus den noch vorgefundenen
[744]Die Darstellung des Schweisseisens.
Ueberresten alter Eisenhütten schliessen. Die Beschränktheit der frühe-
ren Hilfsmittel erklärt es leicht, dass die Methoden der früheren Zeit
auch in verschiedenen Ländern im Wesentlichen einander sehr ähn-
lich sind; und auch heutigen Tages noch werden in entlegenen Gegen-
den Methoden der Eisendarstellung angetroffen, welche offenbar aus
uralter Zeit fast unverändert fortgepflanzt sind und daher ziemlich genau
mit jenen im Alterthume gebräuchlichen Methoden übereinstimmen
dürften.


Kleine Schachtöfen, aus Lehm oder Steinen erbaut, deren Höhe
mitunter nicht über 0.5 m hinausgeht, dienten im Alterthume 1) und
dienen noch heute in jenen Gegenden als Apparate für die Eisendar-
stellung. Mitunter — und in ältester Zeit wohl regelmässig — musste
natürlicher Luftzug die Verbrennung unterhalten, und man stellte in
diesem Falle den Ofen gern an dem Abhange oder auf der Spitze eines
Berges auf, wo noch heute die Schlackenhalden jenes alten Betriebes
gefunden werden; später gelangten einfache Gebläse zur Anwendung,
welche den Wind durch eine in einiger Höhe über dem Boden an-
gebrachte Formöffnung einführten. Eine Oeffnung an der tiefsten Stelle
diente zum Ablassen der Schlacke. Das Erz wurde mit Holzkohlen
niedergeschmolzen. In der niedrigen Temperatur dieser Oefen entstand
eine eisenreiche Schlacke und ein mit Schlacke durchsetzter Eisen-
klumpen, welcher entweder, wenn der Ofen niedrig genug war, aus
der Gicht, oder durch eine besondere im unteren Theile befindliche
und während des Schmelzens verschlossen gehaltene Oeffnung heraus-
geholt wurde, um dann ausgeschmiedet zu werden. Solche Schacht-
öfen zur Darstellung schmiedbaren Eisens aus Erzen nennt man
Stücköfen, der erfolgende Eisenklumpen heisst das Stück, der
Deul oder die Luppe.


In jener einfachen Weise der alten Zeit wird noch jetzt in Central-
indien, in Südafrika und in anderen Gegenden der Erde die Eisendar-
stellung betrieben. C. v. Schwarz, Ingenieur in Gwalior in Central-
indien, beschreibt das dort übliche Verfahren folgendermaassen. 2) Der
Ofen ist aus Lehm hergestellt, 0.3 m im Quadrate weit, 1 m hoch. Die
Form, welche aus Lehm gebrannt ist, liegt 0.25 m über dem Boden
und hat 23 mm Durchmesser. Das Gebläse besteht aus zwei Ziegen-
bälgen; das Schwanzende derselben ist aufgeschnitten und in die ent-
standenen Lappen sind zwei Bambusstäbe eingenäht, welche am einen
Ende fest, am andern lose mit einander verbunden sind, so dass sie
federn und einen offenen konischen Schlitz bilden, durch welchen Luft
eintreten kann, wenn der Balg aufgezogen wird, während beim Zu-
sammendrücken des Balges der Schlitz sich schliesst und die Luft
gezwungen wird, durch die aus Bambusrohr gebildete Düse auszutreten,
welche im Kopfende des Balges durch Schnüre befestigt ist. Das Auf-
ziehen des Balges geschieht durch Lederriemen mit der Hand oder auch
[745]Die älteren Rennarbeiten.
— in anderen Gegenden — mit Hilfe einer aus einem Bambusstabe
gebildeten Feder, an welche der Riemen angeschlossen ist; das Zu-
sammendrücken durch Treten mit dem Fusse. Das Aufziehen und
Zusammendrücken der beiden Bälge geschieht immer abwechselnd.


Man schmilzt jedesmal 20 kg Eisenstein (meistens Rotheisenstein)
ohne Zuschlag mit etwa 20 kg Holzkohlen und gebraucht dazu einen
Zeitraum von ungefähr 2 Stunden. Es erfolgt ein Eisenklumpen von
7½—9 kg Gewicht, welcher durch eine Zange aus der Gicht heraus-
geholt und dann mit Handhämmern bearbeitet und ausgeschmiedet
wird. Zur Bedienung eines Ofens sind in 24 Stunden vier Arbeiter
und ein Meister erforderlich, welche erstere sich am Gebläse ablösen,
während letzterer das Ausbrechen des Eisenklumpens, die Herstellung
der Formen, das Ausbessern des Ofens u. s. w. besorgt.


In Kulturländern hatte man im 17. und 18. Jahrhunderte den Stück-
öfen erheblich grössere Abmessungen gegeben, nachdem man durch Ver-
vollkommnung der Gebläse die Möglichkeit erlangt hatte, grössere
Windmengen, wie sie der grössere Ofen erfordert, zu erzeugen. Dass
schon seit dem 13. Jahrhunderte sich aus diesen Stücköfen der zur
Roheisendarstellung dienende Hochofen allmählich entwickelte, wurde
schon früher erwähnt.


In ziemlich grossem Umfange wurden noch im vorigen Jahrhunderte
in den österreichischen Alpenländern und in der Gegend von Schmal-
kalden Stücköfen betrieben. Die Form dieser Stücköfen war derjenigen
sehr ähnlich, wie sie heutigen Tages noch viele österreichische Holz-
kohlenhochöfen besitzen: zwei Kegel, welche mit den breiten Flächen
zusammenstossen, bilden das Innere des Ofens (vergl. die Skizze Fig. 51
auf S. 323). Die Höhe derselben betrug mitunter beinahe 5 m, so dass
sie auch in dieser Beziehung sich nicht wesentlich von manchen der
damals gebräuchlichen Hochöfen unterschieden und nur die Art und
Weise des Betriebes den eigentlichen Unterschied bedingte. Man schmolz
in einem solchen Ofen nach und nach so viel Eisenerz, dass ein Deul
von 200—300 kg Gewicht erfolgte; dann wurde niedergeblasen, der
Deul durch eine unten befindliche Oeffnung ausgebrochen und weiter
verarbeitet. Täglich wurden drei solcher Deule erzeugt. 1) In einer
Schlacke dieses Stückofenbetriebes fand Karsten:


  • Si O2  29.1
  • Fe O   51.7
  • Al2 O3  4.3
  • Ca O   2.6
  • Mg O   9.2
  • Mn O  2.9
  • 99.8.

In den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts minderte sich die
Zahl der vorhandenen Stücköfen in den erwähnten Ländern zusehends
Ledebur, Handbuch. 48
[746]Die Darstellung des Schweisseisens.
und gegen die Mitte des Jahrhunderts waren sie ziemlich vollständig
verschwunden. Eine gewisse Wichtigkeit hat sich dagegen der Stück-
ofenbetrieb in Finnland bewahrt, wo man noch heute die directe
Darstellung schmiedbaren Eisens in verhältnissmässig grossem Um-
fange betreibt.


Später als Schachtöfen kamen Feuer zur Darstellung schmied-
baren Eisens aus Erzen zur Anwendung, niedrige, grubenartige Oefen,
welchen der Wind von oben her, d. h. über den Rand des Feuers
hinweg durch eine schräg abwärts gerichtete Düse zugeführt wurde.
Sie haben vor den Stücköfen den Vortheil einer bequemeren Arbeit
voraus, da das erfolgende Eisen leichter zu erreichen ist, erfordern
aber naturgemäss einen stärker gepressten Windstrom als er durch die
einfachen Gebläse des Alterthums sich erzielen liess.


Man nennt den in diesen Feuern gewonnenen Eisenklumpen ge-
wöhnlich Luppe und die Arbeit selbst wird in älteren Werken über
Eisenhüttenkunde gewöhnlich als Luppenfrischarbeit bezeichnet,
obgleich dieser Ausdruck mit der früher gegebenen Erklärung des
Wortes „Frischen“ keineswegs im Einklange steht. 1) Besser dürfte die
Bezeichnung Rennfeuerarbeit dafür sein.


In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts war diese Renn-
feuerarbeit in verschiedenen Theilen Deutschlands, wo nicht etwa Stück-
öfen betrieben wurden, noch ziemlich verbreitet; in Oberschlesien
erloschen die Rennfeuer erst beim Beginne des jetzigen Jahrhunderts.
Dagegen finden sich noch heute solche Rennfeuer in einzelnen Theilen
Spaniens sowie in den Vereinigten Staaten Nordamerikas (in der Um-
gebung des Lake Champlain in den Staaten New York und New Jersey),
wo man gewöhnlich schwer reducirbare und deshalb für den Hochofen-
betrieb weniger gut geeignete Magneteisenerze mit Hilfe dieses Ver-
fahrens verarbeitet. Man nennt die dort übliche Methode die cataloni-
sche, obgleich sie dem Bau des Feuers wie der praktischen Ausführung
zufolge mehr mit der früher in Deutschland ausgebildeten Methode,
wie sie u. a. in Karsten’s Handbuche der Eisenhüttenkunde, Bd. IV,
ausführlich beschrieben ist, als mit der in Catalonien üblichen oder
üblich gewesenen übereinstimmt.


Die Einrichtung dieser amerikanischen Rennfeuer ist im Wesent-
lichen die nämliche als diejenige der Herdfrischfeuer, welche zum Ver-
frischen des Roheisens bestimmt und unten ausführlicher beschrieben
sind; d. h. sie bestehen aus gemauerten vierseitigen niedrigen Behältern,
welche mit gusseisernen Platten ausgesetzt sind. Im Ganzen sind für
jedes Feuer fünf Platten erforderlich, eine für den Boden und vier für
die Umfassung. Die Seitenplatten stehen senkrecht, die vordere und
hintere Platte haben häufig eine schwache Neigung nach aussen. Der
Boden ist hohl und mit Wasser gekühlt. Ueber die eine Seitenplatte
ragt die stark geneigte, ebenfalls wassergekühlte Form in das Feuer.
Die Länge der Feuer pflegt etwa 0.6 m, die Breite 0.7 m, die Tiefe
0.3 m zu sein. Durch einen gemauerten Mantel, welcher nach oben
sich zu einer Esse verengt und nur an der Arbeitsseite eine Oeffnung
[747]Die älteren Rennarbeiten.
frei lässt, ist das Feuer eingeschlossen, und in dem Mantel befindet
sich ein gusseiserner Winderhitzungsapparat, welcher durch die ab-
ziehenden Gase des Feuers geheizt wird. 1)


Die zur Verhüttung bestimmten Erze werden geröstet und zu
Erbsengrösse gepocht.


Als Brennmaterial dient Holzkohle. Wenn das Feuer in Betrieb
gesetzt werden soll, wird zunächst eine Lage Holzkohlenlösche auf
den Boden gebracht, dann Holzkohle nachgeschüttet und entzündet,
worauf das Gebläse angelassen und eine gewisse Menge Schlacke von
dem vorausgegangenen Schmelzen in das Feuer gebracht wird. Sobald
die Kohlen in Gluth gekommen sind, wird mit einer Schaufel eine
gewisse Menge Erz — etwa 10—15 kg — in gleichmässiger Vertheilung
auf dieselben geschüttet. Das Erz sickert durch die Kohlen hindurch,
wird hierbei theilweise reducirt und sammelt sich am Boden. Inzwi-
schen ist durch die Verbrennung die Oberfläche der Kohlen gesunken,
frische Kohlen werden nachgeschüttet, dann kommt wieder eine Lage
Erz u. s. f. Mit einer langen Brechstange untersucht der Arbeiter von
Zeit zu Zeit den Boden, schweisst das reducirte Eisen zusammen, und
an der Beschaffenheit der an der Stange beim Herausziehen haftend
bleibenden Schlacke wie des Eisens erkennt er den Verlauf des Processes.
Auch die Beschaffenheit der Flamme muss ihm als Merkmal hierbei dienen.
Eine weisse statt blauer oder röthlicher Farbe derselben deutet auf
allzu hohe Temperatur, bei welcher leicht stahlartiges Eisen erfolgt. Er
muss dann durch Aufspritzen von Wasser die Temperatur mässigen.


Von Zeit zu Zeit wird die Schlacke abgelassen. Je härter, kohlen-
stoffreicher das Eisen werden soll, desto öfter muss dieses geschehen; je
weicher, desto mehr Schlacke lässt man mit dem Eisen in Berührung.


Man schmilzt mit einem Male etwa 250 kg Erz und gewinnt daraus
eine Luppe von ca. 150 kg Gewicht, wobei der Aufwand an Holzkohlen
dem Gewichte nach ungefähr doppelt so viel zu betragen pflegt als das
Gewicht des erfolgenden Eisens. Die Zeitdauer des Processes ist un-
gefähr drei Stunden.


Die erhaltene Luppe wird unter einem schweren Hammer gezängt,
d. h. von Schlacke befreit und zu einem flachen Kuchen oder einem
prismatischen Blocke ausgeschmiedet, welcher nun durch Schweissen
weiter verarbeitet wird.


Drei Schlacken dieses Processes enthielten nach Egleston:


  • Eisenoxydul   48.57 49·74 49.67
  • Eisenoxyd   8.06 4.93 11.17
  • Mangan   0.61 0.40 0.64
  • Thonerde   1.60 0.80 —
  • Kalk   5.54 5.37 6.16
  • Magnesia   2.29 2.22 2.29
  • Titansäure   1.36 6.26 4.46
  • Phosphorsäure   0.03 0.40 0.05
  • Kieselsäure   26.38 24.60 25.93
  • Schwefel   0.25 0.37 0.00
  • Metallisches Eisen 2)  3.19 3.68 1.24
  • Kohle 2)  1.18 0.33 0.22.

48*
[748]Die Darstellung des Schweisseisens.

Der Gehalt dieser Schlacke an Kieselsäure und Eisen stimmt also
im Wesentlichen mit dem Gehalte der oben erwähnten Stückofen-
schlacke an diesen Körpern überein. Der verhältnissmässig geringe
Phosphorsäuregehalt dagegen lässt schliessen, dass hier wenigstens der
Phosphorsäuregehalt der Erze nicht die Veranlassung zu der Bei-
behaltung des Rennfeuerbetriebes war; in der That enthielten die
verhütteten Magneteisenerze, deren Zusammensetzung ebenfalls von
Egleston mitgetheilt wird, nicht mehr als 0.16 Proc. Phosphorsäure,
einzelne erheblich weniger.


Von dem soeben beschriebenen amerikanischen Processe unter-
scheidet sich der eigentliche catalonische Rennfeuerbetrieb vor-
nehmlich dadurch, dass hier nicht, wie bei jenem, das Erz lagenweise
mit den Holzkohlen in das Feuer gebracht wird, um allmählich nieder-
geschmolzen zu werden, sondern die ganze Menge des für die Ver-
arbeitung in einem Male bestimmten Erzes — ungefähr 500 kg —
kommt auf die der Form gegenüberliegende Seite des Feuers auf einem
Bette von Kohlen zu liegen. Die grössere Hälfte des Feuers an der
Formseite ist dagegen vollständig mit Kohlen erfüllt, die bis zur Höhe
der Oberkante des Erzhaufens aufgeschüttet werden. Die stark geneigte
Form bläst zunächst in diese Kohlen, und man leitet den Process so,
dass das sich entwickelnde kohlenoxydreiche Gasgemenge durch den
Erzhaufen hindurch seinen Weg nehmen muss, hierbei die Erze theil-
weise reducirend. Die solcherart vorbereiteten Erze sinken nun ab-
wärts, fangen an zu sintern, gelangen durch die glühenden Kohlen
hindurch auf den Boden, wobei eine fernere Reduction und theilweise
Kohlung stattfindet, und aus dem reducirten Eisen bildet sich schliess-
lich auf dem Boden die Luppe, welche, wenn alles Erz geschmolzen
ist, herausgeholt und wie gewöhnlich bearbeitet wird. Die Zeitdauer
des ganzen Verfahrens ist ungefähr 6 Stunden. Der Holzkohlenver-
brauch ist, soweit die vorliegenden Notizen reichen, bedeutend höher
als bei dem amerikanischen Verfahren und beträgt das 3½ fache von
dem Gewichte des erfolgenden Eisens. Der Eisengehalt der Schlacke
beträgt etwas über 30 Proc., wenn man manganreiche Erze verhüttet,
bei manganärmeren vermuthlich noch etwas mehr. 1)


3. Der Siemensprocess.


Dieser Process wurde durch W. Siemens im Anfange der sieben-
ziger Jahre in die Praxis eingeführt und auf der Eisenhütte zu Tow-
cester in Northampton ausgebildet.


Eisenerze, welche mit Zuschlägen in solchen Gewichtsverhältnissen
beschickt werden, dass eine ausreichend flüssige Schlacke sich bilden
[749]Der Siemensprocess.
kann, werden im zerkleinten Zustande mit gepulverter Kohle gemischt
und in einem Flammofen bis zur Schweisstemperatur des Eisens erhitzt.
Durch die Einwirkung der Kohle und der sich aus dieser entwickeln-
den Gase wird das Eisen reducirt, um dann eine Luppe zu bilden, die
herausgeholt und weiter verarbeitet wird.


Figure 163. Fig. 212.

Man benutzt zur Ausführung des Verfahrens einen Drehofen von
der in Fig. 212 und 213 gezeichneten Einrichtung. a ist der eigent-

Figure 164. Fig. 213.


liche Ofen, aus Eisenblechmantel mit feuerfestem Futter bestehend, in
der Mitte cylindrisch, nach beiden Enden hin konisch zulaufend. Bei
neueren (amerikanischen) derartigen Oefen ist die Länge des Ofens 3.6 m,
[750]Die Darstellung des Schweisseisens.
der Durchmesser des Mantels 3.4 m, die Stärke des aus feuerfesten
Ziegeln hergestellten Futters 115 mm. An der Vorderseite des Ofens
befindet sich die Thüröffnung, durch eine mit feuerfesten Ziegeln aus-
gekleidete Schiebethür i in der aus Fig. 213 ersichtlichen Art und
Weise geschlossen. In der Thür i ist eine kleinere Oeffnung h (Fig. 212)
angebracht, durch welche während der Arbeit Werkzeuge in den Ofen
geschoben werden können, wenn die Eisenbrocken zusammengeschweisst,
Ansätze losgebrochen werden sollen, u. s. w.


Ein Schlackenstich, in Fig. 212 sichtbar, befindet sich ebenfalls
an der Vorderseite. Die Schlacke fliesst nach dem Oeffnen des Stiches
durch die Rinne m in den unten stehenden Wagen n.


Der Ofen ruht auf vier Rollen k k (Fig. 213). Die Drehung wird
demselben von der Welle e aus ertheilt, welche durch Vermittelung
einer Schnecke oder eines Getriebes das auf dem Mantel des Ofens
sitzende Getriebe p antreibt. Für den Betrieb ist eine etwa dreipferdige
Dampfmaschine erforderlich. Bei neueren Oefen sind die erwähnten
Rollen k statt in feststehenden Lagern auf einem vierrädrigen niedrigen
Wagen angebracht, so dass der ganze Ofen, wenn er neu ausgefuttert
oder sonst reparirt werden soll, mit Leichtigkeit entfernt und durch
einen andern ersetzt werden kann.


Die Heizung des Ofens geschieht mit Gas. Bei älteren Oefen, wie
dem abgebildeten, sind, wie bei allen Siemensöfen, vier Regenera-
toren A in einer Reihe neben einander angeordnet, von denen, wie
gewöhnlich, zwei für die Erhitzung des Gases, zwei für die Erhitzung
der Luft bestimmt sind. Durch den Kanal e tritt das aus dem Regene-
rator kommende Gas, durch g und f die Luft zu. In q findet die Ver-
mischung statt. Eine senkrechte Wand trennt die Kanäle e, f und q
von eben solchen, hinter denselben liegenden Kanälen, welche mit
dem zweiten Regeneratorenpaare in Verbindung stehen. Die in den
Ofen eintretenden verbrennenden Gase gelangen also vermöge ihrer
lebendigen Kraft bis gegen die Thür, wenden sich hier und ziehen
nun durch das zweite Kanalsystem und das dazu gehörige Regenera-
torenpaar nach der Esse. Nach Verlauf einer bestimmten Zeit wird
umgesteuert, Gas und Luft nehmen den entgegengesetzten Weg, wie
es schon auf S. 116 ausführlicher beschrieben worden ist.


Bei neueren amerikanischen Oefen für den Siemensprocess hat man
die Einrichtung dadurch vereinfacht, dass man den Gasgenerator un-
mittelbar an den Ofen legte, um die Gase noch heiss in den Ofen
gelangen zu lassen, und nur die Verbrennungsluft erhitzt. Die Zahl
der erforderlichen Regeneratoren verringert sich dadurch auf zwei, und
die ganze Einrichtung ist ihrem Wesen nach die nämliche wie bei der
auf S. 126 beschriebenen Feuerung von Pütsch. 1)


Bevor der Ofen in Betrieb genommen werden kann, ist es erfor-
derlich, auf das eingesetzte feuerfeste Futter ein zweites Futter von
eisenreichen Schlacken aufzuschmelzen. Man benutzt Hammerschlag,
Walzensinter und dergleichen. Die Masse wird in einzelnen Lagen ein-
gebracht und erhitzt, wobei der Ofen langsam gedreht wird. Ist eine
[751]Der Siemensprocess.
Lage gleichmässig vertheilt, so lässt man sie erstarren, bringt eine
zweite darauf u. s. f., bis das Schlackenfutter eine Stärke von 150 bis
200 mm erreicht hat. Zuletzt wirft man grössere Brocken Rotheisen-
erz oder eisenreicher Schlacke hinein, so dass sie in dem Futter fest-
schmelzen, diesem aber eine rauhe Aussenfläche ertheilen, welche das
Gleiten der in Verarbeitung befindlichen Erze und Kohlen bei der
Drehung verhüten soll. Dieselben sollen rollen, sich überstürzen und
auf solche Weise sich stets aufs neue mischen. Eine neuere von
Siemens getroffene Einrichtung zu demselben Zwecke ist die An-
bringung von Längsrippen, welche durch Einlegen von wassergekühlten
und mit dem Schlackenfutter überzogenen Eisenröhren gebildet werden.
Die Zeitdauer für die Herstellung des Schlackenfutters ist 24—48.
Stunden.


Als Material für die Eisendarstellung benutzte man in Towcester
theils ein thoniges in der Nähe der Hütte vorkommendes Erz, welches
im gerösteten Zustande etwa 40 Proc. Eisen und mehr als 2 Proc.
Phosphorsäure enthielt, daneben geröstete Kohleneisensteine mit ca.
60 Proc. Eisen und etwas Schweissofenschlacke; auf einem amerikani-
schen Werke (Tyrone forges bei Altona in Pennsylvanien) verwendet
man Brauneisenerze mit 52—58 Proc. Eisen und 0.06—0.16 Proc.
Phosphor. Als Zuschlag dient Kalkstein in solchen Mengen, dass eine
mässig basische Schlacke entsteht. Eine zu kieselsäurereiche Schlacke
würde das Schlackenfutter stark angreifen und eine reichlichere Ver-
schlackung des Eisens befördern; eine allzu basische Schlacke dagegen
ist zu strengflüssig, sondert sich schwierig von dem Eisen und setzt
sich am Ofenfutter fest.


Als Reductionskohle dient Steinkohle; am geeignetsten ist eine
fette, gasreiche Kohle, welche leicht oxydirbar ist und deshalb kräftig
reducirend wirkt. Die Menge des Steinkohlenzusatzes richtet sich nach
dem Eisengehalte der Erze und pflegt ein Sechstel bis ein Viertel des
Erz- und Zuschlagsgewichtes zu betragen.


Die Erze werden auf Erbsen- bis Bohnengrösse, die Kohlen auf
Weizenkorngrösse oder noch feiner zerkleint und das Ganze gemischt.
Das Gesammtgewicht des Einsatzes pflegt bei den neueren, grösseren
Oefen etwa 2½ t zu betragen, während man den älteren Oefen nur
etwa die Hälfte dieses Einsatzes gab; z. B.


Aelterer Ofen zu Towcester im Jahre 1877:


  • Geröstetes Towcester-Erz   425 kg
  • Gerösteter Kohleneisenstein   350 „
  • Schweissofenschlacke   100 „
  • Kalkstein   50 „
  • Steinkohle  275 „
  • 1200 kg.

Neuerer Ofen zu Tyrone im Jahre 1879:


  • Erz   2000 kg
  • Schlacke   400 „
  • Kalkstein   125 „
  • Steinkohle  325 „
  • 2840 kg.

[752]Die Darstellung des Schweisseisens.

Nachdem die Mischung durch die Einsatzthür in den schon er-
hitzten Ofen gebracht worden ist, wird diese geschlossen, und Gas und
Luft werden zugelassen. Um das Verstäuben der Kohle zu vermeiden,
wird der Ofen zunächst einige Minuten der Ruhe überlassen, dann
beginnt die Drehung mit 12—15 Umgängen per Stunde. Nach Ver-
lauf von 2½—3 Stunden tritt Sinterung ein und es zeigt sich etwas
flüssige Schlacke. Die Temperatur wird nun ganz allmählich gesteigert,
die Menge der entstehenden Schlacke mehrt sich, und ein Theil der-
selben wird abgelassen. Gegen Ende des Processes steigert man die
Temperatur bis zur beginnenden Weissgluth, die Drehung des Ofens
wird etwas beschleunigt, und mit Hilfe einer eingeschobenen eisernen
Krücke befördert man das Zusammenschweissen der Eisenbrocken zu
einzelnen Luppen, welche schliesslich herausgeholt und unter dem
Hammer gezängt werden.


Die Zeitdauer des Processes ist 4½—6 Stunden, so dass im Laufe
von 24 Stunden 4—5 Einsätze verarbeitet werden können.


Das Eisenausbringen pflegt 73—77 Proc. von dem in den Erzen
enthaltenen Eisen zu betragen, so dass also 27—23 Proc. desselben
verschlackt werden.


Der Steinkohlenverbrauch per Tonne erhaltenen Eisens beträgt


  • für die Gaserzeugung   1.6—1.7 t
  • „ „ Reduction   0.4—0.45„

also zusammen ungefähr das Doppelte von dem Gewichte des erzeugten
Eisens oder noch etwas mehr. Unter günstigen Verhältnissen — Ver-
arbeitung reicher Erze — ermässigte sich dieser Verbrauch auf etwa
1.5 t per Tonne erzeugten Eisens. 1)


Zur Bedienung des Ofens, Fortschaffen der Schlacke u. s. w. sind
4 Arbeiter per Schicht erforderlich; ausserdem zur Wartung der Gas-
generatoren 2 Mann, zum Zerkleinern der Erze 1 Mann und zum
Zängen der Luppen ebenfalls 1 Mann. Bei grösserem Betriebe würde
die durchschnittliche Kopfzahl der Arbeiter per Ofen voraussichtlich
etwas niedriger ausfallen können.


Interessant sind einige von Tunner2) mitgetheilte Analysen über
den Betrieb in Towcester, weil sie zeigen, in wie reichem Maasse eine
Phosphorabscheidung bei diesem Processe möglich ist. Dass die dortigen
Erze mehr als 2 Proc. Phosphorsäure enthielten, war bereits erwähnt.
Die Schlacken enthielten:

Das Eisen dagegen enthielt nur 0.07 Proc. Phosphor, 0.03 Proc.
Schwefel, 0.12 Proc. Kohlenstoff.


Der Eisengehalt der Schlacken ist auch hier annähernd derselbe
wie bei den Schlacken der amerikanischen Rennfeuer (S. 747) und der
Stücköfen.


[753]Der Siemensprocess.

Das von dem Erfinder des Siemensprocesses ins Auge gefasste
und mit zäher Ausdauer ein Jahrzehnt hindurch verfolgte Ziel war,
mit Hilfe des Processes aus phosphorhaltigen Erzen ein Schweisseisen
darzustellen, welches seinen Eigenschaften zufolge dem aus phosphor-
armem Roheisen erzeugten Schweisseisen ebenbürtig zur Seite treten
könnte, ohne doch kostspieliger als dieses zu sein.


Dieses Ziel ist in vollem Umfange nicht erreicht worden. Die
Erfahrung lehrte, dass die entstehenden Luppen reichlich von einer
theilweise strengflüssigen Schlacke durchsetzt waren, deren Entfernung
nur durch eine abermalige Erhitzung in einem besondern Ofen und
fortgesetzte Bearbeitung möglich war. Die lockere Beschaffenheit der
Luppen aber gab bei dieser Erhitzung Gelegenheit zu reichlicher Oxy-
dation, und alle diese Umstände vereinigten sich, die Erzeugungskosten
des fertigen Eisens zu erhöhen. An mehreren Orten, wo der Process
versuchsweise eingeführt wurde (1873 zu Prävali in Kärnten, 1878 zu
Pittsburg) und wo man gleichfalls nur darauf ausging, geschweisstes
Eisen als Enderzeugniss (Fertigwaare) darzustellen, waren die Ergeb-
nisse unbefriedigend, und selbst in Towcester ist der Betrieb schliess-
lich eingestellt worden.


Günstiger sind die Aussichten für die Lebensfähigkeit des Pro-
cesses, wenn man davon absieht, ihn zur Darstellung von geschweiss-
tem Handelseisen zu benutzen, und dagegen die erhaltenen Luppen
als Material für Flusseisenerzeugung verwendet. Bei dem Schmelzen
wird die Schlacke leicht und vollständig abgeschieden; die Haupt-
schwierigkeit für die Verwerthung des Processes ist hierdurch be-
seitigt. Für diese Bestimmung wurde der oben mehrfach erwähnte Ofen
zu Tyrone gebaut; und nachdem die dort erlangten Ergebnisse be-
friedigend ausfielen, wurde im Jahre 1881 von derselben Firma (Sie-
mens-Anderson
Steel Company) ein zweites grösseres Werk mit
vier Drehöfen nahe bei Pittsburg am Monongahela-Flusse errichtet.


In gleicher Weise wird auf den Landore-Steelworks in England
der Process jetzt durchgeführt, nachdem schon in früheren Jahren dort
ein Theil der in Towcester erzeugten Luppen ebenfalls auf Flusseisen
verarbeitet worden war. 1)


Da der chemischen Natur des Processes zufolge ein gewisser Eisen-
gehalt der erfolgenden Schlacke nothwendig ist, so wird mit der Menge
der erfolgenden Schlacke auch der Verlust an Eisen zunehmen. Die
Menge der Schlacke aber ist abhängig von der Menge der Gangarten
des Erzes. Es folgt hieraus, dass der Process vorzugsweise für Ver-
arbeitung reicher Erze geeignet ist.


4. Sonstige Processe für Darstellung von Schweisseisen
oder Eisenschwamm aus Erzen.


Die scheinbar grössere Einfachheit der unmittelbaren Darstellung
schmiedbaren Eisens aus Erzen macht es erklärlich, dass der Erfin-
dungsgeist der neueren Zeit sich gerade diesem Gebiete mit besonderer
Vorliebe zuwandte, seitdem die chemische Forschung die Vorgänge
[754]Die Darstellung des Schweisseisens.
klar gelegt hatte, auf denen die Reduction des Eisens aus den Erzen
beruht. Zahlreiche Methoden für Gewinnung schmiedbaren Eisens aus den
Erzen sind im Laufe des Jahrhunderts vorgeschlagen worden; verhältniss-
mässig wenige derselben gelangten über das Versuchsstadium hinaus;
die meisten scheiterten entweder an der Kostspieligkeit des Verfahrens,
oder an der mangelhaften Beschaffenheit des erzeugten Eisens, oder an
beiden Klippen zugleich. Derjenige dieser neueren Processe, welcher
die meiste Aussicht auf längere Lebensdauer, wenn auch nicht auf
eine sehr ausgebreitete Anwendung besitzt, der Siemensprocess, ist in
Vorstehendem bereits ausführlicher besprochen worden; einige andere,
welche wenigstens nicht ganz bedeutungslos im Strome der Zeit ver-
schwanden, sollen in Folgendem ihrem Wesen nach kurze Erörte-
rung finden.


Chenot’s Process. Derselbe, von dem Franzosen Adrien
Chenot
erfunden, besteht in einer Reduction reicher Eisenerze durch
Glühen mit beigemischter Holzkohle in senkrechten gemauerten Retorten
von 8.5 m Höhe, 2 m Länge, 0.5 m Breite, welche, ähnlich wie die
Retorten der Appolt’schen Verkokungsöfen (S. 65) in einem Rauh-
gemäuer eingebaut sind, durch herumlaufende Feuerzüge von aussen
erhitzt und nach unten entleert werden. Das herausstürzende reducirte
Eisen fällt zunächst in einen Abkühlungsraum, in welchem es vor der
Berührung mit der Luft und somit vor Oxydation geschützt ist.


Das zu reducirende Erz wird zu Stücken von etwa 30 ccm zer-
kleint und mit ungefähr soviel Holzkohle gemischt als zur Reduction
theoretisch erforderlich sein würde, wenn man den reinen Kohlenstoff-
gehalt der Holzkohle als Reductionsmittel betrachtet und annimmt, dass
derselbe zu Kohlenoxyd verbrannt werde (bei 55 Proc. Eisengehalt des
Erzes mischte man zu 1000 Gewichtsthl. Erzen ungefähr 200 Gewichtsthl.
Holzkohle). Die Reductionszeit beträgt 2—3 Tage, der Fassungsraum
einer Retorte 4500 kg, so dass also die durchschnittliche tägliche Durch-
satzmenge einer Retorte sich auf etwa 1500—2000 kg Erz beziffert. 1)
Der Brennstoffverbrauch zum Heizen der Retorten betrug bei dem schon
erwähnten Eisenwerke zu d’El Desierto im Jahre 1879 durchschnitt-
lich 630 kg Steinkohlen per 1000 kg erzeugten Eisens, der Verbrauch
an Reductionskohle (Kohlenlösche) 320 kg.


Es entsteht bei diesem Verfahren ein Eisenschwamm, weich, porös
und leicht oxydirbar, dessen specifisches Gewicht nicht erheblich höher
ist als 1.25. Unter einem Drucke von 3000 Atmosphären lässt sich
derselbe alsdann kalt auf ⅕ seines ursprünglichen Rauminhaltes zu-
sammendrücken, wodurch seine für die weitere Verarbeitung ausser-
ordentlich nachtheilige Leichtoxydirbarkeit abgemindert wird.


Der Umstand, dass eine Schmelzung bei diesem Verfahren über-
haupt nicht stattfindet, die sämmtlichen fremden Bestandtheile des Erzes
mithin auch dem entstehenden Eisenschwamm beigemengt bleiben,
knüpft die Möglichkeit der Durchführung des Verfahrens an das Vor-
handensein sehr reiner, insbesondere auch phosphorfreier Erze. Andern-
[755]Chenot’s Process; Blair’s Process.
theils ist eine annähernd vollständige Reduction der Erze um so
schwieriger durchführbar, je grösser die in die Retorte gebrachten Erz-
stücke sind; und wenn von diesem Gesichtspunkte aus eine möglichst
weit getriebene Zerkleinerung vortheilhaft sein würde, so befördert
diese doch wiederum die spätere Oxydation des gepressten Eisen-
schwammes und erschwert die Verarbeitung desselben. Aus diesem
Grunde erwies sich auch natürlich vorkommendes pulverförmiges Erz
als wenig brauchbar für den Process.


Auf der Weltausstellung zu Paris im Jahre 1855 erhielt Chenot
von der französischen Jury die goldene Medaille; mehrere Werke in
Spanien, Frankreich und Belgien richteten Anlagen für die Durch-
führung des Chenotprocesses ein. Die soeben geschilderten Schwächen
desselben lassen es begreiflich finden, dass das Verfahren trotzdem
niemals eine hervorragende Wichtigkeit erlangen konnte und der Be-
trieb auf den meisten der betreffenden Werke nach kürzerer oder
längerer Frist wieder eingestellt wurde. Auf der Pariser Weltaus-
stellung von 1878 hatten indess noch zwei spanische Eisenwerke Proben
des Chenotprocesses ausgestellt. 1)


Blair’s Process. Dieselbe Idee, welche dem Chenotprocesse zu
Grunde lag, eine Reduction der Eisenerze durch Glühen in senkrechten
Retorten in Berührung mit Reductionsmitteln zu bewirken, wurde in
den siebenziger Jahren von dem Amerikaner Blair wieder aufgenom-
men und mehrere Jahre hindurch auf dem Eisenwerke zu Glenwood
bei Pittsburg zu praktischer Verwendung gebracht. Bei dem Blair’-
schen Verfahren dient Kohlenoxyd, welches in einem neben dem Re-
ductionsofen stehenden Generator durch Verbrennung von Koks erzeugt
wird, statt fester Holzkohle als Reductionsmittel — auch Chenot hatte
schon diese Aenderung seines ursprünglichen Verfahrens ins Auge
gefasst — und die bei der Vergasung der Kohle frei werdende, von
dem Gasstrome mitgeführte Wärme sollte die Heizung des Ofens be-
wirken, so dass jede äussere Heizung ausgeschlossen war. Letztere
Eigenthümlichkeit bildet den Hauptunterschied gegenüber dem Chenot-
processe.


Der Reductionsraum des Blair’schen Ofens hatte cylindrische oder
schwach nach oben sich verjüngende Form, 4.8 m Höhe, 2 m Durch-
messer und wurde, wie der Schacht eines modernen Hochofens, von
eisernen Säulen getragen. Unten endigte derselbe in einen zwischen
den Säulen befindlichen Kühlraum, aus Eisenblech gefertigt und mit
herumlaufender Wasserrinne versehen, aus dem der Eisenschwamm
nach beendigter Abkühlung herausgeholt wurde. Das aus dem Generator
kommende Gas strömte unmittelbar oberhalb des Kühlraumes in den
Ofenschacht und ein Exhaustor diente dazu, die verbrauchten Gase aus
der Gicht abzusaugen, um solcherart die für den Betrieb erforderliche
Zuggeschwindigkeit aufrecht zu erhalten.


[756]Die Darstellung des Schweisseisens.

Ein Ofen der beschriebenen Art reducirte wöchentlich 200 t Erz. 1)


Der Blair’sche Process theilt offenbar manche Schwächen des
Chenotprocesses: zu der Ausführung sind reine Erze erforderlich, eine
vollständige Reduction des Erzes ist um so schwieriger, je grösser die
einzelnen Erzstücke sind, und anderntheils wird, wenn man in Rück-
sicht hierauf die Erzstücke kleiner nimmt, die Oxydirbarkeit des er-
folgenden Eisenschwammes erhöht. Wenn auch die innere Heizung
des Reductionsofens durch die von den Gasen mitgebrachte Wärme
als ein Fortschritt erscheinen mag, so hat der Process bis jetzt den-
noch nicht vermocht, wirthschaftlich günstige Ergebnisse zu liefern,
und der Betrieb ist nach mehrjährigen Versuchen wieder eingestellt
worden.


Dupuy’s Process. Das feingemahlene Erz wird mit einer zur
Reduction ausreichenden Menge Holzkohlen-, Koks- oder Anthracit-
pulver sowie mit den erforderlichen Zuschlägen zur Bildung einer
schmelzbaren Schlacke gemischt, in Eisenblechbüchsen verpackt und
in denselben etwa fünf Stunden lang auf beginnende Weissgluth erhitzt.
Es entsteht metallisches Eisen mit beigemengter flüssiger Schlacke;
durch Zängen unter dem Hammer oder der Luppenquetsche wird die
Schlacke ausgepresst, worauf die Luppe sofort unter dem Walzwerke
zu Rohschienen ausgewalzt wird.


Jede Blechbüchse fasst 50—100 kg und hat die Form eines
Cylinders mit durchgehender innerer Oeffnung (also ringförmigem Quer-
schnitte), um die gleichmässige Erhitzung des Inhaltes zu erleichtern.
10—20 Büchsen werden mit einem Male erhitzt.


Als besonderen Vortheil führt der Erfinder den Umstand an, dass
der Phosphorgehalt der Erze fast vollständig von der Schlacke aufgenom-
men werde, ein Umstand, welcher allerdings die Entstehung einer
zugleich eisenreichen Schlacke, wie bei anderen derartigen Processen,
voraussetzen lässt.


Das Verfahren, von welchem Proben auf der Pariser Weltaus-
stellung im Jahre 1878 ausgestellt waren, ist auf einigen pennsylvani-
schen Eisenwerken (Crescent Steel Works in Pittsburg, Sligo Iron
Works ebenda u. a.) zur Anwendung gebracht worden, ohne jedoch
eine grössere Ausdehnung zu gewinnen.


5. Das Herdfrischen.


Einleitung.

Das Herdfrischen bildet die älteste aller Methoden zur Darstellung
schmiedbaren Eisens aus Roheisen.


Zur Durchführung desselben dient das Frischfeuer, ein niedriger,
vierseitiger Behälter, über dessen Rand hinweg eine schräg abwärts
gerichtete Düse Wind zuführt. Die Einrichtung im Wesentlichen ist
also die nämliche wie bei den oben besprochenen Rennfeuern zur Dar-
stellung schmiedbaren Eisens aus Erzen.


[757]Das Herdfrischen.

Als Brennmaterial dienen Holzkohlen. Koks würden in Rück-
sicht auf ihren Aschen-, insbesondere Schwefelgehalt und auf die statt-
findende unmittelbare Berührung zwischen Brennstoff und Eisen nicht
anwendbar sein. Die Umwandlung des Roheisens in schmiedbares
Eisen erfolgt, indem man ersteres tropfenweise vor dem Windstrahle
niederschmilzt, wobei Silicium, Mangan und Kohlenstoff oxydirt werden
und dieses Verfahren so oft wiederholt, bis jene Körper vollständig
oder bis zu dem erforderlichen Maasse ausgeschieden sind. Von der
Beschaffenheit des verwendeten Roheisens wie von der gewünschten
Beschaffenheit des darzustellenden schmiedbaren Eisens hängt es ab,
wie oft dieses Niederschmelzen stattfinden muss. In einzelnen Fällen
genügt schon ein einmaliges Schmelzen, häufiger ist ein zweimaliges,
mitunter ein dreimaliges oder noch öfteres Schmelzen des ganzen Ein-
satzes oder der am wenigsten von der Oxydationswirkung betroffenen
Theile desselben erforderlich.


Die geschilderten Eigenthümlichkeiten des Herdfrischprocesses, ins-
besondere die Nothwendigkeit, das zu verfrischende Roheisen ganz nach
und nach und zu wiederholten Malen einzuschmelzen, machen es erklär-
lich, dass die Leistung eines einzigen Frischfeuers nur eine sehr be-
schränkte sein kann. Die Nothwendigkeit, Holzkohlen zu benutzen,
knüpft den Process an das ausreichende Vorkommen dieses Brenn-
stoffes und vertheuert das Enderzeugniss in allen den Gegenden, wo
Holzkohlen schwierig zu erlangen sind; sie macht sogar eine Aus-
breitung des Processes über jene Grenzen hinaus unmöglich, welche
durch den jährlichen Zuwachs an Holz und die damit zusammen-
hängende jährliche Erzeugung von Holzkohlen gesteckt sind. Alle Holz
kohlen der Erde zusammen würden nicht ausreichen, wenn der Bedarf
der Jetztzeit an schmiedbarem Eisen durch den Herdfrischprocess ge-
deckt werden sollte.


Aus diesen Gründen verlor das Herdfrischen, welches noch in den
ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts den wichtigsten Process zur
Darstellung schmiedbaren Eisens bildete, mehr und mehr an Bedeutung,
als der Bedarf an schmiedbarem Eisen durch die Einführung der Eisen-
bahnen so ausserordentlich stieg, während die Holzkohlen sich mehr
und mehr vertheuerten. In grossen Bezirken, wo noch vor fünfzig oder
sechzig Jahren die Herdfrischerei in ausgedehnter Weise betrieben
wurde, sind die Frischfeuer seitdem vollständig verschwunden.


Andererseits besitzt der Herdfrischprocess eine Eigenthümlichkeit,
die ihn in gewisser Hinsicht vortheilhaft auszeichnet. Wie schon früher
hervorgehoben wurde, fällt bei allen Processen der Schweisseisendar-
stellung der Gehalt des erfolgenden Schweisseisens an eingemengter
Schlacke, welche die Güte desselben so empfindlich benachtheiligt, um
so geringer aus, und das Eisen selbst ist in seiner Beschaffenheit um
so gleichartiger, je weniger Eisen mit einem Male dargestellt wird, und
je dünnflüssiger die dabei erfolgende Schlacke ist. Im Frischfeuer lassen
sich seiner ganzen Einrichtung nach überhaupt nur kleine Mengen
Eisen mit einem Male verarbeiten 1), die Temperatur innerhalb des
[758]Die Darstellung des Schweisseisens.
Feuers ist hoch; dieser Umstand sowie das tropfenweise Schmelzen
befördern die Abscheidung der Schlacke und die Entstehung eines
Eisens von gleichmässiger Beschaffenheit.


Das Frischfeuereisen zeichnet sich aus diesem Grunde gegenüber
anderen Sorten Schweisseisen, insbesondere dem durch den später zu
besprechenden Puddelprocess dargestellten Eisen durch Zähigkeit und
Dehnbarkeit aus. Dieser Umstand liefert die Erklärung dafür, dass der
Frischfeuerbetrieb bis heutigen Tages — wenn auch nicht in grosser
Ausdehnung — noch in einzelnen Gegenden aufrecht erhalten wird,
wo im Uebrigen nicht die mindeste Veranlassung dafür vorliegen
würde. Im Erzgebirge (Erlahammer bei Schwarzenberg) betreibt man
Frischfeuer, um aus dem erfolgenden Eisen die feinen Schwarzbleche
darzustellen, deren die Erzgebirgische Blechwaarenindustrie zur An-
fertigung mannigfacher Gebrauchsgegenstände bedarf; zu ähnlichen
Zwecken vermuthlich wird noch auf einigen Werken Oberschlesiens
der Frischfeuerbetrieb aufrecht erhalten; selbst in England, dem Lande
der Steinkohlen und der Massenproduction, sollen noch Frischfeuer
im Betriebe sein, deren Eisen das Material für die Weissblechanfer-
tigung bildet; denn bekanntlich müssen an das nur im kalten Zustande
verarbeitbare Weissblech die höchsten Ansprüche hinsichtlich der Dehn-
barkeit gestellt werden.


Diesem unleugbaren Vorzuge des Frischfeuerbetriebes steht der
Nachtheil gegenüber, dass der Process weniger gut als der Puddel-
process geeignet ist, Phosphor aus dem Roheisen zur Abscheidung zu
bringen. Die stattfindende Berührung mit den glühenden Holzkohlen,
die weniger ausgedehnte Berührung mit der Schlacke und die ver-
hältnissmässig hohe Temperatur machen diesen Umstand erklärlich.
Allerdings geht ein Theil des Phosphorgehaltes auch bei dem Herd-
frischprocess aus dem Roheisen in die Schlacke; aber die Menge des-
selben ist durchschnittlich geringer, und aus phosphorhaltigem Roh-
eisen erfolgt leichter als bei dem Puddelprocesse kaltbrüchiges Eisen.
Soll also der erwähnte Vortheil der Schlackenreinheit des Herdfrisch-
eisens nicht durch den grösseren Nachtheil des Kaltbruches aufgehoben
werden, sollen die Eigenschaften des Eisens auch mit seinen verhält-
nissmässig hohen Erzeugungskosten im Einklange stehen, so ist die
Benutzung reiner, phosphorfreier Roheisensorten zum Verfrischen
erforderlich.


Alle diese Verhältnisse zusammen bilden die Begründung dafür,
dass der Herdfrischprocess trotz seiner beschränkten Leistungsfähigkeit
auch in der Jetztzeit noch eine verhältnissmässig wichtige Rolle in
solchen Ländern zu spielen vermag, wo phosphorfreie Erze das Material
der Roheisendarstellung bilden, mineralische Brennstoffe selten und
kostspielig, Holzkohlen dagegen in reichlichen oder doch ausreichenden
Mengen zu beschaffen sind. Hierher gehört vor allen anderen Ländern
Schweden, dessen Herdfrischeisen sich Weltruf erwarb; auch die öster-
reichischen Alpenländer halten den Frischfeuerbetrieb, wenn auch gegen
früher im beschränkten Maasse, aufrecht und erzeugen neben gewöhn-
lichem Schmiedeeisen einen auch im Auslande geschätzten Stahl; ver-
schiedene waldreiche Gegenden Russlands gehören hierher; u. a. m.
[759]Das Herdfrischen.
Auch in Nordamerika wird noch vereinzelt Herdfrischerei betrieben,
und im Jahre 1876 gab es dort noch 59 Frischfeuer.


Die Oxydation des Kohlenstoffes, Siliciums, Mangans u. s. w. beim
Herdfrischen wird theils unmittelbar durch den Sauerstoff des Gebläse-
windes theils durch die entstehende oder absichtlich zugesetzte eisen-
oxyduloxydreiche Schlacke bewirkt. Der Umstand, dass unter dem
Einflusse des Windes thatsächlich eine eisenreiche Schlacke entstehen
kann, ehe jene genannten Körper oxydirt worden sind, und dass
trotzdem nachher eben dieselbe Schlacke oxydirend auf die Körper
einzuwirken vermag, erklärt sich, ebenso wie bei ähnlichen Oxydations-
processen, leicht aus der starken Verdünnung der in Rede stehenden
Körper im Eisenbade. Die Berührung des freien Sauerstoffes mit dem
Eisen ist eine weit ausgedehntere als mit den anderen Bestandtheilen
des Roheisens; daher werden von ersterem augenblicklich auch grössere
Mengen oxydirt und zwar bei ausreichend grosser dargebotener Ober-
fläche nicht allein zu Oxydul, sondern theilweise auch zu Oxyd. Bleibt
nun aber die Schlacke in längerer Berührung mit dem Roheisen, so tritt
hierbei Ausgleich ein; vorhandenes Eisenoxyd wird zu Oxydul reducirt,
unter Umständen (in ausreichend hoher Temperatur) auch Oxydul zu
metallischem Eisen, während der Sauerstoff der Eisenoxyde nun-
mehr die Oxydation jener oben erwähnten Bestandtheile des Roheisens
bewirkt.


In der Temperatur, welche im Frischfeuer erreicht wird, sind
Mangan und Silicium leichter oxydirbar als Kohlenstoff. Die Verbren-
nung des letzteren ist daher unbedeutend, so lange von ersteren noch
grössere Mengen zugegen sind; erst nach der Ausscheidung derselben
verläuft die Verbrennung des Kohlenstoffes rascher. 1) Kleine Mengen
Silicium und Mangan können immerhin in dem Eisen zurückbleiben,
zumal wenn der Process rasch verläuft; die durch Analyse gefundenen
Gewichtsmengen dieser Körper im Herdfrischeisen gehören allerdings
häufig, wie sich mit grosser Wahrscheinlichkeit annehmen lässt, nicht
sowohl dem Eisen selbst als vielmehr der eingemengten Schlacke an.


Phosphor kann überhaupt erst ausgeschieden werden, wenn eine
eisenreiche Schlacke zugegen ist.


Je reicher das zu verfrischende Roheisen an auszuscheidenden
Körpern, je grösser insbesondere sein Gehalt an Silicium und Mangan
ist, desto langsamer wird offenbar der Verlauf des Frischprocesses
sein. Von diesem Gesichtspunkte aus nennt man graues oder mangan-
reiches weisses Eisen, welches wegen seines Gehaltes an Silicium
und Mangan einer verhältnissmässig langen Zeit zur Umwandlung in
schmiedbares Eisen bedarf, rohfrischend, manganarmes Weisseisen,
bei dem jene Umwandlung rasch eintritt, gaarfrischend; ein be-
schleunigter Verlauf des Frischens heisst Gaargang, ein verzögerter
Rohgang.


[760]Die Darstellung des Schweisseisens.

Ausser der Beschaffenheit des Roheisens können auch äussere
Umstände den Verlauf des Frischens beeinflussen.


Hohe Temperatur im Feuer verlangsamt den Frischprocess. Die
hauptsächlichste Ursache dieser im ersten Augenblicke auffälligen Er-
scheinung dürfte in der vermehrten Kohlenoxydgasbildung aus dem
Brennmateriale zu suchen sein. Die Verwandtschaft des Kohlenstoffes
zum Sauerstoff wird mächtig gesteigert; die Holzkohlen verbrennen
rascher und zwar auf Kosten nicht allein des Sauerstoffes im Gebläse-
winde, sondern auch des Sauerstoffes der Schlacken; letztere werden
eisenärmer und in der kohlenoxydreicheren Atmosphäre finden sie weniger
Gelegenheit, sich aufs Neue mit Eisen zu sättigen.


Starke Neigung der Form und geringe Höhe derselben über dem
Boden des Feuers befördern den Gaargang. Die Ursachen hierfür
liegen nahe. Je schwächer die Kohlenschicht ist, welche der Wind zu
durchdringen hat, ehe er zum Boden gelangt, desto mehr unver-
zehrter Sauerstoff kommt mit dem am Boden sich sammelnden Eisen
nebst Schlacken in Berührung, desto stärker ist die hier stattfindende
Oxydation.


Durch den Gaargang des Feuers wird Zeit und Brennstoff ge-
spart; schwieriger aber ist bei dem rascheren Verlaufe des Processes
die Erzielung eines gleichmässigen Enderzeugnisses, und grösser pflegt
der Eisenabbrand zu sein. Daher ist ein allzu starker Gaargang keines-
wegs vortheilhaft, und durch entsprechende Auswahl der Roheisensorten
wie durch entsprechende Leitung des Processes sucht man denselben zu
vermeiden. Besonders wichtig ist die Verlangsamung des Ganges bei
Herstellung von Stahl; denn je kohlenstoffreicher das Enderzeugniss
ausfallen soll, desto sorgfältiger muss selbstverständlich eine zu rasche
und übermässige Entkohlung vermieden werden.


Das Frischfeuer.

Die übliche Einrichtung eines gewöhnlichen Frischfeuers ist durch
die Abbildungen Fig. 214a und 214b veranschaulicht. 1) Dasselbe ist
von Mauerwerk eingefasst und mit starken gusseisernen Platten aus-
gesetzt, welche Zacken genannt werden. Jeder derselben hat seine
besondere Benennung. Zu unterst liegt der Frischboden; derjenige
Zacken, über welchen die Form in das Feuer hineinragt, heisst der
Formzacken, der gegenüberliegende Gichtzacken; an der Vorder-
seite des Feuers befindet sich der Schlackenzacken, so genannt,
weil er mit Oeffnungen zum Ablassen der Schlacke versehen ist (bei
dem abgebildeten Feuer eine grössere am Boden und acht kleinere
an beiden Seiten derselben), und an der Rückseite ist das Feuer durch
den Hinterzacken abgeschlossen. Bisweilen stellt man auf den
Hinterzacken einen zweiten Zacken zu dem Zwecke, das Zurückfallen
der Flugasche in das Feuer zu verhindern, und nennt denselben als-
dann Aschenzacken. Die Zacken stehen entweder senkrecht oder
geneigt. Bei dem abgebildeten Feuer sind der Schlacken- und der
[761]Das Herdfrischen.
Formzacken nach aussen geneigt; in anderen Fällen findet man wohl
einen Formzacken mit einer schwachen Neigung nach einwärts; u. s. f.


Der Boden wird häufig durch Wasser gekühlt; eine einfache Vor-
richtung dafür zeigt die Abbildung.


In Fig. 214a stellt der Stab rechts einen Roheisenbarren dar,
welcher auf Rollen allmählich in das Feuer vorgeschoben wird, um
hier abzuschmelzen; von links her ist eine Zange mit einem Stücke
der schon gezängten und in einzelne Theile zerlegten Luppe in das

Fig. 214a.


[figure]

Feuer geschoben, damit letztere, welche zum Ausschmieden bestimmt
ist, auf Schweisshitze erwärmt werde.


Ein oder auch zwei Feuer gemeinschaftlich befinden sich unter
einem von Säulen getragenen oder durch Mauerwerk unterstützten
Rauchfang mit Schornstein. Häufig
allerdings benutzt man die abzie-
henden Gase zum Vorwärmen des
zu verfrischenden Roheisens und,
sofern man erhitzten Wind anwen-
det, auch zur Heizung desselben.
In diesem Falle muss das Feuer
überwölbt und mit der Esse durch
einen Feuerkanal verbunden sein,
in welchem die betreffenden Vor-
richtungen — Vorglühherd, Wind-
erhitzungsapparat —angeordnet wer-

Fig. 214b.


[figure]

den. Fig. 215 auf S. 762 zeigt die Einrichtung eines derartigen Frisch-
feuers aus den fünfziger Jahren. 1)A ist das eigentliche Frischfeuer
oder der Herd; B der Vorglühherd für das Roheisen, welches durch
die an der Längswand befindliche Thür eingesetzt wird; C der aus
horizontalen Röhren bestehende Winderhitzungsapparat; D die Esse.
Gewöhnlich ist neben dem Winderhitzungsapparate noch ein zweiter
Kanal angebracht, durch welchen die Gase der Esse zugeführt werden
können, wenn mit kaltem Winde geblasen werden soll.


Die Abmessungen der Feuer sind in verschiedenen Gegenden und
Ledebur, Handbuch. 49
[762]Die Darstellung des Schweisseisens.

Figure 165. Fig. 215.


unter verschiedenen Betriebsverhältnissen verschieden. Länge und
Breite sind selten oder niemals geringer als 0.5 m, gewöhnlich 0.6 bis
0.7 m, während die Tiefe unter der Form 0.16—0.26 m zu betragen
pflegt.


Das Arbeitsverfahren.

Es ist leicht erklärlich, dass ein Verfahren, welches ganz allmählich
im Laufe der Jahrhunderte und in Zeiten ausgebildet wurde, wo der
Verkehr der Menschen unter einander weit beschränkter als jetzt war,
eine Fachliteratur aber fast vollständig fehlte, auch in verschiedenen
Gegenden ziemlich abweichende äussere Formen annehmen konnte.
Schon die verschiedene Beschaffenheit des zur Verwendung stehenden
Roheisens macht, wie oben erläutert wurde, Abweichungen in der Aus-
führung des Verfahrens nothwendig; nicht minder der Umstand, ob
man beabsichtigt, weiches, d. h. kohlenstoffarmes Eisen (Schmiede-
eisen) oder Stahl darzustellen. Hierzu kommen nun aber die noch
zahlreicheren Verschiedenheiten, welche durch den Bau des Feuers, die
Grösse des Einsatzes und die Handhabungen bedingt sind und zum
grossen Theile auf jahrelangen Gewohnheiten beruhen. Solcherart
konnte Tunner in seinem bereits erwähnten, im Jahre 1858 in zweiter
Auflage erschienenen Werke: „Die Stabeisen- und Stahlbereitung in
Frischherden“ nicht weniger als 14 verschiedene Arten des Frisch-
feuerbetriebes für Schmiedeeisenerzeugung und ausserdem fünf ver-
schiedene Arten des Frischfeuerbetriebes für Stahlerzeugung unter-
scheiden; und auch hier waren nur die hauptsächlichsten Typen der
verschiedenen Arten berücksichtigt worden.


Wesentliche Unterschiede zeigen sich, je nachdem man ein man-
gan- und siliciumarmes, entweder aus geeigneten Erzen unmittelbar
erblasenes oder durch einen Feinprocess aus grauem Roheisen
erhaltenes Roheisen verwendet und mit einmaligem Niederschmelzen
[763]Das Herdfrischen.
in schmiedbares Eisen umwandelt, oder ein rohschmelziges Roheisen
(graues Roheisen, manganreiches Weisseisen) verarbeitet, wobei dann das
geschmolzene Eisen „aufgebrochen“ werden muss, um abermals nieder-
geschmolzen zu werden. Alle der zuerst erwähnten Methode zugehörige
Verfahrungsarten pflegt man als Einmalschmelzerei zu bezeichnen,
während die anderen dem Aufbrechfrischen oder der Deutschen
Frischmethode
angehören.


Ein anderer Unterschied beruht in der Art und Weise, wie das
gewonnen Eisen geschweisst wird, um weiter verarbeitet zu werden.
In manchen Fällen geschieht die Erhitzung in dem Frischfeuer selbst und
das Ausschmieden erfolgt, während der folgende Einsatz eingeschmolzen
wird; besonders war dieses Verfahren seiner grösseren Einfachheit
halber in älterer Zeit üblich. In anderen Fällen wird das Frischfeuer
nur zum Frischen selbst benutzt, die gezängte Luppe aber wird in
einem besonderen Ofen erhitzt, welcher mit anderem Brennmateriale
(Steinkohlen, Gas) geheizt werden kann. Man nennt alle die in dieser
letzteren Weise betriebenen Methoden das Wallonfrischen. Der Ver-
brauch an Holzkohlen ist beim Wallonschmieden geringer, die Beschaffen-
heit des geschweissten Eisens durchschnittlich günstiger. Aus diesem
Grunde hat in der Neuzeit, wo in fast allen Ländern das Preisverhältniss
zwischen Holzkohlen und mineralischen Brennstoffen für die ersteren
immer ungünstiger wurde und man durch die geänderten Zeitverhält-
nisse gezwungen war, da, wo der Frischfeuerbetrieb überhaupt noch
beibehalten wurde, den grössten Werth auf möglichst vorzügliche Be-
schaffenheit des erfolgenden Eisens zu legen, das Wallonfrischen die
anderen Methoden in den meisten Ländern, wo dieselben früher in
Anwendung waren, verdrängt. Auch das Wallonfrischen aber zerfällt
wieder in mehrere verschiedene Arten.


Es kann nicht in dem Ziele dieses Buches liegen, eine Beschreibung
aller der in den früheren Jahrzehnten dieses Jahrhunderts üblichen
Frischmethoden zu liefern, von denen manche zweifellos inzwischen voll-
ständig aus der Praxis verschwunden sind. Als Beispiel für die Durch-
führung des Herdfrischens überhaupt möge deshalb eine Beschreibung
derjenigen Methode folgen, welche in der Jetztzeit die am meisten
verbreitete sein dürfte und z. B. auch in den meisten Frischhütten
Schwedens in Anwendung ist. Dieselbe, ursprünglich in England aus-
gebildet und Lancashire-Frischen genannt 1), gehört der Gruppe
der Wallonfrischmethoden an.


Die Feuer dieser Lancashireschmieden sind sämmtlich, wie das in
Fig. 215 abgebildete, mit Vorglühherd versehen, Winderhitzungs-
apparate dagegen sind, wo sie früher eingeführt waren, vielfach wieder
beseitigt worden; oder man begnügt sich, mit einer Temperatur von
nicht über 100°C. zu blasen. Dass eine Ersparung an Brennstoff
durch Anwendung heissen Windes beim Herdfrischen kaum zu erreichen
sein wird, lässt sich aus den Einflüssen der Winderhitzung auf den
Verbrennungsprocess (Vermehrung der Kohlenoxydgasbildung) sowie aus
49*
[764]Die Darstellung des Schweisseisens.
den oben erwähnten Einflüssen einer hohen Temperatur auf den Ver-
lauf des Frischprocesses schliessen; und letztere Einflüsse, zumal die
Verzögerung der Verbrennung von Silicium und Mangan in hoher
Temperatur, lassen auch die mehrfach aufgestellte Behauptung gerecht-
fertigt erscheinen, dass in gewissen Fällen eine Verschlechterung der
Eisenbeschaffenheit durch die Erhitzung des Windes herbeigeführt
werde. Bei sehr gaarfrischendem Eisen dagegen wird die Anwendung
erwärmten Windes durch Verzögerung des allzu raschen Gaarens
wiederum vortheilhaft wirken können.


Die schwedischen Lancashirefeuer sind — abweichend von der
älteren in Fig. 214a und 214b skizzirten Einrichtung — mit zwei ein-
ander gegenüber liegenden Formen versehen, deren Düsen 24 mm im
Durchmesser weit sind, während die Windpressung 94—100 mm Queck-
silbersäule beträgt.


Man verwendet ein lichtgraues (stark halbirtes) oder weisses, also
ziemlich gaarfrischendes Roheisen und verarbeitet Einsätze von 65 bis
140 kg, abweichend nach der Grösse des Feuers.


Auf den Boden des Feuers bringt man etwas Holzkohlenlösche,
auf diese einige Schaufeln voll eisenoxydreicher Frischschlacke (Gaar-
schlacke) oder Hammerschlag, dann Holzkohlen. Das Roheisen pflegt
in einzelnen Stücken von 25—50 mm Stärke, 150—300 mm Länge
und Breite verarbeitet zu werden. Es wird während der Verarbeitung
des vorausgehenden Einsatzes stark angewärmt, alsdann auf die ein-
geschütteten Kohlen gebracht und mit einer Lage Kohlen bedeckt,
worauf das Gebläse angelassen wird. Hat in dieser Weise der Betrieb
begonnen, so schüttet man wohl zu oberst auf die Kohlen nochmals
Gaarschlacke oder Hammerschlag.


Während des nun beginnenden Schmelzens des Roheisens verhin-
dert der Arbeiter durch Wuchten mit einer eisernen Brechstange, dass
einzelne Roheisenstücke ungeschmolzen durch die Kohlen hindurch-
fallen und am Boden liegen bleiben. Je weniger gaarfrischend das Roh-
eisen ist, desto mehr muss der Process des Einschmelzens verzögert
werden, damit die Oxydation vollständiger sei und nicht allzu dünn-
flüssiges Eisen auf den Boden gelange. Nach Beendigung des Schmelzens
werden die aus Eisen und Schlacke bestehenden Ansätze, welche an
den „Zacken“ sich gebildet haben, mit einer Stange losgebrochen und
nochmals niedergeschmolzen, damit das Eisen derselben von der Schlacke
getrennt werde. Ist es erforderlich, so wird jetzt ein Theil der zu
oberst befindlichen Schlacke abgelassen.


War der Process des Niederschmelzens günstig verlaufen, so soll
das Eisen sich jetzt in einem teigigen Zustande am Boden befinden.
Ist dieses nicht der Fall, so wird Gaarschlacke (eine gegen Ende des
Processes entstehende eisenoxydreiche Schlacke) nachgetragen und fort-
gesetzt mit kaltem Winde geblasen.


Die Zeitdauer dieser ersten Periode ist etwa 30 Minuten.


Mit einer starken Brechstange wird nunmehr das am Boden be-
findliche Eisen in einzelne Brocken zertheilt, diese werden in der Mitte
des Feuers angesammelt und schliesslich mit der Brechstange bis zur
Oberkante des Feuers emporgehoben, um aufs Neue vor dem Winde
[765]Das Herdfrischen.
niedergeschmolzen zu werden. Befand sich noch flüssiges Eisen am
Boden, so wird die Bodenplatte durch darunter geleitetes Wasser ge-
kühlt, wodurch das Eisen zum Erstarren kommt und zum Aufbrechen
tauglich wird.


Das jetzt niederschmelzende und zuerst am Boden anlangende
Eisen wird, noch während das Einschmelzen des übrigen Eisens statt-
findet, abermals aufgebrochen und wieder nach oben auf das noch
ungeschmolzene Eisen gebracht, um ein drittes Mal niedergeschmolzen
zu werden, und dieses Verfahren wird so lange wiederholt, bis das
aufgebrochene Eisen eine zusammengeschweisste, mehr oder minder poröse
Masse bildet, aus der auch nach längerer Zeit kein flüssiges Eisen
mehr aussaigert. Mit diesem Zeitpunkte ist die zweite Periode, das
Aufbrechen, beendet, welche ebenfalls etwa 30 Minuten Zeit zu be-
anspruchen pflegt. Die Entkohlung des Eisens ist jetzt soweit fort-
geschritten, dass dasselbe stahlartige Beschaffenheit besitzt. Dieses wieder-
holte Aufbrechen des Eisens in kleinen Mengen, welches eine umfang-
reiche Durcharbeitung desselben ermöglicht, trägt nicht wenig zur
Erlangung einer gleichmässigen Beschaffenheit bei und bildet einen
wesentlichen Vortheil der Lancashiremethode. Es kommt hierbei in
Betracht, dass gerade die am wenigsten gaaren Theile des Eisens am
raschesten schmelzen und deshalb auch am häufigsten wieder auf-
gebrochen und aufs Neue vor die Form gebracht werden.


Es folgt nun die dritte Periode, das Luppenmachen oder Gaar-
frischen. Das Eisen wird jetzt, ohne durchgebrochen zu werden, in
einem einzigen Klumpen emporgebracht und in hoher Temperatur,
welche durch starke Windpressung und, wo es angeht, Erhitzung des
Windes erzeugt wird, niedergeschmolzen. Für diese Arbeit sind 15 bis
30 Minuten erforderlich. Hat der Arbeiter sich mit der Brechstange
überzeugt, dass alles Eisen richtig am Boden angekommen, flüssiges
Eisen nirgends mehr vorhanden ist, die einzelnen, etwa zerstreut ge-
wesenen Brocken gut zusammengeschweisst sind, so wird der Wind
abgestellt, die Luppe ausgebrochen und der Herd für ein neues Frischen
in Bereitschaft gesetzt.


Die erhaltene Luppe wird unter einem Hammer gezängt und dann
in zwei oder mehr Stücke zertheilt, welche nunmehr den Schweissöfen
überwiesen werden.


Der ganze Process von Einsatz zu Einsatz beansprucht etwa
2 Stunden Zeit. Ein Feuer liefert wöchentlich, je nach der Grösse des
Einsatzes 6, 8—15 t; der Verbrauch an Holzkohlen per 1000 kg Luppen-
eisen beträgt 800—1000 kg, der Abbrand (Verringerung des Eisen-
gewichtes) durchschnittlich 13 Proc. vom Gewichte des verarbeiteten
Roheisens. Für die Ausführung der verschiedenen Arbeiten sind per
Schicht drei bis vier Arbeiter erforderlich.


Schwieriger als die Herstellung kohlenstoffarmen Schmiedeeisens
ist die Herstellung von Stahl durch Herdfrischen. Während es
bei der Schmiedeeisenerzeugung nur darauf ankommt, durch wieder-
holtes Aufbrechen nach und nach alle noch roheren Theile des Ein-
satzes der Oxydationswirkung auszusetzen, bis der Kohlenstoff bis auf
[766]Die Darstellung des Schweisseisens.
kleine Mengen (etwa 0.1 Proc.) verbrannt ist, ist es bei der Stahl-
erzeugung erforderlich, nicht allein den Process zu unterbrechen, sobald
der Kohlenstoffgehalt durchschnittlich sich auf den gewünschten Grad
verringert hat, sondern auch zu verhüten, dass einzelne Theile des
Einsatzes etwa zufällig stärker von der Oxydationswirkung als andere
betroffen und dadurch kohlenstoffärmer als diese werden.


Aus diesem Grunde ist ein allzu gaarfrischendes Eisen zu ver-
meiden; der jedesmalige Einsatz darf nicht allzu beträchtlich sein
(75—90 kg); das Verhältniss der zugesetzten Schlacke dagegen, welche
eine Decke über dem am Boden sich sammelnden Eisen bilden soll,
muss reichlich bemessen sein. Das Feuer hat, entsprechend dem ge-
ringeren Einsatze, geringe Länge und Breite (ca. 0.6 m lang, 0.55 m breit),
dagegen ziemlich bedeutende Tiefe (ca. 0.3 m unterhalb der Form)
ebenfalls zu dem Zwecke, allzu beschleunigten Gaargang zu vermeiden.
Die Anwendung heissen Windes verzögert die Entkohlung und ist des-
halb vortheilhafter als bei Schmiedeeisenerzeugung.


Am geeignetsten zum Verfrischen ist ein Weisseisen mit mässigem
Mangangehalte, wie es aus Spatheisensteinen sich erblasen lässt, und
es wurde schon bei einer früheren Gelegenheit erwähnt, dass gerade
in spatheisenerzreichen Bezirken von Alters her die Stahldarstellung
geblüht habe, lange bevor man die eigentlichen Ursachen kannte, wes-
halb gerade das aus diesen Erzen erblasene Roheisen sich besonders
gut für Stahlerzeugung eigne.


Der Mangangehalt dieses Eisens hat einen doppelten Zweck zu
erfüllen. Erstens verzögert derselbe die Entkohlung, macht das Eisen
rohschmelziger; zweitens ertheilt er, sobald er in die Schlacke geht,
dieser eine dünnflüssigere Beschaffenheit, die Schlacke trennt sich leichter
vom Eisen, man bekommt, was für den Stahl doppelt wichtig ist, ein
schlackenärmeres Enderzeugniss, und sie hält im Feuer das Eisen
gleichmässiger bedeckt. Als dritter Umstand, welcher gerade die aus
Spatheisenerzen erblasenen Roheisensorten als geeignet für Herdfrisch-
stahlerzeugung erscheinen lässt, kommt deren Reinheit von Phosphor
hinzu; es wurde schon mehrfach betont, dass die Einwirkungen des
Phosphorgehaltes auf die Eigenschaften des Eisens um so empfindlicher
sich geltend machen, und dass aus diesem Grunde der Phosphorgehalt
um so niedriger sein muss, je kohlenstoffreicher das betreffende Eisen
(der Stahl) ist.


In vielen Gegenden, wo bis gegen die Mitte dieses Jahrhunderts
die Stahldarstellung durch Herdfrischen noch in umfangreicher Weise
betrieben wurde, sind die Feuer inzwischen erloschen, der Process ist
durch neuere, in ihrer Leistung gewaltigere und mit mineralischen
Brennstoffen ausführbare Methoden ersetzt worden (Siegerland); eine
gewisse Bedeutung besitzt in der Jetztzeit die Herdfrischstahlerzeugung
noch in Steiermark. Man bedient sich des Verfahrens der steirischen
Einmalschmelzerei, d. h. man schmelzt das Roheisen vor der Form
nieder und lässt es dann durch die Einwirkung der Schlacke am Boden
vollends gaaren. Während des Einschmelzens werden die Schirbeln
(durch Theilung erhaltenen Stücke) des vorigen Deuls im Feuer selbst
ausgeheizt, um unter dem Hammer gestreckt zu werden. Hinsichtlich
der Ausführung des Verfahrens im Einzelnen möge auf Tunner’s
[767]Das Herdfrischen.
mehrfach erwähntes Werk über Stabeisen- und Stahlbereitung in Frisch-
herden verwiesen werden.


Der Kohlenverbrauch bei der Stahlerzeugung ist, wie sich aus der
Verzögerung des Gaarens und der Benutzung des Feuers zum Aus-
heizen der Schirbeln erklärt, erheblich höher als bei der Schmiede-
eisendarstellung im Lancashirefeuer und dürfte sich durchschnittlich
auf 1600 kg Holzkohlen per 1000 kg Stahl beziffern. Der Abbrand
beträgt gewöhnlich 9—10 Proc., die Zeitdauer der Verarbeitung eines
Einsatzes etwa 2 Stunden.


Chemische Untersuchungen.

Da der Herdfrischprocess bereits an Wichtigkeit verlor, als man
anfing, die chemische Analyse für die Erforschung eisenhüttenmänni-
scher Processe nutzbar zu machen, so liegen nur wenige chemische
Untersuchungen über den Verlauf des Processes vor; und nicht alle
der veröffentlichten Analysen sind hinsichtlich ihrer Richtigkeit über
jeden Zweifel erhaben. Das meiste Vertrauen dürfte folgende von
Botischew1) angestellte Ermittelung über die Zusammensetzung des
Eisens in verschiedenen Stadien des Processes auf dem Eisenwerke
Nischneturinski verdienen.


Der Analyse zufolge war das verwendete Roheisen grau, ziemlich
rohfrischend. Die stattfindenden Veränderungen in der Zusammen-
setzung des Eisens entsprechen ziemlich genau dem oben S. 759 in
allgemeinen Zügen geschilderten Verlaufe des Herdfrischprocesses.


Zuerst verbrennt Eisen in grösseren Mengen, die Menge desselben
vermindert sich. Es ist daher nicht auffällig, dass der Procentgehalt
an Kohlenstoff in den ersten 30 Minuten des Schmelzens etwas zu-
nimmt. Einige Bedenken erregt jedoch die gleichzeitige Anreicherung
[768]Die Darstellung des Schweisseisens.
des Siliciumgehaltes. Sofern hier nicht ein Irrthum der Analyse vor-
liegt, darf man schliessen, dass das Schmelzen in kohlenoxydreicher
Atmosphäre, also unter Anwendung heissen Windes und bei Gegen-
wart einer wenig basischen Schlacke vor sich ging. Alsdann aber ver-
mindert sich der Siliciumgehalt rasch bis auf kleine Mengen, die zweifel-
los noch zum grossen Theile der eingemengten Schlacke angehören;
ebenso verbrennt der Kohlenstoffgehalt, und der ohnehin nicht beträcht-
liche Mangangehalt ist schon in der ersten Stunde fast vollständig ver-
schwunden.


Zu bedauern ist, dass die Ermittelungen nicht auch auf das Ver-
halten des Phosphors und Schwefels ausgedehnt wurden.


Figure 166. Fig. 216.

Stellt man den Verlauf des Processes nach Maassgabe der vor-
liegenden Analysen graphisch durch Curven dar, deren Ordinaten dem
Procentgehalte der einzelnen Bestandtheile und deren Abscisse der
Zeitdauer entsprechen, so erhält man das in Fig. 216 zur Anschauung
gebrachte Diagramm.


Die Erzeugnisse des Herdfrischprocesses.

Auf die Eigenschaften, durch welche das Herdfrischeisen vor
anderen Sorten Schweisseisen ausgezeichnet ist, wurde schon früher
hingewiesen: bei sorgfältiger Ausführung des Processes ist es möglich,
ein gleichmässigeres und schlackenreineres, deshalb bei fehlendem Phos-
phorgehalte zäheres, für Formveränderungen im kalten Zustande besser
geeignetes Eisen als durch andere Processe der Schweisseisendarstellung
zu erzeugen; aber Phosphor wird nur sehr unvollständig abgeschieden,
[769]Die Erzeugnisse des Herdfrischprocesses.
und zur Erreichung jenes Zieles ist deshalb die Anwendung möglichst
phosphorfreier Roheisensorten erforderlich. Selbstverständlich ist es,
dass bei nachlässiger Arbeit auch im Herdfrischprocesse ein nicht
minder ungleichartiges und schlackenhaltiges Eisen als durch andere
Processe erfolgen wird; und die Anforderungen, welche an die Ge-
schicklichkeit und Aufmerksamkeit des Arbeiters gestellt werden, sind
gerade bei diesem Processe höher als bei vielen anderen. Das Eisen
selbst ist fast während des ganzen Verlaufes durch die bedeckenden
Kohlen dem Auge entzogen; nur aus äusseren Kennzeichen, dem Aus-
sehen der Flamme, dem Funkenwerfen, und aus dem Gefühle beim
Untersuchen des am Boden befindlichen Eisens mit der Brechstange
vermag der Arbeiter seine Schlüsse zu ziehen.


Neben dem Eisen erfolgt Schlacke in mehr oder minder reich-
licher Menge. Ausser dem Kohlenstoff gehen alle übrigen aus dem
Roheisen ausscheidenden Bestandtheile, deren Gesammtgewicht den Ab-
brand ausmacht, im oxydirten Zustande in die Schlacke; nur Schwefel
kann auch, ohne oxydirt zu werden, von der Schlacke aufgenommen
werden.


Wie aus dem Verlaufe des Herdfrischprocesses sich ergiebt, ist
jede dabei erfolgende Schlacke reich an Eisen. Theils ist dasselbe als
Oxydul, theils als Oxyd zugegen; und die Menge des letzteren pflegt
mit dem gesammten Eisengehalte zuzunehmen. Selbstverständlich wird
die Oxydationswirkung der Schlacke auf den Kohlenstoff des mit der-
selben in Berührung befindlichen Eisens auch um so kräftiger sein,
je sauerstoffreicher sie ist, d. h. je höher ihr Eisengehalt oxydirt ist. 1)
Dass das Eisenoxyd, beziehentlich Eisenoxyduloxyd weit leichter zu
Oxydul als dieses zu metallischem Eisen reducirt werde, wurde bereits
verschiedentlich (u. a. auf S. 229) erörtert.


Der Eisengehalt der Schlacke ist jedoch in den verschiedenen
Stadien des Herdfrischprocesses und bei verschiedenen Roheisensorten
verschieden. Verarbeitet man silicium- oder manganreiches Eisen, so
scheiden sich diese beiden Körper zuerst ab; man bekommt eine um
so eisenärmere Schlacke, je grösser der Gehalt an jenen Körpern war.
Lässt man nun diese zuerst gebildete Schlacke abfliessen, so reichert
sich rasch der Eisengehalt der zurückbleibenden Schlacke an, und die-
jenige Schlacke, welche schliesslich beim Zängen der Luppen abfliesst,
pflegt naturgemäss die eisenreichste zu sein.


[770]Die Darstellung des Schweisseisens.

Eisenärmere Schlacken, welche im Anfange des Herdfrischens ent-
stehen, nennt man Rohschlacken, eisenreichere, gegen Ende des
Processes gebildet, Gaarschlacken. Erstere sind verhältnissmässig
dünnflüssig, zum Krystallisiren geneigt, schwarz oder, in dünnen Blätt-
chen, braungrün gefärbt mit starkem Glanze; letztere fliessen träge,
erstarren aber allmählicher als die Rohschlacken und krystallisiren des-
halb weniger leicht, sind schwarz mit Metallglanz und besitzen ein
bedeutendes specifisches Gewicht.


Einige Beispiele der chemischen Zusammensetzung sind folgende:

Durchschnittlich wird man den Kieselsäuregehalt der Rohschlacken
zu 30 Proc., der Gaarschlacken zu 12 Proc. annehmen können, wäh-
rend der Eisengehalt der ersteren etwa 47 Proc., der letzteren etwa
60 Proc. betragen dürfte.


In früherer Zeit stürzte man die Frischfeuerschlacken häufig als
werthlos auf die Halde oder benutzte sie allenfalls zur Wegebesserung;
neuerdings gräbt man nicht selten alte Schlackenhalden wieder auf und
verhüttet die Schlacken beim Hochofen.


Dass ein Theil der Gaarschlacke beim Frischen selbst wieder zu-
gesetzt zu werden pflegt, wurde bei der Beschreibung des Verfahrens
erwähnt. Ohne diesen Zusatz würde eine entsprechend grössere Menge
Eisen oxydirt werden müssen, um die Schlacke zu bilden. Der Ab-
brand würde höher ausfallen, der Process verlangsamt werden.


6. Das Puddeln in feststehenden Oefen.


Einleitung.

Als im Laufe des vorigen Jahrhunderts der Bedarf an Eisen mehr
und mehr zunahm, während die Wälder von Jahr zu Jahr stärker
sich lichteten und die Holzkohlen in gleichem Verhältnisse theuerer
und seltener wurden, drängten diese Umstände unaufhaltsam zu Ver-
suchen, auch bei der Darstellung des schmiedbaren Eisens, wie schon
vorher beim Hochofenbetriebe, mineralische Brennstoffe statt der bis
[771]Das Puddeln in feststehenden Oefen.
dahin ausschliesslich verwendeten Holzkohlen zur Anwendung zu
bringen.


In dem älteren zur Darstellung schmiedbaren Eisens benutzten
Apparate, dem Frischfeuer, war eine Benutzung mineralischer, stets
schwefelhaltiger, Kohlen nicht möglich. Man musste einen Ofen con-
struiren, in welchem das zu verarbeitende Eisen nicht mit dem Brenn-
stoffe selbst in Berührung kam, sondern nur durch die entwickelte
Flamme erhitzt wurde, und man erlangte alsdann den andern, nicht
zu unterschätzenden Vortheil, dass man rohe, unverkohlte Brennstoffe
zur Verwendung bringen konnte. Auf den einzuschlagenden Weg
wies die Einrichtung der schon seit Jahrhunderten benutzten Flamm-
öfen zum Schmelzen anderer Metalle hin.


Durch diese Verhältnisse angeregt erfand der Engländer Henry
Cort
im Jahre 1784 das Flammofenfrischen oder, wie es in Rück-
sicht auf die Eigenthümlichkeiten des Arbeitsverfahrens häufiger ge-
nannt wird, das Puddeln. 1)


Der Cort’sche Flammofen genügte nun allerdings dem Zwecke,
die Verwendung von Steinkohlen an Stelle der Holzkohlen für die
Darstellung schmiedbaren Eisens zu ermöglichen; er war aber noch
weit davon entfernt, als eine Verbesserung des bisherigen Verfahrens
auch in anderer Beziehung zu erscheinen. Nach dem Muster aller
übrigen bis dahin benutzten Flammöfen besass der Cort’sche Ofen
einen Herd aus quarzreichem Materiale, auf welchem die Bildung einer
stark basischen, Eisenoxydreichen Schlacke unmöglich war. Die Schlacke
vermochte demnach auch nicht, eine starke Oxydationswirkung auf
den im Eisenbade befindlichen Kohlenstoff auszuüben, und die Ver-
brennung des letzteren musste vorwiegend durch unmittelbare Ein-
wirkung des Gasstromes erfolgen, während die von dem Eisen dem
Gasstrome dargebotene Oberfläche bedeutend geringer war als bei dem
tropfenweisen Niederschmelzen im Frischfeuer. Auch das schon von
Cort in Anwendung gebrachte unausgesetzte Rühren des Metallbades
mit eisernen Stangen vermochte diesen Uebelstand nur in beschränktem
Maasse abzumindern.


Die Zeitdauer der Umwandlung des Roheisens in schmiedbares
Eisen war aus diesen Gründen lang; in der längeren Zeit aber wurden
grössere Mengen Eisen oxydirt und Brennstoff verbraucht.


Wo also nicht durch einen gänzlichen Mangel an Holzkohlen eine
dringende Veranlassung zur Einführung des neuen Verfahrens gegeben
war, sah man noch davon ab und Cort starb im Jahre 1800, ohne
von seinem Patente besonderen Nutzen gehabt zu haben.


Einen entschiedenen Fortschritt machte das neue Verfahren erst,
als im Jahre 1818 Baldwin Rogers in Glamorganshire die Puddel-
öfen mit einer eisernen Herdeinfassung, insbesondere einem eisernen
Boden versah, und als dann einige Jahre später Joseph Hall, eben-
falls ein Engländer, den eisernen Herd mit eisenoxydreichen Materia-
lien ausfutterte. Nunmehr erst waren die Vorbedingungen gegeben,
damit die Entstehung einer eisenoxydreichen Schlacke befördert und
[772]Die Darstellung des Schweisseisens.
der Process beschleunigt werden konnte. In der That stieg alsbald
nach Einführung dieser Verbesserungen die Leistung eines Ofens auf
das Dreifache, während der Abbrand und Brennstoffverbrauch sich ver-
ringerten. Im Vergleiche zu dem Herdfrischprocesse bot jetzt das
Puddelverfahren nicht allein den Vortheil der Benutzung roher und
mithin billigerer Brennstoffe, sondern auch der grösseren Leistungs-
fähigkeit des einzelnen Apparates. 1) Als nun bald darauf die Ein-
führung der Eisenbahnen nicht allein den Verbrauch des schmied-
baren Eisens ausserordentlich steigerte, sondern auch in Gegenden,
welche selbst arm an Steinkohlen waren, den Bezug derselben zu
verhältnissmässig billigen Preisen ermöglichte, konnte es nicht aus-
bleiben, dass der in der geschilderten Weise verbesserte Puddelprocess
nunmehr in allen Ländern, wo in grösserem Maasse die Eisenerzeugung
betrieben wurde, sich Eingang verschaffte und den älteren Herdfrisch-
process verdrängte; ja, dass selbst da, wo Steinkohlen noch zu kost-
spielig waren, man daran ging, Puddelöfen mit Anwendung von Holz,
Torf oder Braunkohlen als Brennstoffen, theils im rohen Zustande, theils
nach vorausgegangener Vergasung, zu errichten.


In den ersten Jahrzehnten nach Einführung des Puddelns stellte
man ausschliesslich ein kohlenstoffarmes Eisen — Schmiedeeisen — im
Puddelofen dar. Die schon seit lange geübte Praxis der Stahldar-
stellung im Frischfeuer musste die Anregung dazu geben, auch im
Puddelofen die unmittelbare Herstellung von Stahl durch rechtzeitige
Unterbrechung des Processes zu versuchen. Ziemlich lange jedoch
währte es, bis diese Versuche von durchgreifendem Erfolge gekrönt
waren. Deutschland und Oesterreich, wo der Herdfrischstahl seit
Alters her erzeugt wurde, lieferten auch den ersten Puddelstahl. Nach
Tunner2) wurde 1835 von einem kärntnischen Eisenwerke Puddel-
stahl dargestellt; in den vierziger Jahren beschäftigten sich bereits ver-
schiedene westfälische Eisenwerke mit der Anfertigung desselben. All-
gemein bekannt wurde der Puddelstahl erst seit der Londoner Welt-
ausstellung im Jahre 1851, auf welcher verschiedene westfälische
Firmen Proben desselben zur Anschauung gebracht hatten.


Der chemische Verlauf des Puddelprocesses stimmt im Wesent-
lichen mit demjenigen des Herdfrischprocesses überein. Während bei
letzterem der Gebläsewind die Oxydation einleitet und man durch
Zusatz eisenoxydreicher Schlacken die Wirkung desselben unterstützt,
sind es im Puddelofen die an Kohlensäure und Wasserdampf reichen
und zugleich noch freien Sauerstoff enthaltenden Verbrennungsgase,
welche bereits, während sie über das schmelzende Roheisen hinziehen,
[773]Das Puddeln in feststehenden Oefen.
oxydirend auf dasselbe wirken. 1) Zunächst werden auch hier vor-
wiegend Mangan, Silicium und Eisen oxydirt; erstere, weil sie an und
für sich leicht oxydirbar sind, letzteres, weil es der Menge nach so
bedeutend vorwiegt und deshalb der Oxydation stärker preisgegeben
ist. Kohlenstoff verbrennt im Anfange des Processes nicht, sofern
grössere Mengen Mangan und Silicium zugegen sind, welche die Ver-
brennung auf sich ziehen und ihn schützen.


In solcher Weise würde nun auch ohne Weiteres eine eisenreiche
Schlacke entstehen, und theils unter Einwirkung derselben, theils unter
unmittelbarer Einwirkung der Ofengase würde allmählich der Kohlen-
stoff verbrennen, sobald Silicium und Mangan ausgeschieden sind.


Offenbar wird aber der Process beschleunigt, der Eisenverlust ver-
ringert werden, wenn man, statt durch Verschlackung von Eisen aus
dem Roheisen eine eisenreiche Schlacke zu bilden, schon von vorn-
herein eine solche Schlacke oder andere eisenoxydreiche Körper (Ham-
merschlag, Eisenerze) zusetzt und diese als Oxydationsmittel auf den
Kohlenstoff-, Silicium- und Mangangehalt des eingesetzten Roheisens
einwirken lässt. Es ist in der That denkbar, dass hierbei, wenn ein
Theil des Oxydulgehaltes der Schlacke durch jene austretenden Körper,
insbesondere durch den Kohlenstoff, zu Metall reducirt würde, der
Abbrand nicht nur ganz vermieden, sondern sogar ein noch höheres
Ausbringen als der Einsatz erzielt werden könnte. 2)


In dem gewöhnlichen Puddelofen wird nun freilich dieser Fall
kaum jemals eintreten. Die Temperatur desselben ist aus einem so-
gleich zu erörternden Grunde gerade während der Oxydationsperiode
ziemlich niedrig und deshalb für die Reduction des Oxyduls zu metalli-
schem Eisen nicht günstig; das hauptsächlichste Oxydationsmittel bildet
das in der Schlacke enthaltene Eisenoxyd, welches hierbei zu Oxydul
reducirt wird, während durch die unausgesetzte Berührung mit dem
Gasstrome eine erneuerte Oxydation des letzteren stattfindet.


Diese Einwirkung der theils gebildeten, theils zugesetzten Schlacke
auf das Eisen würde nun aber eine sehr oberflächliche, langsame sein,
wenn man beide ruhig einander überlassen wollte. Die Schlacke würde
auf dem Eisen schwimmen, nur die Oberfläche des letzteren würde
von derselben beeinflusst werden können.


Durch ein unausgesetztes Umrühren beider Körper, welches schon
oben als die charakteristische Eigenthümlichkeit des Puddelns bezeichnet
wurde, ruft man also eine stets erneuerte Berührung und kräftige Ein-
wirkung derselben auf einander hervor. Ein dickflüssiger Zustand
hierbei befördert offenbar die Mischung, ein dünnflüssiger erschwert
[774]Die Darstellung des Schweisseisens.
sie; und aus diesem Grunde wirkt eine niedrige Temperatur förderlich
auf den Oxydationsprocess.


Wie beim Herdfrischen unterscheidet man beim Puddeln roh-
frischende, d. h. silicium- oder manganreiche Roheisensorten, bei denen
die Entkohlung durch den grösseren Gehalt an den genannten, leicht
oxydirbaren Körpern verzögert wird, und gaarfrischende, bei denen
die Entkohlung wegen der Abwesenheit jener Körper rasch beginnt
und rasch verläuft. Hier wie dort aber kommt der Umstand in Be-
tracht, dass, je kürzer die Zeitdauer des Processes ist, es um so
schwieriger ist, ein gleichmässig entkohltes und gleichartiges End-
erzeugniss zu erhalten, während auch die Abscheidung anderer Körper,
insbesondere des Phosphors, weniger vollkommen von Statten geht;
und eine allzu gaarfrischende Beschaffenheit des Roheisens ist deshalb
unvortheilhaft für die Beschaffenheit des erfolgenden schmiedbaren
Eisens, während durch Anwendung eines allzu rohfrischenden Eisens
der Brennstoffverbrauch und Abgang erhöht werden. Für die Wahl
des Roheisens muss demnach die verlangte Beschaffenheit des dar-
zustellenden schmiedbaren Eisens entscheidend sein.


Der Puddelofen.

Die überwiegend grösste Zahl aller vorhandenen Puddelöfen ist
mit sogenannter directer Feuerung (S. 110) versehen. Die Gründe, wes-
halb man gerade in diesem Zweige des Eisenhüttenbetriebes die Gas-
feuerung verhältnissmässig selten zur Anwendung brachte, sind ziem-
lich mannigfaltig. Eine Eigenthümlichkeit der Gasfeuerungen, welche
in manchen anderen Fällen die Hauptveranlassung zu ihrer Einführung
gab, d. i. die leichtere Erzeugung hoher Verbrennungstemperaturen,
fällt beim Puddelofenbetriebe ausser Betracht, weil man hier niemals
höherer Temperaturen bedarf, als auch bei directer Feuerung leicht zu
erreichen sind; andererseits ist gerade beim Puddelofenbetriebe ein
öfteres rasches Wechseln der Temperatur erforderlich, welches sich bei
directer Feuerung ziemlich leicht, bei manchen Gasfeuerungen weniger
leicht erzielen lässt; gegen die Anwendung von Siemensfeuerungen
insbesondere spricht einestheils der Umstand, dass der hierbei erforder-
liche Wechsel der Richtung des Gasstromes die Arbeit im Puddelofen
erschwert, andererseits auch die verschiedentlich gemachte Beobachtung,
dass gerade bei Puddelöfen die Regeneratoren der Siemensöfen leichter
als bei anderen Processen durch Flugstaub verstopft werden und des-
halb einer öfteren Reparatur bedürfen. 1) Wo aber nicht Wasserkraft
für den Betrieb der beim Puddelprocesse erforderlichen Zängevor-
richtungen und Luppenwalzwerke vorhanden ist, bedürfen die alsdann
unentbehrlichen Dampfkessel bei Puddelöfen mit Siemensfeuerung eines
[775]Der Puddelofen.
besonderen Aufwandes von Heizmaterial, während bei directer Feue-
rung und auch bei einfacherer Gasfeuerung die abziehenden heissen
Gase des Puddelofens erfahrungsmässig vollständig zur Erzeugung des
erforderlichen Dampfes ausreichen. Hierdurch wird allerdings die bei
Siemensfeuerungen erreichbare Brennstoffersparung zum grossen Theile
wieder ausgeglichen. Endlich mag auch der Umstand hinzukommen,
dass in jener Zeit, wo auch einfacher eingerichtete, billigere und für
die Durchführung des Puddelprocesses unleugbar gut geeignete Feue-
rungen (z. B. Bicherouxfeuerung) anfingen, bekannter zu werden (in
den siebenziger Jahren dieses Jahrhunderts), das Zeitalter des Puddelns
bereits seinen Höhepunkt überschritten hatte und im Niedergange be-
griffen war, man also neue Puddelhütten nicht mehr anlegte und
weniger Veranlassung fand, vorhandene Feuerungseinrichtungen noch
zu ändern.


Ein in den siebenziger Jahren erbauter Puddelofen mit directer
Feuerung ist in Fig. 217—221 abgebildet. Die allgemeine Einrichtung
desselben ist die nämliche wie bei allen anderen derartigen Herdflamm-
öfen (S. 110) und wird leicht aus der Abbildung ersichtlich sein. An
der einen Seite des Ofens liegt der Rost, welcher, gemäss der ver-
schiedenen Beschaffenheit des zur Verwendung kommenden Brenn-
stoffes, als Planrost oder als Treppenrost eingerichtet sein kann und
von einer Schüröffnung an der Vorderseite des Ofens aus bedient wird;
über die Feuerbrücke hinweg gelangt die Flamme auf den Herd, um,
nachdem sie diesen verlassen hat, durch einen Fuchskanal entweder
unmittelbar nach einer Esse oder — was weit häufiger ist — zunächst
nach einem Dampfkessel und von hier nach der Esse geführt zu
werden.


Eigenthümlich ist die Einrichtung des Herdes, wie sie der Zweck
des Ofens bedingt. Die Grundform desselben entspricht keineswegs
den früher (S. 110 ff.) erörterten Bedingungen für eine möglichst
günstige Ausnutzung der entwickelten Wärme; sie ist jedoch noth-
wendig, damit man im Stande sei, von einer einzigen bestimmten
Stelle an der Vorderseite des Ofens aus da, wo die kleine Thüröffnung
sich befindet, mit einer eingeschobenen Eisenstange sämmtliche Stellen
des Herdes zu erreichen. Wenn also der Abstand der Feuerbrücke
von der Fuchsbrücke, d. i. die Länge des Herdes, sowie die Breite
desselben an der Fuchs- oder Feuerbrücke bestimmt sind, so beschreibt
man von jenem Punkte aus einen Bogen, welcher die rückseitige Be-
grenzung des Herdes bildet; und durch gerade Linien verbindet man
die Thüröffnung mit der Feuerbrücke und Fuchsbrücke.


Die Sohle des Ofenherdes wird, wie schon oben erwähnt wurde,
durch Gusseisenplatten gebildet, welche quer von einer Seite des Ofens
zur andern hinübergehen und frei auf eisernen Trägern oder ge-
mauerten Pfeilern aufliegen, so dass die Luft von unten her zutreten
und abkühlend auf die Platten wirken kann.


Auch die Seitenbegrenzungen des Herdes sind gekühlt. Am voll-
kommensten wird dieser Zweck in der durch die Abbildung veranschau-
lichten Art und Weise erreicht. Ein hohl gegossenes sogenanntes
Herdeisen oder Legeeisen umschliesst den ganzen Herd mit Aus-
nahme der Thüröffnung und wird durch hindurchgeleitetes Wasser kühl
[776]Die Darstellung des Schweisseisens.
erhalten. Man giesst das Legeeisen entweder in einem oder — der
leichteren Herstellung halber — in zwei Stücken, welche an der Rück-
seite zusammenstossen und in geeigneter Weise verbunden sind (vergl.
Fig. 219). Die beiden Enden des Legeeisens ragen vorn neben der
Ofenthür aus dem Ofen heraus und sind hier mit eisernen Röhren
verbunden, durch deren eines von einem höher gelegenen Behälter aus
das Kühlwasser zufliesst, um, nachdem es den Herd umkreist hat, durch
das zweite Rohr abzufliessen. Zweckmässig ist es, den Abfluss so
einzurichten, dass das Wasser durch die freie Luft in ein Abfallrohr
mit Trichter oder in einen neben dem Ofen befindlichen Wassertrog
hinabfliesst, damit man sofort bemerkt, wenn etwa eine Verstopfung
der Leitung eingetreten sein sollte. Der erforderliche Wasserbedarf
zur Kühlung des Legeeisens beträgt etwa 12—15 kg per Minute.


In anderen Fällen hat man sich darauf beschränkt, nur die Fuchs-
und Feuerbrücke vermittelst eines hindurchgehenden Rohres zu kühlen,
die Rückwand nicht; und mitunter auch hat man sich mit einer Luft-
kühlung statt der Wasserkühlung begnügt. Hinsichtlich der bedeutend
geringeren Wirkung der Luftkühlung, zumal wenn nur der natür-
liche Luftzug dafür benutzt wird, möge auf das auf S. 131 Gesagte
verwiesen werden.


Es ist unleugbar, dass eine sehr energische Kühlung, wie sie ein
rings herum laufendes Legeeisen bewirkt, auch eine gewisse Erhöhung
des Brennstoffverbrauches erheischt; die Kosten hierfür aber sind ge-
wöhnlich geringer als die Mehrkosten, welche die geringere Haltbarkeit
eines weniger stark gekühlten Ofens verursacht.


Wie schon früher erwähnt wurde, erhält der gusseiserne Herd,
ehe er in Benutzung genommen werden kann, eine Ausfutterung aus
eisenoxydreichen Schlacken. Man bestreicht zu diesem Zwecke die
Bodenplatte und die innere Seite des Legeeisens mit Thon, schüttet die
Schlacken, welche zu Wallnuss- bis Faustgrösse zerschlagen wurden,
hinein, breitet sie aus und feuert nunmehr den Ofen an. Zeigt sich
an der Oberfläche die beginnende Sinterung, so bricht man mit einer
eisernen Stange die Schlacken auf, bringt die unterst liegenden Theile
nach oben u. s. w., bis das Ganze eine gleichmässig dickbreiige Con-
sistenz angenommen hat. Alsdann schüttet man Hammerschlag, Eisen-
drehspäne oder ähnliche Körper hinein, welche entweder von vorn
herein schon sehr eisenoxyduloxydreich sind oder unter der oxydiren-
den Einwirkung des Gasstromes doch leicht in Eisenoxyduloxyd um-
gewandelt werden und die Strengflüssigkeit des Futters erhöhen; ver-
theilt sie möglichst gleichmässig, schliesst dann die Thüren und giebt
mehrere Stunden hindurch starke Hitze. Alsdann öffnet man die Thür,
vertheilt die Masse, welche unter der Einwirkung der durch die Thür
eintretenden kalten Luft rasch teigig wird, gleichmässig am Boden
und ringsum an den Wänden, so dass der Herd Muldenform bekommt,
und lässt nun allmählich erkalten. Ein gut gelungener Herd darf
weder Risse noch Vorsprünge an der Oberfläche zeigen, welche letztere
leicht zu der Bildung grösserer Ansätze geschweissten Eisens Ver-
anlassung geben.


Die Stärke des Schlackenherdes pflegt in der Mitte 100—120 mm,
an den Rändern 120—150 mm zu betragen.


[][]
[figure]
[]
[figure]
[][777]Der Puddelofen.

Nach jedem Einsatze wird der Herd nachgesehen und, wenn nöthig,
ausgebessert. Ist er allzu schadhaft geworden, was regelmässig nach
Verlauf einiger Monate, mitunter auch nach kürzerer Zeit geschieht,
so wird er nach dem Kaltlegen des Ofens ausgeschlagen und neu
hergestellt.


Die Einrichtung der schon erwähnten, an der Vorderseite des
Ofens befindlichen Einsatzthür ist aus Fig. 217 und 221 ersichtlich.
Sie besteht aus einem kastenförmigen Gussstücke, und ist an der dem
Ofeninnern zugekehrten Seite mit feuerfesten Ziegeln oder feuerfester
Masse ausgefuttert. Mit Hilfe eines Hebels und einer Kette wird sie
emporgezogen und wieder niedergelassen, wobei sie gewöhnlich zwi-
schen senkrechten, an die gusseisernen Umkleidungsplatten des Ofens
angegossenen Leisten geführt ist. Damit nun aber nicht während der
lange andauernden Arbeiten mit Rührhaken und Brechstangen im Ofen
die ganze Thür emporgezogen zu werden braucht — wobei reichliche
Mengen äusserer Luft eintreten und den Ofen abkühlen würden —, ist
an der unteren Seite derselben eine kleinere Oeffnung, etwa 120 bis
150 mm breit und hoch, die Arbeitsthür genannt, ausgespart, durch
welche jene Werkzeuge in den Ofen hineingeschoben werden können.
Da die Ränder dieser Oeffnung durch die Werkzeuge stark zu leiden
haben, so pflegt man sie mit einem besonderen Einsatzstücke aus
Gusseisen zu versehen, welches nach Bedarf ausgewechselt werden
kann. In Fig. 217 und 221 ist dasselbe zu erkennen.


Auf englischen Eisenwerken verwendet man nicht selten wasser-
gekühlte Thüren, denen das Wasser durch Kautschukschläuche zugeführt
wird. Sie sind haltbarer, und für den Arbeiter ist der Aufenthalt in
der unmittelbaren Nähe der Thür dadurch weniger beschwerlich.


Unterhalb der Thür befindet sich eine starke, horizontal liegende
Gusseisenplatte, die Schwelle, auf welcher die Thür, wenn sie ge-
schlossen ist, aufruht. Dieselbe bildet zugleich die Unterstützung für
die mehrfach erwähnten Rührhaken und Brechstangen und pflegt durch
die unausgesetzte Hin- und Herbewegung derselben ziemlich rasch
abgenutzt zu werden. Häufig (auch bei dem abgebildeten Ofen) giebt
man ihr in Rücksicht hierauf einen Einsatz aus hartem Stahle unter-
halb der Arbeitsthür, welcher der Abnutzung länger widersteht und
sich ohne Schwierigkeit auswechseln lässt.


Doppelpuddelöfen. Je grösser der Einsatz ist, welcher mit
einem Male im Puddelofen verarbeitet werden soll, je grösser also auch
die Herdfläche des Ofens ist, desto schwieriger wird die Lösung der
Aufgabe, mit Hilfe eines einzigen, durch die besprochene Thüröffnung
eingeführten Rührhakens das ganze Bad durchzuarbeiten, desto länger
fällt mithin auch die Zeitdauer des ganzen Processes aus. Anderer-
seits wird aus naheliegenden Gründen der Brennstoffverbrauch, bezogen
auf die gleiche Menge dargestellten Luppeneisens, günstiger sein, wenn
man grössere, als wenn man kleinere Mengen Roheisen verarbeitet;
und wenn es gelingt, auch den grösseren Einsatz in gleicher oder
nicht erheblich längerer Zeit als den kleineren zu verarbeiten, so müssen
Ledebur, Handbuch. 50
[778]Die Darstellung des Schweisseisens.
in Rücksicht auf die grössere Leistung des einzelnen Ofens die Selbst-
kosten des erfolgenden Eisens auch insofern sich erniedrigen, als alle
jene Nebenkosten für Ofenreparaturen, Amortisation u. s. w. nunmehr
entsprechend geringer ausfallen.


Um es also zu ermöglichen, auch grössere Einsätze zu verarbeiten,
giebt man mitunter dem betreffenden Puddelofen statt einer Thür deren
zwei einander gegenüber, so dass nunmehr von beiden Seiten her
gearbeitet werden kann. Einen derartigen Puddelofen nennt man
Doppelpuddelofen. Die Grundform desselben weicht insofern von der-
jenigen des oben abgebildeten Ofens ab, als der Herd zur Erzielung
der grösseren Herdfläche breiter und an beiden Langseiten durch jene
schrägen, von der Fuchs- und Feuerbrücke nach den Thüröffnungen
hin verlaufenden Linien statt durch die Bogenlinie an der Rückseite
des einfachen Ofens begrenzt ist.


Immerhin ist die Anwendung der Doppelpuddelöfen trotz der ge-
schilderten Vortheile derselben seltener als die der einfachen. Es wurde
schon früher verschiedentlich darauf hingewiesen, dass bei allen Pro-
cessen der Schweisseisendarstellung die Aufgabe, ein durchaus gleich-
mässig entkohltes Erzeugniss zu erhalten, schwieriger wird, wenn die
Grösse des Einsatzes wächst; auch der Gehalt an eingemengter Schlacke
nimmt im Allgemeinen mit der Grösse des Einsatzes ab und zu. Die
grössere Leistung eines Doppelpuddelofens wird daher gewöhnlich auf
Kosten der guten Beschaffenheit des erzeugten Eisens erzielt; der Er-
sparung an Brennstoff und Nebenkosten aber pflegt erfahrungsmässig
ein etwas höherer Abgang an Eisen gegenüberzustehen, welcher sich
aus der stärkeren Oxydationswirkung der durch beide Thüren ein-
strömenden Luft erklären lässt.


Diese Nachtheile der Doppelpuddelöfen wiegen schwer genug, um
eine Erklärung für ihre seltenere Anwendung zu geben. Häufiger als
bei directer Feuerung sind bei Anwendung von Gasfeuerung (Siemens-
öfen, Bicherouxöfen) solche Doppelöfen gebräuchlich. Gasfeuerungen
gewähren die Möglichkeit, auch bei geringerem Sauerstoffüberschuss
eine vollständige Verbrennung zu erzielen, und jener Nachtheil einer
stärkeren Oxydation in Doppelpuddelöfen wird hierdurch vermieden
oder doch abgeschwächt.


Constructionsregeln. Die Grösse der Rostfläche muss
theils von dem Brennwerthe des Feuerungsmateriales, theils von der
Grösse des Einsatzes abhängig sein. Auf 100 kg Einsatz bezogen findet
man bei den meisten Puddelöfen eine totale Rostfläche von 0.28—0.32,
durchschnittlich 0.30 qm. Bei Brennstoffen mit grosser Wärmeleistung
und grossen Einsätzen wird man das Verhältniss etwas knapper, im
umgekehrten Falle etwas reichlicher bemessen. Der gewöhnliche Ein-
satz bei einfachen Puddelöfen pflegt 220—250 kg zu betragen, und
demzufolge schwankt die Grösse der Rostfläche bei diesen Oefen ge-
wöhnlich zwischen 0.7 und 0.9 qm.


Das Verhältniss der freien zur totalen Rostfläche ist in den meisten
Fällen annähernd = 0.4.


Die Breite des Rostes (von der Schüröffnung nach der Rückseite
des Ofens gemessen) darf ein gewisses Maass nicht übersteigen, damit
[779]Der Puddelofen.
das Schüren nicht erschwert werde, und beträgt gewöhnlich 0.9—0.95 m,
muss übrigens theilweise auch von der Form des Herdes abhängig sein.


Aus der Rostfläche und der Rostbreite ergiebt sich die Länge des
Rostes (in der Richtung der Roststäbe) von selbst.


Die Tiefe des Rostes unter der Oberkante der Feuer-
brücke
beträgt gewöhnlich 0.35—0.50 m, für grobstückige Brennstoffe
und gaarfrischendes Roheisen mehr, für dichtliegende Brennstoffe und
rohfrischendes Eisen weniger.


Die Herdabmessungen müssen abhängig sein theils von der
Grösse des Einsatzes, theils von der Beschaffenheit des zu verfrischenden
Roheisens, theils auch von der Beschaffenheit des Brennstoffes. Es
kommt hier in Betracht, dass eine grosse Herdfläche, auf der das
Metall in dünner Schicht ausgebreitet ist, zwar eine günstigere Aus-
nutzung der Wärme ermöglicht, dagegen das gleichmässige Durch-
arbeiten erschwert. Insbesondere ist eine grosse Länge in dieser Be-
ziehung nachtheilig. Puddelöfen für 220—250 kg Einsatz pflegt man
Herdlängen (im Innern des Legeeisens gemessen) von nicht über 1.8 m
bei langflammigen Brennstoffen, häufiger von 1.5—1.7 m zu geben,
während die Breite des Herdes von der Einsatzthür bis nach der Rück-
wand gemessen gewöhnlich 1.3—1.4 m beträgt, so dass das Verhältniss
der grössten Breite zur Herdlänge annähernd gleich 0.8 ist. Bei Doppel-
puddelöfen geht man mit der Länge bis auf 2 m und mit der Breite
ebenso weit. Die Länge der Feuerbrücke, welche den Herd auf der
einen Seite begrenzt, ist gleich der Breite des Rostes (0.9—0.95 m),
die Länge der Fuchsbrücke gewöhnlich 0.4—0.6 m.


Die Tiefe des Herdes von der Oberkante des Legeeisens bis zur
gusseisernen Herdsohle pflegt mit 0.25—0.3 m bemessen zu werden;
in einzelnen Fällen findet man diese Abmessung nicht grösser als
0.2 m, in anderen steigt sie bis auf 0.4 m. Mit der Oberkante des Lege-
eisens liegt die Thürschwelle und die Unterkante der Fuchsöffnung in
gleicher Ebene; ist also jene Abmessung sehr gering bemessen, so treten
bei dem heftigen Aufkochen des Eisens während der Kohlenstoffver-
brennung leicht grössere Schlacken- und Eisenmengen aus diesen Oeff-
nungen aus; eine zu bedeutende Höhe dagegen erschwert die Wärme-
abgabe. Es muss also diese Abmessung zum Theil von der Art und
Weise des Arbeitsverfahrens und der Beschaffenheit des Roheisens ab-
hängig sein; setzt man reichliche Schlackenmengen zu oder giebt das
Roheisen selbst Gelegenheit zur Bildung reichlicher Schlackenmengen,
welche nicht etwa abgelassen werden — wie es z. B. beim Stahlpuddeln
der Fall ist —, so muss der Herd tiefer sein als im andern Falle.
Den Herden der Stahlpuddelöfen giebt man deshalb kaum geringere
Tiefen als 0.3 m.


Die Feuerbrücke wird durch aufgelegte Steine erhöht, damit die
flüssigen Massen nicht über dieselben hinweg auf den Rost gelangen
können. Eine Abmessung von 0.10 m hierfür genügt. Es ist auch
hierbei zu erwägen, dass die Wärmeabgabe um so ungünstiger aus-
fällt, je höher die Feuerbrückenoberkante über der Herdsohle liegt.1)


50*
[780]Die Darstellung des Schweisseisens.

Die Höhe des Gewölbes über der Herdsohle in der Mitte
des Ofens pflegt 0.6—0.7 m zu betragen. Je tiefer der Herd ist, desto
grösser muss auch diese Abmessung sein, damit für die Einsatzthür
wie für das Flammenloch die erforderliche Höhe bleibe; daher ist bei
Stahlpuddelöfen mit tiefem Herde jene Höhe gewöhnlich beträchtlicher
als bei Puddelöfen mit flachem Herde für sehniges Eisen und steigt
mitunter bis auf 0.75 m. In der Mitte der Feuerbrücke beträgt der
Abstand des Gewölbes über der Feuerbrückenoberkante 0.25—0.35 m.


Bei Puddelöfen mit nur einer Arbeitsthür pflegt man jedoch die
Decke nicht symmetrisch über der Sohle zu wölben, sondern man
lässt sie, wie die obige Abbildung Fig. 221 erkennen lässt, von der
Rückseite nach der Vorderseite hin ansteigen. Man erreicht hierdurch
einen doppelten Zweck. Erstens erlangt man, ohne den Querschnitt
des Ofens übermässig vergrössern zu müssen (wodurch der Brennstoff-
verbrauch gesteigert werden würde), an der Vorderseite die erforder-
liche Höhe für die Anbringung der Thüröffnung, welche 0.55—0.57 m
hoch zu sein pflegt (bei 0.45—0.50 m Breite); zweitens werden bei
einer solchen Querschnittsform die Gase veranlasst, vorwiegend an der
Vorderseite des Ofens ihren Weg zu nehmen, wo durch die offen
gehaltene Arbeitsthür ununterbrochen kalte Luft in den Ofen strömt,
und man verringert auf diese Weise die nachtheiligen Folgen jener
Lufteinströmung, sowohl hinsichtlich der Abkühlung des Ofens als
einer übermässigen Oxydation.


Bei Doppelpuddelöfen, deren Einsatzthüren einander gegenüber-
liegen, ist eine derartige Querschnittsform nicht anwendbar; das Gewölbe
hat in der Mitte seine grösste Höhe, und der bei diesen Oefen be-
obachtete grössere Abbrand dürfte zum Theil auch auf diesen Umstand
zurückzuführen sein.


Die Grösse des Fuchsquerschnittes beträgt bei den meisten
Oefen ungefähr ⅛ von der Grösse der totalen Rostfläche. Die Breite
des Fuchses ist durch die Länge der den Herd begrenzenden Fuchs-
brücke (0.4—0.6 m) gegeben; aus Querschnitt und Breite ergiebt sich
die Höhe, deren Maass jedoch nicht geringer als 0.2—0.25 m sein sollte,
damit nicht Verstopfungen durch Schlacken oder Eisen herbeigeführt
werden. Den Fuchskanal lässt man entweder ansteigen (wie bei dem
abgebildeten Ofen) oder fallen. Erstere Einrichtung giebt leichter Ver-
anlassung zu Versetzungen durch Schlacken als letztere, bei welcher
jedoch an der tiefsten Stelle des Kanals ein Abfluss für die Schlacken
geschaffen werden muss; andererseits pflegt die Decke bei steigendem
Fuchse haltbarer zu sein als bei fallendem. Im Uebrigen spricht auch
die Anordnung und Form der Dampfkessel, nach welchen die Gase
geleitet werden, hierbei mit.


Puddelöfen mit Vorwärmherd. Wenn man die abziehende
Wärme des Puddelofens benutzt, das für den nächsten Einsatz be-
stimmte Roheisen vorzuwärmen, so dass es im glühenden Zustande in
den Ofen gebracht wird, so wird offenbar die Zeit der Verarbeitung
des Einsatzes abgekürzt, der Ofen besser ausgenutzt, der Brennstoff-
verbrauch zur Darstellung einer bestimmten Menge Luppeneisen ver-
ringert werden. Der Zweck lässt sich ohne Schwierigkeit erreichen,
[781]Der Puddelofen.
wenn man, wie es in Fig. 222 und 223 dargestellt ist1), hinter dem
Puddelherde einen zweiten Herd, einen sogenannten Vorwärmherd oder
Vorherd, anordnet, über welchen die Flamme hinwegstreicht, ehe sie
zur Esse beziehentlich zum Dampfkessel gelangt. Der Wärmeverbrauch
zur Erhitzung dieses zweiten Herdes ist immerhin nicht sehr bedeutend,
so dass die Gase auch bei Einschaltung desselben noch zur Heizung
der Kessel ausreichen. Die Sohle des Vorherdes besteht aus Gusseisen-
platten, welche durch aufgelegte feuerfeste Ziegeln oder eine Lage feuer-
fester Masse vor dem Verbrennen geschützt sind. Damit nicht Schlacke
in den Vorherd gelange, pflegt man der Zwischenbrücke zwischen
Puddel- und Vorherd dieselbe Höhe wie der Feuerbrücke zu geben.


Man will durch Anwendung der Vorherde in einzelnen Fällen eine
Brennstoffersparung von mehr als 25 Proc. und eine Vergrösserung

Figure 167. Fig. 222.


Figure 168. Fig. 223.


der Leistungsfähigkeit des Ofens von mehr als 50 Proc. erzielt haben;
zweifellos sind jedoch diese Ziffern zu hoch, um als Durchschnitts-
ergebnisse gelten zu können. Eine Brennstoffersparung von 15 Proc.
und eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit in dem gleichen Verhältnisse
dürfte ungefähr als der zu erzielende Nutzen angesehen werden können.
Jedenfalls würde dieses Vortheils halber die Anordnung der Vorherde
eine weit häufigere Anwendung finden als es thatsächlich der Fall ist,
wenn nicht der Uebelstand eines stärkeren Abbrandes beim Roheisen
damit verknüpft wäre. Während des längeren Glühens oxydirt sich ein
verhältnissmässig grosser Theil des Eisens und geht dann, wenn das
Schmelzen im Puddelherde beginnt, in die Schlacke. Nicht alle Roh-
[782]Die Darstellung des Schweisseisens.
eisensorten sind diesem Vorgange in gleichem Maasse unterworfen;
weisses, etwas manganhaltiges Roheisen durchschnittlich weniger als
graues. Daher erklärt es sich, dass in einzelnen Gegenden die Vor-
herde ziemlich verbreitet sind (Steiermark, Lothringen), in anderen
dagegen sich des hohen Abbrandes wegen als unvortheilhaft erwiesen
haben.


Die gegebene Abbildung Fig. 222 lässt zugleich die Anordnung
eines Treppenrostes, wie er für Braunkohlenfeuerung üblich ist, erkennen.
Links ist der untere Theil des stehenden Dampfkessels, welcher durch
die abziehenden Gase geheizt wird, sichtbar.


Dampfkessel und Esse. Nur in Gegenden, wo das Brenn-
material ausserordentlich billig ist, wird man noch Puddelöfen antreffen,
bei welchen die abziehenden Gase unmittelbar, ohne weiter benutzt zu
werden, durch den Fuchs nach der, in diesem Falle dicht neben dem
Ofen stehenden Esse geleitet werden. Dieselbe pflegt alsdann eine Höhe
von etwa 15 m bei 0.25 qm Querschnitt zu besitzen und ist an der
oberen Mündung mit einer von unten zu handhabenden Verschluss-
klappe versehen, eine Einrichtung, welche allerdings die Regelung der
Temperatur im Ofen wie der Oxydationswirkung der Flamme wesent-
lich erleichtert.


Leitet man dagegen die Gase nach einem Dampfkessel und wendet,
wie bei dem Ofen Fig. 222, einen stehenden Kessel an, so dient der
Kesselofen selbst mit seinem Aufsatze auch als Esse für den Puddelofen;
bedient man sich liegender Kessel, wie es der bequemeren Bedienung
halber häufiger der Fall ist, so pflegt man die Gase mehrerer Puddel-
beziehentlich Dampfkesselöfen durch einen gemeinschaftlichen, in der
Sohle angeordneten Sammelkanal nach einer Centralesse zu leiten,
welche alsdann eine Höhe von 40 m oder darüber bei entsprechender
Weite erhält.


Ob man jedem Puddelofen einen besonderen Dampfkessel giebt
oder mehrere Oefen (gewöhnlich zwei, seltener drei bis vier) neben
einem gemeinschaftlichen Kessel gruppirt, hängt von localen Verhält-
nissen und der Einrichtung der Dampfkessel selbst ab.


Es ist leicht erklärlich, dass bei einem so ausserordentlich häufig
angewendeten Processe, wie es der Puddelprocess seit den ersten Jahr-
zehnten dieses Jahrhunderts war und bis heute geblieben ist, zahl-
reiche Abweichungen von der oben beschriebenen einfachen Einrichtung
des Ofens vorgeschlagen und mit mehr oder minder günstigem Erfolge
zur Anwendung gebracht worden sind. Viele dieser Abänderungen
sind keineswegs allein für den Puddelofen bestimmt, sondern für alle
Arten von Flammöfen anwendbar.


Hierher gehört z. B. die Vorwärmung der unter den Rost
strömenden Luft
, indem man sie durch Züge im Mauerwerk des
Ofens oder unter der Herdplatte desselben hindurchführt; oder auch
die Anwendung von Unterwind statt des natürlichen Luftzuges.
Beide Einrichtungen sind unleugbar geeignet, Brennstoff zu ersparen;
aber sie machen die Anwendung eines geschlossenen Aschenfalles er-
[783]Der Puddelofen.
forderlich, wodurch die Reinigung des Rostes erschwert wird; und je
aschenreicher der Brennstoff ist, desto unangenehmer wird sich dieser
Umstand geltend machen. Es kommt hinzu, dass in dem ersteren Falle
die Einrichtung des Ofens an Einfachheit einbüsst, während im zweiten
Falle Kosten für die Erzeugung und Fortleitung des Gebläsewindes
entfallen; so erklärt es sich, dass derartige Einrichtungen wenigstens
in Deutschland ziemlich selten geblieben sind. Ziemlich häufig findet
man dagegen auf englischen Eisenwerken, wo man mit aschenarmen
Kohlen arbeitet, Puddelöfen mit Unterwind.


Ziemlich mannigfaltig sind auch die Wege, welche man im Laufe
der Zeit einschlug, um Gasfeuerung für den Betrieb der Puddel-
öfen
zu verwenden. Eine der ersten Verwendungen der Hochofen-
gichtgase war die Heizung eines Puddelofens. Später, in den fünfziger
Jahren, ehe das Eisenbahnnetz eine solche Ausdehnung erlangt hatte,
um die Verfrachtung von Steinkohlen auch auf weitere Entfernungen
zu ermöglichen, baute man vielfach Puddelöfen für Benutzung von
Holz oder Torf; und um trotz der geringeren Wärmeleistung dieser
Brennstoffe die erforderliche Temperatur zu erzielen, wurden sie im ver-

Figure 169. Fig. 224.


gasten Zustande und mit Anwendung von Oberwind verbrannt. Ein
solcher Puddelofen für Holz- oder Torfgasfeuerung, deren Einrichtung
zuerst in den österreichischen Alpenländern ausgebildet, später auch
am Harze, in Schweden und anderen Ländern in Anwendung gebracht
wurde, ist in Fig. 224 abgebildet.1)a ist der schachtförmige Generator,
mit Unterwind betrieben, welcher durch das Rohr d in den Generator
gelangt. Durch den Kanal f treten die Gase dann auf den Herd, um
hier durch Oberwind verbrannt zu werden, welcher aus einem Wind-
kasten i zuströmt.2) Ehe aber der Oberwind in den Ofen gelangt, wird
er durch das Legeeisen hindurchgeführt, um dieses zu kühlen und
dabei auf eine Temperatur von etwa 200°C. erwärmt zu werden.


Die sonstige Einrichtung des ebenfalls mit Vorherd versehenen
Ofens ergiebt sich aus der Abbildung.


Holz und Torf müssen, um in solchen Oefen befriedigende Ergeb-
[784]Die Darstellung des Schweisseisens.
nisse zu liefern, zuvor einer künstlichen Trocknung in besonderen
Darrkammern unterworfen werden. Diese Darrkammern aber erheischen
eine Grundfläche, welche gewöhnlich grösser ist, als die der Puddel-
hütte selbst; ihre Heizung macht einen Brennstoffaufwand, ihre Be-
dienung einen Aufwand an Löhnen erforderlich. Dadurch wird die
ganze Methode schwerfällig und kostspielig. Je mehr daher die Aus-
dehnung des Eisenbahnnetzes fortschritt und je billiger infolge davon
die Steinkohlen auch in entlegeneren Gegenden wurden, desto seltener
wurden die soeben beschriebenen Puddelöfen. Vielfach wurden sie
durch Steinkohlenpuddelöfen mit directer Feuerung ersetzt; in anderen
Fällen auch ging man zum Siemens’schen Feuerungssystem über,
welches bei Anwendung geringwerthiger Brennstoffe eine Condensation
der Wasserdämpfe innerhalb der Gasleitung ermöglichte und dadurch
jene umfänglichen Darrvorrichtungen, zugleich aber auch die immerhin
lästige Anwendung von Gebläsewind entbehrlich machte.


Die Gründe, weshalb Siemenspuddelöfen für Steinkohlenfeuerung
ziemlich selten geblieben sind, wurden schon oben erörtert. Am häufig-
sten dürften sie bei Benutzung von Braunkohlen Verwendung gefunden
haben, welche, obwohl dem Holze und Torfe an Heizwerth voran-
stehend, doch bei directer Feuerung des Puddelofens nicht immer be-
friedigende Ergebnisse liefern. Nach einem Berichte von Borbély
will man auf dem Ungarischen Eisenwerke Salgó-Tarján in Siemens-
puddelöfen mit Braunkohlenfeuerung die dreifache Production als in
Oefen mit directer Feuerung erlangt haben, während der Brennstoff-
aufwand per 1000 kg Luppeneisen incl. der bei Gasfeuerung erforder-
lichen Kohlen zur Kesselheizung annähernd gleich blieb, Arbeitslöhne
und Abbrand aber sich verringerten.1)


Unter den neueren einfacheren Systemen der Gasfeuerung, welche
allerdings für Benutzung von Steinkohlen geeigneter sind als für Be-
nutzung weniger heizkräftiger Brennstoffe, dürfte der Bicherouxofen
der in Puddelwerken am häufigsten angewendete sein. Die allgemeine
Einrichtung desselben wurde bereits auf S. 123 besprochen.2) Man
pflegt bei Puddelöfen dieses Systems die Verbrennungsluft zunächst
unter der gusseisernen Herdplatte hindurchzuführen, um diese zu kühlen,
worauf sie, wie schon früher beschrieben wurde, in eine Kammer an
der Rückseite des Ofens gelangt, um von hier im erhitzten Zustande
durch zahlreiche Oeffnungen hinter der Feuerbrücke in den Ofen ein-
zutreten und sich mit dem Gase zu mischen. Die hauptsächlichsten
Vortheile, welche durch Anwendung der Bicherouxfeuerung bei Puddel-
öfen erlangt wurden, sind Brennstoffersparung und Verringerung des
Abbrandes. Auf dem Eisenwerke zu Ougrée verringerte sich der Brenn-
stoffaufwand seit Einführung der Bicherouxöfen beim Puddeln von
etwa 950 kg Steinkohle auf 600 kg per 1000 kg Luppeneisen, der Ab-
brand von etwa 14 Proc. auf 9.5 Proc.3) Die Abnahme des Brenn-
stoffverbrauches ist eine Folge theils der günstigeren Ausnutzung des
[785]Das Arbeitsverfahren beim Puddeln in feststehenden Oefen.
Brennstoffes bei Gasfeuerungen mit erwärmter Verbrennungsluft über-
haupt, theils aber auch des Umstandes, dass die Bicherouxöfen des
genannten Werkes als Doppelöfen eingerichtet sind und die doppelten
Einsätze als die älteren Oefen mit directer Feuerung verarbeiten. Die
Verringerung des Abbrandes erklärt sich aus dem schon früher erwähnten
Umstande, dass für die Verbrennung der Gase mit erwärmter Luft ein
nur geringerer Luftüberschuss erforderlich ist, als bei directer Feuerung,
die durch den Ofen hindurchziehenden Gase mithin auch weniger freien
Sauerstoff als in letzterem Falle enthalten.


Das Arbeitsverfahren und die Betriebsergebnisse.

Die Arbeit beginnt mit dem Einsetzen des Roheisens in den be-
reits vollständig erhitzten Ofen.


Verschiedentlich hat man in früherer Zeit versucht, das Roheisen
in besonderen Oefen, insbesondere Cupolöfen, zu schmelzen, um den
Puddelofen besser auszunutzen und an Brennstoff zu sparen.1) Ein
Nutzen ist jedoch hierbei nicht erreicht worden. Die Erklärung hierfür
liegt in dem Umstande, dass während des Einschmelzens im Puddel-
ofen selbst schon chemische Veränderungen des Roheisens herbei-
geführt werden, durch welche der Process späterhin abgekürzt wird.
Die Ersparung an Zeit bei Anwendung geschmolzenen Roheisens ist
mithin nicht so beträchtlich, als man im ersten Augenblicke anzunehmen
geneigt sein dürfte; das Herdfutter wird stärker angegriffen, die Arbeit
der Puddler, welche während des Einschmelzens im Puddelofen eine
Ruhepause haben, wird beschwerlicher und eine Vermehrung der
Arbeiterzahl ist deshalb erforderlich.


Die Gesichtspunkte, welche für die Wahl der Roheisensorten maass-
gebend sind, wurden schon früher hervorgehoben. Je gleichartiger,
schlackenfreier das darzustellende schmiedbare Eisen und je höher sein
Kohlenstoffgehalt sein soll, desto weniger gaarfrischend darf der Ein-
satz sein, aber desto länger ist freilich die Zeitdauer des Processes,
desto höher der Brennstoffaufwand und der Abbrand. Gewöhnlich gattirt
man mehrere Roheisensorten; den Grundbestandtheil der Beschickung
aber pflegt ein weisses, mehr oder minder manganhaltiges Roheisen zu
bilden. Für Darstellung von Feinkorneisen2) oder Stahl ist die An-
wendung eines manganhaltigen Roheisens unerlässlich; der schon mehr-
fach erwähnte Zweck des Mangans hierbei ist die Verzögerung der
Entkohlung und Bildung einer dünnflüssigen, leicht zwischen den
Eisenkrystallen ausfliessenden Schlacke. Jene manganreichen Sorten
Weissstrahl oder Spiegeleisen bilden für diesen Zweck ein unentbehr-
liches Material, sei es für sich, sei es als Zusatz zu manganärmerem
Roheisen.


[786]Die Darstellung des Schweisseisens.

Graues Roheisen dagegen findet aus nahe liegenden Gründen
weniger häufig als weisses Verwendung beim Puddeln. Allzu gaar-
frischendem Weisseisen setzt man wohl zur Verzögerung der Ent-
kohlung gewisse Mengen Graueisen zu. Stark halbirtes Graueisen da-
gegen (Nr. IV), jene Uebergangsstufe vom grauen zum weissen Roh-
eisen, welches für andere Zwecke schlecht verwendbar zu sein pflegt,
wird in manchen Gegenden in ziemlich bedeutenden Mengen ver-
puddelt.


Da eine Phosphorabscheidung im Puddelofen zwar möglich ist, das
Enderzeugniss aber immerhin von dem ursprünglichen Phosphorgehalte
um so reichlichere Mengen zurückhalten wird, je höher derselbe war,
so ist die Anwendung eines phosphorarmen Roheisens nothwendig, wenn
das erfolgende schmiedbare Eisen frei von Kaltbruch sein soll. Ins-
besondere können deshalb auch für Feinkorneisen- und Stahldarstellung
nur phosphorarme Roheisensorten Verwendung finden.


Die Höhe des jedesmaligen Einsatzes pflegt beim Arbeiten in ein-
fachen Oefen 220—250 kg zu betragen; in Doppelpuddelöfen, besonders
solchen mit Gasfeuerung, 450—600 kg, mitunter noch etwas mehr. Auch
beim Stahlpuddeln in einfachen Oefen ist die Grösse des Einsatzes
selten weniger als 220 kg.


Das Roheisen wird auf einer breiten Schaufel durch die Einsatz-
thür in den Ofen geschoben und hier in der Mitte des Herdes in
solcher Weise ausgebreitet, dass es der Flamme möglichst preisgegeben
ist. Gewöhnlich ist noch von der Verarbeitung des vorausgegangenen
Einsatzes Schlacke im Herde zurückgeblieben; häufig setzt man auch
schon beim Einschmelzen des Roheisens Gaarschlacke oder Hammer-
schlag zu; in anderen Fällen giebt man den Zusatz erst, wenn das
Schmelzen beendet ist. Oertliche Gewohnheiten wie die Beschaffenheit
des zu verarbeitenden Roheisens sind hierfür maassgebend. Es kommt
hierbei in Betracht, dass durch den Schlackenzusatz der Ofen abgekühlt
wird. Nun schmilzt graues Roheisen, dessen Schmelztemperatur höher
liegt, nicht nur langsamer ein als weisses, sondern es wird auch ebendes-
halb, ehe es zum Schmelzen gelangt, stärker oxydirt. Ein rasches Ein-
schmelzen in hoher Temperatur ist also wünschenswerth; wird aber aus
dem geschmolzenen Roheisen das Silicium oxydirt, so tritt dabei wegen
der bedeutenden Verbrennungswärme desselben (vergl. S. 19) eine fernere
Temperatursteigerung ein und eine Abkühlung des Ofens ist noth-
wendig. In diesem Falle also pflegt man den Schlackenzusatz erst zu
geben, wenn das Einschmelzen beendet ist. Anders bei siliciumärmerem
Weisseisen, welches ohnehin rascher einschmilzt und während des
Glühens weniger stark oxydirt wird. Hier setzt man die Schlacke ge-
wöhnlich schon mit dem Roheisen oder vor demselben ein und zwar
die Schlacke zu unterst, das Eisen darauf.


Auch die Menge der zugesetzten Schlacke ist verschieden und
sowohl von der Zusammensetzung des Einsatzes als der Beschaffenheit,
welche das Enderzeugniss erhalten soll, abhängig. Beim Sehnepuddeln
aus weissem phosphorarmem Roheisen reicht mitunter die im Herde
zurückbleibende Schlacke des vorigen Einsatzes allein aus, und nur
von Zeit zu Zeit, d. h. nach Verarbeitung mehrerer Einsätze, lässt man
sie ab, um sie durch frische, möglichst phosphorfreie Schlacke (Schweiss-
[787]Das Arbeitsverfahren beim Puddeln in feststehenden Oefen.
ofenschlacke, Hammerschlag) zu ersetzen; verarbeitet man aber phos-
phorreiches Roheisen, so würde, wenn man die nämliche Schlacke wieder
anwenden wollte, dieselbe immer phosphorreicher und infolge davon
die Abscheidung des Phosphors aus dem Roheisen immer spärlicher
werden. Man lässt also in diesem Falle die phosphorsäurereiche Schlacke
ab und setzt Hammerschlag, Schweissofenschlacke oder Eisenerze dafür
ein. Der Zusatz pflegt alsdann 25—50 Proc. von dem Gewichte des
Roheisens zu betragen.


Wenn das Einsetzen beendet ist, wird die Einsatzthür geschlossen,
vor die Arbeitsthür stellt man eine Blechplatte mit einem kleinen Schau-
loche, durch welches man die Vorgänge auf dem Herde beobachten
kann, auf die Thürschwelle aber legt man neben die Fugen der Thüren
einige Kohlen, welche sich rasch erhitzen und langsam verbrennen,
dadurch das Einströmen freien Sauerstoffes in den Ofen verhindernd.


Einstweilen überlässt man nun das Roheisen ohne Weiteres der
Erhitzung. Beginnt dasselbe zu schmelzen, was nach 20—25 Minuten
der Fall zu sein pflegt, so wird es „aufgestochen“, d. h. mit einer
eisernen Brechstange gewendet, so dass die untere, weniger stark
erhitzte Seite nach oben zu liegen kommt, wobei man Stücke, die
etwa am Boden festsitzen, losbricht und überhaupt dafür sorgt, dass
nicht ungeschmolzene Stücke unter der Schlacke zurückbleiben. Im
Ganzen pflegt das Einschmelzen eine Zeit von 35—40 Minuten zu be-
anspruchen.


Verarbeitet man weisses manganarmes Eisen, so pflegen schon
beim Einschmelzen die ersten Spuren der beginnenden Kohlenstoffver-
brennung bemerkbar zu werden. An der Oberfläche der flüssigen
Schlacke, welche das Eisen bedeckt hält, zeigen sich Gasbläschen und
das entweichende Gas verbrennt mit blauer Flamme. Bei grauem Roh-
eisen ist dieser Vorgang weniger oder gar nicht bemerkbar; die Oxy-
dation wirft sich auf den Siliciumgehalt, und der Kohlenstoffgehalt bleibt
geschützt.


Es folgt nun die Arbeit des Rührens mit dem „Rührhaken“ oder
der „Kratze“, einer eisernen, vorn hakenartig umgebogenen Stange von
2.5—3 m Länge. Der Arbeiter schiebt dieselbe durch die Arbeits-
öffnung in den Ofen, setzt sie an der Fuchsbrücke ein, so dass der
Haken den Boden berührt und bewegt sie nun abwechselnd vor und
rückwärts durch das Eisenbad, gewissermaassen radiale Furchen durch
dasselbe ziehend, deren eine dicht neben der andern liegt, bis er mit
dem Haken an der entgegengesetzten Seite des Ofens, der Feuerbrücke
angekommen ist. Alsdann nimmt er denselben Weg unter steter Vor-
und Rückwärtsbewegung des Hakens rückwärts u. s. f. Ist der Haken
nach einigen Minuten des Rührens hellrothglühend geworden, so wird
er gegen einen frischen, den ein zweiter Arbeiter führt, umgetauscht.


Alsbald zeigt sich nun die Folge der durch das Rühren bewirkten
Mischung von Eisen und Schlacke. Die Kohlenoxydgasbildung wird
stärker, das Bad geräth allmählich in eine kochende Bewegung, die
sogenannte Kochperiode des Puddelprocesses beginnt. Wie schon früher
erwähnt wurde, wirkt eine allzu hohe Temperatur in dieser Periode
verzögernd auf die Entkohlung, da sie die Entmischung der beiden auf
einander wirkenden Körper, des Eisens und der Schlacke, durch grössere
[788]Die Darstellung des Schweisseisens.
Dünnflüssigkeit befördert; man schliesst also die Essenklappe, oder sucht
in sonstiger Weise die Temperatur zu ermässigen.


Die Schmelztemperatur des Eisens aber wird höher, je mehr der
Kohlenstoffgehalt desselben abnimmt, und bald zeigen sich daher Eisen-
körnchen, welche schaumartig auf der flüssigen Masse schwimmen.
Immer stärker wird die Kohlenoxydgasbildung, immer dickflüssiger
das Eisen, und das Bad steigt bis zur Höhe der Thürschwelle, wobei
gewöhnlich ein Theil der Schlacke über die Schwelle abfliesst. Die Koch-
periode hat jetzt ihren Höhepunkt erreicht; seit dem Beginne des
Rührens sind etwa 15 Minuten bei gaarfrischendem Roheisen, 20 bis
30 Minuten bei rohfrischendem verflossen.


Dieser Zustand währt mehrere Minuten. Alsdann aber verräth
die veränderte Beschaffenheit des Eisens und der Schlacken deutlich
die fortgeschrittene Entkohlung. Mehr und mehr Eisenkörner erscheinen
an der Oberfläche; die Arbeit des Rührens wird immer schwieriger,
da immer grössere Mengen des entstandenen schmiedbaren, nicht mehr
flüssigen Eisens sich der Bewegung des Hakens entgegensetzen. Die
Temperatur im Ofen wird gesteigert, um eine vorzeitige Erstarrung des
Eisens zu hintertreiben. Die Gasbildung lässt nach, die Schlacke sinkt,
und bald sieht man grössere Gruppen zusammengeschweisster Eisen-
körner aus derselben hervorragen.


Die Kochperiode hat nunmehr ihr Ende erreicht, das Rühren mit
dem Haken ist nicht mehr möglich und würde auch keinen Zweck
haben. Soll Stahl erzeugt werden, so kommt es nunmehr darauf an,
das Eisen möglichst gleichmässig auszubreiten und von der Schlacke
bedeckt zu halten, damit nicht die Gase auf die herausragenden Theile
oxydirend einwirken; arbeitet man auf sehniges Eisen, so folgt die
sogenannte Gaarfrischperiode, während welcher unter der Einwirkung
der Gase wie der Schlacke eine fortgesetzte Entkohlung stattfindet.


Zunächst kommt es zur Erlangung eines gleichmässig entkohlten
Eisens darauf an, zu verhüten, dass einzelne Theile stärker, andere
weniger stark von der Oxydationswirkung betroffen werden. Mit Hilfe
theils einer Brechstange (der Spitze), theils der schon benutzten Kratzen
arbeitet man also unausgesetzt die Eisenhaufen um, so dass das unter
der Schlacke befindliche Eisen zu oberst, die oberen Theile nach unten
kommen, zertheilt grössere Anhäufungen, damit nicht die inneren Theile
roh, d. h. kohlenstoffreich bleiben, kratzt das in den Ecken befindliche
Eisen los und bringt es in die Mitte. Während dieses Durcharbeitens
aber sucht man das Eisen schon in einzelnen Haufen abzutheilen, deren
jeder das ungefähre Gewicht einer Luppe erhält, und schiebt schliess-
lich diese noch locker auf einander liegenden Haufen nach der Fuchs-
brücke hinüber. Diese Arbeit heisst Umsetzen. Gewöhnlich verarbeitet
man den ganzen Einsatz zu 4—6 Luppen, so dass also jeder Haufen
etwa 35 kg Eisen enthält.


Arbeitet man auf Stahl, so verläuft diese Arbeit des Umsetzens
rascher und das Eisen (der Stahl) wird von Schlacke bedeckt gehalten.


Nun folgt das Luppenmachen. Mit der Brechstange drückt man
die einzelnen Haufen zusammen, so dass die Eisenkörnchen zusammen-
schweissen und möglichst viel Schlacke herausfliesst, formt sie, so gut
[789]Das Arbeitsverfahren beim Puddeln in feststehenden Oefen.
es gehen will, zu Kugeln und rollt dieselben auf der Herdsohle hin
und her, um die hier noch zerstreut liegenden Eisenkörnchen anzu-
schweissen. Ist eine Luppe in dieser Weise geformt, so rollt man sie
hinüber zur Feuerbrücke und setzt sie hier, während man mit der
Formung einer neuen beginnt, einer starken Hitze aus, um das Aus-
fliessen der Schlacke zu befördern.


Ist alles Eisen in dieser Weise verarbeitet, so schliesst man
wohl auf kurze Zeit die Arbeitsthür durch ein vorgesetztes Blech, um
möglichst hohe Temperatur im Ofen zu erlangen; dann beginnt das
Zängen.


Ein aus Eisenstäben hergestellter zweirädriger Karren wird bis vor
die Thürschwelle geschoben, die Einsatzthür wird geöffnet, und mit
einer Zange wird die zuerst gefertigte Luppe herausgeholt, um dann
rasch nach dem Zängeapparate (Hammer, Luppenquetsche) gefahren
zu werden. Hier packt sie der bereit stehende Arbeiter und formt sie
nun allmählich zu einem prismatisch vierseitigen Blocke mit abgestumpf-
ten Kanten. Im Anfange des Zängens giebt man nur schwache Schläge
oder schwachen Druck, um einer Zertrümmerung vorzubeugen; reich-
liche Schlackenmengen fliessen aus und das Eisen schweisst mehr und
mehr zusammen. Schliesslich lässt man den vollen Druck oder den
vollen Schlag des Hammers auf den Block wirken.


Das Verhalten der Luppe beim Zängen giebt schon ein Merkmal
für die Beschaffenheit. Ein gleichmässig entkohltes Eisen schweisst mit
Leichtigkeit zusammen. Zeigen sich an einzelnen Stellen blaue Flämm-
chen, so deutet diese Erscheinung auf noch rohe Stellen; das Eisen
schweisst hier schlecht und die Luppe muss mit grösserer Vorsicht
behandelt werden; sehr rohe Luppen fallen mitunter in Stücken aus
einander und müssen aufs Neue in den Ofen zurückgebracht werden,
obgleich auch hierdurch eine gründliche Verbesserung nicht mehr zu
erreichen ist.


Während des Zängens der ersten Luppe wird die zweite herbei-
geholt, u. s. f. Inzwischen aber ist das in der Nähe des Zängeapparates
aufgestellte Luppen- oder Rohschienenwalzwerk angelassen, die Arbeiter
zur Bedienung desselben haben ihre Plätze eingenommen und die noch
glühende Luppe wird rasch zum Walzwerk hingeschleift, um hier sofort
zu Rohschienen ausgewalzt zu werden.


Die Einrichtung eines Luppenwalzwerkes ist aus Fig. 183 auf
S. 701 ersichtlich. Statt des Duowalzwerkes sind in dem letzten Jahr-
zehnte auch verschiedentlich Triowalzwerke zur Anwendung gebracht
worden. Es pflegt zwei Walzgerüste zu enthalten, das eine zum Vor-
walzen in Spitzbogenkalibern, das andere mit geschlossenen Flach-
kalibern. Zur Bedienung desselben sind vier bis fünf Mann er-
forderlich.


Das Zängen und Rohschienenwalzen geht nun ununterbrochen fort,
bis alle Luppen aus dem Ofen herausgeholt und in Rohschienen um-
gewandelt sind. Die letzteren, gewöhnlich Flacheisenstäbe, werden,
sobald sie die Walzen verlassen haben, auf eine gusseiserne Richtplatte
gezogen, hier mit hölzernen Hämmern gerichtet und der Erkaltung
überlassen. Sie haben ein rissiges, unganzes Aeussere, sind reichlich
von Schlacke durchsetzt und bilden das Material für die weitere Ver-
[790]Die Darstellung des Schweisseisens.
arbeitung, gewöhnlich durch Schweissen und Auswalzen, zu Handels-
waare (vergl. unten Verarbeitung des Schweisseisens), mitunter durch
einen Schmelzprocess zu Flusseisen. Zunächst jedoch werden sie ge-
wogen, dann gewöhnlich unter einer Presse durchgebrochen, so dass
die Bruchfläche erkennbar wird, und dem Aussehen dieser Bruchfläche
zufolge (ob sehnig, feinkörnig, grobkörnig oder melirt) sortirt.


Wenn der Puddelofen entleert ist, wird der Herd nachgesehen und
nöthigenfalls ausgebessert, der Rost gereinigt und zu einem neuen Ein-
satze geschritten. Die gesammte Zeitdauer der Verarbeitung eines Ein-
satzes bis zu dem Wiederbeginn des Einsetzens pflegt — abweichend
nach der Beschaffenheit des Roheisens — 1½—2 Stunden zu sein, so
dass also in 24 Stunden 12—16 Einsätze verarbeitet werden. Ein ein-
facher Puddelofen wird der Regel nach von 2 Arbeitern per Schicht
bedient, während durch einen dritten Arbeiter, der für mehrere Oefen
gemeinschaftlich angestellt zu sein pflegt, die Handlangerarbeiten (Her-
beiholen der Materialien, Hilfe beim Luppentransporte u. s. w.) besorgt
werden. Nach 12 stündiger Schicht findet gewöhnlich Ablösung statt,
so dass bei ununterbrochenem Betriebe im Ganzen 4 Puddler nebst dem
Handlanger zur Bedienung eines Ofens erforderlich sind.


Der Abbrand des Roheisens pflegt zwischen 8 und 15 Proc. zu
schwanken. Er ist abhängig theils von der Beschaffenheit des Roheisens
und naturgemäss um so grösser, je mehr fremde, beim Frischen aus-
tretende Bestandtheile neben Kohlenstoff dasselbe enthält, theils aber
auch von der Einrichtung des Ofens und der Leitung des Processes.
Je heisser eingeschmolzen wird, je weniger lange also das Eisen im
ungeschmolzenen Zustande der Einwirkung der Flamme preisgegeben
ist, desto niedriger wird im Allgemeinen der Abbrand sein. Mangel
an oxydreicher Schlacke im Puddelofen muss zu erhöhtem Abbrande
Veranlassung geben; u. s. f.


Jenem Abbrande entsprechend sind also zur Darstellung von 1000 kg
Rohschienen etwa 1140 kg Roheisen erforderlich.


Der Brennstoffverbrauch zur Darstellung von 1000 kg Roh-
schienen pflegt bei Anwendung von Steinkohlen und einfachen Oefen
mit directer Feuerung 800—900 kg zu betragen, wenn man gewöhn-
liches Weisseisen auf sehniges schmiedbares Eisen verarbeitet; bei Dar-
stellung von Stahl steigt der Brennstoffverbrauch auf 1300 kg und
darüber. Der Grund hierfür liegt in der längeren Zeitdauer des Pro-
cesses wie der Nothwendigkeit, hohe Temperatur bei wenig oxydirender
Flamme im Ofen zu erhalten.


Dass bei Doppelöfen mit Gasfeuerung der Brennstoffverbrauch mit-
unter erheblich niedriger ausfalle (600 kg bei Sehneeisendarstellung aus
gewöhnlichem Weisseisen), wurde schon oben erwähnt.


Ungünstiger ist der Brennstoffaufwand bei Verwendung von Braun-
kohlen. Abgesehen von der an und für sich geringeren Wärmeleistung
dieser Brennstoffe müssen reichlichere Mengen derselben verbrannt
werden, lediglich um die erforderliche Temperatur im Ofen hervorzu-
bringen. Nach Borbély gebraucht man auf ungarischen Eisenwerken
bei directer Feuerung 2500—3000 kg Braunkohlen per 1000 kg Luppen-
eisen; nach Einführung von Doppelöfen mit Siemensfeuerung ermässigte
[791]Die Puddelmaschinen.
sich der Kohlenverbrauch zum Puddeln auf etwa 1450 kg, während
für die Kesselheizung noch ausserdem 870 kg erforderlich waren. Jeden-
falls lässt dieser sehr hohe Verbrauch auf eine geringwerthige Be-
schaffenheit der zur Benutzung stehenden Kohlen schliessen. In den
österreichischen Alpen pflegt der Braunkohlenverbrauch 1200—1400 kg
per 1000 kg Rohschienen bei directer Feuerung zu betragen.1)


Die Puddelmaschinen.

Je mehr in anderen Zweigen der Gewerbthätigkeit die Anwendung
von Maschinen zum Ersatze menschlicher Arbeit sich ausbreitete, desto
näher musste den Eisenhüttenleuten der Gedanke gelegt werden, auch
beim Puddelbetriebe die so mühselige Arbeit des Rührens, beziehent-
lich auch des Umsetzens u. s. w., durch Maschinenarbeit ausführen
zu lassen.


Der erste, welcher diesen Gedanken in die Wirklichkeit übertrug,
war Professor Schafhäutl in München. Er baute im Jahre 1836 eine
Puddelmaschine, welche nicht allein die Arbeit des Rührens besorgen,
sondern auch bei dem späteren Umsetzen mitwirken sollte, und brachte
dieselbe auf einem englischen Eisenwerke zur Anwendung.2) Die
Maschine erforderte eine eigene Dampfmaschine und einen Ofen mit
sehr grossem Fassungsraume; ihre Anlage war jedenfalls kostspielig,
und die gehegten Erwartungen wurden nicht erfüllt.


Eine grosse Zahl späterer Constructionen von Puddelmaschinen hat
einfach die Bestimmung, die immerhin beschwerliche Arbeit des Rührens
mit der Kratze auszuführen, während die späteren Arbeiten vollständig
dem Arbeiter überlassen bleiben; die meisten dieser Maschinen werden,
statt durch eine eigene Dampfmaschine, von einer für mehrere Oefen
gemeinschaftlichen Transmissionswelle aus angetrieben. Dadurch wird
ihre Anordnung einfacher, billiger und für die Benutzung geeigneter.


Zur besseren Ausnutzung der Maschinen pflegt man sie für Doppel-
puddelöfen (mit 400—500 kg Einsatz) in Anwendung zu bringen, in
welchen dann von beiden Seiten her wie beim Handpuddeln gerührt
wird. Die Einrichtung der Oefen zeigt keine erhebliche Abweichung
gegenüber der Einrichtung beim Handpuddeln.


Als ein Beispiel, in welcher Weise die Aufgabe gelöst werden
kann, die Bewegung des Rührhakens in der nämlichen Weise, wie sie
durch die Hand des Arbeiters erfolgt, durch maschinelle Arbeit be-
wirken zu lassen, möge die Beschreibung einer von Dumény und
Lemut construirten Puddelmaschine hier Platz finden, welche auf
einigen französischen und lothringenschen Werken in Anwendung ist.
Die Skizzen Fig. 225—227 auf S. 792 können als Erläuterung dabei
dienen.


k und k1 sind die beiden Rührhaken, welche wie gewöhnlich durch
die Arbeitsthür hindurchgehen und mit den hinteren Enden aus dem
Ofen herausragen. Mit Hilfe je eines leicht lösbaren Kugelgelenkes
[792]Die Darstellung des Schweisseisens.
sind sie an die Stangen h h1 angeschlossen, welche mit ihren oberen
Enden an dem Gebälk aufgehängt sind, so dass sie leicht in jeder
Richtung schwingen können. In einer gewissen Höhe sind diese Stangen
an die Schubstangen l l1 angeschlossen, deren gegenüber liegende Enden
mit der Warze der Kurbelscheibe b verbunden sind und somit eine
hin- und hergehende Bewegung auf die Stangen h h1 wie auf die beiden
Rührhaken übertragen. Die Kurbelscheibe b empfängt ihre Bewegung

Figure 170. Fig. 225.


Figure 171. Fig. 226.


durch die Welle w von einer auf deren Ende befindlichen Riemen-
scheibe aus. Zur Lösung der Aufgabe nun, dass die beiden Rühr-
haken ausser der Vor- und Rückwärtsbewegung auch eine allmähliche

Figure 172. Fig. 227.


Seitenbewegung ausführen und somit
nach und nach, wie bei der Hand-
arbeit, den ganzen Herd bearbeiten,
ist folgende Einrichtung getroffen.


Von der Welle w aus wird ver-
mittelst einer Schnecke das Schnecken-
rad a in ganz langsame Drehung ver-
setzt, und durch die Welle dieses
Schneckenrades wird diese Drehung
auf die zwei Kurbelscheiben c c1 über-
tragen. Von hier aus werden durch
Vermittelung der beiden Lenkstangen
m m1 die doppelarmigen Hebel g g1 in
hin- und hergehende Bewegung ver-
setzt, welche mit ihren gegabelten
Enden die senkrechten Stangen h h1,
an welchen die Rührstangen befestigt sind, umfassen und somit auch
jenen eine sehr langsam hin- und hergehende Bewegung (rechtwinklig
gegen die Hauptbewegung der Rührhaken) ertheilen. Da nun die Rühr-
haken innerhalb der schmalen Arbeitsthüren geführt sind, hier also
gewissermaassen ihren Drehungspunkt haben, wenn ihre Enden bewegt
werden, so müssen sie naturgemäss jede neue Vor- und Rückwärts-
bewegung in etwas anderer Richtung als die vorausgegangene aus-
führen; sie müssen, mit anderen Worten, ebenso wie bei der Hand-
[793]Die Zuschläge beim Puddeln.
arbeit radiale Furchen durch das Metallbad ziehen, deren jede neben
der vorausgegangenen liegt.


Selbstverständlich müssen, damit diese Seitenbewegung möglich
sei, die Schubstangen l l1 in solcher Weise an die Kurbelwarze der
Scheibe b (Fig. 227) angeschlossen sein, dass auch sie in horizontaler
Ebene die erforderliche Beweglichkeit besitzen.


Hinsichtlich sonstiger Constructionen von Puddelmaschinen muss
auf die gegebene Literatur verwiesen werden.


Erfahrungsgemäss liegt der Hauptvortheil bei Anwendung von
Puddelmaschinen weniger in einer Ersparung an Arbeitslöhnen als viel-
mehr in einer Erleichterung der allerdings beschwerlichen Arbeit des
Puddelns, wodurch es den Eisenwerken dann wieder leichter gemacht
ist, die genügende Arbeiterzahl auch für einen ausgedehnten Betrieb
zu gewinnen. Von der natürlichen Veranlagung der Arbeiter selbst
wie von dem Angebote an Arbeitskräften in einer bestimmten Gegend
wird es demnach vorwiegend abhängen, ob die Benutzung der Puddel-
maschinen vortheilhaft sei oder nicht. Vergleicht man die Betriebs-
ergebnisse der mit Maschinen betriebenen Doppelpuddelöfen mit den-
jenigen einfacher Oefen ohne Maschinen, so wird naturgemäss eine
grössere Leistung und ein geringerer Brennstoffverbrauch der ersteren
sich ergeben; diese günstigeren Betriebsverhältnisse aber sind zunächst
nicht eine Folge der Anwendung von Maschinen — obgleich deren
Anwendung gerade die Benutzung eines Doppelofens erleichtern mag —
sondern der Verarbeitung eines grösseren Einsatzes.


In England werden Puddelmaschinen verschiedener Construction
ziemlich häufig benutzt; weit seltener sind sie auf dem Continente,
wo ihre Anwendung fast ganz sich auf einige Hüttenwerke der Saar
und Mosel beschränkt.


Zuschläge beim Puddeln.

Seitdem der Puddelprocess anfing, eine hervorragende Stellung
unter den die Darstellung schmiedbaren Eisens bezweckenden Processen
einzunehmen, ist man vielfach bemüht gewesen, durch fremde Zu-
schläge beim Puddeln (neben der Schlacke) theils die Entkohlung zu
beschleunigen, hauptsächlich aber die Abscheidung des Phosphors und
daneben auch des Schwefels zu befördern.


Viele der in dieser Beziehung gemachten und auch theilweise ver-
suchsweise angewendeten Vorschläge verrathen von vorn herein eine
solche Unkenntniss des metallurgischen Verhaltens des Eisens, dass sie
mit Stillschweigen übergangen werden können1); andere dagegen erfüllen
unleugbar den Zweck, die Abscheidung von Phosphor und häufig auch
Schwefel zu erleichtern.


Die Wirkung dieser letzteren Mittel erstreckt sich in zweierlei
Richtung. Die einen wirken oxydirend, d. h. sie geben bei starker
Ledebur, Handbuch. 51
[794]Die Darstellung des Schweisseisens.
Erhitzung leicht einen Theil ihres Sauerstoffes ab; die anderen — und
diese Mittel sind gerade diejenigen, deren Wirkung sich am vortheil-
haftesten bewährte — erhöhen gleichzeitig die basische Beschaffenheit
der Schlacken und erniedrigen die Schmelztemperatur derselben. Es
ist bekannt, dass Phosphor und Schwefel leichter von basischen als
von sauren Schlacken aufgenommen werden (ersterer als Phosphat,
letzterer als Schwefelmetall), und dass auch schon die Anwesenheit
einer eisenreichen Schlacke allein ausreicht, einen grossen Theil des
Phosphors zu verschlacken, sofern die Temperatur nicht allzu hoch ist;
mit dem Eisengehalte aber steigt die Schmelztemperatur der Schlacke
und sie wird schliesslich so dickflüssig — „trocken“ sagt man in den
Puddelwerken —, dass sie die Erzielung eines brauchbaren Eisens
erschwert. Durch den Hinzutritt anderer Basen, insbesondere Mangan-
oxydul oder Alkalien, lässt sich, wie bekannt, dieser Uebelstand ab-
mindern, und die genannten Körper gewähren obenein den Vortheil,
als kräftigere Basen zu wirken.


Gewisse Verbindungen, welche verschiedentlich angewendet worden
sind, erstrecken ihre Wirksamkeit gleichzeitig in beiden erwähnten
Richtungen — als Oxydationsmittel und als Basenbildner; hierher
gehören Braunstein und Salpeter.


Häufig hat man Chloride oder Fluoride zur Anwendung gebracht:
Kochsalz, oder ein Gemisch desselben mit Chlorcalcium (Scheerer’-
sches Pulver), auch Stassfurter Kalisalze, oder Flussspath. Die in
früherer Zeit vielfach gehegte Ansicht, dass durch den Chlor- oder
Fluorgehalt dieser Körper Phosphor verflüchtigt werde, hat sich zwar
nicht bestätigt, da sich der ganze Phosphorgehalt in der Schlacke wieder-
findet, während sowohl die Alkalien wie Chlor und Fluor im Verlaufe
des Processes allmählich verflüchtigt werden; eine gewisse Wirksam-
keit ist indess jenen Verbindungen nicht abzusprechen, indem sie wenig-
stens im Anfange des Processes, wo die Phosphorabscheidung in der
niedrigeren Temperatur am leichtesten von Statten geht, die Bildung
basischer und doch leichtflüssiger Schlacken befördern. Flussspath
bildete im Laufe der siebenziger Jahre ein nicht selten benutztes Zu-
satzmittel beim Verpuddeln phosphorreichen Eisens.


Einen ungefähren Maassstab für die Wirkung solcher Zusätze
erhält man durch einen Vergleich folgender Analysen von Eisen und
Schlacke, theils mit, theils ohne Zuschlag unter übrigens ganz gleichen
Verhältnissen im Puddelofen erzeugt.1) Als Material diente ein weisses,
etwas manganhaltiges, sehr phosphorreiches Roheisen von Ilseder Hütte.2)
Als Zuschlag wurde ein Gemisch von Flussspath mit Braunstein, Chlor-
natrium und Chlorkalium gegeben. Es enthielt:


a) Das Eisen:

[795]Die Zuschläge beim Puddeln.

b) Die Schlacken (am Ende des Processes dem Ofen entnommen):


ohne Zuschlag gepuddelt
    • Fe O   60.18
    • Fe2 O3  11.31
  • Mn O   5.14
  • Mg O   0.00
  • Ca O   0.00
  • P2 O5  16.05
  • Si O2  6.10
  • S   0.57
  • Mn   0.98
  • Alkalien  0.00
  • 100.33
mit Zuschlag gepuddelt
    • Fe O   53.04
    • Fe2 O3  7.94
  • Mn O   11.22
  • Mg O   1.92
  • Ca O   1.06
  • P2 O5  17.42
  • Si O2  5.86
  • S   0.56
  • Ca   0.70
  • Alkalien  n. best.
  • 99.72

Die Einwirkung der Zuschläge ist sowohl bei der Zusammen-
setzung des Eisens als derjenigen der Schlacken deutlich bemerkbar,
aber sie ist nicht sehr erheblich. Die Zusammensetzung der ohne Zu-
schlag erzeugten Schlacke lässt erkennen, dass auch die eisenreiche
Schlacke an und für sich schon geeignet ist, reiche Mengen von Phos-
phor aufzunehmen; und es würde jedenfalls ein noch phosphorärmeres
Eisen aus dem phosphorreichen Roheisen dargestellt werden können,
wenn man im Stande wäre, mit grösseren Schlackenmengen auf das
Roheisen zu wirken. Die Eigenthümlichkeit des Puddelprocesses wie
der Fassungsraum des Ofens aber setzen in dieser Beziehung eine Grenze.
In solchen Fällen also würde eine vorausgehende Entphosphorung des
Roheisens vor dem Verpuddeln desselben (S. 625) am Platze sein. Die
Gründe, weshalb auch dieses Verfahren verhältnissmässig selten zur
Anwendung gebracht wird, wurden theilweise schon auf S. 627 berührt.
Die Entphosphorung ist nicht ohne Kosten zu bewirken, und der seit
Ende des achten Jahrzehnts dieses Jahrhunderts in die Praxis ein-
geführte Thomasprocess giebt ein Mittel, auch die phosphorreichsten
Roheisensorten ohne besondere Vorbereitungsprocesse in fast phosphor-
freies Flusseisen umzuwandeln.


Im Uebrigen lassen die oben mitgetheilten Analysen erkennen, dass
der durch Anwendung chemischer Zuschläge beim Puddeln erlangte
Erfolg kaum immer mit den Kosten dieser Zuschläge im Einklange
stehen dürfte.


Chemische Untersuchungen.

Ziemlich häufige Untersuchungen sind im Laufe der Zeit von ver-
schiedenen Forschern zur Erkennung des Puddelprocesses, insbesondere
der allmählichen Umwandlungen, welche das Eisen dabei erfährt, an-
gestellt worden.1) Es folgt aus dem früher Gesagten, dass der Verlauf
dieser Umwandlungen nicht immer genau derselbe sein kann. Er wird
von der Beschaffenheit des angewendeten Roheisens selbst, der Tempe-
ratur im Ofen, der Menge und chemischen Beschaffenheit der zugesetzten
Schlacke, dem Zeitpunkte, wann dieser Schlackenzusatz stattfand, end-
51*
[796]Die Darstellung des Schweisseisens.
lich auch von der Beschaffenheit, welche das Enderzeugniss erhalten
sollte, abhängig sein.


Beispiele.


1. Darstellung von gewöhnlichem kohlenstoffarmem (also sehnigem)
Schweisseisen aus halbirtem, mässig gaarfrischendem Roheisen auf einem
englischen Eisenwerke. Puddelofen mit Unterwind. Der Herd wurde
vor dem Einsetzen des Roheisens mit etwa 50 kg Hammerschlag be-
setzt, worauf alsdann als Roheisen (200 kg) eingebracht wurde. Analysen
von H. Louis.1)


Die Analysen zeigen eine rasche Abnahme des Siliciums, eine all-
mähliche und ziemlich gleichmässige Abnahme des Kohlenstoffes, wäh-

Figure 173. Fig. 228.


[797]Chemische Untersuchungen des Puddelprocesses.
rend Phosphor vorzugsweise im Anfange und dann während des Luppen-
machens austritt. Es lässt sich jedoch mit Sicherheit annehmen, dass
hier — wie bei allen ähnlichen Untersuchungen — der in den vor-
letzten Proben gefundene Phosphor zum Theile von der eingemengten
Schlacke herrührt; und dass diese Schlackenmenge nicht gering war,
ergiebt sich aus der Menge der zugleich in den Proben gefundenen
Kieselsäure, welche z. B. in der beim Beginne des Umsetzens genom-
menen Probe 1.37 Proc. betrug.


Eine graphische Darstellung des Verlaufes dieses Processes in der
Weise, wie auch der Herdfrischprocess dargestellt wurde (S. 768), giebt,
wenn man die muthmaassliche Zusammensetzung des Roheisens ein-
fügt, die in Fig. 228 verzeichneten Curven.


2. Darstellung von Feinkorneisen aus silicium- und mangan-
reichem, rohfrischendem Roheisen in einem gewöhnlichen Steinkohlen-
Puddelofen auf einem oberschlesischen Eisenwerke. Schlackenzusatz
wurde erst nach dem Einschmelzen des Roheisens gegeben. Analysen
von J. Kollmann.1)


Die Analysenreihe ist recht charakteristisch für den Verlauf des
Processes bei Verarbeitung von sehr siliciumreichem und zugleich
manganhaltigem, also stark rohfrischendem Roheisen. Silicium und
Mangan treten rasch aus, die Gesammtmenge des Eisens nimmt infolge
davon ab und der Procentgehalt an Kohlenstoff wächst, bis schliesslich
auch dessen Verbrennung beginnt.


Die graphische Darstellung des Verlaufes ist durch Fig. 229 auf
S. 798 gegeben.


[798]Die Darstellung des Schweisseisens.
Figure 174. Fig. 229.

3. Darstellung von Stahl aus einem silicium- und manganhaltigen,
mässig rohfrischenden Roheisen in einem (jetzt nicht mehr vorhande-
nen) Holzgaspuddelofen auf dem Eisenwerke zu Zorge. Einrichtung
des Ofens wie in Fig. 224 auf S. 783 dargestellt. Analysen von
A. Schilling.1)


[799]Chemische Untersuchungen des Puddelprocesses.

Das hier verwendete Roheisen war weit weniger silicium- und
manganreich als das des vorigen Beispiels, die Temperatur im Gas-
puddelofen muthmaasslich höher als in jenem Ofen mit directer Feue-

Figure 175. Fig. 230.


rung; daher verbrennt hier schon Kohlenstoff beim Einschmelzen neben
Mangan und Silicium. Fig. 230 zeigt den Verlauf des Processes in
diesem Falle.


In allen den besprochenen, wie auch in anderen Fällen wurden
auch die Schlacken des Puddelprocesses in den verschiedenen Stadien
desselben der Untersuchung unterworfen. Obgleich nun allerdings die
Zusammensetzung derselben theilweise von Nebenumständen (Einwerfen
fremder Schlacke u. s. w.) abhängig ist, so zeigen doch im Grossen
und Ganzen die Aenderungen, welche die Zusammensetzung der
Schlacke während des Processes erfährt, eine weit grössere Ueberein-
stimmung in verschiedenen Fällen als beim Eisen. Der Kieselsäure-
gehalt zeigt während des Processes selten sehr erhebliche Abweichungen,
sofern nicht etwa nach beendigter Oxydation des Siliciumgehaltes des
Roheisens Schlacke abgelassen wird; der Eisenoxydgehalt (Fe2 O3) nimmt
regelmässig beim Beginne des Processes ab, um erst am Schlusse
wieder auf den ursprünglichen Stand zurückzukehren. Dieser Umstand
beweist deutlich, dass, wie schon früher hervorgehoben wurde, gerade
das Eisenoxyd im Puddelofen als kräftiges Oxydationsmittel auf Kohle,
Silicium, Phosphor, Mangan einwirkt.


Als Beispiele mögen die zu den oben mitgetheilten Roheisen-
analysen zugehörigen Schlackenanalysen folgen.


[800]Die Darstellung des Schweisseisens.

1. Sehneeisendarstellung auf einem englischen Eisenwerke.


Die bedeutende Abnahme des Kieselsäure- und Phosphorgehaltes
der Schlacke im letzten Stadium des Processes erklärt sich hier aus
dem Umstande, dass vor der Entnahme der Schlackenprobe Schlacke
abgelassen wurde. Unter der fortgesetzten Einwirkung der Ofengase
auf die bereits fertigen Luppen aber wurde unausgesetzt Eisen oxydirt
und eine sehr eisenreiche, kieselsäure- und phosphorsäureärmere Schlacke
gebildet.


2. Feinkorneisendarstellung aus silicium- und manganreichem Roh-
eisen auf einem oberschlesischen Eisenwerke.


3. Stahldarstellung in Zorge.

Die Erzeugnisse.

Die Rohschienen, das erste Erzeugniss des Puddelprocesses,
sind, wie schon oben hervorgehoben wurde, von Schlacke reichlich
durchsetzt und erfordern eine fernere Reinigung durch Schweissen,
[801]Das Puddeln in Drehöfen.
und Walzen, sofern man sie nicht als Material für Flusseisendar-
stellung benutzen will.


Die charakteristischen Eigenthümlichkeiten des geschweissten
Puddeleisens
im Vergleiche zu anderm Schweisseisen, insbesondere
zum Herdfrischeisen wurden schon früher erwähnt: aus vorzüglichem
Roheisen lässt sich zwar im Frischfeuer ein schmiedbares Eisen dar-
stellen, welches sich vor dem Puddeleisen durch grössere Geschmeidig-
keit auszeichnet; aber aus geringwerthigeren, besonders phosphor-
reichen Roheisensorten gelingt es leichter im Puddelofen als im Frisch-
feuer, ein noch brauchbares Eisen zu erzeugen.


Die Schlacken des Puddelprocesses sind, wie die oben mitgetheilten
Analysen nachweisen, den Frischfeuerschlacken sehr ähnlich und wie
diese reich an Eisenoxyden, aber auch, sofern man phosphorreiches
Roheisen verarbeitete, reich an Phosphorsäure (vergl. die Analyse auf
S. 795). Die phosphorsäurereichen Schlacken kommen auf die Halde
oder werden beim Hochofenbetriebe wieder zugesetzt; die phosphor-
säureärmeren bleiben im Puddelofen, bis auch ihr Phosphorgehalt sich
soweit angereichert hat, dass ein Ersatz geboten erscheint.


7. Das Puddeln in Drehöfen.


Einleitung.

Derselbe Zweck, welchen man bei Einführung der Puddelmaschinen
im Auge hatte, die Ersparung an menschlicher Arbeit, lässt sich auch
erreichen, wenn man, statt die Mischung der Schlacke und des Roh-
eisens durch Rühren zu bewirken, den Herd des Ofens beweglich macht
und durch dessen Drehung eine stets erneuerte Mischung jener Körper
herbeiführt. Hierdurch fällt dann allerdings jene charakteristische Eigen-
thümlichkeit des Puddelverfahrens, das Rühren, ganz weg, welche dem
Processe den Namen gegeben hat; dennoch hat man die Bezeichnung
Puddeln auch für dieses Verfahren beibehalten.


Der chemische Verlauf des Processes ist in der That demjenigen
in feststehenden Oefen ausserordentlich ähnlich. Auch hier ist es die
zugesetzte eisenreiche Schlacke, welche die Oxydation des Siliciums,
Phosphors, Kohlenstoffes und Mangans bewirkt, indem der Eisen-
oxydgehalt derselben zu Oxydul, der Oxydulgehalt theilweise zu metalli-
schem Eisen reducirt wird. Dennoch sind einige Unterschiede be-
achtenswerth.


Da bei dem Drehofen die Arbeit des Rührens wegfällt, so kann
derselbe während der ganzen Zeit der chemischen Thätigkeit geschlossen
gehalten werden. Die Einströmung äusserer Luft und die damit ver-
knüpfte Abkühlung und Oxydation fällt weg, der Brennstoffverbrauch
ist günstiger, der Abbrand geringer.


Während in dem feststehenden Puddelofen die Mischung des Eisens
und der Schlacke in jedem Augenblicke nur an einer Stelle vor sich
geht, da, wo der Rührhaken sich gerade befindet, und man durch
niedrige Temperatur einer allzu raschen Entmischung der Körper vor-
beugen muss, wird in dem Drehofen die Mischung der ganzen ge-
schmolzenen Masse ununterbrochen erneuert. Die Reaction wird dadurch
[802]Die Darstellung des Schweisseisens.
gleichmässiger; man ist aber auch im Stande, den Process in höherer
Temperatur durchzuführen. Letzterer Umstand ruft dann eine energi-
schere chemische Thätigkeit hervor; neben dem Eisenoxyd tritt das
Eisenoxydul als kräftiges Oxydationsmittel in Wirksamkeit, metallisches
Eisen wird aus demselben reducirt und auch infolge hiervon wird der
Abbrand geringer. Jenes Ziel, ohne Abbrand zu arbeiten, indem man
die Oxydation der verschiedenen ausscheidenden Körper durch Eisen-
oxydul bewirken lässt und für dieselben metallisches Eisen zuführt,
wird daher erfahrungsmässig im Drehofen leichter als im stehenden
Puddelofen erreicht.1)


Der Umstand aber, dass das Rühren des Eisens mit der Kratze
wegfällt, ermöglicht den Zusatz reichlicherer Mengen oxydirender Körper
(Schlacken) als im feststehenden Ofen; der andere Umstand, dass der
Zutritt der äusseren, oxydirend wirkenden Luft beschränkt ist, macht
diesen reichlicheren Zusatz sogar nothwendig. Je grösser aber die Menge
der anwesenden eisenreichen Schlacke ist, desto kräftiger vermag sie
auf den Phosphorgehalt des eingesetzten Eisens einzuwirken; und hieraus
erklärt es sich, dass im Drehofen durchschnittlich eine weitergehende
Entphosphorung herbeigeführt wird, als im feststehenden.


Wenn trotz dieser unleugbaren Vorzüge die Drehöfen beim Puddel-
betriebe sich nur sehr vereinzelt Eingang zu verschaffen vermochten,
so sind die Gründe dafür in verschiedenen Umständen zu suchen.
Die Bewegung des Ofens erfordert einen mechanischen Arbeitsaufwand,
der nicht ohne Kosten zu bestreiten ist; und in manchen Fällen werden
diese Kosten kaum erheblich niedriger sein als die Ersparung an Arbeits-
löhnen. Die Einrichtung eines Drehofens ist weit kostspieliger als die
eines feststehenden, die erforderlichen Reparaturen sind naturgemäss
häufiger als bei letzterem. Insbesondere ist die Herstellung des Futters
eines Drehofens schwieriger, da desselbe nicht allein gegen die chemi-
schen Einflüsse des Processes widerstandsfähig sein, sondern auch den
Erschütterungen u. s. w. beim Drehen des Ofens gegenüber sich als
haltbar erweisen muss; und öfter als im feststehenden Ofen muss das
Futter erneuert werden. Damit die höheren Anlagekosten des Dreh-
ofens vortheilhafter ausgenutzt werden, wird man denselben für grössere
Einsätze herrichten; während aber der Einsatz des feststehenden Ofens
in mehrere kleine Luppen getheilt wird, die dann einzeln gezängt und
ausgewalzt werden, erfolgt in den meisten Drehöfen — und zwar gerade
in denjenigen, deren Ergebnisse am günstigsten waren — unter Aus-
schluss fast aller Handarbeit eine einzige sehr grosse Luppe, die als-
dann, um gezängt und gewalzt zu werden, ganz besonderer umfang-
reicher Apparate bedarf.


Dennoch würde das Drehpuddeln zweifellos eine ausgedehntere
Anwendung gefunden haben, nachdem die ersten Schwierigkeiten über-
[803]Die Drehpuddelöfen.
wunden worden waren, welche sich, wie so häufig bei neuen Ein-
richtungen, auch bei der Einführung der Drehöfen zeigten, wenn der
Bedarf an geschweisstem Eisen mit dem Bedarfe an schmiedbarem Eisen
überhaupt Schritt gehalten hätte. Jene Zeit aber, wo man anfing, ver-
besserte Constructionen von Drehpuddelöfen in die Praxis einzuführen
(Anfang der siebenziger Jahre dieses Jahrhunderts), grenzte schon hart
an die neueste Epoche des Eisenhüttengewerbes, in welcher das Fluss-
eisen allem Schweisseisen mehr und mehr den Rang streitig macht,
und in welcher voraussichtlich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt die Schweiss-
eisendarstellung überhaupt an Wichtigkeit und Umfang verlieren wird.


So erklärt es sich leicht, dass für die meisten Eisenwerke die Ver-
anlassung fehlte, neue und kostspielige Anlagen für Schweisseisen-
darstellung zu begründen.


Die Drehpuddelöfen.

Die erste Construction eines Drehpuddelofens rührt von dem
Schweden Oestlund her, welcher im Jahre 1859 einen solchen auf
dem Eisenwerke zu Finspong erbaute. Derselbe bestand aus einem
topfartigen Gefässe an dem oberen Ende einer schräg stehenden, sich
drehenden Welle. Die Heizung fand durch Gase statt, welche in die
Mündung des Gefässes einströmten; eine besondere Vorrichtung diente
dazu, die Welle sammt dem Gefässe nach beendigter Umwandlung des
Roheisens zu kippen, um die Luppe herausrollen zu lassen. Ausser in
Finspong hat der Oestlund’sche Ofen in seiner ursprünglichen Form
keine Anwendung gefunden.1)


Auch eine in den siebenziger Jahren von den Engländern Godfrey
und Howson auf einigen Eisenwerken Clevelands eingeführte ver-
besserte Form des Oestlund’schen Ofens hat einen nennenswerthen oder
zur Nachahmung anregenden Erfolg nicht gehabt.2)


Der auf S. 128 besprochene Tellerofen von Pernot war ur-
sprünglich für den Puddelprocess bestimmt. Da aber das Umsetzen
und Luppenmachen hier durch Handarbeit geschehen musste, so wurde
verhältnissmässig wenig menschliche Arbeit bei der Anwendung des-
selben gespart; der Ofen besass, sofern er zum Puddeln diente, die
Nachtheile aller Drehöfen ohne die Vortheile mancher derselben, und
seine Anwendung gelangte deshalb nicht über das Versuchsstadium
hinaus.


Erfolgreicher waren solche Oefen, die schon auf S. 127 kurz
erwähnt und als Cylinderöfen bezeichnet wurden: mit cylindrischem
oder tonnenförmigem Herde und wagerechter Drehungsachse, also im
Wesentlichen ebenso angeordnet, wie der auf S. 719 abgebildete Sie-
mens’sche Drehofen für directe Eisendarstellung (Fig. 212 und 213).


Schon im Jahre 1862 wurde in Finspong an Stelle des älteren
Oestlund’schen Topfofens ein solcher Cylinderofen durch Ekman
[804]Die Darstellung des Schweisseisens.
gebaut1); verschiedene ähnliche Constructionen wurden im Laufe der
sechziger Jahre vorgeschlagen2), ohne praktische Bedeutung zu erlangen.
Manche derselben scheiterten an der Schwierigkeit, ein oxydirendes
und bei der Drehung ausreichend haltbares Futter herzustellen. Besseren
Erfolg hatte ein von dem Amerikaner Danks im Jahre 1871 erbauter
Ofen, welcher mit einigen, später von dem Eisenwerke Creusot in
Frankreich angebrachten Verbesserungen in Fig. 231—234 abge-
bildet ist.3)


Fig. 231 stellt den Längsschnitt durch den ganzen Ofen dar. Links
befindet sich die feststehende Feuerung, mit geschlossenem Aschenfall
und Unterwind versehen. Erforderlichen Falles kann durch die beiden
Schlitze a a auch Oberwind aus dem über dem Feuerungsraume befind-
lichen Windsammelraume b zugeführt werden. Durch eine gekühlte
Feuerbrücke ist der Feuerungsraum von dem Mitteltheile des Ofens, dem
drehbaren Herde getrennt.


Wie die Abbildungen Fig. 232, 233 und 234 erkennen lassen, ist
der letztere von einem cylindrischen Eisenmantel umgeben und wird
von vier Rollen c c getragen. Auf dem Mantel ist ein Zahnkranz d
befestigt, der mit einem seitlich gelagerten Getriebe im Eingriffe steht
(Fig. 232) und die von einer Transmissionswelle ausgehende Bewegung
auf den Ofen überträgt.


Das ganze Drehstück der in Creusot gebauten Oefen ist mit Wasser
gekühlt, wodurch die Haltbarkeit des Futters erheblich vergrössert
wird. Wie Fig. 231 erkennen lässt, ist zu diesem Zwecke ein doppelter
Mantel angebracht; zwischen welchem das Kühlwasser hindurchfliesst.
Damit aber der Zu- und Abfluss desselben bei der Drehung des Ofens
nicht unterbrochen werde, ist der Zuflussstutzen k (Fig. 234) an einem
Ringe angebracht, in welchem der Ofen sich dreht, und durch Oeff-
nungen des äusseren Mantels tritt nun das Wasser in den Zwischen-
raum ein, um in ganz ähnlicher Weise unten abgeleitet zu werden.


In der Mitte des Ofens ist eine mit Wasser gekühlte Brücke l
angebracht (Fig. 231 und 234), welche ebenfalls eine Eigenthümlichkeit
der in Creusot gebauten Oefen bildet und den Zweck hat, den ge-
sammten Einsatz in zwei Hälften zu sondern, so dass am Schlusse des
Processes zwei Luppen statt einer erfolgen.


Aus dem Herde gelangen die Gase in einen an der rechten Seite
(Fig. 231) befindlichen Fuchs, welcher ebenfalls mit Kühlvorrichtung
versehen ist, und von hier aus durch einen seitlichen Kanal q (Fig. 233)
nach der Esse. Dieser Fuchs ist, damit das Ofeninnere zugänglich sei
und die Beschickung wie die Entleerung des Ofens ohne Schwierigkeit
bewirkt werden kann, ebenfalls beweglich, und zwar lässt er sich bei
dem abgebildeten Ofen nach oben hin aufklappen. Fig. 233 lässt diese
Einrichtung mit ausreichender Deutlichkeit erkennen. Zur Ausführung
der Bewegung dient ein unter dem Boden angebrachter, in Fig. 233
abgebrochen gezeichneter Cylinder, dessen Kolben eine Zahnstange auf
[][]

[figure]

[]

[figure]

[][805]Das Arbeitsverfahren beim Drehpuddeln.
und nieder bewegt. Die Zahnstange greift in ein auf der Drehungs-
achse des Fuchses befindliches Getriebe und führt solcherart die Drehung
desselben aus.


Das Futter des Danks’schen Ofens pflegt aus einem möglichst reinen
Rotheisenerze mit Hammerschlag zu bestehen, welches in einzelnen
Lagen eingebracht und bis zum Schmelzen erhitzt wird, worauf man
Erzstücke, Drehspäne u. s. w. in die flüssige Masse eindrückt. Da das
Futter jedesmal nur auf denjenigen Theil des Umfangs aufgeschmolzen
werden kann, welcher sich gerade unten befindet, und der Ofen dann,
wenn das eingebrachte Futter erhärtet ist, gedreht werden muss, damit
an einer andern Stelle die Arbeit fortgesetzt werden könne, so erhält
das Ofeninnere hierdurch von selbst den vier- oder mehrseitigen Quer-
schnitt, wie er in Fig. 232 zu erkennen ist.


Danksöfen sind vorzugsweise in England (Middlesborough) in An-
wendung gekommen, weniger in Nordamerika, dem Vaterlande des
Erfinders. In Creusot waren im Jahre 1878 zwei Oefen der abgebildeten
Art im Betriebe; in Deutschland haben die Danksöfen keine Ver-
wendung gefunden.


Ein anderer Drehofen, ebenfalls mit wagerechter Drehungsachse,
wurde sehr bald nach Erfindung des Danksofens durch Crampton
im Arsenale zu Woolwich erbaut. Er gewährt durch den Umstand
besonderes Interesse, dass zu seiner Heizung staubförmiges Brenn-
material (Steinkohle) dient, welches in Vermischung mit der zur Ver-
brennung erforderlichen Luft durch ein Gebläse von der Stirnseite her
in den glühenden Ofen geführt wird, dessen hohe Temperatur sofort
die Entzündung bewirkt. Der Austritt der Verbrennungsgase findet an
derselben Seite wie der Eintrit des Brennstoffes statt; das Kopfstück mit
den Ein- und Auslassvorrichtungen ist, wie der Fuchs des Danks’schen
Ofens, drehbar, die Rückseite des Ofens ist geschlossen.1)


Die erforderlichen Einrichtungen zur Zerkleinerung des Brenn-
stoffes, Vermischung desselben mit Luft, u. s. w. machen die ganze
Anlage eines solchen Ofens oder einer solchen Ofengruppe etwas schwer-
fällig, und ausser in Woolwich hat deshalb der Cramptonofen keine
Benutzung gefunden.


Das Arbeitsverfahren.

Die nachfolgenden Angaben beziehen sich vorzugsweise auf den
Danksofen, welcher, wie schon erwähnt wurde, unter allen Drehöfen
am häufigsten verwendet worden ist.


Da die Erfahrung lehrte, dass das Einschmelzen des Roheisens
(während dessen eine Drehung des Herdes kaum stattfinden kann) in
dem Puddelofen selbst ziemlich langsam von Statten geht, so zieht man
es zur besseren Ausnutzung des Ofens gewöhnlich vor, besondere
Schmelzöfen — Cupolöfen oder, wie in Creusot, Flammöfen — dafür
zu verwenden. Der jedesmalige Roheiseneinsatz betrug bei den ersten
Danksöfen nicht mehr als 400—450 kg, der oben abgebildete Ofen zu
Creusot dagegen ist für einen Einsatz von 1000 kg bestimmt.


[806]Die Darstellung des Schweisseisens.

Zunächst wird Schlacke in den Ofen gebracht, dann lässt man das
flüssige Roheisen hinein. Der Fuchs wird geschlossen und eine lang-
same Drehung des Ofens beginnt. Wie im feststehenden Ofen tritt
alsbald ein lebhaftes Aufkochen der flüssigen Masse ein, welche bis
zum Schauloche emporsteigt. Im Anfange hält man die Temperatur
etwas niedriger, später, wenn die Ausscheidung der Eisenkörner be-
ginnt, wird sie gesteigert. Infolge der ununterbrochenen Drehung ballen
sich die schweissbaren Eisenkörnchen zu einer kugelförmigen Luppe
zusammen (bei dem Ofen zu Creusot zu zwei Luppen), und der Arbeiter
unterstützt diese Luppenbildung, indem er mit einer eisernen Stange
die Eisentheilchen nach der Mitte des Ofens hinschiebt.


Schliesslich wird die Luppe herausgeholt und gezängt.


Da die Zahl der überhaupt im Betriebe gewesenen Danksöfen nicht
gross ist, manche dieser Oefen sogar wieder kalt gelegt worden sind,
ehe sie das Versuchsstadium überschritten hatten, so zeigen die Ziffern
der an verschiedenen Orten erlangten Betriebsergebnisse oft sehr ab-
weichende Werthe. In Creusot gebraucht man nach Kerpely etwa
30 Minuten Zeit, um den im geschmolzenen Zustande gegebenen Roh-
eiseneinsatz von 1000 kg in schmiedbares Eisen umzuwandeln, und ein
Ofen kann in 24 Stunden 10 t Luppen liefern, wobei allerdings das
Ofenfutter nach Verarbeitung von 10—12 Einsätzen einer gründlichen
Reparatur unterworfen werden muss. Der Abgang in Creusot beträgt
etwa 15 Proc., so dass aus den eingesetzten 1000 kg Roheisen durch-
schnittlich 850 kg Luppeneisen erfolgen. Bei dem Besuche einer von
dem englischen Iron and Steel Institute sehr bald nach Erfindung der
Danksöfen nach Nordamerika entsendeten Commission1) soll dagegen
das Ausbringen an Luppeneisen sogar höher gewesen sein, als der
Einsatz an Roheisen (Ausbringen bis 105 Proc.); auch in Middles-
borough erfolgten im Jahre 1872 nach dem Berichte einer von Belgien
dorthin entsendeten Commission aus 1000 kg Roheisen ca. 1035 kg
Luppeneisen. Dass die Möglichkeit eines so hohen Ausbringens nicht
ausgeschlossen ist, wurde schon früher erläutert; wahrscheinlich bleibt
es indess, dass dasselbe in den erwähnten Fällen zum grossen Theile
durch das Gewicht der noch reichlich eingemengten Schlacke herbei-
geführt wurde. Auch bei den später in England betriebenen Danksöfen
ist kaum jemals ein so günstiges Ergebniss erreicht worden.


Der Verbrauch an Brennstoff im Danksofen selbst (d. h. excl. des
zum Schmelzen des Roheisens erforderlichen Brennstoffes) beziffert sich
in Creusot auf 450—500 kg per 1000 kg erzeugten Luppeneisens, in
kleineren Oefen entsprechend höher. In Middlesborough betrug im
Jahre 1872 der Kohlenverbrauch incl. der Kohlen zum Schmelzen
850 kg per 1000 kg Luppeneisen.


Chemische Untersuchungen.

Von einigen durch Snelus ausgeführten Untersuchungen2) über
den Verlauf des Processes im Dankspuddelofen mögen folgende als
Beispiel hier Platz finden.


[807]Literatur.

Bei der Verarbeitung eines grauen Derbyshire-Roheisens ergab sich
folgende Zusammensetzung des Eisens:

Ausserdem wurden in der Luppe 0.52 Proc. Titansäure gefunden
(der Ofen war mit titansäurereichem Erze ausgefuttert), offenbar ein
Bestandtheil eingemengter Schlacke und auf die grosse Menge dieser
Schlacke hindeutend. Auch der Umstand, dass der Siliciumgehalt der
Luppe höher als derjenige der vorausgehenden Probe gefunden wurde,
lässt sich nur durch den grossen Schlackengehalt der Luppe erklären,
von welchem das gefundene Silicium herrührt.


Die Schlacke dieses Processes enthielt:

Literatur.


A. Grössere Werke.


  • Percy-Wedding, Handbuch der Eisenhüttenkunde. Braunschweig 1864.
    Abtheilung 1, S. 487—606 (directe Darstellung schmiedbaren Eisens aus Erzen).
  • H. Wedding, Die Darstellung des schmiedbaren Eisens. Braunschweig
    1875 (S. 54—112 Herdfrischen; S. 113—332 Puddeln).
  • P. Tunner, Die Stabeisen- und Stahlbereitung in Frischherden. 2 Bde.
    2. Auflage. Freiberg 1858.

B. Abhandlungen.


Ueber directe Darstellung des Schweisseisens.


  • C. v. Schwarz, Ein Eisenwerk Centralindiens. Zeitschr. d. berg- u. hüttenm.
    Ver. für Steiermark und Kärnten 1879, S. 1.
  • E. Fuchs et E. Saladin, Métallurgie du fer chez les Khouys. Annales des
    mines, sér. VIII, tome II, p. 287.
  • T. Egleston, The American bloomary process for making iron direct
    from the ore
    . Transactions of the American Institute of Mining Engineers,
    vol. VIII, p. 515.
  • W. Siemens, Some further remarks regarding the production of iron
    and steel by direct process
    . The Journal of the Iron and Steel Institute
    1877, p. 345.

[808]Die Darstellung des Schweisseisens.
  • A. L. Holley, Notes on the Siemens direct process. Transactions of the
    American Institute of Mining Engineers, vol. VIII, p. 321; im deutschen Aus-
    zuge in der Zeitschr. d. berg- und hüttenm. Ver. für Steiermark und Kärnten
    1880, S. 140.
  • Late developments in the Siemens direct process. Transactions of the
    American Institute of Mining Engineers, vol. X, p. 274; deutsch in „Stahl und
    Eisen“ 1883, S. 253.
  • P. Tunner, Neuere Fortschritte in der directen Darstellung des Eisens
    aus seinen Erzen (Siemensprocess)
    . Zeitschr. d. berg- und hüttenm. Ver.
    f. Steiermark und Kärnten 1881, S. 253.
  • J. Ireland, Some recent improvements in the manufacture of iron
    sponge
    . The Journal of the Iron and Steel Institute, 1878, p. 47.
  • Der Process Dupuy zur directen Eisendarstellung. Zeitschr. d. berg- und
    hüttenm. Ver. für Steiermark und Kärnten 1879, S. 13.
  • Dupuy’s directe Eisendarstellung. Dingl. Polyt. Journ., Bd. 242, S. 290.

Ueber Herdfrischen.


  • Botischew, Ueber Veränderungen, welche das Roheisen während des
    Frischprocesses erleidet
    . Oesterr. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen
    1862, S. 228 aus dem Russischen Berg-Journal 1862, Bd. 1, S. 238.
  • R. Åkerman, Die schwedische Eisenindustrie. Zeitschr. d. berg- und hüttenm.
    Ver. f. Steiermark und Kärnten 1877, S. 120.

Ueber Puddeln und Drehpuddeln.


  • K. List, Beitrag zur Theorie des Puddelprocesses. Programm der Gewerb-
    schule zu Hagen 1860, S. 4; Wagner’s Jahresbericht der chemischen Tech-
    nologie für 1860, S. 46.
  • K. List, Ueber das Verhalten des Siliciums beim Frischen des Roh-
    eisens
    . Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ingenieure, Bd. IX, S. 380.
  • K. List, Anmerkungen über die Wichtigkeit des Eisenoxydgehaltes
    der Frischschlacken
    . Zeitschr. des Ver. deutsch. Ingenieure, Bd. XIX
    (1875), S. 19.
  • J. Kollmann, Beiträge zur Untersuchung des Puddelprocesses. Ztschr. d.
    Vereins deutsch. Ingenieure, Bd. XVIII (1874), S. 325.
  • A. Schilling, Beiträge zur Kenntniss des Puddelprocesses. Berg- u.
    hüttenm. Ztg. 1863, S. 313; Wagner’s Jahresbericht der chemischen Tech-
    nologie, Bd. 9, S. 61.
  • Chr. Lan, Studien über die Reactionen beim Verfrischen des Guss-
    eisens
    . Berg- und hüttenm. Ztg. 1860, S. 181 aus den Annales des mines,
    série V, tome XV.
  • Dr. Drassdo, Ueber die chemischen Vorgänge bei Ueberführung des
    Roheisens in Stabeisen durch den Puddelprocess
    . Zeitschr. f. Berg-,
    Hütten- und Salinenwesen 1863, S. 170.
  • G. J. Snelus, Die chemischen Vorgänge beim Puddeln im Danksofen.
    Dingl. Polyt. Journal, Bd. 204, S. 216.
  • H. Louis, On the chemistry of puddling. The Journal of the Iron and Steel
    Institute 1879, p. 219.
  • L. Bell, Ueber die Ausscheidung des Phosphors vom Eisen bei der
    Raffinirung im Puddelofen
    . Zeitschr. des berg- und hüttenm. Ver. für
    Steiermark und Kärnten 1877, S. 385.
  • Petersen, Der Puddelprocess mit Bezug auf die Entphosphorungsfrage.
    Wochenschr. d. Ver. deutsch. Ingenieure 1880, S. 35.
  • P. Roberts, The puddling process, past and present. Transactions of the
    American Institute of Mining Engineers, vol. VIII, p. 355; Deutsch in der
    Zeitschr. d. berg- u. hüttenm. Ver. für Steiermark und Kärnten 1880, S. 191.

[809]Literatur.
  • Zusammenstellung über die Betriebsverhältnisse von Puddel- und
    Schweissöfen
    . Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ingenieure, Bd. XVI (1872), S. 673.
  • L. Bell, Price’s retort furnace. The Journal of the Iron and Steel Institute 1875,
    p. 451.
  • A. Raze, Note sur l’application du système Bicheroux aux fours à
    puddler
    . Revue universelle des mines, série II, tome I (1877), p. 196.
  • J. de Macar, Note sur l’application du système Boëtius au puddlage.
    Revue universelle des mines, série II, tome I, p. 202.
  • Anwendung des Bicheroux-Systems auf Puddelöfen in der Eisenhütte
    zu Ougrée
    . „Stahl und Eisen“ 1882, S. 429.
  • R. v. Borbely, Ueber den Betrieb der Regenerativ-Puddelöfen. Zeitschr.
    des berg- und hüttenm. Ver. für Steiermark und Kärnten 1878, S. 208.
  • Dr. Kosmann, Ueber den Puddelbetrieb in dem Siemens’schen Gas-
    regeneratorofen
    . Zeitschr. für Berg-, Hütten- und Salinenwesen, Bd. 18
    (1870), S. 145.
  • S. Jordan, Notice sur le puddlage mécanique en Suède. Revue universelle
    des mines, série II, tome III (1878), p. 100.
  • H. Kirk, On puddling in ordinary and rotary furnaces. The Journal of the
    Iron and Steel Institute 1876, p. 367; 1877, p. 140.
  • T. R. Crampton’s revolving furnace and its products. The Journal of the
    Iron and Steel Institute 1874, p. 384.
  • R. Howson, On mechanical puddling. The Journal of the Iron and Steel
    Institute 1877, p. 416.
  • Ueber die Anwendung von Maschinen beim Puddelbetriebe. Zeitschr. d.
    Ver. deutsch. Ingenieure, Bd. XI (1867), S. 107.
  • E. Fisher-Smith, On the Casson-Dormoy puddling furnace. The Journal
    of the Iron and Steel Institute 1876, p. 109.
  • Report of the Belgian commission on the working of the Danks rotary
    puddling furnace
    . The Journal of the Iron and Steel Institute 1872, p. 311.
  • Duree’s Petroleum-furnace. Iron, vol. XXI, p. 494.
  • Fr. Kupelwieser, Studien über die Benutzung der Abhitze von Puddel-
    und Schweissöfen
    . Jahrbuch der Bergakademieen zu Leoben und Přibram,
    Bd. 19, S. 289.
  • Dr. Kollmann, Die Anordnung und Construction der Luppenwalzwerke,
    Berg- und hüttenm. Ztg. 1878, S. 53.

IV. Die Darstellung des Flusseisens.


1. Ueber einige Eigenthümlichkeiten des Flusseisens und
die Erzielung dichter Güsse.


Infolge seines flüssigen Entstehungszustandes ist das Flusseisen,
wie schon mehrfach hervorgehoben worden ist, schlackenfrei und inner-
halb eines und desselben Gussblockes gleichartig zusammengesetzt.


Die letztere Eigenschaft, die Gleichartigkeit der Zusammensetzung,
hat jedoch, was wohl zu beachten ist, ihre Grenzen.


Auf S. 218 wurde alles technisch dargestellte Eisen als eine Legi-
rung des Eisens mit anderen Körpern — Kohlenstoff, Silicium, Phos-
phor, Schwefel, Mangan u. s. w. — bezeichnet. Wie zahlreiche andere
Legirungen besitzt diese die Eigenschaft zu saigern, d. h. bei allmäh-
Ledebur, Handbuch. 52
[810]Die Darstellung des Flusseisens.
licher Abkühlung in Legirungen von verschiedener Zusammensetzung
und verschiedener Erstarrungstemperatur zu zerfallen (S. 219). Deut-
lich zeigt sich eine solche Saigerung bei dem Roheisen, dessen Gehalt
an fremden Körpern verhältnissmässig gross ist (S. 293); eine genauere
Untersuchung lässt auch beim Flusseisen den nämlichen Vorgang
erkennen. Die Folge davon ist, dass doch auch in der Zusammen-
setzung eines und desselben Flusseisenblockes oder Gussstückes an
verschiedenen Stellen wahrnehmbare Unterschiede auftreten können.
Je langsamer die Abkühlung stattfand, je grösser also der gegossene
Eisenblock ist und je grösser die Menge der in ihm enthaltenen fremden
Körper, desto deutlicher werden diese Unterschiede sich zeigen. Zur
besseren Beleuchtung dieses Verhaltens des Flusseisens liess Snelus
einen sehr grossen Flusseisenblock 0.48 m im Durchmesser, 2.13 m hoch,
dessen Schwefel- und Phosphorgehalt absichtlich etwas angereichert war,
sehr langsam erstarren und fand dann folgende abweichende Zusam-
mensetzung zweier Platten, deren eine in der Nähe des oberen Endes
und deren andere unweit vom Boden ausgeschnitten war.1)


Auch in der Zusammensetzung am Rande und in der Mitte des
Blockes (wo das Eisen zuletzt flüssig bleibt) zeigten sich nicht unerheb-
liche Abweichungen; so z. B. zeigten sechs Proben, welche der Reihe
nach an sechs Punkten einer von der Ecke nach der Mitte gezogenen
Diagonale genommen wurden, folgende Gehalte an Kohlenstoff, Schwefel
und Phosphor (Probe Nr. 1 ist die zunächst am Rande, Nr. 6 die aus
der Mitte des Blockes genommene):

Wie man sieht, sind hier die Unterschiede am oberen Ende weit
bedeutender als am unteren.


Auch bei kleineren und deshalb rascher erstarrenden Blöcken mit
geringerem Gehalte an legirten Körpern zeigten sich an verschiedenen
[811]Ueber einige Eigenthümlichkeiten des Flusseisens.
Stellen ziemlich deutliche, wenn auch selbstverständlich nicht so scharf
wie in dem ersten Falle hervortretende Unterschiede; z. B. bei einem
Blocke aus Martinflusseisen 1.06 m hoch, 0.53 × 0.43 m stark:

Letztere Analysenreihe lässt erkennen, dass allerdings in den
wenigsten Fällen die durch Saigerung hervorgerufenen Abweichungen
der chemischen Zusammensetzung gross genug sein werden, um eine
besondere praktische Bedeutung zu besitzen. Mehrere der Abweichungen
sind nicht bedeutender als die auch bei den genauesten Analysen vor-
kommenden kleinen Unterschiede.


Auch jene Folge der Saigerung, welche beim Gusseisen als An-
brand bezeichnet zu werden pflegt (S. 293), ist beim Flusseisen mit-
unter deutlich zu erkennen. Tropfen einer Legirung mit niedriger
Schmelztemperatur werden beim Erstarren und Zusammenziehen des
übrigen Metalles zwischen den Poren desselben aus dem Innern her-
ausgequetscht und erstarren an der Aussenfläche des Gussblockes in
Form rundlicher oder plattgedrückter Kügelchen.


Zertheilt man einen gegossenen, übrigens noch unbearbeiteten
Flusseisenblock oder ein anderes aus dem Flusseisen gefertigtes Guss-
stück in zwei Hälften, so wird man nur in einzelnen Fällen eine voll-
ständig dichte Bruchfläche erkennen; mit Hilfe einer Lupe wird man
fast immer mehrere, wenn auch bisweilen nur kleine, Hohlräume auf
der Bruchfläche wahrnehmen können; häufig treten solche Hohlräume
in grösserer Zahl und in grösseren Abmessungen (bis zu einigen Centi-
metern Durchmesser und Länge) auch dem unbewaffneten Auge deut-
lich entgegen; und in einzelnen Fällen ist die ganze Bruchfläche mit
solchen Hohlräumen durchsetzt.


Die Eigenschaft, solche Hohlräume im Innern beim Uebergange
aus dem geschmolzenen in den festen Zustand zu bilden, theilt
das Flusseisen mit zahlreichen anderen Metallen (Kupfer, Nickel,
Silber u. s. w.); und je stärker ausgeprägt diese Eigenschaft hervortritt,
desto weniger gut eignet sich begreiflicherweise das betreffende Metall
zur Herstellung von Gebrauchsgegenständen durch Giessen. Auch
manche Sorten Gusseisen, besonders manganreichere und siliciumärmere,
lassen jene Eigenschaft erkennen.


Bei dem Flusseisen benachtheiligt diese Entstehung von Hohl-
räumen im Innern die Brauchbarkeit auch dann, wenn der gegossene
Gegenstand nicht etwa unmittelbar als Gebrauchsgegenstand (Guss-
waare) dienen soll, sondern, wie es weit häufiger der Fall ist, zuvor
einer mechanischen Bearbeitung durch Hämmern oder Walzen unter-
zogen wird; und in der That ist die Eigenschaft des Flusseisens, solche
Hohlräume zu bilden, die schwächste Seite desselben.


52*
[812]Die Darstellung des Flusseisens.

Ist das Flusseisen gut schweissbar und wird die mechanische Ver-
arbeitung der Blöcke bald nach dem Giessen in Schweisshitze vor-
genommen, so können allerdings jene Hohlräume durch Zusammen-
schweissen beseitigt werden; nicht alles Flusseisen aber besitzt, wie
schon früher erörtert worden ist, die Eigenschaft der Schweissbarkeit,
und ein Mittel, mit Sicherheit gut schweissbares Flusseisen darzustellen,
ist noch nicht bekannt.


Noch ein anderer Umstand aber macht auch bei schweissbarem
Flusseisen die Entstehung solcher Hohlräume gefährlich für die weitere
Verarbeitung. Viele derselben stehen nämlich durch engere oder weitere
Kanäle mit der Aussenfläche des Blockes und mit der äusseren Luft
in Verbindung; kühlt sich der heisse Block ab, so tritt von aussen
her Luft in das Innere des Hohlraumes und die Wände desselben über-
ziehen sich mit einem dünnen Häutchen oxydirten Eisens; lagert aber
der Block wohl gar längere Zeit an der Luft, ehe er verarbeitet wird,
wie es nicht selten der Fall ist, so tritt auch Feuchtigkeit ein und es
entsteht Rost. Eine vollkommene Schweissung aber erfordert, wie be-
kannt, metallisch reine Flächen; jene mit Oxyduloxyd oder Rost über-
zogenen Stellen schweissen unvollständig zusammen und der aus dem
Blocke hergestellte Gegenstand zeigt hier einen Fehler, eine sogenannte
unganze Stelle.


Die Entstehung jener Hohlräume beruht auf zwei ganz verschiede-
nen Ursachen. Die eine derselben ist die Schwindung, d. h. die
Verkleinerung der Abmessungen, welche das Metall bei dem Erkalten
erleidet. In dem Augenblicke, wo das flüssige Metall in die zur Auf-
nahme desselben dienende Gussform eingegossen wird, findet rings an
dem Umfange infolge der Wärmeentziehung durch die Gussformwände
Erstarrung, Abkühlung und Schwindung statt; mit anderen Worten,
es entsteht hier sofort eine Kruste, welche das noch flüssige Metall
einschliesst und nicht mehr so stark als dieses schwinden kann. Nun-
mehr beginnt dieses zu erstarren, indem es sich mehr und mehr an
die vorhandene Kruste ansetzt; da es hierbei seinen Rauminhalt ver-
kleinert, während der Umfang der zuerst erstarrten Rinde nicht mehr
in dem gleichen Maasse abnimmt, muss im Innern ein Hohlraum ent-
stehen, welcher immer mehr anwächst, je mehr die Erkaltung fort-
schreitet und sich an derjenigen Stelle findet, wo das Metall
am längsten flüssig war
. Bei prismatischen Blöcken liegt diese
Stelle in der Nähe der Achse; bei weniger einfachen Formen ge-
wöhnlich in der Mitte der stärksten Querschnitte, an Kreuzungs-
punkten u. s. w.


Diese Schwindungshohlräume sind deutlich durch die
rauhe, zackige Form ihrer Wandungen gekennzeichnet
,
welche durch das Bestreben des Metalles zu krystallisiren erzeugt
worden ist. Mitunter finden sich deutlich ausgebildete Tannenbaum-
krystalle, wie sie in Fig. 50 auf S. 220 abgebildet sind, wenn auch
von geringerer Grösse als sie im grauen Roheisen angetroffen werden.
Bei Abgüssen, deren Länge, Breite und Höhe nicht sehr von einander
abweichen, pflegen jene Hohlräume, ohne in einer bestimmten Richtung
[813]Ueber einige Eigenthümlichkeiten des Flusseisens.
hin sich weit auszudehnen, die Mitte einzunehmen; haben die Abgüsse
eine längere Achse, so erstrecken sie sich kanalartig in der Richtung
derselben und erscheinen auf dem Querschnitte oft nur als eine durch
Bildung selbstständiger Krystalle verursachte Unterbrechung des dichten
Gefüges. Dass im Uebrigen auch die Art und Weise der Abkühlung
die Lage und Gestaltung der Hohlungen bedingt, je nachdem sie gleich-
mässig von allen Seiten her oder von einer Seite stärker als von der
andern auf das Metall einwirkt, folgt aus dem schon Gesagten von selbst.


Sofern nun die Hohlräume bei ihrer Entstehung nicht etwa durch
Gase, welche aus dem Metalle austreten, angefüllt werden, sind sie leer
in der buchstäblichen Bedeutung des Wortes. Von aussen her drückt aber
die Atmosphäre auf die Oberfläche des Metalles; so kann es geschehen,
dass, so lange das Metall noch weich ist, die Oberfläche eingedrückt
wird und die Luft sich einen Kanal durch die weiche Masse bohrt,
um das Vacuum im Innern auszufüllen. Diesen Vorgang nennt man
Lungern oder Saugen. Es entsteht dabei eine trichterförmige Oeff-
nung an der Oberfläche (der Saugtrichter), welche
nach Innen verläuft. Fig. 235 zeigt den Quer-
schnitt durch einen gegossenen prismatischen
Metallblock mit dem Saugtrichter an der Ober-
fläche und dem kanalförmig von oben nach unten
sich erstreckenden Schwindungshohlraume.


Die Grösse dieser Hohlräume d. h. ihr ge-
sammter Rauminhalt innerhalb eines bestimmten
Abgusses wird um so beträchtlicher sein, je
grösser der Schwindungscoëfficient (das Verhält-
niss der stattfindenden Verkürzung der Abmes-
sungen zu der Gesammtlänge derselben) des ein-
gegossenen Metalles ist, je stärker es über seinen
Schmelzpunkt erhitzt war, als es eingegossen
wurde und je grösser der Rauminhalt des Ab-
gusses selbst ist. Die Begründung dieser That-
sachen liegt nahe und kann in jedem Handbuche
über Giessen der Metalle nachgesehen werden.
Es möge deshalb hier nur noch erwähnt werden,
dass der Schwindungscoëfficient des an fremden

Figure 176. Fig. 235.


Körpern reineren Flusseisens nicht unerheblich grösser ist als der des
Giessereiroheisens; ersterer beträgt 1/50—1/72 der linearen Abmessungen
und ist im Allgemeinen um so grösser, je kohlenstoffärmer das Metall
ist; als Schwindungscoëfficient des Gusseisens dagegen nimmt man 1/96
an. Aus diesem Grunde ist es schwieriger, aus geschmolzenem schmied-
baren Eisen als aus Gusseisen Abgüsse zu erzielen, welche frei von
jenen Schwindungshohlungen sind.


Die zweite Ursache zur Entstehung von Hohlräumen im Innern
gegossener Metalle sind Gase, welche vor oder während des Erstarrens
sich entwickelten und, ohne noch entweichen zu können, zurück-
gehalten wurden. Gerade beim Flusseisen besitzt diese Entstehungs-
weise von Hohlräumen eine hervorragende Wichtigkeit, da die Grösse
der letzteren die Grösse der durch Schwindung entstandenen oft ganz
bedeutend übersteigt. Solche Hohlräume sind also thatsäch-
[814]Die Darstellung des Flusseisens.
lich Gasblasen, und die glatte Form ihrer Wände unter-
scheidet sie deutlich von den Schwindungshohlräumen
.


Der Fähigkeit des flüssigen Eisens, Gase, insbesondere Wasserstoff,
zu lösen und beim Abkühlen und Erstarren ganz oder theilweise zu
entlassen, ist schon auf S. 268 gedacht worden. Theilweise allerdings
können die entweichenden Gase auch das Ergebniss einer chemischen
Reaction sein, welche innerhalb des flüssigen Eisens stattfand. Alles
technisch dargestellte Flusseisen enthält noch Kohlenstoff, obgleich dessen
Menge bei einzelnen Sorten oft weniger als 0.1 Proc. beträgt; geschah
das Schmelzen des Eisens in Berührung mit der atmosphärischen Luft
oder oxydirenden Gasen und ist nicht etwa Mangan noch in grösseren
Mengen zugegen, so enthalten die kohlenstoffärmeren Flusseisensorten
Sauerstoff, beziehentlich Eisenoxydul, in Lösung (S. 275). Die grösste
Sauerstoffmenge, welche kohlenstoffarmes Eisen zu enthalten vermag,
beträgt nach den auf S. 276 mitgetheilten Analysen etwa 0.25 Proc.


Der im Bade anwesende Kohlenstoff und der Sauerstoff wirken
nun unaufhörlich auf einander, und es entsteht Kohlenoxyd, welches
entweicht; wegen der starken Verdünnung beider Körper aber verläuft
diese Einwirkung ziemlich langsam und sie verlangsamt sich immer
mehr, je mehr die Verdünnung infolge der gegenseitigen Einwirkung
zunimmt. Es ist das eine Thatsache, die sich auch bei anderen chemi-
schen Reactionen innerhalb einer Lösung täglich beobachten lässt; je
stärker die Verdünnung ist, desto langsamer erfolgt die Einwirkung.


Die Kohlenoxydgasbildung wird also immer schwächer und
schwächer; aber immerhin entweicht neben den etwa gelöst gewesenen
Gasen in solchem Falle auch das neu gebildete Gas; und die Bildung
desselben würde stundenlang andauern können, wenn das Eisen so
lange flüssig erhalten würde. Die Reaction könnte erst ihr Ende
erreichen, nachdem infolge derselben entweder der Kohlenstoff oder der
Sauerstoff vollständig aus dem Bade verschwunden wären.


In der Praxis wartet man nun diesen Zeitpunkt nicht ab, sondern
man setzt zur rascheren Ausscheidung des Sauerstoffes, welcher, sofern
er im Eisen zurückbliebe, Rothbruch erzeugen würde (S. 276), eine
Eisenmanganlegirung zu, welche zugleich regelmässig Kohlenstoff und
häufig Silicium enthält (vergl. S. 316). Nunmehr ist die Menge der
auf den Sauerstoff wirkenden Bestandtheile des Eisenbades beträchtlich
angereichert; eine heftige Reaction tritt ein, Mangan, Kohlenstoff und
auch Silicium, sofern dieses zugegen war, werden oxydirt. 1) Unmittel-
bar nach dem Zusatze pflegt deshalb eine lebhafte Kohlenoxydgas-
bildung einzutreten; aber sie erlahmt bald, je mehr der Sauerstoff aus
dem Bade verschwindet. Erstarrt nun das Metall, so hört die chemi-
sche Einwirkung ziemlich vollständig auf, selbst wenn noch Sauerstoff
neben Kohlenstoff zugegen sein sollte; gelöst gewesene Gase aber
können auch aus dem fest gewordenen Metalle sich noch entwickeln, wie
[815]Gasblasen im Flusseisen.
die auf S. 270 mitgetheilten Versuche von Troost und Haute-
feuille, Parry
u. A. beweisen.


Hieraus und aus dem Umstande, dass flüssiges Eisen weit grössere
Mengen Wasserstoff als Kohlenoxyd zu lösen vermag, erklärt es sich
dann, dass in solchen Fällen das Verhältniss des Kohlenoxydes zu
dem Wasserstoff in den aus dem flüssigen Eisen entweichenden Gasen
in dem Augenblicke zunimmt, wo zur Beseitigung des im Bade an-
wesenden Sauerstoffes eine kohlenstoffhaltige Legirung zugesetzt wurde,
von hier an aber bis zum Erstarren sich wieder verringert, und dass
alsdann die im erstarrten Eisen eingeschlossenen oder von demselben
entlassenen Gase nur noch wenig Kohlenoxyd zu enthalten vermögen.


Analysen der in den Hohlräumen des erkalteten Flusseisens
eingeschlossenen Gase wurden bereits auf S. 273 mitgetheilt; nach-
folgende Analysen von Müller1) zeigen die Zusammensetzung der aus
dem noch flüssigen Metalle austretenden Gase.


Dass die Gase verschiedener Eisensorten ziemlich erhebliche Ab-
weichungen erkennen lassen, insbesondere auch, dass die Gase des
Martinflusseisens schon vor dem Zusatze einer kohlenstoffhaltigen Legi-
rung weit kohlenoxydreicher sind als die der anderen Eisensorten, erklärt
sich aus den später zu erörternden Eigenthümlichkeiten dieser Processe.
Die Gase des Martineisens nach Zusatz des Eisenmangans wurden leider
nicht untersucht. In allen Fällen aber ist der Kohlenoxydgehalt dieser
Gase erheblich grösser als der in dem erstarrten Eisen zurückbleiben-
den (S. 273).


Die Entwickelung der Gase aus dem Flusseisen, sie mögen nun
einer einfachen Lösung oder einer stattgehabten chemischen Reaction
entstammen, äussert sich in verschiedener Weise. Die Oberfläche des
[816]Die Darstellung des Flusseisens.
noch vollständig flüssigen Metalles ist mit einer brennenden Gasschicht
bedeckt, welche bei längerem Stehen gewöhnlich schwächer wird; häufig
werden, besonders wenn die Oberfläche des Metalles sich abkühlt,
knisternde, schwirrende Funken, aus Theilchen des Metalles bestehend,
ausgeworfen (Spratzen). Giesst man nun das Metall in eine oben offene
Form, so zeigt sich, wenn das Gas reich ist an gelösten Gasen, kurz
vor dem völligen Erstarren eine eigenthümliche Erscheinung. Das Metall,
dessen Oberfläche bereits starr ist, bläht sich auf, es wächst in der
Form und ein prismatischer Block kann unter Umständen fast die
doppelte Höhe als vorher erlangen. Diesen Vorgang nennt man das
Steigen des Flusseisens; er ist offenbar die Folge einer im Innern
stattfindenden Gasentwickelung und die Ursache jener für die Ver-
wendung des Flusseisens so nachtheiligen Gasblasen im Innern.


Jedenfalls tritt diese Gasentwickelung gerade in dem Augenblicke,
wo der Uebergang aus dem flüssigen in den festen Zustand des Eisens
stattfindet, noch einmal besonders heftig auf; und da bei jedem Ab-
gusse die Erstarrung von aussen nach innen vorschreitet, so müssen
dann die im Innern entwickelten Gase im Eisen zurückbleiben.


Aus diesem Umstande erklärt sich auch die Gleichartigkeit in der
Anordnung dieser Blasen. An der zuerst erstarrenden Kruste des
Abgusses bildet sich ein Gasbläschen, welches — wie die Gasbläschen
an den Wänden eines mit Wasser gefüllten Glases — hier sich ansetzt,
zumal da die schon dickflüssige Beschaffenheit des Metalles das Auf-
steigen erschwert. Die Erstarrung schreitet fort, mehr Gas wird ent-
wickelt, das Gasbläschen wächst in radialer Richtung von aussen nach
innen, vergrössert aber auch seinen Durchmesser, da die grössere Gas-

Figure 177. Fig. 236.


menge immer nach den noch weichen Theilen
des Abgusses, also nach innen, hingedrängt wird.
So entsteht eine birnenartige Form der Gasblase
mit wagerechter und normal gegen die Abküh-
lungsfläche gerichteter Achse; bei sehr grossem
Gasgehalte ein wurmartiger Kanal. Der Quer-
schnitt durch einen prismatischen Flusseisen-
block mit mässiger Gasentwickelung besitzt dem-
nach das Ansehen Fig. 236.


Entsteht in der Mitte des Blockes ein
Schwindungshohlraum, so drängen die Gase
dorthin, den luftleeren Raum auszufüllen; jenes
oben erwähnte Lungern tritt daher nur bei Eisensorten ein, welche
kein Gas beim Erstarren entwickeln und demnach wenig oder gar keine
Gasblasen enthalten.


Die starke Benachtheiligung, welche die Brauchbarkeit alles Fluss-
eisens durch solche undichte Stellen — Hohlräume im Innern — erleidet,
ist von jeher eine dringende Veranlassung zum Aufsuchen von Mitteln
gewesen, durch welche die Entstehung derselben sich vermeiden lässt
und dichte Güsse erzielt werden. Die für diesen Zweck angewendeten
Mittel sind ziemlich vielseitig und ihre Wahl muss von der Beschaffenheit
des betreffenden Metalles wie von der Einrichtung der Gussform abhängig
[817]Ueber Erzielung dichter Güsse.
sein. Die wichtigsten derselben sollen ihrem Wesen nach in Folgendem
erörtert werden.


1. Regelung der chemischen Zusammensetzung des
Eisens
. Es ist eine schon früher erwähnte Erfahrung der Praxis, dass
ein mässiger Siliciumgehalt des Flusseisens (welcher aber wegen seiner
sonstigen Einflüsse auf die Eigenschaften des Eisens unter 1 Proc.
bleiben muss und gewöhnlich 0.2—0.5 Proc. beträgt) der Gasentwicke-
lung beim Erstarren entgegen wirkt und somit die Entstehung dichter
Abgüsse befördert. Ein Siliciumzusatz kurz vor dem Ausgiessen des
Eisens ist daher ein häufig angewendeter Kunstgriff in allen solchen
Fällen, wo jener Siliciumgehalt nicht nachtheilig wirkt. Der Zusatz
wird in Form von grauem Roheisen, Siliciumeisen (S. 306) oder Sili-
ciumeisenmangan (S. 317) gegeben, je nachdem die Beschaffenheit des
Eisens es wünschenswerth erscheinen lässt. Mitunter auch lässt sich
der Process, welcher zur Darstellung des Flusseisens diente, von vorn
herein so leiten, dass das fertige Metall bereits den erforderlichen
Siliciumgehalt besitzt (Tiegelgussstahldarstellung, Bessemerprocess). Je
höher aber der Kohlenstoffgehalt des dargestellten Eisens ist, desto
leichter treten die übeln Einflüsse eines Siliciumgehaltes hervor, desto
niedriger muss deshalb der letztere sein. Glücklicherweise pflegt nun
aber die Fähigkeit der kohlenstoffreicheren Flusseisensorten, des eigent-
lichen Flussstahles, Gase zu entwickeln, ohnehin geringer zu sein als
die der kohlenstoffärmeren Sorten, so dass bei jenen auch das Bedürf-
niss eines Siliciumgehaltes sich weniger geltend macht.


2. Abstehenlassen des flüssigen Eisens in dem Schmelz-
oder Giessapparate vor dem Eingiessen in die Gussform
.
Je länger das Metall stehen kann, ehe es durch das Eingiessen zu
rascher Erstarrung gebracht wird, desto reichlicher können vor dem
Erstarren gelöste Gase entweichen. Natürlich muss das Metall, damit
dieses Abstehen möglich sei, ohne dass vorzeitige Erstarrung eintritt,
entsprechend hoch über seine Erstarrungstemperatur hinaus erhitzt sein.


Auch die Schwindungshohlräume bilden sich, wie schon erwähnt
wurde, leichter und nehmen grössere Abmessungen an, je stärker erhitzt
das Metall in die Gussform eingegossen wurde; auch aus diesem Grunde
ist also ein Abstehen zweckmässig, wenn eine Ueberhitzung (die ge-
wöhnlich auch auf die übrigen Eigenschaften des Flusseisens günstig
einwirkt) stattgefunden hat.


3. Anwendung eines verlorenen Kopfes. Man versteht unter
einem verlorenen Kopfe einen Aufsatz auf dem Abgusse, welcher für
die Verwendung des letzteren ohne Belang ist und daher nach dem
Erkalten desselben entfernt wird. Der einfachste und beim Giessen des
Flusseisens am häufigsten vorkommende Fall ist der Guss eines pris-
matischen Blockes mit senkrechter Achse. Ist nun beispielsweise für
irgend einen Zweck ein solcher Block erforderlich, dessen Höhe netto
500 mm betragen müsste und man giesst ihn statt dessen 600 mm hoch,
so hat er einen verlorenen Kopf von 100 mm Höhe, welcher auf der
Drehbank oder in anderer Weise entfernt werden kann.


Ein solcher verlorener Kopf wirkt in mehrfacher Weise günstig.


Nach dem Giessen bildet sich an der Oberfläche des ruhig stehen-
[818]Die Darstellung des Flusseisens.
den Metalles eine erstarrte Kruste, welche das Entweichen von Gasen,
die aus dem noch flüssigen Innern aufsteigen, unmöglich macht, und
wenn man, wie es gewöhnlich geschieht, die Gussform von oben durch
einen aufgelegten kalten Deckel schliesst, so tritt sogar unterhalb des-
selben infolge der plötzlichen Abkühlung eine eben solche Entwicke-
lung gelöst gewesener Gase ein, wie an den Wänden. Alle diese Gas-
blasen sammeln sich also in dem oberen Theile des Abgusses und
machen denselben in stärkerem Maasse undicht. Giebt man nun dem
Abgusse einen verlorenen Kopf, so nimmt dieser die Gasblasen auf,
und der eigentliche Abguss wird dichter.


Auch der Saugtrichter bei lungerndem Eisen bleibt im verlorenen
Kopfe. Noch in anderer Weise jedoch wirkt der Kopf in diesem Falle
wohlthätig. Er dient, so lange das Metall in seinem Innern aus-
reichend flüssig bleibt, als Behälter, aus welchem dasselbe nach unten
fliesst, um die infolge der Schwindung entstehenden Hohlräume aus-
zufüllen; der Kopf wird also hohl und der darunter befindliche Abguss
dicht. Diese Aufgabe freilich vermag der verlorene Kopf nur dann zu
erfüllen, wenn er ausreichend lange warm bleibt, dass die Erstarrung früher
im Abgusse als im Kopfe eintritt. Wo es sehr auf grosse Dichtigkeit
der Abgüsse ankommt (bei Herstellung von sogenanntem Formguss
oder Façonguss, d. h. gegossener Gebrauchsgegenstände, welche einer
Bearbeitung durch Schmieden oder Walzen nicht mehr unterworfen
werden), sucht man dieses Ziel wohl zu erreichen, indem man dem
Kopfe ein bedeutendes Gewicht bei gedrungener Form giebt 1); oder
man sucht in anderer Weise den Kopf möglichst lange warm zu er-
halten. Beachtung verdient in letzterer Hinsicht ein von dem Schweden
de Laval angewendetes Verfahren. Derselbe benutzt als Gussform
für den Kopf einen ringförmigen Aufsatz aus feuerfestem Materiale,
welcher unmittelbar vor dem Giessen auf Weissgluth erhitzt worden
war, dann auf die eigentliche Gussform aufgesetzt und sofort nach
dem Giessen mit einem Deckel, welcher ebenfalls zum Weissglühen erhitzt
worden war, bedeckt wird (D. R. P. Nr. 10295). Denselben Zweck
erreicht Fr. Krupp in Essen, indem er die Gussform des Kopfes mit
einem Mantel umgiebt und den Zwischenraum zwischen beiden mit
flüssiger Schlacke anfüllt (D. R. P. Nr. 21324).


Immerhin erfordert die spätere Entfernung des verlorenen Kopfes
Arbeit, und der Kopf selbst kann nur durch erneutes Schmelzen (welches
Brennstoffaufwand und Abbrand verursacht) wieder nutzbar gemacht
werden. Wo daher nicht eine dringende Veranlassung zur Anwendung
des verlorenen Kopfes vorliegt, sucht man dieselbe gern zu vermeiden
oder beschränkt wenigstens die Abmessungen des Kopfes auf die äusser-
sten Grenzen.


4. Herstellung möglichst grosser Abgüsse. Das Mittel ist
natürlich nur da anwendbar, wo die Abgüsse (Blöcke) nicht als Fertig-
erzeugnisse, sondern als Zwischenstufen für die weitere Verarbeitung
[819]Ueber Erzielung dichter Güsse.
durch Walzen u. s. w. dienen; und wo eine etwa erforderliche Zer-
theilung derselben ohne Benachtheiligung ihrer Verwendbarkeit mög-
lich ist. Wenn z. B. für Herstellung einer einzigen Eisenbahnschiene
in gewöhnlicher Länge ein Flusseisenblock von 300 kg erforderlich
ist, so würde man ebenso gut Blöcke für doppelte Schienenlängen
à 600 kg Gewicht giessen und die Schienen nach der Vollendung theilen
können; u. s. f.


Die Wirkung dieses Mittels beruht auf dem Umstande, dass, je
grösser das Gewicht des Blockes ist, desto allmählicher die Erstarrung
vor sich geht; es wird hierdurch jene plötzliche Gasentwickelung bei
rascher Abkühlung vermieden und die entwickelten Gase können ruhiger
noch entweichen.


Je grösser aber die gegossenen Blöcke sind, desto umfänglicherer
Vorrichtungen bedarf es für ihre Verarbeitung. Jene oben erwähnten
amerikanischen Blockwalzwerke mit selbstthätigem Vorschube der Blöcke
sind eben für die Verdichtung solcher schweren Flusseisenblöcke be-
stimmt, deren jeder für Herstellung von drei Eisenbahnschienen aus-
reicht.


5. Giessen von unten. Man versteht hierunter eine derartige
Einrichtung, dass das Metall, statt von oben her in die Gussform zu
fallen, durch einen Kanal in der Nähe des Bodens eingeleitet wird,
um von hier in der Gussform emporzusteigen. Natürlich muss jener
seitliche Zuleitungskanal, welcher der anzufüllenden Gussform gegenüber
gewissermaassen die Stelle eines sogenannten communicirenden Rohres
einnimmt, mindestens ebenso hoch sein, als diese, und er bleibt nach
beendigtem Gusse mit Metall gefüllt, welches dort erstarrt.


In mehrfacher Weise vermag solcher aufsteigender Guss die Er-
zielung dichter Abgüsse zu erleichtern.


Lässt man flüssiges Metall in eine hohe Gussform von oben her
einstürzen, so zerstäubt das zuerst unten ankommende Metall in rasch
erstarrende Körner, welche von dem nachfolgenden Metalle empor-
gehoben werden. Jedes dieser Körner ruft nun in seiner unmittelbaren
Umgebung wiederum eine plötzliche Abkühlung und
dadurch eine Gasentwickelung hervor, bietet aber zugleich
dem sich entwickelnden Gasbläschen wiederum Gelegenheit
zur Adhäsion, d. h. verhindert es am Aufsteigen. Ueber-
ziehen sich aber diese Körnchen, wie es wohl vorkommen
kann, mit einem Häutchen oxydirten Eisens, ehe sie von
dem nachfolgenden Metalle aufgenommen werden, so ver-
mag dieses oxydirend auf den Kohlenstoff des flüssigen
Metalles zu wirken und auch hierdurch entsteht ein Gas-
bläschen in der Umgebung des Körnchens. Auf der Bruch-
fläche solcher Abgüsse sieht man dann gewöhnlich jene
Körnchen am Boden der birnförmigen oder rundlichen
Gasblase (Fig. 237). Diese Körnerbildung und somit die
Ursache zur Entstehung solcher Bläschen fällt weg, wenn
das Metall vom Boden aus in der Gussform aufsteigt.


Figure 178. Fig. 237.

Bei Gussformen, welche oben offen sind — und alle zur Her-
stellung prismatischer, für die weitere Verarbeitung bestimmter Blöcke
[820]Die Darstellung des Flusseisens.
dienenden Gussformen pflegen offen zu sein —, wird durch das heftig
einstürzende Metall Luft mit in die Gussform gerissen, welche ebenso
wie die sich entwickelnden Gase in dem Metalle zurückbleiben und
hier Blasenbildung verursachen kann. Auch dieser Uebelstand wird
vermieden, wenn man das Metall von unten her durch einen seitlichen
Kanal zuströmen lässt, dessen Querschnitt so eng bemessen ist, dass
er während des Giessens bis nahe zum Rande mit Metall gefüllt bleibt,
eine Bedingung, deren Erfüllung auch in Rücksicht auf die zuerst
erwähnte Aufgabe des steigenden Gusses nothwendig ist.


Endlich aber kommt in Betracht, dass jene aufsteigende Bewegung
des Metalles das Entweichen der schon entwickelten, aber an der ge-
bildeten Kruste haftenden Gasbläschen befördern muss. Auch in einem
Wasserglase werden die an den Wänden haftenden Bläschen zum Auf-
steigen gebracht, wenn das Wasser bewegt wird; und eine Bewegung
nach oben muss natürlich in dieser Beziehung am vortheilhaftesten
wirken.


In der Eisengiesserei wie bei der Herstellung von Formguss aus
Flusseisen wird der Guss von unten zur Erhöhung der Dichtigkeit
nicht selten angewendet; weniger häufig findet er Benutzung beim Gusse
einfacher prismatischer Blöcke für die weitere Verarbeitung. Die Ein-
richtung der Gussformen wird dadurch umständlicher (vergl. unten:
Gussformen), und das Metall, welches den Zuleitungskanal ausfüllt,
kann nicht anders als durch erneutes Schmelzen zu gute gemacht
werden. Dadurch entstehen Mehrkosten, die in diesem Falle nicht
immer mit dem erzielten Nutzen im Einklange stehen.


6. Erstarrenlassen des gegossenen Metalles unter hohem
Drucke
. Die Entwickelung der in einer Flüssigkeit gelösten Gase
wird, wie allgemein bekannt ist, gehindert, wenn die Flüssigkeit einem
entsprechend hohen Drucke ausgesetzt ist; und die etwa bereits ent-
wickelten Gase werden auf einen um so kleineren Raum zusammen-
gedrängt werden, die Gasblasen im Innern werden also um so un-
bedeutender ausfallen, unter je stärkerem Drucke das Metall erstarrt.


Wiederholt hat man versucht, diese Wirkung eines auf dem
Metalle lastenden Druckes zur Erzielung dichter Flusseisenblöcke nutz-
bar zu machen. Die angewendeten Mittel zur Erzeugung dieses Druckes
aber sind ziemlich verschiedenartig.


Ein sehr einfaches und häufig angewendetes Mittel, um ein allzu
starkes Steigen des in eine oben offene eiserne Gussform eingegossenen
Flusseisens zu vermeiden, besteht darin, dass man die Gussform nicht
ganz bis zum Rande mit dem flüssigen Metalle anfüllt, sondern einen
Raum von 6—10 cm Höhe frei lässt, alsdann trockenen Sand, gepul-
verten Lehm oder Masse auf die Oberfläche des noch flüssigen Eisens
schüttet, so dass die Schüttung bis etwas über den Rand der Guss-
form hinaus ragt, einen eisernen Deckel darauf legt und mit Keilen
festzieht. Fig. 238 zeigt diese Einrichtung. Die schmiedeeisernen
Bügel, durch welche der Keil hindurchgesteckt wird, sind in die Guss-
form eingegossen. Die Einrichtung ermöglicht zwar nur die Erzielung
eines beschränkten Druckes, besitzt aber den Vortheil grosser Einfach-
heit. Ist die Gasentwickelung sehr heftig, so kommt es vor, dass
[821]Ueber Erzielung dichter Güsse.
flüssiges Metall zwischen der Sandfüllung und dem Deckel heraus-
gequetscht wird.


In dem Eisenwerke von Joseph Whitworth \& Co. in Man-
chester wendet man hydraulischen Druck an, um die Gasentwickelung
zu verhüten. Die Gussformen bestehen aus über einander gesetzten
und unter einander verbundenen Stahlringen, ausgekleidet mit feuer-
festem Futter, in welchem aufsteigende Kanäle für die entweichenden
Gase angebracht sind. Die mit flüssigem Metalle angefüllte Form wird
auf einem fahrbaren Tische unter die hydraulische Presse geschoben,
der senkrecht stehende, an der Unterseite mit feuerfester Masse be-
kleidete Kolben derselben wird gesenkt und mit einem Drucke von
mehr als 600 kg per qcm gegen die
Oberfläche des Metalles gedrückt, welches
diesem Drucke 20—45 Minuten, ab-
weichend nach der Grösse des Blockes,
ausgesetzt bleibt.


Die solcherart gepressten Blöcke
zeigen in der Nähe der Achse gewöhn-
lich einen grösseren Hohlraum 1), jeden-
falls infolge der Schwindung entstanden,
deren Wirkung natürlich durch das
Pressen nicht oder nur theilweise be-
einträchtigt werden kann; der Hohl-
raum pflegt mit brennbaren Gasen aus-
gefüllt zu sein, welche aus dem Metalle
austraten und sich hier sammelten. Der
Erfolg des Pressens ist also keineswegs
ganz vollkommen, und in dem genann-
ten Eisenwerke wird dasselbe hauptsäch-
lich da benutzt, wo ringförmige Körper

Figure 179. Fig. 238.


(Radreifen, Luftkessel u. s. w.) aus dem gegossenen Blocke hergestellt
werden sollen und der mittlere undichte Theil durch Ausbohren ent-
fernt wird. Bei der geraumen Zeit, während welcher die Blöcke dem
Drucke ausgesetzt bleiben, würden für eine grössere Erzeugung ge-
presster Blöcke auch zahlreiche Pressen erforderlich sein und die ganze
Anlage würde dadurch ungemein kostspielig werden.


Auf einigen amerikanischen und englischen Eisenwerken benutzt
man Dampf, welcher durch sehr starke Kautschukröhren oder auch,
was jedenfalls zweckmässiger sein dürfte, durch genau schliessende,
leicht einzuschaltende Knieröhren in die nach dem Gusse sofort luft-
dicht verschlossene Gussform geleitet wird, um den Druck auf die Ober-
fläche des Metalles hervorzubringen. Der bei diesem Verfahren erreich-
bare Druck ist freilich geringer als bei Anwendung einer hydraulischen
Presse und dürfte kaum über 70 kg per qcm hinausgehen; doch will
man auch bei noch erheblich schwächerem Drucke (7 kg per qcm) recht
befriedigende Erfolge erlangt haben. 2)


[822]Die Darstellung des Flusseisens.

In noch einfacherer Weise erreicht W. Siemens einen gleichen
Zweck. In Fig. 239 ist g ein Deckel, welcher auf die entsprechend
starke Gussform aufgelegt und durch einen Keil wie gewöhnlich fest-
gehalten wird. Oben auf dem Deckel befindet sich eine mit Hahn
versehene Oeffnung I und eine zweite Oeffnung H, auf welcher ein

Figure 180. Fig. 239.


gewöhnliches Sicherheitsventil wie bei Dampfkesseln
angebracht ist. Damit der eiserne Deckel nicht durch
das flüssige Eisen angegriffen werde, bestreicht man
ihn mit Graphit. Die Gussform wird soweit mit Metall
gefüllt, dass der an der Unterseite des Deckels be-
findliche Bord in dasselbe eintaucht, nachdem der
Deckel aufgelegt und durch Anziehen des Verschluss-
keiles befestigt wurde. Nun lässt man durch den
Hahn I Wasser auf die Oberfläche des Metalles
fliessen, worauf der Hahn sofort geschlossen wird. Da in der ausser-
ordentlich hohen Temperatur des Metalles das Wasser nicht sofort
verdampft, sondern zunächst Tropfenform annimmt (Leidenfrost’sche
Tropfen), kann man das Einlassen desselben ohne Schwierigkeit aus-
führen. Alsdann aber beginnt die Verdampfung. Das in dem inneren
Raume des Deckels befindliche Metall wird, wie die Skizze es darstellt,
niedergedrückt und in den Raum ausserhalb des Deckelbordes ge-
drängt, woselbst es rasch erstarrt, hier einen dampfdichten Abschluss
bewirkend; und das übrige Metall erstarrt nun unter dem Drucke des
entwickelten Dampfes, der vermittelst des Sicherheitsventiles regulirbar
ist und bis auf 75 kg per qcm oder darüber gesteigert werden kann. 1)


Statt des Dampfes wendet Fr. Krupp Kohlensäuregas an, welches
aus flüssiger oder fester Kohlensäure entwickelt wird. Die Gussform,
welche durch einen Deckel verschlossen ist, steht durch ein seitliches,
unterhalb des Deckels mündendes Rohr mit dem durch ein Ventil ge-
schlossenen schmiedeeisernen Behälter in Verbindung, welcher die
flüssige oder feste Kohlensäure enthält. Nach dem Eingiessen des Eisens
wird auf die Oberfläche Sand oder Schlacke als schlechter Wärme-
leiter geschüttet, dann wird der Deckel aufgelegt und das Ventil des
Kohlensäurebehälters geöffnet. Letzterer steht in Wasser, Oel oder der-
gleichen, welche Flüssigkeit durch Zuleiten von Dampf beliebig erwärmt
werden kann; durch die Erwärmung wird die Spannung des sich bei
Oeffnung des Ventiles sofort entwickelnden Gases regulirt. Der von
der flüssigen Kohlensäure ausgeübte Druck beträgt bei 15°C. 52 kg,
bei 35°C. 82 kg, bei 100°C. 400 kg, bei 200°C. 800 kg per qcm.


Trotz des unleugbaren Erfolges, welcher durch Anwendung kräf-
tigen Druckes auf das im Erstarren befindliche Metall unter gewissen
Verhältnissen erreicht werden kann, sind doch die Fälle, wo man ohne
Anwendung dieses Mittels arbeitet (abgesehen von dem durch Fig. 238
auf S. 821 erläuterten einfachen Verfahren), weit häufiger als die Fälle
mit Anwendung desselben. Die Schwierigkeiten, welche sich der An-
wendung hydraulischen Druckes entgegensetzen, wurden schon oben
geschildert; aber auch die Anwendung von Dampfdruck oder Gasdruck
[823]Die Giessvorrichtungen.
nach Siemens’, Krupp’s oder einem andern Verfahren ist nicht
ohne Mehrkosten für Arbeitslöhne und Vorrichtungen zu bewirken.
Mehr und mehr hat man aber in den letzten Jahrzehnten gelernt, durch
Anwendung einfacherer Mittel, insbesondere durch Regelung der chemi-
schen Zusammensetzung und durch Benutzung der unter 2—4 be-
schriebenen Kunstgriffe, die Entwickelung von Gasen beim Giessen zu
beschränken; und natürlicherweise hat das umständlichere Erstarren-
lassen unter Druck hierdurch nicht unwesentlich an Wichtigkeit verloren.


2. Die Giessvorrichtungen.


In denjenigen Fällen, wo grössere Mengen Flusseisen in einem
gemeinschaftlichen Apparate hergestellt werden und in verschiedene
Gussformen vertheilt werden sollen, pflegt man sich für diesen Zweck
einer ausreichend grossen Giesspfanne zu bedienen, welche das sämmt-
liche Metall aufnimmt und mit Hilfe maschineller Vorrichtungen nach
den einzelnen Gussformen hin bewegt wird, um hier nach und nach
entleert zu werden. Fig. 240 1) zeigt das Aeussere einer solchen Giess-
pfanne mit der darunter stehenden Gussform
(B). Die Pfanne wird aus Eisenblech von
etwa 10 mm Stärke gefertigt, vor dem Ge-
brauche mit einer 70—100 mm starken Schicht
feuerfester Masse ausgestrichen, sorgfältig
getrocknet und schliesslich bis zum beginnen-
den Rothglühen erhitzt, indem man sie in
umgekehrter Lage über ein Koksfeuer oder
eine Gasfeuerung stellt. Die Ausfutterung
hält längere Zeit aus, muss aber nach jedes-
maliger Benutzung der Pfanne nachgesehen
und, wenn erforderlich, ausgebessert werden.
Die Entleerung erfolgt durch eine Oeffnung
im Boden in der Nähe der Wand, welche
durch einen wie ein Ventil wirkenden Stopfen
verschlossen gehalten wird. In Fig. 240 ist
die Stange b, an welcher der Stopfen a sitzt,
soweit sie sich im Innern der Pfanne be-

Figure 181. Fig. 240.


findet, punktirt gezeichnet. Oberhalb des Pfannenrandes ist sie nach
aussen umgebogen und an einem Schieber befestigt, welcher in
Führungen c und d mit Hilfe des Handhebels f auf- und abbewegt
werden kann, so dass man leicht im Stande ist, die Ausflussöffnung
zu schliessen oder beliebig weit zu öffnen.


Fig. 241 auf S. 824 zeigt die Einrichtung dieses Auslasses im ver-
grösserten Maassstabe. Im Boden der Pfanne ist unten eine entsprechend
weite Oeffnung ausgespart und mit einem Ringe, welcher einen kurzen
Auslassstutzen bildet, eingefasst. In diese Oeffnung kommt die aus bestem
feuerfesten Thon in einer eisernen Form gefertigte und gut gebrannte
Hülse i und wird mit feuerfester Masse umstampft. Die schmiede-
eiserne Ventilstange b endigt unten mit einer Hülse, in welcher der
[824]Die Darstellung des Flusseisens.
ebenfalls aus feuerfestem Thon gebrannte Stopfen a in der aus der
Abbildung leicht erkennbaren Art und Weise befestigt wird. Die Stange
selbst wird mit feuerfester Masse umkleidet und getrocknet. l ist der

Figure 182. Fig. 241.


Schieber, in dessen Kopfe die Ventilstange
mit Hilfe eines Bolzens befestigt wird; c und
d sind, wie bei Fig. 240, die Führungen für
den Schieber, f ist der Hebel zur Bewegung
desselben.


Ungefähr in der Mitte der Höhe der
Pfanne ist an derselben ein starker schmiede-
eiserner Ring g (Fig. 240 und 241) befestigt,
an welchem zwei zum Tragen der Pfanne
dienende Zapfen sich befinden.


Diese Giesspfanne würde nun, wie es in
Eisengiessereien üblich ist, mit Hilfe eines
gewöhnlichen Hand- oder Dampfkrahnes (Lauf-
oder Drehkrahnes) bewegt werden können; in
Anbetracht der im Laufe eines Tages sich
vielfach wiederholenden Benutzung der Giess-
pfanne in den Flusseisenwerken und der grossen
Unglücksfälle, welche bei gewöhnlichen Krah-
nen durch Reissen einer Kette oder durch das
Schwanken der in Ketten hängenden Giess-
pfanne herbeigeführt werden können, zieht
man es jedoch hier fast regelmässig vor,
hydraulische Hebevorrichtungen anzuwenden, deren Bewegung gleich-
mässiger und bei denen vor allen Dingen die Anwendung von Ketten
oder Seilen ganz ausgeschlossen ist.


In jedem Falle muss der für diesen Zweck dienende hydraulische
Krahn ein Heben und Senken der Pfanne um ein gewisses, wenn auch
nicht gerade sehr beträchtliches Maass gestatten, damit die Pfanne so-
wohl während der Aufnahme des flüssigen Metalles aus dem Ofen als
während der Entleerung in Gussformen von verschiedener Höhe leicht
in die geeignetste Stellung hierfür gebracht werden kann. Ausserdem
ist selbstverständlich eine Vorwärtsbewegung in wagerechter Ebene
erforderlich.


Nach der Einrichtung der letzteren lassen sich zwei verschiedene
Systeme dieser hydraulischen Giesskrahne unterscheiden.


Bei dem einen derselben ist der Krahn als Drehkrahn eingerichtet,
d. h. die Pfanne befindet sich an dem vorderen Ende eines wagerechten
Armes oder Auslegers, welcher auf dem Kopfe des senkrecht beweg-
lichen hydraulischen Kolbens befestigt ist und um denselben im Kreise
herumbewegt werden kann. Es ist dieses diejenige Einrichtung, welche
insbesondere bei fast allen älteren Bessemerwerken gefunden wird. Die
anzufüllenden Gussformen werden im Kreise in einer etwa 1—1.3 m
tiefen, kreisförmigen durch Mauerwerk begrenzten Vertiefung des
Bodens aufgestellt, in deren Mittelpunkte der hydraulische Druck-
cylinder, eingelassen im Boden, sich befindet, und durch Drehung des
[825]Die Giessvorrichtungen.
Krahnarmes wird die Pfanne nach einander über die verschiedenen
Gussformen gebracht.


Die Abbildungen Fig. 242 und 243 zeigen in 1/60 der wirklichen
Grösse eine derartige Einrichtung (Giesskrahn der Bessemerhütte zu

Figure 183. Fig. 242.


Figure 184. Fig. 243.


Königin-Marienhütte). In der Mitte steht in einem ausgemauerten
Schachte der gusseiserne Druckcylinder a, welchem durch den unten
befindlichen seitlichen Rohrstutzen das von einer Druckpumpe oder
Ledebur, Handbuch. 53
[826]Die Darstellung des Flusseisens.
einem Accumulator 1) kommende Wasser zugeführt wird, wenn der
Kolben b steigen soll; das Gewicht des Kolbens sammt seiner Be-
lastung drückt das Wasser aus dem Cylinder heraus, sobald der Zulass
geschlossen, der Auslass geöffnet wird, und der Kolben sinkt. Die
Führung des Kolbens in einer Stopfbüchse des Cylinders ergiebt sich
mit ausreichender Deutlichkeit aus der Abbildung. In dem hohlen
Kolben nun ist die senkrechte Welle c drehbar gelagert, und an der-
selben ist das aus zwei parallelen Eisenblechträgern gebildete Quer-
haupt (der Krahnausleger) befestigt, welches noch durch vier Anker
in der aus der Abbildung ersichtlichen Art und Weise in seiner Lage
festgehalten wird. An dem rechten Arme des Auslegers ist die Giess-
pfanne befestigt. Sie ruht mit ihren früher erwähnten Zapfen in einem
kräftigen Bügel an einer horizontalen Welle d, welche zwischen den
beiden Trägern in einer langen Gusseisenhülse drehbar gelagert ist.
Auf dem entgegengesetzten, aus der Hülse herausragenden Ende der
Welle ist ein Schneckenrad (Fig. 242) befestigt, welches durch den
Eingriff einer oberhalb desselben gelagerten Schnecke (vergl. Fig. 243)
in Drehung versetzt wird und diese Drehung auf die Giesspfanne über-
trägt, sobald man die Schnecke vermittelst einer über das vierkantig
geschmiedete Ende ihrer Welle gesteckten Kurbel in Umdrehung ver-
setzt. Diese Einrichtung ist nothwendig, theils um die Pfanne beim
Anwärmen auf den Kopf stellen zu können, theils auch, um eine Ent-
leerung zu ermöglichen, falls einmal bei zu niedriger Temperatur des
Eisens sich die Oeffnung im Boden mit erstarrtem Metalle zugesetzt
haben sollte.


Auf dem entgegengesetzten Arme des Auslegers befindet sich zur
Ausgleichung des von der Pfanne ausgeübten einseitigen Druckes ein
Gegengewicht in Form eines vierrädrigen eisernen, nach Bedarf be-
schwerten Wagens, welcher, je nachdem die Pfanne stärker oder weniger
stark gefüllt ist, weiter von dem Mittelpunkte ab oder näher demselben
eingestellt wird. Zur Verschiebung dient eine unter dem Wagen be-
findliche Zahnstange, welche von der Kurbel e aus bewegt wird.


Die Bewegung des Auslegers im Kreise geschieht bei dem abge-
bildeten Krahne durch Haken, mit denen Arbeiter die Arme erfassen.


Bei manchen derartigen Krahnen ist die Pfanne auch in radialer
Richtung verstellbar, d. h. man kann sie in verschiedenen Abstand vom
Mittelpunkte des Krahnes bringen, und man erhält dadurch die Mög-
lichkeit, mehrere in concentrischen Kreisen aufgestellte Reihen von
Gussformen damit anzufüllen. Der Bewegungsmechanismus hierfür ist
dann derselbe oder ähnlich wie bei der Pfanne des unten abgebildeten
und beschriebenen Krahnes Fig. 244 und 245.


Ein Drehkrahn der abgebildeten Art hat den Vortheil einer ein-
fachen Anordnung und einfachen Handhabung. Je grösser aber die
Zahl der Gussformen ist, welche aus der Pfanne gefüllt werden sollen,
desto grösser muss natürlich der Durchmesser des Kreises sein, in
[827]Die Giessvorrichtungen.
welchem sie aufgestellt werden; und der grössere Kreis bedeutet nicht
allein einen Mehrverbrauch an Grundfläche innerhalb des Giessraumes,
welcher für andere Zwecke verloren geht 1), sondern vertheuert auch
nicht unerheblich die Construction des Krahnes. Diese Uebelstände
steigern sich noch erheblich, wenn ein sehr rascher Betrieb stattfindet,
so dass schon eine zweite Reihe Gussformen aufgestellt sein muss, ehe
die zuvor gefüllten entleert und entfernt werden konnten, man also
den doppelten oder dreifachen Raum als im andern Falle verfügbar
haben muss.


Unter solchen Verhältnissen hat man bei neueren Anlagen mit
Vortheil das zweite System von Giesskrahnen zur Anwendung ge-
bracht: Rollkrahne, welche auf Schienen geradlinig fortbewegt werden
und solcherart eine beliebig lange Reihe von Gussformen zu bedienen
im Stande sind. Besonders zweckmässig sind solche Rollkrahne da, wo,
wie z. B. in Thomaswerken, eine grössere Zahl von Oefen (Birnen)
abwechselnd das flüssige Metall liefern, welches von der Giesspfanne
aufgenommen und durch den Krahn fortbewegt werden soll. Eine Auf-
stellung von mehr als zwei, höchstens drei solcher Apparate im Kreise
rings um einen Drehkrahn herum würde nicht möglich sein, ohne den
Raum für die Gussformen allzu sehr zu beengen; man würde also
unter solchen Umständen gezwungen sein, jene Apparate um mehrere
Drehkrahne zu gruppiren, während ein einziger Rollkrahn auch für ihre
Bedienung ausreicht, sofern sie in gerader Linie neben einander auf-
gestellt sind.


Einen solchen Rollkrahn, von der Märkischen Maschinenbauanstalt
in Wetter a. d. Ruhr für verschiedene deutsche Eisenwerke neuer-
dings gebaut (Hörder Eisenwerk, Peiner Walzwerk), zeigen die Ab-
bildungen Fig. 244 und 245 auf S. 828. 2)


Auf dem starken von sechs Stahlrädern getragenen Wagen be-
findet sich der hydraulische Cylinder b, dessen hohler Kolben auf dem
Wagen feststeht, während der Cylinder gehoben wird, sobald durch den
Kolben Wasser zugeleitet wird. Die Zuführung erfolgt vermittelst der
beiden Pumpen c c (Fig. 245), welche dasselbe aus dem unter dem
Wagen befindlichen Behälter d (Fig. 244) entnehmen und von der
mit den Pumpen gekuppelten, in Fig. 245 sichtbaren Zwillingsdampf-
maschine aus betrieben werden. Auch die Rohrleitung hierfür ist in
Fig. 245 sichtbar.


An dem hydraulischen Cylinder ist nun das Querhaupt oder der
Ausleger f befestigt, um mit diesem gehoben und gesenkt zu werden.
Dieser Ausleger ist ähnlich wie derjenige des vorigen Krahnes aus
schmiedeeisernen Trägern mit entsprechenden Verbindungsstücken con-
struirt und gestattet eine Drehung im Kreise um 180 Grad für den
Fall, dass, wie es häufig zweckmässig sein kann, die Gussformen an
der einen Seite des Wagens, die Oefen an der andern Seite sich
befinden. Das vordere Ende des Auslegers trägt die Giesspfanne, das
53*
[828]Die Darstellung des Flusseisens.

Figure 185. Fig. 244 und Fig. 245.


[figure]

[829]Die Gussformen.
andere nach rückwärts verlängerte Ende dient zur Aufnahme des Gegen-
gewichtes g.


Der Abstand der Giesspfanne vom hydraulischen Cylinder ist ver-
änderlich gemacht, so dass man unter Umständen zwei Reihen Guss-
formen damit anfüllen kann. Zu diesem Zwecke ruht dieselbe mit ihren
Zapfen in zwei kleinen Wagen h, welche mit horizontalen Zugstangen
gekuppelt sind. Letztere endigen in je einer Zahnstange, und beide
Zahnstangen lassen sich von dem Griffrade k aus durch Vermittelung
der in Fig. 245 sichtbaren Getriebe leicht vor- oder rückwärts bewegen,
hierbei die Giesspfanne mitnehmend. Die Verstellbarkeit der Giess-
pfanne in wagerechter Linie beträgt 1 m, die Hubhöhe des Auslegers
ebenfalls 1 m.


Das Kippen der Pfanne geschieht durch Vermittelung einer Schnecke,
welche in ein auf dem einen Zapfen der Pfanne befestigtes Schnecken-
rad eingreift. Beide Abbildungen lassen diese Einrichtung erkennen.
Die Welle der Schnecke ist in ihren Lagern verschiebbar, so dass ihr
Eingriff auch bei geänderter Stellung der Pfanne unbeeinträchtigt
bleibt.


Die Kolbenstangen der schon erwähnten Dampfcylinder e e sind
nach rückwärts verlängert und wirken hier durch Schubstangen mit
Kurbel auf ein Rädersystem, von welchem aus das mittlere Lauf-
räderpaar des Wagens Drehung empfängt, sobald Vorwärtsbewegung
auf den Schienen stattfinden soll (Fig. 244). Die anderen zwei Lauf-
räderpaare wirken als Rollen ohne selbständige Bewegung. Mit Hilfe
einer Klauenkuppelung kann diese Bewegung leicht ausgerückt werden,
wenn der Wagen stehen, die Maschine aber zum Betriebe der Pumpen
benutzt werden soll.


l ist ein senkrechter Röhrenkessel zur Erzeugung des erforder-
lichen Dampfes. m ist eine Dampfpumpe, theils zur Speisung des
Kessels bestimmt, theils auch an Stelle der schon erwähnten Pumpen
zur Zuführung von Druckwasser nach dem Krahne dienend, während
die Dampfmaschine e zur Bewegung des Wagens benutzt wird und
jene Pumpen ausgerückt sind. Die Wasserzufuhr durch die Pumpe m
beschränkt sich hierbei auf den Ersatz des durch die Stopfbüchse des
hydraulischen Kolbens entweichenden Wassers, um ein Sinken des
Cylinders zu verhindern.


Der Krahn ist für eine Tragfähigkeit von 10 t berechnet; der von
den Pumpen ausgeübte Druck beträgt 20 kg per qcm. Die Dampf-
maschine und Räderwerke sind durch geriffelte Bleche, mit denen der
Wagen belegt ist, gegen Beschädigung durch umhersprühende Funken,
Schlackentheilchen u. s. w. geschützt.


3. Die Gussformen.


Nach der Beschaffenheit des für die Gussformen verwendeten
Materiales lassen sich zwei Gruppen derselben unterscheiden.


Die eine umfasst solche Gussformen, welche aus einem bildsamen,
nichtmetallischen Materiale mit Hilfe eines Modelles oder einer Scha-
blone hergestellt — „geformt“ — wurden. Sie finden da Verwendung,
wo man den schon erwähnten Formguss erzeugen will, Gusswaaren,
[830]Die Darstellung des Flusseisens.
die, ohne eine weitere Veränderung ihrer Form durch Walzen, Schmieden,
Pressen u. s. w. zu erfahren, sogleich als Fertigwaare, als Gebrauchs-
gegenstände dienen können, wie es auch mit den zahlreichen aus Guss-
eisen in den Eisengiessereien gefertigten Gegenständen der Fall ist.
Man giesst in dieser Weise zahlreiche Maschinentheile, welche eine
grössere Festigkeit erhalten sollen als sie das Gusseisen besitzt, Getriebe,
Kurbeln, Laufräder u. v. a. 1)


In diesen Fällen kommt es also ganz besonders darauf an, dichten,
d. h. von Hohlräumen freien, Guss zu erzielen, und die oben erwähnten
Mittel zur Erreichung dieses Zieles, insbesondere die Regelung der
chemischen Zusammensetzung und Anwendung eines verlorenen Kopfes,
müssen hier mit doppelter Sorgfalt und Umsicht zur Anwendung ge-
bracht werden.


Metallene Gussformen würden hier unverwendbar sein. Erstens
würde in Rücksicht auf die äussere Form vieler solcher Gussstücke
die sofort nach dem Giessen eintretende Schwindung innerhalb der
Gussform gar nicht möglich sein, ohne dass ein Zerreissen des Abgusses
stattfände. Man vergegenwärtige sich z. B. das Zusammenziehen eines
Radkranzes innerhalb einer metallenen, also vollständig starren Guss-
form. Der Durchmesser des ersteren nimmt ab, während die Gussform
unverändert bleibt; der Kranz presst sich fester und fester um den
inneren Theil der Gussform und reisst schliesslich ab.


Zweitens aber würde in Rücksicht auf die raschere Abkühlung,
welche innerhalb der metallenen Gussform stattfindet, auch die Gas-
entwickelung plötzlicher, stärker eintreten und es würde weit schwieriger
sein, dichte Güsse zu erzielen; ja in Anbetracht der verhältnissmässig
dünnen Querschnitte, welche viele solcher Abgüsse besitzen, würde
eine vollständige Ausfüllung der Gussform oft durch die vorzeitige Er-
starrung des eingegossenen Metalles unmöglich gemacht werden.


Man benutzt also für derartige Zwecke ein Material, welches aus-
reichend bildsam sein muss, um die Herstellung der Gussformen zu
ermöglichen, dabei widerstandsfähig genug gegen die mechanischen
Einwirkungen beim Giessen wie gegen die hohe Temperatur des ein-
gegossenen Metalles, doch aber ausreichend nachgiebig, um nicht die
Schwindung zu behindern, schlechter Wärmeleiter, um allzu plötzliche
Abkühlung zu vermeiden, und etwas durchlässig für Gase und Dämpfe,
welche während des Giessens auch aus dem Formmaterial sich zu ent-
wickeln pflegen, damit diese nicht durch das flüssige Metall hindurch
ihren Weg zu nehmen brauchen.


[831]Die Gussformen.

Die seit Jahrhunderten entwickelte Technik der Gusswaarendar-
stellung aus Roheisen zeigte den Weg zur Auswahl eines geeigneten
Formmateriales auch für diesen Zweck; aber die höhere Temperatur des
geschmolzenen schmiedbaren Eisens machte strengere Anforderungen als
dort an die Beschaffenheit des Materiales erforderlich. Gussformen aus
sogenanntem nassen Formsande, die in den Eisengiessereien, ohne
getrocknet zu werden, vielfache Verwendung finden, sind für diesen
Fall nur selten benutzbar. Man muss ein Material wählen, welches,
nachdem es im feuchten und dadurch bildsamen Zustande geformt
wurde, eine starke Trocknung in hoher Temperatur erträgt, ohne an
Festigkeit zu verlieren.


Das üblichste Formmaterial ist Masse (S. 134), bestehend aus feuer-
festem Thon mit Zusatz von so viel Magerungsmitteln, dass derselbe
die Eigenschaft verliert, beim Trocknen zu schwinden, und eine ge-
wisse Durchlässigkeit gegen Gase wie auch, selbst im gebrannten Zu-
stande, eine gewisse Nachgiebigkeit gegenüber dem Schwinden des
Metalles bekommt. In Rücksicht auf den Umstand, dass die Menge
des frisch zugesetzten Thones weit hinter der Menge der als Mage-
rungsmittel dienenden Körper zurückzustehen pflegt, lässt sich die
„Masse“ vielleicht noch richtiger bezeichnen als ein Gemisch von
feuerfesten, beim Trocknen und Brennen nicht schwindenden Kör-
pern in Körnerform mit so viel feuerfestem Thon, dass das Ganze,
mit etwas Wasser angefeuchtet, Bindekraft bekommt, d. h. sich for-
men lässt.


Die letztere Erklärung des Begriffes Masse macht es begreiflich,
dass man als Grundbestandtheil derselben das Material der schon be-
nutzten Gussformen zu verwenden pflegt, d. h. alte Masse, welche durch
das stattgehabte Brennen die Eigenschaft zu schwinden, zugleich aber
die Fähigkeit verloren hat, durch Befeuchtung mit Wasser bildsam zu
werden. Man vermengt sie also mit soviel frischem feuerfestem Thon
als erforderlich ist, diese letztere Eigenschaft wieder hervorzurufen.
Ausserdem pflegt man gewisse Mengen Steinkohle, auch wohl Holz-
kohle oder Koks, dem Gemische zuzusetzen. Man beabsichtigt damit,
einestheils die Masse durchlässiger für Gase, nachgiebiger für die
Schwindung des Metalles zu machen, hauptsächlich aber auch das Zu-
sammensintern der Masse und das Festbrennen derselben an dem Ab-
gusse zu erschweren. Jene Zusätze wirken hierbei theils mechanisch,
indem sie als vollständig unschmelzbare Körper die Berührung der
anderen Bestandtheile einschränken, theils auch, indem sie im Augen-
blicke des Giessens kleine Mengen Gase entwickeln, welche ebenfalls
die innige Berührung besonders zwischen dem Abgusse und dem Form-
materiale erschweren.


Die Masseformen werden nach ihrer Herstellung in besonderen
Trockenkammern getrocknet und mitunter bis zur beginnenden Roth-
gluth erhitzt, um den Wassergehalt zu verflüchtigen. Man pflegt in
die noch warme Gussform das Metall einzugiessen.


Für das Giessen von Eisensorten mit hoher Schmelztemperatur
hat man in neuerer Zeit als Gussformmaterial mit Vortheil möglichst
chemisch reinen Quarzsand angewendet, dem man durch Zusatz organi-
[832]Die Darstellung des Flusseisens.
scher Körper (Melasse, Mehl oder dergleichen) die nöthige Bildsamkeit
verleiht. 1)


Die Herstellung der Gussformen aus den erwähnten Materialien
geschieht im Wesentlichen in derselben Weise wie die Herstellung der
Gussformen in den Eisengiessereien. Eine Beschreibung des betreffen-
den, rein mechanischen Verfahrens gehört nicht in den Rahmen des
vorliegenden Werkes und kann in jedem Handbuche der Eisengiesserei
nachgesehen werden.


Wie schon oben angedeutet wurde und leicht sich erklärt, wächst
die Schwierigkeit der Herstellung brauchbarer Gussformen mit der
Schmelztemperatur des zum Gusse bestimmten Metalles; die Schmelz-
temperatur aber steigt, wie bekannt, in demselben Maasse, wie der
Kohlenstoffgehalt abnimmt. Während für die kohlenstoffreichsten, dem
Roheisen nahe stehenden Stahlsorten thatsächlich eben solche Guss-
formen wie zum Giessen des Gusseisens sich benutzen lassen und man
aus solchem Stahle sogar Abgüsse in gewöhnlichem, nicht getrocknetem
Formsande darstellt, sind für kohlenstoffärmeres, weniger hartes aber
auch weniger sprödes Eisen nur Gussformen brauchbar, welche den
höchsten Grad von Unschmelzbarkeit besitzen. In den ersten Jahr-
zehnten, nachdem man gelernt hatte, Gusswaaren aus schmiedbarem
Eisen durch unmittelbares Eingiessen desselben in Formen zu erzeugen,
beschränkte man aus jener Ursache die Anwendung des Verfahrens
auf die Verarbeitung des eigentlichen Stahles, dessen Kohlenstoffgehalt
selten erheblich weniger als 1 Procent zu betragen pflegte; erst in
neuerer Zeit hat man die Technik des Schmelzens sowohl2) als der Her-
stellung der Gussformen soweit vervollkommnet, um auch kohlenstoff-
ärmeres Eisen zu Gusswaaren verarbeiten zu können.


Jene Gussformen aus bildsamem Materiale aber, welche für den
besprochenen Zweck unentbehrlich sind, lassen sich nur für einen ein-
maligen Guss benutzen. Beim Gusse selbst wie bei der Schwindung
des Metalles und dem Herausnehmen des Abgusses werden sie be-
schädigt, und für jeden neuen Guss müssen sie — wie es ja auch bei
der Herstellung von Abgüssen aus anderen Metallen in derartigen
Gussformen der Fall ist — neu hergestellt werden.


Der zuletzt erwähnte Uebelstand der Gussformen aus bildsamem
Materiale — ihre nur einmalige Benutzungsfähigkeit — ist bei der
zweiten Gruppe von Gussformen vermieden, welche aus festem Guss-
eisen oder auch aus Stahl gegossen werden. Wie schon erörtert wurde,
ermöglichen sie nur die Herstellung ganz einfach gestalteter Abgüsse,
deren Zusammenziehung nach dem Gusse nicht durch die Wände der
Gussform behindert ist und deren Querschnittsabmessungen reichlich
[833]Die Gussformen.
genug sind, dass nicht vorzeitige Erstarrung des eintretenden Metalles
eintrete, ehe die Gussform ausgefüllt ist. Man benutzt sie deshalb fast
ausschliesslich zur Herstellung jener Blöcke1), welche für die weitere
Verarbeitung durch Hämmern oder Walzen bestimmt sind.


Man pflegt diesen Blöcken vierseitigen Querschnitt mit abgerun-
deten Ecken zu geben. Der obere Durchmesser ist ein wenig kleiner
als der untere, wodurch das Abheben der Gussform von dem erstarrten
Blocke erleichtert wird, und letzterer besitzt daher die Form einer
abgestumpften Pyramide, deren Seitenflächen jedoch so wenig conver-
giren, dass eine fast prismatische Form entsteht.


Nicht ohne Wichtigkeit ist das Verhältniss des Durchmessers des
Blockes zur Höhe. Nimmt man für ein vorgeschriebenes Gewicht den
Durchmesser sehr klein im Verhältniss zur Höhe, so wird dadurch
allerdings die spätere Arbeit des Ausstreckens auf einen geringeren
Querschnitt verringert, aber, wie früher erörtert wurde, ist es in dünneren
Querschnitten schwieriger, dichten Guss zu erzielen, und jene Verbesse-
rung der Eigenschaften des Eisens, welche nach früheren Erörterungen
mit der mechanischen Verarbeitung Hand in Hand geht, fällt natür-
lich ebenfalls geringer aus, wenn diese Verarbeitung eingeschränkt
wird. Giesst man umgekehrt den Block allzu dick bei geringerer Höhe,
so vertheuert man nicht allein die spätere Bearbeitung, sondern es können
auch — besonders beim Giessen harten Stahles — infolge der grösseren
Schwindung des Umfanges Risse an den äusseren Flächen entstehen,
welche unter Umständen den Block unbenutzbar machen. Gewöhnlich
ist das Verhältniss der Breite (Seitenlänge) zur Höhe des Blockes an-
nähernd wie 1 : 3, wobei man dann der Höhe für die Gussform noch
etwa 10 cm hinzuzurechnen pflegt, damit dieselbe nicht bis zum Rande
gefüllt zu werden braucht, um das erforderliche Metall aufzunehmen.
Im Uebrigen spricht die spätere Verwendung der Blöcke, die Grösse
der vorhandenen Kaliber u. s. w. hierbei mit.


Eine derartige Gussform für Flusseisenblöcke erhält demnach ihre
einfachste Gestalt, wenn man sie in einem Stücke, oben und unten
offen, herstellt, und beim Giessen einfach eine ebene Platte als
Unterlage der Gussform benutzt. Wo die Gussformen nicht verkeilt
werden sollen oder wo die Anwendung eines andern Mittels zur Er-
zielung von Druck nach dem Giessen nicht beabsichtigt ist, genügen
diese Gussformen vollständig ihrem Zwecke.


Soll aber von oben her Druck angewendet werden, etwa durch
Aufschütten von Sand und Festkeilen eines Deckels, so muss die Guss-
form mit einem besonderen Boden versehen sein, der fest mit der-
selben verbunden werden kann. Die auf S. 821 abgebildete Gussform
Fig. 238 ist in dieser Weise eingerichtet. Das Bodenstück derselben
ist mit seitlich angegossenen kräftigen Ohren a versehen, in welchen
schmiedeeiserne, aufrecht stehende Dübel befestigt sind. Letztere endigen
oben in einem vierseitig geschmiedeten, mit Keilöffnung versehenen
Kopfe, welcher genau zwischen zwei an dem Obertheile angegossenen
Vorsprüngen b b hindurchgeht, und die Verbindung wird durch Keile
[834]Die Darstellung des Flusseisens.
bewerkstelligt, wie die Abbildung erkennen lässt. Die Flächen des
Obertheiles und Bodens müssen gut auf einander schliessen. Damit der
Boden durch das hineinstürzende Metall nicht allzu rasch ausgefressen
werde, bringt man wohl, wie in der Abbildung ersichtlich ist, an
seiner oberen Seite eine Aussparung von 20—30 mm Tiefe an, welche
mit feuerfester Masse ausgefuttert wird.


Die Wandstärke der Gussformen pflegt, abweichend nach der Grösse
derselben, 60—100 mm zu betragen. Um sie vor dem Reissen zu
schützen oder auch, um sie noch benutzen zu können, wenn sie
bereits gerissen sein sollten, umgiebt man sie bisweilen mit umgelegten
Ankern.


Erfahrungsmässig pflegen solche Risse nicht in den Ecken, son-
dern am unteren Rande in der Mitte der Seiten der Form zuerst zu
entstehen. Eine Verstärkung der Seitenwände in der Mitte ist daher

Figure 186. Fig. 246.


zweckmässig; und man erreicht dieses Ziel, indem man
der Gussform den in Fig. 246 gezeichneten Quer-
schnitt giebt.


Auch eine Herstellung der Gussform aus zwei
gleichen Hälften, deren senkrechte Trennungsebene
diagonal durch zwei gegenüberliegende Ecken geht,
wird mitunter angewendet, um das Reissen zu er-
schweren. Die beiden Hälften sind mit nach aussen
vorspringenden Laschen versehen und werden durch Dübel und
Keile verbunden. Die Herstellung wird aber dadurch kostspieliger,
die Hälften verziehen sich leicht und passen dann nicht mehr zu-
sammen.


Will man aufsteigenden Guss anwenden (S. 819), so ist eine be-
sondere Vorrichtung hierfür erforderlich. Gewöhnlich gruppirt man
in diesem Falle mehrere Gussformen um ein gemeinschaftliches Ein-
gussrohr, von welchem aus durch wagerechte Kanäle das Eisen den
einzelnen Gussformen zuströmt. Die Kanäle müssen aus feuerfesten
Ziegeln hergestellt sein, damit man sie nach beendigtem Gusse öffnen
und das darin befindliche Eisen herausnehmen kann. Auch das Ein-
gussrohr wird mit feuerfestem Thon ausgekleidet, damit das flüssige
Eisen nicht frühzeitig erstarre. Fig. 247 und 248 zeigen eine solche
Einrichtung. In der Mitte steht der Einguss, entsprechend höher als die
Gussformen, damit diese ohne Schwierigkeit angefüllt werden. Rings
herum stehen die vier zugehörigen Gussformen. Als Unterlage für das
Ganze dient ein starker Gusseisenrahmen, an der oberen Seite aus-
gefuttert mit feuerfesten Ziegeln, in welchen die Kanäle für das Metall
ausgespart sind. Eine Befestigung der Gussformen und des Eingusses
auf der Platte ist, wenn solche überhaupt erforderlich sein sollte, leicht
durch Dübel in ähnlicher Weise zu bewirken wie bei der oben be-
sprochenen Gussform Fig. 238.


Die Kanäle müssen nach jedem Gusse erneuert werden und das
Verfahren wird dadurch kostspielig.


Sämmtliche gusseiserne Formen erhalten, ehe sie in Benutzung
genommen werden, einen dünnen isolirenden Ueberzug, um vor der
[835]Die Hebevorrichtungen und Accumulatoren der Flusseisenhütten.
unmittelbaren Einwirkung des eingegossenen Metalles geschützt zu
sein. Man benutzt dazu Graphit, mit etwas Thonwasser angerührt,

Figure 187. Fig. 247

und 248.


[figure]
[figure]

Kalkwasser oder dergleichen. Vor der Benutzung müssen die Formen
angewärmt werden, wenn sie nicht etwa noch von dem vorausgegange-
nen Gusse her warm sein sollten.


4. Die Hebevorrichtungen und Accumulatoren der
Flusseisenhütten.


Krahne.

Zum Aufstellen und Fortbewegen der Gussformen, zum Anheben
der Blöcke und zu ähnlichen Zwecken sind Hebevorrichtungen —
Krahne — erforderlich. Nun kann allerdings jeder gewöhnliche Krahn
diesen Zweck erfüllen; häufiger aber bedient man sich gerade in diesem
[836]Die Darstellung des Flusseisens.
Falle hydraulischer Krahne, besonders dann, wenn die Einrichtung zur
Erzeugung des hydraulischen Druckes ohnehin für den Betrieb ähn-
licher Vorrichtungen (z. B. des Giesskrahnes) bereits vorhanden ist.


Die Einrichtung eines solchen hydraulischen Krahnes ist in diesem
Falle sehr einfach und stimmt im Wesentlichen mit derjenigen des
Giesskrahnes Fig. 242 auf S. 825 überein. Der hydraulische Cylinder
befindet sich alsdann natürlicherweise nicht, wie bei letzterem, unter-
halb der Hüttensohle, sondern steht auf derselben; an die Stelle der
Giesspfanne tritt beim Hebekrahn eine Kette mit Haken, an dem die
Vorrichtung zum Erfassen der Gegenstände hängt.


Da weder die erforderliche Hubhöhe noch die Belastung dieser
Krahne gross zu sein pflegt, zeichnet sich eine solche Krahncon-
struction durch Einfachheit aus.


Accumulatoren.

Der Druck zum Betriebe der hydraulischen Hebeapparate kann
zwar, wie bei dem fahrbaren Giesskrahne Fig. 244 und 245 auf S. 828,
unmittelbar durch die Arbeit einer oder zweier gekuppelter Druck-
pumpen hervorgebracht werden; für feststehende Krahne empfiehlt sich
jedoch die Einschaltung eines Accumulators zwischen Druckpumpe und
Hebevorrichtung, d. h. eines Behälters zur Ansammlung grösserer
Mengen Druckwasser, welche durch die ununterbrochen stattfindende
Arbeit der Pumpe hierher befördert werden. Man erreicht hierdurch
den Vortheil, mit Hilfe eines einzigen Accumulators von ausreichen-
der Grösse mehrere Hebevorrichtungen zugleich betreiben zu können.


Die Einrichtung der Accumulatoren ist verschieden.


Bei dem Accumulator von Armstrong, dem ältesten und
auch jetzt noch am häufigsten benutzten, wird ein senkrecht stehender,
durch Gewichte belasteter Kolben in einem hydraulischen Cylinder
durch das von der Druckpumpe zugeführte Wasser gehoben; öffnet
man die Leitung nach dem zu betreibenden Hebeapparate, so strömt
Druckwasser dorthin und der Kolben sinkt. Von dem Querschnitte des
Accumulatorkolbens und der Hubhöhe ist die anzusammelnde Menge
des Druckwassers abhängig, aus dem Gesammtgewichte des Kolbens
nebst Belastung und dem Kolbenquerschnitte ergiebt sich der per
Flächeneinheit (qcm) ausgeübte Druck, welcher durch die Leitung fort-
gepflanzt wird. Nach der Anzahl der Krahne oder sonstigen Hebe-
vorrichtungen, welche vom Accumulator aus betrieben werden sollen,
wie nach der Grösse der angewendeten Belastung, sind daher die Ab-
messungen desselben sehr verschieden. Auf einzelnen Werken findet
man Accumulatoren mit 600—700 mm Kolbendurchmesser bei 4—5 m
Hubhöhe; auf anderen begnügt man sich mit 400 mm Durchmesser
und 2 m Hubhöhe, wendet dagegen stärkere Belastung an. Bei ver-
schiedenen Anlagen pflegt diese Belastung zwischen 10—30 kg per qcm
zu schwanken.


Bei Tweddell’s Differenzial-Accumulator, welcher auf
einigen amerikanischen Eisenwerken zur Anwendung gebracht ist, steht
(wie bei dem hydraulischen Cylinder des Giesskrahnes Fig. 244) der
Kolben fest und der entsprechend belastete Cylinder wird gehoben,
[837]Die Flusseisendarstellung aus Erzen.
wenn durch den hohlen Kolben Wasser zugeführt wird. Die Wirkung
hierbei ist natürlich die nämliche wie bei dem Armstrong-Accumulator.
Damit der Cylinder auch bei grösserem Hube nicht schwanke, ist er
am Kolben selbst zweimal geführt, d. h. der letztere geht mit einer
Verlängerung durch eine Stopfbüchse auch im Obertheile des Cylinders
hindurch und endigt in einem von Säulen getragenen Querhaupte.
Damit aber das Heben des Cylinders möglich werde, muss diese Ver-
längerung des Kolbens kleiner im Durchmesser sein als die untere
Hälfte, so dass der freie Cylinderquerschnitt oben entsprechend grösser
als unten wird; daher die Bezeichnung Differenzial-Accumulator.


Die einfachste Art aller Accumulatoren sind die sogenannten
Luftaccumulatoren, welche eben ihrer Einfachheit halber nicht
selten benutzt werden. Ein luftdicht genieteter Eisenblechcylinder mit
senkrechter Achse ist auf einem gusseisernen, ringförmigen Untersatze
befestigt, an welchem die Rohrstutzen für die Zuleitung wie für die
Ableitung des Druckwassers sich befinden. Durch das im Behälter an-
steigende Wasser wird die darüber befindliche Luft zusammengedrückt
und wirkt demnach wie ein elastischer Kolben auf die Wasserober-
fläche. Durch Anbringung eines Manometers an geeigneter Stelle lässt
sich der im Innern vorhandene Druck beobachten. Da durch die
unvermeidlichen kleinen Undichtigkeiten immerhin eine gewisse Menge
der stark gepressten Luft verloren geht, lässt man durch die Druck-
pumpe auch stetig etwas Luft neben dem Wasser zuführen, indem man
an dem Saugventilkasten ein kleines Rückschlagventil anbringt. Man
pflegt diesen Accumulatoren 2—3 m Höhe bei 0.8—1.5 m Durchmesser
zu geben, auch wohl zwei derselben mit einander zu verbinden.1)


5. Die Flusseisendarstellung aus Erzen.


Wenn man Roheisen und Eisenerze oder eisenreiche Schlacken in
geeigneten Gewichtsverhältnissen unter Verhältnissen schmilzt, welche
nicht etwa die Aufnahme grösserer Mengen Kohlenstoff von aussen her
ermöglichen, so muss schmiedbares Eisen erfolgen und zwar Fluss-
eisen, wenn die Temperatur hoch genug ist, um das Enderzeugniss
flüssig zu erhalten. Es ist dieses ein Vorgang, welcher offenbar grosse
Aehnlichkeit mit der Reduction von Eisen aus dem Herdfutter oder
den eisenreichen Zuschlägen im Puddelofen besitzt und sich im Wesent-
lichen nur durch die für die Flusseisendarstellung erforderliche höhere
Temperatur von letzterer unterscheidet. Als Abart anderer Processe
findet diese Erzverarbeitung mitunter Verwendung und bei Besprechung
jener Processe (Tiegelgussstahlerzeugung, Martinprocess) wird dieselbe
ausführlicher erwähnt werden.


Verschiedene Vorschläge und Versuche sind jedoch auch gemacht
worden, um ohne Mitverwendung von Roheisen ausschliesslich aus
Erzen Flusseisen zu erzeugen.


Bei starkem Rohgange im Hochofen erfolgt thatsächlich mitunter
ein hochgrelles Eisen, welches seiner chemischen Zusammensetzung wie
[838]Die Darstellung des Flusseisens.
seinem Verhalten nach sich als harter Stahl bezeichnen lässt. Auf die
Dauer aber lässt sich, wie aus den Erörterungen über den Hochofen-
process sich ergiebt, ein solcher Betrieb nicht fortführen. Die Tempe-
ratur des Ofens sinkt in einem Maasse, dass ein Einfrieren desselben
alsbald eintritt, wenn nicht Abhilfe geschaffen wird; die stärkste Wind-
erhitzung aber ist allein nicht im Stande, hier zu helfen, sondern das
Verhältniss des Brennstoffes zum Erze muss erhöht werden. Hierdurch
aber wird die Reduction und Kohlung befördert, und es entsteht wieder
Roheisen.


Die Schwierigkeiten würden noch grösser sein, wenn man ver-
suchen wollte, statt jenes ausnahmsweise im Hochofen erfolgenden,
wenig brauchbaren, immerhin noch verhältnissmässig kohlenstoffreichen
Eisens ein kohlenstoffärmeres darzustellen. Im Stückofen, welcher ja
seiner Form nach als kleinerer Hochofen betrachtet werden kann, ver-
meidet man das Einfrieren, indem man davon absieht, einen ununter-
brochenen Betrieb zu führen und nur immer bestimmte Einsätze schmelzt,
worauf der Ofen ausgeräumt wird; aber das Erzeugniss ist Schweiss-
eisen. Jene für Flusseisenerzeugung nothwendige Temperatur würde
auch hier nicht ohne Vermehrung des Brennstoffes erzielt werden
können, und diese Vermehrung des Brennstoffes würde eben wieder
eine stärkere Kohlung des Eisens unvermeidlich nach sich ziehen.


Diese Hindernisse für die directe Darstellung von Flusseisen im
Schachtofen versucht Bull in Liverpool dadurch zu umgehen, dass
er als Brennstoff Wassergas (S. 96) anwendet, welches also eine nur
verhältnissmässig geringe kohlende Wirkung auf das Eisen ausübt. Das
Gas sowohl als der Verbrennungswind werden in steinernen Erhitzungs-
apparaten auf eine möglichst hohe Temperatur erwärmt und im unteren
Theile des Ofens eingeführt.


Bei unbefangener Erwägung der mehrfach erörterten Bedingungen
für die Reduction der Eisenerze durch Gase wird man jedoch sofort
eine andere, nicht leicht zu beseitigende Schwierigkeit für die Durch-
führung des Processes erkennen. Je höher die Temperatur ist, desto
grösser muss der Ueberschuss der reducirenden Gase sein, wenn nicht
statt Reduction von Eisenoxyden Oxydation metallischen Eisens statt-
finden soll. Das Schmelzen des Flusseisens lässt sich, wie bekannt,
nur in den höchsten in unseren Oefen erreichbaren Temperaturen be-
wirken; diese erforderliche Temperatur aber ist durch Vorwärmung der
Gase allein nicht erreichbar (eine stärkere Erhitzung derselben als auf
etwa 800 Grad C. ist überhaupt bis jetzt praktisch unmöglich); es muss
vielmehr Verbrennung in dem unteren Theile des Ofens stattfinden
und zu diesem Zwecke wird, wie schon erwähnt, Gebläsewind zugeführt.
Die Folge der Verbrennung der Gase aber ist die Entstehung eines
oxydirenden Gasgemisches; und wollte man durch Zuführung eines sehr
grossen Ueberschusses von Reductionsgasen dieses Hinderniss zu be-
seitigen, die Oxydationsgase zu verdünnen versuchen, so sinkt selbst-
verständlich sofort wieder die Temperatur, weil die erzeugte Wärme
dazu verbraucht wird, die grössere Menge Gase zu erhitzen.


Dieselben Verhältnisse also, welche den Versuch, einen Hochofen
mit Gasen auf Roheisen zu betreiben, erfolglos erscheinen lassen (S. 552),
kommen auch hier in Betracht; aber die Schwierigkeiten sind noch
[839]Die Flusseisendarstellung im Cupolofen.
grösser als in jenem Falle, weil die Schmelztemperatur des Flusseisens
höher liegt. Das einzige Mittel, die gleichzeitige Erzeugung einer aus-
reichend reducirenden Gasatmosphäre und ausreichend hohen Tempe-
ratur im unteren Theile des Hochofens zu bewirken, ist die Anwendung
von Kohlen (Holzkohlen, Koks) neben den Gasen, welche, wie im
Hochofen für Roheisendarstellung, gemeinschaftlich mit den Erzen auf-
gegichtet werden; und die bis jetzt veröffentlichten Erfahrungen über
den Verlauf des Bull’schen Processes zeigen auch, dass derselbe ohne
dieses Mittel nicht durchführbar ist. Sobald man versuchte, ohne
Kohlen zu arbeiten, trat, wie sich voraussehen liess, Abkühlung des
Ofens ein.


Bei Anwendung von Kohlen aber wächst wieder die Schwierig-
keit, ein kohlenstoffarmes Flusseisen zu gewinnen.


Bei Versuchen, welche im Jahre 1881 in Seraing angestellt wur-
den1), erfolgte ein Eisen von sehr wechselnder Zusammensetzung und
zwar enthielt dasselbe 0.5—2.5 Proc. Kohlenstoff, war also in dem
letzteren Falle schwerlich noch schmiedbar, 0.1—3.40 Proc. Silicium,
0.3—1.3 Proc. Schwefel (!), 1—1.7 Proc. Phosphor. Der Verbrauch an
Koks zur Vergasung und zum unmittelbaren Aufgichten im Ofen be-
zifferte sich auf 2500—3000 kg per 1000 kg erzeugten Eisens. Die
oben gegebenen Erörterungen legen den Schluss nahe, dass eine erheb-
liche Verringerung dieses Brennstoffverbrauches auch kaum zu erreichen
sein wird.


Trotz dieser keineswegs ermuthigenden Ergebnisse, welche im
vollen Einklange zu der besprochenen Theorie des Processes stehen,
soll sich in England eine Gesellschaft mit bedeutendem Anlagecapitale
zur Benutzung des Verfahrens gefunden haben.


6. Die Flusseisendarstellung im Cupolofen.


Wenn man in einem gewöhnlichen Cupolofen, wie er auf S. 604 ff.
beschrieben worden ist, Roheisen und schmiedbares Eisen in geeig-
neten Gewichtsverhältnissen und in ausreichend hoher Temperatur
zusammen einschmilzt, so lässt sich, wie von vorn herein zu erwarten
ist, flüssiges schmiedbares Eisen — Flusseisen beziehentlich Flussstahl
— darstellen, dessen Kohlenstoffgehalt theils von dem Kohlenstoff-
gehalte des Gemisches, theils von der Oxydationswirkung des Schmelz-
ofens abhängig ist.


Ein Schmelzen schmiedbaren Eisens im Cupolofen ohne Roheisen-
zusatz würde zwar möglich sein, macht aber die Anwendung eines
Cupolofens mit weniger stark oxydirender Gasatmosphäre als gewöhn-
lich erforderlich. Enge Windeinströmungen und stark gepresster, am
besten erhitzter Wind, daneben reichlicheres Verhältniss des Brennstoff-
satzes zum Eisensatze würde hier erforderlich sein. Das Verfahren
würde dadurch kostspieliger ausfallen als bei Roheisenzusatz.


Vielfach sind schon Versuche gemacht worden, den Process prak-
tisch zu verwerthen. Dass derselbe wenig geeignet ist, ein brauch-
[840]Die Darstellung des Flusseisens.
bares kohlenstoffarmes Flusseisen zu liefern, lässt sich im Voraus
annehmen und wird durch die bis jetzt vorliegenden Erfahrungen be-
stätigt. Je kohlenstoffärmer das Eisen ist, desto leichter nimmt es
Sauerstoff auf und desto stärkere Neigung besitzt es, Gase zu lösen.
Für beide Vorgänge findet sich im Cupolofen eine ausgiebige Gelegen-
heit. Sauerstoffaufnahme von aussen würde nur durch Schmelzung in
reducirender Atmosphäre vermeidlich sein; hierdurch aber wird Ge-
legenheit zur Kohlenstoffaufnahme durch die Berührung mit den glühen-
den Kohlen gegeben und die Erzielung der hohen Schmelztemperatur
wird schwieriger. Verwendet man aber Schweisseisen zum Schmelzen,
so giebt die demselben beigemengte eisenoxydulreiche Schlacke aus-
reichende Gelegenheit zur Lösung des Eisenoxyduls durch das flüssige
Eisen und nur durch Zusatz eines silicium- oder manganhaltigen Eisens
würde dieses Eisenoxydul zerstört werden können. Anderntheils aber
befördern die Vertheilung des Metalles in Tropfen beim Schmelzen
ebensowohl wie die in jedem Gebläseschachtofen herrschende höhere
Gasspannung die Lösung von Gasen im flüssigen Metalle.


Diese Schwierigkeiten vermindern sich, wenn man kohlenstoff-
reicheres Eisen — Stahl — darstellt. In beiden Fällen aber wirkt der
Erzeugung eines in jeder Beziehung gut verwendbaren Eisens die
unmittelbare Berührung des tropfenförmig schmelzenden Metalles mit
den Kohlen entgegen, welche die Aufnahme fremder Körper, zumal
von Schwefel aus den Koks, befördert. Durch Anwendung von Holz-
kohlen statt Koks würde zwar letzterer Uebelstand vermieden werden
können; der Brennstoffverbrauch aber würde dabei erheblich höher
ausfallen (S. 604), der Betrieb würde schwieriger, die Gelegenheit zur
reichlicheren Aufnahme von Kohlenstoff durch das Eisen vermehrt
werden.


Aus diesen Gründen sieht man davon ab, durch Cupolofenschmelzen
ein zur weiteren Verarbeitung durch Schmieden oder Walzen geeig-
netes Material zu erzeugen, und beschränkt sich auf die Herstellung
von Gusswaaren (Formguss), bei denen jener grössere Gehalt an Schwefel
und anderen dem Brennstoffe entstammenden Körpern weniger in Be-
tracht kommt. Der erwähnte Umstand aber, dass die Schwierigkeiten
des Verfahrens geringer bei Darstellung kohlenstoffreicherer Eisensorten
ausfallen, und dass insbesondere auch die Erzielung dichter, von Gas-
blasen freier Güsse leichter aus kohlenstoffreichem als aus kohlenstoff-
armem Eisen gelingt, erklärt es, dass man das Verfahren fast nur
zur Darstellung eines Eisens benutzt, welches seiner chemischen Zu-
sammensetzung wie seinem Verhalten nach dem Roheisen nahe steht.


Solches Eisen nun ist zwar fester als Roh- beziehentlich Guss-
eisen, aber hart und spröde. In neuerer Zeit pflegt man daher die
aus dem Cupolofeneisen dargestellten Gusswaaren nicht als unmittelbare
Gebrauchsgegenstände, sondern erst als Material für einen ferneren
hüttenmännischen Process zu benutzen, bei welchem denselben durch
Glühen in oxydirenden Körpern — ohne Schmelzung, also auch ohne
Veränderung der bereits vorhandenen äusseren Form — ein Theil ihres
Kohlenstoffgehaltes entzogen und sie in ein weicheres, weniger sprödes
schmiedbares Eisen verwandelt werden. Dieser Process (Darstellung
[841]Die Tiegelgussstahldarstellung.
des Tempereisens) findet in einem besonderen Abschnitte ausführlichere
Besprechung.


Man pflegt für derartige Zwecke Schmiedeeisenabfälle verschiedener
Art zu benutzen und mit einem Zusatze von 10—15 Proc. ihres Ge-
wichtes grauen, mässig siliciumreichen Roheisens (Holzkohlenroheisen)1)
zusammen einzuschmelzen. Da eine Phosphorabscheidung selbstver-
ständlich nicht stattfindet, ist die Wahl eines phosphorarmen Roheisens
empfehlenswerth. Je schwefelreicher die Koks sind, desto reicherer
Kalksteinzuschlag muss gegeben werden, um eine allzu starke Schwefel-
aufnahme durch das Eisen zu hindern. Anwendung von Flussspath
als Flussmittel (S. 174) würde hier gute Dienste thun können.


Dass man im Stande sei, auch durch Zusatz kleinerer Mengen
schmiedbaren Eisens (10—20 Procent) zu einem verhältnissmässig
silicium-, mangan- oder phosphorreichen Roheisen beim Cupolofen-
schmelzen dessen Verwendbarkeit für gewisse Zwecke der Eisengiesserei,
insbesondere dessen Festigkeit, wesentlich zu erhöhen, ergiebt sich aus
den Beziehungen zwischen chemischer Zusammensetzung und physika-
lischen Eigenschaften des Eisens von selbst. Es ist dieses ein Mittel,
welches in den Eisengiessereien zu dem erwähnten Zwecke nicht selten
angewendet wird; das Erzeugniss aber ist, wenn eben die Menge des
Roheisens in dem Gemische vorwiegt, nicht schmiedbares Eisen, son-
dern Gusseisen.


7. Die Tiegelgussstahldarstellung.


Einleitung.

Irgend ein Rohstahl — Herdfrischstahl, Puddelstahl, Cementstahl
oder dergleichen — wird entweder für sich allein oder gattirt mit
anderen Eisensorten — Roheisen, Eisenmangan, Schmiedeeisen — im
Tiegel unter Ueberhitzung eingeschmolzen und das flüssige Metall nach
ausreichend langem Abstehen in Gussformen ausgegossen.


Der ursprüngliche Zweck des Verfahrens, wenn es in dieser Weise
durchgeführt wird, ist die Umwandlung von Schweissstahl in Fluss-
stahl, welcher frei von Schlacke und gleichmässig in seiner Zusammen-
setzung ist; in verschiedener Weise aber lässt sich das Verfahren
abändern. Man kann z. B., wenn es sich darum handelt, Stahl dar-
zustellen
und nicht nur umzuschmelzen, Roheisen und Schmiede-
eisen in solchen Gewichtsverhältnissen zusammen schmelzen, dass das
Erzeugniss den gewünschten Kohlenstoffgehalt besitzt; ja, man kann
sogar Erze und Roheisen in entsprechenden Verhältnissen zusammen
im Tiegel schmelzen, wobei der Eisengehalt der Erze durch den Mangan-
und Siliciumgehalt wie durch einen Theil des Kohlenstoffgehaltes des
Roheisens reducirt wird und das Enderzeugniss ebenfalls flüssiger Stahl
ist (Uchatius-Stahl).


Da die Erhitzung des Metalles auf sehr hohe Temperaturen im Tiegel
schwieriger ausfällt als bei unmittelbarer Berührung zwischen Metall
Ledebur, Handbuch. 54
[842]Die Darstellung des Flusseisens.
und Brennstoff, auch die Haltbarkeit der Tiegel um so grössere Gefahr
läuft, je höher die Temperatur ist, so pflegt man das Verfahren auf
die Erzeugung eigentlichen Stahles zu beschränken, dessen Schmelz-
temperatur niedriger liegt als diejenige des kohlenstoffärmeren Eisens;
Gussstahl, welcher seiner Zusammensetzung nach etwa auf der Grenze
zwischen wirklichem Stahl und nicht deutlich härtbarem Eisen stehen
dürfte (Kohlenstoffgehalt etwa 0.3 Proc.), wird allerdings nicht selten
erzeugt.


Der Tiegelgussstahl bildet die älteste aller Sorten Flussstahl und
die einzige, deren Erfindung schon aus dem vorigen Jahrhunderte
stammt. Wie man erzählt, wurde ein in der Gegend von Sheffield
wohnender Uhrmacher, Namens Benjamin Huntsman, welcher um
die Mitte des vorigen Jahrhunderts lebte, auf die Idee der Gussstahl-
erzeugung durch die Schwierigkeiten geführt, welche ihm die Be-
schaffenheit der aus Schweissstahl gefertigten feinen Uhrfedern bereitete.
Kleine unganze Stellen, eingemengte Schlackenkörnchen oder der-
gleichen machten viele solche Uhrfedern unbrauchbar; so verfiel er auf
den Gedanken, durch Schmelzen den Stahl gleichförmiger zu machen.
Noch heute betreiben die Nachkommen Huntsman’s die Tiegelguss-
stahldarstellung, und auch in den meisten deutschen Eisenhandlungen
bildet der sogenannte Huntsmanstahl einen besonders für Werkzeuge
zur Metallbearbeitung geschätzten Verkaufsgegenstand.


Lange Zeit beschränkte sich jedoch das Verfahren auf die Dar-
stellung kleiner, zum Ausschmieden bestimmter Blöcke, deren Grösse
durch den Inhalt des einzelnen Tiegels bestimmt war. Der Firma
Fr. Krupp in Essen gelang es zuerst, durch Vereinigung des Inhaltes
zahlreicher Tiegel in einer einzigen Gussform schwerere Blöcke dar-
zustellen und diese Blöcke durch Anwendung ausreichend kräftiger
Dampfhämmer zu verdichten. Hierdurch erst war dem Tiegelgussstahle,
welcher bis dahin fast nur für Werkzeuge, Federn und ähnliche Gegen-
stände geringeren Gewichtes Verwendung gefunden hatte, ein weiteres
Feld der Verwendung eröffnet (Geschütze, Maschinentheile u. s. w.);
die Benutzung desselben zum Formguss gelang zuerst der Bochumer
Gussstahlfabrik, wie schon oben erwähnt wurde.


Durch neuere Methoden der Flussstahldarstellung, welche in weniger
kostspieliger Weise ein ähnliches Erzeugniss liefern, ist die Verwendung
des Tiegelgussstahles auf manchen Gebieten eingeschränkt worden, wo
er noch vor zwei Jahrzehnten die Alleinherrschaft besass; dennoch
bildet auch heute noch seine Darstellung ein wichtiges Glied der ge-
sammten Eisenerzeugung, und aus Gründen, die unten bei Be-
sprechung seiner Eigenschaften ausführlichere Erörterung finden werden,
ist auch nicht zu erwarten, dass diese Darstellung einmal vollständig
aufhören werde.


Die Tiegel und Schmelzöfen.

Man benutzt Tiegel, deren Form mit der gewöhnlichen und all-
gemein bekannten Form aller für Metallschmelzen benutzten Tiegel
übereinstimmt. Die Grösse der Tiegel pflegt, abweichend nach der Ver-
[843]Die Tiegelgussstahldarstellung.
wendung des erzeugten Stahles und örtlichen Verhältnissen, für einen
Inhalt von 10—35 kg berechnet zu sein; bei Anwendung maschineller
Vorrichtungen zum Heben, Fortschaffen und Ausgiessen der Tiegel —
wie sie z. B. durch Benutzung eines Piat’schen Schmelzofens (S. 621)
ermöglicht ist — kommen auch noch grössere Tiegel zur Verwendung.


Zum Schutze des Tiegelinhaltes gegen die unmittelbare Einwirkung
des Brennstoffes pflegt der Tiegel mit einem aufgelegten Deckel ver-
sehen zu sein, welcher eine runde Oeffnung besitzt, dazu dienend, das
Einstecken einer Eisenstange zu ermöglichen, mit welcher der Tiegel-
inhalt untersucht werden kann, ohne dass der Deckel abgehoben zu
werden braucht. Während des Schmelzens lässt sich durch einen Thon-
pfropfen die Oeffnung verschliessen.


Bei der hohen Temperatur, welcher die Tiegel ausgesetzt sind,
ist möglichst grosse Haltbarkeit derselben — also sorgfältigste Auswahl
des Materiales und sorgfältigste Herstellung — von allergrösster Wichtig-
keit. Gute Tiegel können zwei bis drei Schmelzungen aushalten,
weniger gute nur eine Schmelzung; bei ungenügender Beschaffenheit
kann es vorkommen, dass der Tiegel schon beim ersten Schmelzen leck
wird und der Einsatz ausfliesst. In Rücksicht auf den Schaden, welcher
durch das Auslaufen eines Tiegels entsteht, benutzt man auf manchen
Werken zur besseren Vermeidung der Gefahr auch gute Tiegel doch
nur ein einziges Mal.


Es ist aber bei der Auswahl der Tiegel auch der Umstand zu
beachten, dass durch die Tiegelmasse, insbesondere durch den Kiesel-
säure- und etwaigen Kohlenstoffgehalt derselben, auf das eingeschlossene
Metall chemische Einwirkungen ausgeübt werden, welche unten aus-
führlichere Besprechung finden werden. Von der chemischen Zusam-
mensetzung der Tiegelmasse sind diese Einwirkungen abhängig. Ob
dieselben als wohlthätig oder als nachtheilig zu bezeichnen sind, hängt
von der Bestimmung des erzeugten Stahles wie von der ursprünglichen
chemischen Zusammensetzung des Einsatzes ab; in jedem Falle aber
müssen diese durch die Tiegel hervorgerufenen Aenderungen von vorn
herein bei der Auswahl der Tiegel in Betracht gezogen werden. In
verschiedenen Tiegeln wird man unter übrigens gleichen Verhält-
nissen Gussstahl von wesentlich abweichender Beschaffenheit erhalten
können.


In Rücksicht auf diese Verhältnisse, auf die grosse Wichtigkeit,
welche das Verhalten und die Beschaffenheit der Tiegel für den gedeih-
lichen Betrieb einer Gussstahlhütte besitzt, sowie auf den grossen jähr-
lichen Bedarf an Tiegeln pflegen grössere Werke die Herstellung der-
selben in eigenen Werkstätten auszuführen.


Den Grundbestandtheil oder, vielleicht noch richtiger ausgedrückt,
das Bindemittel für die übrigen Bestandtheile der Tiegel bildet in allen
Fällen feuerfester Thon, welcher mit gebranntem feuerfesten Thon oder
gepulverten Tiegelscherben vermengt wird (vergl. S. 139), ausserdem
aber regelmässig einen Zusatz kleinerer oder grösserer Mengen Graphit
zu erhalten pflegt.


Der Graphitgehalt der Tiegel hat bei dem Gussstahlschmelzen mehr
als eine Aufgabe zu erfüllen. An und für sich unschmelzbar, sofern
54*
[844]Die Darstellung des Flusseisens.
er nicht durch fremde leichtschmelzige Beimengungen verunreinigt
ist1), erhöht der Graphit in gewissem Grade die Feuerbeständigkeit;
er verhindert das Eindringen oxydirender Gase — Sauerstoff, Kohlen-
säure, Wasserdampf — durch die Poren des weissglühenden Tiegels
in das Innere, indem er eine Umwandlung derselben in Kohlenoxyd,
beziehentlich Kohlenoxyd und Wasserstoff herbeiführt; und er erschwert
theils hierdurch, theils durch seine unmittelbare Berührung mit dem
eingeschlossenen Metalle die Verringerung des Kohlenstoffgehaltes des
letzteren, ja, er giebt sogar unter gewissen Verhältnissen Gelegenheit
zu einer Anreicherung des Kohlenstoffgehaltes, und in jedem Falle
befördert er die Reduction von Silicium aus den Tiegelwänden. Ob
diese letzteren Einflüsse vortheilhaft für die Beschaffenheit des erfolgen-
den Gussstahles sind, muss freilich, wie schon oben hervorgehoben
wurde, von der Bestimmung desselben wie von der chemischen Zu-
sammensetzung des eingesetzten Eisens (Stahles) abhängig sein; in
jedem Falle lässt sich aber auf jene Einflüsse durch entsprechende
Zusammensetzung des Einsatzes von vorn herein Rücksicht nehmen.


Sowohl die Rücksicht auf diese Einwirkungen eines grösseren
Graphitgehaltes als auch die ursprüngliche Beschaffenheit des zur Ver-
wendung stehenden feuerfesten Thones muss über das Verhältniss des
letzteren zu den sogenannten Magerungsmitteln — Tiegelchamotte und
Graphit — entscheiden. Fetter Thon erträgt und verlangt einen grösseren
Zusatz, magerer einen geringeren. Meistens wird die Menge des frischen
feuerfesten Thones zwischen 33—66 Proc. der Tiegelmasse betragen;
der Rest besteht aus jenen Magerungsmitteln. Verwendet man nun
gepulverte alte Graphittiegel wieder als Zusatz, so führt man auch durch
diese wiederum Graphit in das Gemisch, und es ist hierauf Rücksicht
zu nehmen, wenn man einen bestimmten Kohlenstoffgehalt der Tiegel
erhalten will. Der gesammte Graphitgehalt der Tiegel incl. des durch
die Tiegelchamotte wieder zugeführten Graphits pflegt zwischen 20 bis
75 Proc. zu schwanken; bei dem verhältnissmässig hohen Preise des
Graphits steigen mit dem Graphitgehalte der Tiegel auch die Herstellungs-
kosten derselben. Da jedoch auch der gereinigte Graphit niemals aus
chemischreiner Kohle besteht, so beziffert sich der Kohlenstoffgehalt jener
Tiegel entsprechend niedriger als der Graphitgehalt und dürfte gewöhn-
lich 15—60 Proc. betragen.


Die Bestandtheile der Tiegelmasse werden mit Hilfe maschineller
Vorrichtungen gemahlen und gemischt, mit Wasser befeuchtet, dann
zu Tiegeln geformt. Das Formen geschieht entweder von Hand auf
einer Töpferscheibe2) oder in einer Form durch Pressen, die durch
[845]Die Tiegelgussstahldarstellung.
eine Schraube, Dampfdruck oder hydraulischen Druck bewegt werden.
Die von Hand geformten Tiegel pflegt man, obgleich sie etwas kost-
spieliger zu sein pflegen, den mit der Maschine geformten vor-
zuziehen.


Nach dem Formen lässt man die Tiegel erst vorsichtig an der
Luft trocknen, dann kommen sie in ganz schwach erwärmte Räume,
von hier in stärker erhitzte Kammern, um schiesslich — jedoch erst
unmittelbar vor der Benutzung — in Rothgluth gebrannt zu werden.
Diese Arbeit des Trocknens erfordert einen Zeitraum von mehreren
Monaten, so dass für eine grössere Gussstahlhütte stets eine ziemlich
bedeutende Zahl von Tiegeln in Vorbereitung begriffen sein muss.


Als Schmelzöfen für die Tiegelgussstahldarstellung bediente man
sich bis gegen die Mitte der sechziger Jahre fast ausschliesslich der
mit Koks geheizten Tiegelschachtöfen von der nämlichen Einrichtung,
wie sie durch die Abbildungen Fig. 159 und 160 auf S. 619 dargestellt
ist. Flammofenheizung mit directer Feuerung gab nicht den erforder-
lichen Temperaturgrad, auch die Gasfeuerung war bis zu jener Zeit
noch nicht ausreichend ausgebildet, um befriedigende Erfolge zu ver-
sprechen.


In kleineren Schmelzwerken ist auch heute noch der Tiegelschacht-
ofen mit Rost und Essenzug der am häufigsten benutzte. Man hat ein-
und mehrtieglige Oefen; geht die Zahl der Tiegel, welche in einen
Ofen eingesetzt werden sollen, über drei hinaus, so pflegt man sie in
Parallelreihen aufzustellen, deren jede drei bis vier Tiegel enthält; dass
aber mit der Anzahl der Tiegel auch die Schwierigkeit wächst, eine
gleichmässige Erhitzung derselben herbeizuführen, wurde schon bei der
früheren Besprechung eines Tiegelschmelzofens erwähnt. Zwölf dürfte
die grösste Zahl der Tiegel sein, welche überhaupt in einen gemein-
schaftlichen Ofen eingesetzt werden, gewöhnlich sind es weniger.


Zur Erzielung der erforderlichen hohen Temperatur ist ein kräftiger
Essenzug nothwendig. Deshalb giebt man in der Regel jedem Schmelz-
ofen eine besondere Esse, obschon man mitunter auch Anlagen findet,
bei welchen die Gase mehrerer Oefen durch einen sehr weiten Sammel-
kanal einer gemeinschaftlichen Centralesse zugeführt werden.


Sämmtliche vorhandene Oefen werden in Reihen einer neben dem
andern aufgestellt und zwar in der Weise, wie es die schon erwähnten
Abbildungen Fig. 159 und 160 erkennen lassen, d. h. mit ihrer Gicht-
öffnung in der Ebene des Giessraumes oder nur wenig darüber. Die Roste
sämmtlicher Oefen sind von einem ausreichend geräumigen Kellerraume
aus leicht zugänglich, und es muss bei der Anlage Vorsorge getroffen
werden, dass der Luftzutritt nach den Rosten nicht behindert und ein
leichter Verkehr zwischen den Arbeitern im Giessraume wie den Arbeitern
bei der Feuerung möglich sei.


Der Koksverbrauch zum Schmelzen von 1000 kg Stahl in solchen
Oefen pflegt, abweichend nach der Grösse und Zahl der Tiegel eines
Ofens wie nach der Beschaffenheit der Koks, zwischen 2000 und 5000 kg
zu schwanken, in den meisten Fällen 2500—3000 kg zu betragen.


[846]Die Darstellung des Flusseisens.

In neuerer Zeit hat man — besonders in französischen Schmelze-
reien — verschiedentlich den Piatofen (S. 621) an Stelle der feststehen-
den Oefen mit gutem Erfolge eingeführt. In einzelnen Fällen, wo man
denselben Ofen und Tiegel zu mehreren unmittelbar auf einander folgen-
den Schmelzungen benutzte, ergab sich ein Koksverbrauch von angeb-
lich nicht mehr als 1150 kg per 1000 kg Gussstahl.


Durch Erfindung der Siemensfeuerungen im Jahre 1861 (S. 116)
erhielt man ein Mittel, beim Tiegelgussstahlschmelzen auch durch
Flammenfeuerung die erforderliche Temperatur hervorzubringen. Gerade
für diese Verwendung besitzt das erwähnte Feuerungssystem unleugbar
verschiedene erhebliche Vorzüge.


Bei dem Schmelzen mit Koks in Schachtöfen geht der bei weitem
grösste Theil der entwickelten Wärme ungenutzt in die Esse. Eine
Ausnutzung dieser aus dem Ofen entweichenden Wärme ist nicht gut
möglich. Eine Einschaltung anderer zu erhitzender Apparate würde
nicht nur leicht zur Schmälerung des Essenzuges Veranlassung geben,
sondern auch in Rücksicht auf den Umstand unthunlich sein, dass
der einzelne Ofen nur periodisch mit Brennstoff gefüllt, während des
Einsetzens und Herausnehmens der Tiegel aber leer ist; eine Erhöhung
des Ofens zu dem Zwecke, die niederrückenden Koks durch die auf-
steigenden Gase vorwärmen zu lassen, würde, wie bei allen Tiegel-
schachtöfen, nicht nur ebenfalls den Essenzug beeinträchtigen, sondern,
was noch nachtheiliger sein würde, auch eine vermehrte Kohlenoxyd-
gasbildung zur Folge haben, also eher nachtheilig als günstig auf den
Brennstoffverbrauch einwirken; denselben Erfolg, eine Vermehrung der
Kohlenoxydgasbildung, würde es haben, wenn man die abziehenden
Gase etwa zur Vorwärmung der zuströmenden Verbrennungsluft ver-
wenden wollte (vergl. die Anmerkung auf S. 622).


Bei den Siemensöfen wird, wie bekannt, die abziehende Wärme
in den sogenannten Regeneratoren aufgespeichert und durch das zu-
strömende Gas wie die Verbrennungsluft dem Ofen zum grossen Theile
wieder zugeführt, also nutzbar gemacht. Die Brennstoffausnutzung ist
also eine günstigere. Ausserdem aber ermöglichen diese Oefen, wie
alle Flammöfen, die Anwendung unverkohlter, also billigerer Brenn-
stoffe und zwar nicht allein der Steinkohlen, sondern auch — bei ent-
sprechender Einrichtung — der Braunkohlen, des Torfes, des Holzes;
und dieser Umstand fällt natürlich gerade in solchen Gegenden für
ihre Anwendung ins Gewicht, wo Koks hoch im Preise stehen. End-
lich aber ist es ein nicht zu unterschätzender Vortheil aller Flam-
menfeuerungen, dass die Tiegel mit dem festen Brennstoffe und der
Asche desselben gar nicht in Berührung kommen. Sie sind in jedem
Augenblicke des Betriebes zugänglich, während man bei den Koks-
schachtöfen erst die Brennstoffschicht niederbrennen lassen muss, um
zu den Tiegeln zu gelangen; und sie werden von der Asche nicht
angegriffen, welche bei den anderen Oefen oft als dicke Schlacken-
kruste an die Tiegelwände sich ansetzt und zerstörend auf dieselben
einwirkt.


Dieser Vorzüge halber haben die Flammöfen mit Siemensfeuerung
seit der erwähnten Zeit vielfach die alten Schachtöfen mit Koks-
[847]Die Tiegelgussstahldarstellung.
feuerung verdrängt; aber freilich sind sie ganz erheblich kostspieliger
in der Anlage, und sie erfordern, damit sie ihre Aufgabe erfüllen
können, einen möglichst ununterbrochenen Betrieb.1) Aus diesen
Gründen eignen sie sich weit mehr für einen Betrieb im grossen Maass-
stabe als für kleine Anlagen.


Ein Tiegelschmelzofen mit Siemensfeuerung wurde bereits in Fig. 19
bis 24 auf S. 116 mit allen Einzelheiten abgebildet; den Herd eines
solchen Ofens zeigt in vergrössertem Maassstabe Fig. 249.2) Durch
Scheidewände pflegt der Ofen in mehrere Abtheilungen getheilt zu sein
(vergl. oben Fig. 19), deren jede vier bis sechs Tiegel aufnimmt, so
dass der ganze Ofen gewöhnlich 18—20 Tiegel enthält. Die Tiegel
pflegt man, wie Fig. 249 erkennen lässt, in zwei oder auch drei Reihen
hinter einander aufzustellen. Ueber den Tiegeln jeder Abtheilung be-

Figure 188. Fig. 249.


findet sich in der Decke des Ofens eine gemeinschaftliche Einsatz-
öffnung, welche durch einzelne, dicht neben einander liegende Deckel
abgedeckt ist. Die Einrichtung der Deckel ergiebt sich aus Fig. 249
und Fig. 19; jeder Deckel bedeckt zwei Tiegel und hängt an einer
auf einer Eisenschiene laufenden Rolle, so dass er leicht zur Seite
bewegt werden kann, nachdem er mit Hilfe der in der Abbildung
erkennbaren Handhabe emporgehoben wurde.


In der eisernen Herdplatte sind unterhalb der Tiegel Oeffnungen
angebracht, die durch Thondeckel geschlossen sind. In der Abbildung
ist eine solche Oeffnung im Schnitte sichtbar. Ist ein Tiegel leck
geworden, so durchstösst man mit einer Eisenstange die Thondeckel,
[848]Die Darstellung des Flusseisens.
und der Stahl nebst Schlacke werden aus dem Ofen entfernt. Dann
wird eine neue Thonplatte aufgelegt.


Bei der kurzen Herdlänge eines solchen Ofens ist es von Wichtig-
keit, die Verbrennung so zu leiten, dass eine kurze heisse Flamme
erfolgt. Gas und Luft müssen, damit dieser Zweck erreicht werde,
unter verschiedener Richtung und mit verschiedener Geschwindigkeit
auf einander treffen (vergl. S. 115). Die Abbildungen lassen erkennen,
in welcher Weise diese Aufgabe gelöst wird. Aus dem am Ende des
Ofens gelegenen etwas grösseren Regenerator tritt die Luft in einen
wagerechten Kanal; gegen dieselbe unter einem Winkel von fast
90 Graden trifft das aus dem zweiten Regenerator durch einen engen
Schlitz, also mit grosser Geschwindigkeit austretende Gas. Die Abwärts-
neigung der Decke aber an der Stelle, wo die Gase in den Herd ein-
treten, giebt ihnen die Richtung nach unten, wodurch verhütet wird,
dass der Fuss der Tiegel kalt bleibe.


Der Brennstoffverbrauch eines solchen Ofens mit 18—20 Tiegeln
beträgt bei Anwendung vorzüglicher Steinkohlen, wie sie in Gross-
britannien für diesen Zweck benutzt werden, oft nicht mehr als 1200 kg
per 1000 kg erzeugten Stahles; bei aschenreicheren Steinkohlen kann
man 1500—1600 kg annehmen; auf der Gussstahlhütte Kapfenberg in
Steiermark verwendet man geringwerthige Leobener Braunkohlen mit
24 Proc. Asche und beträchtlichem Wassergehalte zur Gaserzeugung
und gebraucht davon 3500—4000 kg per 1000 kg Gussstahl. Ein Ver-
gleich dieses Brennstoffverbrauches mit dem oben besprochenen Ver-
brauche an Koks in Tiegelschachtöfen lässt die grossen Vortheile der
Gasfeuerung deutlich erkennen. Ein solcher Ofen mit 18—20 Tiegeln
à 25—30 kg Inhalt aber liefert im Laufe von 24 Stunden 2000 bis
3000 kg Stahl, und ohne wesentliche Erhöhung des relativen Brenn-
stoffverbrauches würde es nicht möglich sein, diese Leistung zu be-
schränken.


Das Arbeitsverfahren.

Wie schon oben erwähnt wurde, pflegt Schweissstahl — Puddel-
oder Herdfrischstahl — den Grundbestandtheil für die Beschickung der
Tiegel zu bilden. Bei der Kostspieligkeit der Tiegelgussstahldarstellung
kann dieselbe überhaupt nur dann lohnend werden, wenn der ge-
wonnene Stahl sich in jeder Beziehung als vorzüglich erweist; hierzu
ist aber in erster Reihe grosse Reinheit von nachtheiligen Beimengungen,
insbesondere von Phosphor und Schwefel erforderlich. Da eine Ab-
scheidung des Phosphors beim Tiegelschmelzen gar nicht, eine Ab-
scheidung von Schwefel nur in sehr beschränktem Maasse stattfinden
kann, so muss auch bei der Auswahl der zu verwendenden Stahlsorten
hierauf Rücksicht genommen werden. Cementstahl, welcher sich durch
grosse Reinheit vor anderen Stahlsorten auszeichnet und leicht auch
mit grösserem Kohlenstoffgehalte darzustellen, dagegen erheblich kost-
spieliger als Puddel- und Herdfrischstahl ist, findet für Darstellung von
Gussstahl Verwendung, der für feine Werkzeuge, Feilen und der-
gleichen bestimmt ist; andere Flussstahlsorten (Bessemerstahl, Martin-
stahl) werden mitunter wohl in kleineren Mengen zugesetzt, ohne dass
jedoch eine andere Absicht, als sie durch Einschmelzen zu Gute zu
[849]Die Tiegelgussstahldarstellung.
machen, dabei vorliegen dürfte. Da sie bereits schlackenfrei sind, kann
eine Verbesserung ihrer Beschaffenheit kaum durch das Tiegelschmelzen
erreicht werden; wohl aber enthalten sie gewöhnlich legirte fremde
Körper in grösserer Menge als die erwähnten Sorten Rohstahl und
wirken dadurch benachtheiligend auf die Beschaffenheit des erfolgenden
Tiegelgussstahles.


Für Darstellung weniger harter Stahlsorten setzt man Schmiede-
eisen — Herdfrisch- oder Puddeleisen, aus reinen Roheisensorten
erzeugt — dem Stahle zu. Häufig giebt man für härteren wie auch
für weniger harten Stahl einen Zusatz von Eisenmangan in kleinen
Mengen oder von Spiegeleisen. Man verhindert durch den Mangangehalt
des Einsatzes nicht allein die Oxydation von Kohlenstoff, sondern man
erleichtert auch die Reduction von Silicium aus den Tiegelwandungen
und befördert dadurch die Erzielung dichterer, d. h. von Gasblasen
freier Güsse, Grund genug, um in zahlreichen Fällen jenen Zusatz als
wohlthätig erscheinen zu lassen. Ein Theil des zugesetzten Mangans
wird in jedem Falle oxydirt und geht in die Schlacke, ein anderer
Theil aber bleibt im Stahle zurück und beeinflusst immerhin dessen
Eigenschaften. Die Härte wird gesteigert; zugleich aber auch die Sprödig-
keit, besonders bei hohem Kohlenstoffgehalte. Da nun jene Ein-
wirkungen, welche man durch einen Manganzusatz herbeizuführen
beabsichtigt, ohnehin bei kohlenstoffreicherem Stahle weniger als bei
kohlenstoffärmerem in Betracht kommen, so pflegt bei Darstellung des
ersteren der Manganzusatz auch durchschnittlich geringer zu sein als
bei Darstellung der weniger harten Sorten.


Nicht selten auch giebt man einen Zusatz von Siliciumeisen, um
einen gewissen Siliciumgehalt zuzuführen und die Gasentwickelung
abzuschwächen. Je höher aber der Kohlenstoffgehalt des Stahles ist,
desto nachtheiliger beeinflusst ein gleichzeitig anwesender Silicium-
gehalt die Eigenschaften desselben; daher ist auch dieser Zusatz mehr
für die weicheren und mittelharten Stahlsorten als für die harten, ganz
besonders für den zu Formguss bestimmten Stahl geeignet. Zweck-
mässiger als ein Zusatz des Siliciumeisens vor dem Schmelzen dürfte
ein solcher nach dem Schmelzen vor dem Ausgiessen des Stahles sein.


Sehr harte Stahlsorten, zur Anfertigung von Werkzeugen für Be-
arbeitung harter Metalle bestimmt, erzeugt man durch Zusatz der auf
S. 260 und 262 besprochenen Eisenchrom- oder Eisenwolframlegirungen
in solchen Gewichtsmengen, dass der fertige Stahl bis zu 1 Procent
Chrom oder bis zu 8 Proc. Wolfram, selten allerdings mehr als 0.5 Proc.
Chrom oder 4 Proc. Wolfram enthält. Die Eigenschaften, welche diese
Metalle neben der grösseren Härte dem Stahle verleihen, wurden bereits
a. a. O. besprochen.


Unter sonstigen Zusätzen, welche bisweilen — keineswegs regel-
mässig — zur vermeintlichen oder wirklichen Verbesserung der Stahl-
beschaffenheit gegeben werden, ist der üblichste Braunstein (Mn O2).
Die Wirkung desselben ist ziemlich vielseitig. Es entsteht bei An-
wendung desselben eine manganreiche und deshalb leichtflüssige Schlacke,
welche zwar leicht von dem Stahle sich sondert, aber auch die Tiegel-
wände stark angreift. Der grosse Mangangehalt der Schlacke befördert
die Aufnahme von Schwefel, und aus diesem Grunde kann beim Ver-
[850]Die Darstellung des Flusseisens.
schmelzen schwefelreichen Stahles der Zusatz wohlthätig wirken. Durch
den Kohlenstoffgehalt des Tiegels wie des Stahles selbst wird in hoher
Temperatur Mangan reducirt; theils infolge der starken Verwandtschaft
des Mangans zum Kohlenstoff, theils infolge der auflösenden Ein-
wirkung der manganreichen Schlacke auf die Tiegelwände, durch welche
der Kohlenstoffgehalt der letzteren blossgelegt und der unmittelbaren
Berührung des Stahles preisgegeben wird, wird die Aufnahme von
Kohlenstoff in Stahle befördert, und durch die Anreicherung ebenso-
wohl seines Mangan- wie Kohlenstoffgehaltes wird derselbe härter (vergl.
unten Chemische Untersuchungen). Durch Zusatz von Eisenmangan ist
dasselbe Ziel einfacher, wenn auch vielleicht mitunter in nicht ganz so
billiger Weise zu erreichen.


Der einzusetzende Stahl wird zu quadratischen Stäben von etwa
20 mm Stärke ausgereckt und glühend in Wasser geworfen. Er wird
dadurch hart und spröde und lässt sich ohne Schwierigkeit in Stücke
zerbrechen, welche nach dem Bruchaussehen sortirt werden. Auch die
übrigen einzusetzenden Materialien werden derartig zerkleinert, dass der
Tiegel möglichst dicht gefüllt werden kann.


Auf einzelnen Werken füllt man die Tiegel kalt, setzt sie dann
in einen Glühofen, in welchem sie nunmehr überhaupt erst gebrannt
werden, und bringt sie aus dem Glühofen, in welchem sie bis zur
dunkeln Rothgluth erwärmt wurden, unmittelbar in den schon glühen-
den Schmelzofen; in anderen Fällen erhitzt man die leeren Tiegel in
einem Glüh- oder Vorwärmofen auf die angegebene Temperatur, bringt
sie aus diesem unmittelbar in den Schmelzofen und füllt sie erst hier
mit Hilfe eines aus Eisenblech gefertigten Fülltrichters.


Wenn das Füllen, beziehentlich Einsetzen der schon gefüllten
und geglühten Tiegel beendet ist, die Deckel aufgelegt sind, beginnt
das Schmelzen. Dasselbe pflegt bei Gasfeuerung etwa vier Stunden,
bei Koksfeuerung und grossen Oefen fünf bis sechs Stunden Zeit zu
beanspruchen, wobei die Zeit für das Einsetzen und Herausnehmen der
Tiegel mit eingerechnet ist.


Aller Schweissstahl enthält, wie bekannt ist, eingemengte Schlacke,
grossentheils aus Oxyden des Eisens bestehend. Die einzelnen Stahl-
oder Eisenstücke aber, welche eingesetzt werden, pflegen, wie alles im
heissen Zustande dargestellte oder bearbeitete Eisen, mit einer dünnen
Schicht Eisenoxyduloxyd überzogen zu sein. Sobald das Metall flüssig
wird, äussern diese Eisenoxyde eine chemische Einwirkung auf andere
in dem Stahle anwesende und in der Schmelztemperatur leichter oxydir-
bare Körper. War der Einsatz frei von Mangan oder Silicium, so wird
durch die Oxydationswirkung jener Eisenoxyde lediglich der Kohlen-
stoff des Stahles sowohl als der Tiegel betroffen, und es entsteht unter
lebhaftem Aufwallen des flüssigen Metalles Kohlenoxydgas. Je mehr
sich der Eisenoxydulgehalt der sich bildenden Schlacke verringert,
desto ruhiger wird das Metall. Waren dagegen Mangan oder Silicium
anwesend, so werden diese schon während des Einschmelzens zum
Theil neben Kohlenstoff oxydirt, das Wallen ist schwächer. Je höher
aber die Temperatur steigt, desto stärker wird die Verwandtschaft des
Kohlenstoffes zum Sauerstoff, desto weniger vermögen jene Körper den
[851]Die Tiegelgussstahldarstellung.
Kohlenstoff vor Verbrennung zu schützen. In der Temperatur, auf
welche schliesslich der Stahl erhitzt werden muss, wird sogar Silicium
durch den Kohlenstoff- beziehentlich Mangangehalt des Stahles oder
durch den Kohlenstoffgehalt der Tiegelwände reducirt, und in allen
Fällen, wo Kohlenstoff als Reductionsmittel diente, ist Kohlenoxydgas
das Erzeugniss seiner Verbrennung.


Immerhin geht diese Reduction von Silicium langsam von Statten
und der Stahl wird ruhig, wenn die grösste Menge des zuerst anwesen-
den Eisenoxydules, beziehentlich Eisenoxydes zerstört ist.


Mit Hilfe einer Eisenstange, welche durch die früher erwähnte
Oeffnung des Tiegeldeckels hindurchgesteckt wird, untersucht der
Schmelzer die Beschaffenheit des Metalles. Er fühlt, ob die Stange
leicht bis auf den Boden des Tiegels hindurchgeht, und beurtheilt nach
der Beschaffenheit der an derselben haftenden Schlacke beziehentlich
des Stahles den Verlauf des Processes. Die Schlacke ist im Anfange
schwarz und wird später infolge des Austretens von Eisenoxydul heller;
eine bestimmte Färbung derselben kann nicht für alle Fälle maass-
gebend sein, da dieselbe wesentlich von der Beschaffenheit des Ein-
satzes abhängt. Nur im Anfange des Processes zeigt sich erstarrter
Stahl an der Probirstange; später, wenn der Stahl „gaar“ wird, d. h.
wenn das Wallen aufgehört hat, ist die Temperatur derartig gestiegen,
das geschmolzene Metall so dünnflüssig geworden, dass die Stange
ziemlich frei von anhaftendem Stahl wieder herauskommt.


Man lässt nun, nachdem der Stahl vollständig dünnflüssig ge-
worden ist, und die Gasentwickelung aufgehört hat, denselben eine
Zeitlang im Ofen „abstehen“, d. h. man überlässt ihn der ruhigen Er-
hitzung (ohne jedoch im Schachtofen frische Koks nachzuschütten),
wodurch erfahrungsmässig die Gefahr des Steigens desselben in der
Gussform verringert wird, und schreitet alsdann zum Giessen.


Der Ofendeckel wird abgehoben, der Arbeiter erfasst den Tiegel
mit einer Zange, hebt ihn heraus und befördert ihn nach der Stelle,
wo der Guss stattfinden soll. Beim Heben schwerer Tiegel hängt die
Zange an einer Kette, welche an einem Hebel befestigt ist; eine Rolle,
an welcher der letztere hängt, dient zum leichteren Fortschaffen. Wäh-
rend das Herausheben mit einer Zange geschehen muss, welche den
Tiegel von oben her erfasst, deren Schenkel also senkrecht stehen,
ergreift nunmehr ein anderer Arbeiter den Tiegel, welcher an Ort und
Stelle gebracht und hier auf dem Boden abgesetzt ist, mit einer Zange
mit wagerecht liegenden Schenkeln und entleert ihn durch allmäh-
liches Kippen, während ein dritter Arbeiter die auf der Oberfläche
des Stahles schwimmende Schlacke u. s. w. mit Hilfe eines eisernen
Stabes zurückhält.


Sollen mehrere Tiegel in eine gemeinschaftliche Form entleert
werden, so ist es unbedingt erforderlich, das Ausgiessen so zu regeln,
dass der Metallstrahl gleichmässig und ununterbrochen in die Form
einfliesst. Tritt nur für einen Augenblick eine Unterbrechung ein, so
entsteht an dieser Stelle infolge der Oxydation an der Oberfläche eine
unganze Stelle, wo der Zusammenhang des Stahles unvollständig ist,
und das Gussstück ist meistens unbrauchbar. Mit der Grösse der zu
[852]Die Darstellung des Flusseisens.
giessenden Blöcke oder Abgüsse, mit der Anzahl der Tiegel also,
welche entleert werden müssen, wächst natürlich die Schwierigkeit der
Erfüllung jener Bedingung. Eine mit feuerfester Masse ausgekleidete
Rinne wird nach der Form geleitet, und in diese Rinne entleeren die
Arbeiter in genau vorgeschriebener Aufeinanderfolge ihre Tiegel.


Brauchbarer Tiegelgussstahl muss ruhig fliessen und darf in der
Form nicht steigen, ein Beweis, dass er gelöste Gase nicht in bedeuten-
der Menge enthielt. Steigender Stahl pflegt als Ausschuss behandelt
zu werden.


Ueber den Brennstoffverbrauch beim Schmelzen wurde schon bei
Besprechung der Schmelzöfen das Erforderliche mitgetheilt.


Der Abgang, d. h. der Verlust an Stahl beim Schmelzen, ist aus
naheliegenden Gründen gering (sofern nicht etwa durch Zufälligkeiten,
z. B. Auslaufen der Tiegel, Verluste herbeigeführt werden) und dürfte
gewöhnlich 3—4 Proc. vom Gewichte des Einsatzes betragen.


Wie schon in der Einleitung erwähnt worden ist, lässt sich das
Verfahren der Tiegelgussstahldarstellung in mehrfacher Weise abweichend
gestalten.


Vielfach hat man vorgeschlagen und mit mehr oder minder glück-
lichem Erfolge versucht, Roheisen und Schmiedeeisen ohne Zusatz von
Stahl im Tiegel zusammenzuschmelzen, um solcherart Tiegelgussstahl
zu bilden; in manchen Lehr- und Handbüchern wird der in solcher Art
dargestellte Stahl sogar als eine ganz besondere Stahlgattung auf-
geführt. Im Wesentlichen ist jedoch, wie sich von selbst versteht, der
Process der nämliche, als wenn man heutzutage Spiegeleisen, Eisen-
mangan, graues Roheisen, auch wohl gewöhnliches Weisseisen dem
Stahle zu gewissen Zwecken zusetzt und unter Umständen auch
Schmiedeeisen beifügt. Der Vortheil bei ausschliesslicher Anwendung
von Roheisen und Schmiedeeisen ohne Stahl würde in der Ersparung
des kostspieligeren Schweissstahles liegen. Die Ausführung des Ver-
fahrens aber und die Erzielung eines dem gewöhnlichen Tiegelgussstahl
ebenbürtig zur Seite stehenden Erzeugnisses ist insofern schwieriger, als
die sehr abweichend zusammengesetzten Körper weniger leicht sich
mischen und deshalb der Stahl häufig ungleichartig ausfällt; ins-
besondere aber auch, weil das angewendete Roheisen grössere Mengen
nachtheiliger Bestandtheile — Phosphor, Schwefel — zu enthalten pflegt,
als ein aus demselben dargestellter Schweissstahl, und diese Körper
bei der unmittelbaren Verwendung des Roheisens zur Darstellung von
Tiegelgussstahl unvermeidlich dem letzteren zugeführt werden. Aus
diesen Gründen hat das Verfahren nicht gerade häufige praktische An-
wendung gefunden.


Eine andere Form der Tiegelgussstahldarstellung ergiebt sich, wenn
man statt des Stahles Schmiedeeisen in so innigem Gemische mit
kohlenstoffhaltigen Körpern einschmilzt, dass es seinen Kohlenstoff-
gehalt anreichert und sich in Stahl umwandelt. Der Process hat nur
[853]Die Tiegelgussstahldarstellung.
eine einzige Anwendung gefunden und zwar in Centralindien zur Dar-
stellung des sogenannten Wootz- oder Damaststahles, bekannt
als vorzügliches Material für Hieb- und Stichwaffen.


Kleine Stücke des in Stücköfen direct aus Erzen dargestellten
Schweisseisens werden zusammen mit Holzstücken in einen Tiegel
gepackt und stark erhitzt. Wo das Holz, welches natürlich rasch ver-
kohlt, mit dem Eisen in Berührung war, wird ein kohlenstoffreicheres
und deshalb in niedrigerer Temperatur schmelzendes Eisen gebildet,
welches flüssig wird und die Zwischenräume zwischen den nicht ge-
schmolzenen Stücken ausfüllt. Man lässt den Tiegel erkalten und zer-
schlägt ihn. Es entsteht also in Wirklichkeit ein Klumpen Schweiss-
eisen, mit zahlreichen Gussstahladern durchzogen, ein Material, welches
die Zähigkeit des ersteren mit der Härte des letzteren vereinigt. Das-
selbe wird ausgeschmiedet und weiter verarbeitet; die fertigen Waffen
aber werden mit Säuren gebeizt. Die kohlenstoffärmeren Theile werden
von den letzteren stärker angegriffen als die kohlenstoffreicheren und
so entstehen jene unregelmässigen Figuren auf der Oberfläche, welche
das eigenthümliche Merkmal dieses Stahles bilden und mitunter mit
Gold oder Silber ausgelegt werden.


Auch durch Zusammenschmelzen von Eisenerzen und Roheisen
hat man verschiedentlich versucht, Tiegelgussstahl zum Ersatze des
in gewöhnlicher Weise erzeugten darzustellen. Der chemische Vorgang
hierbei wurde schon auf S. 841 angedeutet; der Mangan-, Silicium- und
Kohlenstoffgehalt des Roheisens wirkt reducirend auf den Eisenoxyd-
gehalt der Erze und es entsteht ein Stahl, dessen Kohlenstoffgehalt
von dem Verhältnisse der eingesetzten Materialien zu einander wie
von der chemischen Zusammensetzung derselben abhängig ist.


Eine gewisse Bedeutung erlangte dieses Verfahren durch Uchatius
in den fünfziger Jahren, weshalb man dem auf diese Weise dar-
gestellten Stahl die Bezeichnung Uchatiusstahl gab. Auf einigen
Werken Oesterreichs, Russlands, Schwedens, Englands war das Ver-
fahren längere Zeit in Anwendung. Das zu verwendende Roheisen,
welches natürlich möglichst rein von schädlichen Beimengungen sein
musste, wurde durch Eingiessen in Wasser granulirt und mit eben-
falls möglichst reinen, gepulverten Erzen zusammen in einen Graphit-
tiegel eingesetzt. Ausser den Eisenerzen pflegte man auch etwas Braun-
stein beizufügen; z. B. 100 Thl. Roheisen, 25 Thl. Spatheisenstein,
1.5 Thl. Braunstein oder ähnlich. Für weniger harten Stahl setzte man
noch ausserdem 12—20 Theile Schmiedeeisen auf 100 Theile Roh-
eisen zu.


Das Verfahren verfolgt offenbar denselben Zweck, wie das schon
ältere Verfahren der Stahldarstellung aus Roheisen und Schmiedeeisen:
die Benutzung des ziemlich kostspieligen Schweissstahles wird ent-
behrlich. Es leidet aber auch an denselben Schwächen wie jenes Ver-
fahren, d. h. fast alle fremden schädlichen Bestandtheile des Roheisens,
zu denen hier noch diejenigen der Erze hinzukommen, gehen in den
Stahl über. Aus diesen Gründen ist der Betrieb überhaupt nur da
möglich, wo sehr reine Erze zur Verwendung stehen, und auf vielen
[854]Die Darstellung des Flusseisens.
Werken, wo derselbe eingeführt wurde, ist er später wieder ein-
gegangen.


Noch heute ist derselbe auf dem schwedischen Werke Wikmans-
hyttan in Anwendung.


Chemische Untersuchungen.

Die bis jetzt veröffentlichten Untersuchungen über die chemischen
Einflüsse des Tiegelschmelzens sind ziemlich vereinzelt. Wie auf S. 241
bereits erwähnt wurde, wiesen Troost und Hautefeuille nach,
dass beim länger fortgesetzten Schmelzen kohlenstoffhaltigen Eisens in
kieselsäurehaltigen Tiegeln Silicium aus den Wänden der letzteren
durch den Kohlenstoffgehalt des Eisens reducirt und an das Eisen ge-
führt werde, der Siliciumgehalt des letzteren sich also mehr und mehr
anreichere, während der Kohlenstoffgehalt sich verringere. Dieser Vor-
gang ist seitdem verschiedentlich beobachtet worden, und vermuthlich
rührt der günstige Einfluss eines längeren Abstehens des flüssigen
Eisens theilweise von einer Siliciumaufnahme her. Das Maass der
letzteren wird, wie sich von selbst versteht, von der Zeitdauer der
Einwirkung und der Temperatur des flüssigen Stahles abhängig sein;
sie wird aber auch wesentlich befördert werden, wenn nicht allein der
Kohlenstoffgehalt des Roheisens als Reductionsmittel zu dienen braucht,
sondern wenn auch die Tiegelwände selbst den Kohlenstoff für diesen
Zweck liefern; und je reicher ihr Graphitgehalt ist, desto leichter wird
Silicium reducirt werden.


Einen Beweis hierfür liefern folgende von Reiser angestellte
Untersuchungen. 1) In drei Tiegeln mit verschiedenem Graphitgehalte
wurden gleiche Einsätze, bestehend aus 30 Thl. Rohstahl und 70 Thl.
Schmiedeeisen, geschmolzen. Nach dem Schmelzen ergab die Analyse
einen Siliciumgehalt der drei Stahlsorten:


in Bauxittiegeln mit etwa 9 Proc. reinem Kohlenstoffgehalt ge-
schmolzen Si = 0.144;


in gewöhnlichen Tiegeln mit etwa 28 Proc. reinem Kohlenstoff-
gehalte geschmolzen Si = 0.274;


in gewöhnlichen Tiegeln mit etwa 40 Proc. reinem Kohlenstoff-
gehalte geschmolzen Si = 0.392.


Aber auch ein etwa anwesender Mangangehalt befördert die Re-
duction von Silicium. Auf S. 241 wurde bereits erwähnt, dass metalli-
sches Mangan in hoher Temperatur reducirend auf Kieselsäure ein-
wirke, sofern eine kieselsäurereiche Schlacke zugegen ist, zu welcher
das entstehende Manganoxydul ein starkes Vereinigungsbestreben be-
sitzt; auf S. 600 wurden einige Beispiele einer solchen Siliciumreduction
beim Schmelzen im Cupolofen gegeben. Aber auch die Anwesenheit
des Mangans selbst befördert durch die starke Verwandtschaft desselben
zum Silicium die Reduction des letzteren durch den Kohlenstoff der
Tiegelwände.


Zur genaueren Untersuchung des Einflusses eines Mangangehaltes
auf die Siliciumreduction wurde auf meinen Wunsch in einer Gussstahl-
[855]Die Tiegelgussstahldarstellung.
fabrik Herdfrischstahl theils mit theils ohne Zusatz von Eisenmangan
wie gewöhnlich geschmolzen, worauf die Gussstahlblöcke von mir unter-
sucht wurden.


Die durch den Mangangehalt veranlasste Vermehrung des Silicium-
gehaltes ist bedeutend; aber eine einfache Rechnung giebt auch die
Bestätigung dafür, dass Mangan hier zum grossen Theile mittelbar,
d. h. einfach durch seine Anwesenheit im Eisen, die Siliciumreduction
herbeiführte. Wirkt das Mangan selbst als Reductionsmittel, so müssen
nach der Formel: 2 Mn + Si O2 = 2 Mn O + Si für jedes Gewichts-
theil reducirtes Silicium Gewichtstheile Mangan oxydirt
werden, d. h. aus dem Eisen austreten. Der unter Manganzusatz ge-
schmolzene Stahl enthält 0.25 Proc. Silicium mehr als der ohne diesen
Zusatz geschmolzene; wären diese 0.25 Proc. Silicium lediglich durch
Mangan reducirt, so hätten dafür 3.93 × 0.25 = 0.98 Proc. Mangan
aus dem Stahle austreten müssen, während in Wirklichkeit die Mangan-
abnahme nur 0.26 Proc. beträgt.


Was das Verhalten des Kohlenstoffes beim Tiegelgussstahlschmelzen
betrifft, so lassen die vorstehend mitgetheilten Analysen erkennen, dass
beim Verschmelzen manganarmen Stahles in kohlenstoffarmen Tiegeln
eine Kohlenstoffabnahme eintritt oder eintreten kann; dass diese Ab-
nahme unbedeutender ist, oder dass eine Zunahme des Kohlenstoffgehaltes
eintreten kann, wenn das Schmelzen in kohlenstoffreicheren Tiegeln
vor sich geht; und dass ein anwesender Mangangehalt sehr wesentlich
die Kohlenstoffanreicherung befördert.


Noch ein anderer schon früher erwähnter Umstand jedoch wird
beim Schmelzen manganhaltigen Eisens dazu beitragen, die Kohlen-
stoffaufnahme aus den Tiegelwänden zu befördern; es ist dieses die
stark auflösende Wirkung, welche Manganoxydul auf den Kieselsäure-
und Thonerdegehalt des Tiegels ausübt. Grössere Mengen Kohle werden
dadurch frei gelegt und der Aufnahme durch den Stahl preisgegeben.


Die schon oben erwähnte Thatsache, dass bei Braunsteinzusatz
aus demselben Mangan reducirt und dann ebenso wie zugesetztes
metallisches Mangan die Eigenschaften des Stahles beeinflussen könne,
wird durch folgende durch Reiser angestellte und mir freundlichst
mitgetheilte Untersuchung bestätigt. Gussstahl, in Tiegeln mit 40 Proc.
Kohlenstoffgehalt ohne Braunsteinzusatz geschmolzen, enthielt 0.104 Proc.
Mangan, mit Zusatz von 0.4 Proc. Braunstein geschmolzen dagegen
0.211 Proc. Mangan.


[856]Die Darstellung des Flusseisens.

Aus der Schlacke und dem Oxydüberzuge des eingesetzten Schweiss-
stahles, in reicherem Maasse aus dem verschlackten Mangangehalte und
den Bestandtheilen des Tiegels, unter Umständen auch aus zugesetzten
fremden Körpern (Braunstein, Alkalien u. a.) entsteht eine Schlacke,
welche auf dem flüssigen Stahle schwimmt und deren Zusammen-
setzung im Verlaufe des Processes nicht unwesentlichen Aenderungen
unterworfen sein wird. Untersuchungen über diese Veränderungen der
Tiegelgussstahlschlacke liegen bis jetzt leider nicht vor; aus dem metal-
lurgisch-chemischen Verhalten der hier in Betracht kommenden Körper
lässt sich jedoch schliessen, dass diese Schlacke anfänglich ziemlich
eisenreich sein wird, dann, indem sie Thonerde und Kieselsäure aus
dem Tiegel auflöst und andererseits Eisenoxydul infolge der durch den
Kohlenstoffgehalt des Tiegels wie des Stahles bewirkten Reduction des
Eisens abgiebt, immer eisenärmer wird.


Eine von mir untersuchte Tiegelgussstahlschlacke aus Bochum,
beim Ausgiessen des Tiegels auf dem Stahle schwimmend, enthielt:

Der bedeutende Mangangehalt lässt entweder auf Zusatz von Braun-
stein oder einer manganreichen Legirung schliessen.


Der Tiegelgussstahl.

Unter allen Sorten Flussstahl gebührt unstreitig, was die Vorzüg-
lichkeit der Eigenschaften anbetrifft, dem aus geeignetem Rohstahle
und bei richtigem Verlaufe des Processes gefertigten Tiegelgussstahle
der Preis. Wäre dem nicht so, würde man längst aufgehört haben, diesen,
gegenüber anderen Stahlsorten weit kostspieligeren Stahl zu fertigen.


Verschiedene Gründe liefern die Erklärung für diese Thatsache.


Der Umstand, dass der Stahl im Tiegel eingeschlossen und äusseren
chemischen Einwirkungen mehr als andere Stahlsorten bei ihrer Dar-
stellung entzogen ist, ermöglicht leichter eine Regelung der chemischen
Zusammensetzung. Insbesondere auch ist es im Tiegel leichter als bei
anderen Processen, einen durch hohen Kohlenstoffgehalt harten, übrigens
aber reinen und deshalb bei gleicher Härte weniger spröden Stahl dar-
zustellen. Obgleich die Tiegelwände nicht vollkommen undurchdring-
lich für Gase, insbesondere für Wasserstoffgas sind (welches in den
Gasen der mit Koks gefeuerten Schachtöfen sowohl wie in denjenigen
der Herdöfen mit Gasheizung auftritt), ist doch die Auflösung solcher
Gase jedenfalls beschränkter als bei anderen Flussstahlsorten, welche
während ihrer Darstellung ununterbrochen mit denselben in Berührung
bleiben; der Stahl entwickelt also auch beim Giessen weniger Gase,
die Gussstücke sind dichter, und, wie schon oben erwähnt wurde,
pflegt man Blöcke, bei deren Guss der Stahl stieg, zu verwerfen. Die
Gründe wurden früher erörtert, weshalb auch das durch Hämmern
oder Walzen verdichtete Flusseisen weniger vorzüglich zu sein pflegt,
wenn die Gussblöcke blasig als wenn sie dicht waren. 1)


[857]Der Martinprocess.

Eine gewisse Wahrscheinlichkeit besitzt endlich die Ansicht mancher
Praktiker, dass auch der im erstarrten Stahle im legirten, d. h. fest
gewordenen Zustande zurückgebliebene Wasserstoffgehalt der Stahl-
sorten nicht ohne nachtheiligen Einfluss auf ihre physikalischen Eigen-
schaften sei; und dass der Tiegelgussstahl, der überhaupt weniger
Gelegenheit zur Auflösung von Wasserstoff findet, auch aus diesem
Grunde sich vor anderen Flussstahlsorten vortheilhaft auszeichne.


Obgleich, wie sich aus der Besprechung der Tiegelgussstahldar-
stellung ergiebt, die Zusammensetzung des Stahles ausserordentlich
mannigfaltig sein kann, so mögen doch einige Analysen bewährter
Tiegelgussstahlsorten als Beispiele dafür dienen, wie man diese Zusam-
mensetzung für die verschiedene ins Auge gefasste Verwendung regelt.



Analysen von Wolframstahl wurden bereits auf S. 263 mitgetheilt;
Chromstahl zu Werkzeugen stellt man, wie schon erwähnt wurde, mit
einem Chromgehalte von selten mehr als 1 Proc., gewöhnlich nur
0.3—0.5 Proc. bei einem Kohlenstoffgehalte von etwa 1 Proc. oder
etwas weniger dar.


Tiegelgussstahl für Feilen, Grabstichel, harte Drehstähle u. s. w.
pflegt 1—1.2 Proc. Kohlenstoff, für Gewindebohrer, Schneidbacken,
Reibahlen u. s. w. 0.8—1 Proc. Kohlenstoff, für Prägstempel, Meissel
0.75 Proc. Kohlenstoff zu enthalten.


8. Der Martinprocess.


Einleitung.

Man versteht unter der Bezeichnung Martinprocess die Darstellung
von Flusseisen auf dem Herde eines Flammofens (englisch open-hearth-
process). Schon in den vierziger und fünfziger Jahren dieses Jahr-
hunderts wurden verschiedentliche Versuche gemacht, durch Zusammen-
schmelzen von Roheisen und Schmiedeeisen im Herdflammofen Stahl
zu erzeugen; einen befriedigenden Erfolg ergaben diese Versuche erst,
nachdem man durch Einführung der Siemensfeuerungen die Möglich-
keit erlangt hatte, höhere Temperaturen als bisher bei Flammöfen zu
erreichen. Im Jahre 1865 führten zuerst die Gebrüder Martin in
Sireuil in einem von W. Siemens zu diesem Zwecke gebauten Ofen
einen regelmässigen Betrieb ein.


Die Materialien für die Herstellung des Martineisens können, wie
Ledebur, Handbuch. 55
[858]Die Darstellung des Flusseisens.
bei der Tiegelgussstahldarstellung, verschieden sein; Rücksicht jedoch
muss in jedem Falle auf den Umstand genommen werden, dass die
Oxydation des mit grosser Oberfläche stundenlang der Einwirkung des
Gasstromes ausgesetzten Metalles weit kräftiger ist als beim Tiegel-
schmelzen. Es ist deshalb Regel, von vorn herein Roheisen als Zusatz
zu verwenden, dessen Kohlenstoff-, beziehentlich Mangan- und Silicium-
gehalt neben anderen Aufgaben, deren später gedacht werden wird,
auch vornehmlich den Zweck zu erfüllen hat, durch eigene Oxydation
das Eisen vor der sonst unfehlbar eintretenden reichlichen Verschlackung
zu schützen.


Das Hauptmaterial dagegen pflegt aus schmiedbarem Eisen zu be-
stehen: Flusseisenabfälle aller Art, Ausschussstücke vom Walzen, ebenso
Alteisen; mitunter Rohschienen des Puddelprocesses, die, aus mässig
phosphorhaltigem Roheisen unter Abscheidung eines Theils des Phos-
phors dargestellt, auf diesem Wege ein phosphorärmeres Flusseisen
liefern, als wenn das Roheisen unmittelbar auf Flusseisen verarbeitet
worden wäre.


In jedem Falle giebt also der Martinprocess eine vortreffliche Ge-
legenheit zur Aufarbeitung der bei der Darstellung von Handelswaare
aus Schweiss- oder Flusseisen unvermeidlicher Weise entstehenden
Abfälle wie der unbrauchbar gewordenen Gebrauchsgegenstände aus
schmiedbarem Eisen (z. B. alter Eisenbahnschienen); in manchen Fällen
aber können örtliche Verhältnisse, insbesondere das Preisverhältniss
zwischen dem zur Verwendung stehenden schmiedbaren Eisen und
Roheisen es wünschenswerth erscheinen lassen, eine stärkere Ver-
wendung des letzteren unter Abminderung des Verbrauches an schmied-
barem Eisen eintreten zu lassen, ohne jedoch den Kohlenstoff-, Sili-
cium- oder Mangangehalt des darzustellenden Flusseisens durch den
grösseren Roheisenzusatz zu erhöhen. Der Zweck lässt sich durch
Verstärkung der Oxydationswirkung beim Schmelzen erreichen; und
das einfachste Mittel hierzu ist der Zusatz von Eisenerzen zum Roh-
eisen, deren Sauerstoffgehalt die Oxydation bewirkt, während das
reducirte Eisen vom Metallbade aufgenommen wird. Die Anwendung
von Eisenerzen für diesen Zweck ist weniger schwierig als beim
Tiegelschmelzen, weil sich durch Rühren des Bades eher eine
Mischung von Eisen und Erzen erreichen lässt, und besonders auch,
weil der Zusatz hier nicht, wie bei jenem Verfahren, von vorn herein
in einem Male gegeben werden muss, sondern allmählich in kleinen
Mengen in dem Metallbade aufgelöst werden kann. Der Nachtheil aber,
welcher durch die etwa stattfindende Aufnahme schädlicher Körper aus
den Erzen (Phosphor) herbeigeführt werden kann, fällt hier weniger in
Betracht, weil man an die Beschaffenheit des billiger herzustellenden
Martineisens auch durchschnittlich geringere Ansprüche zu stellen pflegt
als an diejenige des kostspieligen Tiegelgussstahles.


Die Zusammensetzung des fertigen Metalles, zumal der Kohlenstoff-
gehalt desselben, hängt vornehmlich von der Zusammensetzung des Ein-
satzes, daneben von der stattfindenden Oxydationswirkung und der
herrschenden Temperatur ab. Ein kohlenstoffreicherer Einsatz wird
auch ein kohlenstoffreicheres Enderzeugniss liefern; und ein anwesender
Mangangehalt wirkt ebenfalls auf Erzielung eines kohlenstoffreicheren
[859]Der Martinprocess.
Flusseisens, indem er wenigstens zum Theil durch seine eigene Oxy-
dation den Kohlenstoff vor Verbrennung schützt.


Je kohlenstoff- und manganärmer aber das flüssige Eisen wird,
desto grössere Mengen Sauerstoff vermag es aufzulösen (vergl. S. 275),
welcher Rothbruch erzeugt. Es ist daher Regel, nach Beendigung des
Schmelzens eine gewisse Menge Spiegeleisen, Eisenmangan, auch wohl
Siliciumeisenmangan oder Siliciumeisen neben Eisenmangan zur Aus-
scheidung dieses Sauerstoffgehaltes zuzusetzen; ein Siliciumgehalt des
Zusatzes verfolgt den schon mehrfach erwähnten Zweck, die Gasaus-
scheidung zu verringern, also zur Erzielung dichter Blöcke beizu-
tragen.


Je kohlenstoffärmer das Eisen im Ofen geworden ist, desto grösser
ist sein Sauerstoffgehalt, desto wichtiger ein solcher Zusatz. Nun führt
man aber mit dem Mangan, welches vornehmlich als Desoxydations-
mittel bestimmt ist, auch Kohlenstoff in das Bad. Ein Theil desselben
wird zwar durch den anwesenden Sauerstoffgehalt oxydirt, ein anderer,
gewöhnlich grösserer Theil bleibt im Eisen zurück, dessen Kohlenstoff-
gehalt anreichernd. Je manganärmer nun der Zusatz ist, eine desto
grössere Menge desselben ist erforderlich, um eine bestimmte Mangan-
menge, entsprechend der anwesenden Sauerstoffmenge, in das Bad zu
führen; die grössere Menge der zugesetzten Legirung aber führt dem
Bade auch grössere Mengen Kohlenstoff zu. Dieser Umstand erklärt
die Wichtigkeit, welche die manganreichen Eisenmangane gerade für
die Darstellung kohlenstoffarmen Flusseisens besitzen; man bedarf nur
eines geringen Zusatzes derselben, um dem Bade den Sauerstoff zu
entziehen und reichert deshalb durch den Zusatz auch den Kohlenstoff-
gehalt des letzteren nur unbedeutend an.


Der Martinofen.

Man verwendet in der Jetztzeit Oefen für Einsätze von 2—25 t,
also in ausserordentlich abweichenden Grössen. Je grösser der Ofen
ist, desto geringer pflegt aus nahe liegenden Gründen der Brennstoff-
verbrauch zur Darstellung einer bestimmten Menge Eisen zu sein, und
desto länger kann er im Betriebe erhalten werden, ohne einer Erneue-
rung der dem Feuer ausgesetzten Theile zu bedürfen; aber desto
schwieriger wird auch die Bedienung des Ofens, insbesondere die Er-
zielung eines gleichförmigen Erzeugnisses. Eine Grösse des Ofens für
einen Einsatz von etwa 8 t berechnet pflegt man daher in der Jetzt-
zeit als die geeignetste zu betrachten.


Die Abbildungen Fig. 250—253 stellen die Einrichtung eines im
Jahre 1883 auf einem deutschen Eisenwerke nach englischem Vorbilde
erbauten Martinofens für 7.5 t Einsatz mit Siemensfeuerung dar.


Die Einrichtung der Gaszuführung und der Regeneratoren ist im
Wesentlichen die nämliche wie bei allen Siemensöfen (vergl. S. 116).
Die Regeneratoren A A für das Gas haben je 8.56 cbm, die Regenera-
toren B B für Luft je 12.48 cbm Inhalt. Aus den Gasgeneratoren führen
je zwei Kanäle a, aus den Luftregeneratoren je drei Kanäle b nach
dem Verbrennungsraume. Fig. 253 zeigt die Anordnung dieser Kanäle
neben einander, Fig. 250 die Art und Weise, wie Luft und Gas
55*
[860]Die Darstellung des Flusseisens.
zusammengeführt werden. Statt der fünf Zuleitungskanäle findet man
bei einigen Oefen nur zwei, die eine für Gas, die andere für Luft,
bei anderen drei, bei noch anderen sieben. Im Allgemeinen dürfte eine
grössere Zahl dieser Oeffnungen insofern vortheilhafter sein, als dadurch
die Mischung von Gas und Luft erleichtert, die Verbrennung befördert
wird; aber die Construction verliert dadurch an Einfachheit und die
Gefahr, dass öftere Reparaturen erforderlich werden, nimmt zu. Häufig
auch sind die Einströmungsöffnungen in ganz gleicher Höhe unmittel-
bar neben einander angeordnet. Den Querschnitt sämmtlicher Gas-
öffnungen nimmt man einer praktischen Regel zufolge gleich 4/3 der
freien Rostfläche der Generatoren, den Querschnitt der Luftöffnungen
um die Hälfte grösser als den der Gasöffnungen.


Der Herd ruht auf starken Gusseisenplatten, welche frei, um von
unten her kühl erhalten zu werden, auf Mauerpfeilern aufliegen. Un-
mittelbar auf die Platten kommt gewöhnlich eine Lage von auf die
Längskante gestellten Dinasziegeln, dann das eigentliche Herdfutter (der
Boden). Bei den meisten Martinöfen wird dasselbe aus möglichst reinem
Quarz hergestellt, welcher bis zu Erbsengrösse gepocht und dann mit
etwa 2—5 Proc. feuerfestem Thon als Bindemittel vermischt wird. Das
Futter wird entweder im feuchten Zustande eingestampft, dann getrocknet
und schliesslich allmählich bis zur vollen Temperatur erhitzt; oder man
sintert es ein, indem man zunächst eine nur etwa 20 mm hohe Lage
einschüttet, diese bis zum Sintern erhitzt, dann eine zweite Lage auf
die erste bringt, wiederum erhitzt u. s. f., bis die gewünschte Dicke
erreicht ist. In Oesterreich benutzt man häufig zur Herstellung des
Bodens einen bei Wien vorkommenden Sand, welcher neben etwa
87 Thl. Quarz etwas Feldspath und Erden enthält und sich ohne be-
sonderen Zusatz zum Sintern bringen lässt, ohne zu schmelzen.


Ist eine Entphosphorung während des Schmelzens beabsichtigt, so
lässt sich in Rücksicht auf das bekannte Verhalten des Phosphors
(S. 15, 625) ein kieselsäurereiches Futter des Ofenherdes nicht an-
wenden, sondern stark basische Körper müssen als Material desselben
dienen. Die auf S. 141 besprochenen basischen Ofenbaumaterialien
gelangen hier zur Verwendung. Dolomit, gebrannt, gepulvert und mit
etwas Theer als Bindemittel versetzt, ist ein häufig hierfür verwendetes
Material.


Die Stärke des Bodens soll an der schwächsten Stelle mindestens
0.5 m betragen.


Die Länge, Breite und Tiefe des Herdes hängt theils von der
Grösse des Einsatzes, theils auch von der chemischen Zusammen-
setzung desselben ab. Je tiefer das geschmolzene Metall in dem Herde
steht, je weniger flach also der letztere gebaut ist, desto weniger gross
ist die von dem Metalle den Gasen dargebotene Oxydationswirkung,
desto ungünstiger aber auch die Wärmeübertragung, welche eben nur
an diese Oberfläche stattfindet. Bei einzelnen Oefen beträgt die Tiefe
des Bades nur 0.25 m, bei anderen 0.5 m, mitunter noch mehr. Je
weniger Veranlassung man hat, das Eisen vor der Oxydationswirkung
zu schützen, desto flacher wird man den Herd bauen und mit desto
weniger Brennstoff wird man den Process durchführen können. Das
Verhältniss der Breite des Ofenherdes zur Länge pflegt annähernd wie
[][]

[figure]

[]

[figure]

[][861]Der Martinprocess.
2 : 3 zu sein. Bei zu geringer Herdlänge kann es geschehen, dass die
Verbrennung erst jenseits des Herdes beendet ist und die Regenera-
toren übermässig erhitzt werden. Im Ganzen giebt man, wenn man
ohne Erzzusatz zu arbeiten beabsichtigt, dem Herde einen um etwa
12 Proc., bei Erzzusatz um 30 Proc. grösseren Fassungsraum, als dem
Rauminhalte des einzusetzenden Metalles entsprechen würde.


Durch die reichliche Schlackenmenge bei der Arbeit mit Erzen
wird der Herd stark angegriffen. Durch eingelegte, rings herum laufende
Kühlröhren in der Höhe der Schlackenschicht lässt sich derselbe schützen;
eine ausgedehntere Verwendung hat jedoch diese von W. Siemens
vorgeschlagene Einrichtung 1) bislang nicht gefunden, vermuthlich des-
halb nicht, weil die Kühlung des Herdes auch leicht Gelegenheit zur
Bildung erstarrter Ansätze geben wird.


Auch die Feuerbrücken hat man mitunter mit Wasserkühlung
versehen (Wittener Waffenfabrik), doch zeigte sich auch hierbei eine
empfindliche Abkühlung des Metalles in der Nähe derselben. Dagegen
baut man sie, wie bei dem abgebildeten Ofen, fast regelmässig hohl,
so dass sie von unten her durch Luft gekühlt werden, und lässt sie
von einer Eisenplatte tragen, welche sich an die eiserne Herdplatte
anlegt. Die Breite der Feuerbrücken, in der Richtung des Gasstromes
gemessen, darf nicht zu gering sein, damit Schlacken und Eisenkörn-
chen, welche beim Spratzen des Metalles von den Gasen mit fortgerissen
werden, nicht in die Regeneratoren gelangen, sondern auf der Brücke
niederfallen und von hier nach dem Herde zurückfliessen. Aus dem-
selben Grunde muss auch die Oberfläche der Feuerbrücken eine Neigung
nach dem Herde zu erhalten.


An den Seitenwänden sind mehrere, mit senkrecht aufgehenden
Schiebethüren versehene Oeffnungen angebracht, durch welche das Ein-
setzen, Rühren u. s. w. bewirkt wird. Bei kleinen Oefen beschränkt
man sich mitunter auf eine einzige Thür, grösseren giebt man gewöhn-
lich zwei bis drei; bei englischen und französischen Martinöfen (wie
auch bei dem abgebildeten Ofen) ordnet man nicht selten auch an der
Rückseite des Ofens Thüren an, welche jedoch fast nur bei Repara-
turen des Bodens benutzt werden. Auch von den drei an der Vorder-
seite grösserer Oefen befindlichen Thüren pflegt für die gewöhnlichen
Arbeiten fast nur die mittlere, etwas kleinere Thür benutzt zu werden,
während die beiden anderen vorwiegend für die Ermöglichung von
Reparaturen der Feuerbrücken und des Bodens, daneben freilich auch
zum Einbringen ausnahmsweise grosser Eisenstücke bestimmt sind.


Unterhalb der Einsatzthür befindet sich gewöhnlich das Stichloch,
etwa 150—200 mm breit und hoch und aussen in eine mit feuer-
fester Masse ausgekleidete Eisenrinne endigend, durch welche das Eisen
in die davor gestellte Giesspfanne (S. 823) oder auch wohl unmittelbar
in die auf einem Wagen aufgestellten Gussformen abfliesst. Der Herd-
boden muss natürlicherweise nach dem Stichloche hin abfallen, so dass
beim Oeffnen desselben alles flüssige Metall ausfliessen kann. Mitunter
findet man auch die Einsatzthür an der einen, das Stichloch an der
[862]Die Darstellung des Flusseisens.
entgegengesetzten Seite des Ofens angebracht (vergl. unten die Ab-
bildung Fig. 255).


Die gewölbte Decke des Ofens fällt gewöhnlich — auch bei dem oben
abgebildeten Ofen — von den Stirnseiten nach der Mitte zu ab, solcher-

Figure 189. Fig. 254.


art der muldenförmigen Gestalt des Herdes folgend, so dass die Flammen
gezwungen sind, möglichst dicht über der Oberfläche des Metallbades
hinzustreichen. Es ist dieses jedenfalls diejenige Ofenform, welche die

Figure 190. Fig. 255.


günstigste Ausnutzung der Wärme gestattet; aber unleugbar wird
hierbei das Gewölbe selbst sehr stark erhitzt und der Gefahr einer
raschen Zerstörung preisgegeben. Es ist deshalb unerlässlich, dasselbe
aus dem vorzüglichsten Material (Dinassteine) und nicht allzu stark
[863]Der Martinprocess.
herzustellen, damit es durch die äussere Luft entsprechend kühl er-
halten werde.


Eine grössere Dauerhaftigkeit des Gewölbes wird zweifellos erreicht,
wenn man, wie es zuerst bei den Martinöfen des Schienenwalzwerkes
zu Graz, später auch bei den Oefen einiger anderer Eisenwerke bewirkt
worden ist, dasselbe nach der Mitte des Ofens nicht niedergehen, sondern
ansteigen lässt, wenn auch zu vermuthen ist, dass die Wärmeabgabe
dadurch etwas erschwert werde. Die örtlichen Verhältnisse, insbesondere
auch die Dauerhaftigkeit der zur Verwendung stehenden feuerfesten
Materialien, werden entscheiden müssen, welcher Anordnung der Vor-
zug zu geben ist.


Die Abbildungen Fig. 254 und 255 zeigen die Einrichtung eines
solchen Martinofens zu Graz. 1) Die tiefste Stelle des Gewölbes liegt,
wie in Fig. 254 zu sehen ist, an der Stelle, wo Gas und Luft zusam-
mentreffen; von da an steigt dasselbe nach beiden Seiten hin an.


Die Construction des abgebildeten Ofens ist noch in mehrfacher
anderer Hinsicht beachtenswerth. Statt der sonst üblichen hohen Rege-
neratoren unter den Oefen sind hier liegende Regeneratoren vor den
Oefen angebracht (Fig. 255), wodurch die Zugänglichkeit derselben erhöht
wird, eine Einrichtung, der man ziemlich häufig in den Alpenländern
begegnet; Gas und Luft gelangen durch nur je einen Kanal in den
Ofen (Fig. 255), und die Construction ist dadurch sehr einfach. Die
Oefen in Graz halten durchschnittlich 500 Einsätze, mitunter darüber
aus, ohne einer Reparatur des Gewölbes zu bedürfen, während bei
Oefen mit tief niedergezogener Decke oft nicht die Hälfte jener Einsätze
verarbeitet werden kann, ohne dass die Decke erneuert werden muss.


Verschiedentlich hat man versucht, an Stelle der in ihrer Anlage
und Unterhaltung kostspieligen Siemensöfen einfachere Feuerungs-
systeme (Bicherouxfeuerung, Ponsardfeuerung u. a.) für den Betrieb der
Martinöfen anzuwenden. Die erlangten Erfolge haben jedoch dargethan,
dass den Siemensöfen zweifellos in allen jenen Fällen der Vorrang
gebührt, wo, wie beim Martinschmelzen, die Erzielung einer sehr hohen,
den Schmelzpunkt auch des kohlenstoffarmen schmiedbaren Eisens über-
steigenden und dabei gleichmässigen Temperatur die Hauptaufgabe ist.
Wenn jene anderen Feuerungssysteme sich zwar als brauchbar erwiesen,
wenn wirklicher Stahl mit verhältnissmässig niedrigem Schmelzpunkte
erzeugt werden sollte, so verloren sie um so mehr an Benutzungs-
fähigkeit, je kohlenstoffärmer das Eisen war, welches man darzustellen
beabsichtigte.


Eine andere erwähnenswerthe Abweichung ist die Anwendung
von Drehöfen nach Pernot’s System (S. 128). Dieselben haben in
St. Chamond, dem Wohnorte des Erfinders, sowie auf einigen anderen
französischen und nordamerikanischen Eisenwerken Eingang gefunden.
Dass die Mischung des Metalles auf einem drehbaren Herde leichter
als auf einem feststehenden zu bewirken sein wird, lässt sich nicht
[864]Die Darstellung des Flusseisens.
bezweifeln; man darf auch annehmen, dass die Wärmeausnutzung
günstiger sein wird, da ein Theil der Ofensohle stets von Neuem wieder
unmittelbar durch die Flamme erhitzt wird, das Metall also nicht
allein von der Oberfläche aus Wärme aufnimmt. Diesen Vortheilen
gegenüber stehen aber als Nachtheile die Kosten für den Betrieb und
die Instandhaltung des Bewegungsmechanismus sowie für die häufiger
nothwendigen Reparaturen. Letztere Umstände erklären es zur Genüge,
dass die Anwendung der Pernotöfen ziemlich vereinzelt geblieben ist
und auch kaum Aussicht hat, eine grössere Ausdehnung zu finden.


Das Arbeitsverfahren.

Hat der Ofen kalt gelegen, so ist es zunächst erforderlich, ihn
anzuheizen und auf die zum Schmelzen erforderliche Temperatur zu
bringen. Bei frisch zugestellten Oefen geht dem Anheizen ein fünf-
bis achttägiges anwärmen voraus, durch welches die zurückgebliebene
Feuchtigkeit ausgetrieben und einem Zerspringen der Ziegel vorge-
beugt wird.


Ist das Anheizen beendet, der Herd in der früher besprochenen
Weise fertig hergestellt, so folgt das Einsetzen.


Es ist Regel, das Roheisen zuerst einzusetzen und erst, nachdem
dieses geschmolzen und stark überhitzt ist, das schmiedbare Eisen sowie
die etwa zuzusetzenden Erze nach und nach in kleineren Mengen in
dem Bade aufzulösen. Der Grund für dieses Verfahren liegt nahe.
Die Schmelztemperatur des Roheisens liegt verhältnissmässig niedrig,
es schmilzt leicht und dünnflüssig ein und lässt sich also ohne irgend
eine Gefahr für den Ofen ausreichend stark überhitzen, um später auch
die Zusätze rasch zum Schmelzen zu bringen. Ausserdem kommt in
Betracht, dass das zuerst eingesetzte Material, weil es ungeschützt den
Gasen preisgegeben ist, auch am stärksten oxydirt wird. Wollte man
schmiedbares Eisen zuerst einsetzen, so würde es sehr allmählich
erweichen, dabei Gefahr laufen, am Boden festzuschweissen und Ansätze
zu bilden, welche nur schwierig zu beseitigen sein würden, und der
Verlust an metallischem Eisen würde stärker sein als beim Roheisen,
dessen Eisengehalt durch den anwesenden Kohlenstoff-, Mangan- und
Siliciumgehalt stärker vor Oxydation geschützt ist.


Deshalb findet man nur sehr wenige Ausnahmen von dieser Regel,
und nur ganz besondere Verhältnisse würden eine solche Ausnahme
rechtfertigen können.


Die Wahl der Roheisensorten ist zum Theile von der beabsichtigten
Beschaffenheit des darzustellenden Eisens abhängig. Es wurde schon
oben darauf hingewiesen, dass ein Mangan- und Siliciumgehalt des
Roheisens die Entkohlung erschwere, ja es kann sogar ein Theil beider
Körper in dem Eisen zurückbleiben, wenn ihre Menge gross genug
und die Temperatur des Ofens hoch genug war, um die Oxydations-
wirkung stärker auf den Kohlenstoffgehalt des Einsatzes zu lenken.


Aus diesen Gründen würde zwar die Anwendung eines silicium-
und manganarmen Weisseisens zur Erzielung eines möglichst reinen
Martineisens am geeignetsten sein; dennoch zieht man es meistens vor,
[865]Der Martinprocess.
ein Roheisen zu verwenden, welches wenigstens gewisse Mengen
Mangan und Silicium enthält. Ein Mangangehalt verzögert die Ent-
kohlung beim Einschmelzen und verhütet dadurch, dass die Schmelz-
temperatur des Eisens allzu rasch steige, wodurch das Metall leicht
beim Beginne des Processes einen dickflüssigen, für die Auflösung der
später zu gebenden Zusätze wenig geeigneten Zustand annehmen würde.
Häufig aber beabsichtigt man sogar, ein etwas manganhaltiges End-
erzeugniss mit verhältnissmässig niedrigem Kohlenstoffgehalte herzu-
stellen (für Eisenbahnschienen, Formguss und andere Zwecke); und
dieses Ziel wird offenbar leichter erreicht werden, wenn schon von
vorn herein ein gewisser Mangangehalt zugegen war. Silicium ver-
leiht theils schon unmittelbar dem Eisen, mit dem es legirt ist, eine
gewisse Dünnflüssigkeit und erleichtert hierdurch das Verfahren, theils
ruft es bei seiner Verbrennung eine bedeutende Temperaturerhöhung
des Eisenbades hervor, welche ebenfalls nicht wenig förderlich für die
Durchführung des Processes ist.


Den Beweis für die letztere, schon bei Besprechung des Puddel-
verfahrens kurz erwähnte Einwirkung eines Siliciumgehaltes liefert nicht
allein die praktische Beobachtung, sondern mit einiger Annäherung
lässt sich auch aus der Verbrennungswärme des Siliciums (S. 23) und
der specifischen Wärme des Metalles diese Temperatursteigerung be-
rechnen. 1 kg Silicium liefert bei seiner Verbrennung 7830 W.-E.;
enthält also das Roheisen 1 Proc. Silicium, so würden durch die Ver-
brennung desselben 78.3 W.-E. entwickelt werden. Diese Wärmeent-
wickelung kommt grösstentheils dem Eisenbade zu Gute; setzt man
die specifische Wärme des hocherhitzten Eisens = 0.2, so würde dem-
nach die Temperatursteigerung desselben, welche durch jedes Procent
verbrennenden Siliciums hervorgerufen wird, Grad C. sein.
Ein Theil der entwickelten Wärme freilich wird zur Erhitzung der sich
bildenden Schlacke und auch zur Höhererhitzung der die Oxydation
veranlassenden Ofengase verbraucht; immerhin ist die durch Verbren-
nung des Siliciums hervorgerufene Temperatursteigerung beträchtlich.
Geringer ist der Einfluss eines Mangangehaltes in dieser Beziehung
wegen der geringeren Verbrennungswärme desselben; unwesentlich der
Einfluss des Kohlenstoffgehaltes, welcher nicht nur langsamer ver-
brennt, sondern dessen Verbrennungserzeugniss auch rasch aus dem
Bade entweicht, ohne einen Wärmeausgleich zu ermöglichen.


Ein aus Quarzsand hergestellter Herd würde durch das entstehende
Manganoxydul stark angegriffen werden, wenn man ein manganreiches
Roheisen ohne Siliciumgehalt einschmelzen wollte; ein basischer, für
die Entphosphorung bestimmter Herd würde stark leiden und das Ver-
fahren würde erschwert werden, wenn man siliciumreiches Roheisen
ohne Mangan verarbeiten wollte.


Nach Maassgabe dieser Einflüsse der chemischen Zusammensetzung,
sowie des Gewichtsverhältnisses zwischen Roheisen und schmiedbarem
Eisen, welches man anwenden will, trifft man die Wahl des einzu-
setzenden Roheisens. Häufig verwendet man ein Roheisen mit etwa
2 Proc. Silicium und 3 Proc. oder noch mehr Mangan; nicht selten
[866]Die Darstellung des Flusseisens.
auch gattirt man mehrere Roheisensorten. Da Phosphor im Martinofen
mit Quarzboden nicht abgeschieden wird, muss hierauf Rücksicht ge-
nommen werden, damit der Phosphorgehalt des erfolgenden Flusseisens
nicht zu hoch ausfalle. Die Verwendung des letzteren muss hierfür
entscheidend sein. Eigentlicher Stahl verträgt, wie bekannt, nur sehr
wenig Phosphor; Eisenbahnschienen enthalten, zumal wenn sie mangan-
reich sind, mitunter 0.15 Proc. Phosphor oder noch etwas mehr.


In Oefen mit basischem Herdboden dagegen wird der Phosphor
abgeschieden, sofern man durch Zuschlag von Kalkstein die Bildung
einer stark basischen Schlacke befördert, und man verarbeitet hier
Roheisensorten mit bisweilen mehr als 1.5 Proc. Phosphor. Dem
eingesetzten Roheisen pflegt man in diesem Falle schon etwas Kalk-
stein zuzusetzen und zwar etwa 6 Proc. vom Gewichte des ganzen
Einsatzes.


Ist das Roheisen vollständig geschmolzen und stark erhitzt, so
beginnt nun das Einsetzen des schmiedbaren Eisens. Das Verhältniss
zwischen der Menge desselben und der Menge des eingesetzten Roh-
eisens muss, wie schon hervorgehoben wurde, von der Oxydations-
wirkung des Ofens, der chemischen Zusammensetzung beider Eisen-
gattungen und der beabsichtigten Zusammensetzung des darzustellenden
Eisens abhängig sein.


Verwendet man ein mangan- und siliciumreiches Roheisen und
hat man nicht Ursache, mit der Verwendung schmiedbaren Eisens
sparsam zu sein und aus diesem Grunde absichtlich stark oxydirend
zu arbeiten, so beträgt der Roheiseneinsatz häufig weniger als 10 Proc.
des ganzen Einsatzes; bei Verwendung weissstrahligen siliciumarmen
Roheisens mit etwa 2 Proc. Mangan pflegt man etwa 25 Theile Roh-
eisen neben 75 Theilen schmiedbarem Eisen einzusetzen; erfordern
aber die örtlichen Verhältnisse, d. i. die Preisverhältnisse zwischen dem
zur Verwendung stehenden Roheisen und schmiedbarem Eisen, mög-
lichste Sparsamkeit bei Verwendung des letzteren, so geht man mit
dem Roheisensatze mitunter auf 50—60 Proc. hinauf, besonders wenn
man kohlenstoffreicheres Eisen darzustellen beabsichtigt.


Die Verarbeitung eines nur aus Roheisen ohne schmiedbares Eisen
bestehenden Einsatzes durch Zusatz einer entsprechenden Menge von
Erzen oder anderen Eisenoxyden würde zwar theoretisch möglich sein;
der praktischen Durchführung eines solchen Verfahrens stellt sich jedoch
die Schwierigkeit entgegen, dass das kieselsäurereiche Herdfutter stark
durch die sich bildenden eisenreichen Schlacken angegriffen wird; auch
würde die Zeitdauer des Processes verlängert und der Brennstoffver-
brauch erhöht werden. Auch die Anwendung basischer Materialien zur
Herstellung des Herdfutters ist bis jetzt nicht im Stande gewesen, dem-
selben in solchen Fällen eine ausreichend lange Haltbarkeit zu sichern.
Kalk geht mit Eisenoxyd eine in Weissgluth schmelzbare Verbindung
ein (S. 191); ein Ofenfutter aus Magnesia zerfiel nach einigen Tagen
des Betriebes zu Pulver. 1)


Eine andere Methode, den Zusatz einer grösseren Roheisenmenge
[867]Der Martinprocess.
zu ermöglichen, ist das Einblasen von Wind in das flüssige Metall zur
rascheren Verbrennung von Mangan, Silicium und Kohlenstoff.


Die Lösung dieser Aufgabe ist bereits in verschiedener Weise be-
wirkt worden. Ponsard benutzte auf dem Eisenwerke Thy-le-Château
in Belgien einen Pernotofen, durch dessen hohle Drehungsachse Wind
in einen unter dem Boden des drehbaren Tellers befindlichen radial
gerichteten Kanal geleitet wurde, um durch eine am Rande des Tellers
befindliche Düse auf den Herd zu strömen. Wird der Herd so gedreht,
dass die Düse den tiefsten Punkt einnimmt, so muss der Wind durch
das Metallbad aufsteigen. Die Construction des Ofens, welchen Ponsard
als Fornoconvertisseur bezeichnete und im Modelle 1878 auf der
Pariser Ausstellung zur allgemeineren Anschauung brachte, ist, wie
die jedes Drehofens, kostspielig und hat deshalb keine oder nur sehr
vereinzelte Nachahmung gefunden.


Auf dem Eisenwerke Phönix bei Ruhrort leitet man dagegen nach
einem von Würtemberger ausgebildeten Verfahren seit 1879 den
Wind in das Metallbad durch ein oder mehrere Düsenrohre, welche
leicht an eine vor dem Ofen angebrachte Leitung angeschlossen und
ebenso leicht von demselben abgenommen werden können und mit
feuerfester Masse als Schutz gegen das Schmelzen bekleidet sind. 1) Die
Ausströmungsöffnung jedes Rohres ist aus feuerfestem Thon gebrannt
und hat gewöhnlich einen inneren Durchmesser von 20—25 mm.


Der Erfolg dieser Methode ist unleugbar günstig. Man ist im
Stande, aus einem Einsatze, welcher neben 65 Proc. schmiedbaren
Eisens 35 Proc. weissstrahliges Roheisen enthält, Eisen mit 0.1 bis
0.2 Proc. Kohlenstoff ohne Anwendung anderer Oxydationsmittel dar-
zustellen. Die Temperatur des Bades steigt, wie die praktische Be-
obachtung zeigt, durch die rasche Verbrennung von Mangan und
Silicium beträchtlich. Das Blasen währt 15—20 Minuten und man
bedarf dabei, um den Druck des flüssigen Metalles zu überwinden,
einer Windspannung von ca. 0.75 kg per qcm; die eingeblasene Wind-
menge während der angegebenen Blasezeit berechnet Kupelwieser
zu 20.4 cbm. Die Erzeugung jener hohen Windspannung aber ist nicht
ohne ein kräftiges Cylindergebläse zu bewirken; und wo ein solches
nicht etwa für andere Zwecke schon vorhanden ist und für den in
Rede stehenden Zweck nebenbei in Mitbenutzung genommen werden
kann, dürften die Kosten für die Anlage und Unterhaltung desselben
wohl nur selten durch den Nutzen des besprochenen Verfahrens aus-
geglichen werden können. Hierin liegt der Grund, weshalb die An-
wendung auch dieses Verfahrens ziemlich vereinzelt geblieben ist.


Sehr häufig ist dagegen in der Jetztzeit zu dem erwähnten Zwecke
ein theilweiser Zusatz von Erz zu dem Roheisen neben schmied-
barem Eisen. Die meisten englischen und sehr viele festländische Werke
arbeiten in dieser Weise. Man nennt das Verfahren, welches von
Siemens zuerst auf dem Landore-Eisenwerke in England eingeführt
wurde, häufig nach jenem Werke den Landore-Process.


[868]Die Darstellung des Flusseisens.

In England pflegt die Zusammensetzung der Einsätze bei diesem
Verfahren ungefähr folgende 1) zu sein:


  • Graues Roheisen Nr. III   55 Proc.
  • Schmiedbares Eisen (Abfälle)   17.3 „
  • Spiegeleisen   5.4 „
  • Erz  20.0„
  • 97.7 Proc.
  • Hierzu, nach Beendigung der Oxydation zur Beseitigung
    des gelösten Sauerstoffgehaltes, Eisenmangan und
    Siliciumeisen  2.3 „
  • 100.0 Proc.

Selbstverständlich ist das reinste Erz für den in Rede stehenden
Zweck das geeignetste. Mit Vorliebe benutzt man auf englischen und
deutschen Eisenwerken die unter dem Namen Moktaerze aus Nord-
afrika eingeführten Rotheisenerze mit etwa 62 Proc. Eisengehalt. 2)


Von dem Eisengehalte dieser Erze wird nur ein Theil durch den
Kohlenstoff-, Silicium- und Mangangehalt des Eisens reducirt, ein
anderer Theil geht in die Schlacke. Nach Kupelwieser wird bei
einem Einsatze von der oben mitgetheilten Zusammensetzung ungefähr
die Hälfte des Eisengehaltes verschlackt. Das ist ein Umstand, durch
den allerdings der Vortheil des Erzzusatzes nicht unwesentlich abge-
schwächt wird und dessen Bedeutung natürlicherweise mit dem Preise
des Erzes steigt. Auf anderen Werken beschränkt man deshalb den
Erzzusatz auf eine geringere Menge und benutzt ihn bei Verarbeitung
siliciumreichen Roheisens hauptsächlich, um das Zurückbleiben eines
Siliciumgehaltes im Bade zu verhüten.


In jedem Falle wird das Erz erst zugesetzt, wenn das gesammte
Eisen vollständig in Fluss gekommen ist. Der Zusatz erfolgt ebenso
wie der des schmiedbaren Eisens in einzelnen kleineren Posten, damit
das Bad nicht allzu sehr abgekühlt und ein heftiges Aufkochen ver-
mieden werde.


Während dieser Arbeit wird das Bad mit eisernen Stangen mit-
unter umgerührt, um das Auflösen der Zusätze und die gleichmässige
Mischung zu befördern. Da die Schmelztemperatur des Metalles steigt,
je mehr der Kohlenstoffgehalt abnimmt, also je mehr schmiedbares
Eisen oder Erz zugesetzt wird, giebt man, je weiter der Process fort-
schreitet, immer kleinere Einsätze mit einem Male, um allzu starke
Abkühlung zu vermeiden, und steigert durch Regelung des Gas- und
Luftzuflusses die Temperatur mehr und mehr. Gegen Ende des Pro-
cesses muss das Metallbad so heiss sein, dass der Rührhaken schon
nach kurzem Durchrühren vorn abgeschmolzen ist.


Wenn der ganze Einsatz geschmolzen, der letzte, aus Eisenman-
gan oder Siliciumeisenmangan bestehende Zusatz aber noch nicht
gegeben ist, nimmt man gewöhnlich eine Probe, um sich von der Be-
schaffenheit des Metalles zu überzeugen. Taucht man eine kalte Eisen-
stange in das Eisenbad und zieht sie bald wieder heraus, so bleibt an
derselben eine Schlackenkruste sitzen, in der sich, wenn man die Stange
[869]Der Martinprocess.
tief genug eintauchte, Eisenkügelchen von einigen Millimetern Durch-
messer befinden. Man taucht die Stange in Wasser, und schlägt mit
einem Hammer die Schlacke ab. Die Farbe derselben giebt den ersten
und, wenn man Einsätze von bekanntem Verhalten verarbeitete, ziem-
lich sicheren Anhalt, wie weit die Entkohlung vorgeschritten ist. Mit
abnehmendem Kohlenstoffgehalte des Eisens nimmt der Eisengehalt der
Schlacke zu, dieselbe wird schwarz, blasig, während sie bei geringerem
Eisengehalte auf dem Bruche eine olivengrüne bis graugrüne Färbung,
durch den gewöhnlich reichlichen Mangangehalt hervorgerufen, zu be-
sitzen pflegt, an der Aussenfläche aber gewöhnlich ebenfalls schwarz ist.


Sondert man durch Zerklopfen der Schlacke die Eisenkügelchen
von derselben und schlägt sie auf einem Ambose mit dem Hammer
flach, so erhält man durch den Widerstand, welchen sie dem Hämmern
entgegensetzen, einen Maassstab für die Härte oder die Dehnbarkeit
derselben, welche Eigenschaften, wie bekannt, vornehmlich von dem
noch anwesenden Kohlenstoffgehalte abhängig sind. Kohlenstoffärmeres
Eisen lässt sich mit Leichtigkeit und ohne Kantenrisse zu bekommen
platt schlagen, härterer Stahl reisst. 1)


Häufig auch nimmt man mit einer schmiedeeisernen, mit Thon-
wasser ausgestrichenen und etwas angewärmten Schöpfkelle — in ihrer
Form einer grossen Suppenkelle ähnlich — einige Kilogramm des
Metalles aus der Mitte des Bades heraus, nachdem dasselbe gut durch-
gerührt wurde, giesst die Probe in eine eiserne Form, kühlt den Block
in Wasser ab und zerbricht ihn unter dem Dampfhammer, um nach
dem Bruchaussehen die Beschaffenheit des Eisens zu beurtheilen. Je
feinkörniger der Bruch ist, desto grösser ist noch der Kohlenstoffgehalt.


Sicherer noch führt eine Schmiedeprobe (S. 663) mit einem Stücke
des gegossenen Blockes zum Ziele; dieselbe erfordert jedoch etwas
längere Zeit und wird deshalb häufig unterlassen oder nur als spätere
Controle der Beschaffenheit des Metalles benutzt.


Besonders wichtig ist die Anstellung solcher Proben bei dem Zu-
satze reichlicher Erzmengen zum Eisenbade, weil hier die Beschaffen-
heit mehr noch als bei der Arbeit ohne Erz von Zufälligkeiten —
Temperatur des Ofens, Zusammensetzung der Erze u. s. w. — abhängt.
Gewöhnlich nimmt man hierbei mehrere Proben nach einander in be-
stimmten Zeitabschnitten und richtet dann den ferneren Erzzusatz nach
dem Ausfalle der Probe ein.


Hat man sich nun überzeugt, dass die gewünschte Beschaffenheit
des Eisens erreicht ist, und ist das Bad vollständig dünnflüssig ge-
worden, so erfolgt der Zusatz der Manganlegirung zur Entziehung des
gelösten Sauerstoffgehaltes. Der Verschiedenheit des Erfolges, je nach-
dem man eine manganärmere Legirung (Spiegeleisen) oder eine mangan-
reichere für diesen Zweck verwendet, ist schon oben gedacht worden:
von der manganärmeren gebraucht man grössere Mengen und man
führt demnach auch eine grössere Kohlenstoffmenge in das Eisen. Auch
[870]Die Darstellung des Flusseisens.
die wohlthätige Wirkung eines gleichzeitigen Siliciumzusatzes — sei es,
dass man eine siliciumhaltige Eisenmanganlegirung als Zusatz wählt,
oder dass man neben der Eisenmanganlegirung Siliciumeisen besonders
hinzufügt — wurde bereits mehrfach erwähnt.


Das Gewicht des Zusatzes richtet sich theils nach der chemischen
Zusammensetzung desselben, theils auch darnach, ob man für diesen
oder jenen Zweck ein manganreicheres oder manganärmeres Metall dar-
zustellen beabsichtigt.


Die Menge des zur Ausscheidung des anwesenden Sauerstoff-
gehaltes erforderlichen Mangans ist zwar von dem Betrage dieses Sauer-
stoffgehaltes selbst abhängig, welcher in stark entkohltem Eisen natur-
gemäss höher sich beziffert als in noch kohlenstoffreicherem; auch wenn
der jedesmalige Sauerstoffgehalt bekannt wäre, würde aber eine genaue
Berechnung des erforderlichen Mangangehaltes nicht wohl möglich sein,
weil theils, wie schon erwähnt wurde, auch Kohlenstoff neben Mangan
verbrennt, hauptsächlich auch, weil auch der Eisenoxydulgehalt der
Schlacke oxydirend auf den Mangangehalt wirkt. Durchschnittlich wird
man annehmen können, dass 0.3—0.5 Proc. Mangan (auf das Gewicht
der gesammten Eisenmenge bezogen) oxydirt und verschlackt werden,
sofern das Eisen nach bewirktem Zusatze nicht etwa noch längere
Zeit hindurch der Einwirkung der Ofengase und der Schlacke preis-
gegeben wird.


Hiernach würde der erforderliche Zusatz sich ungefähr berechnen
lassen, wenn ein möglichst manganarmes Eisen erzeugt werden soll.
Häufig aber beabsichtigt man Eisen mit einigen Zehntel Proc. Mangan
darzustellen und bemisst demnach den Zusatz entsprechend höher. Es
verdient Erwähnung, dass eine vollständige Sauerstoffentziehung ohne
einen Manganüberschuss kaum möglich sein wird, dass aber freilich
kleine Sauerstoffmengen die Eigenschaften des Metalles auch kaum
merklich beeinflussen.


Diesen verschiedenen Verhältnissen entsprechend pflegt der Zusatz
an Eisenmangan und Siliciumeisen 0.5—3 Proc., bei der jetzt selteneren
Anwendung von Spiegeleisen 5—10 Proc. vom Gewichte des Einsatzes
zu betragen.


Die Stücke der Legirung werden angewärmt, unter Umständen bis
zum Rothglühen erhitzt und in das Bad eingeworfen. Ein tüchtiges
Rühren ist zur Erzielung einer gleichmässigen Mischung erforderlich.


Alsdann folgt das Abstechen. Das Luftventil wird etwas geschlossen,
damit die Flamme weniger stark oxydirend wirke, aus der Abstichrinne
wird die äussere, das Stichloch von vorn schliessende Sandschicht durch
Wegkratzen entfernt, bis die innere glühende und zusammengefrittete
Sandmasse zum Vorschein kommt; dann wird diese mit einer meissel-
artig zugeschärften Stange durchstossen und das Metall fliesst aus.
Giebt man Siliciumzusatz, so löst man nicht selten die Stücke des-
selben erst in dem bereits in der Giesspfanne befindlichen Eisen auf.


Man verwendet das Metall entweder zur Herstellung von pris-
matischen Blöcken, welche zum Auswalzen bestimmt sind, in den früher
beschriebenen Gussformen, oder zu Formguss. In letzterem Falle ist
eine besondere Zusammensetzung und Behandlung des Metalles noth-
[871]Der Martinprocess.
wendig, damit es dichten Guss liefere. In Terrenoire, wo die An-
wendung des Martineisens zum Giessen von Gebrauchsgegenständen
durch Pourcel zuerst ausgebildet wurde, verwendet man als Einsatz
ein sehr manganreiches Roheisen (Mangangehalt 6—12 Proc.), welchem
dann die sechs- bis achtfache Menge schmiedbaren Eisens nach und
nach zugesetzt wird, und man leitet den Process so, dass der schliess-
liche Zusatz der Manganlegirung erfolgt, ehe der letzte Rest des ur-
sprünglich im Bade anwesenden Mangans vollständig verzehrt ist. Die
Beschaffenheit der Schlacke muss als Merkmal hierfür dienen, sie muss
dunkelgrün aussehen, darf aber nicht schwarz werden. Als Zusatz
verwendet man siliciumreiche Legirungen neben Eisenmangan und
zwar ziemlich bedeutende Mengen (3½ — 12 Proc. des Einsatzes). Das
fertige Metall enthält für harte Gegenstände 0.55—0.65 Proc. Kohlen-
stoff, 0.40—0.50 Proc. Silicium, 0.95—1 Proc. Mangan; für mittelharte
0.42—0.45 Proc. Kohlenstoff, 0.27—0.35 Proc. Silicium, 0.75—1.1 Proc.
Mangan; für weiche 0.26—0.32 Proc. Kohlenstoff, 0.26—0.30 Proc.
Silicium, 0.41—0.48 Proc. Mangan. Die Gegenstände werden geglüht,
unter Umständen in Oel oder Wasser gehärtet und in gewissen Fällen
ein zweites Mal erhitzt (angelassen). 1)


Gewöhnlich — und bei Herstellung von Formguss regelmässig —
lässt man das Metall in eine gemeinschaftliche Sammelpfanne (S. 823)
ablaufen, um es aus dieser den Gussformen zuzuführen. Vor der Be-
nutzung muss die Pfanne über einem Koksfeuer oder einer Gasfeuerung
stark angewärmt werden, damit die Wände derselben nicht allzu stark
abkühlend auf das Metall wirken.


Ein anderes bei Herstellung von Blöcken mitunter angewendetes
Verfahren ist die Aufstellung der Gussformen in einer langen Reihe
auf einem oder mehreren dicht hinter einander befindlichen Wagen,
welche auf Schienen in einer zu diesem Zwecke vor dem Ofen ange-
brachten Vertiefung unter der Gussrinne vorbeigeschoben werden, so
dass eine Gussform nach der andern gefüllt wird. Das Verfahren
macht die kostspielige Anlage einer maschinellen Hebe- und Bewegungs-
vorrichtung für die Pfanne entbehrlich; aber es besitzt der Anwendung
einer Sammelpfanne gegenüber zwei nicht zu unterschätzende Nach-
theile. Die Entleerung des Ofens geht langsamer vor sich, da das Vor-
schieben der Wagen, sobald eine Gussform gefüllt ist, einer gewissen
Zeit bedarf, während welcher das Ausfliessen jedesmal durch Vor-
halten eines Stopfers unterbrochen werden muss; der Ofen wird also
ungünstiger ausgenutzt. Fast noch nachtheiliger aber wirkt der Um-
stand, dass die Zusammensetzung des Metalles in den verschiedenen
nach einander hergestellten Blöcken oft nicht unbedeutende Ab-
weichungen erkennen lässt. Kerpely fand in verschiedenen Blöcken
desselben Abstiches Schwankungen des Kohlenstoff- und Mangangehaltes
von mehr als 0.1 Proc. 2) Die Erklärung dafür liegt nahe. Das Metall-
bad ist lediglich an seiner Oberfläche den Einwirkungen der Gase
preisgegeben; während des Abstechens selbst dauert diese Einwirkung
[872]Die Darstellung des Flusseisens.
noch fort. Die Zusammensetzung des der Oberfläche zunächst befind-
lichen Metalles wird also eine andere sein als diejenige des am Boden
befindlichen. Durch das Einlassen in eine Pfanne wird eine Mischung
des ganzen Bades bewirkt und die Zusammensetzung der Blöcke fällt
gleichmässiger aus.


Aus diesen Gründen ist jenes einfachere Verfahren doch in der
Neuzeit ziemlich selten geworden.


Nachdem der Ofen entleert ist, wird der Herd nachgesehen, ent-
standene Ansätze werden losgebrochen und aus dem offenen Stichloche
herausgekrückt oder aus der Einsatzthür herausgeholt, schadhafte Stellen
des Herdfutters werden durch Einwerfen frischer Herdmasse aus-
gebessert. Dann wird die Stichöffnung ebenfalls durch eingebrachte
Herdmasse von innen und aussen geschlossen, der Ofen wieder in volle
Temperatur gebracht und mit dem Einsetzen einer neuen Menge Eisen
begonnen.


Betriebsergebnisse. Die Zeitdauer der Verarbeitung eines Ein-
satzes pflegt incl. aller Nebenarbeiten (Einsetzen, Abstechen, Reparatur
des Bodens) 8—10 Stunden zu sein, so dass im Laufe von 24 Stunden
2½—3 Einsätze verarbeitet werden können, sofern nicht durch länger
dauernde Reparaturen die Arbeit verzögert wird. Die Zeitdauer ist zum
Theil von dem Verhältnisse des schmiedbaren Eisens zum Roheisen
abhängig; je grösser die Menge des ersteren ist, welches nur nach und
nach eingesetzt werden kann, desto länger wird auch die erforderliche
Zeit zur Verarbeitung des Einsatzes sein.


Auch der Abgang ist theilweise von dem Verhältniss der beiden
Eisengattungen zu einander wie von der chemischen Zusammensetzung
des Roheisens abhängig. Bei Verwendung weissstrahligen Roheisens
und einem Verhältnisse desselben zum schmiedbaren Eisen wie 1 : 3
beträgt der Abgang gewöhnlich nicht mehr als 4 Proc.; bei grösserem
Roheisenzusatze steigt er auf 5—6 Proc. Nur selten ist er höher, wenn
man nicht etwa Erze zusetzt und den Eisengehalt derselben in Rech-
nung zieht. In diesem Falle geht, wie schon oben erwähnt wurde,
etwa die Hälfte des Eisengehaltes der Erze in die Schlacke und die
grössere Menge des verarbeiteten Roheisens vergrössert ausserdem den
Abgang. Nach Kupelwieser erfolgen auf englischen Eisenwerken
aus 5600 kg Roheisen Nr. III, 1730 kg schmiedbarem Eisen, 540 kg
Spiegeleisen, 2000 kg Moktaerz mit 60—62 Proc. Eisen, 125 kg Ferro-
silicium und 125 kg Eisenmangan, in Summa aus 10 120 kg Einsatz,
ungefähr 8000 kg Gussblöcke. Setzt man statt der 2000 kg Moktaerz
die entsprechende Eisenmenge in die Rechnung ein, welche bei 60 Proc.
Eisengehalt 1200 kg beträgt, so ist das Eisengewicht des Einsatzes
9320 kg, der Abgang 1320 kg oder 14 Proc.


Von der Zeitdauer des Schmelzens wie von der Grösse des Ofens
hängt der Brennstoffverbrauch ab. Unter sehr günstigen Verhältnissen
beträgt derselbe per 1000 kg dargestellten Martineisens nicht mehr als
400 kg Steinkohlen, häufiger 500—700 kg. In sehr grossen Oefen ist
der Brennstoffverbrauch erheblich geringer als in kleinen; so z. B.
wurden in zwei Oefen des Grazer Südbahnwalzwerkes von je 12.5 t
Fassungsraum während einer etwa neunmonatlichen Betriebsdauer in
den Jahren 1882 und 1883 nur etwa 690 kg Braunkohle (davon
[873]Der Martinprocess.
260 kg zum Vorwärmen der Einsätze) gebraucht, was einem Stein-
kohlenverbrauche von kaum 400 kg entsprechen dürfte. In kleineren
Oefen desselben Werkes (für 5.5 t Einsatz) betrug dagegen der Braun-
kohlenverbrauch 880 kg, wovon 200 kg zum Wärmen benutzt wurden.


Weniger günstig stellen sich die Betriebsergebnisse bei dem so-
genannten basischen Verfahren mit Anwendung phosphorhaltigen Roh-
eisens. Zur Bildung einer basischen Schlacke müssen Zuschläge von
Kalk gegeben werden, welche zu ihrer Schmelzung Wärme bedürfen;
die reichliche Schlackenmenge, welche das Metall bedeckt hält, erschwert
die Erhitzung desselben und giebt zu einer Verzögerung des Processes
wie zu erhöhtem Brennstoffaufwande Veranlassung. 1) Die stark basi-
sche Schlacke aber greift da, wo sie zufällig (durch Umherspritzen)
mit dem Ofengemäuer in Berührung kommt, dieses stark an, und
häufiger als beim gewöhnlichen Verfahren sind Ergänzungen desselben
nothwendig. Nun wird offenbar das schmiedbare Eisen, welches zur
Verarbeitung im Martinofen gelangt, allein kaum so viel Phosphor ent-
halten, dass deshalb eine besondere Entphosphorung nothwendig sein
könnte; für Verarbeitung phosphorhaltigen Roheisens auf phosphor-
armes Flusseisen aber giebt der unten besprochene Thomasprocess eine
weit ausgiebigere Gelegenheit.


Nur sehr vereinzelt hat deshalb dieses, überhaupt noch neue, Ver-
fahren bis jetzt Anwendung gefunden (Alexandrowsky in Russland,
Creusot in Frankreich).


Zur Bedienung der Martinöfen sind ausser einem Schmelzer an
jedem Ofen, welcher die Hauptarbeiten auszuführen hat, mehrere Hilfs-
arbeiter erforderlich, welche beim Einsetzen und Abstechen helfen, die
Gussformen aufstellen und wieder entfernen u. s. f., bei grösserem Be-
triebe aber für mehrere Oefen gemeinschaftlich thätig sein können. Der
Betrag der Löhne per 1000 kg fertiger Blöcke dürfte sich bei grösserem
Betriebe auf etwa 5 ℳ, bei kleinerem Betriebe auf 7—8 ℳ beziffern.


Ungefähr denselben Betrag wie die Löhne werden in den meisten
Fällen die Kosten für Reparaturen der Oefen, Gussformen u. s. w., kurz
alle jene Kosten, die man als Insgemeinkosten zu bezeichnen pflegt
(S. 561), erreichen.


Chemische Untersuchungen.

Gewöhnlich beschränkt man sich bei den chemischen Unter-
suchungen des Martinprocesses auf die Analyse des Einsatzes und
des fertigen Eisens. Der Unterschied in der Zusammensetzung ergiebt
die Menge der durch Oxydation ausgetretenen Körper.


In dieser Beziehung werden sich jedoch Abweichungen zeigen
können, nicht allein bedingt durch die Verschiedenheit der ursprüng-
lichen chemischen Zusammensetzung, sondern auch durch die ver-
Ledebur, Handbuch. 56
[874]Die Darstellung des Flusseisens.
schieden hohe Temperatur. Je höher die letztere schon beim Ein-
schmelzen ist, je weniger sie durch das Einsetzen der Eisenstücke
erniedrigt wird, desto stärker wird die Verbrennung sich auf den
Kohlenstoffgehalt werfen, desto mehr Mangan und insbesondere Silicium
werden im Bade zurückbleiben können.


Auf dem Martinwerke des Grazer Südbahnwalzwerkes wurden im
Jahre 1879 nach Lilienberg 1) Einsätze gegeben, bestehend aus 25.5 bis
28.7 Proc. Roheisen (grau), 42.5—63.7 Proc. alten Eisenbahnschienen,
8.2—26 Proc. Abfällen und schliesslich 2.5—3.4 Proc. Spiegeleisen,
deren chemische Zusammensetzung durchschnittlich folgende war:

Dagegen enthielten die dargestellten Gussblöcke:

Von dem Kohlenstoffgehalte wurde also 1 Proc. des Eisengewichtes
oder 77 Proc. des ursprünglichen Kohlenstoffgehaltes, von dem Mangan
0.9 Proc. oder 82 Proc. des ursprünglichen Mangangehaltes abgeschieden.


Zu bedauern ist, dass diese Untersuchungen nicht auch auf den
Siliciumgehalt des fertigen Eisens sowie auf die Zusammensetzung des
Eisenbades vor dem Spiegeleisenzusatze ausgedehnt wurden.


Eingehendere Untersuchungen wurden von Kollmann2) bei dem
Martinprocess der Gutehoffnungshütte zu Oberhausen angestellt. Man
verarbeitete Einsätze, bestehend aus: 400 kg grauem Roheisen mit
4.05 Proc. Kohlenstoff, 2.50 Proc. Silicium, 0.08 Proc. Phosphor, 0.02 Proc.
Schwefel, 3.5 Proc. Mangan; 3000 kg Flusseisenblockenden mit 0.23 Proc.
Kohlenstoff, 0.40 Proc. Silicium, 0.10 Proc. Phosphor, Spur Schwefel;
0.80 Proc. Mangan; 1000 kg Flusseisenblechabfällen mit 0.16 Proc.
Kohlenstoff, 0.20 Proc. Silicium, 0.10 Proc. Phosphor, Spur Schwefel,
0.50 Proc. Mangan; 600 kg Schweisseisenblechabfällen mit 0.03 Proc.
Kohlenstoff, 0.02 Proc. Phosphor, übrigens frei von anderen Körpern.
Das Gewicht des gesammten Einsatzes excl. des später hinzugefügten
Eisenmangans war demnach 5000 kg und die durchschnittliche Zu-
sammensetzung desselben:

Nach Verlauf von 7—8 Stunden nach dem Beginne des Einsetzens,
nachdem das Bad vollständig geschmolzen, auf die höchste Temperatur
erhitzt und in starkes Wallen gerathen war, ergab sich folgende Zu-
sammensetzung:

Es waren also von dem ursprünglichen Kohlenstoffgehalte 88 Proc.,
von dem Siliciumgehalte 69 Proc., von dem Mangangehalte fast 100 Proc.
[875]Der Martinprocess.
weggebrannt, während Phosphor und Schwefel keine Abminderung
erfahren hatten.


Die verhältnissmässig geringe Abminderung des Siliciumgehaltes
im Vergleiche zu der Abminderung des Kohlenstoffes und Mangans lässt
auf eine sehr hohe Endtemperatur im Ofen schliessen, bei welcher bekannt-
lich sogar Silicium aus dem quarzreichen Herdfutter reducirt werden
kann, falls Kohlenstoff oder Mangan als Reductionsmittel zugegen sind.


Nunmehr wurden 300 kg Moktaerze dem Bade zugesetzt und die
Zusammensetzung war alsdann:

Die Oxydation hat sich also, dem eigentlichen Zwecke des Zusatzes
in diesem Falle entsprechend, vorzugsweise auf den Siliciumgehalt ge-
worfen. Die durch den Zusatz bewirkte augenblickliche Abkühlung des
Bades wie die basische Beschaffenheit des Zusatzes geben eine aus-
reichende Erklärung hierfür.


Es folgte jetzt der Zusatz von 70 kg Eisenmangan mit 4.65 Proc.
Kohlenstoff, 0.14 Proc. Silicium, 0.20 Proc. Phosphor, Spur Schwefel,
60 Proc. Mangan. Fände keine chemische Einwirkung durch den im
Bade anwesenden Sauerstoffgehalt statt, so müsste die Zusammen-
setzung des Eisens sein:

Statt dessen ergab die Analyse folgende Zusammensetzung der gegosse-
nen Blöcke:

Hier also wirkte fast nur das Mangan als Desoxydationsmittel,
wie sich leicht aus der weit stärkeren Verdünnung des Kohlenstoffes
und Siliciums im Bade erklärt. 0.46 Proc. Mangan wurden verschlackt.


Bei dem mehrfach erwähnten basischen Verfahren in Alexandrowsky
betrug der Phosphorgehalt des Einsatzes 0.64—0.69 Proc., derjenige des
fertigen Martineisens 0.037—0.042 Proc. Etwa 0.60 Proc. Phosphor des
Eisengewichtes oder 93 Proc. des ursprünglichen Phosphorgehaltes
wurden demnach abgeschieden.


Die Schlacken des Martinprocesses werden, sofern man auf
quarzreichem Herde arbeitet, stets reichliche Mengen von Kieselsäure,
daneben vorwiegend Eisenoxydul- und Manganoxydul enthalten. Der
Manganoxydulgehalt der Schlacke wächst mit dem Mangangehalte des
Einsatzes; aber auch die Schlackenmenge wird bei grösserem Mangan-
gehalte beträchtlicher, da die grössere Menge Manganoxydul entsprechend
reichlichere Mengen Kieselsäure aus dem Ofenfutter auflöst. Die Folge
davon ist, dass der Procentgehalt der Schlacke an Eisen geringer aus-
fällt, wenn ein manganreiches Eisen verarbeitet wurde, als umgekehrt.


Aber auch der Kohlenstoffgehalt des fertigen Eisens und die Tempe-
ratur im Ofen sind für den Eisengehalt der Schlacke maassgebend. In
Rücksicht auf die reducirende Einwirkung des Kohlenstoffes auf Eisen-
56*
[876]Die Darstellung des Flusseisens.
oxydul und auf die Steigerung dieser Einwirkung mit zunehmender
Temperatur muss der Eisengehalt der Schlacke um so niedriger aus-
fallen, je kohlenstoffreicher das fertige Eisen und je heisser der Ofen ist.


Auch bei der Arbeit mit Erzen ist die Zusammensetzung der
Schlacke, insbesondere ihr Eisengehalt, nicht wesentlich anders als ohne
Erzzusatz. Das aus den Erzen unreducirt zurückbleibende Eisenoxydul
löst eben aus dem Herdfutter so viel Kieselsäure auf, bis die Zusam-
mensetzung der Schlacke mit der herrschenden Temperatur und dem
Kohlenstoffgehalte des erzeugten Eisens im Einklange steht.


Eisenoxyd (Fe2 O3), welches in den Schlacken des Herdfrisch- und
Puddelprocesses, wie früher besprochen wurde, in nicht ganz unbeträcht-
lichen Mengen aufzutreten pflegt, kann in den Schlacken des Martin-
ofens nur in unbedeutender Menge zugegen sein; und wenigstens zum
Theil wird das durch die Analyse nachgewiesene Eisenoxyd erst beim
Erkalten der Schlacke unter Einwirkung der äusseren Luft entstanden
sein. In der hohen Temperatur wie bei der stärkeren Verwandtschaft
der Kieselsäure zum Eisenoxydul ist das Eisenoxyd wenig beständig
und die reducirenden Einwirkungen des Kohlenstoff-, Silicium- und
Mangangehaltes im Eisen werden zu allererst die Umwandlung des
Oxydes zu Oxydul herbeiführen, falls solches überhaupt zugegen war.


Folgende Beispiele von Schlackenanalysen des Martinprocesses
werden das Gesagte veranschaulichen können. 1)


[877]Der Martinprocess.

Ueber die Zusammensetzung der Schlacken des basischen Martin-
processes sind bis jetzt keine Ermittelungen veröffentlicht. Es lässt
sich erwarten, dass diese Zusammensetzung derjenigen des unten
besprochenen basischen Bessemerprocesses (Thomasprocesses) ähnlich
sein wird.


Das Martineisen.

Wenn man bei der Einführung des Martinprocesses jedenfalls ur-
sprünglich das Ziel im Auge hatte, durch das Erzeugniss desselben
den weit kostspieligeren Tiegelgussstahl zu ersetzen, so lässt sich nicht
leugnen, dass jene Erwartungen zum Theile ihre Erfüllung gefunden
haben. Ebenso wenig aber darf man verkennen, dass es bislang nicht
möglich gewesen ist und voraussichtlich auch nicht möglich werden
wird, im Martinofen Stahl zu erzeugen, welcher dem besseren im Tiegel
dargestellten Stahle sich ganz ebenbürtig zur Seite stellen könnte. Die
Gründe hierfür wurden theilweise schon bei Besprechung der Eigen-
schaften des Tiegelgussstahles erörtert. Die Eigenthümlichkeiten des
Martinschmelzens, der in Rücksicht auf die stattfindende Oxydation
grössere Zusatz von Roheisen und der erforderliche spätere Zusatz von
Spiegeleisen machen es erklärlich, dass der Martinstahl bei gleichem
Kohlenstoffgehalte durchschnittlich mehr fremde und nachtheilig wirkende
Körper als der Tiegelgussstahl enthält; einen noch übleren Einfluss
hat jedenfalls der Umstand, dass das Metall des Martinofens, stunden-
lang auf offenem Herde der Einwirkung der vorüberziehenden Gase
preisgegeben, grössere Mengen derselben auflöst als der Tiegelgussstahl,
welche dann durch stärkere Blasenbildung beim Giessen in der mehr-
fach besprochenen Weise die gute Beschaffenheit des Stahles schmälern,
möglicherweise auch unmittelbar, indem sie theilweise mit dem Eisen
legirt bleiben (mit demselben fest werden), auf dessen Eigenschaften
einwirken.


Wenn daher der Tiegelgussstahl als Material für Werkzeuge und
dergleichen, überhaupt für solche Gegenstände, welche bei einem vor-
geschriebenen Härtegrade doch ein möglichst hohes Maass von Elasti-
cität und Zähigkeit besitzen sollen, kaum jemals durch das Metall des
Martinofens wird ersetzt werden können, so wurde er doch in der
Verwendung für gröbere Gegenstände vielfach durch letzteres verdrängt.
Es ist leicht erklärlich, dass der Ersatz des Tiegelgussstahles durch
Martinstahl um so leichter gelingen wird, je geringer der für einen
ins Auge gefassten Zweck erforderliche Kohlenstoffgehalt, je weniger
hart also das Metall sein soll. Einestheils verringert sich der nach-
theilige Einfluss der neben Kohlenstoff anwesenden Körper, besonders
des Phosphors, mit dem Kohlenstoffgehalte (S. 247); andererseits wächst
die Schwierigkeit der Herstellung mit abnehmendem Kohlenstoffgehalte
beim Tiegelgussstahle weit beträchtlicher als beim Martinstahle.


Für Eisenbahnradreifen, geschmiedete Maschinentheile aus unge-
schweisstem Materiale, u. s. f., überhaupt gröbere Gegenstände, welche
einen Kohlenstoffgehalt von 0.3—0.5 Proc. zu besitzen pflegen, und früher
aus Tiegelgussstahl hergestellt wurden, wendet man jetzt mit Vorliebe
den billigeren Martinstahl an. Ebenso bildet derselbe ein geschätztes
Material zur Herstellung von Eisenbahnschienen, eine Verwendung, für
[878]Die Darstellung des Flusseisens.
welche allerdings der Tiegelgussstahl kaum anders als ausnahmsweise
herangezogen worden ist.


Dass auch bei Herstellung von Formguss das Martinmetall bereits
Verwendung findet und zwar mit gutem Erfolge, sofern der Process
diesem Zwecke entsprechend geleitet wird, wurde schon oben erwähnt
(S. 871). Es lässt sich erwarten, dass auf diesem Gebiete der Tiegel-
gussstahl dereinst ziemlich vollständig verdrängt werden wird.


Ein sehr wichtiges Feld aber eroberte sich der Martinprocess,
nachdem es gelungen war, die Haltbarkeit der Oefen auch in sehr
hohen Temperaturen durch zweckmässige Wahl der Ofenbaumaterialien
und entsprechende Ofenconstruction zu dem erforderlichen Maasse zu
steigern: es ist dieses die Herstellung weicherer Eisensorten mit Kohlen-
stoffgehalten von 0.3 Proc. abwärts bis zu wenigen Hundertstel Pro-
centen. Aus dem über das Arbeitsverfahren und den Verlauf des
Processes Gesagten ergiebt sich, dass, sofern jener Bedingung einer
grossen Feuerbeständigkeit des Ofens genügt wird, die Herstellung
solchen kohlenstoffarmen, weichen Martineisens keine besondere Schwierig-
keit bietet. Man setzt den Process bis zur erforderlichen Entkohlung
fort und verwendet als sauerstoffentziehenden Zusatz eine möglichst
manganreiche Legirung, um mit dem zur Beseitigung des Sauerstoffes
erforderlichen Mangan möglichst wenig Kohlenstoff dem Bade zuzu-
führen.


Auf diesem Gebiete ist der Tiegelgussstahlprocess dem Martin-
processe weder vorausgegangen noch wird er demselben nachfolgen;
die schwierigere Erhitzung des Metalles in den Tiegeln setzt eben, wie
schon bei Besprechung des ersteren Processes erwähnt wurde, der Her-
stellung kohlenstoffärmeren Eisens im Tiegel eine Grenze, welche nicht
ohne sehr grosse Schwierigkeiten überschritten werden kann.


Dieses kohlenstoffarme Martineisen bildet bereits jetzt ein geschätztes
Material für alle solche Verwendungen, wo eine grössere Festigkeit, als
sie das Schweisseisen besitzt, wünschenswerth, eine Schweissung aber
nicht unbedingt erforderlich ist 1): für Nieteisen, Hufstabeisen, Wellen
und ähnliche Maschinentheile, Achsen, auch Drähte u. s. f.; auch bei
Herstellung von Blechen für den Schiffsbau, für Dampfkessel u. s. w.
besitzt jenes weiche Martineisen bereits eine hohe Bedeutung, und es
lässt sich erwarten, dass auch hier das Puddeleisen allmählich, wenn
auch noch nicht in kürzester Zeit, vollständig durch ersteres verdrängt
werden wird.


Aus dem früher Gesagten ergiebt sich, dass eine Regelung der
Zusammensetzung des Martineisens innerhalb sehr weiter Grenzen mög-
lich ist. Die chemische Zusammensetzung des Einsatzes wie die mehr
oder minder starke Oxydationswirkung beim Schmelzen, endlich die
Höhe der Temperatur im Ofen, bedingen die Zusammensetzung des
fertigen Metalles. Eine Mittheilung von Analysen an dieser Stelle würde
daher kaum irgend einen Nutzen haben können; um so weniger, als
schon sowohl bei Besprechung der Festigkeitseigenschaften des schmied-
baren Eisens als des Darstellungsverfahrens des Martineisens und der
[879]Der Bessemer- und der Thomasprocess.
chemischen Vorgänge dabei zu öfterem Analysen verschiedener Sorten
von Martineisen mitgetheilt wurden, auf welche hier verwiesen wer-
den kann.


9. Der Bessemer- und der Thomasprocess.


Einleitung.

Bei beiden in der Ueberschrift genannten Processen wird gepresste
Luft — Gebläsewind — durch flüssiges Roheisen geleitet, welches in
einem entsprechend geformten Behälter befindlich ist und vorher in
einem besonderen Apparate geschmolzen wurde (S. 597 ff.). Bei diesem
Hindurchleiten werden die fremden Bestandtheile des Roheisens, ins-
besondere Kohlenstoff, Silicium und Mangan, unter gewissen Bedin-
gungen auch Phosphor, oxydirt und das Roheisen in schmiedbares Eisen
umgewandelt.


Der Engländer Henry Bessemer nahm im Jahre 1855 ein Patent
auf das Hindurchblasen von Luft oder Dampf 1) durch flüssiges Roh-
eisen zur Umwandlung desselben in Stahl. Mehrere Jahre währte es,
bis die ersten nicht geringen Schwierigkeiten, welche sich der prakti-
schen Anwendung des Verfahrens entgegenstellten, glücklich über-
wunden waren; seit dem Beginn der sechziger Jahre aber fand das-
selbe rasch Eingang auf verschiedenen Werken und erreichte alsdann
bald eine Ausdehnung, welche es vollkommen ebenbürtig den älteren
Processen der Darstellung schmiedbaren Eisens zur Seite stellte und
vollständige Umwälzungen in der Eisenindustrie hervorbrachte.


Bessemer benutzt zur Ausfutterung seines für die Durchführung
des Processes bestimmten Apparates ein kieselsäurereiches Material. Die
bei dem Frischen entstehenden Oxyde haben demnach, ebenso wie im
Martinofen mit Quarzfutter, ausreichende Gelegenheit sich mit Kiesel-
säure zu sättigen; Phosphor wird aus diesem Grunde ebenso wenig
als in anderen Fällen, wo eine kieselsäurereiche Schlacke sich bilden
kann, abgeschieden. Um phosphorreines schmiedbares Eisen darzu-
stellen, ist man gezwungen, phosphorreines Roheisen zu verwenden.


Dieser Umstand bildet eine Erschwerung für die Anwendung des
Processes in solchen Gegenden, wo phosphorfreie Erze nicht vorhanden
sind. Grosse Mengen spanischer und afrikanischer Erze sind seit der
Einführung des Bessemerprocesses auf englischen, deutschen und fran-
zösischen Eisenwerken in Ermangelung eigener passender Erze ver-
hüttet worden, um daraus ein für jenen Process geeignetes phosphor-
armes Roheisen darzustellen.


Dass es möglich sein werde, eine Entphosphorung des Roheisens
beim Bessemern herbeizuführen, wenn es gelänge, durch basische Aus-
futterung des Apparates und Anwendung basischer Zuschläge eine
stark basische Schlacke zu bilden, war schon öfters als Vermuthung,
die durch Experimente im Kleinen gestützt wurde, ausgesprochen
[880]Die Darstellung des Flusseisens.
worden 1); die praktische Ausführung des Verfahrens im Grossen aber
scheiterte an der Schwierigkeit, ein basisches Futter herzustellen, welches
in der hohen Schmelztemperatur des flüssigen Eisens ausreichend halt-
bar ist. Eisenoxydreiche Schlacken, dieses bewährte Futter der Puddel-
ofenherde, sind für den Bessemerprocess, wo flüssiges schmiedbares
Eisen erzeugt werden soll, bei Weitem nicht haltbar genug; und die
stattfindende Reduction der Eisenoxyde durch Kohlenstoff würde eine
Abkühlung des Bades herbeiführen (vergl. die Erörterungen auf S. 222
bis 224).


Den Engländern Thomas und Gilchrist gelang es im Jahre 1878
durch Anwendung eines aus gebranntem Dolomit hergestellten Futters
(S. 141) für den Bessemerapparat und Zuschlag von gebranntem Kalk
zu dem flüssigen Eisen diese Schwierigkeiten zu überwinden. Die
ersten von Erfolg gekrönten Versuche im kleineren Maassstabe wurden
auf dem Blaenavon Eisenwerke in Wales ausgeführt; ihnen folgten
bald weitergehende Versuche in den Eston-Eisenwerken von Bolkow,
Vaughan \& Co. bei Middlesborough. Schon im Jahre 1879 wurde von
den deutschen Eisenwerken Hörde und Rheinische Stahlwerke bei
Ruhrort das Verfahren eingeführt und wesentlich vervollkommnet. Seit-
dem sind — besonders in Deutschland, Frankreich und Nordamerika
— zahlreiche Werke für den neuen Betrieb eingerichtet worden. Die
Erfahrung lehrte, dass die Entphosphorung vollständiger in dem Besse-
merapparate als im Puddelofen zu bewirken sei; phosphorreiche Roh-
eisensorten, welche in früherer Zeit nur in beschränktem Maasse Ver-
wendung finden konnten, erhielten durch das neue Verfahren erhöhte
Wichtigkeit.


Den Namen der Erfinder entsprechend pflegt man das allgemeine
Verfahren der Herstellung schmiedbaren Eisens vermittelst Hindurch-
leitens von Luft durch Roheisen als Bessemerprocess zu bezeichnen;
die Arbeit mit kieselsäurereichem Futter ohne Phosphorabscheidung
heisst der ältere oder saure Bessemerprocess; die Arbeit mit
basischem Futter zum Zwecke der Phosphorabscheidung der Thomas-
process
oder basische Bessemerprocess.


Die früher besprochene hier und da eingeführte Anwendung eines
basischen Futters für den Martinofen zum Zwecke der Entphosphorung
des Eisens wurde erst versucht, nachdem dieses Mittel beim Bessemern
sich so vorzüglich bewährt hatte. Die Gründe, weshalb der basische
Martinprocess niemals eine so hervorragende Bedeutung erlangen wird,
als der basische Bessemerprocess, liegen nahe und wurden bereits
früher erwähnt.


Damit der Process überhaupt möglich sei und damit flüssiges
schmiedbares Eisen aus demselben hervorgehe, ist es erforderlich, dass
die Temperatur des ursprünglich aus Roheisen bestehenden Eisenbades
während der Umwandlung desselben in schmiedbares Eisen nicht allein
nicht verringert, sondern sogar über die Erstarrungstemperatur des
[881]Der Bessemer- und der Thomasprocess.
letzteren hinaus, also gewöhnlich um mehrere hundert Grade gesteigert
werde. Fremder Brennstoff aber zur Erhitzung des Bades gelangt nicht
zur Anwendung; es ist also zur Durchführung des Bessemerprocesses
nothwendig, dass das Roheisen selbst eine ausreichende Menge solcher
Körper enthalte, welche bei ihrer Verbrennung die zur Hervorbringung
jener Temperatursteigerung erforderliche Wärmemenge entwickeln. Be-
fördert wird ausserdem die Erreichung jenes Zieles durch raschen Ver-
lauf des Processes und Verarbeitung grosser Eisenmengen mit einem
Male, so dass die stattfindenden Wärmeverluste durch Ausstrahlung u. s. w.
verhältnissmässig unbedeutend ausfallen; endlich auch, wie sich von
selbst versteht, durch starke vorausgehende Ueberhitzung des Roheisens
beim Schmelzen.


Mit einiger Annäherung lässt sich durch Rechnung ermitteln, wie
die einzelnen der Verbrennung unterworfenen Bestandtheile des Roh-
eisens sich hinsichtlich der erforderlichen Temperatursteigerung ver-
halten. Zur Verbrennung dient atmosphärische Luft; jedes Gewichts-
theil Sauerstoff, welcher die Verbrennung bewirkt, führt demnach
3.35 Gewichtstheile Stickstoff als Ballast mit. Dieser Stickstoff sowohl
als das entstehende Verbrennungserzeugniss (Kieselsäure, Manganoxydul,
Eisenoxydul, Kohlenoxyd, Phosphorsäure) müssen auf die Temperatur
des Eisenbades erwärmt werden und gebrauchen dazu einen bestimmten
Theil der entwickelten Wärme, welche sich ergiebt aus ihrem Eigen-
gewichte mal ihrer specifischen Wärme mal der Temperatur des Eisen-
bades; der noch übrig bleibende Rest der entwickelten Wärme kommt
dem Eisenbade zu Gute und steigert dessen Temperatur um Grade,
in welcher Formel W die an die Gewichtseinheit Eisen abgegebene
Wärme, s die specifische Wärme des flüssigen Eisens bedeutet. 1) Ist —
wie bei dem basischen Process — eine grössere Menge Schlacke zugegen,
so nimmt auch diese Wärme auf und die Temperatursteigerung fällt
entsprechend geringer aus; in Folgendem, wo es sich vorwiegend um
einen Vergleich des Einflusses handelt, den die verschiedenen Körper
bei ihrer Verbrennung auf die Temperatur des Eisenbades ausüben,
ist die von der Schlacke aufgenommene Wärme jedoch unberücksichtigt
geblieben. Auch diejenige Wärme, welche bei der stattfindenden Zer-
legung der Eisenlegirungen verbraucht und welche andererseits bei der
Neubildung von Silikaten und Phosphaten frei wird, konnte, da sie
nicht bekannt ist, nicht in Rechnung gezogen werden; und ebenso musste
die sogenannte latente oder Schmelzungswärme der im flüssigen
Zustande befindlichen und verbrennenden Körper als nur theilweise
bekannt vernachlässigt werden. 2)


Bei der Verbrennung des Eisens zu Eisenoxydul werden
[882]Die Darstellung des Flusseisens.
(nach S. 22) 1352 W.-E. per 1 kg Eisen entwickelt. Die Verbrennungs-
erzeugnisse sind 1.28 kg Eisenoxydul, dessen specifische Wärme zu 0.20
angenommen werden kann, und 0.94 kg Stickstoff mit der specifischen
Wärme 0.25. Demnach nehmen die Verbrennungserzeugnisse, wenn t
die Temperatur ist, welche das Eisenbad besitzt, eine Wärmemenge
auf = (1.28 . 0.20 + 0.94 . 0.25) t = 0.491 t. Zu der durch Verbren-
nung entwickelten Wärme kommt diejenige Wärme, welche der ver-
brennende Körper schon vorher besass, d. i., wenn man die durch-
schnittliche specifische Wärme des Eisens zwischen Null und t Grad
zu 0.18 annimmt, 0.18 t; es ist also die gesammte dem Eisenbade durch
Verbrennung von 1 kg Eisen zu Gute kommende Wärme W = 1352 +
0.18 t — 0.491 t = 1352—0.311 t. Betrug z. B. die Temperatur t des
Eisenbades 1500 Grad, so ist W = 886 W.-E. für jedes Kilogramm
verbrennenden Eisens; setzt man die specifische Wärme des Eisens bei
1500 Grad = 0.20, so ist die durch ein Procent verbrennenden
Eisens hervorgerufene Temperatursteigerung = 44 Grad. Sie ist
also keinesfalls sehr beträchtlich und das verbrennende Eisen allein
würde nicht im Stande sein, die zur Durchführung des Processes er-
forderliche Temperatursteigerung hervorzubringen.


Etwas beträchtlicher ist der Einfluss des Mangans. Bei der Ver-
brennung desselben entsteht grösstentheils Manganoxydul, dessen speci-
fische Wärme ebenfalls, wie die des Eisenoxyduls = 0.20 angenommen
werden möge 1); und 1 kg metallisches Mangan liefert 1.29 kg Mangan-
oxydul, wobei 0.97 kg Stickstoff mit erhitzt werden müssen. Setzt man
die specifische Wärme des metallischen Mangans wie die des Eisens
= 0.18, und die Verbrennungswärme nach S. 23 = 2000 W.-E., so
ist die gesammte für die Temperatursteigerung frei werdende Wärme
W = 2000 + 0.18 t — (1.29 . 0.20 + 0.97 . 0.25) t = 2000—0.42 t. Bei
einer Temperatur des Eisenbades = 1500 Grad würde W = 1370 W.-E.
und die durch 1 Proc. verbrennenden Mangans hervorgebrachte Tempe-
ratursteigerung = 69 Grade sein.


Kohlenstoff wird, wie die unten mitgetheilten Gasanalysen
(vergl. Chemische Untersuchungen) lehren und wie es die hohe Tempe-
ratur des Eisenbades als selbstverständlich erscheinen lässt, fast nur
zu Kohlenoxyd verbrannt. 1 kg fester Kohlenstoff entwickelt hierbei
2473 W.-E. Die Verbrennungswärme des flüssigen Kohlenstoffes ist,
wie schon erwähnt wurde, unbekannt.


Die Verbrennungserzeugnisse sind 2.33 kg Kohlenoxyd mit der spe-
cifischen Wärme 0.25 und 4.47 kg Stickstoff, ebenfalls mit der specifischen
Wärme = 0.25. Setzt man endlich die specifische Wärme des unver-
brannten Kohlenstoffes in hoher Temperatur = 0.25, so erhält man die
dem Bade durch Verbrennung von 1 kg Kohlenstoff zu Gute kommende
Wärme W = 2473 + 0.25 t — (2.33 . 0.25 + 4.47 . 0.25) t = 2473
— 1.45 t.


Bei 1500 Grad Temperatur des Eisenbades ist mithin W = 298
und die Temperatursteigerung, welche durch 1 Proc. verbrennender
[883]Der Bessemer- und der Thomasprocess.
Kohle hervorgebracht wird, nur etwa 6 Grade. Es ist leicht zu erkennen,
dass mit der Zunahme von t, d. i. der Temperatur, welche das Eisen-
bad schon besitzt, die durch Verbrennung der Kohle hervorgebrachte
Steigerung derselben immer geringer und schliesslich negativ wird,
d. h. dass die Verbrennungserzeugnisse mehr Wärme gebrauchen, um
auf die Temperatur des Bades erhitzt zu werden, als die Verbrennung
liefert; die Temperatur des Bades muss also in diesem Falle
bei Verbrennung des Kohlenstoffes abnehmen
. Unter Vor-
aussetzung, dass die oben angenommenen Ziffern die Verbrennungs-
wärme des Kohlenstoffes, die specifische Wärme des Kohlenoxydes und
Stickstoffes genau richtig und auch in höheren Temperaturen unver-
änderlich wären, würde jener Zeitpunkt in einer Temperatur von etwa
1700 Graden eintreten; in jedem Falle aber liefert die obige
Rechnung das für die Beurtheilung des Bessemerprocesses
wichtige und durch die Beobachtungen der Praxis be-
stätigte Ergebniss, dass die Verbrennung des Kohlen-
stoffes im Roheisen nicht im Stande ist, wesentliche Tempe-
raturänderungen im Eisenbade hervorzubringen
. Auch wenn
man für die Verbrennungswärme des flüssigen Kohlenstoffes eine erheb-
lich höhere Ziffer annehmen wollte, würde sich immerhin nur eine ver-
hältnissmässig geringe Temperatursteigerung durch die Verbrennung des
Kohlenstoffes ergeben. 1)


1 kg Silicium entwickelt bei der Verbrennung zu 2.14 kg Kiesel-
säure 7830 W.-E. (S. 23), wobei durch den erforderlichen Sauerstoff
3.82 kg Stickstoff mitgeführt werden. Die specifische Wärme des Siliciums
in hoher Temperatur kann = 0.18, die der Kieselsäure = 0.19 an-
genommen werden. Es ist alsdann W = 7830 + 0.18 t — (2.14 . 0.19
+ 3.82 . 0.25) t = 7830—1.18 t. Bei 1500° ist mithin W = 6060 W.-E.;
und die durch 1 Proc. verbrennenden Siliciums hervorgerufene Tem-
peratursteigerung etwa 300 Grad C. Auch wenn diese Ziffer wegen
der mehrfach erwähnten Ungenauigkeit der Werthe für specifische
Wärme u. s. w. etwas zu hoch sein sollte, so ergiebt sich doch aus
der Berechnung mit Sicherheit, dass, wie die Praxis längst bestätigt
hat, schon kleine Mengen Silicium ausreichend sind, durch ihre Ver-
brennung bedeutende Temperatursteigerungen des Eisenbades hervorzu-
bringen.


Für die Beurtheilung des Thomasprocesses endlich ist auch das
calorische Verhalten des Phosphors wichtig. 1 kg Phosphor entwickelt
bei seiner Verbrennung zu 2.29 kg Phosphorsäureanhydrid 5760 W.-E.,
wobei 4.00 Gewichtstheile Stickstoff mit erhitzt werden. Die specifische
Wärme des Phosphors kann = 0.18, diejenige der Phosphorsäure = 0.25
angenommen werden. Es ist demnach W = 5760 + 0.18 t — (2.29 . 0.25
+ 4.00 . 0.25) t = 5760—1.39 t. Bei einer Temperatur des Eisenbades
von 1500 Grad ergiebt sich W = 3675 W.-E.; und die durch 1 Proc.
Phosphor hervorgerufene Temperatursteigerung = 183 Grad C.


[884]Die Darstellung des Flusseisens.

Die vorstehenden Berechnungen liefern den Beweis, dass unter den
verschiedenen der Oxydation beim Frischen unterworfenen Bestand-
theilen des Bessemerprocesses im Wesentlichen nur zwei befähigt sind,
als Brennstoffe zu dienen, d. h. durch ihre Verbrennung die zur Er-
zeugung von Flusseisen nothwendige Temperatursteigerung hervorzu-
bringen; es sind dieses Silicium und Phosphor.


Es erklärt sich hieraus, dass bei dem sauren Processe,
wo Phosphor überhaupt nicht verbrennt, nur ein silicium-
haltiges — also ein graues — Roheisen Verwendung finden
kann
; und zwar muss der Siliciumgehalt, je nachdem das Roheisen
vor dem Beginne des Frischens stark oder weniger stark über seinen
Schmelzpunkt erhitzt war, und je nachdem man das Frischen nur bis
zur Ausscheidung eines Theils des Kohlenstoffes oder bis zur annähernd
vollständigen Entkohlung ausdehnen will (in welchem Falle die Schmelz-
temperatur des dargestellten Eisens entsprechend höher liegt), minde-
stens 1 Proc., häufiger 1.5—2 Proc. betragen. Auch noch silicium-
reichere Roheisensorten (bis 2.5 Proc.) kommen mitunter zur Anwendung.
Die Unkenntniss dieser Aufgabe des Siliciums beim Bessemern hat in
der ersten Zeit nach der Erfindung des Processes manchen Misserfolg
herbeigeführt.


Unterstützt wird die Wirkung des Siliciumgehaltes durch einen
neben demselben anwesenden Mangangehalt; aber ein vollständiger
Ersatz des ersteren durch Mangan ist nicht möglich, wie die oben
mitgetheilten Ziffern sowohl als die Erfahrungen der Praxis lehren.


Bei dem basischen Processe dagegen bildet auch der Phosphor ein
Brennmaterial von hoher Wärmeleistung; 1.6 Gewichtstheile Phosphor
rufen gleiche Temperatursteigerungen hervor wie 1 Thl. Silicium, ein Um-
stand, auf den sofort nach Erfindung dieses Processes v. Ehrenwerth
aufmerksam machte.1)Man ist also bei dem basischen Processe
im Stande, ein siliciumärmeres, weisses oder schwach hal-
birtes Roheisen zu verarbeiten, sofern sein Phosphorgehalt
hoch genug ist
. Dieser Umstand ist von nicht geringer Wichtigkeit.
Wie aus den Darlegungen in Abth. II der Eisenhüttenkunde sich ergiebt,
ist die Darstellung eines siliciumreichen Roheisens kostspieliger als die
eines siliciumarmen; die Darstellung phosphorreichen Roheisens dagegen
bietet keine Schwierigkeit. Je siliciumärmer aber das Roheisen ist,
desto phosphorreicher kann dasselbe sein, ohne dass die Entphosphorung
behindert wird; der mehrfach geschilderte Einfluss, welchen ein Kiesel-
säuregehalt der Schlacke auf das Verhalten des Phosphors ausübt,
liefert die Erklärung hierfür. Es zeigt sich somit bei dem basischen
Bessemerprocesse die interessante Erscheinung, dass, während bei allen
anderen Processen der Darstellung schmiedbaren Eisens ein möglichst
geringer Phosphorgehalt des als Material dienenden Roheisens wün-
schenswerth und für die gute Beschaffenheit des Enderzeugnisses noth-
wendig ist, hier der Verlauf des Processes sogar gefördert wird, wenn der
Phosphorgehalt des Roheisens nicht allzu gering ist. Die später mitgetheil-
ten chemischen Untersuchungen liefern verschiedene Beispiele dafür, wie
[885]Der Bessemer- und der Thomasprocess.
das gegenseitige Verhältniss von Phosphor und Silicium im Roheisen
gewählt wird. Selten verarbeitet man Roheisensorten mit erheblich
weniger als 2 Proc. Phosphor; häufig enthalten sie über 3 Proc.


Dennoch würde der Phosphor die soeben geschilderte Rolle, als
Brennstoff beim basischen Bessemerprocess zu dienen und das Silicium
entbehrlich zu machen, nicht erfüllen können, wenn er nicht zugleich
die Eigenschaft besässe, die Schmelztemperatur des Eisens bedeutend
zu erniedrigen, also in dieser Beziehung ebenso wie Kohlenstoff zu
wirken. Bei Verarbeitung eines siliciumreichen Roheisens verbrennt
ein grosser Theil des Siliciums schon im Anfange des Processes, die
Temperatur des Bades steigt dadurch sofort und erreicht schon, ehe
der Kohlenstoff ausgetreten ist, rasch diejenige Höhe, welche erforder-
lich ist, das entstehende schmiedbare Eisen flüssig zu erhalten. Phos-
phor aber verbrennt gemäss seinem früher geschilderten Verhalten gegen-
über Kohlenstoff und Eisen (S. 245, 283) zum grössten Theile erst
dann, nachdem der grösste Theil des Kohlenstoffes ausgetreten ist. Das
Eisen würde also vor der Verbrennung des Phosphors dickflüssig oder
gar starr werden, wenn bei der Kohlenstoffverbrennung die Schmelz-
temperatur des Eisens in demselben Maasse stiege als bei phosphor-
freiem Eisen. Auch in dieser Beziehung kann ein hoher Phosphorgehalt
nur wohlthätig wirken.


Wie schon oben erwähnt wurde, wird die Erreichung der zur
Durchführung des Processes erforderlichen Temperatur durch Ver-
arbeitung grosser Roheisenmengen mit einem Male und thunlichste Be-
schleunigung des Processes befördert. Die Grösse der zu verarbeitenden
Eisensätze hängt beim Bessemerprocesse im Wesentlichen nur ab von
dem Fassungsraume des Apparates und der Leistungsfähigkeit des Ge-
bläses, welches den Wind auf die zum Durchdringen des Eisenbades
erforderliche Spannung zu verdichten hat; jene Beeinträchtigung der
Gleichförmigkeit des Erzeugnisses, welche bei anderen Processen die
Verarbeitung grösserer Einsätze erschwert, fällt hier weg, da das
erzeugte Eisen flüssig ist und durch den Wind selbst in stets erneuerter
Mischung erhalten wird. Daher verarbeitet man in der Jetztzeit selten
kleinere Einsätze als 5 t; häufiger 6—8 t, in einzelnen Fällen 10 t.


Die Zeitdauer des Processes aber ist abhängig von der Menge
des zugeführten Windes. Man regelt sie nach der Beschaffenheit des
zur Verwendung stehenden Roheisens; sehr siliciumreiches Roheisen,
welches schon im Anfange eine rasche Temperatursteigerung erfährt,
wird im Allgemeinen langsamer, siliciumarmes rascher verarbeitet werden
müssen. In den meisten Fällen schwankt die Zeitdauer der Verarbeitung
zwischen 10—20 Minuten.


Kein anderer metallurgischer Process ist im Stande, in so kurzer
Zeit die Verarbeitung so gewaltiger Massen von Metall zu ermöglichen.


Die stets erneuerte Berührung des Metalles mit freiem Sauerstoff
begünstigt beim Bessemerprocesse weit mehr noch als beim Martin-
processe die Aufnahme von Sauerstoff. Daher pflegt man auch hier
nach Beendigung des Blasens einen Mangan-, beziehentlich Silicium-
[886]Die Darstellung des Flusseisens.
manganzusatz zu geben, und gerade beim Bessemerprocesse ist die
Wirkung dieses Mittels zuerst erprobt worden, um dann erst auf den
Martinprocess übertragen zu werden. 1)Nothwendig ist ein solcher
Zusatz in allen den Fällen, wo das Blasen soweit fortgesetzt war, dass
nur noch wenig Kohlenstoff im Bade zurückblieb; als zweckmässig
hat er sich verschiedentlich auch da bewährt, wo man, um unmittelbar
kohlenstoffreichere Eisensorten darzustellen, das Blasen unterbrach, sobald
der ursprüngliche Kohlenstoffgehalt auf das verlangte Maass abgemindert
worden war. Dass schon neben Kohlenstoff Sauerstoff im Bade vor-
kommen kann und dass die Einwirkung der beiden Körper auf ein-
ander um so mehr verlangsamt, je mehr durch diese Einwirkung ihre
Gewichtsmengen verringert werden, wurde schon mehrfach hervor-
gehoben.


Je nachdem man zur Beseitigung des Sauerstoffgehaltes grössere
Mengen einer manganärmeren Legirung oder kleinere Mengen einer
manganreicheren Legirung anwendet, also mehr oder weniger Kohlen-
stoff dem Bade zuführt, hat man es auch hier, wie beim Martinprocesse,
in der Hand, den Kohlenstoffgehalt desselben nach Belieben anzureichern,
wenn die Entkohlung weiter fortgeführt sein sollte, als dem Zwecke
des fertigen Metalles entspricht.


Der Bessemerapparat.

Allgemeine Einrichtung.

In der ersten Zeit nach Erfindung des Bessemerns benutzte man
einen Apparat, in seiner äussern Form einem Cupolofen nicht unähn-
lich, oben mit einem schräg stehenden Halse versehen, durch welchen
die Gase entweichen konnten. Das geschmolzene Roheisen wurde durch
eine seitliche, in entsprechender Höhe angebrachte verschliessbare Oeff-
nung eingefüllt; der Wind strömte durch eine Anzahl Düsen in den
Ofen, welche rings herum am Umfange dicht über dem Boden angebracht
waren. Die Entleerung erfolgte durch Oeffnung eines Stichloches wie
bei Cupolöfen.


Eine solche Einrichtung besitzt mancherlei Nachtheile. Ist das
Bad durch irgend einen Zufall nicht heiss genug, so versetzt sich das
Stichloch, und da eine Erhitzung von innen nicht möglich ist, kann
eine vollständige Erstarrung des Metalles eintreten. Ebenso kann es
geschehen, dass die Düsen verstopft werden; endlich ist die Reparatur
des Ofens umständlich und zeitraubend.


Aus diesen Gründen hat man ziemlich überall diese ursprüng-
liche Einrichtung aufgegeben und wendet Bessemerapparate an, deren
Anordnung von Bessemer selbst sehr bald nach der Erfindung des
Processes eingeführt wurde und im Wesentlichen bis heute unver-
ändert geblieben ist. Die wichtigste Eigenthümlichkeit derselben besteht
darin, dass sie mit zwei horizontalen Drehungszapfen aufgehängt sind
und mit Hilfe einer maschinellen Vorrichtung um diese Zapfen gedreht
werden können, um gefüllt beziehentlich entleert zu werden.


[][]
[figure]
[]
[figure]
[][887]Der Bessemer- und der Thomasprocess.

Man pflegt sie ihrer birnenähnlichen Form halber Bessemer-
birnen
oder in Rücksicht auf die eben erwähnte, ein Umkippen ermög-
lichende Eigenthümlichkeit mit dem englischen Ausdrucke Converter
zu bezeichnen.


Die Abbildungen Fig. 256—258 lassen die Einrichtung einer neueren
Bessemerbirne erkennen. Sie besteht aus einem schmiedeeisernen Mantel
mit feuerfestem Futter — kieselsäurereichem oder basischem Futter,
je nach der Art des Processes — und ist in vier Theile zerlegbar,
welche die Haube (a), das Mittelstück (b) und das Bodenstück (c)
mit dem Boden (d) genannt werden. Mitunter auch werden Mittel- und
Bodenstück in eins gefertigt, der Boden aber bildet bei allen neueren
Birnen ein selbständiges Stück.


Die Haube läuft nach oben in einen verengten Hals aus, dessen
Mündung eine solche Stellung haben muss, dass beim Kochen des
Metalles möglichst wenig desselben herausgeschleudert werden kann.
Man bringt sie deshalb nicht in der Mitte der
Birne, sondern seitlich an; bei älteren Birnen
findet man oft sogar zur stärkeren Ausbildung
des Halses eine Einkehlung unterhalb desselben,
so dass die Birne das in Fig. 259 dargestellte
Profil erhält, eine Einrichtung, welche die Her-
stellung des Mantels wie des Futters unnöthiger-
weise erschwert. In jedem Falle muss die Mün-
dung so angebracht sein, dass man, wenn die
Birne auf dem Rücken liegt 1), die Achse der-
selben also wagerechte Stellung angenommen
hat, im Stande ist, durch die Mündung den
Boden zu sehen, um etwaige Beschädigungen
desselben, Verstopfungen der Windeinströmungen
u. s. w. wahrnehmen zu können.


An dem Mittelstücke ist ein kräftiger Ring
befestigt, an welchem sich die beiden einander

Figure 191. Fig. 259.


gegenüberstehenden, zum Tragen und Kippen der Birne dienenden
Zapfen befinden. Der Ring ist bei älteren Birnen häufig geschmiedet,
bei neueren gewöhnlich aus Gusseisen oder Stahl gegossen und zwar
mit den Zapfen in einem einzigen Stücke. Beide Zapfen ruhen in
gewöhnlichen, entsprechend stark gebauten Lagern. Auf dem einen
Zapfen (dem linken Zapfen in Fig. 256) ist ein Getriebe befestigt,
durch dessen Vermittelung die Drehung beim Kippen und Wiederauf-
richten der Birne übertragen wird. Zur Ausführung dieser Bewegung
benutzt man bei einzelnen Anlagen eine kleine mit Umsteuerungs-
mechanismus versehene Dampfmaschine, von welcher eine mit dem
erwähnten Getriebe im Eingriffe stehende Schnecke betrieben wird;
häufiger benutzt man einen hydraulischen Presscylinder, dessen Kolben
eine jenes Getriebe erfassende Zahnstange vor- oder rückwärts bewegt,
je nachdem Druckwasser vom Accumulator (S. 835) vor oder hinter
den Kolben geleitet wird. Diese Einrichtung, welche sich überall da,
[888]Die Darstellung des Flusseisens.
wo Druckwasser zur Verfügung steht, durch Einfachheit vor der An-
wendung einer Dampfmaschine auszeichnet, ist auch bei der abgebildeten
Birne benutzt. Die Achse des in der Abbildung nicht erkennbaren
Presscylinders steht senkrecht und die Zahnstange wird demnach eben-
falls senkrecht bewegt; häufig auch findet man einen liegenden Cylinder
mit wagerechter Bewegung der Zahnstange. Letztere Anordnung giebt,
wenn die Zahnstange unter dem Rade mit nach oben gerichteten Zähnen
angebracht ist, leichter Veranlassung zu Zahnbrüchen durch Eisen-
oder Schlackentheile, welche beim Kochen des Metalles herausgeschleu-
dert wurden und zwischen die Zähne geriethen.


Von dem zweiten Zapfen aus wird der Gebläsewind nach dem
Boden der Birne geleitet. Zu diesem Zwecke ist derselbe hohl und
durch eine Stopfbüchse mit dem Windzuleitungsrohre verbunden, so
dass die Drehung der Birne vor sich gehen kann, ohne dass die Wind-
zuströmung unterbrochen zu werden braucht. Fig. 256 lässt diese Ein-
richtung erkennen.


Der Boden d wird von einer Gusseisenplatte getragen, unterhalb
welcher der Windkasten d sich befindet. Derselbe steht, wie in Fig. 256
ersichtlich ist, durch ein gekrümmtes Rohr mit dem Windzapfen und
der Windleitung in Verbindung und hat die Aufgabe, die Vertheilung
des Windes zu bewirken, welcher von hier aus durch zahlreiche, durch
den Boden hindurchgehende Oeffnungen in das Innere der Birne ge-
langt. An der Unterseite ist der Windkasten durch eine Eisenplatte
geschlossen, welche sich leicht entfernen lassen muss, damit man nöthigen-
falls von aussen zu den Windöffnungen gelangen kann, falls diese ver-
stopft sein sollten. Die Windeinströmungen sind entweder, wie bei der
abgebildeten Birne, gleichmässig im Boden vertheilt; oder sie befinden

Figure 192. Fig. 260.


sich in einzelnen — gewöhnlich 13—17 — aus feuer-
festem Thone besonders gefertigten Einsatzstücken —
Formen oder Feren genannt —, deren jedes 7—12
durchgehende Oeffnungen zu enthalten pflegt. Fig. 260
zeigt eine solche Fere innerhalb des Bodens; sämmt-
liche Feren mit Ausnahme einer, welche in der Mitte
steht, werden im Kreise angeordnet. Letztere Ein-
richtung, welche die ältere und jetzt noch gebräuch-
lichere ist, hat den Vortheil, dass die Feren in Rück-
sicht auf die besonders in der Umgebung der Wind-
einströmungsöffnungen stattfindende stärkere Abnutzung
des Bodens mit besonderer Vorsicht aus erprobtem
Materiale gefertigt und vor der Benutzung gebrannt
werden können; erstere, durch von Lilienstern eingeführte Einrich-
tung gewährt den Vortheil einer gleichmässigeren Windvertheilung und
hat sich bei vorsichtiger Herstellung des Bodens auch als haltbar genug
erwiesen.


Abmessungen.

Die cylindrische Form des Mitteltheiles der Birne entspricht, wie
schon bei anderen Gelegenheiten verschiedentlich hervorgehoben wurde,
am besten der Aufgabe, die Wärmeverluste durch Ausstrahlung auf
ein möglichst kleines Maass zu ermässigen; die Verengung des Halses
[889]Der Bessemer- und der Thomasprocess.
und die Anbringung der Halsöffnung an der Seite soll, wie oben
erwähnt wurde, das Herausschleudern von flüssigem Eisen erschweren. 1)


Wenn die Birne auf den Rücken gelegt, d. h. in wagerechte Lage
gebracht ist, müssen die Windöffnungen sich vollständig frei oberhalb
des flüssigen Eisens befinden, damit dieses nicht in dieselben eintreten
kann; aus diesem Grunde ist der Boden kleiner im Durchmesser als
das Mittelstück, und als vermittelndes Glied ist das kesselförmige
Bodenstück eingeschaltet.


Bei grossem Durchmesser einer Birne von vorgeschriebenem In-
halte ist natürlicherweise die Höhe des flüssigen Metalles in derselben
geringer als bei kleinerem Durchmesser; mit dieser Höhe aber steht
die erforderliche Spannung des Windes, welcher den Druck des Metalles
zu überwinden hat, und die erforderliche Arbeitsleistung des Ge-
bläses in geradem Verhältnisse. Eine zu geringe Höhe des Metalles
würde dagegen zur Folge haben, dass ein Theil des eingeblasenen
Sauerstoffes unverbraucht durch dasselbe hindurchgeht, die Arbeit
des Gebläses also ungünstig ausgenutzt und das Frischen verlang-
samt wird.


In jedem Falle muss die Gesammthöhe der Birne beträchtlich
genug sein, um dem Metalle bei dem stattfindenden heftigen Aufkochen
ausreichenden Raum zu gewähren und andererseits beim Kippen auf
den Rücken demselben eine hinlängliche Ausbreitung zu ermöglichen,
damit die Windöffnungen frei werden.


Gewöhnlich beträgt die äussere Höhe der Birne für 5—6 t Inhalt
von der Oberkante des Windkastens bis zur höchsten Stelle des Blech-
mantels an der Mündung gemessen annähernd 4 m oder etwas dar-
über; Birnen für 8 t Inhalt giebt man eine Höhe bis zu 4.5 m, für 10 t
Inhalt bis zu 5 m.


Der innere Durchmesser des Mittelstückes pflegt bei Birnen für
5 t Inhalt etwa 1.7 m zu betragen und sich am Boden auf 0.85—0.9 m
zusammenzuziehen. Birnen für 6 t Inhalt haben einen inneren Durch-
messer von 1.8—2 m in der Mitte und 1—1.2 m am Boden; sehr
grosse Birnen sind in der Mitte bis zu 2.7 m weit bei 1.3—1.5 m Boden-
durchmesser.


Die Stärke des feuerfesten Futters ist im Boden, welcher am rasche-
sten abgenutzt wird, am bedeutendsten; überdies bei Birnen für den
basischen Process gewöhnlich grösser als bei solchen für den sauren
Process. Den Böden für den sauren Process pflegt man 0.4—0.5 m
Höhe zu geben, für den basischen Process 0.55—0.65 m. Im Mittel-
stücke dagegen giebt man dem Futter Wandstärken von 0.2—0.3 m,
wenn es für den sauren Process bestimmt ist, 0.35—0.45 m für den
basischen Process. Nach der Mündung kann das Futter allmählich
schwächer werden.


Der äussere Durchmesser der meisten Birnen für 5—6 t Inhalt
pflegt daher 2.2—2.4 m zu sein, wenn sie für den sauren, 2.6—3 m,
Ledebur, Handbuch. 57
[890]Die Darstellung des Flusseisens.
wenn sie für den basischen Process bestimmt sind. Bei den Birnen
für 10 t Inhalt beträgt der äussere Durchmesser etwa 3.5 m.


Die Halsmündung ist gewöhnlich 0.55—0.70 m im Lichten weit;
ein allzu geringer Durchmesser kann besonders beim basischen Pro-
cesse leicht eine Verstopfung durch emporgeworfene Schlacken zur
Folge haben. Die Höhe der Haube pflegt 1.5—1.6 m zu betragen.


Der Durchmesser der im Boden befindlichen Windeinströmungs-
öffnungen pflegt 10—20 mm zu betragen; ihre Zahl schwankt von
40 in solchen Fällen, wo sie gleichmässig vertheilt sind, bis 150 bei
Anwendung besonderer Feren. Ihr Gesammtquerschnitt per Tonne des
zu verarbeitenden Roheisens beträgt bei neueren Anlagen gewöhnlich
nicht weniger als 15 qcm und steigt bei Verarbeitung siliciumarmer
Roheisensorten, insbesondere auch beim basischen Processe, mitunter
auf 25 qcm, so dass als durchschnittliches Maass hierfür 20 qcm an-
genommen werden kann.


Herstellung des Futters.

Wie bei Oefen für andere Zwecke kann man das Futter ent-
weder aus fertig gebrannten Ziegeln mauern oder aus Masse stampfen.
Letzteres Verfahren, obschon etwas zeitraubender als das erste, dürfte
doch in der Jetztzeit das am häufigsten angewendete sein und hat auch
bei den Birnen für den basischen Process jenes Ausmauern vielfach
verdrängt.


Da der Boden durchschnittlich nicht länger als für die Verarbeitung
von 14 Einsätzen aushält, mitunter schon noch früher schadhaft wird,
das Futter der übrigen Theile dagegen 80—100 Einsätze auszudauern
pflegt, ehe es einer grösseren Reparatur bedarf 1), so ist es nothwendig
oder doch zweckmässig, dass der Boden als selbständiges Stück gefertigt
und zum Auswechseln eingerichtet werde.


Zur Herstellung des Futters für den sauren Process benutzt man
mit Vorliebe einen feuerfesten, etwas thonhaltigen Sandstein, welcher u. a.
in geeigneter Beschaffenheit in der Umgegend von Sheffield sowie bei
Düsseldorf gefunden wird und den man mit einer aus dem Englischen
überkommenen Bezeichnung Ganister zu benennen pflegt. Man mahlt
denselben, und mischt ihn nach Erforderniss mit noch etwas feuer-
festem Thon, um ihm die erforderliche Bildsamkeit zu geben, und
mit möglichst wenig Wasser, um nun entweder die zum Ausmauern
der Birne bestimmten Formsteine oder unmittelbar, wie bei der auf
S. 356 beschriebenen Massezustellung eines Hochofens, das Birnen-
futter selbst daraus durch Einstampfen herzustellen. Im Uebrigen muss
sich die Wahl des Materiales natürlich auch nach lokalen Verhält-
nissen richten.


Für den basischen Process benutzt man am häufigsten gebrannten
magnesiahaltigen Kalkstein (vergl. S. 141), welcher gepulvert, gesiebt
[891]Der Bessemer- und der Thomasprocess.
und mit 8—10 Proc. eingedicktem Gastheer vermischt wird, um dann
ebenso wie die Masse für die Birnen des sauren Processes entweder
zu Steinen, die zum Ausmauern bestimmt sind, geformt zu werden
oder als Material für das Einstampfen des Futters zu dienen.


In letzterem Falle pflegt man die einzelnen, oben erwähnten Theile,
aus denen der Mantel zusammengeschraubt ist, aus einander zu nehmen
und einzeln auszufuttern. Ein hölzernes oder eisernes Modell, dessen
äussere Umrisse die inneren Begrenzungen des Futters angeben, wird
auf einer ebenen Unterlage aufgestellt, in entsprechendem Abstande

Figure 193. Fig. 261.


von dem Blechmantel umgeben. Alsdann füllt man den Zwischenraum
mit der zubereiteten Masse in einzelnen Lagen nach und nach aus und
stampft jede einzelne Lage mit eisernen Stampfern so fest ein, dass
sie vollständig hart ist.


Für die Herstellung des Bodens dient als Modell ein konischer
Gusseisenring, welcher auf die Bodenplatte (den Deckel des Windkastens)
genau aufpasst. Fig. 261 zeigt das Modell und zugleich die aus Stahl
gefertigten Nadeln, welche man benutzt, wenn der Boden nach Lilien-
stern’s
Methode mit einzelnen, gleichmässig vertheilten Windöffnungen
an Stelle der Feren versehen werden soll. 1) Zu unterst steht der Wind-
kasten a, auf dessen oberen abgedrehten Flantsch das ebenfalls abge-
57*
[892]Die Darstellung des Flusseisens.
drehte Modell aufgesetzt wird. Die erwähnten Stahlnadeln stecken unten,
wie sich von selbst versteht, in den betreffenden Löchern der Boden-
platte und werden oben durch Schmiedeeisenringe festgehalten, welche
von vier an das Modell angeschraubten Winkeln c c c mit diametralen
Verbindungsstegen getragen werden.


Wendet man Feren an, welche, wie erwähnt, vorher aus feuer-
festem Thon gefertigt und gebrannt werden, so befestigt man dieselben,
ehe das Einstampfen beginnt, mit ihren Zapfen in entsprechenden Oeff-
nungen der Bodenplatte und stampft dann rings herum die Masse fest
(vergl. oben Fig. 260). Häufig auch richtet man dieselben zum Aus-
wechseln ein. In diesem Falle dürfen sie natürlicherweise unten nicht
in einem Zapfen kleineren Durchmessers endigen, sondern der Durch-
messer der Verlängerung, mit der sie in die Bodenplatte eintreten,
muss mit dem grössten Durchmesser der Fere selbst übereinstimmen.
Ein kleiner Riegel oder eine ähnliche Vorrichtung an der Unterseite
der Bodenplatte dient dazu, die Feren vor dem Herausfallen zu
schützen.


Ist das Einformen des Futters beziehentlich Bodens beendet, so
lässt man, sofern die Herstellung aus gewöhnlicher kieselsäurereicher
Masse geschah, einige Tage an der Luft, dann in einem geheizten Raume
trocknen, setzt die Theile zusammen und verstreicht die Fugen mit
Masse. Der Boden wird erst eingesetzt, nachdem die Birne an Ort und
Stelle gebracht worden ist. Durch ein in der Birne unterhaltenes Feuer
vollendet man schliesslich die Trocknung und erhitzt das Futter bis
zum beginnenden Glühen.


Bei basischen Ausfütterungen fällt das Trocknen an der Luft weg;
dieselben werden sofort gebrannt, sei es in besonderen Kammern oder
durch ein im Innern unterhaltenes Koksfeuer. Im Anfange des Er-
hitzens erweicht die mit Theer durchsetzte Masse; später, nachdem
eine Verflüchtigung der Kohlenwasserstoffe stattgefunden hat, wird sie
steinhart.


In jedem Falle erfordert die Herstellung des Futters incl. des
Trocknens und Brennens mehrere Tage, oft zwei bis drei Wochen.
Jedes Bessemerwerk muss daher mit einer genügenden Zahl vorräthiger,
fertig gebrannter Böden und Birnen versehen sein, um nicht Gefahr
zu laufen, den Betrieb einstellen zu müssen.


Das Auswechseln der Böden und Birnen.

Aus dem über die Haltbarkeit des Futters der Birnen Gesagten
folgt, dass während des Betriebes ein öfteres Auswechseln der Birnen
und ein noch weit häufigeres Auswechseln der Böden erforderlich wird.
Je rascher dieses Auswechseln stattfinden kann, je geringer also die
dadurch hervorgerufenen Störungen des Betriebes sind, desto grösser
ist die Leistungsfähigkeit der Anlage.


Aus diesem Grunde ist es vor Allem nothwendig, die Verbindung
zwischen dem Boden und dem darüber befindlichen Stücke in solcher
Weise zu bewirken, dass sie in wenigen Minuten hergestellt und gelöst
werden kann. Man benutzt, wie die oben mitgetheilten Abbildungen
[893]Der Bessemer- und der Thomasprocess.
erkennen lassen, schmiedeeiserne Bolzen mit hindurchgesteckten Keilen,
um den Boden an der Birne zu befestigen. Für das Herausnehmen
des alten, beziehentlich Einsetzen des neuen Bodens aber pflegt folgende
Einrichtung vorhanden zu sein. Unterhalb jeder Birne befindet sich in
einer gemauerten Vertiefung des Bodens ein senkrechter hydraulischer
Cylinder, dessen nach oben gerichtete Kolbenstange eine wagerechte
Tischplatte zur Aufnahme des Bodens sammt Windkasten trägt. Der
Kolben kann soweit gesenkt werden, dass die ganze Vorrichtung wäh-
rend des Betriebes durch einen auf die Vertiefung gelegten Deckel
vollständig abgeschlossen und vor Beschädigung geschützt werden kann.
Ein vierrädriger, auf Schienen laufender Wagen, dessen Obertheil
nur aus einem eisernen Rahmen besteht, dient zum Fortschaffen des
Bodens; dieser Rahmen ist so breit, dass die erwähnte Platte des
hydraulischen Cylinders innerhalb desselben sich auf- und niederbewegen
kann, wenn der Wagen oberhalb des Cylinders steht.


Soll nun ein Boden herausgenommen werden, so wird die Birne
in senkrechte Stellung gebracht und der Wagen unter dieselbe ge-
schoben. Nun lässt man den Kolben des hydraulischen Cylinders
ansteigen, bis die Platte unterhalb des Windkastens sich befindet, löst
die Verbindungsbolzen, welche den Windkasten nebst Boden am Birnen-
mantel festhalten, und senkt den Kolben wieder, wobei der Boden
vom Wagen aufgenommen wird. In umgekehrter Reihenfolge der
Arbeiten findet das Einsetzen des neuen Bodens statt, nachdem derselbe
auf dem Wagen an Ort und Stelle gebracht worden war. Sind die
Verbindungsbolzen eingesteckt, die Keile angezogen, so wird die Platte
gesenkt und der Wagen entfernt. Nun stellt man die Birne mit Hilfe
der früher besprochenen Wendevorrichtung auf den Kopf und ver-
stampft von aussen den Zwischenraum zwischen Boden und Birnenfutter.


Das Verdienst, das Verfahren des Auswechselns der Birnenböden
in dieser Weise ausgebildet zu haben, gebührt dem Amerikaner Holley.1)
Man ist hierbei im Stande, innerhalb einer Stunde die Birne wieder
betriebsfähig zu machen, sofern der neue Boden bereit steht. Für die
Anwendung des Verfahrens aber
ist es erforderlich, dass wie bei der
oben abgebildeten Birne (Fig. 257)
der Spalt zwischen dem Boden
und dem Futter von aussen her
zugänglich sei, um in der erwähn-
ten Weise durch Einstampfen von
Masse geschlossen werden zu kön-
nen. Bei älteren Birnen ist die
Einrichtung gewöhnlich anders.
Der Windkasten schliesst sich, wie
Fig. 262 zeigt, fest an den Mantel,
so dass von aussen her keine Ver-

Figure 194. Fig. 262.


dichtung der Fuge möglich ist. Die kegelförmige Aussenfläche des
Bodens ist steiler als bei der oben beschriebenen Einrichtung geformt;
[894]Die Darstellung des Flusseisens.
vor dem Einsetzen wird diese Fläche mit etwas feuchter Masse be-
strichen, und nun wird der Boden mit der oben beschriebenen hydrau-
lischen Presse in die Oeffnung hineingedrückt, deren Durchmesser nur
so viel grösser ist als der des Bodens, um das Einsetzen ohne Be-
schädigung des Futters zu ermöglichen. Dennoch bleibt gewöhnlich
eine Fuge, welche verdichtet werden muss; diese Verdichtung ist aber
nur von innen möglich und zu diesem Zwecke muss die Birne erst
abkühlen. Es pflegen also mehrere Stunden zu vergehen, ehe die Arbeit
beendet ist.


Kaum noch oder doch nur in seltenen Fällen üblich dürfte die in
früherer Zeit gebräuchliche Herstellung des Bodens durch Einstampfen
innerhalb der Birne selbst sein.


Jedoch nicht allein der Boden, sondern auch die Birne selbst muss,
wenn sie neu ausgefuttert werden soll, von ihrem Platze entfernt und
durch eine andere ersetzt werden. Gewöhnlich bedient man sich eines
Laufkrahnes hierzu, welcher, nachdem die Verbindung des Wind-
zapfens der Birne mit der Windleitung gelöst ist, die Deckel der Zapfen-
lager abgenommen sind, sie mit Hilfe von Ketten emporhebt und auf
einen bereit stehenden Wagen niederlässt, welcher sie in die Werkstatt
überführt, wo die Ausfutterung vorgenommen wird. In Rücksicht auf
das bedeutende Gewicht der ganzen Birne, welches 30—40 t betragen
kann, zerlegt man dieselbe vor dem Herausheben häufig in ihre ein-
zelnen Theile, welche dann eins nach dem andern in der beschriebenen
Weise entfernt werden. Ebenso erfolgt das Wiedereinsetzen der repa-
rirten oder neu ausgefutterten Birne. Immerhin ist diese Arbeit ziem-
lich umständlich.


Sie wird erleichtert, wenn man die Birne nicht fest mit ihrem
Ringe verbindet, sondern zum Herausnehmen einrichtet. Der Ring
bleibt dann an Ort und Stelle, die Zapfenlager und die Verbindung
mit der Windleitung brauchen nicht auseinandergenommen zu werden;
nur das Windrohr zwischen dem Windkasten und dem Windzapfen
wird entfernt. Holley1) lässt zu diesem Zwecke die Birne mit ange-
nieteten Winkeln auf dem Ringe ruhen, dessen Durchmesser ausreichend
gross ist, um das Herausnehmen zu ermöglichen; jeder Winkel ist
durch einen stählernen Bolzen mit Kopf und Splint, welcher durch
eine Oeffnung des Ringes hindurchgeht, mit diesem verbunden und
diese Bolzen sichern zugleich die genaue Stellung des Birnenmantels
im Ringe. Soll die Birne herausgenommen werden, so wird sie auf
den Kopf gestellt, ein passend gebauter, zu ihrer Aufnahme bestimmter
Wagen wird darunter gefahren, mit Hilfe der hydraulischen Hebevor-
richtung soweit gehoben, dass die Birne auf ihm ruht, dann löst man
die erwähnten Bolzen und senkt nun den Wagen sammt der Birne,
während der Ring an Ort und Stelle bleibt. Selbstverständlich muss
die Höhenlage der Birnenachse eine solche sein, dass nach beendigtem
Niedergange des Wagens auch die Birne unter dem Ringe weggefahren
werden kann.


[895]Der Bessemer- und der Thomasprocess.
Zahl und Gruppirung der Birnen.

Obwohl man im Stande ist, durch die neueren, oben beschriebenen
Einrichtungen zum Auswechseln des Bodens wie der Birne selbst die
erforderliche Zeit für diese Arbeiten auf ein gegen früher sehr unbe-
deutendes Maass zu beschränken, würde es doch nicht möglich sein,
den Betrieb eines Bessemerwerkes ohne mancherlei hemmende Unter-
brechungen zu führen, wenn man nur mit einer einzigen Birne arbeiten
wollte. Jede Bessemeranlage enthält deshalb mindestens zwei Birnen,
welche abwechselnd im Betriebe sein können; mitunter drei oder noch
mehr. Die Gruppirung dieser Birnen gegen einander wie gegen die
übrigen Hilfsapparate — Giesspfannenkrahn, Schmelzöfen u. s. w. — ist
von nicht geringer Wichtigkeit für die Leistungsfähigkeit eines Bessemer-
werkes. Es haben sich in dieser Beziehung eine Anzahl von Systemen
ausgebildet, auf welche sich die meisten Anlagen ihrer Grundidee nach
zurückführen lassen, obschon naturgemäss die Ausführung in den Ein-
zelnheiten zahlreiche Abweichungen zeigen kann.


Zunächst kommt hier in Betracht, dass die Zapfen der Birnen,
damit diese die erforderlichen Drehungsbewegungen ausführen und in
die darunter befindliche Giesspfanne entleert werden können, ent-
sprechend hoch über dem Boden angeordnet sein müssen. Diese Höhe
pflegt, abweichend nach der Grösse der Birne selbst wie nach der Art
der sonstigen Einrichtungen 2—4 m zu betragen. Die Gussformen
werden bei den meisten Bessemerwerken in einer Giessgrube aufgestellt,
deren Sohle 1—1.5 m unter der Hüttensohle zu liegen pflegt; erst bei
neueren Anlagen ist man dazu übergegangen, die Gussformen zu ebener
Erde aufzustellen. Die Birnenzapfen werden gewöhnlich höher über
dem Erdboden liegen müssen, wenn man die letztere Einrichtung wählt,
als wenn die Gussformen vertieft stehen und auch der Giesspfannen-
krahn sich in der Giessgrube befindet.


Damit aber die Birnen, nachdem sie auf den Rücken gelegt wurden
(so dass ihre Achse wagerechte Lage angenommen hat), von oben her
gefüllt werden können, ist die Anordnung einer noch etwas höher als
die Drehungszapfen liegenden Bühne hinter den Birnen erforderlich,
von welcher aus das flüssige Metall durch eine eiserne, mit Thon aus-
gekleidete Rinne in die nach oben gerichtete Mündung der Birne ein-
strömen kann. Der Höhenabstand zwischen dieser Ebene und der Ebene
der Birnenzapfen pflegt 1.5—3 m zu betragen. Auf diese Bühne wird
das flüssige Roheisen, sofern die Schmelzöfen — Cupolöfen, Flammöfen,
unter Umständen der Hochofen — sich zu ebener Erde befinden, mit
Hilfe eines hydraulischen Aufzuges gehoben, welcher die zum Kippen
eingerichtete, mit ihren Drehungszapfen auf einem Wagen ruhende
Giesspfanne aufnimmt; häufiger stellt man die Cupol- oder Flammöfen
selbst auf diese Bühne, um aus dem Stichloche derselben das Metall
unmittelbar der Birne zuzuleiten. Wendet man, wie es fast regelmässig
geschieht, Cupolöfen zum Schmelzen des Roheisens an, so ist hinter
denselben die Anordnung einer noch höher liegenden Ebene, der Gicht-
bühne, erforderlich, von welcher aus das Aufgeben der Schmelzmateria-
lien erfolgt.


[896]Die Darstellung des Flusseisens.

In dem Aufrisse einer Bessemerhütte wird man also regelmässig
verschiedene, terrassenartig hinter einander aufsteigende Höhenlagen für
die Aufstellung der einzelnen Apparate antreffen, deren Anzahl ver-
schieden ist, je nachdem man mit oder ohne vertiefte Giessgrube
arbeitet und je nachdem das Schmelzen des Roheisens zu ebener Erde
oder ebenfalls auf einer erhöhten Ebene vorgenommen wird.


Ziemlich erhebliche Abweichungen findet man jedoch in dem
Grundrisse der verschiedenen Anlagen.


Bei allen älteren und überhaupt bei den meisten der in der Jetzt-
zeit bestehenden Bessemerhütten dient ein hydraulischer Drehkrahn
(S. 825) zur Bewegung der Giesspfanne, in welche der Inhalt der Birne

Figure 195. Fig. 263.


ausgegossen wird, um nach den einzelnen Gussformen vertheilt zu
werden. Letztere also sind im Kreise aufgestellt; die Giessgrube ist
durch einen Kreisbogen begrenzt.


Bei der ältesten Anordnung dieser Art, dem englischen System,
stehen, wie die Skizze Fig. 263 erkennen lässt, zwei Birnen a a ein-
ander diametral gegenüber, und die Giessgrube b, beziehentlich der
zum Aufstellen der Gussformen verfügbare Raum, falls eine eigentliche
Giessgrube nicht vorhanden ist, hat demnach halbkreisförmigen Grund-
riss. An dem Rande der Giessgrube stehen zwei, seltener drei hydrau-
lische Krahne, welche das Einsetzen und Ausheben der Gussformen,
Fortschaffen der Blöcke u. s. w. zu besorgen haben. Die Kreise c c be-
zeichnen die Stellung dieser Krahne; innerhalb der Giessgrube sieht
man die aufgestellten Gussformen durch kleine Quadrate angedeutet.
[897]Der Bessemer- und der Thomasprocess.
d d d sind Cupolöfen, von denen der kleinere in der Mitte für das
Schmelzen des später zuzusetzenden Spiegeleisens bestimmt ist. Hinter
denselben ist die Gichtbühne e angeordnet. f f sind zwei Schornsteine
zur Ableitung der aus den Birnen entweichenden Gase und Dämpfe.
Die Giessgrube dieser Anlagen pflegt einen Durchmesser von 6—7 m,
bei neueren Anlagen 8—9 m zu besitzen. Mit dem Durchmesser der
Grube wächst zwar die Zahl der Gussformen, welche sich mit einem
Male in derselben aufstellen lassen, zugleich aber der erforderliche
Durchmesser des Krahnes und mit diesem sein Gewicht, also einestheils
seine Anlagekosten und anderntheils die erforderliche Arbeit zu seiner
Bewegung.


Je grösser aber die Leistung eines Bessemerwerkes ist, d. h. je

Figure 196. Fig. 264.


mehr Einsätze in bestimmter Zeit verarbeitet werden, desto mehr Raum
muss für die Aufstellung der Gussformen vorhanden sein.


Bei einer Gruppirung der Birnen nach dem beschriebenen Systeme
geht immerhin die volle Hälfte des ganzen Kreises, in welchem die
Giesspfanne sich bewegt, für die Aufstellung der Gussformen verloren.
Dieser Uebelstand wird abgeschwächt, wenn man die Birnen, statt sie
diametral einander gegenüber zu stellen, näher an einander bringt, so
dass der Giesskrahn nunmehr einen grösseren Bogen bestreichen kann.
Entweder stellt man in diesem Falle die Birnen parallel neben einander
(Fig. 264), so dass ihre Drehungsachsen in einer geraden Linie liegen,
und nennt diese Anordnung das amerikanische System; oder die
Birnen sind radial gegen den Drehungspunkt des Giesskrahnes gestellt.
Je geringer der Abstand der Birnen von einander ist, desto mehr Raum
[898]Die Darstellung des Flusseisens.
bleibt für die Aufstellung der Gussformen; andererseits darf die Ent-
fernung zwischen den Birnen nicht gar zu knapp bemessen werden,
damit für die Windleitung, für die Rinne, welche das Roheisen den
Birnen zuführt, u. s. w. der erforderliche Raum bleibe. Gewöhnlich
lässt man für den Giessraum annähernd eine Dreiviertelkreisfläche frei,
in einzelnen Fällen etwas mehr, in anderen etwas weniger, so dass die
Radien, welche von den Mittelpunkten der beiden Birnen nach dem
Drehungspunkte des Krahnes gezogen werden, einen Winkel von 70 bis
100 Graden gegen einander einschliessen. Aeusserlich pflegt der Giess-
raum von drei, bisweilen vier Blockkrahnen (b b b) umgeben zu sein.


Wie Fig. 264 erkennen lässt, beschränkt man sich bei Anlage der
Giessgrube (a) mitunter darauf, einen ringförmigen Graben, in welchem
die Gussformen Platz finden, herzustellen, den mittleren Theil aber, wo
der Druckcylinder für den Krahn steht, in der Ebene der Hüttensohle
aufzuführen. Der Krahn wird hierdurch leichter zugänglich; aber die
Drehungsachsen der Birnen kommen hierdurch etwas höher zu liegen,
da die Giesspfanne während des Entleerens der Birnen nicht so tief
gesenkt werden kann, als wenn der Krahn innerhalb der Grube selbst
sich bewegt. Erwähnt wurde bereits, dass bei einzelnen Anlagen die
Gussformen statt in einer Grube zu ebener Erde aufgestellt werden.


c ist ein hydraulischer Aufzug zum Emporheben der mit Roheisen
gefüllten Giesspfanne.


Mitunter stellt man bei diesem Systeme auch drei Birnen statt
zweier an eine gemeinschaftliche Giessgrube. Die Drehungsachsen der-
selben liegen dann nicht, wie bei der skizzirten Anlage, in einer Linie,
sondern stehen rechtwinklig gegen die vom Krahnmittelpunkte gezogenen
Linien, jede Birne also steht radial gegen den Mittelpunkt.


Eine andere bei neueren Anlagen verschiedentlich zur Anwendung
gebrachte Aenderung besteht darin, dass man den Giessraum vollständig
von dem Birnenraume trennt. Zwei Krahne sind erforderlich; der erste
nimmt das Eisen von den Birnen auf und befördert es nach dem
zweiten, für welchen nun die ganze von ihm bestrichene Kreisfläche
zum Giessen benutzbar bleibt.


Als drittes Hauptsystem kann das in neuester Zeit auf einigen
deutschen für den basischen Process bestimmten Werken (Hörde, Peine)
eingeführte bezeichnet werden: mehrere Birnen stehen in einer Reihe;
ein fahrbarer Krahn, wie auf S. 828 abgebildet, trägt die Giesspfanne
und bewegt dieselbe nach den ebenfalls in einer oder zwei geradlinigen
Reihen innerhalb eines Grabens oder zu ebener Erde aufgestellten
Gussformen.


Hinsichtlich der zahlreichen, mehr oder minder wesentlichen Ab-
weichungen in der Anordnung der Bessemerwerke von den beschriebe-
nen Systemen muss auf die gegebene Literatur verwiesen werden. 1)


Die Gebläse.

Die Luftmenge, welche das Roheisen bedarf, um in schmiedbares
Eisen umgewandelt zu werden, richtet sich zwar nach der chemischen
[899]Der Bessemer- und der Thomasprocess.
Zusammensetzung, welche das Eisen vor und nach dem Blasen besitzt,
wie nach dem von äusseren Umständen, insbesondere der Temperatur
des Eisens beim Beginne des Blasens, abhängigen Verlaufe des Pro-
cesses 1), lässt sich aber durchschnittlich zu 300 cbm per t verarbeitetes
Roheisen veranschlagen. Bei einem Nutzeffecte der Gebläseanlage von
60—70 Proc. würde also das Gebläse für eine anzusaugende Luft-
menge von 450—500 cbm für jede zu verarbeitende Tonne Roheisen
zu berechnen sein. Für einen gegebenen Inhalt der Birne und eine
vorgeschriebene Zeitdauer des Processes — welche letztere von der
Zusammensetzung des Roheisens abhängig sein muss, wie früher erläutert
wurde — würde sich also die per Minute zu beschaffende Windmenge
unschwer berechnen lassen.


In den meisten Fällen wird die eingeblasene Luftmenge zwischen
150—250 cbm, die theoretisch angesaugte zwischen 250—400 cbm
per Minute schwanken.


Diese Luft muss, damit sie im Stande sei, den Druck des flüssigen
Metalles sowie die Widerstände in den engen Durchgangsöffnungen des
Birnenbodens zu überwinden, auf eine Spannung von 1.5—2 Atmo-
sphären (1.5—2 kg Druck per qcm) verdichtet werden.


Kein anderer metallurgischer Process verlangt eine so hohe Wind-
spannung, und nur ein Cylindergebläse ist im Stande, dieselbe zu liefern.
Eben dieser hohe Druck macht besondere Maassregeln bei der Anlage
der Cylindergebläse für den Bessemerprocess nothwendig.


Durch die Verdichtung wird eine starke Erwärmung der Luft her-
vorgerufen. Dem nachtheiligen Einflusse derselben auf die Dichtungen
und Liderungen sucht man zwar häufig entgegen zu wirken, indem
man den Gebläsecylinder mit einem Blechmantel umgiebt und in dem
Zwischenraume Wasser zur steten Abkühlung des Gebläsecylinders
circuliren lässt; dennoch vermag dieses Mittel nur in beschränktem
Maasse Schutz zu gewähren. Kautschukventile oder -platten, welche
sich für die Ein- und Auslassvorrichtungen der Hochofengebläse häufig
als recht zweckmässig erwiesen und deshalb eine Zeit lang auch bei
Bessemergebläsen nicht selten verwendet wurden, erwiesen sich ge-
wöhnlich als wenig haltbar. Brauchbarer ist Filz als Dichtungsmittel
für Klappen, auch Leder wird für Klappen und Ventile dem Kaut-
schuk vorgezogen. Mitunter wendet man metallene Tellerventile ohne
besonderes Dichtungsmittel an, so dass Metall auf Metall schlägt; die-
selben sind zwar haltbar und dicht, verursachen aber ein lautes Geräusch.
Auch Schiebersteuerungen, welche, wie die Steuerungen des Dampf-
cylinders, von der Schwungradwelle aus bewegt werden, hat man, be-
sonders für die Einlassöffnungen, in Anwendung gebracht.


Den Gebläsekolben giebt man trotz der Kühlung der Cylinder-
wand mit Vorliebe Metallliderung.


Die meisten Bessemergebläse sind zweicylindrig, von zwei Dampf-
cylindern aus angetrieben. Die Einrichtung im Allgemeinen ist also die
[900]Die Darstellung des Flusseisens.
nämliche wie bei den Zwillingsmaschinen der Hochofengebläse (z. B.
Fig. 113 auf S. 394). Der Grund, weshalb eincylindrige Gebläse weit
seltener als beim Hochofenbetriebe zur Anwendung kommen, ist haupt-
sächlich in dem Umstande zu suchen, dass der Betrieb des Bessemer-
gebläses nur periodisch ist, dasselbe im Laufe eines Tages vielfach in
und ausser Betrieb gesetzt werden muss. Wendet man nun ein ein-
cylindriges Gebläse an, so würde ein annähernd gleichmässiger Wind-
strom nur durch Einschaltung eines Regulators (S. 403) erzielt werden
können; die Wirkung des Regulators aber bringt es mit sich, dass die
volle Windspannung in der Leitung erst erreicht wird, nachdem das
Gebläse bereits einige Zeit im Betriebe war, und ebenso, dass noch, nach-
dem das Gebläse bereits zum Stillstand gebracht wurde, ein länger fort-
dauerndes Ausblasen stattfindet. Während dieser Umstand bei ununter-
brochenem Betriebe ohne Belang ist, kann er bei den häufigen Pausen
des Bessemerbetriebes lästig werden und veranlasst jedenfalls Wind-
verlust. Zweicylindrige Gebläse machen den Regulator entbehrlich.


Nur auf einigen nordamerikanischen Eisenwerken hat man ein-
cylindrige Gebläse mit Regulator in Anwendung gebracht.


Wie beim Hochofenbetriebe findet man stehende und liegende Ge-
bläse; verhältnissmässig häufiger als dort sind jedoch die letzteren in
Anwendung. Ihre Vortheile — geringe Anlagekosten, einfache Wartung,
grosse Uebersichtlichkeit — kommen auch beim Bessemerbetriebe in
Betracht; ihre Nachtheile aber, insbesondere die ungleichmässige Ab-
nutzung der Kolben- und Cylinderflächen, besitzen hier geringere Be-
deutung, weil jene Abnutzung wegen des nur unterbrochen stattfinden-
den Betriebes des Gebläses in gleichen Zeitabschnitten überhaupt ge-
ringer ausfällt, als bei dem ununterbrochen arbeitenden Hochofengebläse.


Man pflegt die zweicylindrigen Bessemergebläse mit Gebläse-
cylindern von 1—1.5 m Durchmesser, Dampfcylindern von 0.9—1.2 m
Durchmesser bei 1.4—1.7 m Hublänge zu bauen. Die Anzahl der
Umgänge per Minute beträgt gewöhnlich 20—35.


Da der Dampf zum Betriebe des Gebläses in allen Fällen durch
Heizung der Kessel mit besonderen Brennstoffen erzeugt werden muss
— Abhitze von anderen Oefen, welche zur Heizung benutzt werden
könnte, ist im Bessemerwerke selbst nicht verfügbar —, die erforder-
liche Leistung der Dampfmaschine aber in Anbetracht der hohen Wind-
spannung eine sehr beträchtliche ist, so ist es von nicht geringer
Wichtigkeit, dass durch geeignete Einrichtung der Dampfmaschine der
Dampfverbrauch auf ein möglichst geringes Maass beschränkt werde.
Nicht selten finden aus diesem Grunde Condensationsmaschinen Ver-
wendung.


Das Arbeitsverfahren und der äussere Verlauf des Processes.

Das zu verarbeitende Roheisen wird entweder unmittelbar vom
Hochofen entnommen und in einer ausreichend grossen, auf einem
Wagen fahrbaren Pfanne nach den Birnen transportirt oder im Cupol-
ofen geschmolzen. Die Schwierigkeiten, welche sich der Anwendung
des ersteren Verfahrens entgegensetzen, wurden schon auf S. 597 kurz
berührt; hauptsächlich ist es die wechselnde Beschaffenheit des im Hoch-
[901]Der Bessemer- und der Thomasprocess.
ofen erfolgenden Roheisens, welche den Betrieb unsicher macht und
eine der Verwendung vorausgehende Sortirung, welche nur im kalten
Zustande möglich ist, wünschenswerth erscheinen lässt. Aus diesem
Grunde ist jenes Verfahren, obgleich erheblich billiger, doch das
seltenere.


Noch weniger gebräuchlich ist das Umschmelzen in Flammöfen.
Die Gründe, weshalb in den allermeisten Fällen der Cupolofen dem
Flammofen vorzuziehen ist, sowie die Umstände, welche in Ausnahme-
fällen die Anwendung der Flammöfen für den in Rede stehenden Zweck
rechtfertigen können, wurden früher (S. 616) erörtert.


Die Abmessungen der Schmelzöfen richten sich nach der ins Auge
gefassten Leistungsfähigkeit des Werkes und würden den früher
(S. 606) gegebenen Regeln für die Construction dieser Oefen ent-
sprechend zu bemessen sein; die Zahl der erforderlichen Oefen ist
mindestens drei, damit die erforderlichen Schachtreparaturen ausgeführt

Figure 197. Fig. 265.


werden können, ohne dass eine Unterbrechung des Betriebes einzutreten
braucht. Mindestens ein Ofen liegt regelmässig kalt, um sofort angeheizt
werden zu können, wenn ein anderer reparaturbedürftig wird.


Während das Roheisen geschmolzen wird, erhitzt man die Birne
durch ein in derselben unterhaltenes Koksfeuer zum Rothglühen. Die
Verbrennung der Koks erfolgt durch einen schwachen, vom Gebläse
zugeführten Windstrom. Alsdann kippt man die Birne in umgekehrte
Stellung, um die noch in derselben zurückgebliebenen Koks und die
Asche zu entfernen und legt sie auf den Rücken, mit der Mündung
nach oben, um das Roheisen einlaufen zu lassen (Fig. 265). Eine ent-
sprechend gekrümmte, mit feuerfester Masse ausgekleidete Rinne, welche,
um leicht bewegt werden zu können, in Ketten zu hängen pflegt, wird
von dem Stichloche des Schmelzofens, beziehentlich von der Ausguss-
stelle der zum Emporheben des Roheisens von unten dienenden Pfanne
nach der Birnenmündung gelegt, worauf das Einlassen des Roheisens
beginnt. Sobald dasselbe beendet ist, wird die Rinne entfernt, das
[902]Die Darstellung des Flusseisens.
Gebläse wird angelassen und die Birne aufgekippt. Der Frischprocess
beginnt.


Der Verlauf desselben wird nun je nach der höheren oder niederen
Temperatur, welche das Roheisen beim Beginne des Blasens besass,
und nach der abweichenden chemischen Zusammensetzung desselben
wesentliche Verschiedenheiten zeigen können. Aufgabe des Betriebs-
leiters ist es also, diese verschiedenen hierbei in Betracht kommenden
Verhältnisse so in Einklang zu bringen, dass ein seinem Zwecke ent-
sprechendes Enderzeugniss erfolgt.


Vornehmlich ist der schon mehrfach erörterte Umstand zu berück-
sichtigen, dass die Verwandtschaft des Kohlenstoffes zum Sauerstoff
durch Erhöhung der Temperatur über eine gewisse Grenze hinaus
kräftiger gesteigert wird als die des Siliciums, Mangans, Eisens u. s. w.
(S. 12); bei Reductionsprocessen — im Hochofen — werden deshalb
jene Körper um so reichlicher reducirt, je höher die Temperatur ist;
bei Oxydationsprocessen wird aus demselben Grunde durch eine hohe
Temperatur ihre Verbrennung verlangsamt werden, so lange noch Kohlen-
stoff zugegen ist (S. 283). Während also in niedriger Temperatur
Silicium und Mangan annähernd vollständig aus dem Eisen ausscheiden
können, bevor eine grössere Menge Kohlenstoff verbrannt ist (wie beim
Puddelprocesse), wird man in hoher Temperatur ein noch verhältniss-
mässig silicium- und manganreiches Enderzeugniss erhalten können,
selbst wenn der Kohlenstoffgehalt desselben nur noch gering ist. Eine
hohe Temperatur des Eisenbades aber lässt sich ebensowohl durch eine
beim Schmelzen des Roheisens bewirkte starke Ueberhitzung desselben
als durch einen reichlichen Siliciumgehalt herbeiführen, welcher, wie
früher (S. 883) nachgewiesen wurde, durch seine theilweise Verbrennung
ausserordentlich kräftig die Temperatur des Bades steigert. Auch durch
Beschleunigung des Verlaufes des Processes, d. h. durch Zuführung
reichlicher Windmengen, lässt sich die Temperatursteigerung befördern,
indem die Wärmeverluste verringert werden.


Umgekehrt kann man eine Abkühlung des Bades, falls solche
zweckdienlich erscheinen sollte, herbeiführen, indem man schwach an-
gewärmte Stücke schmiedbaren Eisens, Enden von gewalzten Eisen-
bahnschienen, Ausschussstücke u. s. w., in das flüssige Eisen einwirft,
ein Mittel, welches nicht selten auch zu dem Zwecke in Anwendung
gebracht wird, jene Eisenstücke kostenlos wieder nutzbar zu machen.


Wie abweichend unter dem Einflusse dieser verschiedenen Ver-
hältnisse sich der Verlauf des Processes gestalten kann, ergiebt sich
aus dem Gesagten. In Folgendem sollen einige besonders scharf aus-
geprägte Formen dieses Verlaufes ihren Grundbedingungen wie ihren
äusseren Kennzeichen und ihrem Erfolge gemäss beschrieben werden;
in der Praxis aber sind die Uebergänge zwischen den einzelnen als
Urbilder geschilderten Formen, beziehentlich Methoden des Processes
zahlreich.


1. Das Roheisen enthält bei seinem Einlassen in die mit saurem
Futter versehene Birne mindestens 1.8 Proc. Silicium, häufiger 2 Proc.
oder darüber und ist beim Schmelzen nur soweit über seine Schmelz-
temperatur erhitzt, als erforderlich ist, es beim Beginne des Blasens
[903]Der Bessemer- und der Thomasprocess.
vollständig flüssig zu erhalten; also auf eine Temperatur von vielleicht
1250 oder 1300 Grad C. (sogenannter englischer Process). Der
Mangangehalt des Roheisens geht selten über 1 Proc. hinaus.


Sobald das Einlassen beendet, die Birne aufgekippt und der Wind
zugelassen ist, schlägt eine kurze röthlichgelbe Flamme von nur ge-
ringer Leuchtkraft, untermischt mit zahlreichen Funken, aus dem Halse
der Birne hervor. Silicium, Mangan und Eisen werden oxydirt; Kohlen-
stoff wird wenig oder gar nicht verbrannt. Man hört im Innern der
Birne ein gurgelndes Geräusch, hervorgerufen durch den das Eisenbad
durchdringenden Wind, dessen Sauerstoffgehalt zur Verbrennung der
genannten Körper verbraucht wird, so dass die entweichenden Gase
grösstentheils aus Stickstoff bestehen. Die Färbung der Flamme wird
vorwiegend durch mechanisch mitgerissene glühende Theilchen bewirkt.


Man hat diese erste Periode, während welcher, wie erwähnt, Kohlen-
stoff nicht in erheblichen Mengen verbrennt, ja, der Procentgehalt an
Kohlenstoff im Metalle sogar mitunter zunimmt, da die Gesammtmenge
des letzteren sich verringert, die Feinperiode des Bessemerprocesses
genannt.


Nach Verlauf einiger Zeit, deren Dauer von der zugeführten Wind-
menge abhängig ist, gewöhnlich nach 4—6 Minuten, bemerkt man
deutlich eine Aenderung in der Beschaffenheit der Flamme. Die Farbe
derselben wird bläulich weiss, sie nimmt die Form eines langen spitzen
Kegels an und beginnt stark zu leuchten; die Zahl der Funken und
ihre Grösse verringert sich. Diese Zeichen deuten auf die beginnende
Verbrennung des Kohlenstoffes neben Silicium. Infolge der inzwischen
stattgehabten Steigerung der Temperatur ist das Bad dünnflüssiger
geworden, das Gebläse hat geringere Widerstände zu überwinden, der
Gang desselben beschleunigt sich.


Durch die noch andauernde Verbrennung von Silicium steigt die
Temperatur des flüssigen Metalles immer höher; die Folge davon ist,
dass die Verbrennung des Kohlenstoffes zunimmt, diejenige des Sili-
ciums, dessen Menge sich nun ohnehin schon beträchtlich verringert
hat — etwa 0.8—1 Proc. Silicium sind inzwischen verbrannt —, nach-
lässt. Die sogenannte Kochperiode des Processes beginnt.


Jene Anzeichen, welche schon am Ende der Feinperiode den Be-
ginn der Kohlenstoffverbrennung verriethen, nehmen an Deutlichkeit zu.
Die Flamme ist blendend weiss, heftig und erreicht im höchsten Stadium
der Periode eine Länge bis zu 6 m; das gurgelnde Geräusch, welches
den Beginn des Processes begleitete, verwandelt sich mehr und mehr
in ein donnerndes Getöse, hervorgerufen durch die massenhafte Ent-
wickelung von Kohlenoxydgas im engen Raume; Schlacken und Eisen-
körner werden durch die heftig entweichenden Gase aus dem Birnen-
halse herausgeschleudert. Der Gang des Gebläses wird verlangsamt,
wenn ein allzu heftiges Kochen grössere Eisenverluste durch Auswerfen
befürchten lässt.


Die Temperatur des Bades steigt, da immerhin noch gewisse Mengen
Silicium neben dem Kohlenstoff verbrennen, auch während der Koch-
periode und gegen Ende dieser Periode beginnt die Entwickelung eines
dicken braunen Rauches, grossentheils aus verflüchtigtem und ver-
brennendem Mangan und Eisen bestehend. Die Zeitdauer dieser Koch-
[904]Die Darstellung des Flusseisens.
periode pflegt 6—8 Minuten oder ungefähr ⅖ der Zeitdauer des ganzen
Processes zu sein.


Allmählich aber erlahmt die Verbrennung des Kohlenstoffes, dessen
Menge nun während der Kochperiode sich erheblich verringert hatte.
Die Flamme wird schwächer, unruhiger, durchsichtig, während jener
schon erwähnte braune Rauch sich mehrt und die Spitze der Flamme
vollständig einhüllt; das Getöse im Innern der Birne wird wieder
schwächer. Die sämmtlichen äusseren Erscheinungen werden denen im
Anfange des Blasens wieder ähnlich; nur der sich massenhaft ent-
wickelnde braune Rauch und die Abwesenheit der Funken in der
Flamme liefern deutliche Unterscheidungsmerkmale. Die dritte Periode
des Processes, welche man die Gaarperiode genannt hat, ist ein-
getreten. Kohlenstoff verbrennt fortdauernd, aber wegen seiner stärkeren
Verdünnung im Bade langsamer; daneben wird Eisen oxydirt. Enthielt
das Roheisen nicht mehr als etwa 1.8 Proc. Silicium, so war der Rest
desselben bereits während der Kochperiode annähernd vollständig ver-
brannt; war der Siliciumgehalt höher, so verbrennt dasselbe unaus-
gesetzt neben Kohlenstoff auch in dieser Periode.


Die Gaarperiode pflegt nur einige Minuten, mitunter noch kürzere
Zeit, zu dauern. Die Flamme wird immer undeutlicher, ein Beweis,
dass nur noch wenig Kohlenstoff im Bade zurück ist. Verarbeitete man
ein siliciumreiches Roheisen, so entsteht infolge der fortschreitenden Ver-
brennung des Siliciums eine sehr heisse Endperiode, welche erfahrungs-
mässig günstig auf die Beschaffenheit des Erzeugnisses einwirkt, be-
sonders auch die Entstehung dichter Güsse befördert.1) Nutzlos aber
würde es sein und nur den Eisenabbrand erhöhen, wollte man jetzt,
nachdem das Aufhören der Flamme die Beendigung der Kohlenstoff-
verbrennung anzeigte, das Blasen noch fortsetzen; die Birne wird also
auf den Rücken gelegt, der Wind abgestellt. Auch das annähernd
entkohlte Metall kann jetzt noch Silicium enthalten, sofern der ursprüng-
liche Gehalt desselben hoch genug war.


Das Metall ist nun sauerstoffhaltig, rothbrüchig. Es folgt also der
Spiegeleisenzusatz zur Entziehung des Sauerstoffes. Ueber die Wahl
des Zusatzes und die Menge desselben, je nachdem man ein kohlen-
stoffarmes oder kohlenstoffreicheres Enderzeugniss erzielen will, ist schon
mehrfach das Erforderliche gesagt; den verschiedenen Verhältnissen ent-
sprechend pflegt die Grösse des Zusatzes 4—10 Proc. vom Gewichte
des Einsatzes zu betragen. Grössere Mengen, die beim Einwerfen im
ungeschmolzenen Zustande das Bad allzu sehr abkühlen würden, werden
in einem kleinen Cupolofen, seltener Flammofen geschmolzen; aber ein
Manganverlust ist dabei unvermeidlich.


Sofort bei dem Einlassen, beziehentlich nach dem Einwerfen des
manganhaltigen Zusatzes entsteht die sogenannte Spiegeleisenreaction.
[905]Der Bessemer- und der Thomasprocess.
Das Bad geräth für kurze Zeit ins Kochen, eine lebhafte Flamme
schlägt aus dem Halse hervor. In einzelnen Fällen ist eine heftige
Explosion durch die plötzliche Gasentwickelung hervorgerufen worden.


Die chemische Einwirkung des Zusatzes wurde schon mehrfach
besprochen. Gelöstes Eisenoxydul wird durch den Mangan- und theil-
weise auch durch den Kohlenstoffgehalt des Zusatzes zerstört, der Rest
dieser Körper bleibt im Bade zurück. Silicium kann aus dem Birnen-
futter durch den Mangangehalt des Eisens reducirt werden.


Gewöhnlich kippt man die Birne nach beendigtem Zusatze auf
und bläst noch einige Secunden hindurch, um die Mischung zu be-
fördern. Alsdann wird die zuvor über einem Koksfeuer (auf einigen
Werken über einer Gasflammenfeuerung) zur Rothgluth erhitzte Giess-
pfanne unter die Birne gebracht, worauf die Entleerung der letzteren
durch Kippen erfolgt. Das Ausgiessen des Metalles aus der Pfanne in
die Gussformen erfolgt in der schon bei Besprechung dieser Apparate
erörterten Art und Weise.


2. Das soeben beschriebene Verfahren, in den sechziger Jahren
sehr verbreitet, ist jetzt in seiner ursprünglichen Form selten geworden.
Ein ähnlicher Erfolg aber, wie ihn ein hoher Siliciumgehalt hervorruft,
lässt sich herbeiführen, wenn man das Roheisen beim Schmelzen
stärker überhitzt; der Mehrverbrauch an Koks hierbei wird durch die
geringeren Kosten des siliciumärmeren Roheisens oft reichlich aus-
geglichen.


Häufig hat man das Ziel im Auge, ein silicium- und mangan-
haltiges Enderzeugniss zu erlangen, insbesondere dann, wenn man
gezwungen ist, etwas phosphorhaltige Roheisensorten (0.10—0.15 Proc.
Phosphor) auf schmiedbares Eisen von vorgeschriebener Festigkeit und
Härte zu verarbeiten. Der Phosphorgehalt wirkt dann weniger nach-
theilig auf die Zähigkeit und Elasticität des Eisens ein, wenn man jene
Eigenschaften durch Einführung eines gewissen Silicium- und Mangan-
gehaltes bei niedrigerem Kohlenstoffgehalte als wenn man sie lediglich
durch einen entsprechend hohen Kohlenstoffgehalt im übrigens reinen
Eisen hervorruft (S. 247, 255). Durch Anwendung eines sehr silicium-
und manganreichen Roheisens würde sich dieses Ziel erreichen lassen;
billiger aber gelangt man gewöhnlich zum Zwecke, wenn man ein
weniger siliciumreiches Roheisen von vorn herein so stark überhitzt
(nach Müller auf 1400 Grad C., vermuthlich jedoch liegt in den meisten
Fällen die Temperatur noch etwas höher), dass die Verbrennung des
Kohlenstoffes schon sofort neben derjenigen des Siliciums beginnt.


Man hat diesen Process den deutschen Bessemerprocess
genannt1), obgleich nicht in Abrede zu stellen ist, dass derselbe auch
ausserhalb Deutschlands bereits durch die Praxis ausgebildet war, noch
ehe man die Grundbedingungen desselben vollständig klar erkannt hatte.


Die Eigenthümlichkeiten dieses Verfahrens sind folgende. Ein Roh-
eisen mit etwa 1.3—2 Proc. Silicium und gewöhnlich 1—3 Proc.
Mangan, mitunter weniger, selten mehr, wird im überhitzten Zustande
Ledebur, Handbuch. 58
[906]Die Darstellung des Flusseisens.
der Birne zugeführt; es beginnt sofort die Kohlenstoffverbrennung, und
die des Siliciums tritt um so mehr zurück, je höher bereits die Anfangs-
temperatur war; das Enderzeugniss aber ist um so silicium- und mangan-
reicher, je grösser die Menge dieser Körper in dem verarbeiteten Roh-
eisen war und je stärker das letztere überhitzt wurde.


Ein allzu reichlicher Mangangehalt des Roheisens ist nicht er-
wünscht. Erstens nimmt der Mangangehalt des Enderzeugnisses mit dem
des Roheisens zu, und das Ueberschreiten einer gewissen, von der Be-
stimmung des fertigen Eisens abhängigen Grenze seines Mangangehaltes
ist nicht zweckmässig; zweitens steigt erfahrungsmässig das fertige Eisen
in den Gussformen leichter, der Guss wird blasiger, wenn das Roh-
eisen allzu reich an Mangan war. Man gattirt also, wo sehr mangan-
reiche Roheisensorten zur Verarbeitung vorliegen, diese gern mit einem
manganarmen (z. B. dem aus reinen Rotheisenerzen erblasenen Cumber-
länder Roheisen, S. 565), um den Mangangehalt des Gemisches abzu-
mindern.


Der äussere Verlauf dieses Processes unterscheidet sich von dem
des oben beschriebenen sogenannten englischen Processes durch das
Wegfallen oder die kürzere Zeitdauer der ersten Periode mit schwacher
gelbgefärbter Flamme und schwachem Geräusch. Die Kohlenstoffver-
brennung beginnt rasch und alle Merkmale derselben treten deshalb
auch frühzeitiger ein. Am Ende des Processes zeigt sich die nämliche
starke Entwickelung braunen Rauches wie beim englischen Processe;
auch das Verfahren des Zusatzes von Spiegeleisen oder Eisenmangan
ist das nämliche.


3. Eine dritte Form des Bessemerprocesses entsteht, wenn man
ein noch siliciumärmeres Roheisen als in dem vorstehend besprochenen
Falle verwendet und den Process unterbricht, sobald die Siliciumver-
brennung ihr Ende erreicht hat, während der Kohlenstoffgehalt noch
beträchtlich sein kann. Ein weiter fortgesetztes Blasen würde hier die
Gefahr nahe legen, dass das Bad, dessen Temperatur nicht mehr zu-,
sondern eher abnimmt, während der Schmelzpunkt steigt, vorzeitig
erstarre. Da das flüssige Eisen aber, so lange noch Kohlenstoff in
grösseren Mengen zugegen ist, Sauerstoff nicht oder nur in unerheb-
lichen Mengen enthalten kann, so ist der bei den früher besprochenen
Methoden unumgängliche Zusatz eines mangan- und kohlenstoffhaltigen
Desoxydationsmittels entbehrlich. Man erzielt also auf diese Weise
unmittelbar, d. h. durch Unterbrechung des Verbrennungsprocesses vor
beendigter Entkohlung, ein silicium- und, sofern man nicht ausnahms-
weise ein manganreiches Roheisen verwendete, manganfreies, kohlen-
stoffhaltiges Eisen, unter Umständen wirklichen Stahl, der sich vor dem
durch die erstbesprochenen Methoden gewonnenen Stahle durch seine
Reinheit von Silicium und Mangan auszeichnet. Ob dieser Umstand
vortheilhaft oder nachtheilig für seine Verwendbarkeit sei, muss frei-
lich von seiner Bestimmung abhängen.


Die Ausbildung dieses Verfahrens ist aus der manchen Eisenwerken
obliegenden Nothwendigkeit hervorgegangen, auch siliciumärmere Roh-
eisensorten für den Bessemerprocess nutzbar zu machen. Diese Auf-
gabe wird besonders häufig da auftreten, wo man gezwungen ist, schwer
reducirbare Eisenerze mit Holzkohlen zu verhütten. Ein Land, dessen
[907]Der Bessemer- und der Thomasprocess.
Roheisendarstellung vorzugsweise auf diesen Bedingungen fusst, wäh-
rend die Erze durch grosse Reinheit von Phosphor ausgezeichnet und
gerade deshalb auch für Darstellung kohlenstoffreicherer Sorten schmied-
baren Eisens vorzüglich geeignet sind, ist Schweden; es erklärt sich
daher leicht, dass jene Methode vorzugsweise hier ausgebildet wurde und
dass man sie aus diesem Grunde als den schwedischen Bessemer-
process
zu benennen pflegt.


Scheinbar am einfachsten, da die Rückkohlung wegfällt, ist doch
dieser Process in seiner Durchführung der am wenigsten leichte. Es
kommt hierbei in Betracht, dass einestheils inmitten der Kohlenstoff-
verbrennung nunmehr der Zeitpunkt ermittelt werden muss, wo die
Entkohlung ihr vorgeschriebenes Maass erreicht hat; anderntheils, dass
jene Reinheit des fertigen Eisens von Silicium und Mangan überhaupt
nur dann wohlthätig die Eigenschaften desselben zu beeinflussen ver-
mag, wenn der Phosphorgehalt sehr niedrig ist, und also der Einfluss
des letzteren auch bei dem nothwendigen höheren Kohlenstoffgehalte
unbedeutend bleibt.


Gewöhnlich verwendet man für diesen schwedischen Process ein
Roheisen mit 0.8—1.2 Proc. Silicium und 0.6—1 Proc. Mangan; die Ueber-
hitzung des Roheisens im Schmelzofen hängt ab theils von dem ur-
sprünglichen Siliciumgehalte, theils von dem Kohlenstoffgehalte, den das
Enderzeugniss erhalten soll. Je siliciumreicher das Roheisen ist und je
kohlenstoffreicher das fertige Eisen ausfallen soll, je vorzeitiger also das
Blasen unterbrochen werden muss, desto weniger stark wird das Roh-
eisen überhitzt; andererseits muss bei gleich starker Ueberhitzung das
verwendete Roheisen begreiflicherweise um so siliciumreicher sein, je
kohlenstoffärmer das fertige schmiedbare Eisen werden soll.


Der Verlauf des schwedischen Processes unterscheidet sich im
Aeussern von dem des deutschen hauptsächlich durch den Wegfall der
dritten Periode, wo die Flamme allmählich abstirbt. Im Anfange treten
die Anzeichen der Kohlenstoffverbrennung — weisse, leuchtende Flamme
und heftiges Geräusch — auch hier um so rascher ein, je heisser das
Metall in die Birne eingelassen wurde; bald nachdem der Höhepunkt
der Kochperiode überschritten ist, pflegt die Unterbrechung des Pro-
cesses einzutreten.


Auch der schwedische Process ist, wie der englische, in seiner
ursprünglichen reinen Form jetzt seltener geworden. Häufig findet man
ein zwischen der deutschen und schwedischen Methode stehendes Ver-
fahren derartig ausgebildet, dass man zwar nicht bis zum völligen
Erlöschen der Flamme, also bis zur annähernd vollständigen Entkohlung
bläst, doch aber, ehe das Metall ausgegossen wird, ihm einen mässigen
Zusatz (1—2 Proc.) eines hochmanganhaltigen Eisenmangans giebt.
Die Erfahrung lehrt und die Analyse bestätigt es, dass immerhin
kleine Sauerstoffmengen auch schon neben mehreren Zehntel Procent
Kohlenstoff im Eisen auftreten können, da die starke Verdünnung dieser
Körper im Eisenbade eine sofortige Ausscheidung verhindert; mit der
Abnahme des Kohlenstoffgehaltes nimmt der Sauerstoffgehalt zu. Durch
Manganzusatz erhöht man die Menge der auf den gelösten Sauerstoff-
gehalt einwirkenden Körper, seine Ausscheidung wird befördert und
58*
[908]Die Darstellung des Flusseisens.
die Beschaffenheit des fertigen Eisens verbessert, sofern der zurück-
bleibende Mangangehalt für die Verwendung desselben nicht nachtheilig
ist. Je kohlenstoffärmer also das Eisen werden soll, je mehr Sauerstoff
es bei Beendigung des Blasens schon aufgenommen hatte, desto zweck-
mässiger wird ein solches Verfahren sein.


4. Der Entphosphorungsprocess in der Birne mit basi-
schem Futter (Thomasprocess)
. Dieser in der Jetztzeit zu hoher
Bedeutung gelangte, in allgemeinen Zügen schon oben geschilderte
Process verläuft folgendermaassen.


Man benutzt ein Roheisen, welches 1.5—3 Proc. Phosphor, mit-
unter noch etwas mehr, 0.0—1.5 Proc. Silicium und bis zu 3 Proc.
Mangan enthält. Die Gründe, weshalb ein hoher Phosphorgehalt die
Durchführung des Verfahrens erleichtert, wurden schon oben besprochen;
über 3 Proc. geht man jedoch nicht gern hinaus, da mit dem Phosphor-
gehalte auch der Abbrand wächst. Je höher der Phosphorgehalt ist und
je stärker das Roheisen beim Schmelzen überhitzt wurde, desto niedriger
kann der Siliciumgehalt sein. Ein mässiger Mangangehalt befördert
die Dünnflüssigkeit der basischen Schlacke wie die Ausscheidung des
in den benutzten Roheisensorten gewöhnlich reichlicher als im grauen
Roheisen vorhandenen Schwefels.


Vor dem Einlassen des Roheisens wird der erforderliche Kalk-
zuschlag in die Birne gebracht. Derselbe beträgt gewöhnlich 14 bis
16 Proc. vom Gewichte des Roheisens. Möglichst reiner Kalkstein wird
gebrannt1) und gewöhnlich unmittelbar aus dem Brennofen der Birne
zugeführt. Auf einigen Werken setzt man dem Kalke, um dünnflüssigere
Schlacken zu erhalten, kleine Mengen Flussspath zu (in Creusot 1½ Proc.
vom Gewichte des Eisens). Alsdann beginnt das Einlassen des Roh-
eisens, das Blasen und das Aufkippen der Birne.


Bei dem gewöhnlich geringen Siliciumgehalte und der Nothwendig-
keit, mit hoher Anfangstemperatur zu arbeiten, beginnt sofort die Ver-
brennung des Kohlenstoffes, an den mehrfach erwähnten Merkmalen
erkennbar. Während der Koch- und Gaarperiode unterscheidet sich der
Verlauf des Processes äusserlich nicht wesentlich von dem Verlaufe
bei anderen Methoden des Bessemerprocesses; die Flamme wird anfäng-
lich immer lebhafter, um dann ziemlich rasch zu verschwinden. Nun
aber tritt beim Thomasprocess ein wichtiger Unterschied ein. Bei Be-
endigung der Kohlenstoffverbrennung ist die grösste Menge des Phos-
phors noch im Eisen enthalten; an die Gaarperiode muss sich mithin
eine vierte Periode reihen, das sogenannte Nachblasen, während
welcher der Phosphor verschlackt wird. Auf einigen Werken kippt
man vor dem Beginne des Nachblasens die Birne, lässt die Schlacke
abfliessen und schlägt aufs Neue 5—6 Proc. Kalk zu (Creusot); ge-
wöhnlich reicht die vorhandene Schlacke aus, die Entphosphorung zu
bewirken und das Nachblasen reiht sich ohne Unterbrechung an die
Entkohlung. Die Zeitdauer des Nachblasens pflegt 4—5 Minuten zu
betragen, wenn für die Entkohlung 8—10 Minuten erforderlich
waren.


[909]Der Bessemer- und der Thomasprocess.

Nunmehr wird in jedem Falle die Birne gekippt und die in reich-
licher Menge vorhandene phosphorsäurereiche Schlacke in einen bereit
stehenden eisernen Wagen abgegossen, der sie rasch aus dem Giess-
raume entfernt. Während des Ablassens der Schlacke wird ein kleiner
Probeblock gegossen, ausgeschmiedet und zerbrochen. Die Bruchfläche,
ob grob- oder feinkörnig, sowie das Verhalten des Eisens beim Biegen,
giebt ein Merkmal, ob die Entphosphorung beendet ist oder ob ein
fortgesetztes Nachblasen erforderlich ist. Nunmehr erst erfolgt der Zu-
satz von Spiegeleisen oder Eisenmangan in der üblichen Weise, gewöhn-
lich im ungeschmolzenen aber stark vorgewärmten Zustande. Der Zusatz
der Manganlegirung vor dem Ablassen der Schlacke würde eine Re-
duction von Phosphor aus der letzteren und Zurückführung in das
Eisen zur Folge haben. Die Menge des Zusatzes richtet sich, wie bei
anderen Methoden, nach der Zusammensetzung desselben und dem
Kohlenstoffgehalte, welchen man dem Eisen zu geben beabsichtigt.


Aus den vorausgegangenen Erörterungen folgt, wie grosse Wichtig-
keit eine der chemischen Zusammensetzung des Roheisens entsprechende
Anfangstemperatur für den Verlauf des Processes und die Beschaffen-
heit des fertigen Eisens besitzt. Auch äussere Verhältnisse, Temperatur
der Birne u. s. w. beeinflussen den Process. Ausser dem regelrechten
Verlaufe des Processes, wie er soeben für verschiedene Voraussetzungen
geschildert wurde, unterscheidet man demnach einen heissen Gang,
vorzugsweise hervorgerufen durch allzu hohen Siliciumgehalt (3 Proc.
oder darüber); und einen kalten Gang, welcher die Folge eines
zu niedrigen Siliciumgehaltes oder einer im Verhältnisse zu dem vor-
handenen Siliciumgehalte zu niedrigen Anfangstemperatur ist.


Bei dem heissen Gange pflegt die Flamme während der Koch-
periode durchsichtiger, bläulicher zu sein als beim gewöhnlichen Gange;
der Process verläuft bei gleichem Gange des Gebläses langsamer, das
Erlöschen der Flamme am Ende des Blasens findet allmählicher statt.
Da das Bad sich in einem ausserordentlich dünnflüssigen Zustande
befindet, ist das Geräusch während der Kochperiode weniger heftig,
und das Manometer an der Windleitung zeigt schwächere Windspan-
nung, sofern das Gebläse nicht mehr Umgänge als bei gewöhnlichem
Gange zurücklegt. Bei Spiegeleisenzusatz ist die Flammenentwickelung
heftig, die Flamme lang und spitz. Im Uebrigen werden die Kenn-
zeichen des heissen Ganges unter verschiedenen Betriebsverhältnissen
kaum immer genau dieselben sein; die Abweichungen in der Zusam-
mensetzung des Roheisens werden z. B. auch hier verschiedene Merk-
male hervorrufen können.


Dass man durch Einwerfen von Schienenenden und dergleichen die
bei dem heissen Gange stattfindende übermässige Wärmeentwickelung
nutzbar zu machen pflege, wobei zugleich die Einflüsse desselben auf
die Beschaffenheit des Enderzeugnisses (allzu hoher Siliciumgehalt)
abgemindert werden, wurde schon oben erwähnt.


Bei dem kalten Gange zeigt sich schon von vornherein der Ein-
fluss der dickflüssigeren Beschaffenheit des Bades. Dicke Funken,
[910]Die Darstellung des Flusseisens.
Eisenkügelchen, werden in der ersten Periode aus dem Halse der Birne
herausgeschleudert; der Wind findet stärkeren Widerstand, der Gang
des Gebläses verlangsamt sich, die Windspannung steigt; an den
Windröhren bilden sich Ansätze erstarrten Metalles. Da in der niederen
Temperatur des Bades die Kohlenstoffverbrennung später beginnt und
da die zugeführte Windmenge wegen der höheren erforderlichen Wind-
spannung geringer ist, entwickelt sich die eigentliche Kochperiode lang-
samer als beim regelmässigen Gange, die Gaarperiode dauert nur kurze
Zeit und die Flamme erlischt plötzlich. Kippt man nun die Birne um,
so zeigt die Schlacke dickflüssige Beschaffenheit und setzt sich an
den Wänden fest; die Flamme bei Spiegeleisenzusatz ist schwach, die
Gasentwickelung unbedeutend. Das Eisen selbst fliesst matt und erstarrt
rasch; mitunter versetzt sich die Ausflussöffnung aus der Giesspfanne
mit starr gewordenem Metalle, und man ist gezwungen, die Entleerung
durch Kippen zu bewirken.


Merkmale zur Beurtheilung des Processes.

Damit der Process rechtzeitig unterbrochen werde, ist es wichtig,
Merkmale zu besitzen, an denen der Zeitpunkt mit Sicherheit erkannt
werden kann, wo die Entkohlung den gewünschten Grad erreicht hat.


Wie aus der vorstehenden Beschreibung des Verlaufes des Besse-
merprocesses sich ergiebt, liefert in allen den Fällen, wo eine annähernd
völlige Entkohlung beabsichtigt ist, das Erlöschen der Flamme ein ziem-
lich sicheres Merkmal für das Eintreten dieses Zeitpunktes. Schwieriger
ist die Erkennung des richtigen Zeitpunktes, wenn entweder die Ent-
kohlung schon vorzeitig unterbrochen werden soll (beim schwedischen
Processe und den Uebergängen desselben zum deutschen) oder wenn
ein Nachblasen erforderlich ist (beim basischen Processe).


In dem ersteren Falle benutzt man vielfach das Spectroskop zur
Erreichung des Zieles.1) Ein kleines Taschenspectroskop reicht für
diesen Zweck aus. Die Anwendung desselben beruht auf dem Um-
stande, dass unter sonst gleichen Verhältnissen auch die Erschei-
nungen und ihr Wechsel stets dieselben bleiben, welche man bei Be-
obachtung der Bessemerflamme mit dem Spectroskope gewahrt. Hat
man also einmal ermittelt, welches Ansehen das Spectrum in dem
Augenblicke besitzt, wo die Entkohlung den gewünschten Grad erreicht
hat, so ist es nicht schwer, in allen künftigen Fällen genau diesen Zeit-
punkt anzugeben, sobald man wiederum die Vorgänge mit dem Spec-
troskope verfolgt. Wie ersichtlich ist, bedarf es zur Benutzung des
Spectroskopes für diesen Zweck keineswegs einer wissenschaftlichen
Vorbildung; auch der Arbeiter, der die Ventile zum Kippen der
Birne und zum Abstellen des Windes handhabt, lernt sehr bald die
Benutzung desselben. Der Versuch, für die verschiedenen Erschei-
nungen, die sich bei Benutzung des Spectroskopes dem Auge dar-
bieten, die Erklärung zu liefern, ist zwar verschiedentlich gemacht
[911]Der Bessemer- und der Thomasprocess.
worden, ohne dass jedoch die Frage als vollständig gelöst betrachtet
werden könnte.1)


Bei der Anwendung des Spectroskopes für den in Rede stehenden
Zweck darf man nicht vergessen, dass verschiedene Roheisensorten bei
ihrer Verarbeitung auch verschiedene Merkmale liefern können, man
also auch nur so lange vor Irrthümern geschützt ist, als dieselbe Roh-
eisensorte verarbeitet wird.


Beim Beginne des Blasens zeigt sich, so lange die Flamme noch
wenig leuchtet, regelmässig ein schwaches ununterbrochenes Spectrum
ohne helle Linien. Steigt die Temperatur, so wird das Spectrum deut-
licher, breitet sich aus, und nun mit einem Male blitzt eine gelbe Linie
(Natriumlinie) auf, deutlich sich abhebend. Anfänglich erscheint und
verschwindet sie rasch mehrmals hinter einander, alsdann wird sie heller
und bleibt beständig. Ausser der einen starken gelben Linie erscheinen
häufig mehrere schwächere neben derselben. Nach der Natriumlinie
tritt gewöhnlich links davon eine Linie in Roth auf, unter Umständen
auch mehrere rothe Linien, rechts grüne Linien, noch weiter rechts
blaue. Letztere entstehen, wie es scheint, nicht regelmässig, sondern
nur bei einzelnen Roheisensorten.


In der umgekehrten Reihenfolge, als die Linien erschienen, ver-
schwinden sie wieder, d. h. die zuletzt erschienenen verschwinden zuerst;
aber die Periode des Verschwindens, welches während des Gaarfrischens
eintritt, verläuft rascher als das Erscheinen. Zuletzt bleibt noch die
gelbe Natriumlinie. Soll der Process bei bestimmtem Kohlenstoffgehalte
des Bades unterbrochen werden, so giebt gewöhnlich das Verschwinden
der einen oder anderen dieser Linien das Merkmal dafür an.


Bei dem basischen Processe lässt sich, wenn die Kohlenstoffver-
brennung beendet ist, die erforderliche Zeit für das Nachblasen mit
Hilfe der Uhr bestimmen; oder, was noch sicherer sein dürfte, man
versieht die Gebläsemaschine mit einem Hubzähler und bläst so lange,
als bis die durch Erfahrung als zweckentsprechend befundene Anzahl
Hübe zurückgelegt ist.


Auch bei Benutzung des Spectroskopes pflegt man jedoch — be-
sonders bei Unterbrechung des Processes vor beendigter Entkohlung —,
ehe der Zusatz von Spiegeleisen oder Eisenmangan gegeben wird, Proben
des erblasenen Eisens wie der Schlacke zu nehmen, um sich von der
Beschaffenheit desselben zu überzeugen. Das Verfahren dabei ist im
Wesentlichen das nämliche wie es schon bei Besprechung des Martin-
processes beschrieben wurde. Das Aeussere der Schlacken ist auch
beim Bessemerprocesse verschieden, je nachdem man ein mangan-
ärmeres oder manganreicheres Roheisen verarbeitete, und je nachdem
die Entkohlung vorzeitig unterbrochen oder annähernd vollständig durch-
geführt wurde; eben der letztere Umstand aber, der grössere Eisen-
gehalt der Schlacke bei stärkerer Entkohlung und die durch diesen
grösseren Eisengehalt hervorgerufene Schwarzfärbung, giebt unter
übrigens gleichen Verhältnissen gewöhnlich ein ziemlich sicheres Merk-
mal für den Grad der stattgehabten Entkohlung.


[912]Die Darstellung des Flusseisens.

Auf vielen Werken begnügt man sich, neben der Besichtigung
der Schlacke eine Kügelchenprobe anzustellen, wie sie beim Martin-
processe beschrieben wurde.


Erwähnt wurde bereits, dass bei dem basischen Processe es üblich
sei, Schmiede- und Bruchproben mit einem vor Spiegeleisenzusatz ge-
gossenen kleinen Blocke anzustellen, um den Nachweis über die statt-
gehabte Entphosphorung zu erlangen.


Wie bei anderen Processen hat man beim Bessemern verschiedent-
lich versucht oder vorgeschlagen, durch Zuschläge theils die Beschaffen-
heit des Enderzeugnisses zu verbessern, theils die Verwendung eines
siliciumärmeren Roheisens zu ermöglichen. Ausser dem für die Durch-
führung des basischen Processes erforderlichen Kalksteinzuschlage hat
keiner dieser Zuschläge einen derartigen Erfolg gehabt, dass man
Veranlassung zu fortgesetzter Anwendung desselben gefunden hätte;
und die Eigenthümlichkeiten des Bessemerprocesses machen es sehr
unwahrscheinlich, dass überhaupt eine Verbesserung des Verfahrens
auf diesem Wege zu erreichen sein werde.1)


Auch erhitzter Gebläsewind statt des kalten ist versuchsweise zur
Anwendung gekommen. Es zeigte sich dabei, dass man zwar durch
Erhitzung des Windes die Möglichkeit erlange, ein siliciumärmeres
Roheisen für den Process zu verwenden, dass aber trotzdem die weit
raschere Zerstörung des Birnenbodens im Vereine mit den Mehrkosten
der Winderhitzung das Verfahren nicht als zweckmässig erscheinen liess.2)


Die Betriebsergebnisse.

Der Brennstoffverbrauch in den Cupolöfen zum Schmelzen des für
den Bessemerprocesss bestimmten Roheisens pflegt etwas höher zu sein
als in Giessereicupolöfen und beziffert sich gewöhnlich auf 150—200 kg
per t ungeschmolzenes Roheisen, abweichend nach der Einrichtung des
Ofens, der Beschaffenheit der Koks und der erforderlichen Ueber-
hitzung.


In Flammöfen mit Siemensfeuerung pflegt man 300—400 kg Stein-
kohlen oder 450—550 kg Braunkohlen zum Schmelzen einer Tonne
Roheisen zu bedürfen (vergl. S. 618).


Bei Verarbeitung des Roheisens unmittelbar aus dem Hochofen
fällt natürlich der Brennstoffverbrauch zum Umschmelzen weg.


Der Eisenverlust (Abgang) beim Bessemern ist theils von der
chemischen Zusammensetzung des Roheisens theils von der Art des
Processes abhängig. Ein Theil dieses Abganges entsteht durch den
mechanischen Verlust beim Herausschleudern von Eisenkörnchen wäh-
rend der Kochperiode. Bei dem sauren Processe beziffert sich der
Abgang durchschnittlich auf 12 Proc., so dass ein Ausbringen an Guss-
[913]Der Bessemer- und der Thomasprocess.
blöcken gleich 88 Proc. des Roheisengewichtes erfolgt; steigt aber in
einzelnen Fällen bis auf 16 Proc. und fällt in anderen bis auf 10 Proc.
Beim basischen Processe ist der Abgang wegen des infolge des Nach-
blasens grösseren Eisenverlustes etwas beträchtlicher und beziffert sich
auf durchschnittlich 15 Proc.; also Ausbringen an Gussblöcken 85 Proc.


Bei der Arbeit unmittelbar aus dem Hochofen wird der Abgang
gewöhnlich 2—3 Procente weniger betragen als bei vorausgehendem
Umschmelzen im Cupol- oder Flammofen. Zwar ist die Gesammt-
menge des austretenden Mangan- und Kohlenstoffgehaltes in beiden
Fällen annähernd dieselbe; aber eine Oxydation metallischen Eisens
findet doppelt statt, wenn das Roheisen umgeschmolzen wird; und für
den sauren Process ist in letzterem Falle ein siliciumreicheres Roheisen
nothwendig als bei der Arbeit aus dem Hochofen, damit der Silicium-
verlust, welcher beim Umschmelzen stattfindet, gedeckt werde. Auch
kleine mechanische Verluste sind beim Umschmelzen unvermeidlich.


Die Leistungsfähigkeit einer Bessemerbirne, beziehentlich einer
Bessemerhütte, hängt, sofern die Beschaffung der ausreichenden Menge
flüssigen Roheisens gesichert ist, vornehmlich ab von der Haltbarkeit
des Futters, der Geschwindigkeit, mit welcher ein schadhaft gewordenes
Futter reparirt, ein unbrauchbar gewordener Boden ausgewechselt
werden kann, und von der Möglichkeit, die zur Aufnahme des erzeugten
Metalles dienenden Gussformen rechtzeitig aufzustellen und rechtzeitig
wieder zu entfernen. Was sich in dieser Beziehung erreichen lässt,
haben die Nordamerikaner gezeigt. Während man in Bessemerhütten
mit zwei bis drei Birnen noch bis gegen die Mitte der siebenziger Jahre
selten mehr als 12—18 Einsätze im Laufe von 24 Stunden verarbeitete,
die Verarbeitung von 24 Einsätzen aber schon als eine ausserordent-
liche Leistung betrachtete, hat man seit jener Zeit in den Vereinigten
Staaten die Leistung zweier Birnen theilweise auf 60 und mehr Einsätze
per Tag gesteigert. So z. B. wurden auf den Cambria Ironworks im
Jahre 1880 im Ganzen 19612 Einsätze, täglich also durchschnittlich
etwa 66 Einsätze, im Januar 1881 täglich sogar 80 Einsätze ver-
arbeitet; bei einem Fassungsraume der Birnen von 6½ t betrug das
Gewicht des im Jahre 1880 verarbeiteten Roheisens 126194 t, täglich
also etwa 420 t, während sowohl in dem genannten als in anderen
amerikanischen Eisenwerken an einzelnen Tagen mitunter mehr als
600 t Blöcke erzeugt wurden. Im Ganzen lieferte Nordamerika 1881
in 24 Birnen 1374248 t, durchschnittlich per Birne 56500 t, England
dagegen in 82 Birnen 1441719, also durchschnittlich per Birne nur
17582 t. Diese ausserordentlich grossen Leistungen der amerikanischen
Werke sind nur möglich geworden durch die Vervollkommnung aller
maschinellen Apparate, entsprechende Grösse des Giessraumes, An-
wendung von Birnen mit leicht auswechselbaren Böden und Anordnung
aller für Hilfsarbeiten — Reparatur der Birnen u. s. w. — dienenden
Räumlichkeiten in solcher Weise, dass der Betrieb der eigentlichen
Bessemer- und Giesshütte nicht durch jene Arbeiten gestört wird.


Dennoch darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass die Er-
zielung so grosser Leistungen auf die Dauer nur dann möglich sein
kann, wenn auch die Verwendung des erzeugten Eisens gesichert ist.
Europäische Bessemerhütten aber dürften, auch wenn sie mit allen
[914]Die Darstellung des Flusseisens.
Hilfsmitteln zur Darstellung so grosser Mengen Bessemereisen ver-
sehen wären, doch vorläufig nur sehr ausnahmweise die lohnende Ver-
wendung dafür finden können.


Die Arbeiter einer Bessemerhütte bestehen aus den Schmelzern an
den Schmelzöfen nebst ihren Gehilfen, den Arbeitern zur Wartung der
Birnen, zur Bedienung der Giessgrube (Aufstellung der Gussformen,
Fortschaffen der Blöcke u. s. w.), zur Reparatur der Giesspfanne und
Birnen u. a. m. Beispielsweise beschäftigte ein westdeutsches Eisen-
werk im Jahre 1882 bei dem Betriebe zweier Birnen für den basi-
schen Process im Ganzen 84 Mann; hierunter befanden sich 16 Mann,
welche lediglich für den Betrieb und die Reparaturen der Schmelzöfen
bestimmt waren (einschliesslich vier Maurer), 5 Mann bei den Birnen,
18 Mann für die Bedienung der Giessgrube und die Entfernung der
Schlacken, 28 Mann zur Herstellung der Birnenfutter und Böden;
13 Mann zur Bedienung der Brennöfen für Kalkstein und Dolomit,
Mahlen des letzteren, u. s. f.


Auf den Kopf der in der Bessemerhütte beschäftigten Arbeiter
bezogen beziffert sich die Jahreserzeugung der amerikanischen Werke
auf etwa 555 t, diejenige der europäischen auf 420 t. 1) Die per t
gezahlten Löhne betragen bei verschiedenen Werken 3.5—8 ℳ


Der Steinkohlenverbrauch für die Heizung der Dampfkessel pflegt
250—500 kg per t erzeugten Eisens zu betragen, abweichend vor-
nehmlich nach der Höhe der Gesammterzeugung an Eisen wie nach
der Construction der Dampfkessel und Dampfmaschinen.


Aus den Ausgaben für Roheisen, Brennstoff, Löhnen unter Hin-
zurechnung der Kosten für feuerfeste Materialien wie der sogenannten
Insgemeinkosten (S. 561) und beim basischen Processe der Kosten für
den Kalkzuschlag lassen sich die Selbstkosten des Bessemereisens zu-
sammenstellen. Jene Insgemeinkosten werden gewöhnlich annähernd
den Betrag der Löhne ausmachen. Vergleicht man die Kosten des
älteren (sauren) Bessemerprocesses mit denen des basischen, so ergiebt
sich, dass den höheren Kosten des für den erstgenannten Process
erforderlichen siliciumreichen und phosphorarmen Roheisens bei dem
basischen Processe gegenüberstehen die Mehrkosten für Kalk, für das
kostspieligere basische Futter, für den höheren Abbrand und für Löhne,
welche die Mehrarbeit für Einbringen des Kalkes, Beseitigung der
Schlacken u. s. w. verursacht. Im Ganzen pflegen diese Kosten 4—6 ℳ
per t erzeugten Eisens zu betragen; hierzu kommt in der Jetztzeit die
Patentgebühr.


Je niedriger daher in einem Lande der Preis des phosphorreichen,
für den Thomasprocess geeigneten Roheisens im Vergleiche zu dem
des phosphorarmen Bessemerroheisens ist, desto triftiger ist die Ver-
anlassung zur Einführung des basischen Verfahrens.


[915]Der Bessemer- und der Thomasprocess.
Chemische Untersuchungen.

Der Umstand, dass bei Erfindung des Bessemerprocesses die ana-
lytische Chemie bereits zu hoher Vollkommenheit ausgebildet war und
man die Wichtigkeit chemischer Untersuchungen für die Beurtheilung
und Leitung metallurgischer Processe vollkommen erkannt hatte, wäh-
rend anderntheils das neue Verfahren von Jahr zu Jahr an Bedeutung
zunahm, erklärt es, dass die Zahl der chemischen Untersuchungen,
welche über den Verlauf gerade dieses Processes (einschliesslich des
Thomasprocesses) angestellt wurden, ziemlich erheblich ist. In Folgen-
dem sollen einige dieser Untersuchungen, deren Ergebnisse besonders
charakteristisch für bestimmte Arten des Processes sind, mitgetheilt
werden.


Eisenuntersuchungen.

1. Englischer Process. Einsatz, auf dem Werke von John
Brown
in Sheffield in den siebenziger Jahren verarbeitet. Analysen
von E. Barker.1)


Figure 198. Fig. 266.

[916]Die Darstellung des Flusseisens

Der Verlauf kennzeichnet deutlich den englischen Process mit sehr
siliciumreichem, aber nur wenig überhitztem und manganarmem Roh-
eisen. Kohlenstoff verbrennt anfänglich gar nicht; erst nachdem die
Temperatur des Bades durch Verbrennung von mehr als 1.25 Proc.
Silicium erheblich gesteigert ist, beginnt auch die Kohlenverbrennung.
Stellt man die Analysenreihe graphisch dar, wie es schon früher beim
Puddel- und Herdfrischprocess geschehen ist, so erhält man die in
Fig. 266 auf S. 915 verzeichneten Curven.


Ganz ähnliche Ergebnisse erhielt Kessler bei zwei auf einem
norddeutschen (nicht näher bezeichneten) Eisenwerke im Anfange der
siebenziger Jahre angestellten Untersuchungen.1) Die eine dieser Ana-
lysenreihen, welche durch einen erheblich höheren Mangangehalt des
verarbeiteten Roheisens sich von der oben mitgetheilten unterscheidet,
ist folgende:

Beachtenswerth ist die Zunahme des Siliciumgehaltes nach Spiegel-
eisenzusatz. Obgleich eine Analyse des Spiegeleisens nicht mitgetheilt
ist, so unterliegt es kaum einem Zweifel, dass diese Zunahme auf einer
Siliciumreduction aus der Schlacke oder dem Birnenfutter durch Mangan
beruhe. Die hohe Temperatur, welche das Bad durch die reichliche
Verbrennung von Silicium erhalten hat, muss diese Reduction erheb-
lich befördert haben, während aus derselben Ursache der Kohlenstoff
des Zusatzes grossentheils durch den im Bade anwesenden Sauerstoff
verbrannt wurde und die Kohlenstoffanreicherung nur unerheblich ist.


2. Als Beispiel für den Verlauf des Processes bei Verarbeitung
eines weniger siliciumreichen Roheisens, aber starker Ueberhitzung
desselben im Schmelzofen, den sogenannten deutschen Process
[917]Der Bessemer- und der Thomasprocess.
möge zunächst folgende, von Müller auf dem Stahlwerk Osnabrück
genommene Analysenreihe dienen.1) Der Einsatz bestand aus 70 Theilen
Georgsmarienhütter und 30 Theilen Cumberländer Roheisen.


Fig. 267 zeigt die graphische Darstellung dieses Processes, durch
die steil abfallende Kohlenstofflinie und die flachere Siliciumlinie deut-
lich von der oben gegebenen Darstellung des englischen Processes
unterschieden. Der Umstand, dass nach Spiegeleisenzusatz noch einige

Figure 199. Fig. 267.


Zeit (40 Secunden) geblasen wurde, erklärt zur Genüge die Abnahme
des Siliciumgehaltes auch während dieser Periode.


Ebenfalls von Müller2) wurde folgender Verlauf des Processes
auf der Gussstahlfabrik Bochum gefunden.


[918]Die Darstellung des Flusseisens.

Hier ist der Siliciumgehalt noch geringer als in dem vorigen Bei-
spiele; da aber ein Nachblasen nach Spiegeleisenzusatz nicht stattfindet,
zeigt sich auch hier, wie bei der oben mitgetheilten Untersuchung von
Kessler eine Anreicherung des Siliciumgehaltes durch die Einwirkung
des zugesetzten Manganes auf das Birnenfutter. Eine graphische Dar-
stellung dieses Processes würde ganz ähnliche Linien wie Fig. 267
ergeben.


3. Als Beispiel des schwedischen Processes, jedoch unter
Anwendung eines Spiegeleisenzusatzes am Ende des Blasens, kann

Figure 200. Fig. 268.


[919]Der Bessemer- und der Thomasprocess.
folgende Analysenreihe eines auf dem schwedischen Eisenwerke Sand-
viken im Jahre 1877 verarbeiteten Einsatzes dienen.1)


Fig. 268 zeigt den Verlauf in graphischer Darstellung. Der Ver-
lauf des reinen schwedischen Processes ohne Spiegeleisenzusatz würde
im Wesentlichen der nämliche gewesen sein. Silicium und Mangan
sind schon bis auf sehr kleine Mengen verschwunden, als der Kohlen-
stoffgehalt noch 1.30 beträgt, und der Process hätte von hier an jeder-
zeit unterbrochen werden können; aber der ausserordentlich rasche
Verlauf desselben würde es doppelt erschwert haben, einen bestimmten
höheren Kohlenstoffgehalt genau inne zu halten. Auch als schliesslich
das Blasen eingestellt wird, enthält das Eisen noch 0.33 Proc. Kohlenstoff.


4. Für den Verlauf des Thomasprocesses mögen die Ergeb-
nisse zweier von Finkener angestellter Untersuchungen als Beispiele
dienen.2)


Bei der Verarbeitung eines Einsatzes in Hoerde im December 1879
ergab sich:

Die Analysenreihe ist besonders auch wegen des hohen Schwefel-
gehaltes des verarbeiteten Roheisens interessant. Es zeigt sich, dass bei
dem basischen Processe der Schwefelgehalt zum Theile ausgeschieden
wird, dass jedoch diese Ausscheidung erst gegen Ende des Processes
— vermuthlich durch die Steigerung der Temperatur des Eisenbades
begünstigt — eintritt. Weniger deutlich zeigt sich bei den früher mit-
getheilten Analysen des sauren Processes die Schwefelabminderung.
[920]Die Darstellung des Flusseisens.
Wie aus den (unten folgenden) Analysen der Schlacken des basischen
Processes sich ergiebt, wird der Schwefel grossentheils von diesen und
zwar im nicht oxydirten Zustande aufgenommen.


Figure 201. Fig. 269.

Fig. 269 zeigt graphisch den Verlauf des soeben besprochenen
Processes.


Bei der Verarbeitung eines Einsatzes auf den Rheinischen Stahl-
werken bei Ruhrort im December 1879 ergab sich:

Die Analysenreihe verdient des hohen Siliciumgehaltes des ver-
arbeiteten Roheisens halber Beachtung. Es zeigt sich, dass in diesem
Falle, wie bei dem englischen sauren Processe, die Kohlenstoffver-
brennung nicht sogleich beim Beginne des Blasens, sondern erst dann
ihren Anfang nimmt, wenn der grösste Theil des Siliciums ausge-
schieden ist. Während aber bei dem englischen Processe die Ursache
[921]Der Bessemer- und der Thomasprocess.
dieser Erscheinung vornehmlich in der niedrigen Anfangstemperatur
zu suchen ist, welche bei Gegenwart grösserer Mengen Silicium die
Verbrennung von Kohlenstoff erschwert, beruht sie in dem vorliegen-
den Falle zweifellos in der Anwesenheit stark basischer Schlacken,
welche ein starkes Vereinigungsbestreben zur Kieselsäure besitzen und
somit auch die Verbrennung des Siliciums beschleunigen.


Von dem Schwefelgehalte des Eisens wird auch hier ein Theil,
etwa ein Drittel, abgeschieden.


Der Umstand, dass bei der Verarbeitung des Einsatzes auf den
Rheinischen Stahlwerken der Phosphorgehalt schliesslich trotz des
niedrigeren Kohlenstoffgehaltes höher ist als in Hörde, erklärt sich zum
grössten Theile aus der unten mitgetheilten Zusammensetzung der End-
schlacke; die Hörder Schlacke war, jedenfalls infolge eines verhältniss-
mässig reichlicheren Kalkzuschlages, phosphorärmer und vermochte des-
halb auch kräftiger entphosphorend zu wirken.


Schlackenuntersuchungen.

Die Eigenthümlichkeiten des Bessemerprocesses legen von vorn
herein die Schlussfolgerung nahe, dass die Schlacken desselben erheb-
lich eisenärmer sein müssen als diejenigen anderer, in niedrigerer
Temperatur verlaufender Frischprocesse (Puddeln, Herdfrischen). Die
ausserordentlich hohe Temperatur in der Bessemerbirne steigert die
Verwandtschaft des Kohlenstoffes zum Sauerstoff in einem Maasse, dass
trotz des grossen Ueberschusses an metallischem Eisen die Verbrennung
desselben nicht sehr bedeutend ist, so lange noch Kohlenstoff ver-
brennen kann; beim sauren Processe kommt hinzu, dass die entstehende
Schlacke stets Gelegenheit findet, Kieselsäure aus dem Birnenfutter auf-
zulösen, wodurch also der Procentgehalt an Eisen in der Schlacke
erniedrigt werden muss; beim basischen Processe wirkt die grosse
Menge des zugeschlagenen Kalkes verdünnend auf den Eisengehalt und
zugleich erschwert die basische Beschaffenheit der Schlacke und des
Birnenfutters die Oxydation von Eisen, bei welcher eine fernere An-
reicherung des schon reichlich vorhandenen Basengehaltes stattfinden
müsste. Im Wesentlichen sind die Einflüsse, von deren Zusammen-
wirken die Zusammensetzung der Schlacken abhängt, denen ähnlich,
welche für die Schlackenbildung des Martinprocesses maassgebend sind:
eine hohe Temperatur während des Processes, ein hoher Kohlenstoff-
gehalt des fertigen Eisens und ein hoher Mangangehalt des Einsatzes
bewirken eine Erniedrigung des procentalen Eisengehaltes der Schlacken.
Immerhin müssen die Bessemerschlacken bei gleicher Zusammensetzung
des Enderzeugnisses fast immer eisenärmer sein als die Martinschlacken.
Die Schlackenmenge des Bessemerprocesses, bei welchem nur Roheisen
verarbeitet wird, und der Mangangehalt dieser Schlacken ist beträcht-
licher; das oxydirte Eisen wird stärker als beim Martinprocesse durch
fremde Körper verdünnt, sein Procentgehalt in der Schlacke fällt
niedriger aus.


Die geringe Beständigkeit des Eisenoxydes Fe2 O3 in hoher Tempe-
ratur gegenüber der Kieselsäure und gegenüber reducirenden Ein-
flüssen (selbst die Berührung mit metallischem Eisen kann als solcher
Ledebur, Handbuch. 59
[922]Die Darstellung des Flusseisens.
gelten, auch wenn man von der Einwirkung des Kohlenstoffgehaltes
absieht) erklärt es zur Genüge, dass fast nur das Eisenoxydul Fe O in
den Bessemerschlacken des sauren Processes gefunden wird. In den
Schlacken des basischen Processes tritt neben dem Oxydul auch das
Oxyd auf; ob aber dasselbe nicht theilweise erst bei der Erkaltung der
Schlacken durch Sauerstoffaufnahme gebildet sei, erscheint zweifelhaft.
Die stark basische Beschaffenheit dieser Schlacken macht eine stärkere
äussere Einwirkung des Sauerstoffes auf das bereits in der Schlacke
enthaltene Oxydul wohl erklärlich.


Bei der Verarbeitung eines ziemlich stark überhitzten Einsatzes
mit 0.49 Proc. Mangan und 2.39 Proc. Silicium — also jedenfalls in
sehr hoher Temperatur verlaufend — und bei Darstellung eines Stahles
mit 0.37 Proc. Kohlenstoff und 1.17 Proc. Mangan auf den Bethlehem
Eisenwerken in Pennsylvanien fand King folgende Zusammensetzung
der Schlacken in den verschiedenen Stadien des Processes 1):

Dagegen besassen die Schlackenproben bei der Verarbeitung eines
Einsatzes mit nur 1.96 Proc. Silicium, aber 3.46 Proc. Mangan und
bei Darstellung eines Enderzeugnisses mit 0.23 Proc. Kohlenstoff und
0.14 Proc. Mangan auf dem Eisenwerke Neuberg im Jahre 1866 folgende
Zusammensetzung.2) Die Reihenfolge ist dieselbe, in welcher die Proben
entnommen wurden.


[923]Der Bessemer- und der Thomasprocess.

Hier war die Temperatur in der Birne entschieden niedriger als
bei dem vorigen Falle, während dort der Kohlenstoff- und Mangan-
gehalt des Enderzeugnisses beträchtlich höher war; es erklärt sich hier-
aus leicht der grössere Eisengehalt der Neuberger Schlacke trotz des
beträchtlichen, die Verbrennung des Eisens behindernden Mangan-
gehaltes des Roheisens, welcher rasch oxydirt und von der Schlacke
aufgenommen wird. Eine beträchtliche Anreicherung des Eisengehaltes
der Schlacke tritt in beiden Fällen naturgemäss ein, nachdem der
grösste Theil des Silicium-, Kohlenstoff- und Mangangehaltes verbrannt
ist; die gesammte Schlackenmenge wird durch das Hinzutreten des
Eisenoxyduls vermehrt und der Kieselsäuregehalt der Schlacke sinkt.


Als drittes Beispiel möge die Zusammensetzung der Schlacken
des schwedischen Processes
dienen, welche mit den Eisenproben,
deren Zusammensetzung auf S. 919 mitgetheilt ist, genommen wurden.
Die Schlacken enthielten 1):


Die Endschlacke nach Spiegeleisenzusatz wurde leider nicht
untersucht.


Der Mangangehalt des verarbeiteten Roheisens war, wie die er-
wähnte Analyse des letzteren erkennen lässt, erheblich geringer als in
dem Roheisen des vorigen Falles; dass trotzdem der Mangangehalt der
Schlacke ziemlich beträchtlich ausfällt, beweist eben, dass die gesammte
Schlackenmenge gering gewesen sein muss. Der Eisengehalt ist gerade
wegen des geringen Mangangehaltes beträchtlich; eine deutliche Ab-
nahme aber ist in der zweiten Probe erkennbar, wo das Bad infolge
der stattgehabten Verbrennung des Siliciums und Mangans seine höchste
Temperatur erreicht hat, der Kohlenstoffgehalt des Eisens aber noch
ziemlich beträchtlich ist (1.3 Proc.).


Schwieriger als bei dem sauren Processe ist es bei dem basischen,
Schlackenproben von durchschnittlich richtiger Zusammensetzung wäh-
rend des Processes zu bekommen, da der reichlich zugeschlagene Kalk
erst allmählich wirklich verschlackt wird, der gebildeten Schlacke aber
grossentheils mechanisch in grösseren oder kleineren Stücken ein-
gemengt bleibt. Dieses Verhalten des Kalkes erklärt es auch, dass die
wirklich gebildete Schlacke im Anfange des Processes verhältnissmässig
reich ist an Kieselsäure; erst nach und nach wird mehr Kalk ver-
schlackt; aber gleichzeitig beginnt dann die Bildung und Verschlackung
59*
[924]Die Darstellung des Flusseisens.
der Phosphorsäure, die Schlackenmenge wird grösser, und so kommt
es, dass zwar der Kieselsäuregehalt der Schlacke immer geringer wird,
der Kalkerdegehalt aber trotz der fortschreitenden Verschlackung des
Kalkes keine sehr beträchtliche Anreicherung erkennen lässt.


Finkener fand bei der Verarbeitung des Einsatzes in den Rheini-
schen Stahlwerken, dessen Veränderungen durch die auf S. 920 mit-
getheilten Analysen veranschaulicht wurden, folgende Zusammensetzung
der zugehörigen Schlacken:

Der Schwefel war selbstverständlich nicht als solcher im freien
Zustande, sondern in Vereinigung mit Calcium oder Mangan zugegen;
von der gefundenen Kalkerde beziehentlich dem Manganoxydul würde
also eine äquivalente Menge für diese Verbindung in Abzug zu
bringen sein.


Schwefelsäure findet sich neben dem Schwefelmetalle ziemlich regel-
mässig in den Schlacken des basischen Processes. Der Umstand, dass
die Sulfate in sehr hoher Temperatur sämmtlich unter Austreibung des
Schwefelsäureanhydrits zersetzt werden, legt die Vermuthung nahe, dass
diese gefundene Schwefelsäure erst bei der Erkaltung der Schlacken unter
Einwirkung der Luft entstanden sei.


Der Phosphorsäuregehalt beträgt am Ende des Blasens 18 Proc.
und fällt nach Spiegeleisenzusatz auf 17 Proc. Es dürfte dieses der
höchste Phosphorsäuregehalt sein, welcher neben dem Kieselsäure-
gehalt von etwa 12 Proc. in der Schlacke zugegen sein konnte, worauf
auch die nicht ganz unbeträchtliche Menge des in dem Eisen zurück-
gebliebenen Phosphors hindeutet (vergl. die betreffenden Analysen auf
S. 920). Bei dem in Hörde verarbeiteten Einsatze, dessen Zusammen-
setzung in den verschiedenen Stadien des Processes ebenfalls auf
S. 919 mitgetheilt wurde, enthielt die Endschlacke neben 11.47 Proc.
Kieselsäure nur 12.11 Proc. Phosphorsäure; das Verhältniss des zuge-
schlagenen Kalkes zu dem im Eisen anwesenden Silicium und Phos-
phor war jedenfalls günstiger und daher auch die Entphosphorung voll-
ständiger, wie schon oben hervorgehoben wurde.


Verarbeitet man siliciumärmere und phosphorreichere Roheisen-
sorten, so kann der Phosphorsäuregehalt der Schlacke nicht unerheb-
lich über obiges Maass hinausgehen. Bei Verarbeitung Ilseder Roh-
[925]Der Bessemer- und der Thomasprocess.
eisens mit etwa 3 Proc. Phosphor und nur wenigen Hundertstel Proc.
Silicium auf dem Bessemerwerke zu Peine enthielt die Endschlacke 1):


  • Kieselsäure   2.45
  • Phosphorsäure   22.23
  • Thonerde   2.85
  • Eisenoxyd   5.74
  • Eisenoxydul   15.10
  • Manganoxydul   2.75
  • Kalkerde   45.88
  • Magnesia   1.14
  • Schwefel   0.54
  • Calcium   0.68
  • Schwefelsäure   0.38

Der Phosphorgehalt des fertigen Eisens betrug etwa 0.07 Proc.


Gasuntersuchungen.

Durch die Windöffnungen der Birne wird atmosphärische Luft in
das Eisen geblasen, im Wesentlichen bestehend aus 79 Raumtheilen
Stickstoff und 21 Raumtheilen Sauerstoff, oder auf 100 Raumtheile
Stickstoff 26.5 Raumtheile Sauerstoff enthaltend. Der Stickstoff geht
unverändert durch das Eisen hindurch; der Sauerstoffgehalt wird voll-
ständig oder zum grössten Theile zur Verbrennung von Silicium,
Mangan, Eisen, Kohlenstoff und — beim basischen Processe — Phosphor
verbraucht. Verbrennt Kohlenstoff, so finden sich die Verbrennungs-
gebilde desselben, Kohlenoxyd oder Kohlensäure, in den aus der Birne
entweichenden Gasen neben dem Stickstoff wieder; ein Raumtheil
Kohlensäure enthält die gleiche Raummenge Sauerstoff, ein Raumtheil
Kohlenoxyd die Hälfte. Die Verbrennungserzeugnisse aller übrigen
Körper bleiben in der Birne zurück. Untersucht man also die Zu-
sammensetzung der entweichenden Gase, so liefert das Verhältniss des
in denselben noch enthaltenen, theils freien, theils mit Kohlenstoff
chemisch vereinigten Sauerstoffes zum Stickstoff ein Bild über das Ver-
halten des durch den Gebläsewind zugeführten Sauerstoffes während
seines Hindurchganges durch das Bad.


Enthielt der Gebläsewind, wie es regelmässig der Fall sein dürfte,
Wasserdampf, so pflegt ein Theil desselben zersetzt zu werden. Den
Beweis dafür erhält man durch den Wasserstoffgehalt der Birnengase,
und zwei Raumtheile dieses Wasserstoffes entsprechen einem Raum-
theil Sauerstoff, welcher ebenfalls in den Gasen an Kohle gebunden
oder in der Schlacke enthalten sein muss.


Auch in der Zusammensetzung der Gase wird demnach der Ver-
lauf des Processes sich wiederspiegeln. Diese Zusammensetzung wird
durch die chemische Zusammensetzung des Roheisens, durch die Tempe-
ratur des Bades, durch die Art und Weise der Vertheilung der ein-
tretenden Luft beeinflusst werden. In niedriger Anfangstemperatur,
bei Verarbeitung siliciumarmen Roheisens und bei ungenügender Ver-
theilung des Windes kann es geschehen, dass noch unverzehrter Sauer-
stoff durch das Eisenbad hindurchgeht und neben Kohlensäure, unter
[926]Die Darstellung des Flusseisens.
Umständen sogar neben Kohlenoxyd, im Gasgemenge gefunden wird.
Mit der Temperatur steigt aber die Verwandtschaft aller betheiligten
Körper zum Sauerstoff; der freie Sauerstoff verschwindet, die Menge
der Kohlensäure wird geringer, diejenige des Kohlenoxydes beträcht-
licher 1); gleichzeitig erscheint Wasserstoff als Zersetzungserzeugniss des
mitgeführten Wasserdampfes.


War im Anfange des Processes eine eisenoxydulreiche Schlacke
gebildet, so kann in höherer Temperatur während der Kochperiode
Eisen aus derselben durch Kohlenstoff wieder reducirt werden; enthält
nun das Eisenbad in diesem Zeitabschnitte neben Kohlenstoff überhaupt
keine oxydirbaren Körper, so kann wegen jener Reduction von Eisen-
oxydul die in dem Gasstrome gefundene Sauerstoffmenge unter Um-
ständen grösser sein, als die mit dem anwesenden Stickstoff dem Bade
zugeführte.


Die ersten derartigen Untersuchungen wurden von Snelus auf
einem englischen Eisenwerke ausgeführt. 2) Derselbe fand folgende
Zusammensetzung der Gase in verschiedenen Zeitabschnitten (nach
Volumprocenten):

Wendet man die oben erörterte Berechnungsweise für die Ermitte-
lung desjenigen Sauerstoffgehaltes an, welcher in den einzelnen Zeit-
abschnitten im Bade zurückblieb, so ergiebt sich beispielsweise:


Nach 2 Minuten wurde dem Bade Sauerstoff zugeführt


  • durch 90.31 Raumtheile Stickstoff =   23.93 Raumthle.
  • „ 0.00 „ Wasserstoff  0.00 „
  • 23.93 Raumthle.

Die Gase enthielten:


  • freien Sauerstoff   0.51 Raumthle.
  • in 9.12 Raumtheilen Kohlensäure   9.12 „
  • „ 0.06 „ Kohlenoxyd  0.03 „
  • 9.66 „
  • mithin zur Verbrennung von Silicium, Mangan und Eisen
    verbraucht   14.27 Raumthle.

[927]Der Bessemer- und der Thomasprocess.

Dagegen wurde nach 10 Minuten dem Bade Sauerstoff zugeführt:


  • durch 74.83 Raumtheile Stickstoff =   19.8 Raumthle.
  • „ 2.00 „ Wasserstoff  1.0 „
  • 20.80 Raumthle.

Die Gase enthielten:


  • in 3.58 Raumtheilen Kohlensäure   3.58 Raumthle.
  • „ 19.59 „ Kohlenoxyd  9.79 „
  • 13.37 „
  • mithin zur Verbrennung von Silicium, Mangan und Eisen
    verbraucht   7.43 Raumthle.
  • u. s. f.

Tamm untersuchte verschiedentlich die Gase auf zwei schwedi-
schen Eisenwerken. 1) Zu Westanfors ergab sich bei einem derartigen
Versuche während der Verarbeitung eines Einsatzes mit 4.07 Proc.
Kohlenstoff, 4.66 Proc. Mangan, und 1.39 Proc. Silicium folgende Zu-
sammensetzung der Gase zu verschiedenen Zeitabschnitten:

Der Umstand, dass trotz des langsamen Verlaufes des Processes
ununterbrochen freier Sauerstoff durch das Eisenbad hindurchgeht, lässt
auf eine sehr geringe Höhe des Eisenbades in der Birne oder auf eine
sehr ungenügende Vertheilung des Windes, zugleich aber auch auf ziem-
lich niedrige Temperatur des Metalles schliessen. Im Uebrigen zeigt
sich, wie bei der Analysenreihe von Snelus, eine stete Abnahme des
Kohlensäuregehaltes, je weiter der Process fortschreitet. Ein Theil des
eingeblasenen Sauerstoffes wird, wie die Berechnung leicht ergiebt, in
allen Zeitabschnitten zur Bildung nichtflüchtiger Oxyde verbraucht; am
geringsten ist diese Menge während der zweiten Probenahme, am be-
deutendsten während der vierten.


Bei der im Ganzen nur 5½ Minuten währenden Verarbeitung
eines Einsatzes mit 4.34 Proc. Kohlenstoff, 0.66 Proc. Mangan und nur
0.83 Proc. Silicium auf dem Eisenwerke Sandviken dagegen ergab sich:

[928]Die Darstellung des Flusseisens.

Die geringe Menge des freien Sauerstoffes lässt auf eine hohe
Anfangstemperatur schliessen, welche auch wegen des geringen Silicium-
gehaltes des verarbeiteten Roheisens erforderlich gewesen sein wird. Nach
2\frac{2}{4} — 3¾ Minuten wird dieselbe ihren höchsten Stand erreicht haben,
um dann wieder abzunehmen. Es beträgt nämlich nach 2¾ — 3¼
Minuten die Menge des zugeführten Sauerstoffes:


  • durch 64.39 Raumtheile Stickstoff 26.5   17.06 Raumthle.
  • „ 1.68 „ Wasserstoff  0.84 „
  • 17.90 Raumthle.

Die Gase enthielten:


  • freien Sauerstoff   0.12
  • in 4.87 Raumtheilen Kohlensäure   4.87
  • in 28.94 „ Kohlenoxyd  14.47
  • 19.46 „

Die Gase enthielten mehr Sauerstoff als durch den Gebläsewind
zugeführt wurde; d. h. also: ein Theil des in den ersten 2 Minuten
oxydirten Eisens wurde jetzt wieder durch den Kohlenstoffgehalt redu-
cirt, nachdem durch die Verbrennung des anwesenden Siliciumgehaltes
die Temperatur des Eisenbades um etwa 250 Grade gesteigert worden
war. 1) In dem Abschnitte des Processes gegen Beendigung desselben,
wo die zweite Gasprobe genommen wurde, ergiebt dagegen eine gleicher-
weise wie oben angestellte Rechnung, dass die Gase weniger Sauerstoff
enthielten, als dem Bade zugeführt wurde; der Kohlenstoff war seiner
grössten Menge nach verbrannt (das fertige Eisen enthielt nur 0.06 Proc.),
die Temperatur gesunken; jetzt wurde wieder Eisen oxydirt und ver-
schlackt. In der That ergab die Analyse der Endschlacke bei Ver-
arbeitung dieses Einsatzes den hohen Eisenoxydulgehalt von 33.44 Proc.
neben 18.28 Proc. Mangan, 45.04 Proc. Kieselsäure, 2.46 Proc. Thonerde
und Kalk.


Hinsichtlich der übrigen von Tamm auf den genannten Eisen-
werken ausgeführten Untersuchungen möge auf die betreffende Abhand-
lung selbst verwiesen werden. Vorstehende Mittheilungen werden aus-
reichend sein, die Beziehungen zwischen der Zusammensetzung der
Gase und dem Verlaufe des Processes zu erörtern.


Die Erzeugnisse.

Unter allen Flusseisensorten ist das Bessemer- und Thomas-
eisen
dasjenige, welches durchschnittlich am reichsten ist an ein-
geschlossenen Gasen und deshalb auch am schwierigsten dichte Güsse
liefert. Die Eigenthümlichkeiten des Herstellungsverfahrens, die ununter-
brochene Einwirkung stark gepressten, niemals wasserfreien, Windes
auf das flüssige Eisen erklären zur Genüge diese Thatsache. Daher
ist auch die Benutzung dieses Eisens zur Herstellung von Gebrauchs-
gegenständen in Formguss schwieriger als bei dem Martin- und Tiegel-
gussstahlprocesse, und nur sehr ausnahmsweise hat man das Erzeugniss
der Bessemerbirne für diesen Zweck verwendet.


[929]Der Bessemer- und der Thomasprocess.

Mehr als bei dem Martinprocesse ist die Beschaffenheit des fertigen
Eisens oder Stahles von Zufälligkeiten — Anfangstemperatur, Wind-
menge u. s. w. — abhängig, und grösser als dort sind deshalb die
Abweichungen in der Zusammensetzung und den physikalischen
Eigenschaften desselben auch bei scheinbar gleichen Entstehungsver-
hältnissen.


Aus diesen Gründen ist Bessemerstahl weniger noch als Martin-
stahl geeignet, den Tiegelgussstahl bei gewissen, früher schon be-
sprochenen Verwendungen desselben zu ersetzen, wo eben eine genau
geregelte chemische Zusammensetzung und Reinheit von den durch
Gasblasen erzeugten unganzen Stellen die wichtigsten Bedingungen
sind. Für Massenanfertigung gewisser gröberer Gegenstände dagegen
ist das Bessemereisen kaum minder geeignet, als Martineisen; und die
ungeheuere Leistungsfähigkeit des Processes weist gerade auf eine der-
artige Verwendung hin. Die in der Jetztzeit wichtigste und ausgedehn-
teste Verwerthung des Bessemererzeugnisses ist daher die Herstellung
von Eisenbahnschienen und verwandter Gegenstände für den Eisen-
bahnbedarf.


Die Eigenthümlichkeiten des Thomasprocesses, insbesondere das
erforderliche Nachblasen, erklären es, dass bei diesem leichter als bei
dem sauren Processe ein sehr kohlenstoffarmes, zugleich aber auch
siliciumfreies, manganarmes, also sehr reines Eisen sich darstellen lässt,
welches sich durch Zähigkeit und Dehnbarkeit bei geringer Härte, zu-
gleich auch fast immer durch Leichtschweissbarkeit auszeichnet. Man
benutzt dieses kohlenstoffarme Thomaseisen zur Darstellung von Blechen
und anderen Sorten Handelseisen, für welches in früherer Zeit die
besten, phosphor- und schlackenfreiesten Sorten Schweisseisen verwendet
zu werden pflegten.


Von der Schlacke des sauren Processes, deren Menge ohnehin
nicht beträchtlich ist, macht man kaum einen besonderen Gebrauch. 1)
Für die phosphorreichen Schlacken des Thomasprocesses dagegen sind
verschiedene Verwendungsarten vorgeschlagen und theilweise auch
bereits in Anwendung gebracht worden, welche fast alle darauf hinaus-
laufen, Phosphate daraus darzustellen, welche als Düngemittel benutz-
bar sind. Eine Beschreibung der einzelnen Processe für diesen Zweck
würde, als in das Gebiet der chemischen Technologie fallend, um so
weniger in den Rahmen dieses Buches passen, als die Verarbeitung
auch wohl nur ausnahmsweise auf dem Eisenwerke selbst, häufiger in
chemischen Fabriken ausgeführt wird, an welche das Eisenwerk die
Schlacke liefert.


[930]Die Darstellung des Flusseisens.

Literatur.


Ueber die Eigenschaften des Flusseisens und die Erzielung dichter Güsse.


  • Dr. Kollmann, Die Eigenschaften, Darstellung und Verwendung des
    Flusseisens
    . Zeitschr. des Ver. zur Beförderung des Gewerbfleisses 1880,
    S. 211.
  • D. K. Tschernoff, Untersuchungen über die Structur der Stahlingots.
    Zeitschr. d. berg- u. hüttenm. Ver. für Steiermark und Kärnten 1880, S. 307.
  • D. K. Tchernoff, Remarques sur la fabrication et le travail de l’acier.
    Revue universelle, série II, tome I, p. 396.
  • R. M. Daelen, Ueber die Dichtigkeit und Gleichmässigkeit der Fluss-
    eisengüsse
    . Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ingenieure 1882, S. 257.
  • R. M. Daelen, Betrachtungen über Zähigkeit und Homogenität des
    Flusseisens
    . „Stahl und Eisen“ 1882, S. 243.
  • F. C. G. Müller, Ueber die Gasausscheidungen in Stahlgüssen. „Stahl
    und Eisen“ 1882, S. 531.
  • F. C. G. Müller, Neue Experimentaluntersuchungen über den Gasgehalt
    von Eisen und Stahl
    . „Stahl und Eisen“ 1883, S. 443; 1884, S. 69.
  • Brustlein, Ueber Gasausscheidungen im Stahl. „Stahl und Eisen“ 1883,
    S. 250.
  • Die Gaseinschlüsse des Martinprocesses. Oestr. Zeitschr. für Berg- und
    Hüttenwesen 1883, S. 4, 143.
  • Dichte Bessemeringots. Zeitschr. d. berg- und hüttenm. Ver. für Steiermark und
    Kärnten 1880, S. 11.
  • G. J. Snelus, Ueber die Vertheilung der Elemente in Stahlingots. Glaser’s
    Annalen Bd. IX, S. 179.
  • Ed. Richards, Ueber gewisse Eigenschaften des weichen Stahles. Glaser’s
    Annalen Bd. X, S. 271.
  • W. Annable, Ueber das Pressen flüssigen Stahles. Glaser’s Annalen Bd. X,
    S. 270.
  • F. Gautier, Ueber das Pressen des flüssigen Stahles. „Stahl und Eisen“
    1882, S. 385.
  • M. A. Pourcel, Notizen über die Fabrikation dichter Stahlgüsse. „Stahl
    und Eisen“ 1882, S. 492.
  • Die Einrichtungen zur Comprimirung des Stahles in den Barrow-
    werken
    . Zeitschr. d. berg- und hüttenm. Ver. für Steiermark und Kärnten
    1880, S. 329.
  • F. D. Allen, Ueber die Anwendung eines mechanischen Rührwerkes in
    der Fabrikation des Bessemerstahles
    . Glaser’s Annalen Bd. IX, S. 178;
    „Stahl und Eisen“ 1883, S. 342.
  • F. A. Krupp, Verfahren zur Herstellung dichter Güsse. Dingler’s Polyt.
    Journal, Bd. 245, S. 20; Bd. 248, S. 504; „Stahl und Eisen“ 1882, S. 161.
  • Ueber Stahlfaçonguss. „Stahl und Eisen“ 1881, S. 143.
  • W. D. Allen, Bessemerstahl im gegossenen und ungeschmiedeten Zu-
    stande
    . „Stahl und Eisen“ 1883, S. 342.

Ueber Giessvorrichtungen, Gussformen u. s. w.


  • A. Musil, Die hydraulische Einrichtung in den Bessemerhütten. Zeitschr.
    des berg- und hüttenm. Ver. für Steiermark und Kärnten 1877, S. 275, 309;
    Kerpely, Fortschritte der Eisenhüttentechnik, Jahrgang 13 und 14, S. 405.
  • R. Daelen, Die Hydraulik in den Bessemerwerken. Glaser’s Annalen Bd. VII,
    S. 242; Bd. VIII, S. 342.
  • R. M. Daelen, Die Giessvorrichtungen in den Stahlwerken. „Stahl und
    Eisen“ 1882, S. 152.

[931]Literatur.
  • A. Trappen, Neuer Giesskrahn für Bessemerhütten. „Stahl und Eisen“
    1882, S. 405.
  • Ueber Bessemerkrahne. Mittheilungen von R. M. Daelen und F. Wrightson.
    „Stahl und Eisen“ 1883, S. 667.
  • W. Hackney, Designing of ingot moulds for steel rail ingots. The Journal
    of the Iron and Steel Institute 1875, p. 414.

Ueber Flusseisendarstellung aus Erzen.


  • J. v. Ehrenwerth, Zur directen Darstellung von Stahl. Oestr. Zeitschr.
    für Berg- und Hüttenwesen 1882, S. 279.
  • Bulls Iron and Steel direct process. Iron, vol. XXI, p. 89; „Stahl und Eisen“
    1882, S. 325.

Ueber Tiegelgussstahldarstellung.


  • H. Wedding, Die Darstellung des schmiedbaren Eisens. Braunschweig
    1875, S. 606—695.

Ueber den Martinprocess.


  • Fr. Kupelwieser, Studien über den Martinprocess. Jahrbuch der Berg-
    akademieen zu Leoben u. s. w. Bd. XX, S. 396.
  • Fr. Kupelwieser, Studien über den Martinprocess. Oestr. Zeitschr. für
    Berg- und Hüttenwesen 1882, S. 293.
  • A. v. Kerpely, Beitrag zur Kenntniss des Martinstahles. Zeitschr. d. berg-
    und hüttenm. Ver. für Steiermark und Kärnten 1880, S. 1.
  • P. v. Tunner, Zum Martiniren. Zeitschr. d. berg- u. hüttenm. Ver. für Steier-
    mark und Kärnten 1880, S. 395.
  • Der Siemens-Martinprocess zu Terre Noire. Berg- und hüttenm. Ztg. 1878,
    S. 311.
  • A. Barnes, A comparison of certain forms of ports for steel melting
    furnaces
    . Transactions of the American Institute of Mining Engineers,
    vol. IX, p. 48.
  • P. v. Odelsterna, Notizen über die Erzeugung des Martinmetalles.
    Oestr. Zeitschr. f. Berg- und Hüttenwesen 1883, S. 201.
  • Julius Prochaska, Notizen über den Siemens-Martinprocess auf dem
    Grazer Südbahn-Walzwerke
    . Oestr. Zeitschr. f. Berg- und Hüttenwesen
    1883, S. 475; „Stahl und Eisen“ 1883, S. 586.
  • J. v. Ehrenwerth, Ueber Flussstahlerzeugung unter Mitverwendung
    von Erzblooms
    . Zeitschr. des berg- und hüttenm. Ver. für Steiermark und
    Kärnten 1880, S. 296.
  • J. v. Ehrenwerth, Ueber den Martinprocess mit Erzen. Oestr. Zeitschr.
    für Berg- und Hüttenwesen 1882, S. 542.
  • Das Martinstahlwerk zu Alexandrowsky bei St. Petersburg. „Stahl und
    Eisen“ 1882, S. 478; 1883, S. 184.
  • O. T. Tellander, Ueber den basischen Martinprocess auf dem Stahl-
    werke zu Alexandrowsky bei St. Petersburg
    . „Stahl und Eisen“ 1882,
    S. 599.

Ueber den Bessemer- und Thomasprocess.


  • H. Wedding, Die Darstellung des schmiedbaren Eisens. Braunschweig
    1875, S. 333—463.
  • A. Musil, Ueber Bessemergebläse. Zeitschr. d. berg- und hüttenm. Ver. für
    Steiermark und Kärnten 1876.
  • J. Schlink, Ueber Gebläsemaschinen. Berlin 1880, S. 56: Gebläse für Besse-
    merwerke.
  • R. M. Daelen, Die Gebläse für den Bessemerprocess. Zeitschr. des Vereins
    zur Beförd. des Gewerbfleisses 1883, S. 174.

[932]Die Darstellung des Flusseisens.
  • A. L. Holley, Setting Bessemer converterbottoms. The Journal of the Iron
    and Steel Institute 1874, p. 368.
  • A. Holley, Die Bethlehem Iron and Steel Works in Nordamerika. „Stahl
    und Eisen“ 1882, S. 54.
  • C. J. Copeland, Die Bessemeranlage der Erimus Works, Middlesborough.
    „Stahl und Eisen“ 1882, S. 57.
  • A. Greiner, Les installations Bessemer américaines adaptées au pro-
    cédé basique d’après les plans de
    M. Holley. Revue universelle des
    mines, sér. II, tome XI, p. 1.
  • J. de Macar, Note sur les acieries allemandes et belges en 1882. Revue
    universelle des mines, série II, tome XII, p. 143.
  • W. Kent, Ueber die Fortschritte in den amerikanischen Bessemer-
    werken
    . „Stahl und Eisen“ 1883, S. 184.
  • F. Kessler, Einiges über den Bessemerprocess. Dingler’s Polyt. Journal,
    Bd. 205, S. 436.
  • J. Garcke, Untersuchungen über die Bruchfähigkeit des Schienenstahles
    unter besonderer Berücksichtigung des Bessemermetalles
    (mit
    Analysen über den Verlauf des Bessemerprocesses). Zeitschr. für Bauwesen,
    Bd. XXVI, S. 423.
  • F. C. G. Müller, Untersuchungen über den deutschen Bessemerprocess.
    Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ingenieure 1878, S. 385, 453.
  • D. K. Tchernoff, Documents sur la fabrication de l’acier Bessemer.
    Revue universelle des mines, sér. II, tome I, p. 420; tome IV, p. 56.
  • Ch. F. King, The chemical reactions in the Bessemer process the charge
    containing but a small percentage of manganese
    . Transactions of the
    American Institute of Mining Engineers, vol. IX, p. 258.
  • C. G. Dahlerus, The results of some experiments with the Bessemer
    process
    . Iron, vol. XXI, p. 73.
  • C. A. Casperson, Ueber den Einfluss des Wärmegrades der Bessemer-
    chargen auf die Beschaffenheit der Stahlblöcke; nebst Betrach-
    tungen von R. Åkerman
    . „Stahl und Eisen“ 1883, S. 71.
  • J. E. Stead, Ueber die chemischen Vorgänge im Bessemerconverter.
    „Stahl und Eisen“ 1883, S. 260.
  • G. J. Snelus, Sur la composition des gaz produits dans l’appareil Besse-
    mer
    . Annales des mines, série VII, tome II, p. 332 (aus dem Journal of the
    Iron and Steel Institute 1871, vol. II).
  • A. Tamm, The composition of the gases escaping from a Bessemer con-
    verter during the blow
    . Iron, vol. XIII, p. 674, 707, 739, 771, 803; vol. XIV,
    p. 2, 67, 98, 131.
  • E. Heyrowsky, Ueber Bessemern mit heissem Winde. Jahrbuch der Berg-
    akademieen zu Leoben u. s. w., Bd. XXII, S. 436.
  • G. J. Snelus, On the removal of phosphorus and sulphur during the
    Bessemer and Siemens Martin processes
    . The Journal of the Iron and
    Steel Institute 1879, p. 135.
  • S. G. Thomas and P. C. Gilchrist, On the elimination of phosphorus in
    the Bessemer converter
    . The Journal of the Iron and Steel Institute
    1879, p. 120.
  • Thomas und Gilchrist, Der heutige Stand des Entphosphorungsver-
    fahrens
    . „Stahl und Eisen“ 1881, S. 184.
  • S. G. Thomas und P. C. Gilchrist, Die Stahlerzeugung aus phosphor-
    haltigem Roheisen
    . „Stahl und Eisen“ 1882, S. 294.
  • J. v. Ehrenwerth, Abhandlungen über den Thomas-Gilchristprocess.
    Sonderabdruck aus der Oestr. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1879.
    Leoben 1879.
  • J. v. Ehrenwerth, Studien über den Thomas-Gilchristprocess. Sonder-
    abdruck aus der Oestr. Zeitschr. f. Berg- und Hüttenwesen 1880 und 1881.
    Wien 1881.

[933]Literatur.
  • F. Kupelwieser, Ueber den basischen Bessemerprocess. Zeitschr. d. berg-
    und hüttenm. Ver. für Steiermark und Kärnten 1880, S. 369.
  • P. Kupelwieser, Der basische Bessemerprocess. „Stahl und Eisen“ 1881,
    S. 180.
  • Dephosphoration au convertisseur basique. Revue universelle des mines,
    sér. II, tome VIII, p. 143 (Verhandlungen auf der Versammlung des Iron and
    Steel Institute in Düsseldorf im Jahre 1880).
  • M. Delafond, Note sur la fabrication de l’acier au moyen de fontes
    phosphoreuses aux usines de Creusot
    . Annales des mines, sér. VIII,
    tome I, p. 366; auszugsweise in „Stahl und Eisen“ 1882, S. 595.
  • Ueber die Nutzbarmachung der beim basischen Entphosphorungs-
    processe fallenden Schlacke in der Landwirthschaft
    . „Stahl und
    Eisen“ 1882, S. 303.

V. Die Darstellung des Tempereisens und
schmiedbaren Gusses.


1. Allgemeines.


Roheisen wird im glühenden Zustande, ohne geschmolzen zu
werden
, oxydirenden Einflüssen ausgesetzt, durch welche sein Gehalt
an gebundenem Kohlenstoff verbrannt und es in schmiedbares Eisen
umgewandelt wird. Man pflegt diesen Vorgang als Glühfrischen zu
bezeichnen, um ihn von dem Frischen des flüssigen Roheisens zu unter-
scheiden (S. 282).


Das Verfahren ist schon ziemlich alt und scheint bereits im sieben-
zehnten Jahrhunderte, vielleicht noch früher geübt worden zu sein.
Die erste Beschreibung desselben findet sich in dem Werke Réaumur’s,
L’art de convertir le fer forgé en acier et l’art d’adoucir le fer fondu,
Paris 1722; sowie in dem andern Buche desselben Verfassers: Nouvel
art d’adoucir le fer fondu et de faire des ouvrages de fer fondu aussi
finis que de le fer forgé. Vielfach ging das Verfahren Hand in Hand
mit einem sehr ähnlichen Verfahren, dem einfachen Ausglühen ge-
gossener Gegenstände in Körpern, die eine besondere chemische Ein-
wirkung nicht ausüben und nur die Berührung mit der Luft verhindern
sollen, Holzkohle, Asche oder dergleichen. In letzterem Falle wird ein-
fach ein Zerfallen der Eisenkohlenstofflegirung herbeigeführt; Cement-
kohle (S. 238) oder — in gewissen Fällen — Graphit wird gebildet.
Beim Glühfrischen wird gebundene Kohle verbrannt und verflüchtigt;
in beiden Fällen also wird der Gehalt des Eisens an gebundener
Kohle verringert. Der Erfolg ist deshalb auch in beiden Fällen ein
ähnlicher: Das Eisen wird weicher, geschmeidiger, mit schneidenden
Werkzeugen leichter bearbeitbar und — unter Umständen — schmied-
bar. Letzteres Ziel allerdings ist nur dann erreichbar, wenn nicht in
allzu reichem Maasse Graphitbildung (beim Glühen siliciumreichen
Eisens) stattfindet.


Wegen der Aehnlichkeit in der Ausführung beider Methoden und
der Aehnlichkeit des Erfolges hat man beiden den gemeinschaftlichen
[934]Die Darstellung des Tempereisens und schmiedbaren Gusses.
Namen Tempern (vergl. S. 296) gegeben. Den eigentlichen Unter-
schied erkannte man jedenfalls erst, nachdem das Verfahren schon
lange Zeit geübt worden war; noch heute pflegen Empiriker denselben
unbeachtet zu lassen.


Als Oxydationsmittel beim Glühfrischen — von diesem allein kann
hier die Rede sein, da das einfache Ausglühen ohne Oxydation einer
besonderen Beschreibung nicht bedarf — dient in einzelnen Fällen
atmosphärische Luft; häufiger benutzt man Metalloxyde, welche einen
Theil ihres Sauerstoffes leicht an den Kohlenstoff des Roheisens abgeben.
Als besonders geeignet für diesen Zweck erscheinen eisenoxydreiche
Eisenerze: Rotheisenerze, geröstete Spath- oder Brauneisenerze. Geröstete
Magneteisenerze und Hammerschlag finden ebenfalls nicht seltene Ver-
wendung theils für sich allein oder in Vermischung mit den erstge-
nannten Erzen, wirken aber nicht ganz so kräftig; auch ausgelaugte
Kiesabbrände (Purple ores) bilden ein für diesen Zweck geschätztes
Material. In einigen Fällen benutzt man Zinkoxyd, sofern dieses aus-
reichend billig zu haben ist.


Die als Glühmittel dienenden Oxyde werden gepulvert, und das
zu glühende Roheisen wird in dieselben eingepackt. Infolge der statt-
findenden Einwirkung wird das Glühmittel sauerstoffärmer; bei aus-
reichend hoher Temperatur und lange fortgesetztem Glühen kann es
sogar theilweise zu Metall reducirt werden, ja es kann sogar geschehen,
dass kohlenstoffhaltiges Eisen erfolgt. Soll deshalb das Glühmittel aufs
Neue benutzt werden, so ist eine Aussonderung der stärker reducirten
Theilchen und ein Zusatz frischer Oxyde erforderlich.


Bei Anwendung atmosphärischer Luft als Glühmittel fallen die
Kosten für die stete Erneuerung der Oxyde weg; aber eine unmittel-
bare und ungeschwächte Einwirkung der Luft auf das zu glühende
Eisen würde eine starke Glühspanbildung hervorrufen. Nach Tunner’s
Vorschlage vermeidet man diesen Uebelstand, indem man die zu glühen-
den Eisenstücke in grobkörnigen Quarzsand einpackt, welcher nur einen
beschränkten Luftzutritt zu der Oberfläche derselben gestattet. Dennoch
ist dieses letztere Verfahren nur vereinzelt geblieben.


Beachtenswerth ist die Thatsache, dass die Entkohlung — sowohl
bei Anwendung fester Glühmittel als freien Sauerstoffes — sich nicht
allein auf die Oberfläche des geglühten Eisenstückes beschränkt, son-
dern sich auch auf die innersten Theile desselben erstreckt, sofern das
oxydirende Glühen ausreichend lange fortgesetzt wird. Es findet also
offenbar eine Wanderung des Kohlenstoffes statt. Wenn am Rande
des Eisenstückes die Menge des Kohlenstoffes sich verringert, fliesst
gewissermaassen von innen her Kohlenstoff nach, damit Ausgleich statt-
findet. Am besten wird man sich einen Begriff des Vorganges machen
können, wenn man sich den Verlauf derartig vorstellt, dass von Molekül
zu Molekül des Eisens Kohlenstoff abgegeben wird, sobald das eine
Molekül kohlenstoffärmer als das andere geworden ist; solcherart findet
[935]Allgemeines.
während des oxydirenden Glühens eine unausgesetzte Bewegung des
Kohlenstoffes von innen nach aussen statt.


Der umgekehrte Vorgang, eine Wanderung des Kohlenstoffes von
aussen nach innen, bildet die Grundlage des später beschriebenen
Cementirprocesses.


Immerhin werden, sofern der Process vor beendigter annähernd
vollständiger Entkohlung unterbrochen wird, die der Oberfläche zunächst
gelegenen Theile kohlenstoffärmer sein als die inneren, wie sich schon
aus der soeben gegebenen Schilderung des Verlaufes schliessen lässt;
je dicker das Eisenstück ist, desto deutlicher wird diese Ungleich-
mässigkeit wahrnehmbar sein, und eine desto längere Zeitdauer des
Glühens ist überhaupt erforderlich, um eine bestimmte Entkohlung
herbeizuführen. Aus diesem Grunde pflegt man das Verfahren auf die
Verarbeitung von Eisenstücken mit dünneren Querschnitten (die Stärke
derselben beträgt selten mehr als 25 mm) zu beschränken.


In den allermeisten Fällen unterwirft man Gusswaaren dem
Processe des Glühfrischens, d. h. Gegenstände, welche schon durch eine
vorausgehende mechanische Verarbeitung (Eingiessen des flüssigen Roh-
eisens in Formen, ebenso eingerichtet, wie die in allen Eisengiessereien
gebräuchlichen Gussformen) eine bestimmte äussere Form erhalten
hatten. Die geglühten Waaren sind also bereits geeignet, als Gebrauchs-
gegenstände zu dienen. Durch die stattgehabte Umwandlung in schmied-
bares Eisen aber erhielten sie eine weit grössere Festigkeit und zu-
gleich grössere Zähigkeit als das gewöhnliche Gusseisen, während
andererseits die Formgebung des Roheisens durch Giessen sich in zahl-
reichen Fällen mit geringeren Kosten bewirken lässt als die Herstellung
eines gleich geformten Gegenstandes aus schmiedbarem Eisen durch
Schmieden, Pressen und dergleichen. Derartige Gegenstände, durch
oxydirendes Glühen von Eisengusswaaren dargestellt, werden schmied-
barer Guss
genannt. Man verwendet sie für mannigfache Zwecke.
Zahlreiche kleinere Maschinentheile für Nähmaschinen, Metallbearbeitungs-
maschinen, landwirthschaftliche Maschinen u. s. w. werden aus schmied-
barem Gusse gefertigt; ebenso Schlosstheile und Schlüssel für gewöhn-
liche Schlösser; selbst für Herstellung von Messern und Scheeren, an
deren Güte freilich nur bescheidene Ansprüche gestellt werden dürfen,
hat man das Verfahren benutzt.


Bei einem andern, von Tunner eingeführten Verfahren werden
dünne flache Eisenstäbe durch oxydirendes Glühen in schmiedbares
Eisen, sogenannten Glühstahl, umgewandelt, dessen Kohlenstoffgehalt
jedoch oft erheblich tiefer als der des wirklichen Stahles liegt, so dass
die allgemeinere Bezeichnung Tempereisen geeigneter dafür sein
dürfte. Der Process wird nur vereinzelt in Steiermark (Eisenwerk
Donawitz bei Leoben) betrieben. Das Erzeugniss findet vorzugsweise
als Zusatz beim Tiegelgussstahlschmelzen Verwendung, besonders dann,
wenn man kohlenstoffärmere Stahlsorten im Tiegel darstellen will. Man
benutzt in diesem Falle ein stark entkohltes Tempereisen (dessen Kohlen-
stoffgehalt oft weniger als 0.1 Proc. beträgt), um durch dessen Zusatz
zu kohlenstoffreicheren Stahlsorten den durchschnittlichen Kohlenstoff-
gehalt des Einsatzes zu erniedrigen; die Erfahrung hat gelehrt, dass
[936]Die Darstellung des Tempereisens und schmiedbaren Gusses.
ein solcher Einsatz leichter einschmilzt, als wenn man statt des Temper-
eisens ein geschmiedetes oder gewalztes Eisen von gleichem Kohlen-
stoffgehalte verwendet. Die durch das Glühen hervorgerufene lockere
Beschaffenheit des Eisens dürfte die Ursache dieser Leichtschmelzbar-
keit sein.


2. Die Wahl des Roheisens.


Der Einfluss des Glühfrischens erstreckt sich nur auf den in ge-
bundener Form anwesenden Kohlenstoffgehalt des Roheisens; Graphit
wird höchstens da verbrannt, wo er in unmittelbarer Be-
rührung mit dem Glühmittel sich befindet
. Da nun aber der
Graphit gerade derjenige Körper ist, welcher durch seine mechanische
Einlagerung die Festigkeit des grauen Roheisens benachtheiligt (S. 296),
so würde es nicht möglich sein, aus graphithaltigem, d. i. grauem, Roh-
eisen durch Glühfrischen ein brauchbares schmiedbares Eisen zu erhalten.
Es ist also ein weisses Roheisen als Material für diesen Zweck
erforderlich.


Ein Mangangehalt des Roheisens verzögert ganz erheblich die
Entkohlung. Zahlreiche Beobachtungen haben diese Thatsache zweifel-
los erwiesen. Ein Mangangehalt von 0.6 Proc. dürfte als Grenzwerth
betrachtet werden können, unterhalb dessen der Process noch gut
durchführbar ist; bei 1 Proc. Mangan ist derselbe bereits erheblich
erschwert; bei einem Mangangehalte von etwa 5 Proc. findet auch bei
mehrtägigem Glühen kaum eine bemerkenswerthe Abminderung des
Kohlenstoffgehaltes statt.


Silicium würde, wenn es in einem kohlenstoffreichen Roheisen
neben viel Kohlenstoff auftritt, Graphitbildung veranlassen, sei es beim
Erstarren des flüssigen Eisens, sei es beim späteren Glühen. Aus diesem
Grunde ist auch ein siliciumreiches Roheisen nicht anwendbar.


Phosphor und Schwefel bleiben beim Glühen unverändert im Eisen
zurück 1) und beeinflussen dessen Eigenschaften ebenso wie die jedes
andern schmiedbaren Eisens. Daher darf auch der Gehalt des als
Material dienenden Roheisens an diesen Körpern nicht grösser sein als
den an die Beschaffenheit des darzustellenden schmiedbaren Eisens
gestellten Ansprüchen entspricht. 0.25 Proc. Phosphor und 0.10 Proc.
Schwefel dürfte in den gewöhnlicheren Fällen (bei Herstellung schmied-
baren Gusses) die höchste zulässige Grenze sein.


In jedem Falle würde also ein von fremden Körpern möglichst
reines Roheisen das geeignetste sein, um als Material für den Glüh-
frischprocess zu dienen, sofern eben nur die Rücksicht auf die Durch-
führung des Glühprocesses in Betracht gezogen wird; und da der
Process um so längere Zeit beansprucht, je mehr Kohlenstoff aus-
geschieden werden muss, d. h. je höher der ursprüngliche Kohlenstoff-
gehalt war, und da fernerhin bei dem Glühen um so leichter Graphit-
bildung herbeigeführt wird, je mehr Gesammtkohlenstoff neben einem
gewissen, selten ganz fehlenden Siliciumgehalte zugegen ist, so ist es
[937]Die Wahl des Roheisens.
wünschenswerth, dass auch der Kohlenstoffgehalt ein mittleres Maass
— etwa 3—3.5 Proc. — nicht erheblich überschreite.


Durch die Erfüllung dieser Bedingungen bei der Auswahl des
Roheisens wird nun freilich der dem Glühen vorausgehende Process,
die Formgebung durch Giessen, und die Erzielung brauchbarer Abgüsse
nicht unerheblich erschwert, ein Umstand, welcher bei Darstellung
schmiedbaren Gusses nicht selten die Ursache von Misserfolgen bildet.


Es kommt hierbei zunächst in Betracht, dass das geschmolzene
Roheisen um so dickflüssiger zu sein pflegt, je geringer sein Gehalt
ist an Silicium, Kohlenstoff, Phosphor. Gerade das graue, für das Glüh-
frischen nicht benutzbare, Roheisen füllt unter sämmtlichen Eisen-
sorten die Gussformen am leichtesten und schärfsten aus, und diese
Eigenschaft erleichtert nicht wenig die Verwendung desselben für die
Giesserei.


Einen nicht minder nachtheiligen Einfluss übt der Umstand, dass
jenes reine, d. h. graphitfreie, Roheisen stärker als graues schwindet,
d. h. nach dem Giessen seine Abmessungen verkürzt, als graues Roh-
eisen. Die Folge davon ist theils die leichtere Entstehung von Span-
nungen oder Rissen in den Abgüssen, wenn bei ungleichmässiger
Materialvertheilung die Abkühlung der einzelnen Theile nicht gleich-
mässig von statten geht; und anderntheils die Entstehung kleiner oder
grösserer hohler Stellen im Inneren der Abgüsse da, wo das Metall
zuletzt erstarrte (z. B. in den Kreuzungspunkten verschiedener Quer-
schnitte). 1) Diese Hohlräume verringern natürlich die Festigkeit des
Abgusses, geben sogar mitunter Veranlassung zu einem Senken der
Oberfläche desselben (in den Giessereien „Lungern“ oder „Aussaugen“
genannt) und können seine Verwendbarkeit vollständig vereiteln.


Endlich aber besitzt das reinere weisse Roheisen stärkere Neigung
als graues, Gase zu lösen und sie beim Erstarren zu entlassen, ein
Umstand, der nicht minder als die stärkere Schwindung die Erzielung
dichter Abgüsse erschwert.


Erfahrungsgemäss lässt sich durch einen mässigen Siliciumgehalt
des verwendeten Roheisens das Maass dieser die Herstellung brauch-
barer Abgüsse so sehr erschwerenden Eigenschaften des weissen Roh-
eisens abmindern, und die Giesser benutzen deshalb mit Vorliebe ein
Roheisen, welches einige Zehntel Procente (bis 0.6 Proc.) Silicium enthält;
je höher aber der Siliciumgehalt ist, desto geringer muss der Kohlen-
stoffgehalt sein, damit nicht Graphitbildung herbeigeführt werde. Ein
Mangangehalt bis zu der oben angegebenen Grenze kann die Erzielung
brauchbarer Abgüsse erleichtern, indem er die Anwendung eines etwas
siliciumreicheren Materiales gestattet, ohne dass Graphitbildung zu be-
fürchten ist.


Die Form und Grösse der herzustellenden Abgüsse werden viel-
fach entscheiden müssen, welche Zusammensetzung des Roheisens die
geeignetste für jeden einzelnen Fall sei. Je mehr die Erzielung dichter
Abgüsse durch die äussere Form und Grösse derselben begünstigt
wird, ein desto reineres, insbesondere siliciumärmeres Material kann
Ledebur, Handbuch. 60
[938]Die Darstellung des Tempereisens und schmiedbaren Gusses.
man wählen, und desto vortrefflicher fällt das Enderzeugniss aus.
Dass alle jene Kunstgriffe, die in den Eisengiessereien zur Erzielung
dichter Abgüsse angewendet zu werden pflegen, hier eine erhöhte
Wichtigkeit besitzen, versteht sich von selbst. 1)


Mit Vorliebe benutzt man in den meisten Giessereien für Dar-
stellung schmiedbaren Gusses als Grundmaterial ein aus den reinen
Rotheisenerzen Cumberlands (S. 565) bei übersetztem Hochofengange
erblasenes weisses Roheisen, welches nur sehr wenig Mangan (unter
0.1 Proc.) und wenig Phosphor enthält und nicht reich an Kohlenstoff ist.
Nach Erforderniss mischt man dieses Roheisen mit anderen Roheisen-
sorten. Insbesondere setzt man gern etwas graues Roheisen zu, um den
Siliciumgehalt anzureichern, soweit es geschehen kann, ohne dass das
Gemisch ebenfalls grau wird.


Selbstverständlich muss das gewählte Roheisen, um in Formen
vergossen werden zu können, einem Schmelzprocesse unterzogen werden,
und die Einflüsse des Umschmelzens auf die chemische Zusammen-
setzung müssen von vorn herein berücksichtigt werden (vergl. S. 597
bis 602). Sehr häufig schmilzt man im Tiegel, um jene Einflüsse auf
ein unbedeutendes Maass zu beschränken; besonders da, wo nur ganz
kleine Gegenstände aus schmiedbarem Gusse gefertigt werden, ist das
Tiegelschmelzen die Regel. Für Herstellung grösserer Gegenstände
dürfte der Cupolofen als Schmelzapparat seiner billigeren Betriebskosten
halber vorzuziehen sein, obschon die höhere Gasspannung in demselben
und die stattfindende unmittelbare Berührung des Eisens mit den Gasen
erhöhte Gelegenheit zu einer Auflösung derselben und somit zur Ent-
stehung blasiger Güsse giebt.


Auf S. 840 wurde bereits das Verfahren besprochen, durch Schmelzen
einer aus Roh- und schmiedbarem Eisen bestehenden Beschickung im
Cupolofen ein für grössere Stücke schmiedbaren Gusses bestimmtes,
stahlartiges Eisen herzustellen, welches wie das für kleinere Stücke
bestimmte Gusseisen in Formen gegossen wird. Die Abgüsse aus diesem
Materiale werden in besonderen Oefen sehr allmählich abgekühlt, weil
sie bei rascher Abkühlung leicht Risse und Sprünge bekommen würden,
und dann ebenso getempert wie die Abgüsse aus dem eigentlichen
Roheisen. Das Verfahren ist schwieriger als die Verarbeitung eines
kohlenstoffreicheren Materiales, gewährt aber die Möglichkeit, auch
grössere Stücke aus schmiedbarem Gusse zu fertigen.


Unmittelbar aus dem Hochofen pflegt man das Roheisen nur für
die schon erwähnte Herstellung des als Material für Gussstahldar-
stellung bestimmten Tempereisens (Glühstahles) in Steiermark zu ver-
wenden. Das Roheisen — in dem Holzkohlenhochofen zu Eisenerz
erzeugt — wird zu flachen Schienen ausgegossen, welche später auf
dem oben genannten Eisenwerke dem Glühprocesse unterworfen werden.


3. Die Temperöfen nebst Zubehör.


Die Einrichtung der zum oxydirenden Glühen bestimmten Oefen
ist ziemlich mannigfaltig. Ein wesentlicher Unterschied beruht in der
[939]Die Temperöfen nebst Zubehör.
Art und Weise, wie das Einpacken der zu glühenden Gegenstände in
das Glühmittel bewirkt wird. Für kleinere Gegenstände pflegt man
gusseiserne oder schmiedeeiserne Glühtöpfe zu benutzen, welche ausser-
halb des Ofens gefüllt und dann eingesetzt werden. Ihre Form ist
cylindrisch, ihr Durchmesser gewöhnlich 250—300 mm, ihre Höhe
300—500 mm. Durch einen eisernen Deckel werden sie nach beendigter
Füllung geschlossen. Mitunter ver-
sieht man sie mit angegossenen Füssen,
damit sie auch von unten her Wärme
aufnehmen können; doch vermehrt
sich dadurch ihr Raumbedarf im Ofen.


Grössere Gegenstände packt man
in Behälter, die aus feuerfesten Zie-
geln innerhalb des Heizraumes auf-
geführt sind, also einen Theil des
Ofens selbst bilden. Man spart da-
durch die nicht unbeträchtliche Aus-
gabe für Glühtöpfe, aber das Be-
schicken und die Entleerung der
Behälter wird beschwerlicher und
zeitraubender.


Fig. 270 und 271 zeigen einen
Ofen zum Glühen in Töpfen. 1) Je
drei Töpfe sind über einander ge-
stellt, und der Ofen fasst 12 solcher
Topfsätze, also im Ganzen 36 Glüh-
töpfe. Unterhalb der gemauerten
Sohle des Ofens liegt, in der ganzen
Länge des Ofens sich erstreckend,
der überwölbte Rost, und die Feue-
rungsgase gelangen durch 20 Züge,
welche in Fig. 270 im Durchschnitte,
in Fig. 271 von oben zu sehen sind,
in gleichmässiger Vertheilung in den
Ofen. Nachdem sie zwischen den
Töpfen emporgestiegen sind, wenden
sie sich den beiden Längsseiten zu,
ziehen durch 12 senkrechte in den
Ofenwänden angebrachte Kanäle a a..
abwärts, um in die beiden wage-
rechten Kanäle b b zu gelangen und

Figure 202. Fig. 270

271.


[figure]
[figure]

werden schliesslich durch die vier in den Ecken des Ofens angebrachten
Schornsteinröhren c c.. ins Freie geführt.


Das Besetzen des Ofens erfolgt durch Thüröffnungen in den beiden
Stirnseiten, welche vor dem Anfeuern vermauert werden.


Beim Glühen ohne Töpfe steht der aus feuerfesten Ziegeln gebaute,
zur Aufnahme der zu glühenden Gegenstände dienende Behälter in der
60*
[940]Die Darstellung des Tempereisens und schmiedbaren Gusses.
Mitte des Feuerungsraumes und wird rings von den Gasen umspült.
Der Rost liegt entweder, wie bei dem oben abgebildeten Ofen, unter
der Sohle; oder, wenn man mit Koksfeuer heizt, ordnet man eine Zahl
Feuerungen in den Seitenwänden des Ofens zu ebener Erde rings um
den zu erhitzenden Behälter an, so dass sie von aussen bedient werden
und die Gase unmittelbar in den Heizraum eintreten. Häufig lässt man
die Gase an den Aussenwänden des Behälters emporsteigen und durch
senkrechte Kanäle, welche in der Mitte des Behälters angebracht sind,
abwärts nach dem Essenkanale entweichen.


Zur Darstellung des Tunner’schen Tempereisens (Glühstahles) in
Steiermark pflegt man Oefen mit gemauerten Kisten zu benutzen, wie
sie zur Darstellung des Cementstahles Anwendung finden. Dieselben
sind unten bei Besprechung des Cementstahlprocesses ausführlicher be-
schrieben. Sie wurden nach dem ursprünglichen Verfahren, wenn sie
zur Glühstahldarstellung dienen sollten, mit grobkörnigem Sande gefüllt,
in welchen die Eisenstäbe eingebettet werden; seit mehreren Jahren
jedoch zieht man es vor, auch hierfür Erzklein zu verwenden, dessen
Anwendung besonders für Darstellung kohlenstoffärmeren Eisens sich
als geeigneter erwies.


Seit Einführung der Gasfeuerungen hat man auch diese ver-
schiedentlich zur Heizung der Glühöfen benutzt. Selbst Siemensfeue-
rungen haben auf englischen Werken für diesen Zweck Verwendung
gefunden, wie es jedoch scheint, und wie sich aus dem häufig erforder-
lichen Wechsel der Temperatur des Ofens erklärt, ohne rechten Erfolg.
Alle Beachtung dagegen verdient eine von der Fischer’schen Weich-
eisen- und Stahlgiesserei zu Traisen in Niederösterreich eingeführte
Ofeneinrichtung 1), welche die Vortheile der Gasfeuerung mit den Eigen-
thümlichkeiten des bekannten, zum Brennen von Ziegeln vielfach an-
gewendeten Hofmann’schen Ringofens verbindet, und, sofern der
Betrieb umfangreich genug ist, hinsichtlich einer günstigen Ausnutzung
der Wärme jedenfalls Vollkommenes leistet. Eine grössere Zahl Oefen
— in Traisen zwölf — sind unter einander zu einem gemeinschaftlichen
Systeme verbunden derartig, dass die Verbrennungsgase aus dem einen
Ofen der Reihe nach durch die folgenden hindurchgeleitet werden
können, während jeder einzelne Ofen durch einen besondern, mit Ab-
sperrvorrichtung versehenen Kanal mit dem gemeinschaftlichen Essen-
kanale in Verbindung gesetzt werden kann. Durch Oeffnen dieses
Kanales in einem bestimmten Ofen und Absperrung der Verbindung
desselben Ofens mit dem nächstfolgenden wird also hier die Weiter-
bewegung des Gases unterbrochen und dasselbe nach der Esse abgeleitet.
Ein auf Schienen fahrbarer Gasgenerator dient zur Heizung.


Der Betrieb erfolgt in der Weise, dass ein Theil der sämmtlichen
Oefen — gewöhnlich drei — geheizt wird, indem das Gas in einen
derselben einströmt, hier verbrannt wird und dann der Reihe nach
durch die übrigen hindurchzieht, um aus dem letzten nach der Esse zu
entweichen; ein anderer Theil der Oefen, welche zuvor geheizt waren,
wird der Abkühlung durch hindurchstreichende Luft überlassen, welche
[941]Die Temperöfen nebst Zubehör.
sich hier erhitzt und dann zur Verbrennung des Heizgases benutzt
wird; der Rest der Oefen wird inzwischen seines Inhaltes entleert und
neu besetzt.


Fig. 272 stellt zwei derartige benachbarte Oefen dar. Sämmtliche
Oefen können entweder, wie die Kammern des Hofmann’schen Ring-
ofens, in einem kreisrunden oder elliptischen Ringe oder auch, wie es
in Traisen der Fall ist, in zwei Parallelreihen angeordnet werden,
zwischen denen der fahrbare Generator sich befindet. Bei der letzteren
Einrichtung müssen die an den Enden jeder Reihe befindlichen Oefen
durch Querkanäle mit den Endöfen der Nachbarreihe in Verbindung
gebracht werden. Der Heizraum a jedes Ofens ist nur etwa 0.5 m hoch
und besitzt 4.5 qm Grundfläche. Die Besetzung und Entleerung ge-
schieht von oben; die flach gewölbte mit einem eisernen Rahmen ein-
gefasste Decke des Ofens ist zu diesem Zwecke abnehmbar und ein
Krahn, welcher auf den Oefen läuft, bewirkt das Abnehmen und Wieder-
auflegen derselben. An der einen Seite jedes Ofens ist ein wagerechter
Kanal b angebracht, welcher nach aussen führt, durch ein Ventil jedoch
luftdicht abgesperrt werden kann. An die äussere Mündung dieses

Figure 203. Fig. 272.


Kanales kann durch eine einfache Vorrichtung das Gasleitungsrohr
des Generators angeschlossen werden. Ist also diese Verbindung her-
gestellt, so tritt das Gas aus dem Generator in den Kanal b und aus
diesem durch drei parallele Spalten, deren eine in der Abbildung im
Durchschnitte sichtbar ist, in den Ofen.


Es möge z. B. der in der Abbildung links befindliche Ofen in
dieser Weise geheizt werden. In diesem Falle dient der rechts daneben
befindliche Ofen, welcher bereits früher geheizt worden war, zur Vor-
wärmung der Verbrennungsluft. Dieselbe wird durch den Kanal b des
rechts gelegenen Ofens angesaugt, durchströmt den Ofen, gelangt durch
den Verbindungskanal c in den Nachbarofen, steigt hier empor und
trifft auf das eintretende Gas, um dieses zu verbrennen. Die Flamme
durchstreicht alsdann den Heizraum a, zieht aus diesem weiter nach
dem zunächst links gelegenen Ofen, um auch diesen zu erhitzen, und
erst aus dem dritten oder vierten Ofen werden die inzwischen abge-
kühlten Verbrennungsgase dem Essenkanale d zugeführt. Die Zug-
führung wird mit Hilfe zweier von aussen beweglicher Schieber e und f
an jedem Ofen bewirkt. Ist e geöffnet und f geschlossen, so entweichen
die Gase des rechts davon gelegenen Ofens nach der Esse; sollen sie
[942]Die Darstellung des Tempereisens und schmiedbaren Gusses.
dagegen weiter ziehen, so wird e geschlossen und f geöffnet. In der
Regel wird man auch die Verbrennungsluft nicht nur durch einen,
sondern durch mehrere hinter einander liegende Oefen hindurchziehen
lassen, um eine allmählichere Abkühlung der letzteren und eine stärkere
Erhitzung der Luft zu bewirken. Der Betrieb wird nun derartig ge-
leitet, dass der zuletzt besetzte, also noch kälteste Ofen auch von den
am meisten abgekühlten Gasen durchströmt wird, unmittelbar ehe sie
nach der Esse entweichen; inzwischen wird der links davon befind-
liche Ofen frisch besetzt; das Gas aber tritt in denjenigen Ofen ein,
welcher bereits am längsten erhitzt worden war. Ist dieser letztere nun
ausreichend lange dem Glühen unterworfen gewesen, so wird die Gas-
leitung an den links davon befindlichen Ofen angeschlossen; durch
den noch glühenden Ofen tritt jetzt die Luft zu; der letzte der Oefen
aber, welche bis jetzt zur Luftzuführung dienten, wird durch Schliessung
des Schiebers f seines linken Nachbarofens ausgeschaltet und kann
nun entleert werden. In solcher Weise findet ein ununterbrochener
Betrieb statt, indem die Heizung und Abkühlung in bestimmten Zeit-
abschnitten von Ofen zu Ofen fortschreitet.


4. Das Arbeitsverfahren.


Die zu glühenden Gussstücke werden nach dem Giessen langsam
abgekühlt und dann sorgfältig von anhaftendem Formmaterial gereinigt.
Kleinere Gegenstände bringt man zu diesem Zwecke häufig in um-
laufende Trommeln, wo sie selbst sich gegenseitig abscheuern; grössere
werden mitunter an einem Schleifsteine bearbeitet.


Alsdann folgt das Einpacken in die Glühtöpfe oder in die ge-
mauerten Behälter des Glühofens. Benutzt man eiserne Gefässe, so
pflegt man die Innenfläche derselben mit Kalkmilch zu bestreichen,
um ein Anfritten der Tempermasse zu verhindern. Ueber die Wahl
der letzteren (des Glühmittels) ist schon oben das Erforderliche gesagt
worden.


Zunächst kommt auf den Boden des Gefässes eine mehrere Centi-
meter hohe Schicht des als Glühmittel dienenden Erzes oder der-
gleichen, auf diese werden die Stücke des einzubettenden Gusses in
möglichst gleichmässiger Vertheilung gelegt, doch so, dass sie weder
sich unter einander noch die Wände des Gefässes berühren. Die Zwi-
schenräume werden sorgfältig mit dem Glühmittel ausgefüllt, oben dar-
auf kommt wieder eine Schicht des letzteren, auf welcher abermals
eine Lage Gussstücke eingebettet wird u. s. f. Die Arbeit des Ein-
packens muss sehr sorgfältig ausgeführt werden, wenn der Zweck des
Glühens erreicht werden soll. Bei mangelhafter Verpackung der Gegen-
stände, deren Folge eine ungenügende Berührung derselben mit dem
Glühmittel ist, kann es vorkommen, dass von zwei ganz gleichen Guss-
stücken das eine beinahe völlig entkohlt ist, während das andere kaum
stahlartige Beschaffenheit angenommen hat.


Sind die Gefässe in der beschriebenen Weise gefüllt, so giebt man
zu oberst noch eine Lage des Glühmittels und dann als Verschluss
einen Deckel, welcher bei eisernen Gefässen aus Gusseisen oder Blech
besteht, beim Einbetten im Ofen selbst aus Ziegelsteinen gebildet wird.


[943]Das Arbeitsverfahren.

Nun werden die Glühtöpfe, falls man solche benutzte, an Ort und
Stelle gebracht, die Einsatzöffnungen werden geschlossen, und das An-
feuern kann beginnen.


Die Zeitdauer, während welcher die Gegenstände der Erhitzung
preisgegeben werden, richtet sich zwar nach der Grösse derselben und
dem beabsichtigten Grade der Entkohlung; für gewöhnliche kleinere
Gegenstände indess, welche bis zur Schweissbarkeit entkohlt werden
sollen, pflegt eine volle Woche erforderlich zu sein, wobei 2 Tage auf
das Anfeuern und die allmähliche Steigerung der Temperatur, 3 Tage
auf das Vollfeuer und 2 Tage auf die allmähliche Abkühlung zu rechnen
sind. Grössere Gegenstände müssen noch ein bis zwei Tage länger im
Vollfeuer erhalten werden. Die erforderliche Temperatur ist Hellroth-
gluth. Eine genaue Regulirung derselben ist von Wichtigkeit. In zu
niedriger Temperatur verläuft der Process zu langsam und die Gegen-
stände bleiben zu kohlenstoffreich; in zu hoher Temperatur ist eine
Beschädigung der Glühgefässe, ein Zusammensintern des aus der
Tempermasse reducirten Metalles mit dem zu glühenden Eisen oder
eine Umformung der allzu weichen Eisentheile durch den Druck der
Tempermasse zu befürchten.


Wenn schliesslich die Abkühlung beendet ist, wird der Ofen ge-
öffnet, die Gefässe werden ihres Inhaltes entleert, die geglühten Gegen-
stände werden einzeln mit Hammer und Feile geprüft, ob sie weich
und dehnbar genug sind, und, wenn die Prüfung ein befriedigendes
Ergebniss geliefert hat, werden sie wiederum in umlaufenden, etwas
scharfkantigen Sand enthaltenden Trommeln von der anhaftenden Tem-
permasse gereinigt. Zu hart befundene Stücke werden zurückgelegt,
um einem abermaligen Tempern unterzogen zu werden.


Die Ausgabe für Brennstoff beim Glühen pflegt nach Rott 30 bis
35 ℳ per 1000 kg geglühter Waare zu betragen, so dass also beim
Glühen mit Steinkohlenfeuerung etwa 2½—3 t Brennstoff per t ge-
glühten Eisens erforderlich sein dürften. Die Einrichtung der Oefen,
insbesondere auch der Umfang des Betriebes wird jedoch diese Ziffern
nicht unwesentlich beeinflussen können.


Auf die Abweichungen in dem Verfahren, wenn statt des schmied-
baren Gusses Tempereisen für Tiegelgussstahldarstellung nach Tunner’s
Verfahren dargestellt werden soll, wurde zum Theil bereits hin-
gewiesen.


5. Chemische Untersuchungen.


Die lehrreichsten, bis jetzt angestellten Untersuchungen über den
Verlauf des Temperprocesses rühren von Davenport her. 1) Der-
selbe benutzte für seinen Zweck Probestücke, aus einem weissen Holz-
[944]Die Darstellung des Tempereisens und schmiedbaren Gusses.
kohlenroheisen gegossen, welche zwei Mal geglüht und sowohl vor als
nach jedem Glühen chemisch untersucht wurden.


Es ergab sich hierbei folgende chemische Zusammensetzung:

Eine wesentliche Aenderung der chemischen Zusammensetzung des
Eisens beim Glühfrischen ist nur hinsichtlich des Kohlenstoffes wahr-
nehmbar. Der Gehalt an Silicium, Phosphor und Mangan bleibt unver-
ändert. Die in beiden Fällen stattgehabte Anreicherung des Schwefel-
gehaltes dürfte auf eine Aufnahme von Schwefel aus dem Glühmittel
zurückzuführen sein.


Die Bruchfläche der Eisenstücke nach dem ersten Glühen zeigte
eine weisse, fast kohlenstofffreie Kruste von etwa 1½ mm Stärke,
welche einen dunkeln Kern einschloss; nach dem zweiten Glühen war
dieser dunkele Kern vollständig verschwunden. Letzterer Umstand lässt
schliessen, dass die Färbung des Kernes nicht sowohl von Graphit
herrühre, welcher auch bei starkem Glühen unverbrennlich ist, sondern
durch eine der auf S. 238 besprochenen Cementkohle gleiche oder ähn-
liche Bildung hervorgerufen worden sei. Dass übrigens beim starken
Glühen eines verhältnissmässig siliciumreichen Eisens auch wirkliche
Graphitbildung stattfinden könne, ist kaum zu bezweifeln.


Abweichend von den Ergebnissen der obigen Untersuchungen
über die chemischen Veränderungen beim Glühen in Eisenoxyden will
man bei dem Glühen bei beschränktem Luftzutritte — dem ursprüng-
lichen, jetzt nicht mehr angewendeten Verfahren zur Darstellung von
Glühstahl — eine Abminderung des Silicium-, Mangan- und auch des
Schwefelgehaltes bemerkt haben. Eine Verringerung des Silicium- und
Mangangehaltes kann offenbar nur dann möglich sein, wenn die ent-
stehenden Oxyde leichtflüssige Verbindungen eingehen, welche aus
dem Eisen in hoher Temperatur aussaigern; Schwefel kann ebenso-
wohl als Sulfid aussaigern als in Form von schwefliger Säure ver-
flüchtigt werden. Richter1) fand z. B. bei zwei derartigen Proben:

[945]Literatur.

Ein von mir untersuchtes Stück Tempereisen, durch Glühen von
Roheisenschienen in Erzklein dargestellt und für Tiegelgussstahlerzeugung
bestimmt, enthielt:

Die Analyse kann als Beispiel dienen, wie weit die Entkohlung bei
diesem Processe getrieben werden kann.


Literatur.


  • C. Rott, Die Fabrikation des schmiedbaren und Tempergusses. Separat-
    abdruck aus dem Praktischen Maschinenconstructeur. Leipzig 1881.
  • H. Wedding, Die Darstellung des schmiedbaren Eisens. Braunschweig 1875,
    S. 464—491.
  • E. F. Dürre, Bemerkungen über die Darstellung des schmiedbaren
    Gusses
    . Deutsche Industriezeitung 1871, Nr. 36; Dingler’s Polyt. Journal,
    Bd. 202, S. 20.
  • R. Davenport, Chemische Untersuchungen über einige Punkte der Dar-
    stellung schmiedbaren Gusses
    . Dingl. Polyt. Journal, Bd. 207, S. 51
    (aus Mechanics Magazine 1872, p. 392).
  • M. Forquignon, Recherches sur la fonte malléable et sur le recuit des
    aciers
    . Annales de chimie et de physique, série V, tome XXIII, p. 433 (1881).
  • Herstellung von Panzerplatten durch Glühen. D. R. P. Kl. 18, Nr. 18251
    und 19154.

VI. Die Darstellung des Cementstahles.


1. Allgemeines.


Kohlenstoffarmes Eisen — Schmiedeeisen — wird anhaltend in Be-
rührung mit Holzkohlen, ausnahmsweise auch wohl mit anderen kohlen-
stoffhaltigen Körpern, geglüht. Es nimmt dabei Kohlenstoff auf und
wandelt sich in Stahl um.


Das Verfahren ist schon ziemlich alt und scheint bereits im
17. Jahrhunderte bekannt gewesen zu sein. Es lässt sich diese That-
sache aus dem Umstande schliessen, dass dasselbe in dem mehrfach
erwähnten, im Jahre 1722 erschienenen Werke Réaumur’s1) schon
vollständig beschrieben wird. In England wurde der Process während
des 18. Jahrhunderts vielfach geübt; in der Remscheider Gegend, wo
jetzt die Hauptstätte der deutschen Cementstahldarstellung sein dürfte,
wurde dieselbe um 1811 eingeführt; in Oesterreich noch später.


Der oben kurz geschilderte Weg für die Cementstahldarstellung ist
offenbar umständlicher, das Verfahren ist erheblich kostspieliger als die
unmittelbare Darstellung von Stahl im Herdfrischfeuer, im Puddelofen,
in der Bessemerbirne, im Martinofen. Der Grund, weshalb es trotzdem
in Anwendung ist und voraussichtlich auch stets in Anwendung
bleiben wird, ist in dem Umstande zu suchen, dass die fremden Be-
[946]Die Darstellung des Cementstahles.
standtheile des Roheisens — Mangan, Silicium, auch Phosphor und
Schwefel — um so vollständiger ausgeschieden werden, je weiter die
Entkohlung getrieben wird. Man erhält mithin einen reineren und
deshalb für viele Verwendungen geeigneteren Stahl durch die Cementi-
rung des kohlenstoffarmen Eisens als durch die unmittelbare Her-
stellung aus Roheisen. Die höheren Kosten des Cementstahles aber
setzen seiner ausgedehnteren Verwendung eine Grenze und beschränken
dieselbe auf die Herstellung feinerer Werkzeuge, Feilen und dergleichen,
wobei derselbe in den meisten Fällen erst wieder als Material zur Dar-
stellung von Tiegelgussstahl benutzt wird.


Der Umstand, dass Schweisseisen, wenn man von der mechanisch
eingemengten Schlacke desselben absieht, chemisch reiner zu sein pflegt
als Flusseisen — letzteres enthält bekanntlich ziemlich regelmässig
Mangan, nicht selten Silicium und grössere Mengen Schwefel als
Schweisseisen — erklärt es, dass man fast nur ersteres zur Cement-
stahldarstellung benutzt. Die dem Schweisseisen eingemengte Schlacke
wird bei dem anhaltenden reducirenden Glühen zum grossen Theile
unter Reduction ihres Eisengehaltes zerstört; wird der Cementstahl
später in Tiegeln geschmolzen, so wird sie, wie es stets bei der Tiegel-
gussstahldarstellung der Fall ist, vollständig entfernt.


Immerhin verdient auch für die Cementstahldarstellung das schlacken-
reinere Eisen den Vorzug, schon deshalb, weil durch die Anwesenheit
eisenoxydulreicher Schlackenkörnchen die Kohlung an Gleichmässigkeit
verlieren muss. Geschätzt ist deshalb für diesen Zweck Herdfrischeisen,
ganz besonders das durch seine Reinheit von Phosphor ausgezeichnete
schwedische derartige Eisen; häufiger freilich findet in Ländern, wo der
Frischfeuerbetrieb eingegangen ist, Puddeleisen, aus reinen Roheisen-
sorten mit Vorsicht erzeugt, Verwendung; so in Westfalen, in Eng-
land u. s. w.


2. Der Cementirofen.


Die zu cementirenden Gegenstände werden in gemauerte Kisten
verpackt, welche 2.75—3.5 m lang, 0.80—1.2 m hoch und 0.8—1 m breit
zu sein pflegen. Ein Ofen enthält in den meisten Fällen zwei solcher
Kisten; dreikistige Oefen sind verschiedentlich versucht worden, haben
sich aber wegen der grösseren Ungleichmässigkeit der Erhitzung nicht
besonders bewährt, auch einkistige sind seltener. Eine Kiste pflegt für
die Aufnahme von 8—14 t Eisen eingerichtet zu sein.


Die Einrichtung des Ofens, in welchem die Kisten eingemauert
sind, zeigt insofern in allen Gegenden Uebereinstimmung, als bei directer
Feuerung der Rost, von welchem aus die Heizung bewirkt wird, unter-
halb der Kisten liegt und sich in der ganzen Längenausdehnung der-
selben erstreckt, während eine Anzahl Kanäle die Feuerungsgase unter
dem Boden und an den Seitenwänden der Kisten vertheilen, bis sie
schliesslich oberhalb der Kisten nach einer Esse entweichen; in den
Einzelheiten der Construction aber zeigen sich ziemlich häufige Ab-
weichungen.


Bei den englischen Cementiröfen, welche auch in anderen Ländern
ausserhalb Englands vielfach zur Anwendung gekommen sind, dient
eine gemeinschaftliche Rostfeuerung zur Heizung zweier Kisten. Fig. 273
[947]Der Cementirofen.
und 274 zeigen in 1/100 der wirklichen Grösse diese Einrichtung. 1)
A A sind die beiden Kisten, parallel neben einander stehend mit soviel
Zwischenraum zwischen sich, als die Breite der Züge für die zwischen
den Kisten aufsteigenden Gase betragen soll. a ist der Rost, von beiden

Figure 204. Fig. 273.


Figure 205. Fig. 274.


Seiten des Ofens aus zugänglich. Die Gase steigen von hier aus theils
unmittelbar zwischen den Kisten empor, theils gelangen sie in die
unter den Böden der Kisten angebrachten Querzüge c c (Fig. 273), um
schliesslich an den entgegengesetzten Seiten der Kisten aufzusteigen.
[948]Die Darstellung des Cementstahles.
In Fig. 274 sind die oberen Mündungen der senkrechten Seitenzüge
— ebenfalls mit c c bezeichnet — als schwarze Rechtecke erkennbar.
Beide Kisten stehen demnach auf und zwischen einem Systeme von
Kanälen, geschieden durch schmale Mauerkörper, welche zum Tragen
der Kisten und zur Unterstützung der Seitenwände dienen. Eine Zug-
regulirung in dem Falle, dass die Kisten an einzelnen Stellen zu stark,
an anderen zu schwach erhitzt werden sollen, ist unschwer durch voll-

Figure 206. Fig. 275

und 276.


[figure]
[figure]

ständige oder theilweise Abdeckung einzelner Züge an den zu heissen
Stellen zu bewirken. Beide Kisten sind durch ein Gewölbe überspannt, in
welchem sich einzelne, gleichmässig vertheilte Oeffnungen d d .. für die
entweichenden Gase befinden; das Ganze befindet sich unter der Kuppel
B mit der Rauchabzugsöffnung e. Zur Verstärkung des Zuges, haupt-
sächlich auch zur besseren Verdünnung des Rauches in der Atmosphäre
pflegt man den letzteren aus e nicht unmittelbar ins Freie austreten
zu lassen, sondern in einen entsprechend hohen Schornstein zu führen,
[949]Das Arbeitsverfahren und die Betriebsergebnisse.
welcher entweder, wie z. B. auf österreichischen Werken, cylindrisch
geformt ist und unmittelbar auf der Kuppel B steht, oder welcher
— wie es in der Gegend von Sheffield üblich ist — Kegelform besitzt
und unten so weit im Durchmesser ist, dass er, von besonderen, auf
dem Erdboden ruhenden Pfeilern getragen, den ganzen Ofen sammt
seiner Kuppel einschliesst.


f f sind Oeffnungen im Mauerwerke, durch welche das Einbringen
und Herausnehmen der Stäbe besorgt wird; zwischen den beiden
Oeffnungen befindet sich ein in der Abbildung nicht angedeutetes
Mannloch in der Ofenmauer, durch welches die zum Füllen und Ent-
leeren bestimmten Arbeiter in den Ofen einsteigen können. Vor dem
Anheizen des Ofens wird dieses Mannloch vermauert.


Etwas einfacher ist die Einrichtung der Cementiröfen, welche in
der Remscheider Gegend benutzt werden. Ein derartiger Ofen ist in
Fig. 275 und 276 dargestellt. 1) Jede Kiste hat hier ihre eigene Feuerung,
so dass man im Stande ist, erforderlichen Falles
zur Erlangung verschiedener Härtegrade die Kisten
verschieden stark zu erhitzen; wegen des Wegfalles
der gemeinschaftlichen Kuppel ist die ganze An-
lage billiger.


Auch Gasfeuerung hat man verschiedentlich
zur Heizung der Kisten benutzt, obgleich wegen
der gewöhnlich complicirteren und deshalb kost-
spieligeren Einrichtung erheblich seltener als Rost-
feuerung. 2)


Die Kisten werden entweder aus Masse ge-
stampft oder häufiger aus feuerfesten Steinen —
Sandsteinen oder Chamottesteinen — gemauert. Von
Wichtigkeit ist es hierbei, dass die Fugen dicht
genug schliessen, um während des Glühens den
Zutritt atmosphärischer Luft von aussen in die
Kiste abzuhalten. Die Wände und der Boden wer-
den daher gewöhnlich aus mehreren hinter be-

Figure 207. Fig. 277.


ziehentlich über einander angebrachten Steinlagen hergestellt, deren
Fugen sich decken, so dass selbst bei der Erweiterung der einzelnen
Fuge der dahinter liegende Stein dieselbe noch verdeckt. Mitunter auch
benutzt man besondere, in einander greifende Formsteine, um einen
dichteren Verband zu erzielen. Fig. 277 zeigt als Beispiel den Stein-
verband an den Zügen und Seitenwänden einer Remscheider Kiste.


3. Das Arbeitsverfahren und die Betriebsergebnisse.


Die Arbeit beginnt mit dem Laden der Kisten. Ein Arbeiter be-
giebt sich durch das Mannloch in den Ofen, ein anderer reicht von
aussen her die erforderlichen Materialien hinein.


[950]Die Darstellung des Cementstahles.

Die Eisenstäbe müssen in jedem Falle etwas kürzer sein als die
Kiste, damit sie Platz finden, beim Erhitzen sich auszudehnen; Flach-
stäbe von rechteckigem Querschnitte, unter dem Hammer oder dem
Walzwerke ausgestreckt, eignen sich am besten zum Cementiren, da
der Kohlenstoff um so leichter und gleichmässiger den Stab durch-
dringt, je flacher sein Querschnitt ist. Die Stärke dieser Flachstäbe
pflegt 10—20 mm, ihre Breite 50—100 mm zu sein.


Ueber die erforderliche chemische Beschaffenheit des zu wählenden
Eisens ist schon oben das Erforderliche gesagt worden.


Als Cementirpulver dient gesiebte Holzkohle von Nuss- bis Erbsen-
grösse und darunter. Laubholzkohle cementirt kräftiger als Nadelholz-
kohle; des geringeren Preises wegen findet jedoch auch letztere eine
häufige Anwendung. Erfahrungsmässig verliert die Holzkohle bei der
Benutzung an cementirender Kraft, und es ist deshalb erforderlich, einen
ziemlich ansehnlichen Theil der benutzten Kohle jedesmal zurückzulassen
und durch frische zu ersetzen. Gewöhnlich mischt man 1 Theil alte Kohle
mit 2 Theilen frischer; oder man beseitigt die alte Kohle, nachdem sie
höchstens zweimal benutzt worden ist, ganz und ersetzt sie vollständig
durch frische. 1)


Zusätze zur Holzkohle, welche man früher als förderlich für die
Cementirung betrachtete, haben sich praktisch wenig bewährt und sind
deshalb ziemlich allgemein wieder ausser Anwendung gekommen. Hierher
gehören Alkalien oder deren Lösung in Wasser, mit welcher die Holz-
kohle getränkt wird, kohlensaurer Baryt, Knochenkohle, Blutlaugen-
salz u. a. m.; überhaupt Körper, welche die Entstehung von Cyaniden
befördern. Man schrieb früher der Bildung dieser Cyanide eine be-
sonders förderliche Wirkung auf die Cementirung des Eisens zu, nach-
dem man die Eigenschaft derselben, in hoher Temperatur kohlend auf
das Eisen einzuwirken, erkannt hatte (S. 233).


Auf den Boden der Kiste bringt man gewöhnlich eine Lage feinen
Sandes, Chamottemehles oder dergleichen, welche den Zweck hat, die
bei der Ausdehnung der Kiste etwa entstehenden Fugen zu decken
und den Eintritt der Luft zu hindern. Nun kommt die erste Lage
Holzkohlenpulver, etwa 60—80 mm hoch, auf diese eine Lage Eisen-
stäbe. Letztere müssen sorgfältig in die Kohle eingeklopft werden, so
dass sie überall dicht von derselben eingeschlossen sind, und dürfen
sich gegenseitig nicht berühren. Auf die Eisenstäbe kommt wieder eine
Schicht Holzkohlen, dann kommen wieder Eisenstäbe u. s. f.


Um eine Prüfung der Eisenstäbe während des Glühens zu ermög-
lichen, pflegt man in der einen Giebelwand der Kisten etwas unterhalb
des oberen Randes derselben eine auch in der Aussenwand des Ofens
sich fortsetzende Oeffnung anzubringen, aus welcher die Enden einiger
als Proben dienender Stäbe herausragen, so dass man diese heraus-
[951]Das Arbeitsverfahren und die Betriebsergebnisse.
nehmen kann, wenn man sich überzeugen will, wie weit der Process
vorgeschritten ist.


Die Kisten werden mit Eisenstäben und Holzkohlen bis auf eine
Höhe von etwa 100 mm unterhalb des oberen Randes gefüllt. Auf die
oberste Holzkohlenschicht kommt schliesslich eine möglichst luftdicht
schliessende Decke, zu unterst aus altem Cementirpulver, darüber aus
Ziegelmehl oder dergleichen bestehend.


Ist das Laden der Kiste beendet, vermauert man die Mannlöcher,
schliesst die Eintragsöffnungen durch eingesetzte Steine, verstreicht die
Oeffnungen für die Probestäbe mit Thonmörtel und schreitet zum An-
feuern des Ofens. Allmählich steigert man die Temperatur bis zur
hellen Rothgluth (Gelbgluth), welche nach Verlauf von etwa 1½ Tagen,
vom Beginne des Anfeuerns an gerechnet, erreicht zu sein pflegt. In
dieser Temperatur erhält man den Ofen 7—9 Tage, je nachdem
weicherer oder härterer Stahl erzeugt werden soll und je nachdem die
Stäbe schwächeren oder stärkeren Querschnitt besassen.


Durch Herausnehmen einer Probestange nach Ablauf einer be-
stimmten Zeit und durch Prüfung derselben überzeugt man sich, wie
weit der Process vorgeschritten ist. Man lässt sie abkühlen und zer-
bricht sie, um den Bruch zu besichtigen, schmiedet sie aus und härtet
sie, biegt ein nicht gehärtetes Stück nach dem Ausschmieden kalt um
(S. 665) u. s. f. Zu beachten ist, dass der in der Kiste befindliche Stahl
auch während des Abkühlens des Ofens noch seinen Kohlenstoffgehalt
anreichert, die Probe also entsprechend weniger hart sein muss als es
der fertige Stahl werden soll.


Das Abkühlen des Ofens findet allmählich statt, indem man das
Feuern einstellt und die Luftzuführungsöffnungen (bei directer Feuerung
den Aschenfall) schliesst. Erst wenn die Temperatur unter Rothgluth
gesunken ist, beschleunigt man durch allmähliches Oeffnen des Ofens
(der Eintragsöffnungen u. s. w.) die Abkühlung, so dass nach Verlauf
von etwa 5—7 Tagen von der Beendigung des Feuerns an das Aus-
tragen der Kisten beginnen kann.


Im Ganzen pflegt die Zeitdauer für das Anfeuern, Vollfeuer und
Abkühlung 15—20 Tage zu sein; hierzu kommt die Zeit für das Laden
und Austragen der Kisten, abhängig von der Grösse derselben, da
nicht gut mehr als zwei Arbeiter dabei beschäftigt werden können, und
gewöhnlich 6—8 Tage beanspruchend, so dass die gesammte Zeitdauer
eines Brandes einschliesslich der Vor- und Nacharbeiten 21—28 Tage
zu betragen pflegt.


Die ausgetragenen Stahlstangen werden kalt zerbrochen und ihrem
Bruchaussehen gemäss sortirt.


Da der Zweck des in Rede stehenden Processes eine Kohlenstoff-
anreicherung ist, muss das Gewicht des eingesetzten Eisens ent-
sprechend grösser werden. Diese Gewichtszunahme beträgt thatsäch-
lich 0.5—0.75 Proc., je nachdem man kohlenstoffärmeren oder kohlen-
stoffreicheren Stahl darstellte.


Der Verbrauch an frischen Holzkohlen pflegt per Tonne fertigen
Stahles etwa 30 kg zu betragen, der Brennstoffaufwand bei Anwendung
[952]Die Darstellung des Cementstahles.
von Steinkohlen 800—1000 kg; die Arbeitslöhne 5—6 ℳ Die ge-
sammten Darstellungskosten des rohen Cementstahles (ausschliesslich des
Preises für das zu cementirende Eisen) beziffern sich daher ungefähr
folgendermaassen per Tonne:


  • Löhne   5 bis 6 ℳ
  • Holzkohle   3 „ 4 „
  • Heizkohle   9 „ 10 „
  • Reparaturkosten   0.5 „ 1 „
  • Insgemeinkosten, Zinsen und Amortisation  2.5 „ 4 „
  • 16 bis 25 ℳ

Ein dem Cementiren ähnliches Verfahren, die sogenannte Ober-
flächenhärtung
, wird mitunter bei der späteren Verarbeitung des
Eisens in Maschinenfabriken und anderen Werkstätten angewendet, um
den aus gewöhnlichem Schmiedeeisen gefertigten, in ihrer Form fertigen
Gegenständen eine der mechanischen Abnutzung besser widerstehende
und zugleich politurfähigere Oberfläche zu verleihen. Es kommt hierbei
in Betracht, dass, wenn man jene Gegenstände von vorn herein ganz
aus Stahl fertigen wollte, die Ausgabe für das Material höher, die Ver-
arbeitung bedeutend schwieriger, die Zähigkeit, beziehentlich die Wider-
standsfähigkeit gegen Erschütterungen geringer sein würde als bei der
Verwendung von Schmiedeeisen, welches später nur an seiner Ober-
fläche in Stahl verwandelt wird. Man verpackt die betreffenden Gegen-
stände mit Holzkohlenpulver, nicht selten auch mit stickstoffhaltigen
Körpern (Knochenkohle, Lederabfällen, Blutlaugensalz) in Blechkasten
und setzt sie einige Stunden hindurch der Hitze eines auf einem Roste
unterhaltenen Koksfeuers aus. Nach dem Herausnehmen werden die
Gegenstände sofort durch Eintauchen in Wasser gehärtet.


4. Chemische Untersuchungen.


Vielfach hatten die in früheren Jahrzehnten angestellten chemi-
schen Untersuchungen des Cementirungsprocesses lediglich die Beant-
wortung der Frage im Auge, ob wirklich feste Kohle im Stande sei,
sich mit dem ebenfalls ungeschmolzenen Eisen zu legiren und bis in
die inneren Theile des Eisenkörpers vorzudringen, oder ob nicht viel-
mehr Gase, aus den Kohlen entwickelt, die Cementirung bewirkten,
indem sie, in die Poren des Eisens eindringend, hier Kohlenstoff abgäben.


Die Frage ist zweifellos zu Gunsten des festen Kohlenstoffes ent-
schieden. Man würde vermuthlich auch früher weniger Bedenken ge-
tragen haben, eine Cementirung durch festen Kohlenstoff für möglich
zu halten, wenn man zugleich den entgegengesetzten Process ins Auge
gefasst hätte, die schon besprochene Darstellung des Tempereisens oder
das Glühfrischen, bei welcher dem ebenfalls ungeschmolzenen Eisen
Kohlenstoff entzogen wird. Beide Processe beruhen auf einer Wande-
rung des Kohlenstoffes von Molekül zu Molekül, indem das kohlenstoff-
reichere Molekül seinen Ueberschuss an das kohlenstoffärmere abgiebt;
bei dem Glühfrischen wandert auf diese Weise der Kohlenstoff von
innen nach aussen, bei der Cementirung von aussen nach innen.


Die neuesten Untersuchungen sowohl über die soeben erwähnte
Frage als auch über die Einflüsse der Temperatur, Zeitdauer u. s. w.
[953]Chemische Untersuchungen.
auf den Verlauf der Cementirung wurden von Mannesmann angestellt. 1)
Zur Beantwortung der Frage über das Verhalten des festen Kohlen-
stoffes beim Cementiren glühte derselbe Eisenstangen, welche zur Hälfte
in gesiebten Ceylongraphit, bei anderen Versuchen in Zuckerkohle oder
Russ, zur anderen Hälfte in gesiebte Chamottestücke verpackt und dann
luftdicht in glasirte Tiegel eingeschlossen waren. In allen Fällen zeigte
sich die im festen Kohlenstoff befindliche Hälfte stark cementirt, die
andere nicht beeinflusst. Aeussere Gase hatten bei diesem Versuche
keinen Zutritt; die aus dem Graphit etwa entwickelten Gase aber
würden beide Hälften der Stangen haben beeinflussen können. Noch
deutlicher wurde der Beweis der Kohlenstoffwanderung durch einen
Versuch geliefert, bei welchem ein Schmiedeeisenstück vollständig mit
Spiegeleisen umgossen (durch Einlegen des ersteren in das im Er-
starren befindliche Spiegeleisen) und dann geglüht wurde. Schon nach
21 Minuten langem Glühen hatte sich am Umfange des eingeschlossenen
Eisenstückes eine 1 mm starke Stahlschicht gebildet. 2)


Fernerhin lässt sich aus Mannesmann’s Versuchen folgern, dass
die Kohlenstoffmenge, welche das Eisen bei der Cementirung über-
haupt aufzunehmen vermag, d. i. der Sättigungsgrad des Eisens für
Kohlenstoff, mit der angewendeten Temperatur steigt; und in jedem
Falle geht die Cementirung um so rascher vor sich, je höher die dabei
angewendete Temperatur ist. Ein Schmiedeeisenstück, in Holzkohle ein-
gepackt und bis zur Weissgluth erhitzt, zeigte schon nach 45 Minuten
eine Kruste weissen Roheisens von 3—5 mm Stärke mit 4.76 Proc.
Kohlenstoff, also dem höchsten Kohlenstoffgehalte, den das Eisen muth-
maasslich aufnehmen konnte. Ein Eisenstab, in der Cementirkiste der
üblichen Temperatur (Hellrothgluth) ausgesetzt, zeigte dagegen vom
13. Tage an unverändert 1.2 Proc. Kohlenstoff, auch nachdem das Cemen-
tiren noch 3 Tage hindurch fortgesetzt worden war. Je höher aber der
Kohlenstoffgehalt des Eisens steigt, desto niedriger wird die Schmelz-
temperatur desselben; und die Schwierigkeit, hochgekohltes Eisen ohne
Schmelzung zu erzeugen, wächst daher mit dem Kohlenstoffgehalte.


Andererseits ergiebt sich aus denselben Versuchen, dass die Cemen-
tirung eines Eisenstückes um so ungleichmässiger ausfällt, d. h. dass
bei einem gleichen durchschnittlichen Kohlenstoffgehalte eines
cementirten Eisenstückes der Kohlenstoffgehalt des Kernes um so stärker
von dem der Kruste abweicht, je höher die angewendete Temperatur
und je kürzer demnach die Zeitdauer des Processes war. Eben jene
Eisenstücke, welche binnen 45 Minuten durch Anwendung von Weiss-
gluth äusserlich in Roheisen umgewandelt worden waren, zeigten unter
der Roheisenschicht eine etwa 2½ mm starke Stahlschicht und darunter
noch unverändertes Schmiedeeisen; mitunter auch liess sich äusserlich
Roheisen und unmittelbar darunter Schmiedeeisen in scharf geson-
derten Schichten von einander unterscheiden. Probestangen dagegen,
Ledebur, Handbuch. 61
[954]Die Darstellung des Cementstahles.
in der gewöhnlichen Weise in der Kiste des Cementirofens geglüht,
zeigten


  • nach 7 Tagen eine nur ½ mm starke Stahlschicht mit 0.65 Proc. Kohlenstoff;
  • „ 8 „ „ 1 mm starke Stahlschicht mit 0.94 Proc. Kohlenstoff;
  • „ 9 „ „ 2 mm „ „ „ 0.95 „ „
  • „ 10 „ „ 2.6 mm „ „ „ 1.1 „ „
  • „ 11½ „ „ 3 mm „ „ „ 1.2 „ „
  • „ 13½ „ einen annähernd gleichmässig durch das ganze Stück vertheilten
    Kohlenstoffgehalt von 1.2 Proc.

Dieser zuletzt erreichte Kohlenstoffgehalt nahm auch bei länger fort-
gesetztem Glühen nicht mehr zu, wie schon soeben erwähnt wurde.
Eine annähernd gleichmässige Cementirung eines Eisenstückes ist daher
in jedem Falle nur dann erreichbar, wenn die Zeitdauer des Glühens
der Stärke des Eisenstückes entspricht; und die Höhe des hierbei
erreichten Kohlenstoffgehaltes ist von der angewendeten Temperatur
abhängig.


Erwähnenswerth ist, dass in einzelnen Fällen beim Glühen in
hoher Temperatur Graueisen mit amorphem (nichtgraphitischem) Kohlen-
stoff 1) entstand. Eine nähere Untersuchung dieses Kohlenstoffes oder
dieser Kohlenstofflegirung, welche der Bruchfläche die graue Färbung
ertheilte, scheint nicht stattgefunden zu haben.


Boussingault dehnte seine Untersuchungen auch auf das Ver-
halten des Schwefels, Phosphors und Siliciums aus. 2) Er fand, dass
der Schwefelgehalt des Eisens regelmässig eine Verringerung erfahre.
Es entspricht diese Beobachtung vollständig dem auf S. 250 geschil-
derten Verhalten des Schwefels in kohlenstoffhaltigem Eisen. Aller-
dings wird man in Rücksicht auf die hohen Ansprüche, welche an die
Beschaffenheit des Cementstahles gestellt werden müssen, kaum jemals
ein schwefelreiches Eisen zur Darstellung desselben benutzen; so erklärt
es sich, dass auch die beobachtete Abnahme nicht sehr bedeutend sein
konnte. Schwedisches Eisen mit 0.055 Proc. Schwefelgehalt enthielt
nach dem Cementiren nur noch 0.019 Proc.; eine andere Sorte schwedi-
schen Eisens mit 0.04 Proc. Schwefel enthielt nach dem Cementiren
0.02 Proc. Zahlreiche andere Versuche bestätigten dieselbe Wahr-
nehmung. Als man weisses Roheisen mit 0.101 Proc. Schwefel 35 Tage
lang in Holzkohlen glühte, hatte sich der Schwefelgehalt auf 0.036 Proc.
verringert.


Der Silicium- und Phosphorgehalt dagegen liessen bei den ange-
gestellten Untersuchungen mitunter eine, allerdings nicht bedeutende
Zunahme erkennen. 3) Sollte dieselbe nicht auf der ungleichen Ver-
theilung dieser Stoffe im Eisen oder auf kleinen Unrichtigkeiten der
Analyse beruhen, so würde die Erklärung dieser Anreicherung leicht
in der stattfindenden Reduction dieser Körper aus der Asche der immer-
[955]Chemische Untersuchungen.
hin theilweise verbrennenden Holzkohle zu suchen sein. Eine prakti-
sche Bedeutung für die Beschaffenheit des Cementstahles besitzt jeden-
falls dieser Vorgang nicht.


Als ein nicht ganz unwichtiger chemischer Vorgang beim Cemen-
tiren bleibt schliesslich die Reduction der in allem Schweisseisen mecha-
nisch eingeschlossenen Eisenoxyde zu erwähnen. Dass eine solche
Reduction stattfinde, lässt sich, obschon unmittelbare Versuche darüber
nicht angestellt zu sein scheinen, aus dem Verhalten der Eisenoxyde
gegen Kohlenstoff bei fortgesetztem Glühen mit Sicherheit schliessen;
mittelbar wird der Beweis durch die Entstehung von Blasen an der
Oberfläche des cementirten Eisens (Stahles) geliefert, welche dem rohen
Cementstahle eigenthümlich sind und ihm in England den Namen
Blister-steel (Blasenstahl) verschafft haben. Sie treten in Durchmessern
von 2—20 Millimetern auf; sticht man eine solche Blase des frisch
aus der Kiste genommenen noch glühenden Stahles auf, so lässt sich
mitunter das Entweichen eines brennbaren Gases beobachten. Die
Blasen sind durch das Kohlenoxydgas hervorgerufen, welches bei dem
erwähnten Reductionsprocesse entstand und, in dem weichen Eisen
eingeschlossen, dasselbe aufblähte. Flusseisen zeigt daher, wie Percy
durch einen Versuch nachwies, diese Blasenbildung nicht.


5. Der Cementstahl.


Infolge des anhaltenden Glühens besitzt der rohe Cementstahl ein
grobblättriges Gefüge von eigenthümlich gelblicher Farbe und ist
brüchig. Durch mechanische Bearbeitung in Schmiedetemperatur lässt
er sich in normalen feinkörnigen Stahl mit den seinem Kohlenstoff-
gehalte entsprechenden Festigkeitseigenschaften umwandeln.


Dennoch pflegt man ihn nicht ohne Weiteres in dieser Weise zu
verwenden. Sein Kohlenstoffgehalt ist nicht immer ganz gleichmässig
vertheilt; auch wenn der Process lange genug fortgesetzt war, um das
Eindringen des Kohlenstoffes bis zum Kerne der Eisenstücke zu ermög-
lichen, bedingen doch Zufälligkeiten — Temperaturunterschiede an
verschiedenen Stellen der Kiste, ungleiche Berührung mit den Holz-
kohlen, u. a. m. — leicht Abweichungen in dem Kohlenstoffgehalte eines
und desselben Stahlstückes.


Man beseitigt oder verringert diesen Uebelstand, indem man ent-
weder den Cementstahl zu geschweisstem Stahle (Gärbstahl) verarbeitet,
d. h. ihn auf dünne Querschnitte ausstreckt, die ausgestreckten Stäbe
auf einander schweisst und abermals streckt; oder indem man ihn, wie
schon oben erwähnt wurde, als Material für Darstellung von Tiegel-
gussstahl benutzt.


Da der Cementstahl aus den erörterten Gründen nur aus den
reinsten Eisensorten dargestellt zu werden pflegt, so zeigen auch die
Analysen desselben nichts Bemerkenswerthes. Phosphor, Schwefel, Sili-
cium, Mangan, Kupfer pflegen nur in wenigen Hundertstel Procenten
anwesend zu sein; der Kohlenstoffgehalt aber richtet sich nach der
Bestimmung des fertigen Stahles und pflegt 0.8—1.3 Proc. zu betragen.


61*
[956]Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens.

Literatur.


  • H. Wedding, Darstellung des schmiedbaren Eisens. Braunschweig 1875,
    S. 572—589.
  • Reinhard Mannesmann, Studien über den Cementstahlprocess. Zeitschr.
    d. Ver. für Beförderung des Gewerbfleisses 1879, S. 31.
  • Boussingault, Études sur la transformation du fer en acier par la cemen-
    tation
    . Annales de chimie et de physique, série V, tome V, p. 145.
  • J. Percy, On the cause of the blisters on blister-steel. The Journal of the
    Iron and Steel Institute 1877, p. 460.

VII. Die Weiterverarbeitung des schmied-
baren Eisens.


1. Einleitung.


Nur in verhältnissmässig seltenen Fällen dient das schmiedbare
Eisen in der Gestalt, wie es aus dem erzeugenden Processe hervor-
ging, als Handelswaare oder als Material für die unmittelbare Her-
stellung von Gebrauchsgegenständen. Nur die mehrfach erwähnten Form-
gussstücke aus Flusseisen und der schmiedbare Guss finden, ohne eine
wesentliche Veränderung ihrer Form zu erleiden, Verwendung; fast alle
übrigen Sorten schmiedbaren Eisens werden in den Eisenhütten selbst
einer Umformung unterzogen, bevor sie als fertiges Erzeugniss in den
Handel gebracht werden.


Der erhaltenen Form gemäss pflegt das schmiedbare Handelseisen
als Stangeneisen, Blech oder Draht bezeichnet zu werden; hierzu
kommen noch die unter dem Hammer erzeugten Schmiedestücke
mannigfacher Art. Das Stangeneisen wird seinem Querschnitte ent-
sprechend wieder in Quadrateisen, Flacheisen, Rundeisen und die zahl-
reichen Sorten sogenannten Profileisens eingetheilt, welche letztere
Benennung alle Eisenstäbe mit weniger einfachen Querschnittsformen
umfasst. Es gehören hierher Winkeleisen, T- und Doppelt-T-Eisen,
U-Eisen, Eisenbahnschienen und zahlreiche andere Eisensorten, deren
Formen, den Fortschritten der Technik entsprechend, einem häufigen
Wandel unterworfen sind.


Insofern diese Formgebung des schmiedbaren Eisens ein mechani-
scher Process ist, gehört die Beschreibung derselben eher in das Gebiet
der mechanischen Technologie als der Eisenhüttenkunde; der Eisen-
hüttenmann aber erreicht durch jene Arbeit noch einen andern Zweck:
er ruft eine Veredlung der Eigenschaften des von ihm erzeugten schmied-
baren Eisens hervor.


Die Einflüsse, welche unmittelbar durch die mechanische Be-
arbeitung auf die Festigkeit, Härte u. s. w. des schmiedbaren Eisens
ausgeübt werden, sowie die Abweichungen hierbei, je nachdem die
Bearbeitung in höherer oder niedrigerer Temperatur stattfand, wurden
schon früher ausführlich erörtert (vergl. unter andern S. 645 und 655).
[957]Die Verarbeitung des Schweisseisens.
Wichtiger aber noch ist in den meisten Fällen die Thatsache, dass durch
die mechanische Verarbeitung des schmiedbaren Eisens in ausreichend
hoher Temperatur, insbesondere durch die bei dieser Verarbeitung statt-
findende Querschnittsverdünnung, eine Reinigung desselben von ein-
gemengter Schlacke (beim Schweisseisen), eine Beseitigung von Hohl-
räumen im Innern (beim Flusseisen) herbeigeführt werden kann. In
dieser Beziehung also gehört die Beschreibung dieser Processe auch
dem Gebiete der Eisenhüttenkunde an; das Verfahren bei der Ver-
arbeitung aber wird nicht unwesentlich verschieden sein, je nachdem
Schweisseisen, welches von Schlacke gereinigt werden muss, oder
schlackenfreies Flusseisen, welches nur einer Verdichtung bedarf, dem
Processe unterzogen wird.


2. Die Verarbeitung des Schweisseisens.


Allgemeines.

Schon verschiedentlich wurde die Thatsache erörtert, dass der
Schlackengehalt des Schweisseisens unmittelbar nach der Darstellung des
letzteren aus Roheisen oder aus Erzen um so beträchtlicher zu sein pflege,
je grössere Mengen desselben mit einem Male dargestellt wurden, und
je weniger dünnflüssig die bei dem Darstellungsprocesse gebildete
Schlacke war. Jene uralten Processe der Schweisseisendarstellung, bei
denen eine oft nur wenige Kilogramm schwere Luppe erfolgt, sind des-
halb unleugbar zur Gewinnung eines schlackenarmen Eisens am geeig-
netsten; und mit den ausserordentlich einfachen mechanischen Hilfs-
mitteln, welche für die Verarbeitung dieser kleinen Luppen benutzt
zu werden pflegen und im Alterthume ausschliesslich benutzt wurden,
lässt sich eben nur ein so schlackenarmes Material in ein brauchbares
Fertigerzeugniss umwandeln.


Je schlackenreicher das dargestellte Schweisseisen ist, eine desto
ausgedehntere mechanische Verarbeitung desselben ist nothwendig, um
die erforderliche Reinigung von Schlacke zu bewirken. Diese länger
fortgesetzte mechanische Bearbeitung aber verursacht einen grösseren
Aufwand an Arbeitslöhnen und Brennstoff, einen erhöhten Eisenver-
lust durch Abbrand. Zum Theile wird also die Ersparung, welche durch
die Herstellung grösserer Eisenmengen in einem Einsatze erzielt werden
kann, durch jene Mehrausgaben wieder ausgeglichen; und bei allen
Processen der Schweisseisendarstellung ist, wie schon früher hervor-
gehoben wurde, durch diesen Umstand für die Vergrösserung des Ein-
satzgewichtes eine ziemlich niedrige Grenze gesteckt, welche nicht ohne
Nachtheil überschritten werden kann.


Aus derselben Ursache sah man sich aber auch gezwungen, form-
gebende Apparate von immer grösserer Kraftwirkung anzuwenden, je
mehr die Steigerung des Eisenbedarfes dazu drängte, die Leistungs-
fähigkeit des einzelnen Ofens durch Vergrösserung der Einsätze wenig-
stens bis an die äusserste zulässige Grenze auszudehnen. Aus dem
Handhammer des Alterthums entwickelte sich der während mehrerer
Jahrhunderte fast ausschliesslich benutzte Wasserhammer; dieser wurde
dann durch das leistungsfähigere Walzwerk und den kräftiger wirken-
den Dampfhammer bei Seite geschoben.


[958]Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens.

Aber auch das Arbeitsverfahren muss ein anderes sein, je nach-
dem kleinere, schlackenärmere oder grössere, schlackenreichere Luppen
verarbeitet und dabei von Schlacke gereinigt werden sollen.


In allen Fällen ist diese Reinigung durch mechanische Verarbeitung
nur in einer Temperatur möglich, in welcher das Eisen völlig weiche,
teigartige Consistenz annimmt, die Schlacke aber flüssig wird, so dass
sie aus dem Eisen herausgequetscht werden kann; es ist Schweiss-
temperatur dafür erforderlich. Wird nun ein ohnehin nicht sehr schlacken-
reiches Schweisseisen verarbeitet und dabei auf einen verhältnissmässig
dünnen Querschnitt ausgestreckt, so genügt mitunter dieses einmalige
Ausstrecken schon, eine ausreichende Reinigung von Schlacke herbei-
zuführen, um das gestreckte Eisen als brauchbares Fertigerzeugniss
gelten zu lassen. Dieser Fall kommt z. B. häufig beim Herdfrisch-
processe vor. Die Luppen werden, nachdem sie unter dem Hammer
gezängt wurden (S. 765), in mehrere Stücke zerschroten, diese werden
schweissarm gemacht und nun — gewöhnlich ebenfalls unter dem
Hammer — zu dünnen Flachstäben ausgestreckt.


Aus schlackenreicheren Luppen jedoch, wie sie der Puddelprocess
liefert, lässt sich durch diese einfache Arbeit noch kein brauchbares
Fertigerzeugniss herstellen. Wie auf S. 789 beschrieben wurde, pflegt
man die Puddelluppen, unmittelbar nachdem sie gezängt wurden, im
Luppenwalzwerke zu sogenannten Rohschienen auszuwalzen, d. h. zu
Flachstäben, deren rohes Aeussere schon auf ihre unfertige Beschaffen-
heit hinweist, und welche noch reichlich mit Schlacke durchsetzt sind.
Man setzt also die Reinigung fort, indem man die Rohschienen zer-
schneidet, eine grössere Zahl dieser kurzen Stücke zu einem vierseitig
prismatischen Bündel, einem Packete, in geeigneter Weise zusam-
menlegt, das Packet auf Schweisshitze erwärmt, unter dem Hammer
oder — weit häufiger — in Spitzbogenkalibern zusammenschweisst und
nun abermals ausstreckt. In nicht seltenen Fällen wird das ausgestreckte
Eisen aufs Neue schweisswarm gemacht, um nun auf noch dünnere
Querschnitte, sogenanntes Feineisen, ausgestreckt zu werden; oder man
benutzt es wiederum, nachdem es zerschnitten worden ist, als Material
für ein neues Packet; u. s. f.


Das Packetiren bildet demnach das Mittel zu einer fortgesetzten
Reinigung des Schweisseisens; aber auch noch andere Vortheile werden
durch diese Arbeit erreicht. Die Rohschienen des Puddelprocesses sind
nicht immer gleichartig in ihrer Beschaffenheit. Nicht allein finden sich
Abweichungen bei verschiedenen Einsätzen; auch bei einem und dem-
selben Einsatze lassen die Rohschienen verschiedener Luppen oft deut-
liche Unterschiede, durch das abweichende, theils grobkörnige, theils
feinkörnige, theils sehnige Gefüge der Bruchfläche sich verrathend,
erkennen. Indem man also dieselben ihrer Bruchfläche gemäss sortirt,
erhält man ein Mittel, sie für die Packetirung der Beschaffenheit des
in jedem einzelnen Falle darzustellenden Eisens entsprechend auszu-
wählen und zu verwenden, körnige und sogenannte melirte Stücke 1)
[959]Die Verarbeitung des Schweisseisens.
auszuschliessen, wenn ein gleichmässig sehniges Eisen verlangt wird,
umgekehrt für Feinkorneisen alle grobkörnigen oder sehnigen Stücke bei
Seite zu legen, u. s. f.


Nicht minder wichtig ist der andere Umstand, dass man durch
das Packetiren ein Mittel erhält, in verhältnissmässig einfacher Weise
die ziemlich bedeutenden Mengen von Abfällen schon geschweissten
Eisens wieder aufzuarbeiten, welche auf einem Eisenwerke bei der
Arbeit selbst regelmässig entstehen: Ausschussstücke, abgeschnittene
Enden der Fertigerzeugnisse, u. s. w. Auch Alteisen, d. h. zum An-
kaufe gebrachtes oder aus dem eigenen Inventar des Eisenwerkes stam-
mendes schmiedbares Eisen lässt sich zum grossen Theile durch die
Packetirung wieder nutzbar machen. Alles dieses Eisen ist bereits ge-
schweisst und deshalb schlackenärmer als Rohschienen; nicht selten
wird es mit den Rohschienen zusammen in geeigneter Weise in einem
und demselben Packete vereinigt, wenn man auch durch nur ein-
malige Schweissung ein Fertigerzeugniss mit niedrigerem Schlacken-
gehalte erzeugen will, als es aus den Rohschienen allein erfolgen
würde.


Diesen unleugbar grossen Vortheilen, welche das Verfahren der
Packetirung gewährt, steht der Nachtheil gegenüber, dass, dem Ver-
laufe der Arbeit entsprechend, jedes aus einem Packete gewalzte Eisen-
stück als ein Bündel zusammengeschweisster und miteinander aus-
gestreckter Stäbchen oder Plättchen zu betrachten ist, deren gegenseitiger
Zusammenhang niemals ein so vollkommener sein kann als der des
ungeschweissten Eisens. Durch Aetzen (S. 670) eines solchen Eisen-
stückes lassen sich die Schweissfugen deutlich erkennbar machen; durch
wiederholtes Hin- und Herbiegen lösen sich nicht selten die geschweiss-
ten Stellen; auch bei anhaltender Beanspruchung auf Torsion oder bei
vielfach wiederholten heftigen Erschütterungen kann dieser Uebelstand
eintreten. Bei den kohlenstoffreicheren Eisensorten, insbesondere beim
Stahle, kommt aber noch hinzu, dass an jeder Schweissstelle auch eine
chemische Beeinflussung des Materiales stattfindet. Kohlenstoff ver-
brennt, theils durch unmittelbare Einwirkung oxydirender Gase beim
Erhitzen, theils durch die Einwirkung des zuerst entstandenen Glüh-
spans, theils während des Schweissens, theils während der späteren Ver-
arbeitung. Das fertige Erzeugniss enthält demgemäss kohlenstoffärmere,
weichere Stellen neben härteren; und je weniger Vorsorge zur Ver-
meidung der Oxydation und Glühspanbildung beim Erhitzen getroffen
wurde, desto empfindlicher macht sich dieser Umstand geltend.


Trotz dieser Nachtheile ist aus den schon erörterten Gründen das
Verfahren des Packetirens nicht zu umgehen, wenn entweder eine
weitgehende Reinigung schlackenreichen Schweisseisens erforderlich ist
oder wenn Eisen beziehentlich Stahl, aus dem Erzeugungsprocesse in
ungleichartiger Beschaffenheit hervorgehend, nach vorausgegangener
Sortirung zu Handelswaare von bestimmter gleichartiger Beschaffenheit
verarbeitet werden soll.


[960]Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens.
Die Schweissfeuer und Schweissöfen.

a) Die Schweissfeuer und ihr Betrieb.

Man benutzt sie theils für den Betrieb im kleineren Maassstabe,
z. B. zum Erhitzen der Luppen eines Frischfeuers, theils auch für das
Schweissen kohlenstoffreicheren Stahles, welcher vor Oxydation geschützt
werden soll.


Die einfachste Form eines Schweissfeuers für Schmiedeeisenluppen
ist die eines grösseren Schmiedefeuers, wie es in allen Schmiedewerk-
stätten benutzt wird. Die in einem gemauerten oder auch gusseisernen
Herde angebrachte Feuergrube pflegt 250—300 mm tief, 350—450 mm
breit, 500—600 mm lang zu sein. Von der einen Seite oder senk-
recht vom Boden aus strömt der Wind in das Feuer. Als Brenn-
material pflegen backende Steinkohlen von Nussgrösse benutzt zu werden,
welche vermöge ihrer Backfähigkeit ein im Innern glühendes Gewölbe
über dem Eisenstücke bilden. Soll Brennmaterial nachgeschüttet werden,
so stösst der Schweisser die Kohlendecke ein und bringt die frischen
Kohlen oben darauf, welche alsbald zusammenbacken und eine neue
Decke bilden. Mit dem Eisen kommen auf diese Weise nur die ent-
schwefelten und bereits entgasten Kohlen in Berührung; ohne diesen
Kunstgriff würde die Beschaffenheit des Eisens wesentliche Einbusse
erleiden können. Der Windverbrauch eines solchen Feuers dürfte ge-
wöhnlich 2—3 cbm per Minute betragen, die Windspannung 150 bis
200 mm Wassersäule. Der Steinkohlenverbrauch per Tonne geschweissten
Eisens richtet sich nach der Grösse der eingesetzten Eisenstücke wie
nach der Zahl der nach einander erforderlichen Erhitzungen und wird
für jede erforderliche Schweisshitze etwa 500 kg betragen. Dabei findet
ein Metallverlust (Abbrand) von 8—12 Proc. bei jeder Erhitzung statt.


Stahl erträgt um so weniger gut eine Erhitzung im Steinkohlen-
oder Koksfeuer, je höher sein Kohlenstoffgehalt ist. In der kohlensäure-
reichen Gasatmosphäre, welche bei Verbrennung dieser Brennstoffe ent-
steht, findet eine theilweise Verbrennung seines Kohlenstoffgehaltes
statt. Zu seiner Erhitzung ist deshalb ein leichter verbrennlicher, reich-
lichere Mengen von Kohlenoxydgas liefernder Brennstoff erforderlich.
Holzkohlen sind das geeignetste Material für diesen Zweck; und ihr
geringer, fast nur aus Carbonaten der Erden und Alkalien bestehender
Aschengehalt macht sie in anderer Hinsicht gerade zum Schweissen des
Stahles besonders tauglich. In Rücksicht auf das geringere specifische
Gewicht der Holzkohlen und die Nothwendigkeit, den zu erhitzenden
Stahl vollständig mit Holzkohlen zu umgeben, baut man die Holz-
kohlenfeuer tiefer (500—600 mm tief) als die Steinkohlenfeuer und
giebt ihnen häufig eine gemauerte Decke zur leichteren Erzielung einer
gleichmässigen Temperatur im Innern. Die Abbildungen Fig. 278
und 279 zeigen die Einrichtung zweier solchen Holzkohlenfeuer aus
älterer Zeit. 1)a ist der Feuerungsraum, etwa 370 mm breit, 700 mm
lang, 550 mm tief, in welchen von der Seite her der Wind zugeführt
wird. Die Bedienung des Feuers erfolgt durch die an der Vorderseite
[961]Die Schweissfeuer und Schweissöfen.
angebrachte Oeffnung b (Fig. 279), und unterhalb derselben an der
tiefsten Stelle des Feuers befindet sich das Schlackenloch e. Die Gase
beider Feuer entweichen durch den gemeinschaftlichen Rauchfang f.


In Rücksicht auf den Umstand, dass durch die einseitige Wind-
zuführung an einer einzigen Stelle des Feuers leicht die Gleichmässig-
keit der Erhitzung beeinträchtigt werden kann, hat man, besonders für
Erhitzung längerer Stäbe, auch Stahlschweissfeuer mit natürlichem, von
unten her zutretendem Luftzuge in Anwendung gebracht. Der ganze
Boden eines solchen Feuers besteht aus einem Roste, auf welchem die
Holzkohlen verbrennen.


Die Brennstoffausnutzung in einem Holzkohlenfeuer muss, eben
weil der Brennstoff fast nur zu Kohlenoxydgas verbrannt wird, durch-

Figure 208. Fig. 278.


Figure 209. Fig. 279.


schnittlich ungünstiger sein, als im Steinkohlen- oder Koksfeuer. 1 t Stahl
pflegt zu einmaliger Schweissung 500—800 kg Holzkohlen zu bean-
spruchen; der Abbrand dabei beträgt gewöhnlich 8—12 Proc.


b) Die Schweissöfen und ihr Betrieb.

Als solche dienen Flammöfen (S. 109), auf deren Herde das zu
schweissende Eisen erhitzt wird. Sie sind unentbehrlich für den Gross-
betrieb, nicht allein, weil sie die gleichzeitige Erhitzung einer grösseren
Anzahl eingesetzter Eisenstücke oder Packete ermöglichen, sondern
auch hauptsächlich deshalb, weil die gleichmässige Erhitzung grösserer
Stücke in denselben weit leichter als in einem Feuer erreichbar ist,
in welchem die Wärmeentwickelung immerhin nur auf einen ziemlich
kleinen Raum beschränkt bleibt.


Wie bei fast allen anderen Flammöfen kommt ebensowohl directe
als Gasfeuerung zur Heizung der Schweissöfen zur Anwendung;
Schweissöfen mit Gasfeuerung sind ziemlich häufig. Die gleichmässig
[962]Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens.
hohe Temperatur, welche in einem Schweissofen erhalten werden muss,
lässt die Benutzung der Gasfeuerung für diesen Zweck als besonders
geeignet erscheinen; Schwierigkeiten, welche sich ihrer ausgedehnteren
Anwendung für den Puddelbetrieb entgegensetzen und oben ausführ-
licher geschildert wurden, fallen beim Schweissofenbetriebe weg. Ins-
besondere gilt dieses auch von der Siemensfeuerung.


Die abziehenden Gase, welche aus dem heissen Ofen naturgemäss
eine bedeutende Menge Wärme entführen, pflegt man bei den Oefen
mit directer Feuerung, sowie auch bei denjenigen Gasöfen, deren Eigen-
thümlichkeit nicht, wie die der Siemensöfen, diese Verwendung aus-
schliesst, zum Heizen der Dampfkessel zu benutzen, welche den zum
Betriebe der Walzwerke erforderlichen Dampf liefern. Die Anordnung
der Oefen und Dampfkessel gegen einander ist in diesem Falle ganz
die nämliche wie bei Puddelöfen. Auch hier pflegt die Abhitze der
Oefen zur Heizung der Dampfkessel vollständig auszureichen.


Figure 210. Fig. 280.

Die üblichste Einrichtung eines Schweissofens mit directer Feue-
rung ist in Fig. 280—282 in 1/50 der wirklichen Grösse dargestellt.
Der Herd des Ofens ist flach und wird gewöhnlich durch eine Sand-
schüttung auf Gusseisenplatten gebildet, welche von einer Seitenwand
zur andern hinübergehen. Wasserkühlung, wie bei Puddelöfen, ist selten
oder gar nicht in Anwendung, da hier die zerstörende Einwirkung der
Schlacken wegfällt; der Feuerbrücke dagegen giebt man nicht selten
eine Luftkühlung (Fig. 280), aus einem hindurch gehenden Kanale
bestehend, welchen man an der Rückseite des Ofens in ein senkrechtes
als Esse wirkendes Rohr ausmünden lässt. Die Feuerbrücke ist um so
niedriger, je stärker das auf dem Herde befindliche Eisen erhitzt wer-
den muss und je weniger es vor der Oxydationswirkung der Gase
geschützt zu werden braucht; bei Oefen also, welche ausschliesslich
zum Schweissen von sehnigem Eisen bestimmt sind, niedriger als bei
solchen für Feinkorneisen oder Stahl.


Damit die aus dem oxydirten Eisen und dem Herdmateriale sich
[963]Die Schweissöfen.
bildende Schlacke abfliessen könne, giebt man dem Herde eine Neigung
abwärts, sowohl in der Richtung des Gasstromes als nach der Rück-
seite des Ofens zu. Durch den steil abfallenden Fuchs gelangt alsdann
die Schlacke in eine Vertiefung, aus welcher sie durch eine in der
Seitenwand des Fuchskanales angebrachte Oeffnung ununterbrochen in

Figure 211. Fig. 281.


einen ausserhalb befindlichen Sumpf (a in Fig. 280 und 281) abfliesst,
wo sie erstarrt.


Die Grösse der Thüröffnung muss dem Durchmesser der einzu-
setzenden Packete und Eisenstücke entsprechend bemessen sein. Die
Thür besteht, wie die anderer
Flammöfen, aus einem Gusseisen-
rahmen mit eingesetzten feuer-
festen Steinen und wird durch
Hebel und Kette zwischen Füh-
rungsleisten emporgezogen.


Nach einer vom technischen
Vereine für Eisenhüttenwesen im
Jahre 1872 gefertigten Zusam-
menstellung 1) sind die üblichsten
Abmessungen der Schweissöfen
mit directer Steinkohlenfeuerung
folgende:


Uebliche Grösse der

Figure 212. Fig. 282.


Einsätze für Feineisen und Walzdraht 600—850 kg, für mittel-
starke Eisensorten 600—1250 kg, für grobe 1400—2500 kg.


Je grösser die eingesetzten Stücke oder Packete sind, desto längerer
Zeit bedürfen sie, um schweisswarm zu werden; daher beträgt


die Anzahl der Einsätze in 24 Stunden 9—24, gewöhn-
lich jedoch 16—20; und


die Gesammtmenge des in 24 Stunden eingesetzten
Eisens
8—22 t, gewöhnlich 12—14 t.


Grösse der Rostfläche bei den kleinsten Oefen 0.8 qm, bei
den mittelgrossen etwa 1 qm, bei den grössten bis 1.3 qm.


[964]Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens.

Herdfläche von der Feuerbrücke bis zum Fuchse 2.2 bis
3 qm; Herdbreite von der Rückwand bis zur Thüröffnung 1.3—1.8 m.


Tiefe des Rostes unter der Feuerbrückenoberkante
0.35—0.70 m; Höhe der Feuerbrückenoberkante über dem
Herde
0.10—0.40 m.


Verhältniss des Fuchsquerschnittes zur Rostfläche
durchschnittlich wie 1 : 7.


Durch Anwendung von Unterwind (bei geschlossenem Aschenfall)
lässt sich ebenso wie bei anderen Flammöfen eine günstigere Aus-
nutzung der Wärme, also eine Ersparung an Brennstoff und eine erhöhte
Leistungsfähigkeit des Ofens erzielen. Je aschenreicher aber die zur
Verwendung stehenden Kohlen sind, desto schwieriger wird, wie schon
früher erörtert wurde, die Wartung des Rostes bei geschlossenem Aschen-
fall, und aus diesem Grunde sind auch die Schweissöfen mit Unter-
wind durchschnittlich weit seltener als solche mit natürlichem Luft-
zuge. Es kommt hierbei noch in Betracht, dass die Oxydationswirkung
eines mit Unterwind betriebenen Schweissofens höher zu sein pflegt
als ohne Unterwind; der Abbrand fällt also gewöhnlich beträchtlicher
aus, und je kleiner die eingesetzten Eisenstücke und Packete sind, je
grösser also das Verhältniss ihrer dem Gasstrome dargebotenen Ober-
fläche zu ihrem Gewichte ist, desto ungünstiger wird dieser Nachtheil
der Anwendung von Unterwind sich geltend machen.


Unter den verschiedenen, in den letzten Jahrzehnten in die Praxis
eingeführten Systemen der Gasfeuerung, deren wichtigste bereits in der
ersten Abtheilung dieses Buches ihrer Einrichtung gemäss besprochen
wurden, giebt es kaum eins, dessen Anwendung nicht auch hier oder
da beim Schweissofenbetriebe erprobt worden wäre; manche derselben
waren ursprünglich ganz besonders für den Schweissofenbetrieb bestimmt.


Zu den in der Jetztzeit gebräuchlichsten Gasschweissöfen gehört
der auf S. 123 beschriebene Bicherouxofen, ausgezeichnet durch
Einfachheit der Construction bei verhältnissmässig günstiger Ausnutzung
des Brennstoffes.


Zwar weniger einfach in seiner Einrichtung, unleugbar aber gut
anwendbar in solchen Fällen, wo es sich um weitgehende Ausnutzung
des Brennstoffes, zumal eines geringwerthigeren Brennstoffes, handelt,
ist ein von Lürmann erbauter Schweissofen, welcher, nachdem seine
Zweckmässigkeit bereits seit mehreren Jahren durch die Praxis erprobt
wurde 1), voraussichtlich berufen sein wird, den bewährtesten Flamm-
öfen der Eisenhütten gleichberechtigt sich zur Seite zu stellen. Die
Skizzen Fig. 283, 284 und 285 (in etwa 1/100 der wirklichen Grösse)
können zur Veranschaulichung der Einrichtung dieses Ofens dienen;
Fig. 283 stellt den Aufriss nach der Linie 1, 2 in Fig. 284 dar, Fig. 3, 4
ist der Grundriss nach der Linie 3, 4 in Fig. 283, Fig. 285 zeigt einen
senkrechten Schnitt nach der Linie 5, 6 in Fig. 284.


[965]Die Schweissöfen.

Auf der rechten Seite der Abbildungen gewahrt man den Gas-
generator nach Gröbe-Lürmann’s System, dessen eigenthümliche
Einrichtung bereits auf S. 93 besprochen und durch eine besondere
Abbildung in grösserem Maassstabe erläutert wurde. Der Generator des

Figure 213. Fig. 283.


Figure 214. Fig. 284.


abgebildeten Ofens enthält vier Entgasungsräume (Retorten) A A . . und
den Vergasungsraum B. Durch den mit Hilfe eines Schiebers absperr-
baren Kanal c gelangen die entwickelten, hoch erhitzten Gase unmittel-
bar nach dem Ofen. Sollte es erforderlich sein,
so lässt sich ein Theil dieser Gase, ohne nach
dem Ofen geführt zu werden, durch den mit
einem Schieber verschliessbaren Kanal d (in
Fig. 285) ableiten, um durch den Raum e
ohne Weiteres nach den Retorten A A be-
ziehentlich nach dem (in der Abbildung nicht
gezeichneten) Dampfkessel zu strömen (z. B.
beim Beginne des Betriebes, so lange die
sämmtlichen Theile noch kalt sind). Während
des vollen und regelmässigen Betriebes da-
gegen dienen die vom Schweissofen kommen-
den Verbrennungsgase zum Heizen der ge-

Figure 215. Fig. 285.


nannten Apparate. Sie verlassen den Ofen durch den Kanal n (Fig. 283
und 284), ziehen durch die drei schmalen aber hohen Parallelkanäle
m m m rückwärts nach dem schon erwähnten Sammelkanale e, um von
[966]Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens.
hier aus zunächst in die um die Retorten herumführenden Kanäle ge-
führt zu werden (vergl. Fig. 284 sowie die Abbildung Fig. 16 auf S. 93,
in welcher diese Kanäle mit D bezeichnet sind) und dann an der ent-
gegengesetzten (in der Abbildung rechts befindlichen) Seite nach dem
Dampfkessel zu strömen. Die kleinen Kanäle i i i (Fig. 283) haben den
Zweck, eine Ableitung eines Theils dieser Gase durch den Kanal k
unmittelbar nach dem Kessel zu ermöglichen, sofern der Essenzug nicht
ausreichend sein sollte, alle Gase durch die zur Heizung der Retorten
bestimmten Kanäle hindurch zu führen.


Die zur Verbrennung der Gase im Schweissofen bestimmte Luft
strömt von aussen durch den Kanal f (Fig. 283 und 285) zu, steigt
durch die in Fig. 284 im Durchschnitte sichtbaren, in Fig. 283 durch
Punktirung angedeuteten senkrechten Kanäle, welche zwischen den schon
besprochenen Gaskanälen m m angeordnet sind, empor, um in denselben
durch die Abhitze des Ofens vorgewärmt zu werden, und tritt dann
durch den gemeinschaftlichen Kanal l (Fig. 283) in den Ofen, um hier
mit dem durch c zuströmendem Gase zusammen zu treffen.


Neben dem Vortheile einer besonders günstigen Ausnutzung der
entwickelten Wärme gewährt der Lürmann’sche Ofen vermöge der
Eigenthümlichkeit seines Generators die Möglichkeit, auch gasarme,
schwer verbrennliche, oder sehr feinstückige und deshalb dicht liegende
Steinkohlen für den Schweissofenbetrieb nutzbar zu machen, welche für
Oefen mit directer Feuerung oder mit einfacheren Generatoren nicht
anwendbar sein würden. So z. B. bestand bei einem derartigen Ofen
im Stahlwerke Osnabrück im Monate April 1880 der Brennstoffver-
brauch aus 52.3 t Anthracitstaubkohle, 0.8 t Koksklein, 32 t Wäsche-
schlamm und 37 t sonstigen Steinkohlen; die Menge der verbrauchten
unverkokbaren Kohlen (Anthracite und Koksklein) stieg nicht selten
auf mehr als 50 Proc. von dem Gesammtverbrauche. Im Vergleiche
zu den Siemensöfen desselben Werkes stellte sich der Brennstoff-
verbrauch des Lürmannofens, bezogen auf die nämliche Menge erhitzten
Eisens, günstiger, selbst wenn man die bei ersterer Feuerung für die
Heizung der Dampfkessel erforderlichen Kohlen ausser Betracht liess;
erheblich war der Unterschied zu Gunsten des Lürmannofens, wenn
man die letzteren in Betracht zog. 1)


Ein Ponsardschweissofen wurde bereits auf S. 124 abgebildet
und beschrieben. Er ermöglicht, wie der jüngere Lürmannofen, eine
Benutzung der Abhitze auch zur Kesselheizung; ausserhalb Frank-
[967]Die Schweissöfen.
reichs ist derselbe aus den schon früher erörterten Gründen wenig oder
gar nicht zur Verwendung gelangt.


Siemensschweissöfen, bei deren Benutzung immerhin ein be-
sonderer Brennstoffaufwand für die Kesselheizung erforderlich wird, sind,

Figure 216. Fig. 286.


Figure 217. Fig. 287.


wo Steinkohlen das Material für die Vergasung bildeten, zwar nicht
gerade selten zur Anwendung gekommen, ohne dass jedoch das Ofen-
system gerade für diesen Zweck
eine überwiegende Bedeutung erlangt
hätte. Verhältnissmässig häufiger und
jedenfalls mit grösserem Nutzen be-
dient man sich der Siemensöfen zum
Schweissen in solchen Gegenden, wo
billige, aber wasserreichere Brenn-
stoffe, insbesondere Braunkohlen, zur
Benutzung stehen, die bei directer
Feuerung oder bei einer der ein-
facheren Gasfeuerungen nicht oder
nur schwierig und bei hohem Brenn-

Figure 218. Fig. 288.


stoffaufwande die zum Schweissen erforderliche Temperatur zu liefern
vermögen. Es wurde schon mehrfach als ein Vortheil der Siemensöfen
[968]Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens.
in derartigen Fällen der Umstand hervorgehoben, dass dieselben die
Erzeugung eines brauchbaren Gasgemisches auch aus wasserreichen
Brennstoffen ermöglichen, sofern man in die Gasleitung einen Conden-
sationsapparat für den Wassergehalt des Gases einschaltet; und die hier-
durch herbeigeführte Abkühlung des Gases kommt für die Leistung des
Ofens weniger als bei anderen Gasöfen in Betracht, da dasselbe ohnehin
in den Regeneratoren aufs Neue erhitzt wird. Auch ohne Anwendung
der Condensation jedoch ermöglichen die Siemensöfen eben wegen der
stattfindenden starken Vorwärmung von Gas und Luft die Erzielung
höherer Verbrennungstemperaturen aus wasserhaltigen Brennstoffen als
andere Oefen; und die Beschaffenheit der zur Verwendung genommenen
Kohlen wird darüber entscheiden müssen, ob überhaupt Condensation
nothwendig ist oder nicht.


Die Abbildungen Fig. 286—288 auf S. 967 zeigen den Herd eines
Siemensschweissofens eines mitteldeutschen Eisenwerkes, welcher mit
Braunkohlengas geheizt wird und nach dem Muster derartiger, in den
österreichischen Alpen im Betriebe befindlicher Oefen gebaut wurde.
Der Ofen ist, wie der auf S. 862 (Fig. 254 und 255) abgebildete Sie-
mens-Martinofen mit liegenden Regeneratoren, stark gewölbter Decke
und einfach angeordneter Gas- und Luftzuführung versehen; er unter-
scheidet sich im Wesentlichen von jenem Ofen nur durch die flachere
Form des Herdes. Letzterer besteht, wie bei den Oefen mit directer
Feuerung, aus einer Lage Quarzsand und wird von eisernen Platten
getragen. Der Schlackenabfluss befindet sich an der Rückseite des
Ofens bei a, und der Herd fällt von allen Seiten her nach dieser Stelle
hin ab. Die Feuerbrücken sind durch Luftröhren gekühlt, welche mit
den kleinen Essenröhren b b (Fig. 287) in Verbindung stehen.


Statt der gewölbten Form der Decke des abgebildeten Ofens, welche
unleugbar Gewähr für eine grosse Dauerhaftigkeit giebt, findet man
häufig eine solche, welche der günstigeren Wärmeausnutzung halber,
wie die Decke des in Fig. 250 (S. 860) abgebildeten Martinofens, der
Form des Herdes folgt, also von den Enden des Ofens nach der Mitte
zu abfällt. Auch die Anordnung der Gas- und Lufteinströmungen zeigt,
wie bei den Siemensöfen für andere Zwecke, mannigfache Abweichungen
von der abgebildeten Form (vergl. unter andern die Anordnung der-
selben bei dem soeben erwähnten Ofen Fig. 251 und 252).


Das Arbeitsverfahren für die Bedienung der Schweissöfen ist
einfach. Die zu erhitzenden Packete oder Eisenstücke werden mit Hilfe
einer breiten Schaufel durch die geöffnete Thür in den Ofen geschoben
und an geeigneter Stelle der Flamme preisgegeben. Kurz vor dem
Herausnehmen pflegt man sie zu wenden, so dass die zu unterst befind-
liche weniger stark erhitzte Seite oben zu liegen kommt; dann werden
sie mit Hilfe einer Zange herausgeholt und auf einem eisernen Wagen
nach dem Walzwerke gefahren. Zuerst werden die an der heissesten
Stelle des Ofens (in der Nähe der Feuerbrücke) befindlichen Stücke
nach einander herausgenommen; während diese ausgewalzt werden,
bringt man, sofern es erforderlich ist, die übrigen an die von den
[969]Die Schweissöfen.
ersteren im Ofen vorher eingenommene Stelle, um auch diese der
höheren Temperatur auszusetzen.


Der Brennstoffverbrauch richtet sich nach der Einrichtung
und Grösse der Oefen wie nach der Grösse der Packete. Bei Schweiss-
öfen mit directer Feuerung pflegt der Steinkohlenverbrauch per 1000 kg
einmal geschweissten Eisens 400—700 kg zu betragen. Bei Gasschweiss-
öfen ist der Verbrauch entsprechend niedriger; Siemensöfen mit Stein-
kohlengasfeuerung erfordern gewöhnlich 200—350 kg Steinkohlen per
1000 kg Eisen. Bei Braunkohlengasfeuerung fällt der Brennstoffverbrauch
natürlich um so viel höher ans, als der Brennwerth der Kohlen ge-
ringer ist, und es kann derselbe 400—800 kg per 1000 kg Eisen be-
tragen.


Der Gewichtsverlust (Abbrand) beim Schweissen richtet sich theils
nach dem Schlackengehalte des zu schweissenden Eisens, theils nach
der Form und Grösse der eingesetzten Stücke, theils auch nach der
Einrichtung des Ofens und der Beschaffenheit des Brennstoffes. Bei
der ersten Schweissung von Packeten pflegt der Abgang 9—12 Proc.
des ursprünglichen Gewichtes zu betragen; wird das ausgewalzte Packet
ein zweites Mal erhitzt, so ist der Abbrand hierbei geringer und be-
trägt gewöhnlich etwa 4—5 Proc.


Ueber die Anzahl und Grösse der Einsätze, welche in einem
Schweissofen von bestimmter Grösse im Laufe eines Tages verarbeitet
werden können, wurden schon auf S. 963 einige Mittheilungen gemacht.
Auf 1 qm Herdfläche bezogen dürfte das Gewicht des in 24 Stunden
erhitzten Eisens sich gewöhnlich auf 4.5—6.5 t beziffern.


Das Arbeiterpersonal pflegt in jeder Schicht aus 2 Mann an jedem
Ofen, einem Vorarbeiter und einem Gehilfen, zu bestehen.


Als ein Nebenerzeugniss des Schweissofenbetriebes entsteht die
Schweissofenschlacke, in ihrem Aussehen und ihrer Zusammen-
setzung der Puddel- oder Herdfrischschlacke ähnlich und wie diese
reich an Eisen. Die meisten derartigen Schlacken enthalten 20 bis
30 Proc. Kieselsäure, 50 Proc. oder etwas darüber an Eisen, grössten-
theils in Form von Oxydul, theilweise jedoch auch höher oxydirt,
daneben gewöhnlich Phosphorsäure, sowie kleine Mengen Thonerde,
Schwefel u. s. w.


Da der Phosphorsäuregehalt der Schweissofenschlacken aus nahe
liegenden Gründen geringer zu sein pflegt als derjenige der Frischfeuer-
oder Puddelschlacken, welche bei der Darstellung des zu schweissenden
Eisens gebildet waren, und selten erheblich über 1 Proc. hinausgeht,
so bilden jene Schlacken ein gesuchtes Material sowohl als Zusatz beim
Puddeln wie für die Verhüttung im Hochofen.


Beispiele der Verarbeitung des Schweisseisens.

Darstellung des Gärbstahles.

Der durch Frischen erzeugte Schweissstahl (Herdfrischstahl, Puddel-
stahl) ist, wie alles Schweisseisen, nicht immer gleichartig in seiner
Beschaffenheit und mehr oder minder von Schlacke durchsetzt. Dass
Ledebur, Handbuch. 62
[970]Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens.
auch der rohe Cementstahl den Fehler einer ungleichartigen Beschaffen-
heit, eines abweichenden Kohlenstoffgehaltes an verschiedenen Stellen
des nämlichen Stabes, zu besitzen pflege, wurde schon bei der Be-
sprechung der Eigenthümlichkeiten desselben erwähnt.


Eine Verbesserung der Eigenschaften dieser Stahlsorten ist mög-
lich, wenn sie dem schon in allgemeinen Zügen geschilderten, für alles
Schweisseisen anwendbaren Verarbeitungsprocesse unterzogen werden,
d. h. wenn man sie auf dünne Querschnitte ausstreckt, die gestreckten
Stäbe zusammenschweisst, abermals ausstreckt und unter Umständen
dieses Verfahren nochmals wiederholt. Der Process wurde in der ersten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts zuerst durch Crawley in England
eingeführt, und der auf diese Weise dargestellte Stahl blieb viele Jahr-
zehnte hindurch der vorzüglichste zur Darstellung von Werkzeugen u. s. w.,
bis man durch Erfindung der Tiegelgussstahldarstellung ein Mittel erhielt,
einen noch gleichmässigeren, dabei vollständig schlackenfreien und
ungeschweissten Stahl zu gewinnen. Der Umstand aber, dass der Tiegel-
gussstahl, wie aller Flussstahl, schwieriger verarbeitbar, insbesondere
schwieriger schweissbar ist, als jener Schweissstahl, erklärt es, dass er
trotz seiner Vorzüge bislang nicht im Stande war, denselben voll-
ständig zu verdrängen. Insbesondere wird noch in den österreichischen
Alpenländern die Darstellung dieses raffinirten Schweissstahles betrieben.
Man benutzt als Material für denselben den Rohstahl vom Frischfeuer-
betriebe und verwendet ihn zur Anfertigung von Sensen, Sicheln,
Messern, Federn, gröberen Werkzeugen u. s. w.


Das Packet, durch dessen Zusammenschweissen und Ausrecken der
Stahl hergestellt wird, heisst eine Garbe; das Verfahren der Veredlung
des Stahles in dieser Weise wird Gärben genannt, und der fertige
Stahl hat demnach den Namen Gärbstahl erhalten. 1)


Das Verfahren im Grossen und Ganzen ist ziemlich einfach, wenn
auch von der bei demselben angewendeten Umsicht und Sorgfalt sehr
wesentlich die Beschaffenheit des fertigen Stahles abhängt. Man streckt
zunächst den Rohstahl im Walzwerke oder unter dem Hammer zu
Stäben von 8—15 mm Stärke und wirft dieselben noch rothglühend
in Wasser, um sie nachher leichter zerschlagen zu können. Aus vier
bis acht Lagen dieser in entsprechend kürzere Stücke zerbrochenen
Stäbe bildet man eine Garbe, gewöhnlich im Gewichte von etwa 15 kg,
bringt dieselbe mit Hilfe einer Zange in das mit Holzkohlen geheizte
Schweissfeuer, um sie hier unter Beachtung aller der Vorsichtsmaass-
regeln, welche das Erhitzen und Schweissen des Stahles erheischt, auf
Schweisstemperatur zu erhitzen, schweisst sie unter einem Hammer
zusammen und streckt sie unter wiederholter Erhitzung zu den fer-
tigen Stäben aus.


Für Darstellung zweimal gegärbten Stahles biegt man die solcher-
art erhaltenen Stäbe in der Mitte zusammen, schweisst sie und streckt
sie abermal aus; seltener bildet man eine vollständig neue Garbe aus
den zerbrochenen Stäben von dem ersten Gärben.


[971]Beispiele der Verarbeitung des Schweisseisens.
Darstellung des Grobeisens.

Man versteht unter Grobeisen die stärkeren Eisensorten mit qua-
dratischem, rechteckigem, kreisrundem, seltener sechs- oder achteckigem
Querschnitte, welche aus Packeten durch einmalige Schweissung der-
selben hergestellt werden. Eine bestimmte, allgemein gültige Grenze
zwischen Grobeisen und Feineisen giebt es nicht; örtliche Gebräuche,
insbesondere auch die Leistungsfähigkeit der Walzwerke einer Eisen-
hütte, sind hierfür maassgebend.


Zu den Packeten benutzt man theils Rohschienen, theils Alteisen
und Abfälle. Das Gewicht eines Packetes muss, wie auch bei Dar-
stellung aller anderer Eisensorten, gleich sein dem Gewichte des fertigen
Stabes plus dem Abbrande und dem Gewichte der abfallenden Enden.
Die zu packetirenden Stäbe werden in Stücke von der entsprechenden
Länge zerschnitten (gewöhnlich 450—600 mm) und dann derartig zu-
sammengelegt, dass die Fugen gegen einander versetzt sind und die
Zwischenräume möglichst klein ausfallen. Die Form der einzelnen zu
packetirenden Stücke muss für ihre Anordnung maassgebend sein, und
eine gewisse Uebung und Umsicht ist für eine gute Packetirung uner-
lässlich.


Sollte das Packet wegen der ungünstigen Form der packetirten
Stücke zum Auseinanderfallen geneigt sein, so bindet man es wohl mit
Bindedraht zusammen.


Das Schweissen des entsprechend erhitzten Packetes pflegt in Spitz-
bogenkalibern (S. 728) vorgenommen zu werden; man lässt es durch
mehrere derartige Kaliber hindurchgehen, bevor es in die Fertigkaliber
gelangt.


Rundeisen pflegt in Spitzbogenkalibern fortschreitend bis auf den
vorletzten Querschnitt gestreckt zu werden; dann erhält es in einem
einzigen Rundkaliber seine Vollendung (S. 728), durch welches es zwei
Male unter Drehung um 90 Grad hindurchgeführt wird. Auch Quadrat-
eisen, dessen Endkaliber überhaupt sich von den Spitzbogenkalibern
nur durch die weniger stark gewölbte Form der Seitenflächen unter-
scheidet, wird in dieser Weise gewalzt. Flacheisen wird, nachdem das
Packet in Spitzbogenkalibern geschweisst worden ist, in geschlossenen
Kalibern der Vollendwalzen fertig gestreckt, dabei ausgebreitet und
nach jedem Durchgange um 180 Grad gedreht. Die Einrichtung der
Flacheisenkaliber ist im Wesentlichen die nämliche wie bei den links-
seitig befindlichen Walzen des auf S. 701 (Fig. 183) abgebildeten Roh-
schienenwalzwerkes.


Feineisen und Walzdraht.

Man stellt diese Eisensorten dar, indem man Packete im Grob-
eisenwalzwerke schweisst und zu Stäben auswalzt, diese zu kürzeren
Stücken zerschneidet, welche Prügel oder Knüttel genannt werden,
abermals Schweisshitze giebt (ohne Packetirung) und nun auf dünnere
Querschnittsabmessungen auswalzt. Feineisen hat die nämlichen Quer-
schnittsformen wie das Grobeisen, nur in entsprechend geringeren Ab-
messungen; Walzdraht nennt man insbesondere die schwächsten Sorten
62*
[972]Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens.
des durch Walzen hergestellten Rundeisens, deren Durchmesser mit-
unter nur wenige Millimeter beträgt. 1) Man benutzt denselben theils
unmittelbar für die mannigfachsten Zwecke, theils auch zur Herstellung
des gezogenen noch feineren Drahtes, einer Arbeit, deren Besprechung
nicht mehr in das Gebiet der Eisenhüttenkunde fällt, sondern der mecha-
nischen Technologie angehört.


Da die Eisenstäbe um so rascher abkühlen und demnach das Aus-
walzen um so stärker beschleunigt werden muss, je dünner ihr Quer-

Figure 219. Fig. 289.


schnitt ist, so sind für die Feineisen-
darstellung rasch laufende Walzwerke
nach dem Triosystem erforderlich. Für
die feineren Rundeisensorten pflegt man
drei bis sechs Walzgerüste zu kuppeln,
so dass ein und derselbe Stab, nach-
dem er in den Vorwalzen rasch auf
eine bedeutende Länge gestreckt und
dann umgebogen war, nunmehr schlan-
genartig durch mehrere Walzgerüste
gleichzeitig hindurcheilt. Man pflegt in
Spitzbogen- oder Quadratkalibern, zwi-
schen denen man zur Beschleunigung
der Arbeit Ovalkaliber (S. 727) ein-
schaltet, zu strecken und erst, wie bei
Darstellung gröberen Rundeisens, in
einem Rundkaliber die Vollendung zu
geben.


Da die Arbeit des Drahtziehens er-
heblich kostspieliger ist als die des
Walzens, so liegt es im Interesse des
Fabrikanten, Walzdraht von möglichst
geringem Durchmesser herzustellen. Er-
hebliche Fortschritte sind in dieser Be-
ziehung während der letzten Jahrzehnte
gemacht und insbesondere sind die
Drahtwalzwerke zu grosser Vollkom-
menheit ausgebildet worden. Es kommt
hierbei nicht allein darauf an, dass das
Walzwerk rasch strecke, d. h. mit grosser
Umfangsgeschwindigkeit laufe, sondern
es sind auch Vorrichtungen erforderlich,
um das Einführen des zwischen den Walzen herauskommenden Endes
des glühenden Stabes in das folgende Kaliber in möglichst kurzer Zeit
und mit möglichster Genauigkeit zu ermöglichen; und es ist hierbei
zugleich zu berücksichtigen, dass der Draht, um fernerhin gestreckt zu
werden, eine Drehung um 90 Grade erleiden muss, ehe er in ein neues
Kaliber eintritt. Häufig benutzt man für diesen Zweck Führungen,
welche den Draht bei seinem Herauskommen aufnehmen; zur noch
grösseren Erleichterung des Hinüberleitens hat man auch wohl parallele,
[973]Beispiele der Verarbeitung des Schweisseisens.
hinter einander aufgestellte Walzstrecken angeordnet, so dass der Draht
von einer zur andern hinüber geht. Jenes Wenden des Drahtes um
90 Grad aber lässt sich ersparen, wenn man abwechselnd Walzen mit
wagerechten und senkrechten Drehungsachsen anordnet, zwischen welchen
der Draht der Reihe nach hindurchgeht. Bei einem derartigen von
Johnson eingerichteten Walzwerke sind 16 derartige Walzenpaare von
200 mm Durchmesser, immer abwechselnd mit wagerechten und senk-
rechten Achsen und mit zunehmender, der stattfindenden Streckung ent-
sprechender Beschleunigung, in gleichzeitiger Wirksamkeit, welche in
neunstündiger Schicht 15 t Stäbe von 30 mm Durchmesser auf 4 mm
Durchmesser auswalzen. 1) Auch bei einem von R. Daelen entworfenen
Drahtwalzwerke (D. R. P. Nr. 11 838) ist der nämliche Grundsatz, die
abwechselnde Benutzung senkrechter und wagerechter Walzen, zur An-
wendung gebracht.


Winkeleisen.

Man walzt dasselbe gewöhnlich in zwei Hitzen aus Packeten mit
quadratischem Querschnitte. Die obere und untere Seite des Packetes
lässt man gern aus je einer einzigen geschweissten Platte, einer so-
genannten Deckplatte bestehen, welche aus Blechabfällen hergestellt
werden kann. Man erzielt dadurch sauberere Oberflächen und macht
das Eisen geeigneter, die Herstellung von Nietlöchern ohne Beschädi-
gung des Materiales zu ertragen. Die Art und Weise der Kalibrirung
der Fertigwalzen ergiebt sich aus der Skizze Fig. 289. Auch ungleich-
schenkliges Winkeleisen wird in dieser Weise gewalzt.


Einfach- und Doppelt-T-Eisen.

Man walzt diese Eisensorten aus profilirten Packeten, deren Quer-
schnitt schon eine gewisse Aehnlichkeit mit der Querschnittsform des
fertigen Eisens besitzt. Für Einfach-T-Eisen lässt sich z. B. die
Packetirung in der Weise bewirken, wie
es Fig. 290 darstellt. a a sind geschweisste
Schienen, b Rohschienen. Aehnlich werden
die Packete für Doppelt-T-Eisen gebildet.


Das Auswalzen pflegt in zwei Hitzen
bewirkt zu werden. In den Kalibern für
Doppelt-T-Eisen liegt der mittlere Steg
des Eisens wagerecht, die Flügel senk-

Figure 220. Fig. 290.


recht ( [...]). Letztere also können nur durch den Seitendruck in den
Kalibern ausgebildet werden; und je grösser ihre Breite ist, desto
schwieriger fällt naturgemäss die Herstellung des Eisens aus. Für solche
Eisensorten mit breiten Flügeln hat man wohl das Universalwalzwerk
(S. 733) zur Anwendung gebracht.


Einfach-T-Eisen dagegen lässt sich, wenn es erforderlich sein
sollte, ohne Schwierigkeit in Kalibern walzen, welche abwechselnd
liegend und stehend angeordnet sind, so dass in dem einen Kaliber
Oberdruck auf den Steg, in dem folgenden auf die Flügel ausgeübt wird.


[974]Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens.
Blech.

Man pflegt Schwarzbleche, Kesselbleche und Panzerplatten zu unter-
scheiden. Ein hohes Maass von Zähigkeit wird von sämmtlichen Blech-
arten verlangt; nur phosphor- und schlackenarmes Eisen ist deshalb
für ihre Herstellung brauchbar.


Schwarzbleche sind die feinsten Blechsorten mit einer Stärke-
abmessung bis zu etwa 5 mm. Häufig verwendet man dieselben zur
Anfertigung von Gegenständen, welche durch Drücken, Prägen oder
ähnliche Arbeiten im kalten Zustande hergestellt werden; nur ein sehr
dehnbares Material ist hierfür geeignet.


Man benutzt gewöhnlich für die Herstellung des Schwarzbleches
Flachstäbe, welche entweder aus einem Packete oder auch, wo noch
Frischfeuerbetrieb für diesen Zweck unterhalten wird (vergl. die Erörte-
rungen auf S. 758), aus der Luppe des Frischfeuers gewalzt beziehent-
lich geschmiedet werden. Die Stäbe zertheilt man in Stücke von solcher
Länge, dass jedes derselben eine Blechtafel giebt. Diese Stücke, ge-
wöhnlich Stürze genannt, werden im Schweissofen erhitzt, dann im
Blechwalzwerke (S. 710 ff.) zunächst in der Längenrichtung gestreckt,
bis ihre Länge gleich der Breite des herzustellenden Bleches ist, hierauf
in entgegengesetzter Richtung (quer) unter öfters wiederholtem Erhitzen
bis zur hellen Rothgluth (nicht Schweisstemperatur) zu der vorgeschriebe-
nen Stärke ausgewalzt. Um die Arbeit zu beschleunigen, legt man
eine grössere Zahl Tafeln auf einander, sobald ihre Querschnittsverdün-
nung ein gewisses Maass erreicht hat, und führt sie gemeinschaftlich
zwischen den Walzen hindurch.


Man benutzt gewöhnlich Duowalzwerke mit einem oder auch mit
zwei Walzgerüsten und bewirkt die Querschnittsverdünnung durch An-
ziehen der Stellschraube nach jedem Durchgange. Auch das Lauth’sche
Triowalzwerk (S. 713) hat sich für diesen Zweck als recht geeignet
erwiesen.


Schliesslich ist ein Ausglühen der beim Walzen hart gewordenen
Bleche erforderlich. Man benutzt dazu Flammöfen mit hoher Feuer-
brücke, stark schmauchender (reducirender) Flamme und horizontalem
Herde; sehr feine Bleche werden auch wohl in besonderen Gefässen
geglüht. Bei diesem Ausglühen nehmen die Bleche jene schwarze Farbe
an, der sie ihren Namen verdanken.


Kesselbleche pflegen eine Stärke von 5—20 mm zu besitzen.
Man stellt sie aus Packeten dar, welche aus kreuzweise über einander
gelegten Schienen gebildet werden. Bis vor wenigen Jahren pflegte
man allgemein diese Packete, wenn sie schweisswarm geworden waren,
unter einem schweren Dampfhammer (10 t Hammer) zusammenzu-
schweissen und zu einem flachen, vierseitig prismatischen Blocke —
einer sogenannten Bramme — auszuschmieden, welcher abermals auf
Schweisshitze erwärmt und dann ausgewalzt wurde. Bei sorgfältiger
Auswahl des Eisens und zweckentsprechender Packetirung hat man in
neuerer Zeit das Schmieden der Packete entbehrlich gefunden. Man
versieht die Packete oben und unten mit Deckplatten aus schon ge-
schweisstem Eisen und schweisst sie zwischen den Blechwalzen selbst
zusammen, bringt sie abermals in den Ofen und walzt sie weiter aus.
[975]Blechdarstellung aus Schweisseisen.
Bis zur Vollendung pflegen noch eine oder zwei Erhitzungen des
Bleches, jedoch nur auf helle Rothgluth, erforderlich zu sein. Gewöhn-
lich sind zwei Walzgerüste vorhanden, deren eins zum Vorwalzen dient,
während das zweite für das Fertigwalzen bestimmt ist. Für Herstellung
schwerer Kesselbleche kommen nicht selten Kehrwalzwerke (S. 720) zur
Anwendung.


Die vorgeschriebene Länge und Breite der Blechtafel wird erzielt,
indem man die letztere bald der Länge, bald der Quere nach zwischen
den Walzen hindurchgehen lässt, so dass Streckung in beiden Richtungen
stattfindet. Man erreicht hierdurch den andern Zweck, eine allzu ein-
seitige Ausbildung der Fasern nach der einen Richtung zu vermeiden,
mit welcher eine übermässige Schwächung der Festigkeit in der Rich-
tung gegen die Faser Hand in Hand gehen würde. Die Fasern des
fertigen Bleches erstrecken sich naturgemäss in derjenigen Richtung,
in welcher das Blech zuletzt gewalzt wurde; dass immerhin die Festig-
keit des Bleches in dieser Richtung grösser sei als in der entgegen-
gesetzten, wurde schon früher erwähnt.


Um zu verhüten, dass der Hammerschlag, welcher auf den Blech-
tafeln sich bildet, eingewalzt werde und die Reinheit der Oberfläche
beeinträchtige, entfernt man denselben vor jedem neuen Durchgange
durch Abkehren mit einem Besen.


Schliesslich wird die noch glühende Blechtafel auf einer eisernen
Richtplatte mit Holzhämmern geebnet.


Panzerplatten, welche in der Neuzeit zum Schiffsbau wie zur
Küstenbefestigung eine hervorragende Wichtigkeit erlangt haben, werden,
sofern sie nur aus Schweisseisen bestehen, in Stärken bis zu 250 mm
gefertigt. Sollen stärkere Panzer gegeben werden, so legt man mehrere
Platten hinter einander (Sandwichsystem); häufig verwendet man jedoch
in der Jetztzeit Panzer, welche an der einen Seite aus Schweisseisen,
an der andern aus Flusseisen beziehentlich Flussstahl bestehen, nach
einem von Wilson erfundenen, unten kurz besprochenen Verfahren
gefertigt und Compoundplatten genannt werden.


Zur Herstellung der Schweisseisenplatten, sie mögen nun für sich
allein den Panzer bilden oder zur Herstellung der Compoundplatten
bestimmt sein, walzt man aus sehnigem Eisen zunächst Bleche von
etwa 35 mm Stärke, 1100 mm Länge und 500 mm Breite und benutzt
dieselben als Deckplatten für Packete, deren Einlage aus Stäben von
25 mm Stärke und 150—180 mm Breite gebildet wird, und deren
Gewicht etwa 1 t beträgt. Aus vier solchen Packeten walzt man in je
2 Hitzen Platten von 50—60 mm Stärke, legt dieselben zu einem
neuen Packete auf einander und stellt daraus Platten dar von 75 bis
80 mm Stärke bei etwa 3500 mm Länge und 1300 mm Breite. Von
diesen werden so viele, gewöhnlich 5—7, auf einander gelegt, als für
die vorgeschriebenen Abmessungen des fertigen Panzers erforderlich ist,
auf etwa die doppelte Länge ausgewalzt, und in zwei gleiche Theile
zerschnitten, welche nun wiederum zusammengelegt, geschweisst und
zu der fertigen Platte ausgewalzt werden. Schliesslich wird die noch
glühende Platte auf einer gusseisernen Unterlage durch Darüberrollen
einer schweren Gusseisenwalze gerichtet.


[976]Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens.

Selbstverständlich sind für die Walzarbeit schwere Kehrwalzwerke
erforderlich.


Für die Herstellung jener oben erwähnten Compoundplatten fertigt
man in der soeben beschriebenen Art und Weise zunächst eine Schweiss-
eisenplatte von etwa 300 mm Stärke, 3 m Länge, 1.8 m Breite und
verbindet dieselbe mit einer aus weichem Martinstahle mit 0.45 Proc.
Kohlenstoff gewalzten 50 mm starken Platte, so dass zwischen beiden
ein Raum von 125 mm Stärke frei bleibt. Die Skizze Fig. 291 zeigt

Figure 221. Fig. 291.


diese Art der Verbindung. a ist die
Schweisseisenplatte, b die Deckplatte
aus Martinstahl; zwischen beiden ist an
den Längsseiten die Leiste c einge-
schoben. Der Raum d dient nun zur
Aufnahme des Flussstahles, welcher
etwas härter ist als die Deckplatte und
etwa 0.55 Proc. Kohlenstoff enthält. Man erhitzt die verschraubten Platten
zur Hellrothgluth, stellt sie aufrecht in eine entsprechend vorbereitete
Gussform und giesst nun den im Martinofen erzeugten Stahl hinein.
Später wird die Platte im Walzwerke auf die vorgeschriebenen Ab-
messungen ausgestreckt.


3. Die Verarbeitung des Flusseisens.


Allgemeines.

Da bei der Verarbeitung des Flusseisens jene Reinigung von
Schlacke ausser Betracht kommt, welche bei der Verarbeitung des
Schweisseisens so wesentlich den Verlauf der Arbeit bedingt, so ist das
Verfahren im Grossen und Ganzen einfacher als in dem letzteren Falle.
Es kommt im Wesentlichen nur darauf an, jene prismatischen Blöcke,
welche die erste Form des gegossenen Flusseisens zu bilden pflegen,
zu verdichten, d. h. die in ihnen enthaltenen Hohlräume durch Zu-
sammenpressen zu entfernen, und bei dieser Arbeit zugleich ihnen eine
für die spätere Benutzung geeignete Form zu geben.


Das bei der Verarbeitung des Schweisseisens gewöhnlich unum-
gängliche Packetiren fällt demnach bei der Verarbeitung des Fluss-
eisens weg. Es ist nicht nur entbehrlich, sondern es würde sogar
durch die Bildung von Schweissstellen den Werth der fertigen Waare
sehr wesentlich abmindern. Die Herstellung der letzteren geschieht
aus dem vollen, ungeschweissten Blocke, dessen Grösse von vorn
herein dem Gewichte des zu fertigenden Stückes angepasst werden
kann; und in dieser Abwesenheit aller Schweissstellen liegt ja, wie
schon früher bei verschiedenen Gelegenheiten erörtert worden ist, ein
wesentlicher Vorzug des Flusseisens. 1)


[977]Die Verarbeitung des Flusseisens.

Jene oben erwähnte Beseitigung der in den Flusseisenblöcken
enthaltenen hohlen Stellen kann in vollkommener Weise nur dann ge-
lingen, wenn ein Zusammenschweissen ihrer, unter dem ausgeübten
Drucke platt gedrückten, Wände dabei stattfindet. Im andern Falle
verschwindet zwar unter der Einwirkung der mechanischen Bearbeitung
der eigentliche Hohlraum; an seiner Stelle aber hinterbleibt eine Fuge
von geringerer oder grösserer Ausdehnung, eine unganze Stelle, welche
den Zusammenhang des Metalles unterbricht und den fertigen Gegen-
stand vollständig unbrauchbar machen kann, mindestens seine Güte
erheblich beeinträchtigt. Nun ist aber alles Flusseisen durchschnittlich
schwieriger schweissbar als Schweisseisen; manches Flusseisen ist sogar
unschweissbar; und es erklärt sich hieraus, wie schon früher hervor-
gehoben wurde, die grosse Wichtigkeit, welche bei der Darstellung des
Eisens die Erzielung dichter Gussblöcke besitzt.


Nun wird offenbar diese besprochene Verdichtung des Flusseisens
um so vollkommener ausfallen, je stärker die auf den Block ausgeübte
Kraftwirkung ist; andererseits muss die Schwierigkeit, auch in den
innersten Theilen des Blockes eine vollständige Verdichtung herbeizu-
führen, mit dem Durchmesser desselben zunehmen. Diese Umstände
erklären es, dass man in den ersten Jahrzehnten nach Einführung der
neueren Processe zur Flusseisendarstellung ziemlich ausnahmslos für
die erste Verdichtung der Blöcke schwere Dampfhämmer benutzte,
deren Schlagwirkung entschieden günstiger für die Verdichtung ist, als
die Wirkung des Walzens, und sich ausserdem durch Vergrösserung
des Fallgewichtes und der Fallhöhe in fast unbegrenzter Weise steigern
lässt. Andererseits aber ist das Schmieden eine zeitraubende und des-
halb kostspielige Arbeit; es erfordert wegen der öfter nothwendigen
Erhitzungen der Blöcke einen erhöhten Aufwand an Kohlen, und wenn
die Blöcke während des Schmiedens an der Aussenfläche allzu sehr
abkühlen, so kann es geschehen, dass sie hier kleine Risse bekommen,
welche, wenn sie nicht vor dem erneuerten Erhitzen mit dem Meissel
ausgehauen werden, die Entstehung unganzer Stellen in dem Fertig-
erzeugnisse veranlassen. Je mehr man daher lernte, durch Benutzung der
früher erörterten Mittel, insbesondere auch durch entsprechende Regelung
der chemischen Zusammensetzung des Flusseisens, schon beim Giessen
dichte Gussblöcke zu erzeugen, eine desto triftigere Veranlassung erhielt
man, die Verdichtung der Blöcke durch Schmieden zu umgehen und
sie sofort dem Walzwerke zu übergeben, damit dieses ebenso wohl die
Verdichtung als Formgebung bewirke. Viele Dampfhämmer, welche
ursprünglich für die Verdichtung der Flusseisenblöcke erbaut wurden,
sind infolge dieser Aenderung des Betriebsverfahrens ausser Anwendung
gekommen; dass jedoch nunmehr in allen Fällen die Verdichtung durch
Schmieden entbehrlich werden wird, ist kaum zu erwarten. Die Be-
schaffenheit des gegossenen Flusseisens und die Ansprüche, welche an
die Beschaffenheit des Fertigerzeugnisses gestellt werden, müssen den
Ausschlag für die Wahl des Verfahrens geben.


Dass in solchen Fällen, wo das Fertigerzeugniss überhaupt nicht
durch Walzarbeit herstellbar ist, sondern nur durch Schmieden sich
erzeugen lässt, der Dampfhammer unersetzlich ist, versteht sich von
selbst; und durch Vergrösserung der Leistungsfähigkeit der hierfür
[978]Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens.
bestimmten Dampfhämmer wie durch Vervollkommnung der zugehörigen
Hilfsapparate in den letzten Jahrzehnten erhielt man die Möglichkeit,
entsprechend grosse Flusseisenblöcke ohne Schweissung zu Schmiede-
stücken zu verarbeiten, deren Darstellung früher für unmöglich ge-
halten sein würde.


Die Wärmöfen und Heizgruben.

Die Temperatur, auf welche das Flusseisen, um verarbeitet zu
werden, erhitzt werden muss, liegt durchgängig niedriger als diejenige,
deren das Schweisseisen bedarf, um geschweisst und von Schlacke ge-
reinigt zu werden. Nur die kohlenstoffärmsten Sorten Bessemer- oder
Martineisens ertragen eine Temperatur, welche der Schweisstemperatur
des sehnigen Schweisseisens nahe liegt; je reicher an Kohlenstoff,
Silicium oder Mangan das Flusseisen ist, desto leichter ist es der Gefahr
des Verbrennens (S. 642) beziehentlich des beginnenden Schmelzens
unterworfen, in desto weniger hoher Temperatur muss es verarbeitet
werden. Auch Schweissstahl erträgt und verlangt stärkere Erhitzung
für eine günstig verlaufende Verarbeitung als Flussstahl mit dem
gleichen Kohlenstoffgehalte.


Aus diesem Grunde pflegt man die Oefen, in welchen die Er-
hitzung der Flusseisenblöcke vorgenommen wird, wohl als „Wärmöfen“
zu bezeichnen, um sie von den für stärkere Erhitzung bestimmten,
früher besprochenen Schweissöfen zu unterscheiden.


Da nun aber die Flusseisenblöcke, nachdem sie gegossen wurden,
ohnehin allmählich sämmtliche Temperaturen von der Schmelzhitze bis
zur völligen Abkühlung durchlaufen, so muss der Gedanke nahe liegen,
sie zur Ersparung einer besonderen Erhitzung sofort der Verarbeitung
zu unterziehen, sobald sie nach dem Erstarren auf die dafür geeignete
Temperatur abgekühlt sind. Ohne Weiteres ist nun freilich ein solches
Verfahren nicht ausführbar. Die Abkühlung der Blöcke geht natur-
gemäss nicht gleichmässig innerhalb des ganzen Querschnittes vor sich,
sondern beginnt rasch an der Aussenfläche und setzt sich dann ganz
allmählich nach innen fort. Die äussere Kruste ist bereits hart und
spröde, während der Block im Innern noch vollständig weich, unter
Umständen noch flüssig ist. Wollte man denselben in diesem Zustande
schmieden oder walzen, so würde das weiche Metall aus dem Innern
herausgedrückt werden und die Kruste Risse bekommen.


Immerhin lässt sich ein beträchtlicher Theil Brennstoff ersparen,
wenn man die Blöcke noch heiss in den Ofen bringt, wo sie nunmehr
wieder von aussen erwärmt werden. Es findet rasch Wärmeausgleichung
statt, und die Erhitzung fällt gleichmässiger aus, als wenn ein kalter
Block in den Ofen eingesetzt wird. Ein derartiges Verfahren ist des-
halb überall da in Anwendung, wo die Betriebsverhältnisse es gestatten,
dass die Verarbeitung der Blöcke sich unmittelbar an die Herstellung
anreihe.


Ist jedoch der Betrieb umfangreich genug, dass die Einsätze rasch
auf einander folgen, die Blöcke also kurze Zeit, nachdem sie gegossen
wurden, zur Verarbeitung gelangen, so lässt sich selbst ohne An-
wendung jeden Brennstoffes
eine gleichmässige Durchwärmung
[979]Die Verarbeitung des Flusseisens. Heizgruben.
derselben herbeiführen, wenn man sie, in engen aus schlechten Wärme-
leitern gebildeten Räumen, die immer wieder für die Blöcke des nächsten
Einsatzes benutzt werden und deren Wände deshalb ununterbrochen
warm bleiben, einige Zeit sich selbst überlässt.


Dieses Verfahren, von John Gjers im Jahre 1882 zuerst auf den
Darlington Steel and Iron Works ausgebildet, ist seitdem bereits auf
verschiedenen grösseren Eisenwerken eingeführt worden und wird vor-
aussichtlich in nicht ferner Zeit überall da zur Anwendung gelangen,
wo die Betriebsverhältnisse die letztere ermöglichen.


Figure 222. Fig. 292.

Figure 223. Fig. 293.

Gjers benutzt für den genannten Zweck grubenförmige, mit feuer-
festen Steinen eingefasste Räume 1), deren jeder nur einen einzigen
Block aufnimmt und daher im Durchmesser und in der Höhe nur
wenig grösser ist als dieser. Fig. 292 und 293 zeigen die Einrichtung
einer Gruppe von acht solcher Gruben. Sie sind, wie erwähnt, durch
Mauerwerk von feuerfesten Ziegeln eingefasst und oben durch je einen
Deckel geschlossen, welcher aus einem eisernen Rahmen mit ein-
[980]Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens.
gesetzten feuerfesten Steinen besteht. Die Sohle der Gruben wird aus
eingeschüttetem Sande, mit zerkleinerten feuerfesten Steinen gemischt,
gebildet, eine Einrichtung, welche eine beliebige Verringerung der Höhe
der Gruben ermöglicht, wenn niedrigere Blöcke eingesetzt werden
sollen. Der Durchmesser der Gruben muss natürlich von dem Durch-
messer der einzusetzenden Blöcke abhängig sein; man pflegt ihn so zu
wählen, dass am Fusse des Blockes, wo derselbe seinen grössten Durch-
messer besitzt, rings herum etwa 35—40 mm Spielraum bleibt.


Die Blöcke kann man, wie es bei den beiden in Fig. 292 links-
seitig gezeichneten Blöcken geschehen ist, mit einem aus feuerfestem
Materiale hergestellten Deckel, welcher eben noch willig in die Grube
hineinpasst, abdecken, um den Kopf wärmer zu halten; unbedingt noth-
wendig ist jedoch dieses Verfahren nicht.


Die Gruben befinden sich in der Nähe des Giessraumes, so dass
derselbe Krahn, welcher die Gussformen ab- und die Blöcke empor-
hebt, auch dazu dient, sie unmittelbar in die Gruben einzusetzen.
Die Blöcke bleiben 20—30 Minuten in den Gruben und werden dann
sofort dem Walzwerke oder Hammer überwiesen.


Die Oefen, welche man zum Wärmen der Blöcke benutzt, die
letzteren mögen nun kalt oder warm eingesetzt werden, sind Flamm-
öfen und den früher beschriebenen Schweissöfen in ihrer Einrichtung
um so ähnlicher, auf je höhere Temperatur die Blöcke erhitzt werden
sollen, und je weniger sie vor Oxydation geschützt zu werden brauchen,
je kohlenstoffärmer also das zu erhitzende Eisen ist. Durch eine etwas
höhere Feuerbrücke, als sie die Schweissöfen für Sehneisen besitzen,
pflegt man in allen Fällen die Blöcke einer allzu unmittelbaren Be-
rührung der Flamme zu entziehen, welche hier nachtheiliger als beim
Erhitzen des Schweisseisens einwirken würde.


Auch für diesen Zweck ist ebenso wohl directe als Gasfeuerung
in Anwendung. Siemensöfen finden sich besonders häufig auf eng-
lischen und amerikanischen Werken; ihrer allgemeinen Anwendung
tritt auch bei der Verarbeitung des Flusseisens der Umstand hinderlich
entgegen, dass ihre Abhitze nicht, wie bei anderen Oefen (Bicheroux-
ofen, Lürmannofen u. s. w.), für die Kesselfeuerung verwendbar bleibt.


Eine eigenthümliche Nutzanwendung hat man vielfach in neuerer
Zeit von dem Umstande gemacht, dass die Flusseisenblöcke leicht, zumal
auf etwas abschüssiger Bahn, ein Fortrollen ermöglichen. Man giebt
dem Ofen einen nach dem Fuchse hin ansteigenden Herd von bedeu-
tender Länge, so dass die Gase ziemlich abgekühlt den Ofen verlassen,
setzt die Blöcke an der kältesten Stelle, also am Ende des Herdes ein
und rollt sie allmählich dem Gasstrome entgegen, um sie schliesslich
in der Nähe der Feuerbrücke dem Ofen zu entnehmen. Da der ganze
Ofen mit Blöcken gefüllt erhalten wird, welche, dem Gegenstrom-
principe (S. 26) entsprechend, in immer heissere Gegenden des Ofens
einrücken, je mehr Wärme sie selbst bereits aufgenommen haben, ist
die Wärmeausnutzung eine sehr günstige. Man nennt derartige Oefen
Rollöfen und baut sie ebenso wohl mit directer als mit Gasfeuerung.


[981]Die Verarbeitung des Flusseisens. Wärmöfen.

Einen Rollofen der ersteren Art zeigen die Abbildungen Fig. 294
und 295. 1) Die Länge des Herdes von der Feuerbrücke bis zum ent-
gegengesetzten Ende, wo die Blöcke eingesetzt werden, beträgt 7.25 m;
die Steigung desselben entspricht ungefähr dem Verhältnisse 1 : 9. Die
Einsatzöffnung nimmt die ganze Breite des Herdes ein und ist durch
eine Thür geschlossen, bestehend aus einem mit feuerfesten Ziegeln
ausgesetzten Rahmen, welche zwischen senkrechten Führungen ver-
mittelst Ketten und Gegengewichten emporgezogen wird. Zur Erleichte-
rung des Einsetzens ist ausserhalb des Ofens unmittelbar vor der Thür-
öffnung eine hydraulische Hebevorrichtung angebracht, welche die Blöcke

Figure 224. Fig. 294

u. 295.


[figure]
[figure]

emporhebt. An der andern Seite der Thür im Innern des Ofens sind
in der Sohle des Ofenherdes zwei Fuchsöffnungen angeordnet, durch
welche die Gase abwärts nach dem Essenkanale entweichen. An beiden
Langseiten des Ofens befinden sich in Abständen von je 75 cm zahl-
reiche kleine Thüröffnungen, zum Einführen eiserner Stangen dienend,
mit deren Hilfe das Rollen der Blöcke bewirkt wird. Sie sind durch
Schiebethüren geschlossen, welche, wie Fig. 294 erkennen lässt, an Ketten
mit Gegengewichten hängen.


Durch die in unmittelbarer Nähe der Feuerbrücke befindliche
Thür a erfolgt das Ausziehen der Blöcke. Zur Erleichterung dieser
Arbeit ist vor dem Ofen in einiger Höhe über den Thüren die hori-
zontale Welle b gelagert, welcher von dem hydraulischen Plunger aus
eine bestimmte Drehung ertheilt werden kann. Vor der Auszieh-
[982]Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens.
öffnung ist an der Welle ein abwärts gerichteter Hebel c befestigt,
welcher bis zur Thüröffnung hinabreicht und an welchen ein eiserner
Haken mit Hilfe einer kurzen Kette angeschlossen werden kann, deren
letztes Glied über das Ende des Hebels geschoben wird. Der in den
Ofen geschobene Haken erfasst den Block; dann wird die Welle in
Bewegung gesetzt, der Hebel schlägt nach aussen und zieht den Block
auf den vorgefahrenen Karren.


Bei ausreichender Länge des Herdes verlassen die Gase bereits in
so abgekühltem Zustande den Ofen, dass eine Benutzung derselben zur
Kesselfeuerung nicht mehr thunlich ist. Vor den Siemensöfen, mit
welchen sie diese Eigenthümlichkeit theilen, haben sie den Vortheil der
grösseren Einfachheit voraus, während ihr Brennstoffverbrauch kaum
ungünstiger ist. In Rollöfen mit directer Feuerung zum Erhitzen von
Blöcken für Eisenbahnschienen gebraucht man in Westfalen per 1000 kg
Blöcke etwa 190 kg Steinkohlen, wenn die Blöcke kalt, 100 kg Stein-
kohlen, wenn sie heiss eingesetzt wurden 1); amerikanische Siemensöfen
für den nämlichen Zweck gebrauchen nach Holley2) 160—180 kg
Steinkohlen, englische nach Jordan3) 170—215 kg.


Ein Ofen in den abgebildeten Abmessungen fasst 30 Blöcke für
je zwei Eisenbahnschienen und jeder warm eingesetzte Block verweilt
etwa 3 Stunden im Ofen.


Als ein Beispiel jener grossen Glühöfen, welche insbesondere zum
Wärmen der für Herstellung schwerer Schmiedestücke bestimmten Guss-
blöcke aus Tiegelgussstahl, Martin- oder Bessemereisen erforderlich sind,
möge der in Fig. 296—298 in 1/200 der wirklichen Grösse abgebildete
Ofen des Eisenwerkes Creusot dienen. 4) Vier solcher Oefen liefern die
Blöcke für den in Fig. 175 auf S. 694 abgebildeten 80 t Hammer, und
ihre Stellung gegen den Hammer ist aus der genannten Abbildung
zu ersehen.


Die Oefen sind mit Siemensfeuerung versehen. Die Anordnung
der Regeneratoren ist aus Fig. 298 ersichtlich. Das Gas tritt durch
fünf Kanäle a a . . in den Ofen; die Luft steigt aus den mittleren
Regeneratoren in ebenfalls fünf Kanälen b empor, um dann durch den
breiten Spalt c oberhalb des Gases in den Heizraum zu gelangen. Die
Feuerbrücken sind hoch, die Decke stark gewölbt. Feuerbrücken und
Bodenplatte sind durch hindurchgehende Luftkanäle kühl erhalten. Die
Einsatzthür besteht, wie bei anderen Oefen, aus einem Gusseisenrahmen
mit feuerfestem, aus Ziegeln hergestelltem Futter; wegen des bedeuten-
den Gewichtes dieser 3.7 m breiten, 2.5 m hohen Thür aber reicht jene
einfache Vorrichtung zum Aufziehen, wie sie bei kleineren Oefen üblich
ist — Hebel mit Kette oder Kette mit Gegengewichten —, nicht mehr
aus. Wie Fig. 296 erkennen lässt, ist auf der Sohle des Schachtes,
in welchem der Fuss des Ofens steht, ein wagerechter hydraulischer
[983]Die Verarbeitung des Flusseisens. Wärmöfen.
Cylinder angeordnet, von welchem aus vermittelst zweier Zahnstangen
und Getrieben die Kettentrommeln d d bewegt werden, über welche die
zum Aufziehen der Thür dienenden Ketten gelegt sind. Die Steuerung

Figure 225. Fig. 296.


Figure 226. Fig. 297.


des hydraulischen Cylinders wird von der Hüttensohle aus bewirkt;
e in Fig. 296 stellt die betreffende Steuerungsvorrichtung dar.


Brennstoffverbrauch, Abbrand. Ueber den Brennstoffver-
brauch in verschiedenen Arten der
Wärmöfen für Flusseisenblöcke
wurden bereits auf S. 982 einige
Mittheilungen zu dem Zwecke eines
Vergleiches der Rollöfen mit den
Siemensöfen gemacht. Ein wesent-
licher Unterschied im Vergleiche
mit dem Brennstoffverbrauche der
Schweissöfen wird nur dann sich
ergeben, wenn die Blöcke noch
heiss in den Ofen eingesetzt wer-
den; wie die oben mitgetheilten
Ziffern beweisen, lässt sich in
diesem Falle annähernd die Hälfte
des Brennstoffes ersparen. Im
andern Falle begünstigt zwar der
Umstand, dass die Blöcke auf eine
niedrigere Temperatur als Schweiss-
eisen erhitzt zu werden brauchen,
die Ersparung an Brennstoff, wäh-

Figure 227. Fig. 298.


rend andererseits die Nothwendigkeit, die Blöcke vor der unmittelbaren
Einwirkung einer oxydirenden Flamme zu schützen, die günstige Aus-
nutzung der Wärme erschwert.


[984]Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens.

Dagegen pflegt der Abbrand wesentlich geringer zu sein als beim
Schweisseisen und sich bei jeder Erhitzung auf nur 2—4 Proc. vom
Gewichte des eingesetzten Eisens zu beziffern. Die Gründe dafür liegen
nahe. Die Blöcke bieten der oxydirenden Einwirkung der Ofengase
eine weit geringere Oberfläche dar als die aus zahlreichen Stücken
bestehenden Packete; die Erhitzung ist weniger stark und die Blöcke
werden absichtlich der Oxydationswirkung so viel als thunlich entzogen;
hauptsächlich aber kommt in Betracht, dass ein grosser Theil des beim
Schweisseisen sich ergebenden Abbrandes aus dem Verluste an ein-
gemengter Schlacke besteht, deren Entfernung ja in erster Reihe der
Zweck des Schweissens war, dieser Gewichtsverlust aber beim Erhitzen
und Verarbeiten des Flusseisens in Wegfall kommt.


Beispiele.

Der Tiegelgussstahl, die älteste Art alles Flusseisens, diente viele
Jahrzehnte lediglich zur Darstellung von Werkzeugen, Uhrfedern und
ähnlichen kleinen Gegenständen. Man streckte die Blöcke unter dem
Hammer zu Stäben aus, welche als Material für die genannten Ver-
wendungen in den Handel kamen. Erst als es Fr. Krupp gelungen
war, aus einer grösseren Zahl Tiegel einen einzigen fehlerfreien
Block darzustellen, erlangte man die Möglichkeit, den Tiegelgussstahl
auch für Herstellung grösserer Gegenstände — Geschütze, Maschinen-
theile u. s. w. —, welche fast ausnahmslos durch Schmieden ihre erste
Form erhielten, zu benutzen. Einer sehr ausgedehnten Verwendung des
Tiegelgussstahles aber stand sein hoher Preis hindernd entgegen.


Erst nachdem man durch Erfindung des Bessemer- und Martin-
processes den Weg gefunden hatte, Flusseisen in billigerer Weise zu
erzeugen und in beliebig grosse Blöcke zu giessen, konnte dem Schweiss-
eisen eine ernstliche Concurrenz durch das Flusseisen erwachsen; mächtig
aber dehnte sich die Verwendung des letzteren aus, nachdem man
gelernt hatte, auch jene kohlenstoffarmen Sorten Flusseisens darzu-
stellen, welche, nicht minder dehnbar als weiches Schweisseisen, sich
durch grössere Festigkeit vor diesem auszeichnen.


Zahlreich sind in der That heutigen Tages die Verwendungen des
Flusseisens, und viele jener Eisensorten, deren Herstellung aus Schweiss-
eisen theilweise oben besprochen wurde, werden von Jahr zu Jahr in
grösseren Mengen auch aus Flusseisen dargestellt. Man fertigt Flach-,
Quadrat- und Rundstäbe, Walzdraht, Bleche und mannigfache Sorten
sogenannten Profileisens. Das Arbeitsverfahren hierbei ist, da die
Schweissung der Packete wegfällt, im Ganzen einfacher als bei der
Herstellung aus Schweisseisen. Die Blöcke werden erhitzt, in einzelnen
Fällen zunächst gehämmert, häufiger sofort in einer oder mehreren
Hitzen ausgewalzt.


Unleugbar die wichtigste aller Verwendungen des Flusseisens jedoch
ist in der Jetztzeit die Herstellung von Eisenbahnschienen1); und
[985]Die Herstellung der Eisenbahnschienen.
als Beispiel für die Verarbeitung des Flusseisens überhaupt möge des-
halb eine kurze Beschreibung des Verfahrens bei diesem Betriebszweige
der Eisenhütten dienen.


Bis gegen die Mitte der sechziger Jahre dieses Jahrhunderts be-
nutzte man allgemein Schweisseisen zur Herstellung der Eisenbahn-
schienen. Ziemlich regelmässig bestand der Kopf der Schiene aus Puddel-
stahl oder Feinkorneisen, der Fuss aus Sehneeisen. Durch geeignetes
Packetiren, Schweissen und Auswalzen wurden die verschiedenen Eisen-
sorten bei der Herstellung der Schienen mit einander verbunden. Später
vertauschte man den Puddelstahl vielfach mit Bessemerstahl und solche
Schienen mit sehnigem Fusse und Stahlkopf wurden noch in der Mitte
der siebenziger Jahre ziemlich häufig gefertigt.


Eine derartige aus Schweisseisen gefertigte Schiene besteht dem-
nach, wie jeder aus einem Packete hervorgehende Eisenstab, aus zahl-
reichen, neben und auf einander liegenden, durch Schweissung ver-
bundenen Streifen. Unter der Einwirkung der darüber hinrollenden
Räder lösen sich allmählich die Schweissstellen, die Schiene fängt an
aufzusplittern und wird unbrauchbar, ehe noch die eigentliche Abnutzung
des Kopfes ein Auswechseln derselben erforderlich gemacht haben
würde.


Es ist klar, dass dieser Uebelstand vermieden, die Schiene halt-
barer werden muss, wenn sie aus ungeschweisstem Materiale, aus Fluss-
eisen, gefertigt wird.


Die ersten Versuche, ungeschweisste Schienen aus Flusseisen anzu-
wenden, wurden sehr bald nach Einführung des Bessemerprocesses, im
Anfange der sechziger Jahre, angestellt. Man beschränkte ihre An-
wendung anfänglich auf die vielbenutzten Gleise der Bahnhöfe und auf
starke Steigungen. Zwei Umstände waren es vornehmlich, die sich
einer raschen Ausbreitung der Anwendung entgegensetzten. Der eine
war die grössere Kostspieligkeit des Bessemereisens in damaliger Zeit;
der andere der Mangel an Erfahrungen über die zweckmässigste chemi-
sche Zusammensetzung. Um die Schienen möglichst widerstandsfähig
zu machen, glaubte man ein zugleich sehr festes und hartes Material,
wirklichen Stahl, verwenden zu müssen, dessen vorschriftsmässige Zer-
reissungsfestigkeit mitunter 75 kg per qmm oder noch mehr betragen
sollte. Bei einer so bedeutenden Festigkeit kann die Zähigkeit nur
eine geringe sein; die Schienen waren zu spröde, um lange haltbar
zu sein.


Erst nachdem im Laufe der siebenziger Jahre durch die Vervoll-
kommnungen in den Bessemer- und Walzwerken die Möglichkeit ge-
schaffen war, Bessemereisenschienen ebenso billig als früher geschweisste
Schienen zu liefern, und als dann die Erfahrungen über die zweck-
mässigste Wahl und Behandlung des Materiales immer reicher wurden,
verdrängte die Flusseisenschiene ziemlich rasch die geschweisste, und
seit Beginn der achtziger Jahre hat die Anfertigung der letzteren fast
ganz aufgehört.


Gross ist in der That der Unterschied in der Dauer der beiden
Schienengattungen. Wenn zwar ein vollständig zuverlässiger Vergleich
insofern schwierig ist, als hierbei die Anzahl und Grösse der einzelnen
Ledebur, Handbuch. 63
[986]Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens.
Züge in Betracht zu ziehen sein würde, welche über die Schiene wäh-
rend ihrer Benutzung hinrollten, so ergiebt sich doch aus den vor-
liegenden Ermittelungen zweifellos, dass auf einer und derselben Bahn-
strecke die Dauer der Flusseisenschiene ein Vielfaches von derjenigen
der Eisenbahnschiene beträgt. So z. B. mussten von den seit 1869
verlegten Schweisseisenschienen der Eisenbahngesellschaft Grand Central
Belge bis zum Schlusse des Jahres 1882 41 Proc. ausgewechselt werden;
von den seit dem nämlichen Zeitabschnitte gelegten Flusseisenschienen
dagegen betrug die auszuwechselnde Zahl nur 0.42 Proc. 1) Das sind
Erfolge der Eisenindustrie, welche eine ausserordentlich grosse volks-
wirthschaftliche Bedeutung besitzen.


Nicht ganz übereinstimmende Ansichten herrschen noch jetzt über
die zweckmässigste chemische Zusammensetzung des Schienenmateriales.
Dass eine allzu grosse Härte Sprödigkeit hervorrufe und aus diesem
Grunde nachtheilig sei, wurde bereits erwähnt; die Erfahrung hat aber
auch gelehrt, dass sie nicht einmal günstig zur Erzielung einer grösseren
Widerstandsfähigkeit gegenüber der stattfindenden mechanischen Ab-
nutzung des Schienenkopfes sei. Einig ist man deshalb darüber, dass
die Schiene zweckmässigerweise keinen höheren Kohlenstoffgehalt als
0.40—0.45 Proc. besitzen dürfe, auch wenn fremde Körper, welche die
Härte erhöhen, nicht in erheblich grösseren Mengen zugegen sind; in
den meisten Fällen, und zwar zumal dann, wenn das Eisen nicht ganz
siliciumarm ist, pflegt man nur etwa 0.25—0.35 Proc. Kohlenstoff
zu geben.


Dass der Gehalt an Phosphor, diesem die Sprödigkeit des Fluss-
eisens so ausserordentlich steigernden Körper, möglichst gering aus-
fallen muss, wenn die Schiene brauchbar sein soll, versteht sich von
selbst. Ueber 0.1 Proc. sollte der Phosphorgehalt nicht hinausgehen;
wünschenswerth ist es, wenn ein noch phosphorärmeres Material ver-
wendet werden kann.


Abweichendere Ansichten findet man hinsichtlich des zweckmässig-
sten Silicium- und Mangangehaltes. Beide Körper beeinflussen die
Eigenschaften des Eisens ähnlich, aber in schwächerem Maasse, als
Kohlenstoff, sie steigern die Härte und die Festigkeit; die Schmied-
barkeit aber wird durch einen hohen Siliciumgehalt wie durch den
Kohlenstoffgehalt beeinträchtigt, während ein Mangangehalt derselben
eher förderlich als nachtheilig ist. 2) Von der Schmiedbarkeit (Walz-
barkeit) des Materiales aber hängt selbstverständlich in nicht geringem
Maasse die Beschaffenheit der fertigen Schiene ab.


Dass ein sehr hoher Siliciumgehalt neben Kohlenstoff das Eisen
brüchig, spröde mache, ist ebenfalls nicht zu bezweifeln.


Aus diesen Gründen pflegt ein mässiger Mangangehalt, insofern
derselbe die Verwendung eines etwas kohlenstoffärmeren und deshalb
leichter verarbeitbaren Eisens ermöglicht, allgemein als nützlich be-
trachtet zu werden, und nur über die zulässige Höhe desselben gehen
die Ansichten aus einander. Während französische Eisenwerke ihren
[987]Die Herstellung der Eisenbahnschienen.
Schienen einen Mangangehalt bis zu 1.1 Proc. geben, findet man in
gut bewährten amerikanischen Schienen mitunter weniger als 0.3 Proc.


In Rücksicht auf die erwähnten Einflüsse eines hohen Silicium-
gehaltes dagegen strebt man mitunter dahin, ein siliciumarmes Eisen
zu verwenden. Dudley1), welcher eine grosse Zahl Schienen der
Pennsylvaniabahn untersuchte, fand folgende durchschnittliche Zusam-
mensetzung der als gut bewährten Schienen:


  • Kohlenstoff   0.334 Proc.
  • Silicium   0.060 „
  • Phosphor   0.078 „
  • Mangan   0.491 „

und glaubt auf Grund dieser Untersuchungen als anzustrebendes Ziel
bei der Herstellung folgende Zusammensetzung vorschlagen zu müssen:


  • Kohlenstoff 0.25—0.35, durchschnittlich 0.30 Proc.
  • Silicium nicht über 0.04 Proc.
  • Phosphor „ „ 0.10 „
  • Mangan   0.30—0.40, durchschnittlich 0.35 Proc.

Eine derartige Schlussfolgerung ist zweifelhaft einseitig, weil sich
die Untersuchungen, auf welche sich dieselbe stützt, nur auf die
Schienen eines einzelnen Gebietes erstreckten.


Aber auch viele englische Eisenhüttenleute halten einen Silicium-
gehalt für nachtheilig. Eine auf verschiedenen englischen Eisen-
werken angewendete Vorschrift für die anzustrebende Zusammen-
setzung ist folgende: 2)


  • Kohlenstoff   0.30—0.45 Proc.
  • Silicium   0.06 „
  • Phosphor   0.06 „
  • Mangan   unbestimmt.

Diesen Vorschriften steht jedoch ein Umstand gegenüber, welcher
in sehr vielen Fällen die Erzielung eines höheren Siliciumgehaltes als
wünschenswerth erscheinen lassen dürfte; es ist dieses die schon ver-
schiedentlich berührte Thatsache, dass dichte Flusseisenblöcke weit
leichter aus einem Eisen erfolgen, dessen Siliciumgehalt einige Zehntel
Procente beträgt als aus einem solchen, dessen Zusammensetzung der
obigen Vorschrift entspricht. Eine gut haltbare Schiene aber lässt sich
mit Sicherheit nur aus einem dicht gegossenen Blocke walzen; bei
Verarbeitung eines undichten Blockes ist stets zu befürchten, dass
infolge unvollständigen Zusammenschweissens der undichten Stellen die
Schiene bei der Verarbeitung unganze Stellen, Längsrisse bekomme.
In jedem Falle muss der Kohlenstoffgehalt um so niedriger sein, je
höher der Siliciumgehalt ist; und hierbei kommt dann der fernere,
schon auf S. 247 besprochene Umstand in Betracht, dass der nach-
theilige Einfluss des anwesenden Phosphorgehaltes um so weniger be-
merkbar auftritt, je weniger Kohlenstoff neben dem Phosphor im Eisen
anwesend ist.


63*
[988]Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens.

Aus diesen Gründen pflegt man in deutschen Eisenwerken dem
für Schienen bestimmten Flusseisen einen Siliciumgehalt von minde-
stens 0.10 Proc., mitunter erheblich darüber, zu geben, ohne dass eine
nachtheilige Einwirkung des höheren Siliciumgehaltes zu beobachten
gewesen wäre. Braune1) führt als Zusammensetzung eines als aner-
kannt guten deutschen Schienenmateriales folgende an:


  • Kohlenstoff   0.25 Proc.
  • Silicium   0.185 „
  • Phosphor   0.087 „
  • Schwefel   0.05 „
  • Mangan   0.405 „
  • Kupfer   0.156 „

Müller dagegen fand folgende Zusammensetzung zweier durch
hohe Festigkeit und Zähigkeit ausgezeichneter Flusseisensorten für
Schienendarstellung: 2)

also einen hohen Silicium- und Mangangehalt bei geringem Kohlenstoff-
gehalte, eine Zusammensetzung, welche allerdings hier durch die Höhe
des anwesenden Phosphorgehaltes geboten war.


Immerhin sind Silicium und Mangan kostspielige Bestandtheile des
Eisens, und schon aus diesem Grunde wird eine Zusammensetzung,
wie die zuletzt mitgetheilte, nur in Ausnahmefällen als zweckmässig
erscheinen können; die Ziffern dürften jedoch den Beweis liefern, dass
ein Siliciumgehalt des Schienenmateriales bei sonst entsprechend ge-
regelter Zusammensetzung nicht den nachtheiligen Einfluss ausübt,
welcher ihm von manchen amerikanischen und englischen Eisenhütten-
leuten zugeschrieben wird.


Die geringste Zerreissungsfestigkeit des Schienenmateriales soll nach
den Vereinbarungen des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen vom
Jahre 1879 3) 50 kg per qmm bei mindestens 20 Proc. Contraction des
ursprünglichen Querschnittes betragen; die Summe beider durch den
Versuch gefundener Ziffern zusammen aber soll nicht weniger als 85
sein. 4) Einzelne Eisenbahnverwaltungen dagegen, sowohl inländische
als ausländische, schreiben nicht unwesentlich höhere Ziffern vor. Ausser
durch Zerreissproben pflegen die Schienen durch Schlag- und Biege-
proben (vergl. S. 666) geprüft zu werden, deren Ausführung von dem
Schienenprofile wie von den besonderen für jede Lieferung gegebenen
Vorschriften abhängt.


[989]Die Herstellung der Eisenbahnschienen.

Das Material für die Schienen bildet vorzugsweise Bessemereisen,
weniger häufig Martineisen. Tiegelgussstahl bleibt selbstverständlich
wegen seiner grösseren Kostspieligkeit von der Verwendung für Schienen-
anfertigung ausgeschlossen. Die Verarbeitung der Blöcke nun aber ist
verschieden; sie hängt ab theils von der grösseren oder geringeren
Dichtigkeit derselben, theils von der Leistungsfähigkeit des vorhandenen
Walzwerkes und seiner Betriebsmaschine.


In jedem Falle ist eine ein- oder mehrmalige Erhitzung der Blöcke
nothwendig. Für die erste Erhitzung lassen sich bei ausreichend um-
fangreichem Betriebe die oben besprochenen Heizgruben von Gjers
benutzen; gerade für die Schienendarstellung, bei welcher in kurzer
Zeit grosse Eisenmengen verarbeitet werden und welche deshalb leicht
dem Bessemerbetriebe sich anschliessen lässt, sind dieselben vortrefflich
geeignet. Stehen solche Gruben nicht zur Verwendung, so benutzt man
vielfach Rollöfen (S. 980), welche ebenfalls ihrer grossen Leistungs-
fähigkeit halber besonders gut für Schienenwalzhütten sich eignen;
Siemensöfen mit Herdlängen von 6—6.5 m bei 2—3.5 m Breite sind
auf englischen und amerikanischen Eisenwerken für diesen Zweck
vielfach in Anwendung; mitunter auch benutzt man gewöhnliche, den
oben beschriebenen Schweissöfen mit directer Feuerung ähnliche, nur
mit etwas höherer Feuerbrücke versehene Oefen.


Das Gewicht der Blöcke muss natürlicherweise gleich dem Ge-
wichte der zu walzenden Schiene unter Hinzurechnung des entstehenden
Abbrandes und der abzuschneidenden Schienenenden sein. Die übliche
Länge einer einzelnen Schiene pflegt 9 m zu sein; Abbrand für jede
erforderliche Erhitzung etwa 3 Proc.; Länge jedes der beiden abzu-
schneidenden Enden ungefähr 0.5 m. Aus dem Schienengewichte per
laufenden Meter 1) lässt sich hiernach leicht das erforderliche Blockgewicht
im Voraus ermitteln.


Wo aber die vorhandenen Einrichtungen es ermöglichen, insbe-
sondere wo die Leistungsfähigkeit des vorhandenen Walzwerkes nebst
seiner Dampfmaschine gross genug ist, wird man es meistens vor-
ziehen, nicht eine einzige Schiene aus einem Blocke zu walzen, sondern
den letzteren so gross zu giessen, dass Schienen von doppelter, unter
Umständen dreifacher Länge daraus erfolgen, welche erst nach be-
endigtem Walzen in die entsprechenden Stücke von kürzerer Länge
zertheilt werden. Man erlangt dadurch mancherlei Vortheile. Die Zahl
der entstehenden Abfallenden wird geringer; auch der Abbrand fällt
etwas niedriger aus, da das Verhältniss der von den grösseren Blöcken
dargebotenen Oberfläche zu ihrem Gewichte geringer ist, als bei kleinen.
Die Arbeitslöhne beim Walzen und die Kosten der Erhitzung sind
niedriger. Grössere Blöcke aber lassen sich leichter dicht giessen als
kleinere, und auch dieser Umstand bildet einen nicht unwesentlichen
Vorzug des Walzens in doppelten oder dreifachen Schienenlängen.


Ein Block für doppelte Schienenlängen — also 18 m Gesammtlänge
— wird, wenn die Schiene per laufenden Meter 30 kg wiegt und nur
eine einmalige Erhitzung nothwendig ist, ein Gewicht von etwa 590 kg
besitzen müssen; bei dreifacher Schienenlänge würde das Gewicht
[990]Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens.
ungefähr 870 kg betragen. Für schwere Schienen, welche in dreifacher
Länge gewalzt werden, können Blöcke bis zu 1100 kg Gewicht erforder-
lich sein. Je schwerer aber die Blöcke sind, desto umfänglichere Vor-
richtungen sind zum Transportiren und Bewegen derselben beim Walzen
erforderlich.


Den Blöcken giebt man, wie gewöhnlich den Flusseisenblöcken,
die schon früher besprochene Form einer schlanken, abgestumpften,
vierseitigen Pyramide mit abgeschrägten oder abgerundeten Kanten.
Der Durchmesser der Blöcke mit bestimmtem Gewichte muss zwar von
der Grösse der vorhandenen Vorwalzen-Kaliber abhängig sein; immer-
hin kommt hierbei der schon früher besprochene Umstand in Betracht,
dass mit dem Durchmesser die Anzahl der erforderlichen Walzenstiche
zunimmt, während eine allzu bedeutende Länge die Erzielung dichter
Blöcke erschweren würde. Auch die Art der Verarbeitung — ob mit
oder ohne Ausschmieden unter dem Hammer — ist hierbei maass-
gebend. Gewöhnlich sind die Blöcke unten 230—320, oben 200 bis
300 mm stark.


In früherer Zeit, noch in der ersten Hälfte der siebenziger Jahre,
betrachtete man ziemlich allgemein eine dem Walzen vorausgehende
Verdichtung der Blöcke unter dem Dampfhammer als unerlässlich. Bei
diesem Verfahren werden die Blöcke gewöhnlich für nur eine Schienen-
länge in einer Stärke von ungefähr 350 mm am dicksten Ende ge-
gossen, erhitzt und unter einem Dampfhammer von 8—10 t Fall-
gewicht auf ungefähr 200 mm Stärke ausgeschmiedet. Dann lässt man sie
gewöhnlich erkalten, um die etwa entstandenen Risse besser erkennen
und mit dem Meissel ausarbeiten zu können, und giebt eine zweite Hitze,
in welcher nun der geschmiedete Block in 11—13 Stichen ausgewalzt
wird. Dieses Verfahren ist noch jetzt auf solchen Eisenwerken üblich,
wo die vorhandenen Einrichtungen das Verwalzen stärkerer Blöcke
nicht ermöglichen, wo also insbesondere Walzwerke mit schwachen
Walzendurchmessern, langsamem Gange und mit Walzenzugsmaschinen
von beschränkter Arbeitsleistung zur Verwendung stehen. Mitunter
werden noch Duowalzwerke, aus früherer Zeit überkommen, benutzt;
häufiger allerdings sind sie auch bei diesem Verfahren durch rascher
arbeitende Triowalzwerke ersetzt. Die Herstellungskosten der Schienen
bei diesem Verfahren sind jedoch wegen des erforderlichen Schmiedens
und der geringen Leistung des Walzwerkes hoch; mehr und mehr
wird dasselbe in der Jetztzeit durch billiger arbeitende Methoden ersetzt.


Zuerst auf amerikanischen Walzwerken ging man dazu über, das
Vorschmieden durch Vorwalzen der Blöcke behufs ihrer Verdichtung
zu ersetzen. Es sind also auch bei diesem Verfahren mindestens zwei
Erhitzungen erforderlich. Da die Handhabung der Blöcke beim Walzen
weniger beschwerlich als beim Schmieden ist, pflegt man dieselben in
grösseren Abmessungen — zwei oder drei, mitunter bis zu sechs
Schienenlängen — zu giessen und das Blockwalzwerk von vorn herein
für die Bearbeitung dieser schweren Blöcke einzurichten. Auf einzel-
nen amerikanischen Eisenwerken hat man für diesen Zweck jene oben
(S. 715) besprochenen Triowalzwerke mit verstellbaren Kalibern und
selbstthätigem Vorschub der Blöcke auf den Walztischen (S. 717) in
Benutzung; auf europäischen Walzwerken bedient man sich nicht selten
[991]Die Herstellung der Eisenbahnschienen.
eines Kehrwalzwerkes mit Walzen von 750—1000 mm Durchmesser,
deren obere durch Gegengewichte entlastet und durch die Druck-
schrauben gegen die untere verstellbar gemacht ist, so dass auch hier
eine Verengung der Kaliber und eine Benutzung eines und desselben
Kalibers für den mehrmaligen Durchgang des Blockes möglich ist. Der
Betrieb der Walzen erfolgt durch eine Zwillingsmaschine ohne Schwung-
rad mit Umsteuerung (S. 722). Man pflegt 5—6 Kaliber anzuwenden
und den Block durch jedes Kaliber mindestens zweimal, mitunter vier-
bis sechsmal unter Drehung um 90 Grade hindurchzuführen; nach
jedem Durchgange des Walzstückes wird durch Anziehen der Druck-
schrauben die Oberwalze der Unterwalze genähert. Fig. 299 zeigt die
Art und Weise der Kalibrirung eines Paares derartiger Blockwalzen.


Die solcherart verdichteten Blöcke kommen nun, wie bei der Ver-
dichtung durch Schmieden, ein zweites Mal in den Glühofen und
werden dann im Schienenwalzwerke, gewöhnlich einem Triowalzwerke
mit Vor- und Fertigwalzen, bisweilen einem Kehrwalzwerke 1), in einer

Figure 228. Fig. 299.


Hitze mit 11—13 Stichen ausgewalzt. Wo die Einrichtung des Schie-
nenwalzwerkes es nicht gestattet, doppelte oder dreifache Schienen-
längen zu walzen, werden die Blöcke, unmittelbar nachdem sie das
Blockwalzwerk verlassen haben, mit Hilfe einer Kreissäge in Längen
für je eine Schiene zertheilt.


Wo man die Anlagekosten eines besonderen Blockwalzwerkes für
schwere Blöcke scheute, führt man dasselbe Verfahren auch wohl in
der Weise aus, dass man die Blöcke nur für eine Schienenlänge giesst,
sie in bestimmten Kalibern der Vorwalzen des Schienenwalzwerkes
dichtet, abermals erhitzt und nun fertig auswalzt.


Gegenüber der zuerst besprochenen Methode vermeidet man auf
diese Weise das zeitraubende Schmieden und spart, insofern man
die verdichteten Blöcke noch heiss in den Glühofen zurückgiebt, an
Brennstoff.


Je mehr man jedoch lernte, die Blöcke schon von vorn herein
dicht zu giessen, insbesondere, indem man auf einen gewissen Silicium-
[992]Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens.
gehalt des Eisens hinarbeitete, dessen Einfluss auf die Dichtigkeit der
Flusseisenblöcke schon vielfach hervorgehoben wurde, desto entbehr-
licher wurde die Anwendung eines besonderen, für die vorausgehende
Verdichtung der Blöcke bestimmten Blockwalzwerkes. Solcherart ent-
wickelte sich als Folge jener Fortschritte eine noch einfachere Methode
der Schienendarstellung: Auswalzen der Blöcke in nur einer Hitze zu
der fertigen Schiene.


Man spart solcherart eine Erhitzung und die mit derselben ver-
knüpften Kosten; dieses Verfahren, welches seit Mitte des vorigen
Jahrzehnts nach und nach auf zahlreichen Eisenwerken eingeführt
wurde, dürfte daher in nicht ferner Zeit die älteren Methoden voll-
ständig verdrängen. Zur Ausübung desselben aber sind verschiedene
Bedingungen zu erfüllen.


Zunächst müssen, wie erwähnt, die Blöcke dicht gegossen sein;
also Regelung der chemischen Zusammensetzung des Flusseisens in
solcher Weise, dass dieses Ziel erreicht wird, und zugleich Herstellung
grösserer Blöcke für doppelte Schienenlänge. Mit einem Walzwerke
früherer Construction, ausgerüstet mit einer Dampfmaschine von viel-
leicht 250 Pferdestärken oder wenig darüber, würde jedoch das Aus-
walzen der Blöcke in einer Hitze und die Herstellung brauchbarer
Schienen nicht möglich sein. Es ist bekannt, wie erheblich die Tempe-
ratur, bei welcher das Eisen verarbeitet wird, dessen Eigenschaften
beeinflusst. Die Schiene muss, damit sie nicht beim Auswalzen spröde
werde und Spannungen bekomme, noch hellrothglühend die Walzen
verlassen; das Auswalzen muss also mit möglichst grosser Beschleuni-
gung von Statten gehen. Rasch laufende Triowalzwerke, deren Walzen
bei etwa 650 mm Durchmesser 100—120 Umdrehungen per Minute
machen, also eine Umfangsgeschwindigkeit von 3.3—4 m per Secunde
besitzen, sind erforderlich. Jedes Walzwerk enthält, wie gewöhnlich,
Vor- und Fertigwalzen und das Walzstück pflegt bei doppelter Schienen-
länge in 15 Stichen ausgewalzt zu werden. Die Abbildungen Fig. 300
und 301 können als Beispiel der Kalibrirung solcher Walzen dienen. 1)
Wie man sieht, sind Blindkaliber (vergl. S. 731) nur in den Fertigwalzen
angeordnet, während in den Vorwalzen, wo es auf eine symmetrische
Form der entstehenden Querschnitte nicht ankommt, die Kaliberhälfte
der Mittelwalze ebenso wohl in der Ober- als in der Unterwalze durch
eine zweite Hälfte ergänzt wird. Bei der Verzeichnung des Fertig-
kalibers (von welchem natürlich bei der Construction der übrigen
Kaliber ausgegangen werden muss) ist das Schwindmaass des Eisens
zuzugeben. Dasselbe beträgt in diesem Falle etwa 2 Proc.; in Rück-
sicht auf die bald eintretende Erweiterung des Kalibers jedoch pflegt
man sich mit einem etwas geringeren Maasse, gewöhnlich 1,7 Proc.,
zu begnügen, damit nicht das Kaliber allzu rasch unbrauchbar werde. 2)
Aus dem prismatischen Blocke entwickelt sich beim Hindurchgehen
[]

[figure]

[][993]Die Herstellung der Eisenbahnschienen.
durch die Kaliber in der durch Nummern bezeichneten Reihenfolge
allmählich das Schienenprofil. In den ersten Kalibern ist der Block
noch sehr heiss, weich, und die Abnahme kann demnach beträchtlich
sein. Sie beträgt, auf den Querschnitt des Blockes am dicksten Ende
bezogen, ¼. Selbstverständlich wird der Block mit dem dünneren
Ende voran in das Kaliber gestossen und hier von den Walzen leicht
gefasst. Nach dem Durchgange muss durch das Kaliber Nr. 2 zurück-
gewalzt werden, nachdem der Block um 90 Grade gedreht worden war;
jetzt also muss derselbe mit dem noch dicken Ende (dessen Abmessung
in dem ersten Kaliber doch nur in der Höhenrichtung verkleinert
werden konnte, die jetzt zur Breitenrichtung geworden ist) in das
Kaliber voraus. Der Druck darf hier nicht so bedeutend sein als im
ersten Kaliber und wird nur so bemessen, dass auch das dünne Ende
noch von den Walzen erfasst wird und nicht etwa im Kaliber stecken
bleibt. Nach Verlassen des Kalibers 4 wird der Stab wieder um
90 Grade gedreht und dann in den Kalibern 5—8 flach gewalzt. Das
erste Kaliber der Fertigwalzen (Nr. 9) ist ein Stauchkaliber (S. 729),
in welchem die Höhe der Schiene auf das erforderliche Maass gebracht
und zugleich die Dickenabmessung des Fusses durch den Oberdruck
der Mittelwalze ausgebildet wird. In den folgenden Kalibern bis zum
vorletzten beträgt die Abnahme 1/7, die Breitung 1.75 mm, die Ab-
nahme des Fertigkalibers ist 1/10 und die Breitung in demselben 1.5 mm.
Die meisten Entwickelungskaliber sind geschlossen; das Stauchkaliber
ist ein offenes, und in allen Fällen muss auch das Fertigkaliber (Nr. 15)
offen sein, weil nur in einem solchen die Abrundung des Kopfes in
der erforderlichen Vollkommenheit gelingt. In Rücksicht auf die schon
erwähnte Abnutzung des Fertigkalibers pflegt man zwei gleiche solche
Kaliber anzuordnen, deren zweites in Benutzung kommt, wenn das
erste unbrauchbar geworden ist.


In Rücksicht auf den erforderlichen schnellen Gang dieser Trio-
walzwerke und die bedeutende Länge der Schienen sowie fernerhin
auf den Umstand, dass man gewöhnlich gleichzeitig in den Vor- und
Fertigwalzen arbeitet, d. h. die nachfolgende Schiene bereits vorwalzt,
während die vorausgehende noch durch die Kaliber der Fertigwalzen
hindurchgeht, sind zum Betriebe derselben Dampfmaschinen von sehr
bedeutender Leistungsfähigkeit erforderlich. Man pflegt 600—800 pfer-
dige Maschinen zu benutzen und dem Walzwerke ein Schwungrad von
30—50 t Gewicht zu geben.


Die Leistungsfähigkeit solcher rasch laufender Schienenwalzwerke
ist eine sehr bedeutende, sofern die nöthigen Vorkehrungen getroffen
sind, dass das Erhitzen und Zuführen der Blöcke mit dem Auswalzen
derselben Schritt hält. Das Walzwerk läuft fast ununterbrochen fort;
auf diese Weise sind derartige Walzwerke, wie sie auf verschiedenen
westfälischen Eisenwerken (Bochumer Gussstahlfabrik, Krupp u. a.)
betrieben werden, im Stande, in 24 stündiger Arbeitszeit 1400—1600
Schienen, jede Minute etwa eine Schiene, zu liefern. Dem Gewichte
nach beziffert sich diese Leistung auf etwa 300 t per Tag. Benutzt
man Rollöfen von der auf S. 981 abgebildeten Form und Grösse zum
Erhitzen der Blöcke, so würden, da jeder Ofen 30 Blöcke für zusam-
men 60 Schienen fasst und jeder Block 3 Stunden im Ofen verweilt,
[994]Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens.
3—4 solcher Oefen gleichzeitig im Betriebe sein müssen. Benutzt man
Siemensöfen mit Herdlängen von etwa 6.5 m bei 3—3.25 m Breite, so
würden, da ein solcher Ofen täglich 80—100 t Blöcke erhitzt, ebenfalls
3—4 derselben erforderlich sein.


Noch grösser freilich kann die Leistung eines Schienenwalzwerkes
ausfallen, wenn die Blöcke, wie es oben beschrieben wurde, in
einem besonderen Blockwalzwerke verdichtet und dabei schon auf
schwächere Abmessungen verdünnt werden, ehe sie zum Schienenwalz-
werke gelangen.


Die grossartigsten Leistungen in dieser Beziehung weisen nord-
amerikanische Walzwerke auf. So z. B. lieferten die Edgar Thomson
Steel Works im Jahre 1880 im Ganzen etwa 100000 t Schienen; in
einzelnen Wochen dagegen betrug die Leistung 2500 t, mitunter 2800 t
oder 11300 Stück. 1) Man giesst Blöcke für 4—6 Schienen, befördert
dieselben durch eine Locomotive nach den fünf mit Siemensfeuerung
versehenen Glühöfen des Blockwalzwerkes, dann nach dem Verlassen
des letzteren sofort nach den Glühöfen des Schienenwalzwerkes, welches
als Triowalzwerk eingerichtet ist.


Hinter dem Fertigwalzengerüste des Schienenwalzwerkes pflegt in
dem Fussboden des Arbeitsraumes ein Rollbahn angebracht zu sein,
bestehend aus einer Anzahl paralleler, ziemlich breiter eiserner Rollen,
deren Oberkante ein wenig über den Fussboden emporragt. Sie hat
den Zweck, eine rasche Beförderung der glühenden Schienen nach den
in der Nähe des Walzwerkes angeordneten Kreissägen zu ermöglichen,
welche zum Abschneiden der Enden und Zertheilen der in mehrfachen
Längen gewalzten Schienen in einfache bestimmt sind. In grossen
Walzwerken pflegen die Rollen mit Hilfe von Getrieben und einer
Ein- und Ausrückvorrichtung in selbstthätige Drehung versetzt zu
werden, so dass die Schienen durch die Rollen selbst an ihren Be-
stimmungsort befördert werden. Durch zwei Kreissägeblätter auf gemein-
schaftlicher Welle, deren Abstand von einander gemäss der vorge-
schriebenen Länge der Schiene verstellbar ist, erfolgt gleichzeitig das
Abschneiden an beiden Seiten.


Nach dem Abschneiden werden die Schienen auf dem sogenannten
Warmlager 2) der Abkühlung überlassen, dann mit Hilfe einfacher
Pressen gerade gerichtet, schliesslich an beiden Endflächen parallel zur
Achse gefräst und mit gebohrten Laschenlöchern versehen. Es sind
dieses Arbeiten, welche vollständig in das Gebiet der mechanischen
Technologie fallen und deshalb eine eingehendere Besprechung hier
nicht finden können. 3) Man pflegt die gesammten hierher gehörigen
Arbeiten mit dem Namen Ajustage oder Adjustirung der Schienen
[995]Die Maschinen zur Zertheilung der Arbeitsstücke.
zu bezeichnen. Zur Fertigstellung von 1500 Stück Schienen per Tag
sind nach Braune 6 Richtpressen, 6 Stirnfräsen, 36 Bohrspindeln,
1 Klinkfräse und ausserdem 2 Kaltsägen für Passstücke zu Weichen
und Kreuzungen erforderlich.


Ueber den Brennstoffverbrauch und Abbrand beim Glühen der Blöcke
zur Schienendarstellung ist das Erforderliche schon oben bei Besprechung
der Oefen mitgetheilt worden. Zu dem Brennstoffe für die Heizung der
Oefen kommt bei Siemensöfen, Rollöfen und selbstverständlich auch bei
Anwendung von Heizgruben (S. 979) der Brennstoffverbrauch für die
Dampfkesselheizung, welcher bei grösserem Betriebe 120—140 kg Stein-
kohlen per 1000 kg fertiger Schienen beträgt. Die Löhne beim Glühen
und Walzen pflegen 2.00—2.50 ℳ per t zu betragen, die Löhne für das
Adjustiren und alle Nebenarbeiten annähernd ebenso viel. Der Aus-
schuss am unbrauchbaren Schienen beziffert sich gewöhnlich auf 2 bis
4 Proc.


4. Die Maschinen zur Zertheilung der Arbeitsstücke.


In Vorstehendem war verschiedentlich von einer Zertheilung der
Arbeitsstücke die Rede. Rohschienen des Puddelprocesses werden in
kurze Stücke zerschnitten, um packetirt und geschweisst zu werden;
von gewalzten Stäben und Blechen werden die Enden abgeschnitten,
welche stets unvollständig ausgebildet sind; Schienen, die in mehr-
fachen Längen gewalzt worden waren, werden zu einfachen Längen
getheilt; u. s. f.


Auch in kleinen Eisenwerken geschieht diese Arbeit durch Maschi-
nen, welche nicht selten von der Betriebsmaschine des Walzwerkes
selbst ihren Antrieb empfangen, in grösseren Anlagen dagegen zweck-
mässigerweise von einer besonderen, für mehrere derartige Maschinen
gemeinschaftlichen Dampfmaschine betrieben werden. Die Vorgänge
hierbei sind rein mechanischer Natur; bei der Unentbehrlichkeit jener
Maschinen auch für den eigentlichen Eisenhüttenbetrieb möge jedoch
eine kurze Besprechung der wichtigsten Formen derselben hier folgen.


Hebelscheeren.

Dieselben gehören zu den ältesten aller Zertheilungsmaschinen.
Ihre Wirkungsweise ist im Wesentlichen die nämliche wie diejenige
der für die mannigfachsten Zwecke täglich benutzten
Handscheeren: eine aus Stahl gefertigte Schneide, ge-
wöhnlich unter einem Winkel α = 75—85 Grad (Fig. 302)
angeschliffen, gleitet dicht an einer zweiten, ebenso an-
geschliffenen Schneide vorbei, dabei das dazwischen ge-
brachte Arbeitsstück zertheilend. Schliessen die Schneiden
nicht dicht an einander an, sondern haben einigen Ab-
stand, so wird das Arbeitsstück, statt zertrennt zu wer-
den, um so leichter durch die niedergehende Schneide
umgebogen werden, je dünner es ist, und eine Klemmung
der Schneiden ist die Folge davon.


Figure 229. Fig. 302.

[996]Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens.

Eine übliche Anordnung solcher Hebelscheeren ist durch die Ab-
bildung Fig. 303 in 1/40 der wirklichen Grösse veranschaulicht. Von
den beiden Schneiden, welche aus hartem Gussstahl gefertigt und zum
Auswechseln eingerichtet sein müssen, ist die eine, die bewegliche, in
einem kräftigen, um horizontale Drehungszapfen schwingenden Guss-
eisenhebel a, die andere in dem Lagerstuhle b befestigt. Ein zweiter

Figure 230. Fig. 303.


gegenüberstehender Lagerstuhl
trägt den andern Zapfen des
Hebels; eine mit Stellschrauben
in demselben befestigte Metall-
platte (in der Abbildung punk-
tirt gezeichnet) hat den Zweck,
ein festes Andrücken des Hebels
gegen die festliegende Schneide
zu ermöglichen. Der Hebel der
abgebildeten Scheere hat Win-
kelform und wird durch eine
Schubstange bewegt; nicht min-
der häufig ist die Anwendung
eines geradlinigen Hebels, dessen
längerer wagerecht liegender
Arm an seinem Ende auf einer
excentrischen Scheibe aufruht
und durch die Drehung der-
selben gehoben und gesenkt wird.


Der Drehungspunkt der beweglichen Schneide liegt bei der abge-
bildeten Scheere tiefer als die Oberkante der festliegenden, eine Ein-
richtung, welche ein allmählich verlaufendes Abtrennen auch beim
Zertheilen dünner Arbeitsstücke zur Folge hat, andererseits aber ein
Herausdrücken derselben aus dem geöffneten Scheerenmaule um so
leichter herbeiführt, je grösser ihre Dicke ist. Bei den zum Zertheilen
dickerer Arbeitsstücke bestimmten Scheeren legt man deshalb den
Drehungspunkt etwas höher als die Oberkante der festen Schneide, so
dass beide Schneiden in parallele Stellung kommen, schon ehe sie sich
vollständig berühren.


Man pflegt diese Scheeren mit 30—60 Hüben per Minute arbeiten
zu lassen und für den Betrieb einer Arbeit von 2—6 Pferdestärken,
abweichend nach der Stärke der zu zertheilenden Arbeitsstücke, zu
bedürfen.


Zum Zertheilen von Rohschienen, zum Abschneiden der Enden an
gewöhnlichem Handelseisen sind derartige Hebelscheeren ihrer ein-
fachen Einrichtung halber ziemlich gebräuchlich; sie verlieren jedoch
um so mehr an Zweckmässigkeit, je breiter und stärker die zu zer-
theilenden Arbeitsstücke sind. Es erklärt sich diese Thatsache leicht
aus dem Umstande, dass einerseits die Kraftübertragung um so un-
günstiger ausfällt und ein Herausdrücken des Arbeitsstückes aus dem
Scheerenmaule um so leichter stattfinden muss, je weiter dasselbe ge-
öffnet werden muss, um das Arbeitsstück einzulassen, während anderer-
seits wieder das Verhältniss der Hebelsarmlängen um so ungünstiger
für die Leistung der Scheere wird, je weiter die Schnittstelle vom
[997]Die Maschinen zur Zertheilung der Arbeitsstücke.
Drehungspunkte entfernt ist. Je dicker aber das Arbeitsstück ist und
je näher dem Drehungspunkte das Schneiden stattfinden soll, desto
weiter muss das Maul geöffnet werden; je breiter das Arbeitsstück ist,
desto ungleichförmiger ist die Schnittwirkung.


Aus letzterem Grunde pflegt man mit der Länge der Schneiden
selten über 0.50 m hinaus zu gehen, häufiger noch sind dieselben
kürzer. Sollen breitere Arbeitsstücke, z. B. Bleche, mit Hilfe solcher
Scheeren zerschnitten werden, so würde dieses nur durch mehrere auf
einander folgende Schnitte zu bewirken sein, zwischen denen das Arbeits-
stück jedesmal um die Schnittlänge weiter geschoben wird; eine solche
Arbeit aber ist zeitraubend und liefert leicht fehlerhafte Schnitte.


Parallelscheeren.

Der soeben erwähnte Nachtheil eines veränderlichen Scheerwinkels
und verschiedener Kraftwirkung an verschiedenen Stellen der Schneide
fällt weg, wenn man die bewegliche Schneide, statt im Bogen mit
Hilfe eines doppelarmigen Hebels, geradlinig mit Hilfe einer Druckstange
sich gegen die festliegende Schneide bewegen lässt. Derartige Scheeren
heissen Parallelscheeren oder, da die Schneide innerhalb einer rahmen-
artigen Führung sich bewegt, Rahmenscheeren. Sie gewähren ausser
den soeben erwähnten Vortheilen noch die Möglichkeit, beliebig lange
Schneiden anzuwenden und sind deshalb vorzugsweise zum Zertheilen
sehr breiter Arbeitsstücke, zumal der Bleche, von Nutzen, werden
übrigens in entsprechend kleineren Abmessungen auch an Stelle der
Hebelscheeren nicht selten zum Zertheilen von Stäben benutzt.


Die untere Schneide liegt auch bei diesen Scheeren fest und be-
sitzt eine horizontale Oberkante; die obere wird in der schon erwähnten
Weise, also senkrecht, gegen die untere bewegt. Damit nun aber das
zu zertheilende Arbeitsstück nicht mit einem Male in seiner ganzen
Breite von den Schneiden erfasst werde — ein Vorgang, welcher einen
beträchtlichen Stoss erzeugen und die Entstehung ungenauer Schnitt-
flächen zur Folge haben würde —, giebt man der oberen Schneid-
kante eine Neigung von 3½—7 Graden gegen die Horizontale, so dass
beim Niedergange der Schneide der Schnitt an der tiefsten Stelle be-
ginnt und allmählich nach dem entgegengesetzten Ende hin verläuft.


Eine grosse derartige Scheere, von der Friedrich-Wilhelmshütte zu
Mülheim a. d. Ruhr für verschiedene rheinisch-westfälische Eisen-
werke gebaut, ist in Fig. 304 in perspectivischer Ansicht darge-
stellt. 1) Die Scheere ist mit einer eigenen Dampfmaschine versehen,
deren Cylinder an der Rückseite des Ständers theilweise zu sehen
ist. Durch ein Getriebepaar wird die Bewegung auf die Hauptwelle
der Maschine übertragen, von welcher durch Vermittelung eines an
ihrem vorderen Ende sitzenden excentrischen Zapfens die Druck-
stange a in auf- und niedergehende Bewegung versetzt wird. Dieselbe
bewegt sich innerhalb eines Schlitzes des senkrecht geführten Schiebers b,
an dessen unterem Ende die Gussstahlschneide c befestigt ist; und die
[998]Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens.
Breite dieses Schlitzes ist reichlich doppelt so gross als die Breite der
Druckstange, so dass die letztere mit Hilfe der an der Vorderseite des
Gerüstes sichtbaren Querstange mit Handhebel und Gegengewicht leicht
nach rechts oder links hinüber gedrückt werden kann. Die Unterkante
des Schlitzes aber ist, wie die Abbildung erkennen lässt, an der rechten
Seite tiefer als links; wird also die Druckstange nach rechts gedrückt
(wie in der Abbildung), so findet sie in dem Schlitze ausreichenden
Spielraum zum Auf- und Niedergehen, ohne dass der Schieber b, auch
wenn er in seinem höchsten Stande sich befindet, dadurch beeinflusst
wird; man kann also das zu zertheilende Arbeitsstück einschieben und
in seine richtige Lage bringen, ohne dass auch bei ununterbrochenem
Gange der Maschine ein vorzeitiger Schnitt zu befürchten ist. Drückt
man aber die Stange a nach links, so setzt sie sich auf die dort im
Schlitze angebrachte Erhöhung, der Schieber wird niedergedrückt und
der Schnitt erfolgt. Da jedoch die Druckstange den Schieber nur
abwärts, nicht auch aufwärts bewegt, so ist eine besondere Vorrich-
tung erforderlich, um ihn nach beendigtem Schnitte in die Anfangs-
stellung zurückzuführen. Diesem Zwecke dient der doppelarmige Hebel
d d. Mit dem einen Ende erfasst derselbe vermittelst eines Bügels den
Schieber, das andere, in der Abbildung nicht sichtbare Ende ist mit
einem Gegengewichte belastet. Beim Niedergange des Schiebers steigt
das Gegengewicht empor; sobald die Druckstange den Schieber loslässt,
wird er durch das Gegengewicht gehoben.


Die Länge der Schneiden der abgebildeten Maschine beträgt 940 mm,
der Abstand der beiden hohlen Gusseisenständer, welche die seitliche
Begrenzung der Maschine bilden, von einander 3.4 m. Die Form der
Ständer ermöglicht leicht ein Vorschieben des Arbeitsstückes in der
Schnittrichtung, wenn die Breite desselben grösser sein sollte als die
Länge der Schneiden; im Uebrigen baut man derartige Scheeren mit
Schneiden bis zu 3 m Länge.


Kreisscheeren.

Zwei kreisrunde Scheerenblätter, deren Schneidkanten so viel über
einander greifen, als der Dicke des zu zertrennenden Arbeitsstückes
entspricht, werden um ihre Achsen durch Vermittelung von Getrieben
in entgegengesetzter Richtung mit grosser Geschwindigkeit gedreht. Das
vor die Schneiden gebrachte Arbeitsstück wird demnach von ihnen
erfasst und — ähnlich wie beim Walzen — während des Schneidens
selbstthätig vorwärts bewegt. Da die Schneiden endlos sind, ist auch
die Länge des Schnittes unbegrenzt, und hierin liegt ein Hauptvorzug
der Kreisscheeren; aber der Durchmesser der Scheerenblätter muss,
damit das Arbeitsstück ergriffen werde, mindestens fünfzig Mal so gross
sein als die Stärke des letzteren, und aus diesem Grunde eignen sich
diese Maschinen weniger gut zum Zertheilen dickerer als sehr dünner
Arbeitsstücke (Schwarzbleche). Sie werden thatsächlich weit häufiger in
den Werkstätten für Metallverarbeitung als für Eisendarstellung benutzt. 1)


[]
Figure 231. Fig. 304.

[][999]Die Maschinen zur Zertheilung der Arbeitsstücke.

Ordnet man mehrere Kreissägeblätter von bestimmter Stärke in
solchen Abständen nebeneinander an, dass die Blätter der beiden
Wellen genau in einander greifen (Fig. 305), so
entsteht ein Eisenschneidwerk oder Eisen-
spaltwerk
, welches früher häufig in den Eisen-
walzwerken benutzt wurde, um einen gewalzten,
noch glühenden Flachstab bei einem einmaligen
Durchgange in zahlreiche schmale Stäbe, ge-
wöhnlich Quadratstäbe, zu zertheilen. Durch die
Vervollkommnung der Walzwerke sind die Spalt-
werke jetzt seltener geworden.


Figure 232. Fig. 305
Kreissägen.

Obwohl die Hebel- und Parallelscheeren sehr geeignete Werkzeuge
sind, wo es sich um Zertheilung von Gegenständen mit nicht allzu
dicken und einfach gestalteten Querschnitten handelt, so werden sie
doch unbenutzbar, wenn Fertigerzeugnisse mit stark profilirten Quer-
schnitten — Träger, Eisenbahnschienen u. a. m. — zertheilt werden
sollen. Diese würden, wie leicht zu ermessen ist, theilweise zerdrückt
werden, ehe das Abtrennen erfolgt; in keinem Falle würden sich genaue
Schnittflächen erzielen lassen.


In solchen Fällen tritt die Kreissäge an Stelle der Scheeren; auch
zum Zertrennen solcher stabförmigen Gegenstände, für welche die
Scheere ganz gut brauchbar sein würde, benutzt man die Kreissäge
nicht selten in Rücksicht auf ihre vollkommene Wirkung und die ver-
hältnissmässige Billigkeit ihrer Anlage und ihres Betriebes.


Eine kreisrunde, am Umfange verzahnte Eisen- oder Stahlscheibe
ist zwischen zwei kleineren zum Festhalten dienenden Gusseisenscheiben
auf einer wagerechten Welle befestigt und empfängt von dieser rasche
Drehung. Während derselben wird entweder das Arbeitsstück gegen
die Säge oder diese gegen das Arbeitsstück allmählich vorgeschoben;
auf diese Weise nimmt jeder einzelne Zahn Spänchen von dem Arbeits-
stücke ab, und es entsteht eine sich mehr und mehr vertiefende Furche,
welche die Abtrennung bewirkt. Offenbar findet durch die Zerspanung
ein Materialverlust statt, welcher von der Breite des Sägeblattes ab-
hängig ist; ausserdem wächst mit der Breite des letzteren der erforder-
liche Arbeitsverbrauch, insofern derselbe von der Menge des zu zer-
spanenden Metalles abhängig ist. Wenn aus diesen Gründen die
Anwendung eines möglichst dünnen Sägeblattes zweckmässig erscheinen
dürfte, so muss doch andererseits die Stärke desselben mit seinem Durch-
messer im Einklange stehen, damit nicht ein Verbiegen der Zähne
oder des ganzen Blattes eintrete; und der Durchmesser muss wiederum
abhängig sein von den Querschnittsabmessungen des zu zertheilenden
Arbeitsstückes. Gewöhnlich pflegt der Durchmesser der neuen Sägen
0.8—1.5 m zu sein; ausnahmsweise hat man Sägeblätter mit einem
Durchmesser bis zu 2 m in Anwendung gebracht. Die Stärke jener
gewöhnlichen Sägeblätter dürfte gemeiniglich 3—6 mm betragen.


Wo es angeht, zertheilt man die Arbeitsstücke im noch glühenden
Zustande, unmittelbar nachdem sie das letzte Kaliber des Walzwerkes
[1000]Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens.
verlassen haben. Der Widerstand gegen die Zertheilung und der dafür
erforderliche Arbeitsverbrauch ist im heissen Zustande ungleich geringer,
die Zeitdauer des Abschneidens kürzer. Nur für Nacharbeiten (das
Adjustiren der Eisenbahnschienen u. s. w.) findet mitunter eine Zer-
theilung im kalten Zustande durch die Kreissäge statt. Die Abmessungen
des Sägeblattes, die Zahnform und die Geschwindigkeit der Drehung
müssen hiervon abhängig sein.


Heisssägen können, da sie einen geringeren Widerstand finden,
dem Verbiegen also weniger ausgesetzt sind, grössere Durchmesser
erhalten als Kaltsägen. Um die Wegnahme starker Späne (durch
raschen Vorschub beim Sägen) zu ermöglichen, haben die Zähne
eine beträchtliche Höhe von der Wurzel zur Spitze (15—25 mm);
infolge davon ist auch ihr Abstand von einander — die Zahntheilung —
bedeutend (damit die Zähne die ihrer Höhe entsprechende Stärke
erhalten können und in der Zahnlücke der erforderliche Raum für die
entstehenden Späne bleibe) und pflegt 25—35 mm zu betragen. Um
die starke Reibung zu vermeiden, welche das Sägeblatt selbst in der
gebildeten Furche erzeugen und deren Maass mit der Tiefe dieser
Furche zunehmen würde, pflegt man die Zähne in der gleichen
Weise, wie es bei Holzsägen üblich ist, etwas zu schränken, d. h. aus
der Ebene des Sägeblattes abwechselnd nach der einen und andern
Seite herauszubiegen, so dass die Schnittbreite etwas beträchtlicher
ausfällt als der Stärke des Sägeblattes entsprechen würde. Man giebt
diesen Heisssägen 800—2000 Umläufe per Minute, so dass ihre Um-
fangsgeschwindigkeit per Secunde 60—80 m beträgt.


Kaltsägen sind kleiner im Durchmesser; ihre Dicke ist im Ver-
hältniss zum Durchmesser beträchtlicher; die Zähne sind erheblich
niedriger und stehen näher bei einander, da der Vorschub weit lang-
samer als bei den Heisssägen von Statten geht und die Späne dem-
entsprechend kleiner ausfallen. Ein Schränken der Zähne ist nicht gut
zulässig, da der Widerstand des kalten Metalles allzu sehr durch das
seitliche Schneiden gesteigert werden würde; man erreicht daher den-
selben Zweck, wenn auch nicht ganz so vollkommen als durch Schränken,
indem man die Zähne staucht, d. h. ihren Rand durch Bearbeitung
mit dem Hammer und einem entsprechend geformten Stempel, dem
Staucheisen, nach beiden Seiten hin ein wenig aufwirft, so dass nun-
mehr die entstehende Schnittfuge ebenfalls etwas breiter ist als das
Sägeblatt. Die Geschwindigkeit dieser Kaltsägen ist erheblich geringer
als die der Heisssägen und beträgt oft nicht mehr als 0.5 m per Secunde.


Wird der Vorschub beim Sägen durch das Arbeitsstück aus-
geführt, so pflegt dasselbe auf einem in wagerechten Führungen glei-
tenden Schlitten (Schieber) gelagert und durch Vorsprünge auf der der
Säge entgegengesetzten Seite festgehalten zu werden, so dass es genau
rechtwinklig gegen die Ebene des Sägeblattes liegt; mit Hilfe eines
Hebels, eines Getriebes mit Zahnstange oder irgend einer andern
einfachen Vorrichtung wird alsdann, sobald das Arbeitsstück auf den
Schlitten gelegt worden ist, dieser gegen das Sägeblatt vorgeschoben.


Soll die Säge selbst den Vorschub ausführen, so wird ihre Welle
gewöhnlich in zwei pendelartig beweglichen, entsprechend langen Hänge-
stücken gelagert, welche durch Vermittelung eines Getriebes mit Zahn-
[1001]Literatur.
kranzsegment oder in ähnlicher Weise gegen das festliegende Arbeits-
stück bewegt werden. Die Sägewelle trägt auch hier die für die Be-
wegungsübertragung dienende Riemenscheibe; die Antriebsriemenscheibe
sitzt auf einer Welle, deren Achse mit der Schwingungsachse der
erwähnten Pendel zusammenfallen muss, damit der Abstand der Riemen-
scheiben von einander ungeändert bleibe.


Dass man für das Zerschneiden von Eisenbahnschienen, Trägern
u. s. w. sehr häufig zwei Sägeblätter auf gemeinschaftlicher Welle in
verstellbarem Abstande von einander anbringe, um die beiden erforder-
lichen Parallelschnitte gleichzeitig ausführen zu können, wurde schon
oben erwähnt.


Literatur.


A. Grössere Werke.


  • S. Jordan, Album du cours de métallurgie. Paris 1875. Pl. LXXVIII bis
    LXXXIII (Schweiss- und Glühöfen), Pl. CV und CXVIII Scheeren, pl. CVIII
    Kreissägen, pl. CXI Glühöfen für Bleche.
  • A. Petzholdt, Fabrikation, Prüfung und Uebernahme von Eisenbahn-
    material
    . Wiesbaden 1872 (enthält Abbildungen von Schweissöfen, Glühöfen,
    Kreissägen u. s. w. von belgischen Eisenwerken, sowie verschiedene Betriebs-
    notizen).

B. Abhandlungen.


Ueber Schweissöfen, Glühöfen u. s. w.


  • Zusammenstellung der Betriebsverhältnisse von Puddel- und Schweiss-
    öfen. Von dem technischen Verein für Eisenhüttenwesen
    . Zeitschr.
    des Ver. deutsch. Ingenieure 1872, S. 673.
  • J. Gjers, Ueber das Walzen von Stahlgussblöcken mit ihrer eigenen
    Hitze vermittelst der Anwendung der Durchweichungsgrube
    . „Stahl
    und Eisen“ 1882, S. 496.
  • Zu Gjers Durchweichungsgruben. „Stahl und Eisen“ 1882, S. 551.

Ueber Anfertigung von Eisenbahnschienen.


  • F. Braune, Die Fabrikation der Stahlschienen. Zeitschr. d. Ver. deutsch.
    Ingenieure 1880, S. 241.
  • G. Lincke, Bemerkungen zu der Abhandlung von F. Braune über
    Fabrikation der Stahlschienen
    . Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ingenieure
    1880, S. 430.
  • Ueber die Dauer der Eisen- und Stahlschienen. Zeitschr. d. berg- und
    hüttenm. Ver. für Steiermark und Kärnten 1877, S. 341.
  • Vergleichsweise Dauer der Eisen- und Stahlschienen. Oestr. Zeitschr. für
    Berg- und Hüttenwesen 1883, S. 225.
  • Vergleich von Eisenbahnschienen aus Stahl mit solchen aus Eisen.
    „Stahl und Eisen“ 1883, S. 488.
  • Ch. B. Dudley, The chemical composition and physical properties of
    steel rails
    . Transactions of the American Institute of Mining Engineers,
    vol. VII, p. 172.
  • Ch. B. Dudley, Does the wearing power of steel rails increase with the
    hardness of the steel
    ? Transactions of the American Institute of Mining
    Engineers, vol. VII, p. 202.

Ledebur, Handbuch. 64
[1002]Die Weiterverarbeitung des schmiedbaren Eisens.
  • Ch. B. Dudley, The wearing capacity of steel rails in relation to their
    chemical composition and physical properties
    . Transactions of the
    American Institute of Mining Engineers, vol. IX, p. 321.
  • Th. Egleston, The chemical and physical properties of steel rails.
    Transactions of the American Institute of Mining Engineers, vol. VII, p. 371.
  • Discussion on steel rails. Transactions of the American Institute of Mining
    Engineers, vol. IX, p. 529.
  • A. L. Holley, On steel patterns. Transactions of the American Institute of
    Mining Engineers, vol. IX, p. 360.
  • M. L. Gruner, Sur la nature de l’acier le plus convenable pour les rails.
    Annales des mines, sér. VII, tome XX (1881), p. 171; in deutscher Bearbeitung
    im Jahrbuch der Bergakademieen zu Leoben u. s. w. Bd. XXX, S. 168.
  • G. J. Snelus, Ueber die chemische Zusammensetzung und die Prüfung
    der Stahlschienen
    . „Stahl und Eisen“ 1883, S. 82 und 171.
  • C. P. Sandberg, Bemerkungen über die Beziehungen des Mangans und
    Kohlenstoffes im Eisen und Stahl
    . „Stahl und Eisen“ 1883, S. 168.
  • K. Wittgenstein und A. Kurzwernhart, Ueber die Fabrikation von Stahl-
    schienen mit Braunkohle in Teplitz
    . „Stahl und Eisen“ 1883, S. 211.
  • Schienenfabrikation in Nordamerika. Zeitschr. d. berg- und hüttenm. Ver.
    für Steiermark und Kärnten 1881, S. 360.
  • Betriebseinrichtungen zum Fertigstellen von Schienen. Glaser’s Annalen
    Bd. IX, S. 53 (aus Engineering).
  • C. P. Sandberg, Ueber die Lieferungs- und Abnahmebedingungen von
    Schienen in Europa
    . Beilage zu „Stahl und Eisen“ 1882, Heft 1.
  • H. Wedding, Ueber die Bedingungen der deutschen Eisenbahnverwal-
    tungen für die Lieferung von Schienen, Radreifen und Achsen aus
    Flusseisen vom Standpunkte der Fabrikation
    . Glaser’s Annalen Bd. X,
    S. 63, 149, 154.
  • Wöhler, Discussion zu dem Vortrage von H. Wedding über die Be-
    dingungen der deutschen Eisenbahnverwaltungen für die Lieferung
    von Schienen
    u. s. w. Glaser’s Annalen Bd. X, S. 137, 153, 158.

Ueber Anfertigung sonstigen Handelseisens.


  • W. Meyer, Das Walzen von Doppelt-T-Trägern. Zeitschr. des berg- und
    hüttenm. Ver. für Steiermark und Kärnten 1878, S. 319.
  • H. Wild, Die Anfertigung von Universaleisen auf dem Neunkirchener
    Eisenwerke
    . Wochenschr. d. Ver. deutsch. Ingenieure 1880; Zeitschr. d. berg-
    und hüttenm. Ver. für Steiermark und Kärnten 1880, S. 209.
  • Das neue Blechwalzwerk auf den Low Moor Iron Works. Zeitschr. d. berg-
    und hüttenm. Ver. für Steiermark und Kärnten 1880, S. 19.
  • Brix, Ueber den jetzigen Stand der Panzerplattenfabrikation. Glaser’s
    Annalen Bd. X, S. 13.
  • Neues amerikanisches Drahtwalzwerk. „Stahl und Eisen“ 1883, S. 55.
  • H. Meinhardt, Ueber die Drahtfabrikation in Westfalen. Zeitschr. d. Ver.
    deutsch. Ingenieure 1881, S. 79.
[[1003]]

Appendix A

[...]
[1004]
[...]
[1005]
[...]
[1006]
[...]
[1007]
[...]
[1008]
[...]
[1009]
[...]
[1010]
[...]
[1011]
[...]
[1012]
[...]
[][][][][]
Notes
1).
Man spricht von gusseisernen Oefen, Säulen u. s. w. Die Bezeichnung als
Gusseisen bleibt jedoch nur so lange gültig, als jene Gegenstände auch wirklich als
Gebrauchsgegenstände zu dienen bestimmt sind. Werden sie infolge Zerbrechens
oder aus anderen Ursachen dieser Bestimmung entzogen und zur Wiederverarbeitung
bestimmt, so werden sie aufs Neue zu Roheisen, welches man in diesem Falle wohl
Brucheisen oder Alteisen nennt, um die bereits stattgehabte Verwendung anzu-
deuten.
1).
Diese in Deutschland officiell eingeführte Eintheilung des schmiedbaren Eisens
einerseits in Stahl und Schmiedeeisen gemäss der Härtbarkeit, andererseits in Schweiss-
eisen und Flusseisen gemäss des ursprünglichen Aggregatzustandes, wie sie bei Ge-
legenheit der Weltausstellung in Philadelphia im Jahre 1876 von einer internationalen
Commission bedeutender Metallurgen vereinbart wurde, ist leider im Sprachgebrauche
der Praxis, besonders in ausserdeutschen Ländern, nicht überall heimisch. In Eng-
land und Nordamerika z. B. nennt man ziemlich regelmässig alles im flüssigen Zu-
stande erfolgte Eisen „Stahl“, gleichviel, ob es härtbar ist oder nicht, und unter-
scheidet unter den hierher gehörigen Sorten höchstens „harten“ und „weichen“ (nicht
härtbaren) Stahl; jeder Schweissstahl aber heisst ausserdem Stahl. Der Grund hierfür ist
1).
in dem Umstande zu suchen, dass man in früherer Zeit, wo die Härtbarkeit allgemein
als Unterscheidungsmerkmal zwischen Stahl und Schmiedeeisen galt, nur den Stahl
im eigentlichen Sinne zu schmelzen verstand, und dass mithin der flüssige Aggregat-
zustand des erzeugten schmiedbaren Eisens auch so lange als ein charakteristisches
Merkmal des Stahls gelten konnte, bis man durch neuere Methoden (Bessemer-
process u. a.) auch nichthärtbares Eisen im flüssigen Zustande darstellen lernte.
1).
Es ist bekannt, dass manche Körper schon durch einfache Erhitzung ohne
Einwirkung eines zweiten Körpers zerlegt — diessociirt — werden. Je näher die
Temperatur diesem Dissociationspunkte rückt, desto geringer wird gewöhnlich die
Verwandtschaft der verbundenen Körper, desto leichter ist Reduction zu bewirken.
1).
Durch freien Sauerstoff wird allerdings Kohlenstoff auch schon bei gewöhn-
licher Temperatur, wenn auch sehr langsam, zu Kohlensäure oxydirt. Vergl. Poggen-
dorff’s
Annalen, Bd. CIX, S. 353.
1).
In vielen technischen Werken, Zeitschriften u. s. w. findet man fälschlich
die entgegengesetzte Behauptung ausgesprochen, nämlich, dass Kohlensäure das Er-
gebniss einer Verbrennung in hoher Temperatur sei, ja, dass zur Kohlensäurebildung
überhaupt eine hohe Temperatur erforderlich sei. Manche Begriffsverwirrung ist
durch diese irrige Anschauung, welche mit den Erscheinungen der Praxis im Wider-
spruche steht, schon hervorgerufen worden. Eine ausführlichere Widerlegung derselben
findet der Leser in der Abhandlung des Verfassers: Wird durch hohe Temperatur
Kohlensäure- oder Kohlenoxyd-Bildung befördert
? „Stahl und Eisen“ 1882,
S. 356.
1).
The Journal of the Iron and Steel Institute 1872 I, p. 74; Jahrbuch der
Bergakademieen zu Leoben und Pribram Band XXI, S. 234.
1).
Annales de chimie et de physique, série III, tome XXXIV.
2).
Nach Berthelot liefern 7/3 kg Kohlenoxyd 5683 W.-E.; also 1 kg 2436 W.-E.
Ann. de chimie et de physique, série V, tome XIII, p. 13.
1).
Poggendorff’s Annalen Bd. 45, S. 161.
2).
Ebend. Bd. 75, S. 45.
1).
Annales de chimie et de physique, série III, tom. XXXIV.
2).
Poggendorff’s Annalen Bd. 151, S. 211.
1).
Comptes rendus, T. LXX (1870), p. 254; Dingler’s Polyt. Journal 1870,
1. Aprilheft.
2).
Poggendorff’s Annalen, Bd. 45, S. 461.
3).
1 kg Kohlenstoff bedarf zur Verbrennung 4/3 kg Sauerstoff, welcher in der
atmosphärischen Luft gemischt ist mit kg Stickstoff.
1).
Die theoretische Verbrennungstemperatur eines bestimmten Brennstoffes nennt
man dessen pyrometrischen Wärmeeffect.
1).
Th. Erhard, Tabellen zur Feuerungskunde, Freiberg 1878.
1).
Vergl. die unten angeführte Literatur.
1).
Vergl. die unter „Literatur“ aufgeführte Abhandlung: A. Enigl, Ueber Mit-
verwendung von Torf beim Hochofenbetriebe.
1).
Beachtenswerth ist jedoch, dass zwei Kohlen von annähernd gleicher chemischer
Zusammensetzung doch bei der Destillation einen verschieden grossen Rückstand an
Kohle hinterlassen können, ein Umstand, der sich durch Verschiedenheit in der
molekularen Anordnung recht wohl erklären lässt; und die Grösse dieses Destillations-
rückstandes kennzeichnet gewöhnlich schärfer das übrige Verhalten der Kohle als die
eigentliche chemische Zusammensetzung.
1).
Nach Wedding (Das Eisenhüttenwesen der Vereinigten Staaten, Zeitschr.
für Berg-, Hütten- und Salinenwesen im Preussischen Staate Bd. XXIV) enthalten
die Anthracite Pennsylvaniens durchschnittlich:
Die besten dagegen nur 5.8 Proc. Asche bei 89.0 Proc. Kohlenstoff.
1).
Rittinger, Lehrbuch der Aufbereitungskunde, Berlin 1867, S. 191.
1).
Von Carr erfunden. Abbildungen derselben in A. v. Kerpely, Anlage und
Einrichtung der Eisenhütten Taf. LIX, Fig. 1; A. Ledebur, Handbuch der Eisen-
giesserei Taf. XV, Fig. 1 und 2.
1).
So z. B. classirt man bei einigen Zwickauer Kohlenwerken folgendermaassen:
Würfelkohle I 45—60 mm; Würfelkohle II 32—45 mm; Knörpelkohle 20—32 mm;
Nusskohle I 12—20 mm; Nusskohle II 6—12 mm; Klarkohle 0—6 mm; also mit
erheblich geringeren Verhältnissen in den Trommellochweiten, als es die Sortirung
erfordert. Fast jedes Werk hat seine besondere Classirung.
1).
Anlagekosten eines Ofens mit 18 Kammern 30000—40000 Mark.
2).
Abbildungen dieses Ofens: Dürre, die Anlage und der Betrieb der Eisen-
hütten, Bd. 1, S. 261 ff.; vergl. auch Patentschrift Nr. 9853 und 7825.
3).
D. R. P. Nr. 10934.
1).
Aus A. v. Kerpely, Anlage und Einrichtung der Eisenhütten, Taf. LXIV,
Fig. 1 und 2.
1).
Aus A. v. Kerpely, Anlage und Einrichtung der Eisenhütten, Taf. LXIII,
Fig. 1—3.
1).
In Deutschland sind augenblicklich mehrere derartige Anlagen im Bau be-
griffen oder schon vollendet; so auf Zeche Holland nach Entwürfen von Dr. Otto \& Co.
in Dahlhausen; auf Zeche Hannibal bei Bochum nach Entwürfen von F. Lürmann
in Osnabrück.
1).
Der Spalt o ist hier, um seine Lage zu bezeichnen, eingezeichnet, obgleich
derselbe, an der linken Seite der Kammer (von B aus gesehen) sich befindend, in
der Schnittzeichnung eigentlich nicht sichtbar ist.
1).
A. Gurlt, die Bergbau- und Hüttenkunde. Essen 1879. Zweite Aufl., S. 121.
1).
Die Gase des Hochofens und der Siemens-Generatoren. Ruhrort 1876, S. 50.
1).
Z. B. bei einem von C. Möller in Kupferhammer construirten Generator,
D. R. P. Nr. 6113.
1).
Man erwäge, dass zur Zerlegung von Wasserdampf dieselbe Wärmemenge
erforderlich ist, welche bei der Bildung desselben durch Verbrennung von Wasser-
stoff erzeugt wurde (29161 W.-E. per kg Wasserstoff).
2).
Apparat von Myron Hopkins Strong, D. R. P. Nr. 3178; von G. Spring
Dwight
, D. R. P. Nr. 3515 und 13490; von Herm. Haug, D. R. P. Nr. 13733.
3).
Jahrbuch für das Berg- und Hüttenwesen im Königreiche Sachsen auf das
Jahr 1881, S. 111 (Winkler).
1).
Bei vollständiger Umwandlung der Kohle in Wassergas, also bei Vernach-
lässigung der zum Heizen erforderlichen würde theoretisch aus 1 kg Kohlenstoff
3.9 cbm Wassergas erfolgen.
2).
Die durchschnittliche Zusammensetzung desselben ist oben mitgetheilt.
1).
Neben dem Rauminhalte des Ofens beeinflussen auch die specifische Wärme,
Wärmeleitungsfähigkeit, Stückgrösse u. s. w. der sich begegnenden Körper die Wärme-
abgabe; es kommt ferner in Betracht, dass mit der Höhe des Schachtofens auch die
Widerstände zunehmen, welche sich dem Aufsteigen des Gasstromes entgegensetzen,
während mit dem zunehmenden Durchmesser die Gleichmässigkeit der Vertheilung
der Gase in dem Ofenquerschnitte abnimmt; und es erklärt sich hieraus, dass die
zulässige Grenze für den Rauminhalt des Ofens von den jedesmaligen Verhältnissen
abhängig sein muss.
1).
Das bekannteste solcher Feuer ist das in jeder Schmiedewerkstatt sich findende
Schmiedefeuer.
2).
Flammöfen ohne Herd sind z. B. Dampfkesselöfen, Kessel zum Schmelzen
von Blei u. s. w., Ringöfen zum Brennen von Kalk; u. a. m.
1).
Die Geschwindigkeit der Gase ergiebt sich bei gegebenem Durchgangsquer-
schnitte aus der Menge des in der Zeiteinheit verbrannten Brennstoffes und ihrer
Temperatur. Unter Berücksichtigung des für die vollständige Verbrennung unver-
meidlichen Luftüberschusses liefert 1 kg Steinkohle ca. 17 cbm, 1 kg Braunkohle
ca. 15 cbm Verbrennungsproducte von Null Grad Temperatur. Die Gase werden in
den meisten Fällen mit einer Temperatur von 250—300°C. in die Esse eintreten,
wobei ihr Rauminhalt sich gemäss der bekannten Formel V1 = V (1 + 0.00366 t)
vergrössert.
1).
Unter Benutzung von H. Wedding, Darstellung des schmiedbaren Eisens,
Braunschweig 1875, Fig. 183—188.
1).
Dr. William Siemens, Einige wissenschaftlich technische Fragen der
Gegenwart. Berlin 1879, S. 75.
2).
Gruner-Kupelwieser, Abhandlungen über Metallurgie, S. 400.
1).
Von der Firma Bicheroux \& Co. in Duisburg gebaut.
1).
Berg- und hüttenm. Ztg. 1878, S. 149.
1).
Die Ausführung des Verfahrens im besondern wird bei der Besprechung der
einzelnen Processe der Eisendarstellung mehrfach erwähnt werden.
1).
Der Name stammt von dem Fundorte Baux bei Arles.
1).
Ueber die Ausführung der Untersuchung vergl. Bischof, die feuerfesten
Thone. Leipzig 1876, S. 62 ff.
2).
Sehr bildsamer Thon heisst fett, wenig bildsamer mager. Da jene Zusätze
die Bildsamkeit verringern, heissen sie Magerungsmittel.
1).
Z. B. Dolomit, in Ilsede zur Herstellung basischer Ziegeln benutzt enthält:
1).
Stahl und Eisen 1882, S. 120.
2).
Stahl und Eisen 1881, S. 99.
1).
Aehnliche Neben- oder Zwischenerzeugnisse, die jedoch in der Eisendar-
stellung keine Rolle spielen, sind Steine und Speisen. Erstere bestehen ihrer
Zusammensetzung nach grösstentheils aus Schwefelmetallen, letztere aus Arsen- und
Antimonmetallen.
1).
Besonders deutlich zeigt sich dieses Verhalten bei verschiedenen Metallen,
welche sich unter sehr mannigfaltigen Gewichtsverhältnissen zu krystallisirbaren
Legirungen
unter sich wie auch mit Metalloiden vereinigen können ohne Rück-
sicht auf ihre Atomgewichte. Antimonzinklegirungen z. B. liefern in fast allen Ge-
wichtsverhältnissen schön ausgebildete Krystalle des rhombischen Systems.
1).
Bei den Legirungen nennt man dieses Zerfallen der Legirung in mehrere
abweichend zusammengesetzte und bei verschiedener Temperatur erstarrende Legi-
rungen: Saigern.
2).
Auch die von Phosphaten und schweren Metalloxyden freien Silikatschlacken
(z. B. Hochofenschlacken) enthalten häufig Sulfide in Mengen bis zu einigen Procenten.
1).
Um den neueren Theorien der Chemie bei der Classificirung der Schlacken
Rechnung zu tragen, schlug v. Kerpely vor, die sogenannten Werthigkeiten der
anwesenden Radikale als Eintheilungsmittel zu benutzen. Das Verhältniss der Werthig-
keiten der gefundenen Kieselsäure zu der Summe der Werthigkeiten aller metalli-
schen Radikale ergiebt den Silicirungsgrad. Vergl. dessen unter „Literatur“ citirte
Abhandlung.
1).
So z. B. wurden von Plattner zahlreiche Temperaturbestimmungen aus-
geführt, welche zwar Jahrzehnte hindurch als maassgebend angesehen wurden, bei
der Unzuverlässigkeit der damaligen Mittel für Messung hoher Temperaturen jedoch
nachweisbare erhebliche Irrungen in sich schliessen. Die von Plattner gefundenen
Werthe sind später theilweise berichtigt durch Erhard und Schertel; vergl.
Literatur.
2).
Dieser von Plattner zuerst aufgestellte Lehrsatz ist von Schinz angefoch-
ten worden, hat jedoch nach meiner Ueberzeugung, die auf Beobachtungen in der
Praxis sich stützt, seine vollständige Richtigkeit. Auch Bischof bestätigt in seinen
Arbeiten über feuerfeste Thone die Richtigkeit.
1).
Bodemann, Probirkunst, 2. Aufl., Clausthal 1857, S. 251.
2).
Nach Berthier: 1 Aequivalent Thonerde auf 6 Aequivalente Kalkerde; also
336 Gewichtstheile Thonerde auf 103 Gewichtstheile Kalkerde.
1).
Man erklärt die Zersetzung folgendermaassen: Zunächst entsteht einestheils
Calciumcarbonat neben Schwefelwasserstoff:
;
anderntheils Calciumcarbonat neben unterschwefligsaurem Calcium:
;
das gebildete unterschwefligsaure Calcium verwandelt sich unter Einwirkung des
atmosphärischen Sauerstoffes in schwefelsaures Calcium (Calciumsulfat) und freien
Schwefel:
;
1).
Dass möglicherweise die schöne blaue Farbe mancher Eisenhüttenschlacken
(Hochofenschlacken) auch noch anderen Ursachen entstammen könne, soll nicht be-
1).
Enthält die von Percy, Berthier, Plattner u. a. erhaltenen Versuchs-
ergebnisse in grosser Ausführlichkeit.
1).
stritten werden. Gerade diese Farbe hat schon Veranlassung zu vielfachen Unter-
suchungen gegeben, ohne dass vollständige Aufklärung erreicht worden wäre. Häufig
hat man die Anwesenheit von Titansäure in den Schlacken als die Ursache der Blau-
färbung angesehen. Vergl. hierüber die gegebenen Literaturnachweise.
1).
Die Zersetzung roher Spatheisensteine findet erst in einer Temperatur von
ca. 800°C. statt (Versuche von P. Tunner, mitgetheilt im Jahrbuche der Berg-
akademieen zu Leoben u. s. w. Bd. X, S. 494), während die Reduction kohlensäure-
freier Erze schon in erheblich niedrigerer Temperatur beginnt.
1).
Die Analysen sind in der Form gegeben, wie sie für den praktischen Eisen-
hüttenmann den meisten Werth haben; d. h. Eisen und Mangan sind als Metalle
aufgeführt. Dass dieselben vorwiegend als Oxydul auftreten, das Eisen aber durch
Verwitterung theilweise in Oxyd (Hydroxyd) umgewandelt zu sein pflegt, wurde oben
erwähnt.
1).
Ueber den Einfluss des Titansäuregehaltes auf die Schmelzbarkeit der Schlacke
vergl. S. 153.
1).
Vergl. S. 153.
1).
Versuche über diesen Umwandlungsprocess sind mitgetheilt in der Abhand-
lung: A. Ledebur, Zur Theorie der Manganhochöfen. Glaser’s Annalen Bd. VIII,
S. 449.
1).
Percy-Wedding, Handbuch der Eisenhüttenkunde, Abth. II, S. 544;
Preuss. Ztschr. f. Berg-, Hütten- und Salinenwesen 1866, S. 299.
1).
P. Berthier, Traité des essais etc. I, p. 480; mitgetheilt in Percy, Metal-
lurgie 1. Bd., deutsch von Knapp, S. 47.
1).
Sie stammen aus dem sechszehnten Jahrhunderte. 1507 wurde das erste
Pochwerk im Erzgebirge durch Sigismund von Maltitz, 1524 das erste Poch-
werk auf dem Harze durch Peter Philipp eingeführt (A. Gurlt, Bergbau- und
Hüttenkunde, 2. Aufl., S. 104).
1).
Nach Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde. Abth. 2, S. 521.
1).
Ztschr. d. Ingenieur- u. Architekten-Vereins für Hannover, Bd. XVII, S. 319.
1).
Lehrbuch der Aufbereitungskunde, S. 232.
1).
Annales des mines, 1864, 4. livr.
2).
Die Zeichnung ist ursprünglich der Oesterr. Zeitschr. für Berg- und Hütten-
wesen entnommen.
1).
Eine ausführliche Beschreibung nebst Abbildungen einer grösseren Erzwäsche,
von der Fabrik Humboldt (vormals Sievers \& Co. in Kalk bei Deutz) gebaut,
enthält Percy-Wedding, Handbuch der Eisenhüttenkunde, Abth. 2, S. 512 ff.;
fernere Abbildungen von Eisenerzwäschen: Dürre, Anlage und Betrieb der Eisen-
hütten, Bd. 1, Taf. XXXVIII, XXXIX und XL.
2).
Dürre, Anlage und Betrieb der Eisenhütten, Bd. 1, S. 158.
1).
Das Oxyd Fe2 O3 entsteht allerdings nur, wenn zugleich freier Sauerstoff
Zutritt hat.
1).
Jern-Kontorets Annaler 1829, p. 452; R. Åkerman, Om jernmalmers
rostning, p. 28.
1).
Vergl. die unter Literatur erwähnte Abhandlung von H. Tholander.
1).
Nachtheilig kann ein unnöthig grosser Luftüberschuss auf den Brennstoff-
verbrauch einwirken, indem er von der gesammten entwickelten Wärme einen Theil
für die eigene Erhitzung beansprucht und dadurch die Temperatur herabdrückt.
2).
Vergl. Tholander’s erwähnte Abhandlung, S. 118.
3).
Diese schon früher bekannte Thatsache wurde durch mehrere Versuche von
Tholander bestätigt. Eisenoxyd wurde durch einfache Erhitzung zum starken
Glühen in Oxyduloxyd umgewandelt, dessen Sauerstoffgehalt in einzelnen Fällen noch
niedriger war als der durchschnittliche Sauerstoffgehalt der Magneteisenerze.
1).
Nach Wedding (Eisenhüttenkunde, Abth. II, S. 429) verbraucht man in
Ebbw Vale (Südwales) beim Rösten von Thoneisensteinen per 1000 kg Erz 75 kg
Kohlenklein nebst 25 kg Stückkohlen und zahlte (in den sechziger Jahren) 42 Pf.
Lohn für das Setzen und spätere Ziehen.
1).
Besondere Verdienste um die Röstung der steirischen Spatheisensteine u. s. w.
erwarb sich Bergrath Wagner in Mariazell, von welchem mehrere verschiedene,
noch jetzt in Mariazell, Neuberg und a. a. O. bestehende Röstofenconstructionen
herrühren.
1).
Die eingeschriebenen Maasse des abgebildeten Röstofens sind die bei einer
neueren Röstofenanlage zu Gaisweid benutzten. Eine vollständige Abbildung der
ganzen Anlage findet der Leser in Dürre, Anlage und Betrieb der Eisenhütten,
Bd. 1, Taf. II.
1).
Die Zahlenangaben sind der unter Literatur erwähnten Abhandlung von
E. Gruner entnommen, welche ausführliche Mittheilungen über sämmtliche in Steier-
mark und Kärnten angewendete Röstöfen für Eisenerze enthält.
2).
Abbildung dieses Ofens findet der Leser u. a. in Kerl’s Grundriss der
Eisenhüttenkunde, S. 72, Leipzig 1875; Percy-Wedding, Handbuch der Eisen-
hüttenkunde, Abth. II, S. 450. Da der Ofen aus localen Verhältnissen hervorgegangen
war, ist von einer Wiedergabe der Abbildung Abstand genommen.
1).
Abbildungen dieser Oefen: Annales des mines, série VII, tome IX, pl. XIV;
Dürre, Anlage und Betrieb der Eisenhütten, Bd. 1, S. 175; Percy-Wedding,
Eisenhüttenkunde Abth. 2, S. 483; A. v. Kerpely, Fortschritte der Eisenhütten-
technik 1866, S. 17.
Obschon der Construction an und für sich ein gewisses Interesse gebührt, so
besitzen doch die Fillafer’schen Oefen keine allgemeinere Wichtigkeit, da ihre Ein-
richtung vorwiegend auf den ganz besonderen Eigenthümlichkeiten örtlicher Verhält-
nisse beruht.
1).
Abbildungen dieses ebenfalls nur für ganz besondere Verhältnisse geeigneten
Ofens enthalten die oben genannten Werke: Annales des mines, pl. XIV; Dürre,
Anlage u. s. w., S. 176; ferner Berg- und hüttenmännisches Jahrbuch, Bd. 16, S. 384.
2).
Die mitgetheilten Notizen wie die Abbildung sind dem unter Literatur auf-
geführten Werke von R. Akerman entnommen.
1).
Berg- und hüttenm. Ztg. 1872, S. 112.
1).
Die ausserordentlich grosse Ausdehnung der Literatur über Eisenerzvor-
kommnisse macht eine auch nur annähernd vollständige Aufzählung aller wichtigeren
Abhandlungen über diesen Gegenstand unmöglich. Es sind deshalb nur solche Arbeiten
aufgeführt worden, welche entweder in Vorstehendem für die Besprechung der Eisen-
erze benutzt wurden oder aus besonderen Gründen für den Eisenhüttenmann besondere
Wichtigkeit besitzen.
1).
Die aus früherer Zeit her noch vielfach gebräuchliche Beschränkung des
Begriffes „Legirung“ auf die Vereinigungen von Metallen mit Ausschluss der Metal-
loide entspricht nicht dem thatsächlichen Verhalten der letztgenannten Körper, welche
mit den Metallen gar häufig Legirungen von unbeschränkter Zusammensetzung ein-
1).
Ein ganz ähnliches Verhalten zeigen viele zusammengesetzte Körper. Wasser
löst zahlreiche feste und flüssige Körper in beliebigen Mengen, ohne dass chemische
Verbindungen nach den Gewichtsverhältnissen der Atomgewichte dabei zu entstehen
brauchen, während doch die Dichtigkeit, die Erstarrungstemperatur und andere phy-
sikalische Eigenschaften der Lösung oft erheblich andere sind, als dem Mittel der
Eigenschaften der in einander gelösten Körper entsprechen würde. Auch das früher
geschilderte Verhalten der Schlacken gehört hierher und zeigt grosse Aehnlichkeit
mit dem der Legirungen.
1).
zugehen im Stande sind, und steht geradezu im Widerspruche mit dem sonstigen
Sprachgebrauche. Man spricht z. B. ohne Bedenken von Zinnantimonlegirungen, Blei-
arsenlegirungen u. s. w., obgleich Antimon und Arsen von den Chemikern längst aus
der Reihe der Metalle gestrichen sind.
1).
Dehnbarkeit kann als die Eigenschaft der Körper, im ungeschmolzenen
Zustande unter Einwirkung äusserer Kräfte bleibende Formveränderungen zu ertragen,
bezeichnet werden; als Schmiedbarkeit pflegt man die Dehnbarkeit der Körper
im erhitzten Zustande zu bezeichnen, insbesondere, wenn die Formveränderung durch
Schlagwirkung hervorgerufen wird; Zähigkeit ist das Maass des Widerstandes,
welchen ein Körper der Trennung seiner Theilchen entgegensetzt, nachdem unter Ein-
wirkung äusserer Kräfte die Elasticitätsgrenze überschritten ist. Sie bildet gewisser-
maassen die Grundlage der Dehnbarkeit. Ihr Gegensatz ist die Sprödigkeit.
1).
A. Knop, Molekularconstitution und Wachsthum der Krystalle. Leipzig
1867, S. 68.
2).
Jahrbuch der Bergakademieen zu Leoben und Přibram, Bd. X (1861), S. 477.
1).
E. Schott, Die Kunstgiesserei in Eisen. Braunschweig 1873, S. 17.
E. F. Dürre, Ueber die Constitution des Roheisens. Leipzig 1868, S. 69. B. Kerl,
Handbuch der metallurgischen Hüttenkunde, 2. Aufl., Freiberg 1861, Bd. III, S. 26.
Berg- und hüttenm. Ztg. 1863, S. 343.
2).
Nicht alles legirte Eisen jedoch krystallisirt in Säulen. Bei Siliciumeisen
z. B. glaubt Mrázek, wie unten ausführlicher erwähnt ist, Krystallisation im tesse-
ralen System beobachtet zu haben.
3).
Die erwähnte Formel für die Reduction durch festen Kohlenstoff: R O +
C = R + C O stellt den Verlauf in der Weise dar, wie er bei der Reduction von Eisen-
oxyden stattzufinden pflegt, d. h. in hoher Temperatur und bei einem Ueberschusse
von Kohle. Dass in niedrigerer Temperatur auch Reduction unter Bildung von Kohlen-
säure stattfinden könne, wurde durch Versuche von John Parry nachgewiesen
(vergl. Literatur).
1).
Vergl. Literatur.
1).
J. Lowthian Bell, Ueber die Entwickelung und Verwendung der Wärme
in Eisenhochöfen. Deutsch von P. Tunner. Leipzig 1870, S. 106.
2).
Dokumente betreffend den Hochofen, S. 74.
3).
Jahrbuch der Bergakademieen zu Leoben, Přibram und Schemnitz, Bd. IX,
S. 309.
4).
Nach J. L. Bell-Tunner, Entwickelung und Verwendung von Wärme in
Eisenhochöfen, S. 44.
1).
Journal of the Iron and Steel Institute, 1872, vol. I, p. 76; Jahrbuch der Berg-
akademieen zu Leoben etc., Bd. XXI, S. 235.
2).
Durch Zersetzung von Oxalsäure erhalten.
1).
Oesterr. Ztschr. für Berg- und Hüttenwesen 1882, S. 485.
1).
Dokumente, betreffend den Hochofen, S. 62.
2).
Jahrbuch der Bergakademieen zu Leoben etc., Bd. XXI, S. 194.
3).
Auch Scheerer sprach in seinem Lehrbuche der Metallurgie (Braunschweig
1853) Bd. II, S. 15 die Ansicht aus, dass bei der Reduction alles Oxyd zunächst in
Oxydul umgewandelt werde; Schinz u. A. bekämpften dieselbe auf Grund des Um-
standes, dass neben metallischem Eisen auch Eisenoxyd gefunden wurde.
1).
Berg- und hüttenm. Ztg. 1877, S. 278.
2).
Vergl. Literatur.
2).
Vergl. Literatur.
2).
Vergl. Literatur.
3).
In einer von mir untersuchten derartigen Kohlenstoffablagerung fanden sich
nur noch 2.99 Proc. Eisen.
1).
Ueber Entwickelung und Verwendung von Wärme, deutsch von Tunner,
S. 102, 107, 108.
2).
Durch Analyse der Oxydationsgase ermittelt.
1).
Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde, Abtheilung 1, S. 135.
2).
Im angeführten Werke, S. 137—140.
3).
Ebenda, S. 147.
1).
Karsten, Handbuch der Eisenhüttenkunde, 3. Auflage (1841), Bd. I, S. 427.
2).
Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde, Abth. 1, S. 173.
1).
Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde, Abth. 1, S. 175 u. 176.
2).
Berg- und hüttenm. Ztg. 1877, S. 279.
1).
Silicium kann unter Umständen schon beim Glühen des Eisens mit Kohle
und kieselsäurehaltigen Körpern reducirt und vom Eisen aufgenommen werden.
1).
Comptes rendus, tome LVI, p. 43.
2).
Erdmann’s Journal für praktische Chemie, Bd. 100, S. 33.
3).
Glaser’s Annalen, Bd. X, S. 270.
4).
Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing., Bd. XXII, S. 456.
1).
Eine Zusammenstellung derselben findet der Leser in Dürre, Constitution
des Roheisens, Leipzig 1868, S. 9—20.
1).
Comptes rendus, tome 76, p. 483.
2).
Jahrb. f. d. Berg- und Hüttenwesen im Königr. Sachsen a. d. Jahr 1880, S. 7.
1).
Die Anwesenheit von Flussspath neben Kieselsäure und Eisen befördert, auch
wenn Kohle statt des Natriums als Reductionsmittel benutzt wird, die Reduction
des Siliciums. Es entsteht höchstwahrscheinlich Kieselfluorcalcium, welches seinen
Siliciumgehalt an das Eisen abgiebt.
1).
Vergl. u. a. Berg- und hüttenm. Ztg. 1877, S. 279; ferner Ztschr. d. berg-
und hüttenm. Vereins für Steiermark und Kärnten 1876, S. 77.
2).
Eine andere Erklärung hierfür giebt Rinman, welcher annimmt, dass Sili-
cium aus dem Eisen durch Einwirkung von Wasserdampf oxydirt sei, welcher sich
aus feuchten Gussformen entwickelte. Ztschr. des berg- und hüttenm. Vereins für
Steierm. und Kärnten 1876, S. 77.
3).
Nach Morton wurde beim Hinüberleiten von trockenem Wasserstoffgase über
siliciumhaltiges Eisen beim Glühen Siliciumwasserstoff gebildet. Vergl. Literatur.
4).
Comptes rendus, Juli 1852, Heft 1.
5).
Berg- und hüttenm. Ztg. 1878, S. 324.
6).
Comptes rendus, tome 94, p. 1526.
1).
Liebig’s Jahresberichte über die Fortschritte der reinen pharmaceutischen
und technischen Chemie 1859, S. 154.
2).
Glaser’s Annalen, Bd. X, S. 210.
1).
Ztschr. d. berg- u. hüttenm. Ver. für Steiermark und Kärnten, 1876, S. 229.
1).
Arfvedson will durch Hinüberleiten von Wasserstoffgas über glühendes
basisch schwefelsaures Eisenoxyd, beziehentlich basisch schwefelsaures Eisenoxydul
auch Achtel-Schwefeleisen Fe8 S und Halbschwefeleisen Fe2 S dargestellt haben. Ob
hier eine wirkliche chemische Verbindung im engeren Sinne entstand, ist mindestens
zweifelhaft. Vergl. Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde, Abth. I, S. 38.
1).
Ztschr. d. berg- und hüttenm. Ver. für Steiermark und Kärnten 1876, S. 160.
2).
Vergl. Literatur.
1).
Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde, Abth. 1, S. 174—176.
2).
Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde, Abth. 1, S. 42; Berthier, Traité
des essais par la voie sèche, tome I, p. 488; tome II, p. 191.
3).
Eisenhüttenkunde, Abth. 1, S. 48.
1).
Vergl. Literatur.
1).
Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde, Abth. 1, S. 114.
2).
Vergl. Literatur.
3).
Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde, Abth. 1, S. 115.
1).
Glaser’s Annalen, Bd. X, S. 224.
2).
Vergl. Literatur.
1).
Vergl. auch den Einfluss des Siliciumgehaltes an Stelle des Kohlenstoff-
gehaltes bei Anwesenheit von Phosphor, wenn Festigkeit hervorgerufen werden soll,
auf S. 247.
2).
Vergl. Literatur.
1).
Berg- und hüttenm. Ztg. 1878, S. 322.
2).
Dingl. Polyt. Journ., Bd. 214, S. 48.
1).
Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde, Abth. 1, S. 94.
1).
Glaser’s Annalen, Bd. XI, S. 25.
2).
A. Ledebur, Metallverarbeitung auf chemisch-physikalischem Wege, Braun-
schweig 1882, S. 38.
3).
Wagner’s Jahresbericht der chemischen Technologie, 1862, S. 9; Percy-
Wedding
, Eisenhüttenkunde, Abth. 1, S. 195 und 200.
4).
Vergl. S. 252 und Literatur.
1).
Annales des mines, série III, tome III, p. 233 (1833).
2).
Vergl. u. a. Liebig’s Annalen für Chemie und Pharmacie, Bd. 2, S. 237;
auch Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde I, S. 228.
1).
A. v. Kerpely, Eisen und Stahl auf der Weltausstellung zu Paris im Jahre
1879, S. 78.
1).
Perey-Wedding, Eisenhüttenkunde, I, S. 254.
2).
Traité des essais par la voie sèche, tome II, p. 215 und 344.
3).
Berg- und hüttenm. Ztg. 1859, S. 275.
1).
Eisen und Stahl auf der Weltausstellung zu Paris im Jahre 1879, S. 78.
2).
Durch den Kohlenstoffgehalt wird die Schmelztemperatur erniedrigt, während
sie durch einen die gleiche Härte hervorrufenden Mehrbetrag an Wolfram erhöht
werden würde; die Schmiedbarkeit aber nimmt mit zunehmendem Kohlenstoff-
gehalte ab.
1).
Annales des mines, série III, tome XI, p. 501; Percy-Wedding, Eisen-
hüttenkunde, Abth. 1, S. 98.
1).
Annales des mines, série VII, tome XV, p. 135.
1).
Fresenius fand im Müsener Spiegeleisen 0.045 Proc. Magnesium und
0.091 Proc. Calcium, ausserdem aber Kieselsäure und Sauerstoff. Percy-Wedding,
Eisenhüttenkunde, Abth. 2, S. 762; Kerl, Grundriss der Eisenhüttenkunde, S. 42.
2).
Fresenius fand in dem erwähnten Spiegeleisen 0.063 Proc. Kalium und
Spuren Natrium.
1).
Eine von mir untersuchte derartige Legirung enthielt: Eisen 4.035, Kohlen-
stoff 0.327, Zink 95.638 Proc.
1).
Beim Einwerfen kalter Eisenstücke in geschmolzenes Metall entstehen oft
gefährliche Explosionen, offenbar infolge des plötzlichen Entweichens eines von dem
kalten Eisen gelösten Gases.
2).
Nicht zu verwechseln sind diese durch Gasblasen gebildeten Löcher mit
denjenigen Hohlräumen, welche infolge der Schwindung, d. h. der allmählichen, von
aussen nach innen fortschreitenden Volumenverkleinerung eines gegossenen Metall-
blocks beim Erkalten sich an derjenigen Stelle zu bilden pflegen, wo das letzte flüssige
Metall sich befand. Jene Gasblasen haben glatte oder doch unregelmässig gestaltete
Wandflächen, die Wände der Schwindungshohlräume dagegen pflegen mit krystalli-
nischen Bildungen bedeckt zu sein. Vergl. hierüber: A. Ledebur, Das Roheisen,
2. Aufl., S. 35; A. Ledebur, Verarbeitung der Metalle auf mechanischem Wege, S. 99.
3).
Man vergegenwärtige sich, dass auch andere Flüssigkeiten, z. B. Wasser,
um so reichlichere Mengen von Gasen zu lösen vermögen, einem je höheren Drucke
sie ausgesetzt sind; und dass sie ebenfalls die gelösten Gase wieder entlassen, wenn
der Druck aufhört (Beispiel: das Oeffnen einer mit kohlensaurem Wasser gefüllten
Flasche).
1).
Glaser’s Annalen, Bd. X, S. 211.
1).
Vergl. Literatur.
1).
Die Herren Troost und Hautefeuille machen selbst auf diese Reaction
zwischen Eisenoxyd und Kohlenstoff aufmerksam (Compt. rend. t. 76, p. 565), setzen
aber voraus, dass dieselbe bei der angewendeten Temperatur von 800 Grad C. noch
nicht eintrete.
2).
Vergl. Literatur.
1).
Vergl. Literatur.
1).
Iron, vol. 17, p. 414.
2).
Ztschr. d. berg- und hüttenm. Ver. für Steiermark und Kärnten 1878, S. 313.
1).
So z. B. wollte Schafhäutl im weissen Roheisen 0.76 Proc., im Spiegel-
eisen gar 1.20 Proc. Stickstoff gefunden haben (Philosophical Magazine 1840, vol. 16,
p. 44; Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde I, S. 65).
2).
Monatsberichte der Berliner Akademie der Wissenschaften 1862, S. 692.
3).
Vergl. Literatur.
4).
Annales de chimie et de physique, tome 42, p. 122.
5).
Liebig’s Annalen, Bd. 83, S. 375.
6).
Annales de chimie et de physique, tome 83, p. 375.
1).
Stahl und Eisen 1882, S. 591.
2).
Vergl. hierüber „Stahl und Eisen“ 1882, S. 193.
3).
Bender fand allerdings im entkohlten Bessemereisen 0.34 Proc. Sauerstoff;
vergl. Dingler’s Polyt. Journ., Bd. 205, S. 231.
1).
Ein Schweisseisen aus Oberhausen enthielt z. B. 0.5 Proc. Sauerstoff als
Bestandtheil eingemengter Schlacke; Stahl und Eisen 1882, S. 197.
2).
Analysen solcher Eisensorten: Glaser’s Annalen, Bd. X, S. 181.
1).
Die Bezeichnung „verbranntes Eisen“ oder „verbrannter Stahl“ für solches
schmiedbare Eisen, welches infolge einer Erhitzung bis nahe zum Schmelzpunkte
und darauf folgender ruhiger Abkühlung ein grobkörniges Gefüge erhalten, an Festig-
keit und Schmiedbarkeit eingebüsst hat, legt die Vermuthung nahe, dass die erwähn-
ten übelen Eigenschaften solchen Eisens durch die Aufnahme von Sauerstoff hervor-
gerufen seien. Neuere Untersuchungen haben indess dargethan, dass diese Sauerstoff-
aufnahme nicht immer die Ursache der Verschlechterung und jene Bezeichnung
„verbranntes Eisen“ daher auch nicht im eigentlichen Sinne richtig ist. Vergl. die
Abhandlung des Verfassers: „Das Verbrennen des Eisens und Stahles“ im Jahrbuch
für Berg- und Hüttenwesen im Königreiche Sachsen auf das Jahr 1883.
1).
Dingler’s Polyt. Journ., Bd. 196, S. 131.
2).
Vergl. Literatur (Mercier).
1).
Berg- und hüttenm. Ztg. 1877, S. 280.
2).
Vergl. Literatur.
1).
Vgl. auch S. 255.
1).
Ein auf der Drehbank genommener Span dieses Eisens hatte sich, statt, wie sonst das
Gusseisen, kurz abzubrechen, zu einer Spirale mit 13 Windungen aufgerollt.
2).
Vergl. S. 243.
3).
Ungarns Eisensteine und Eisenhüttenerzeugnisse, S. 74—76.
4).
Das Hüttenwesen, Bericht über die Weltausstellung in Philadelphia, S. 68.
1).
Versuche über dieses Verhalten manganhaltigen Roheisens findet der Leser
mitgetheilt in meiner Abhandlung: Ueber Giessereiroheisen; Jahrbuch für das Berg-
und Hüttenwesen im Königreiche Sachsen auf das Jahr 1880, S. 1.
1).
Ueber den zulässigen Phosphorgehalt im Giessereiroheisen vergl. S. 297.
1).
Vergleichende Qualitätsuntersuchungen, S. 18.
1).
Stahl und Eisen 1882, S. 215.
2).
Vergleichende Qualitätsuntersuchungen, S. 18.
3).
Eisen und Stahl auf der Weltausstellung zu Paris 1878, S. 76.
4).
Das Eisenhüttenwesen der Vereinigten Staaten von Nordamerika, S. 20.
1).
Der Siliciumgehalt des grauen Roheisens erschwert die Phosphorabscheidung.
Vergl. hierüber S. 283.
1).
Vergl. die Bemerkung über den Einfluss des Mangangehaltes auf die Schmelz-
temperatur des grauen Roheisens auf S. 296.
1).
In eisenhüttenmännischen Schriften des vorigen Jahrhunderts werden diese
Erze als „Quicksteinerze mit Braunsteingehalt“ bezeichnet.
1).
Vergl. Literatur.
1).
Ungarns Eisensteine und Eisenhüttenerzeugnisse, S. 80.
2).
Ein Vergleich der Analysen sowohl der drei verschiedenen Roheisensorten
von Reschitza unter einander als auch ganz besonders der fünf Roheisensorten von
Georgs-Marienhütte lässt deutlich die verschiedenen Einflüsse des Kohlenstoff-,
Mangan- und Siliciumgehaltes auf die Beschaffenheit des Roheisens erkennen und ist
in dieser Beziehung recht lehrreich.
3).
Man beachte den niedrigen Kohlenstoffgehalt dieses Roheisens. Ohne den
sehr hohen Phosphorgehalt und ziemlich beträchtlichen Schwefelgehalt würde das
Eisen nicht mehr als Roheisen gelten können.
4).
Ztschr. für Berg-, Hütten- und Salinenwesen, Bd. 22, S. 291.
1).
Ungarns Eisensteine und Eisenhüttenerzeugnisse, S. 80.
2).
Eisen und Stahl auf der Weltausstellung zu Paris 1878, S. 78.
1).
Adolf Gurlt, Bergbau- und Hüttenkunde, 2. Auflage, S. 128.
2).
Wedding, Beiträge zur Geschichte des Eisenhüttenwesens im Harz.
3).
Gurlt, a. a. O.
1).
Ztschr. für Berg-, Hütten- u. Salinenwesen im Preuss. Staate, Bd. 22, S. 253.
2).
Vergl. S. 9.
1).
E. Schinz, Studien über den Hochofen, S. 80.
1).
Annales des mines, série 7, tome 9, p. 528.
1).
Die günstigeren Betriebsergebnisse des grösseren Ofens beruhen nur theil-
weise auf der Vergrösserung des Rauminhalts, zum grossen Theile jedenfalls auch auf
der inzwischen eingeführten Anwendung erhitzten Windes.
1).
Aus Kerl, Grundriss der Eisenhüttenkunde.
1).
Ofen zu Rothehütte am Harz im Jahre 1867. Ztschr. f. Berg-, Hütten- und
Salinenwesen in Preussen, Bd. XIX, Taf. V.
1).
Glaser’s Annalen für Gewerbe und Bauwesen 1879, Nr. 52.
1).
Von dem Hüttendirector Büttgenbach in Heerdt bei Düsseldorf, wo der
erste derartige Hochofen gebaut wurde, construirt.
2).
Kerl, Grundriss der Eisenhüttenkunde.
1).
Zeitschr. für Berg-, Hütten- und Salinenwesen, Bd. XXII, S. 260.
1).
Z. B. 3 Thl. Portland-Cement, 5 Thl. Sand, 4 Thl. zerklopfte Steine, 3 Thl.
Ziegelmehl; oder 5 Thl. Portland-Cement, 12 Thl. Steine, 1 Thl. Sand; oder ähnlich.
1).
Ein Vorfall dieser Art, welchen Limbor mittheilt, ist folgender. Im Jahre
1875 wurde nach neunmonatlichem Betriebe ein Hochofen der Friedrich-Wilhelms-
hütte, dessen Schacht aus Garnkirksteinen hergestellt war, ausgeblasen. Es zeigte
sich, dass die Schachtsteine allen Zusammenhang verloren hatten und mit einer
schwarzen Substanz durchsetzt waren, welche neben 20 Theilen Eisenoxyd 24 Theile
Kohlenstoff enthielt. Die noch unbenutzten Steine enthielten 6.23 Proc. Eisenoxyd.
Vergl. Wochenschr. d. Ver. Deutsch. Ing. 1878, S. 259. Ein ähnlicher Fall wurde
von Pattinson auf den Tees-Iron-Works in Middlesborough beobachtet (Journal of
the Iron and Steel Inst. 1876).
1).
Damit soll keineswegs gesagt sein, dass nicht auch einzelne Fabriken des
Continents, insbesondere Deutschlands, Gestellsteine zu liefern im Stande seien, welche
sich den Garnkirksteinen ebenbürtig zur Seite stellen können.
1).
Eine Abbildung eines derartigen Kanalsystems findet der Leser in Perey-
Wedding
, Eisenhüttenkunde, Abth. II, Bd. 2, S. 915.
1).
Vergl.: Die Kühlungen.
1).
Auf den Eisenwerken, wo man Massezustellungen verwendet, ist das beste
Mischungsverhältniss der einzelnen Bestandtheile gewöhnlich durch langjährige Er-
fahrung erprobt; z. B. 4 Maasstheile gepochter Quarz, 1 Maasstheil feuerfester Thon,
12 Thle. alte Masse; oder ähnlich.
2).
Mitunter begnügt man sich, nur den Boden und das Gestell in Masse her-
zustellen, die Rast aber aus Chamottesteinen zu mauern.
1).
Bekanntlich eine durch geringen Zusatz von Phosphorzinn oder Phosphor-
kupfer zur Zerstörung gelöster Oxyde veredelte Bronze.
1).
Formen von ähnlicher Einrichtung als die Hilgenstock’sche wurden früher
schon von Teichmann (Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde, Abth. 2, S. 384),
Hodgett (Berg- u. hüttenm. Ztg. 1870, S. 447), Plum (Journal of the Iron and
Steel Institute 1878, No. I, p. 299) und Lloyd (Grothe’s Polyt. Ztschr. 1876,
Nr. 29, 30) in Anwendung gebracht.
1).
Vergl. Literatur.
1).
Vergl. Literatur.
1).
1 cbm Kohlenoxydgas wiegt 1.25 kg; und 1 kg Kohlenoxydgas entwickelt bei
seiner Verbrennung 2403 W.-E. (S. 20.)
1).
A. Gurlt, Bergbau- und Hüttenkunde, 2. Aufl., S. 121.
2).
Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde, Abth. 2, S. 314; Berthier, Sur
plusieurs moyens imaginés pour employer la flamme perdue des hauts-fourneaux,
des foyers de forge etc. Journ. des mines, Juin 1814.
3).
Percy-Wedding, a. a. O.
4).
Vergl. S. 85.
1).
C. Pfort, der Flammofenbetrieb mit brennbaren Gasen zu Veckerhagen.
Studien des Göttingen’schen Vereins bergmännischer Freunde, 1842, S. 1.
1).
Gasfang des Hochofens Nr. 1 der Bochumer Gussstahlfabrik.
1).
The Journal of the Iron and Steel Institute 1872, II, p. 236.
1).
Nach S. Jordan, Album du cours de métallurgie, Pl. XXI, Fig. 1.
2).
Jordan, Album du cours de métallurgie, Pl. XXVI, Fig. 3.
1).
Hierher gehört z. B. Navay’s Apparat, Kerpely, das Eisen auf der
Wiener Weltausstellung, Taf. IV, Fig. 8, Kerl, Grundriss der Eisenhüttenkunde,
S. 123, Fig. 153; Coingt’s Apparat, Berg- u. hüttenm. Ztg. 1857, S. 350; 1864,
S. 258, 287, 288; Sattler’s Apparat, D. R. P. Nr. 1826; u. a. m.
1).
Vergl. Iron, vol. XI, p. 678.
1).
Bei Besprechung der Hochofenproducte ausführlicher erwähnt. Vergl. auch
S. 267.
2).
Eine derartige Folge der Anwendung des von Hoff’schen Apparates zeigte
sich z. B. in Gleiwitz. Vergl. Zeitschr. f. Berg-, Hütten- u. Salinenwesen, Bd. 22, S. 263.
1).
A. Gurlt, Bergbau- und Hüttenkunde, 2. Aufl., S. 123.
1).
Aus J. Schlink, Ueber Gebläsemaschinen.
1).
Gebläse des Eisenwerkes Vulkan, Schlink, a. a. O.
1).
Man vergegenwärtige sich, dass die Schubstangen dieser Gebläse eine be-
trächtliche Länge besitzen, welche mit der Hublänge wächst; hierdurch wird die
Gefahr vermieden, dass bei langem Hube das Verhältniss der Kurbellänge zur Länge
der Schubstange zu gross ausfalle. Jene Bedenken aber, welche bei liegenden Ma-
schinen gegen starke Hublängen sprechen, kommen hier, wie bei allen stehenden
Maschinen, ausser Betracht.
1).
Schlink a. a. O.; Engineering 1877, vol. II.
1).
Abbildung eines dreicylindrigen Gebläses zu Friedrich-Wilhelmshütte: Ztschr.
des Ver. deutsch. Ing. 1876, Juliheft.
2).
Abbildung eines zweicylindrigen Gebläses mit Woolf’scher Maschine: En-
gineering 1871, Juli 21; eines Gebläses mit Compoundmaschine: „Stahl und Eisen“
1882, S. 105.
1).
Handbuch für Fabrikanten, Bd. 8, S. 388.
2).
Man bediente sich eines schmiedeeisernen Kastens, welcher durch Rostfeue-
rung von aussen geheizt und durch welchen die Luft hindurchgeleitet wurde.
1).
Vergl. die Erörterungen auf S. 116.
1).
Da man den Röhren sowohl am Anfange als am Ende des Apparates aus
Rücksicht auf die einfachere Herstellung den gleichen Querschnitt zu geben pflegt,
so steigert sich die Geschwindigkeit des hindurchgehenden Windes während der Er-
hitzung nach dem Verhältnisse v1 = v (1 + 0.00366 t) und pflegt beim Austritte
aus den Röhren doppelt bis dreimal so gross als beim Eintritte zu sein. Unter mitt-
lerer Geschwindigkeit ist diejenige verstanden, welche der Wind im Mittel zwischen
kaltem und heissem Zustande besitzt.
2).
Vergl. Gegenstromprincip auf S. 26.
1).
Die Anzahl der Rohrstränge pflegt bei den verschiedenen Apparaten dieser
Art zwischen vier bis acht zu schwanken.
2).
Zum Verkitten benutzt man Rostkitt, dargestellt durch Vermischen von
60 Thl. feingesiebten Eisenfeilspänen, 2 Thl. Salmiak, 1 Thl. Schwefelblumen und
soviel Essig, dass das Ganze dickbreiige Consistenz erhält. Der Kitt wird bald nach
dem Mischen mit Hilfe eines Stabes in die Fuge getrieben und muss mindestens
einige Tage erhärten, ehe der Apparat angeheizt werden darf.
1).
Kerl, Grundriss der Allg. Hüttenkunde, Fig. 292.
1).
Zur Beseitigung dieses Uebelstandes hat man wohl den Versuch gemacht,
auch die Krümmer durch eine besondere Feuerung zu heizen, ohne dass jedoch diese
Einrichtung sich bewährt hätte. Jedenfalls werden die Dichtungen in den Muffen
sehr leicht hierdurch beschädigt werden.
1).
Ztschr. für Berg-, Hütten- u. Salinenwesen in Preussen, Bd. 30, Texttafel f.
1).
Gruner-Kupelwieser, Abhandlungen über Metallurgie, Bd. 1, S. 411.
1).
Bekanntlich mit Hilfe einer eisernen, an einem Stricke hängenden Kugel,
an welcher ein Besen befestigt ist.
1).
50 m dürfte die geringste erforderliche Essenhöhe sein; verschiedentlich zeigte
sich, dass niedrigere Essen nicht ausreichten, den Apparat in gutem Betriebe zu
erhalten.
1).
So z. B. eine von Lévêque vorgeschlagene Construction, die von den Gasen
zuletzt durchströmten Kanäle ähnlich wie die Cowperapparate mit Steinen auszu-
setzen; u. a. m. Jede Verengung der Züge des Whitwellapparates schmälert den
Hauptvorzug derselben.
1).
Auch ein in dieselbe Wasserrinne wie das Rohr a eintauchendes Glocken-
ventil aus Eisenblech lässt sich an Stelle des Tellerventils benutzen.
1).
„Stahl und Eisen“ 1883, S. 32.
2).
Wo der Windbedarf in der Wirklichkeit ein anderer war, wurden die Ziffern
entsprechend umgerechnet.
3).
Für zwei Hochöfen fünf Apparate.
1).
A. v. Kerpely, Bericht über die Fortschritte der Eisenhüttentechnik im
Jahre 1878, S. 143; Polyt. Review, vol. 5, p. 181; Dingl. Polyt. Journ., Bd. 230, S. 123.
1).
C. Schinz, Studien über den Hochofen zur Darstellung von Roheisen. S. 83.
1).
Ist die Scala z. B. nach Millimetern eingetheilt, so würden 5 mm Höhen-
abstand über dem Nullpunkte 10 mm wirkliche Quecksilberhöhe angeben und dem-
nach mit 10 statt 5 zu bezeichnen sein; u. s. f.
1).
Dingler’s Polyt. Journ., Bd. 236, S. 306.
2).
Da der Schmelzpunkt der Legirungen keineswegs dem arithmetischen Mittel
zwischen den Schmelzpunkten der legirten Einzelmetalle entspricht, so sind Ziffern,
die nur auf Berechnung der Schmelztemperaturen beruhen, oft nicht einmal an-
nähernd richtig.
1).
Eine von Mayrhofer berechnete Tabelle dieser Legirungen ist ausführlich
wiedergegeben in Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde, Abth. II, S. 166.
2).
Eine ausführliche Beschreibung dieses Calorimeters, sowie die Anleitung für
dessen Benutzung findet der Leser in dem Werke: Jul. Post, Chemisch-technische
Analyse. Braunschweig 1881, S. 55—62, Tabellen auf S. 68 und 69.
Das Calorimeter selbst kann durch Mechaniker Lorenz iu Chemnitz zum Preise
von 36 Mark excl. Thermometer bezogen werden.
1).
Jul. Post, Chemisch-technische Analyse, S. 62; Dingler’s Polyt. Jonrnal,
Bd. 201, S. 41; Bd. 209, S. 419; Bd. 217, S. 291; Bd. 221, S. 468.
2).
Das Pyrometer ist käuflich zu erhalten durch Siemens Brothers, London
S. W. Queen Annes Gate. Der Preis beträgt 450 Mark.
1).
Hüttenwesensmaschinen, S. 63.
1).
Vergl. C. Schinz, Studien über den Hochofen zur Darstellung von Roh-
eisen. Augsburg 1871, S. 83.
1).
C. Stöckmann, Die Gase des Hochofens und der Siemens-Generatoren.
Ruhrort 1876, S. 35.
1).
Beispiele eines derartigen Gichtaufzuges: Ledebur, Verarbeitung der Metalle
auf mechanischem Wege, S. 68.
1).
Revue universelle, vol. I, p. 285; Dingler’s Polytechn. Journ., Bd. 115, S. 17.
1).
Engineering 1872, p. 343.
1).
Die Benennungen wurden zuerst von Scheerer in seinem Lehrbuche der
Metallurgie (1853) angewendet und sogar durch eine Abbildung des durch horizon-
tale Ebenen in Zonen getheilten Ofens veranschaulicht. Zwischen Reductions- und
Schmelzzone schaltete Scheerer noch eine Kohlungszone ein; insofern diese Ein-
theilung auf der Annahme beruht, dass die Kohlung erst beginnt, wenn die Reduction
beendet sei, ist sie irrthümlich, wie sogleich erläutert werden soll.
1).
Gicht ist hier der Inbegriff der in einem Male in den Ofen eingeschütteten
Materialien. Man unterscheidet Brennstoffgichten und Erzgichten; beide zu-
sammen bilden eine volle Gicht.
2).
Wenn die Grösse und Anzahl der beim Füllen des Hochofens vor dem An-
blasen gesetzten Erzgichten auch geringer ist als später während des regelrechten
Betriebes, der frisch gefüllte Ofen demnach weniger Erze enthält als der im vollen
Betriebe befindliche, so erwächst doch hieraus keine erhebliche Unrichtigkeit für die
in Rede stehende Ermittelung, da die Erzgichten einen sehr beschränkten Raum ein-
nehmen und zwischen den Brennstoffgichten sich zu vertheilen pflegen.
1).
Trav. Scient. 2, p. 185; daraus in Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde,
Abth. II, S. 659.
2).
Dokumente, betreffend den Hochofen, S. 70.
3).
Jahrbuch der Bergakademieen zu Leoben u. s. w., Bd. XXI, S. 194.
4).
Vergl. unter Literatur die diesen Gegenstand betreffende Abhandlung von
L. Bell.
Versuche, die ich selbst bei einem kleinen Holzkohlenhochofen über das Verhalten
des rohen und gerösteten Kalksteins anstellte, liessen das Rösten als zwecklos er-
scheinen. In anderen Fällen hat man eine geringe Productionsvermehrung oder eine
Abminderung des Brennstoffverbrauches bei Anwendung gebrannten Kalkes statt
rohen Kalksteins beobachtet; selten aber sind die erlangten Vortheile so erheblich ge-
wesen, dass sie nicht durch die Kosten des Brennens wieder ausgeglichen worden wären.
1).
Dokumente betreffend den Hochofen, S. 78.
2).
Jahrbuch für Berg- und Hüttenwesen im Königreiche Sachsen auf das Jahr
1879, S. 168.
1).
Versuche über diese Abweichungen in der Temperatur an verschiedenen
Stellen des Ofenquerschnittes wurden durch Tunner angestellt. Derselbe bediente
sich einer eisernen Stange, welche horizontal in den Ofen eingeschoben wurde und
deren verschieden starkes Erglühen an verschiedenen Stellen die Temperaturunter-
schiede erkennen liess. Jahrbuch der Bergakademieen zu Leoben etc., Bd. IX, S. 296.
2).
Oesterr. Ztschr. für Berg- und Hüttenwesen 1882, S. 485.
3).
Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde, Abth. II, S. 258.
1).
Ueber directe und indirecte Reduction vergl. S. 222.
2).
Vergl. unter anderm die Mittheilungen auf S. 347, vergleichende Versuche
über die Einwirkung verschiedener Bauarten auf den Brennstoffverbrauch bei dem
Hochofen zu Gleiwitz betreffend.
1).
A. a. O.
2).
Vergl. Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde, Abth. I, S. 133; Abth. II, S. 265.
1).
Die a. a. O. erwähnten Versuche Bell’s sind neuerdings durch R. Åkerman
weiter ausgedehnt worden. Es ergab sich unter anderm aus denselben, dass die
Reduction von Eisenoxydul zu metallischem Eisen in einer Temperatur von 850 bis
900°C. durch Kohlenoxyd nur dann möglich ist, wenn dasselbe nicht mehr als
sein halbes Volumen Kohlensäure beigemischt enthält; und dass bei 350°C. das Eisen-
oxyduloxyd nicht weiter reducirt wird, wenn der Kohlensäuregehalt des Gasgemenges
das 2.1 fache Volumen des Kohlenoxyds beträgt. Vergl. Literatur.
1).
Man vergegenwärtige sich, dass ohne einen Ueberschuss von Kohlenoxyd,
dessen Betrag mit der Temperatur zunimmt, die Reduction zu metallischem Eisen
überhaupt nicht möglich ist; und dass metallisches Eisen überhaupt nur in höheren
Temperaturen entsteht. Vergl. die Bemerkung auf S. 471.
1).
Vergl. Jahrbuch der Bergakademieen zu Leoben u. s. w. Bd. XXI, S. 357
(Tunner).
2).
Bei dem Umschmelzen des Roheisens geht immer ein Theil seines Silicium-
und Mangangehaltes verloren. Für diesen Zweck ist also ohnehin ein siliciumreiche-
res Roheisen erforderlich, ein manganreicheres weniger nachtheilig als für unmittel-
baren Guss aus dem Hochofen. In den ersten Jahrzehnten nach Einführung der
Winderhitzung aber wurde — wenigstens in Deutschland — noch die grössere Zahl
aller Hochöfen unmittelbar für die Eisengiesserei betrieben; und jene Trennung der
Eisengiesserei vom Hochofenbetriebe, welche ein Umschmelzen des Roheisens noth-
wendigerweise mit sich bringt, brach sich erst allmählich Bahn, wie schon früher
ausführlicher geschildert wurde.
1).
Oesterr. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1882, S. 479 (Bell).
1).
Hiermit im Widerspruche scheint die Thatsache zu stehen, dass auf nicht
wenigen Hochofenwerken durch vieljährige Erfahrung das Verfahren sich als förder-
lich für den Hochofengang erwiesen hat, die Erze vor dem Aufgichten bei trockenem
Wetter mit Wasser zu begiessen. Der Grund für den günstigen Erfolg dieses Ver-
fahrens dürfte in dem Umstande zu suchen sein, dass klare (feinstückige) Erze leichter
im trockenen als im feuchten Zustande zwischen den gröberen Kohlenstücken hin-
durchrieseln und solcherart Gelegenheit zu stärkerer Anhäufung in der Mitte des
Ofens finden.
1).
Bunsen’s Untersuchungen in Veckerhagen: Poggendorff’s Annalen Bd. 46
(1839), S. 193; Ebelmen’s Untersuchungen: Annales des mines, sér. 3, t. 20, p. 395;
sér. 4, t. 5, p. 24; sér. 4, t. 19, p. 117; Bunsen’s und Playfair’s Untersuchungen:
Report of the British Association 1846, p. 170. Hinsichtlich der bei steirischen Hoch-
öfen ausgeführten Untersuchungen vergl. Literatur.
Eine Zusammenstellung der Ergebnisse aller wichtigeren bis zum Jahre 1866
ausgeführten derartigen Untersuchungen findet sich in Percy-Wedding, Eisen-
hüttenkunde, Abth. II, S. 217 ff.
1).
Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde, Abth. II, S. 281.
1).
Schon früher machten Rinman (Berg- und hüttenm. Zeitung 1865, S. 266),
neuerlichst wieder Jaumain (vergl. dessen Abhandlung unter Literatur) auf diesen
Umstand aufmerksam.
2).
Jahrbuch der Bergakademieen zu Leoben etc., Bd. XXI, S. 232.
3).
Jahrbuch der Bergakademieen zu Leoben etc., Bd. XXI, S. 188.
1).
Wo in der angegebenen Quelle mehrere Bestimmungen angeführt sind, wur-
den die Durchschnittsziffern angenommen; einzelne der zahlreichen Bestimmungen,
deren Zuverlässigkeit etwas zweifelhaft erschien (8 m und 8.8 m unter der Gicht),
wurden ganz ausgelassen.
2).
Bei der Berechnung desselben wurde angenommen, dass der Wasserstoff-
gehalt in der Formgegend von der Feuchtigkeit des Gebläsewindes herrühre, die
Anreicherung des Wasserstoffgehaltes beim Aufsteigen der Gase dagegen aus dem
Wasserstoffgehalte der Holzkohlen abzuleiten sei.
1).
In den Erzen wurden in der Höhe von 10.7 m unter der Gicht noch 5 Proc.
Kohlensäure gefunden.
2).
Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde, Abth. II, S. 226.
1).
Die in der angegebenen Quelle gemachte Mittheilung, dass der Ofen in
24 Stunden 59.4 cbm Wind verbraucht habe (Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde,
Abth. II, S. 247), kann nur auf einem Druckfehler beruhen.
1).
Gruner benutzte ein Kupferrohr, welches quer durch das Gasableitungsrohr
hindurchgeht und innerhalb desselben seiner Länge nach geschlitzt ist, so dass die
Gase aus dem ganzen Rohrquerschnitt in das Kupferrohr eintreten können (Analyti-
sche Studien über den Hochofen, deutsch von J. H. C. Steffen, S. 23).
1).
Jaumain fand z. B. an einigen Oefen der letzteren Art den Gehalt der Gicht-
gase an Kohlensäure und Kohlenoxyd:
Vergl. dessen Abhandlung unter Literatur.
2).
Nach F. Friderici, Oesterr. Ztschr. f. Berg- und Hüttenwesen 1882, S. 2.
1).
Bei der Geringfügigkeit des Aschengehaltes ist derselbe vollständig als Alka-
lien in Rechnung gestellt, während die Holzkohlenasche in Wirklichkeit neben den
Alkalien Kohlensäure u. s. w. enthält.
1).
Derselbe würde sich aus dem Wasserstoffgehalte der Gichtgase nach Abzug
des aus den Brennstoffen stammenden Wasserstoffgehaltes ermitteln lassen; jedoch
scheint in der Bestimmung dieser Wasserstoffgehalte in dem vorliegenden Beispiele
eine kleine Unrichtigkeit obzuwalten.
  • Es beträgt nämlich der Gesammt-Wasserstoffgehalt der Gichtgase
    per 100 kg Roheisen   0.72 kg

Davon stammen:
  • aus dem CH4 der Holzkohlen   0.14 kg
  • „ „ H „ „  0.05 „
  • 0.19 „
  • mithin bliebe für die Feuchtigkeit der Gebläseluft   0.53 kg H

entsprechend 4.24 kg H2 O, was offenbar zu hoch ist.
Sofern die Richtigkeit der Analysen, insbesondere die Bestimmung des Wasser-
stoffgehaltes der Holzkohle vollständig richtig wäre, würde man auf eine Zerlegung
von Feuchtigkeit aus der Beschickung schliessen müssen.
1).
Ztschr. f. Berg-, Hütten- und Salinenwesen im Preussischen Staate, Bd. XIX.
2).
Ztschr. f. Berg-, Hütten- und Salinenwesen im Preussischen Staate, Bd. XXII,
S. 289 (Wiebner).
1).
Wagner’s Jahresbericht für chemische Technologie 1880, S. 397. Schinz
fand, indem er Kohlensäure in gelöschten Kalk einleitete, welcher in Wasser sich
befand, nur eine Wärmeentwickelung von 251 W.-E. per 1 kg Kohlensäure, welche
von dem Kalke aufgenommen wurde, scheint hierbei aber den Wärmeverbrauch zur
Zerlegung des vorhandenen Hydrats unberücksichtigt gelassen zu haben.
1).
Gruner-Steffen, Analytische Studien über den Hochofen, S. 129.
1).
Annales des mines, sér. VII, t. II, p. 18; Gruner-Steffen, Analytische
Studien, S. 15.
2).
Zur Vermeidung allzu grosser Ziffern ist die Wärmebilanz auf 1 kg Roheisen
bezogen, während die frühere Berechnung die Darstellung von 100 kg Roheisen be-
traf. Eine Division jener früheren Ziffern durch 100 giebt sofort die für die vor-
liegende Rechnung entfallenden Werthe.
1).
S. 22.
2).
Die Wärmeentwickelung bei der Verbrennung von Mn zu Mn3 O4 ist hypo-
thetisch. Vergl. S. 23.
1).
Die Betriebsdaten sind theils Gruner’s mehrfach erwähnter Abhandlung
(Annales des mines, sér. VII, t. II, p. 52), theils den Mittheilungen von L. Bell
(Bell-Tunner
, Entwickelung und Verwendung der Wärme in Eisenhochöfen) ent-
nommen. Obgleich die Ziffern grossentheils nur Annäherungswerthe darstellen, so
dürften sie doch ausreichend sein zur Erreichung des Zweckes: den Wärmever-
brauch in einem grossen mit Koks auf graues Roheisen betriebenen Hochofen dem
Wärmeverbrauche des zuerst besprochenen Hochofens gegenüber zu stellen.
1).
Nach Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde (Abth. 2, S. 734), wurde der
erste Ofen in dieser Weise im Jahre 1863 durch Parry zu Ebbw Vale angeblasen.
1).
Schinz fand dieselbe bei 1250° = 0.29, die des Roheisens nur ungefähr
halb so gross (Documente, betreffend den Hochofen S. 33 und 34).
1).
Die in dem Wallsteine oder, bei Oefen mit geschlossener Brust, in einem
Gestellsteine ausgesparte Oeffnung muss beträchtlich grösser sein als die eigentliche
Stichöffnung, damit man nöthigenfalls Versetzungen beseitigen kann, ohne den Stein
zu beschädigen u. s. w. Sobald sich bei der öfteren Benutzung die in der Masse-
ausfüllung gelassene engere Stichöffnung allzu sehr erweitert hat, wird die Ausfüllung
erneuert.
2).
Kerpely, Bericht über die Fortschritte der Eisenhüttentechnik im Jahre
1869, S. 120.
3).
Privatnotiz.
1).
Jahrbuch der Bergakademieen zu Leoben u. s. w. 1874, S. 263; Kerpely,
Bericht über die Fortschritte der Eisenhüttentechnik im Jahre 1874, S. 128.
1).
Zeitschr. für Berg-, Hütten- und Salinenwesen in Preussen, Bd. 22 (1874),
S. 265.
1).
Versetzungen, durch übermässigen Kalkgehalt der Beschickung erzeugt, pflegt
der Hochofenmann das „Kalkelend“ zu benennen.
1).
Transactions of the American Inst. of Mining Eng. vol. IX, p. 46 und 64.
1).
Vergl. unter Literatur: Burgers, Einbau eines neuen Schachtes u. s. w.,
Wochenschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1879, S. 354.
1).
Mangan und Silicium werden nur direct reducirt und erfordern dazu grosser
Wärmemengen; bei Verhüttung schwer reducirbarer Erze ist das Maass der directen
Reduction und mithin auch der Wärmeverbrauch grösser als bei Verhüttung leicht
reducirbarer Erze.
1).
Einige solcher Analysen sind unten bei der Besprechung der Beschickungs-
verhältnisse für einzelne Roheisensorten mitgetheilt.
1).
Vergl. auch S. 152.
2).
Vergl. auch S. 158.
3).
Jahrbuch der Bergakademieen zu Leoben u. s. w., Bd. 18, S. 282.
1).
Wenn der Spatheisenstein, wie es gewöhnlich der Fall ist, nicht im rohen
sondern im gerösteten Zustande verhüttet wird, so muss selbstverständlich auch die
chemische Zusammensetzung des gerösteten Steines der Berechnung zu Grunde ge-
legt werden.
1).
Ueber die Einflüsse des Thonerdegehaltes der Silikate auf die Schmelzbar-
keit der Schlacken vergl. S. 151.
1).
Nimmt man bei den drei thonerdereichen englischen Schlacken an, dass die
Thonerde nicht als Base zugegen sei, sondern die Stelle der Kieselsäure vertrete
(durch Bildung von Aluminaten), so beträgt der Silicirungsgrad aller drei Schlacken
ungefähr 1.5.
1).
„Stahl und Eisen“ Jahrg. 2, S. 223.
2).
Nach den Mittheilungen auf S. 20 beträgt die Wärmeentwickelung bei Ver-
brennung von 1 kg Kohlenoxyd mit 7/4 kg Sauerstoff 2407 W.-E.; mithin erzeugt 1 kg
Sauerstoff 7/4 2407 = 4205 W.-E.
3).
Auf mein Ersuchen wurden bei dem Eisenwerk Hoerde im Jahre 1881 einige
Ermittelungen über diese durch Anwendung sauerstoffreicher Manganerze hervor-
gerufene Temperatursteigerung angestellt. Die Oxydationsstufe der rohen Erze ent-
sprach annähernd dem Verhältnisse Mn5 O8. Die Temperatur der Gichtgase war bei
drei Messungen zu verschiedenen Zeiten an zwei auf einander folgenden Tagen 650°,
600° und 725°, durchschnittlich also 660°C. Bei Verhüttung der nämlichen Erze,
welche jedoch durch vorausgehendes Rösten in Mn3 O4 umgewandelt worden waren,
während alle übrigen Betriebsverhältnisse unverändert geblieben waren, war dagegen
die Temperatur der Gichtgase 525°, 600°, 475° und 525°, durchschnittlich also 530°C.
Die Temperaturerniedrigung bei Verhüttung der sauerstoffärmeren Erze betrug mithin
130°C.
1).
So bedeutend als man häufig annimmt, ist freilich der Unterschied nicht. In
den Vereinigten Staaten Nordamerikas giebt man Holzkohlenhochöfen eine Höhe,
welche derjenigen zahlreicher Kokshochöfen nicht nachsteht; und der Erfolg lässt
Nichts zu wünschen übrig.
1).
Bei dem jetzt zum Erliegen gekommenen Hochofenbetriebe zu Gröditz in
Sachsen verwendete man viele Jahre hindurch zu diesem Zwecke Russkohle (S. 44)
aus dem Zwickauer Steinkohlenbecken.
2).
Ztschr. f. Berg-, Hütten- und Salinenwesen in Preussen, Bd. XXII, S. 284.
1).
Oestr. Zeitschr. f. Berg- und Hüttenwesen 1882, S. 489 (Hartmann).
1).
Einrichtung und Betrieb dieser Kammern: Oestr. Zeitschr. für Berg- und
Hüttenwesen 1882, S. 45.
1).
Vergl. unter Literatur die Abhandlung von A. Enigl.
1).
„Stahl und Eisen“ 1882, S. 388.
1).
R. Åkerman, Om syrsatt jerns reduktion med koloxid. Jernkontorets Annaler
1882; in deutscher Uebersetzung in „Stahl und Eisen“ 1883, S. 149.
2).
Die Formel für den Vorgang ist in diesem Falle
Fe O + 3 CO = Fe + 2 CO + CO2.
In einer niedrigeren Temperatur als 800°C. wird die Reduction des Eisenoxyduls
kaum möglich sein.
3).
Obgleich Eisenoxydul im freien Zustande niemals dem Hochofen zugeführt
wird, so entsteht dasselbe doch, wie bekannt, in dem oberen Theile des Hochofens
unter Einwirkung des kohlenoxydhaltigen Gasstromes.
4).
R. Åkerman a. a. O.
1).
„Stahl und Eisen“ 1883, S. 159 (Åkerman).
1).
Bei dem schon erwähnten Hochofen Nr. III zu Vordernberg beträgt der
Kohlenverbrauch nach Friderici’s Angabe sogar nur 630 kg (Oestr. Zeitschr. für
Berg- und Hüttenwesen 1882, S. 3).
2).
Oestr. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1882, S. 481 (Bell).
3).
Kupelwieser, Das Hüttenwesen auf der Weltausstellung zu Philadelphia;
H. Wedding, Das Eisenhüttenwesen der Vereinigten Staaten von Nordamerika.
4).
„Stahl und Eisen“ 1882, S. 220 (Tiemann).
1).
Wachler, Vergleichende Qualitätsuntersuchungen rheinisch-westfälischen
und ausländischen Giessereiroheisens, S. 34.
2).
Wachler, a. a. O., S. 30 und 33.
1).
Kupelwieser, Das Hüttenwesen, S. 80. Bei der Berechnung ist 1 Dollar
4 ℳ angenommen worden.
2).
Kupelwieser, a. a. O., S. 77.
1).
Ueber den zulässigen Phosphorgehalt in dem für die Giesserei bestimmten
Roheisen vergl. S. 297.
1).
Weder in geographischen Handbüchern noch auf geographischen Karten ist
diese den britischen und fremden Eisenhüttenleuten ganz geläufige Benennung zu
finden. Der Name Nord-Yorkshire dürfte im Wesentlichen denselben Begriff dar-
stellen.
1).
Nach einer von L. Bell mitgetheilten Analyse enthält dieser Kalkstein:
1).
Vorläufig allerdings scheint eher eine Zunahme als eine Abnahme des Be-
triebes mit Holzkohlen stattzufinden. Im Jahre 1882 wurde mehr als doppelt so viel
Holzkohlenroheisen erzeugt, als im Jahre 1878, während die Gesammtmenge des
erzeugten Roheisens sich nur in dem Verhältnisse 1.7 : 1 steigerte.
1).
Sofern es nur darauf ankäme, billiges Roheisen darzustellen, würde der um-
gekehrte Weg der zweckmässigere sein, da man beim Hochofenbetriebe auf 1000 kg
Koks mindestens 2000 kg, häufiger 3000 kg Erze verbraucht, welche, ihrer grösseren
Menge entsprechend, auch höhere Frachtkosten verursachen. Die Weiterverarbeitung
des Roheisens aber verursacht abermals Kosten, und jener Unterschied in den Fracht-
kosten wird allein hierdurch oftmals ausgeglichen.
1).
Eine grössere Zahl dieser Holzkohlenhochöfen, welche unmittelbar für die
Giesserei arbeiteten, ist allerdings in den letzten Jahren infolge der geänderten
Handelsverhältnisse eingegangen; so die Hochöfen zu Lauchhammer, Gröditz, Sterk-
rade u. a.
1).
Einer kürzlich in „Stahl und Eisen“ 1883, S. 211 gemachten Mittheilung
zufolge ist die versuchsweise Anwendung von Whitwellapparaten auf einem der ober-
schlesischen Werke für die nächste Zeit in Aussicht genommen.
1).
R. Wachler, Vergleichende Qualitätsuntersuchungen rheinisch-westfälischen
und ausländischen Giessereiroheisens. Berlin 1879.
1).
Eine ausführliche Darstellung sämmtlicher Verhältnisse des Hochofenbetriebes
in Steiermark und Kärnten findet der Leser in der unter Literatur aufgeführten,
schon früher mehrfach erwähnten Abhandlung von M. E. Gruner.
1).
Die Gase des Hochofens und der Siemens-Generatoren, S. 20.
1).
Die Gase des Hochofens u. s. w., S. 32.
1).
Abbildung einer solchen aus Drahtgewebe hergestellten Kammer findet der
Leser im Journal of the Iron and Steel Institute 1877. Im Uebrigen ist die Ein-
richtung sehr einfach und wird kaum einer besondern Abbildung bedürfen.
1).
Engineering and Mining Journal, vol. XXXII, p. 219; Oesterr. Zeitschr. für
Berg- und Hüttenwesen 1881, S. 615.
1).
Zeitschr. d. berg- und hüttenm. Ver. für Steiermark und Kärnten 1880, S. 361.
2).
Abgebildet im Journal of the Iron and Steel Institute 1877; ferner Kerpely,
Fortschritte der Eisenhüttentechnik, Jahrg. 15, Taf. V.
1).
Zeitschr. des Vereins deutsch. Ingenieure, Bd. 19, S. 186.
1).
Zeitschr. d. Ingenieur- und Architecten-Vereins für das Königreich Hannover,
Bd. XIII (1867), S. 303.
2).
Ludw. Roth, Der Bauxit u. s. w. Vergl. Literatur.
1).
Zeitschr. d. berg- u. hüttenm. Ver. für Steiermark und Kärnten 1880, S. 25.
2).
Zeitschr. d. berg- u. hüttenm. Ver. für Steiermark und Kärnten 1877, S. 407.
1).
Trav. Scient. I, p. 304; Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde, Abth. II,
S. 760.
1).
Eisenoxyd kann auch durch Umwandlung verflüchtigten Eisenchlorids ent-
stehen.
1).
Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. 47 (1843), S. 150; Percy-Wed-
ding,
Eisenhüttenkunde, Abth. II, S. 261.
1).
Dingler’s Polyt. Journ., Bd. 232, S. 53.
1).
Die Zusammenstellung der Ergebnisse sämmtlicher Untersuchungen (auch
nach dem ersten, zweiten und dritten Umschmelzen) findet der Leser im Jahrbuche
für Berg- und Hüttenwesen im Königreiche Sachsen auf das Jahr 1880, S. 5.
1).
Die mitgetheilten Ausdrücke werden jedoch keineswegs regelmässig in dem
gleichen Sinne gebraucht. Auch unter der Bezeichnung Feinen versteht man häufig
jede Reinigung des Roheisens, sie möge die Abscheidung von Silicium, Phosphor,
Schwefel oder Mangan zum Zwecke haben; und die ursprüngliche Bedeutung des
Wortes bezog sich auch wohl keineswegs allein auf die Entfernung des Siliciums.
1).
Annales des mines, sér. IV, t. 5, p. 61 (1844).
2).
Dingl. Polyt. Journal, Bd. 231, S. 39.
1).
Berg- und hüttenm. Ztg. 1878, S. 149.
1).
Oestr. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1882, S. 526.
1).
Näheres über die Einrichtung dieser Gebläse: P. Rittinger, Centrifugal-
ventilatoren und Centrifugalpumpen 1858, S. 268; E. F. Dürre, Handbuch des Eisen-
giessereibetriebes 1870, Bd. I, S. 579; A. Ledebur, Handbuch der Eisengiesserei
1882, S. 65.
2).
Näheres über die Einrichtung dieser Gebläse: B. Kerl, Grundriss der Allgem.
Hüttenkunde, 2. Aufl., S. 331; A. Ledebur, Handbuch der Eisengiesserei, S. 67.
1).
Für das Einsetzen und Abstechen des Roheisens ist mithin etwa 1 Stunde
Zeit erforderlich.
2).
„Stahl und Eisen“ 1883, S. 214.
1).
Weniger zweckmässig als die geschilderte Einrichtung des Ofens an und für
sich dürfte eine von Piat mit derselben verbundene andere Einrichtung sein, dazu
dienend, die abziehende Wärme in einem zwischen Ofen und Esse eingeschalteten
Lufterhitzungsapparate zum Vorwärmen der zuströmenden Verbrennungsluft zu be-
nutzen. Die Wirkung heisser Luft ist dieselbe wie bei Cupolöfen: die Kohlenoxyd-
gasbildung wird vermehrt und der Vortheil der Wärmezurückführung geht hierdurch
wieder verloren.
1).
Unter der Bezeichnung „englisches Feinfeuer“ in zahlreichen Werken über
Eisenhüttenkunde besprochen.
1).
Vergl. Literatur.
1).
Vergl. Literatur.
1).
Zeitschr. d. berg- und hüttenm. Ver. für Steiermark und Kärnten 1880, S. 60.
1).
Vergl. Literatur.
1).
Eine der Schweissbarkeit im Wesentlichen ganz gleiche Eigenschaft besitzen
auch verschiedene nichtmetallische Körper, deren Stücke im erwärmten und dadurch
erweichten Zustande sich ebenfalls leicht zu einem Ganzen vereinigen lassen: Glas,
Wachs, Pech u. a.
1).
Jahrbuch für Berg- und Hüttenwesen im Königreiche Sachsen auf das Jahr
1883, S. 22.
2).
Glaser’s Annalen, Bd. X, S. 181.
1).
Vergl. Literatur.
1).
Nach Reiser zwischen 700—800 Grad C.
1).
Zeitschr. d. berg- u. hüttenm. Vereins für Steiermark und Kärnten 1880,
S. 109.
1).
Vergl. S. 255.
1).
A. v. Kerpely, Eisen und Stahl auf der Weltausstellung zu Paris im
Jahre 1878, S. 89 ff.
2).
Auf 200 mm Länge bezogen.
3).
A. v. Kerpely, im genannten Werke, S. 160.
4).
Auf 250 mm Länge.
5).
A. v. Kerpely, a. a. O., S. 92.
6).
Auf 200 mm Länge.
7).
A. v. Kerpely, Ungarns Eisensteine und Eisenhüttenerzeugnisse, S. 78.
1).
Jahrbuch für Berg- und Hüttenwesen im Königreiche Sachsen auf das
Jahr 1879, S. 115.
2).
Ebenda, S. 119.
3).
A. v. Kerpely, Eisen und Stahl auf der Weltausstellung zu Paris, S. 177.
4).
Auf 200 mm Länge.
1).
Nach Brauns, „Stahl und Eisen“ 1883, S. 4.
2).
Annales de chimie et de physique, sér. III, tome 12.
1).
F. Kupelwieser, Das Hüttenwesen auf der Weltausstellung zu Philadelphia,
S. 132.
1).
Die Beispiele sind der unter Literatur aufgeführten Abhandlung von R. Åker-
man
: On hardening iron and steel entnommen.
1).
Vergl. die Ausstellungsberichte von Kupelwieser und Kerpely; ferner
die schon erwähnte Abhandlung von R. Åkerman „On hardening iron and steel“.
1).
Besondere Verdienste um die Ausbildung des betreffenden Verfahrens erwarb
sich der dortige Werksdirector Pourcel.
2).
Vergl. dessen Abhandlung unter Literatur.
3).
Vergl. Literatur.
1).
Bei den Methoden zur Darstellung des Flusseisens pflegt nicht nur die Menge
des in einem Male (bei einem Einsatze) erfolgenden Eisens bedeutend grösser zu sein
als bei der Schweisseisendarstellung, sondern auch die Beschaffenheit des Erzeug-
nisses ist durchschnittlich mehr von Zufälligkeiten abhängig als in letzterem Falle.
1).
Ueber die Ausführung derselben vergl. A. Ledebur, Leitfaden für Eisen-
hütten-Laboratorien, S. 51.
2).
Berg- und hüttenm. Zeitung 1882, S. 417; „Stahl und Eisen“ 1882, S. 626.
1).
A. Ledebur, Leitfaden, S. 55.
2).
Streckung wird bewirkt, indem man das Eisenstück beim Schmieden so hält,
dass die Eindrücke der Hammerschläge quer über dasselbe hinübergehen, beim Aus-
breiten ist die Richtung der Hammerschläge mit der Längenrichtung des Eisen-
stückes parallel. Vergl. unten: Theorie des Schmiedens unter II.
1).
„Stahl und Eisen“ 1881, S. 32.
1).
v. Kerpely, Eisen und Stahl auf der Weltausstellung in Paris im Jahre
1878, S. 172.
2).
Näheres über die Einrichtung solcher in der Praxis bewährter Probir-
maschinen unter Literatur.
1).
„Stahl und Eisen“ 1881, S. 7.
2).
Vergl. u. a. die Ziffern auf S. 655, den Einfluss des Ausschmiedens auf die
Festigkeitseigenschaften betreffend.
1).
Härten des Stahles, S. 48 (vergl. Literatur).
1).
Da mit der Härte auch die Sprödigkeit zu wachsen pflegt, so wird man für
Werkzeuge einen um so weniger harten Stahl anzuwenden haben, je schärfer ihre
Schneide ist. Für Meissel, Lochstempel und dergleichen pflegt man Stahl mit 0.7 bis
0.8 Proc. Kohlenstoff zu verwenden; für Dreh- und Hobelstähle für Metallbearbeitung
solchen mit 1—1.3 Proc. Kohle.
1).
Masse =
1).
Hinsichtlich der verschiedenen Constructionen kleinerer Hämmer, welche
ausschliesslich für die Verarbeitung der Metalle bestimmt sind, muss auf die
gegebene Literatur verwiesen werden.
2).
Kerl, Grundriss der Eisenhüttenkunde, Fig. 166.
1).
Es ist leicht zu ermessen, dass bei allen um eine horizontale Achse schwin-
genden Hämmern, den sogenannten Stielhämmern, das Gewicht des Hammers nebst
Stiel um so günstiger ausgenutzt wird, je mehr dieses Gewicht im Kopfe des Ham-
mers zusammengedrängt ist oder, mit anderen Worten, je näher der Schwerpunkt
des Ganzen dem Kopfe liegt. In dieser Beziehung besitzen die nachstehend be-
schriebenen Hämmer mit Holzstiel einen entschiedenen Vorzug.
1).
Weisbach, Ingenieur- und Maschinen-Mechanik.
1).
Von G. Brinkmann \& Co. in Witten a. d. Ruhr gebaut.
1).
Nach v. Kerpely, Eisen und Stahl auf der Weltausstellung zu Paris im
Jahre 1878.
1).
Blechwalzwerke zum Strecken von Münzzainen waren schon seit 1553 in
Anwendung, und als ihr Erfinder wird der Franzose Brulier genannt; für die Ver-
arbeitung des Eisens kamen sie versuchsweise in der ersten Hälfte des vorigen Jahr-
hunderts zur Verwendung. Das erste Patent auf ein Kaliberwalzwerk zur Darstellung
von Stäben wurde 1784 dem Engländer Henry Cort, dem Erfinder des Puddel-
processes ertheilt; in Deutschland wurde das erste Kaliberwalzwerk 1825 zu Rassel-
stein bei Neuwied in Betrieb gesetzt.
1).
Hollenberg benutzte abgedrehte Stiftchen sehnigen Rundeisens 6—7 mm
stark, welche in genau ausgebohrte Löcher des erhitzten Eisenstabes eingetrieben
und somit beim Erkalten desselben fest eingepresst wurden. Der Abstand der Stifte
1).
von einander betrug 25 mm. Durch Aetzen der nach dem Walzen hergestellten
Schnittfläche wurden dann die stattgehabten Veränderungen deutlich sichtbar. Vergl.
Literatur.
1).
Die Abbildung zeigt einen Walzenständer aus den sechziger Jahren dieses
Jahrhunderts, wie er noch heute bei zahlreichen Walzwerken gefunden wird. Auf
Abweichungen in den Einzelheiten, welche bei neueren Walzwerken eingeführt
wurden, wird später besonders aufmerksam gemacht werden.
1).
Nach dem Vorschlage von R. M. Daelen, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing.
1872, S. 661.
2).
„Stahl und Eisen“ 1881, Heft 2, Blatt 4.
1).
Ständer des Feineisenwalzwerkes im Eisenwerk Phönix. „Stahl und Eisen“
1882, Heft 5, Taf. II.
1).
Abbildung des Fritz’schen Walzwerkes: The Journal of the Iron and Steel
Institute 1874, II.
1).
Abbildung: Tunner, Das Eisenhüttenwesen der Vereinigten Staaten, Taf. I.
2).
Bei Triowalzwerken ist die Befolgung dieser Regel nicht immer möglich.
Bei dem auf S. 713 abgebildeten Lauth’schen Walzwerke ist die Mittelwalze sogar
bedeutend kleiner als die Unterwalze.
1).
Abbildungen dieses selbstthätigen Walztisches: Wedding, Darstellung des
schmiedbaren Eisens, S. 790; Zeitschr. f. Berg-, Hütten- und Salinenwesen, Bd. XXIV
(Wedding, Eisenhüttenwesen der Vereinigten Staaten).
2).
Hinsichtlich der Länge der Kupplungszapfen vergl. S. 703.
1).
Nach von Hauer.
1).
Näheres über die hierbei angewendeten Constructionen unter Literatur.
1).
Kaliber ist, wie erläutert, die auf der Walze angebrachte Profilbegrenzung
an und für sich; den Ausdruck Stich gebraucht der Praktiker für das Kaliber, wenn
damit der Begriff seiner Benutzung verbunden werden soll.
1).
Nach E. Blass, Beitrag zur Theorie der Abnahmecoëfficienten bei der
Walzenkalibrirung. „Stahl und Eisen“ 1882, S. 189.
1).
Nach Daelen; vergl. Literatur.
1).
Aus J. Thime, Indicatorversuche beim Walzen von Rohschienen auf Pouti-
loffhütte. St. Petersburg 1883.
1).
Abbildungen solcher Walzen: A. Ledebur, Die Verarbeitung der Metalle
auf mechanischem Wege, S. 493 und 495.
1).
Walzen für gröbere Eisensorten pflegt man zwar durch hinüber rieselndes
Wasser zu kühlen, ohne dass jedoch dadurch eine Anwärmung derselben völlig ver-
hindert würde.
1).
Hutchinson’s Walzwerk: D. R. P. Nr. 8895; Wenström’s Walzwerk:
D. R. P. Nr. 12 860; E. Daelen’s Walzwerk: „Stahl und Eisen“ 1883, S. 161; Flotat’s
Walzwerk: Armengaud, Publications industrielles, vol. 27.
1).
v. Hauer, Hüttenwesensmaschinen.
1).
Ein aus der Römerzeit stammender derartiger Ofen, welcher zu Arles im
vorigen Jahrhunderte aufgefunden wurde, hatte die Form einer umgekehrten Glocke
von 3 m Höhe, oben 2.5 m Durchmesser; Oefen in Kärnten, in deren einer Schlacken-
halde eine Münze des Königs Nerva gefunden wurde, hatten 1 m Durchmesser und
1¾—2 m Höhe.
2).
Vergl. Literatur.
1).
Näheres über den Betrieb dieser Stücköfen im vorigen Jahrhunderte findet
der Leser in folgenden Werken: J. Ch. Quantz, Praktische Abhandlung über die
Eisen- und Stahlmanipulation in der Herrschaft Schmalkalden, Nürnberg 1799;
G. Jars, Voyages métallurgiques, Lyon 1774, t. I.; C. J. B. Karsten, Handbuch
der Eisenhüttenkunde, 3. Aufl., Berlin 1841, Bd. 4.
1).
Vergl. S. 282.
1).
Abbildungen verschiedener solcher Oefen mit allen Einzelheiten enthält die unter
Literatur aufgeführte Abhandlung von T. Egleston: The American bloomary process.
2).
Metallisches Eisen und Kohle als mechanisch eingemengte Körper.
2).
Metallisches Eisen und Kohle als mechanisch eingemengte Körper.
1).
Eine eingehende Beschreibung dieser, wie auch der sonstigen älteren Renn-
feuerprocesse enthalten die Werke: F. Richard, Etudes sur l’art d’extraire immé-
diatement le fer de ses minerais sans convertir le métal en fonte, Paris 1838; ferner
J. François, Recherches sur le gisement et le traitement direct des minerais de
fer dans les Pyrénées, particulièrement dans l’Ariége. Paris 1843. Auch Percy-
Wedding
, Eisenhüttenkunde enthält in Abth. I, S. 519 ff. sehr ausführliche Aus-
züge aus den genannten Werken.
1).
Abbildung eines solchen neueren Ofens: Transactions of the American Insti-
tute of Mining Engineers, vol. VIII, p. 322.
1).
Transactions of the American Institute of Mining Engineers, vol. X, p. 280.
2).
Das Eisenhüttenwesen der Vereinigten Staaten, S. 71.
1).
Näheres über den Betrieb in Landore: „Stahl und Eisen“ 1883, S. 259.
1).
Auf dem Werke d’El Desierto bei Bilbao lieferte ein Ofen im Jahre 1879
wöchentlich 10 t reducirtes Eisen, für dessen Darstellung 17.5 t Erz durchgesetzt
werden mussten.
1).
Ausführliche Mittheilungen über den Chenotprocess enthält die Abhandlung:
Ed. Grateau, Mémoire sur la fabrication de l’acier fondu par le procédé Chenot.
Revue universelle, tome VI, p. 1; Betriebsnachrichten aus dem Jahre 1879 von dem
Werke d’El Desierto: M. Baills, Traitement de la Vena dulce dans les fours à
reduction Chenot. Annales des mines, série VII, tome XV, p. 229.
1).
Näheres über Construction und Betrieb des Blairofens: Journal of the Iron
and Steel Institute 1878, p. 47.
1).
Man verarbeitet selten mehr als 150 kg, häufig weniger.
1).
Ueber die Einflüsse der Temperatur auf die Reihenfolge der Verbrennung
vergl. S. 283, sowie auch S. 599.
1).
Nach Tunner, Stabeisen- und Stahlbereitung in Frischherden.
1).
Tunner, Stabeisen- und Stahlbereitung in Frischherden.
1).
Nach Percy ist die Bezeichnung Lancashire-Frischen insofern unrichtig, als
die Methode nicht aus Lancashire, sondern aus Süd-Wales stammt und durch süd-
waleser Arbeiter nach Schweden verpflanzt wurde.
1).
Vergl. Literatur. Eine in der nämlichen Abhandlung enthaltene zweite
Analysenreihe verdient Misstrauen, da bei dieser der gesammte Kohlenstoffgehalt des
Roheisens mit 6.53 Proc. bei nur 0.17 Proc. Mangan angegeben ist. Einen solchen
Kohlenstoffgehalt können nur manganreiche und siliciumarme Eisenmangane ent-
halten.
1).
In welcher Beziehung die beiden Oxydationsstufen des Eisens, welche durch
die Analyse gefunden werden, zu einander wie zu der Kieselsäure der Schlacke
stehen, dürfte mit Sicherheit kaum zu ermitteln sein. Die von Metallurgen vielfach
ausgesprochene Theorie, dass Eisenoxyduloxyd Fe3 O4 im Singulosilikate — d. h. in
einer wirklichen chemischen Verbindung des Eisenoxyduls und der Kieselsäure —
gelöst sei, ist meines Wissens durch Nichts bewiesen und erscheint mir mindestens
zweifelhaft. Vergl. die Erörterungen auf S. 146.
Wenn aber in mehreren metallurgischen Werken die Theorie aufgestellt ist, dass
bei jedem Frischprocesse zunächst, so lange noch unoxydirtes Silicium zugegen sei,
regelmässig eine Bisilikatschlacke sich bilde, die sich nach dem Verbrennen des
Siliciums in Singulosilikat umwandele, um nunmehr Eisenoxyduloxyd aufzulösen,
und dass dann erst dieses gelöste Oxyduloxyd im Stande sei, Kohlenstoff zu ver-
brennen, so widerspricht eine solche Anschauung geradezu den wirklichen That-
sachen. Je höher die Temperatur beim Frischen ist, desto stärker wirken Kohlen-
stoff und oxydirtes Eisen auf einander ein, desto eisenärmer bleibt auch die Schlacke.
1).
To puddle = umrühren.
1).
Die wöchentliche Leistung eines Frischfeuers ist zwar bei den einzelnen
Methoden verschieden, dürfte sich aber durchschnittlich auf 8 t beziffern lassen; als
durchschnittliche wöchentliche Leistung eines Puddelofens wird man etwa die doppelte
Eisenmenge annehmen können.
2).
Jahrbuch der Bergakademieen zu Leoben und Přibram 1853, S. 281.
1).
Fischer fand die Gase der Puddelöfen folgendermaassen zusammengesetzt:
Kohlensäure 11—16 Proc., Kohlenoxyd höchstens Spuren, freier Sauerstoff 2.5 bis
12 Proc., Stickstoff 79.7—81.8 Proc. Wasserdampf scheint nicht bestimmt zu sein.
Dingl. Polyt. Journ. Bd. 238, S. 420.
2).
Man erwäge, dass bei dem Vorgange
für je 16 Gewichtsthl. aus dem Eisen austretenden Kohlenstoff 56 Gewichtsthl. Eisen
reducirt und mit dem vorhandenen Eisen vereinigt werden.
1).
Die Ursachen dieser Erscheinung sind kaum ganz aufgeklärt. Da die An-
sätze in den Regeneratoren sehr eisenoxydreich zu sein pflegen, hat man eine Ver-
flüchtigung von Eisenchlorid unter der Einwirkung des mitunter in den Puddelofen
eingegossenen, stets etwas chlorhaltigen Wassers annehmen zu können geglaubt;
näher liegt die Erklärung, dass bei dem heftigen Kochen des Eisenbades während
der Kohlenstoffverbrennung Eisen und Schlacke mechanisch mit fortgerissen und in
den Regeneratoren abgelagert werden.
1).
Bei dem oben abgebildeten Ofen ist diese Abmessung entschieden zu reich-
lich genommen.
1).
Die Abbildung stellt einen in den sechziger Jahren auf der Carolihütte zu
Donawitz bei Leoben erbauten Puddelofen dar.
1).
Kerl, Grundriss der Eisenhüttenkunde, Fig. 152.
2).
Der Grund, weshalb durch Oberwind eine kräftigere Verbrennung hervor-
gerufen und deshalb eine höhere Temperatur erzeugt wird als durch natürlichen Luft-
zug, wurde auf S. 114 und 115 erörtert.
1).
Vergl. Literatur.
2).
Eine ausführliche Abbildung eines Bicheroux-Puddelofens enthält Dürre,
Anlage und Betrieb der Eisenhütten, Bd. 3.
3).
„Stahl und Eisen“ 1882, S. 430.
1).
Eine Brennstoffersparung würde insofern möglich sein, als die Wärmeaus-
nutzung im Cupolofen bedeutend günstiger ist als in jedem Flammofen. Vergl.
S. 130.
2).
Feinkorneisen ist, wie bekannt, die zwischen eigentlichem Stahle und dem
kohlenstoffärmsten sehnigen Eisen stehende Eisensorte mit etwa 0.3 Proc. Kohle,
ausgezeichnet durch hohe Festigkeit und geringeren Schlackengehalt als das sehnige
Eisen.
1).
Kerl, Grundriss der Eisenhüttenkunde, S. 353.
2).
Beschreibung derselben: Bayrisches Kunst- und Gewerbeblatt 1867, S. 132;
auch Dingl. Polyt. Journal Bd. 185, S. 242.
1).
Eine ausführliche Zusammenstellung der in dieser Beziehung gemachten,
oft lächerlich unpraktischen, oft rein empirischen Vorschläge enthält Wedding, Dar-
stellung des schmiedbaren Eisens, S. 257—286.
1).
Die Analysen wurden von mir im Jahre 1876 für ein befreundetes Eisen-
werk angestellt, welches sich von der Wirkungsweise der Zuschläge überzeugen wollte.
2).
Vollständige Analysen Ilseder Roheisens auf S. 315.
1).
Die ersten diesbezüglichen Untersuchungen dürften von Calvert und
Johnson herrühren, welche die erlangten Ergebnisse im Philosophical Magazine
1857 veröffentlichten. Auch in Wedding, Darstellung des schmiedbaren Eisens,
sind dieselben auf S. 233 mitgetheilt.
1).
The Journal of the Iron and Steel Institute 1879, p. 219.
1).
Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ingenieure 1874, S. 326.
1).
Berg- und hüttenm. Zeitg. 1863, S. 313.
1).
Es sei gestattet, daran zu erinnern, dass obige Erörterungen vorläufig nur
theoretischer Natur sind, um darzulegen, welche Vortheile ein Drehofen gegenüber
dem feststehenden Ofen gewähren kann. Die Einrichtung des Ofens selbst spricht
natürlich sehr wesentlich bei den Erfolgen mit. Thatsache ist es, dass das Aus-
bringen in Drehöfen im Allgemeinen günstiger ist als in feststehenden und mit-
unter schon höher war als das Gewicht des eingesetzten Roheisens.
1).
Abbildung dieses Ofens und Beschreibung des Betriebes: Jahrbuch der Berg-
akademieen zu Leoben und Přibram, Bd. IX, S. 162; Revue universelle des mines,
sér. II, tom. III, p. 100; Wedding, Darstellung des schmiedbaren Eisens, S. 296.
2).
Abbildung: The Journal of the Iron and Steel Institute 1877, p. 416.
1).
Revue universelle des mines sér. II, tome III, p. 110.
2).
Wedding, Darstellung des schmiedbaren Eisens, S. 298.
3).
Aus A. v. Kerpely, Eisen und Stahl auf der Weltausstellung zu Paris im
Jahre 1878.
1).
Abbildung eines solchen Ofens: The Journal of the Iron and Steel Institute
1874, p. 384; Revue universelle des mines, tome XXXVII.
1).
The Journal of the Iron and Steel Institute 1872.
2).
Vergl. Literatur.
1).
Vergl. Literatur. Die oben mitgetheilten Ziffern sind die Durchschnittswerthe
aus mehreren in der Originalabhandlung mitgetheilten, übrigens gut übereinstimmen-
den Analysen.
1).
Die gegenseitigen Gewichtsverhältnisse, in welchen die drei genannten Körper
oxydirt werden, lassen sich im Voraus nicht mit Sicherheit bestimmen. Je höher
die Temperatur des Bades ist, desto reichlicher wird Kohlenstoff verbrennen; An-
wesenheit einer kieselsäurereichen Schlacke befördert die Oxydation von Mangan,
Anwesenheit einer basischen Schlacke bewirkt reichlichere Oxydation des Siliciums.
1).
„Stahl und Eisen“ 1883, S. 443.
1).
Hinsichtlich der zweckmässigen Construction des verlorenen Kopfes in den
letzteren Fällen, deren Erörterung mehr in das Gebiet der Giessereikunde als der
Eisenhüttenkunde gehört, muss auf die betreffende Literatur verwiesen werden; z. B.
Ledebur, Verarbeitung der Metalle auf mechanischem Wege, S. 100.
1).
Vergl. den unter Literatur erwähnten Bericht von W. Annable.
2).
Zeitschr. d. berg- u. hüttenm. Vereins für Steiermark und Kärnten 1880,
S. 329.
1).
Patentschrift des deutschen Reiches Nr. 12037.
1).
Aus Kerl, Grundriss der Eisenhüttenkunde.
1).
Die üblicheren Einrichtungen dieser Accumulatoren finden später eine kurze
Besprechung.
1).
Man vergegenwärtige sich, dass die Fläche des Kreises im quadratischen
Verhältnisse mit seinem Halbmesser zunimmt.
2).
Nach „Stahl und Eisen“ 1882, S. 405.
1).
Bis zur Mitte dieses Jahrhunderts verstand man nicht, flüssiges schmied-
bares Eisen durch Giessen ohne Weiteres zu Gebrauchsgegenständen zu verarbeiten.
Die Gasentwickelung beim Giessen, die starke Schwindung, endlich auch die hohe
Schmelztemperatur des Metalles, welche beim Eingiessen in Formen eine rasche Er-
starrung herbeiführt und die vollständige Ausfüllung der Gussformen erschwert,
zugleich aber auch die Herstellung von ausreichend widerstandsfähigen Gussformen
schwieriger macht, stellten sich einer solchen Verwendung des Eisens (Stahles) ent-
gegen. Die Bochumer Gussstahlfabrik war es, welche zuerst diese Schwierig-
keiten überwand und im Jahre 1851 gegossene Gussstahlglocken lieferte. Auf der
Gewerbeausstellung zu Düsseldorf im Jahre 1852 erhielt das genannte Eisenwerk für
solche Glocken die silberne Medaille.
1).
H. D. Cowing in Cleveland (V. St.) liess sich die Anwendung dieses Mate-
riales patentiren. D. R. P. Nr. 10114.
2).
Es kommt hier in Betracht, dass bei der Herstellung des Formgusses eine
oft starke Ueberhitzung des Metalles über seinen Schmelzpunkt hinaus erforderlich ist,
damit es geeignet sei, die gewöhnlich ziemlich schwachen Querschnitte der Guss-
formen, ohne vorzeitig zu erstarren, auszufüllen; und jene Ueberhitzung muss um
so beträchtlicher sein, damit noch vor dem Giessen das für die Erzielung dichter
Abgüsse förderliche Abstehen (S. 817) möglich sei.
1).
Englisch Ingots, ein Ausdruck, welcher auch auf deutschen Eisenwerken
mitunter angewendet wird.
1).
Abbildung der Luftaccumulatoren in Eisenwerk Phönix: Glaser’s Annalen,
Bd. VIII, S. 346.
1).
Vergl. Literatur. Abbildungen des Ofens nebst Zubehör: Iron, vol. XXI,
p. 89; sowie die Patentschrift des deutschen Reiches, Kl. 18, Nr. 22993.
1).
Ein gewisser Siliciumgehalt ist zweckmässig, um den Sauerstoffgehalt des
Eisens rasch zu entfernen und die Gasentwickelung aus dem flüssigen Eisen ein-
zuschränken.
1).
Es versteht sich von selbst, dass für diesen Zweck nur der beste, von
Alkalien, Erden, Eisenoxyd u. s. w. möglichst freie Graphit brauchbar ist. Sehr
unreinen Graphit unterwirft man einem Reinigungsprocesse durch Schlämmen, Glühen
bei Luftabschluss und nachfolgende Behandlung mit verdünnten Säuren oder in ähn-
licher Weise.
2).
Dieselbe ist in jeder Töpferwerkstatt zu sehen. Eine horizontale Scheibe an
dem oberen Ende einer senkrechten Welle wird durch einen Fusstritt gedreht. Der
vor der Scheibe sitzende Arbeiter bringt den Thonklumpen in die Mitte der Scheibe
und formt mittelst Daumens und Zeigefingers, während jene sich dreht, die Wand
des Gefässes.
1).
Vergl. die Erörterungen auf S. 119.
2).
Aus J. S. Jeans, Steel, its history, manufacture, properties and uses.
1).
Persönliche Mittheilung des Herrn Hüttendirector Reiser in Kapfenberg.
1).
Vergl. S. 812.
1).
Berg- und hüttenm. Zeitung 1870, Nr. 29.
1).
D. R. P. Nr. 19 289.
1).
Construction von J. Prochaska, Hüttendirector in Graz.
1).
Vergl. unter Literatur: Odelsterna, Notizen u. s. w.
1).
Abbildung dieser Vorrichtung: Oesterr. Ztschr. für Berg- und Hüttenwesen
1882, Taf. X, sowie Patentschrift des D. R. Nr. 13 679.
1).
Oesterr. Ztschr. für Berg- und Hüttenwesen 1882, S. 295 (Kupelwieser).
2).
Vergl. S. 169.
1).
Die Probe mit den Eisenkörnchen ist für Bessemereisen seit Jahrzehnten auf
der Königin-Marienhütte in Anwendung und hat den Vortheil grosser Einfachheit.
Ob sie beim Martinbetriebe irgendwo angewendet wird, ist mir nicht bekannt; sie
dürfte dort nicht minder brauchbar sein als beim Bessemerbetriebe.
1).
Ueber die Einflüsse dieses Verfahrens auf die Festigkeitseigenschaften vergl.
S. 657.
2).
Zeitschr. d. berg- und hüttenm. Ver. für Steiermark und Kärnten 1880, S. 2.
1).
Auf dem Eisenwerke Alexandrowsky bei St. Petersburg gab man im Jahre
1882 beim Einsetzen des Roheisens einen Zuschlag von 6 Proc. Kalk, später noch
gepresste Ziegeln aus gelöschtem Kalk und Walzsinter. Durchschnittlich wurden
täglich zwei Einsätze von etwa 9 t Gewicht verarbeitet, wobei sich ein Abgang von
11 Proc. und ein Steinkohlenverbrauch von 905 kg per t Eisen ergab.
1).
Jernkontorets Annaler 1879, S. 488; Zeitschr. d. berg- und hüttenm. Ver. f.
Steiermark und Kärnten 1880, S. 397.
2).
Vergl. Literatur.
1).
Sämmtliche Analysen wurden von mir selbst ausgeführt.
1).
Dass alles Flusseisen und somit auch das Martineisen durchschnittlich
weniger gut schweissbar ist als Schweisseisen, wurde schon mehrfach erwähnt.
1).
Dass Dampf für diesen Zweck nicht benutzbar ist, da seine Zerlegung eine
grosse Wärmemenge erfordert, welche dem Bade entzogen werden müsste, lässt sich
leicht nachweisen.
1).
Besonders durch Snelus. Vergl. unter Literatur dessen Abhandlung im
Journal of the Iron and Steel Institute.
1).
Specifische Wärme des Eisens in gewöhnlicher Temperatur 0.11, bei 900
Grad C. nach Weinhold 0.15. Mit der Temperatur steigt bekanntlich die specifi-
sche Wärme fester und flüssiger Körper.
2).
Letzterer Umstand kommt weniger bei denjenigen Körpern in Betracht,
welche vor und nach dem Verbrennen flüssige Form besitzen (Silicium, Eisen, Mangan)
als beim Kohlenstoff, welcher vor dem Verbrennen flüssig, nach dem Verbrennen
gasförmig ist. Die Verbrennungswärme des festen Kohlenstoffes und die des gas-
förmigen ist bekannt (S. 20), nicht aber die des flüssigen.
1).
In gewöhnlicher Temperatur nach Regnault 0.157.
1).
So z. B. wäre, wenn man für die Verbrennungswärme des flüssigen Kohlen-
stoffes 4000 W.-E. statt 2473 W.-E. annimmt, die durch 1 Proc. Kohlenstoff hervor-
gerufene Temperatursteigerung in einem auf 1500 Grad erwärmten Eisenbade etwa
90 Grade.
1).
Abhandlungen über den Thomas-Gilchrist-Process, S. 44.
1).
Der Erfinder des Manganzusatzes ist Rob. Mushet, welcher 1856, also
sofort nach Bessemer’s Erfindung, sich das Verfahren in England patentiren liess.
1).
Den Rücken der Birne nennt man logischer Weise die der Halsmündung
gegenüberliegende, bei Fig. 257 also die links befindliche Seite.
1).
In Witkowitz hat man neuerdings eiförmige Birnen, deren Mündung in der
Achse liegt, zur Anwendung gebracht. Vergl. „Stahl und Eisen“ 1881, S. 183.
1).
Erhebliche Unterschiede in der Dauer des Futters aus kieselsäurereichem
und aus basischem Materiale sind nicht mehr vorhanden, seitdem man auch die
Herstellung der basischen Futter wesentlich vervollkommnet hat. Vergl. hierüber
„Stahl und Eisen“ 1881, S. 185.
1).
Zeichnungen der Hütte 1881, Blatt 37. Die Form des hier abgebildeten
Bodens ist etwas anders in Fig. 257; das Verfahren der Herstellung aber bleibt im
Wesentlichen das nämliche.
1).
Vergl. Literatur.
1).
Revue universelle des mines, sér. II, tome XI, pl. 1, fig. 1; auch Patent-
schrift des deutschen Reiches Nr. 12830.
1).
Insbesondere möge auf die Abhandlungen von J. de Macar und A. Greiner
aufmerksam gemacht werden.
1).
Wie die später mitgetheilten Gasanalysen beweisen, wird bei hoher Tempe-
ratur der eintretende Sauerstoff rasch und vollständig verzehrt, die Kohle verbrennt
zu Kohlenoxyd; in niedriger Temperatur entsteht neben Kohlenoxyd auch Kohlen-
säure und sogar Sauerstoff geht unverbraucht durch das Metall.
1).
Da die heisse Endperiode bei der beschriebenen Methode nur durch den
hohen Siliciumgehalt hervorgerufen werden kann, dieser aber, wie schon vielfach
besprochen worden ist, auch unmittelbar die Gasentwickelung aus dem flüssigen Eisen
beeinträchtigt, so liegt der Schluss nahe, dass nicht sowohl jene hohe Temperatur
oder wenigstens sie nicht allein den günstigen Erfolg hervorbringe, sondern dass
derselbe auch hauptsächlich dem unmittelbaren Einflusse des Siliciumgehaltes zuzu-
schreiben sei.
1).
Vergl. unter Literatur: F. C. G. Müller, Untersuchungen über den deut-
schen Bessemerprocess.
1).
Abbildung eines Kalkbrennofens vergl. Fig. 47—49 auf S. 212.
1).
Von Professor Roscoe im Jahre 1863 auf einem Eisenwerke in Sheffield
zuerst versucht.
1).
Näheres über diese Theorien: H. Wedding, Darstellung des schmiedbaren
Eisens, S. 401.
1).
Näheres über die in dieser Beziehung gemachten, oft recht wunderlichen
Vorschläge (z. B. Einleiten von Leuchtgas, Chlorgas, Einblasen von Salmiak u. a. m.)
findet der Leser in Wedding’s Darstellung des schmiedbaren Eisens, S. 449—458.
2).
Vergl. Jahrbuch der Bergakademieen zu Leoben u. s. w. Bd. XXII, S. 436.
1).
Vergl. „Stahl und Eisen“ 1882, S. 54.
1).
Zeitschr. für Bauwesen, Jahrgang XXVI (1876), S. 427.
1).
Vergl. Literatur.
1).
Zeitschr. des Ver. deutsch. Ing. 1878, S. 390.
2).
Ebenda, S. 392.
1).
Iron, vol. XIV, p. 3 (Tamm). Die Analysen sind ausgeführt durch Görans-
son
und Magnuson.
2).
Mittheilungen aus den Königl. technischen Versuchsanstalten zu Berlin,
1883, S. 31.
1).
Vergl. Literatur. Die Aenderungen in der chemischen Zusammensetzung des
Eisens während des Processes, welche in der Originalarbeit ebenfalls mitgetheilt sind,
wurden hier nicht wiedergegeben, da sie sich von den oben gegebenen Beispielen
des englischen Processes nur durch den infolge der höheren Anfangstemperatur etwas
zeitigeren Beginn der Kohlenstoffverbrennung unterscheiden.
2).
Oestr. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1867, Nr. 23; Dingl. Polyt.
Journal, Bd. 185, S. 30. Die Analysen wurden im General-Münzprobiramte in Wien
ausgeführt.
1).
Iron, vol. XIV, p. 3.
1).
Oestr. Zeitschr. f. Berg- und Hüttenwesen 1883, S. 504.
1).
Ob überhaupt innerhalb des Eisenbades selbst schon Kohlensäure gebildet
werde, ist zweifelhaft. Mir ist es wahrscheinlicher, dass erst später das durch die
Verbrennung von Kohlenstoff entstandene Kohlenoxyd durch den unverzehrt durch
das Metall hindurchgegangenen Sauerstoff zu Kohlensäure verbrannt werde.
2).
The Journal of the Iron and Steel Institute 1871, p. 247.
1).
Vergl. Literatur.
1).
S. 883.
1).
Da die Zusammensetzung dieser Schlacken derjenigen mancher Holzkohlen-
hochöfen ähnlich ist, würde sie sich ähnlich wie diese verwenden lassen, zu Schlacken-
sand und dergleichen; vergl. S. 585.
1).
Beim Glühen in Berührung mit freiem Sauerstoff will man bisweilen eine
Abnahme des Schwefelgehaltes bemerkt haben.
1).
Näheres über diese Folgen der Schwindung findet der Leser in meinem
Handbuche der Eisengiesserei, Weimar 1883, S. 28.
1).
Vergl. u. a. Handbuch der Eisengiesserei, S. 275.
1).
Aus C. Rott, Die Fabrikation des schmiedbaren und Tempergusses.
1).
D. R. P. Kl. 31, Nr. 14885.
1).
Vergl. Literatur. Die Ergebnisse neuerer von Forquignon angestellter
Untersuchungen bedürfen in gewisser Beziehung erst der Bestätigung, da sie manche
auffällige Widersprüche gegenüber älteren Beobachtungen enthalten. Auch die letztere
Abhandlung ist unter den Literaturnachweisen aufgeführt.
1).
Kerl, Grundriss der Eisenhüttenkunde S. 272.
1).
L’art de convertir le fer forgé en acier et l’art d’adoucir le fer fondu.
1).
Kerl, Grundriss der Eisenhüttenkunde Fig. 199 und 200.
1).
Zeitschr. d. Vereins zur Beförderung des Gewerbfleisses 1879, Taf. 2, Fig. 3
und 4 (nach Mannesmann).
2).
Abbildung eines amerikanischen Cementirungsofens mit Gasfeuerung, bei
welchem Gas und Luft in Kanälen des Ofengemäuers erhitzt werden: Zeitschr. für
Berg-, Hütten- und Salinenwesen in Preussen, Bd. XXIV, S. 482 (Wedding).
1).
Ueber die Ursachen dieser Abnahme der Cementirungsfähigkeit der Holz-
kohle sind verschiedene Theorien aufgestellt worden. Es unterliegt indess keinem
Zweifel, dass die Ursache lediglich in der durch das Glühen herbeigeführten stärkeren
Verdichtung der Holzkohle zu suchen sei. Geübte Arbeiter können schon durch das
Gefühl der Finger frische Holzkohle von benutzter unterscheiden. Vergl. hierüber
die unter Literatur erwähnte Abhandlung von R. Mannesmann.
1).
Vergl. Literatur.
2).
Dass manche kohlenstoffhaltige Gase cementirend wirken können, unter-
liegt keinem Zweifel (vergl. hierüber S. 233); aber bei dem Cementirungsprocesse,
wie er bis jetzt ausgeführt wird, besitzen diese Gase keine Wichtigkeit.
1).
Vergl. S. 238.
2).
Vergl. Literatur.
3).
Bei einem derartigen Versuche betrug z. B. der Gehalt an:
1).
Melirte Rohschienen nennt man solche, deren Bruchfläche nicht ein gleich-
artiges Gefüge erkennen lässt. Vergl. auch S. 790.
1).
Aus Kerl, Grundriss der Eisenhüttenkunde.
1).
Vergl. Literatur.
1).
Unter anderen im Eisen- und Stahlwerk Osnabrück.
1).
Man darf jedoch hierbei nicht vergessen, dass immerhin die Eigenthümlich-
keit der zur Verwendung stehenden Kohlen von nicht geringem Einflusse für die
Betriebsergebnisse des einen oder andern Ofensystemes sein wird. In Osnabrück
wurde der Erfolg des Lürmannofens in pecuniärer Beziehung noch wesentlich durch
den Umstand begünstigt, dass er die Verwendung grösserer Mengen Anthracitstaub-
kohle (von Piesberg) ermöglichte, deren Preis in dortiger Gegend nicht halb so hoch
ist als der gasreicherer, für Siemensgeneratoren geeigneter Kohlen. Dadurch wurde
es möglich, während eines 20 monatlichen Zeitraumes bei Anwendung des Lürmann-
ofens etwa 50 Proc. der Brennstoffkosten gegenüber der Anwendung von Siemens-
öfen zu sparen, wenn man die auch bei der Dampfkesselfeuerung ersparten Kohlen
in Betracht zieht; bei den Oefen allein (ohne die Dampfkessel) betrug die Ersparung
an Kosten etwa 30 Proc.
1).
In England pflegt man den Stahl Shear steel zu nennen, da er ursprünglich
vielfach zur Herstellung grosser, bei der Tuchanfertigung früher benutzter Scheeren
Verwendung fand.
1).
Meistens 4½—5 mm; weniger als 4 mm selten.
1).
P. Tunner, Das Eisenhüttenwesen der Vereinigten Staaten Nordamerikas,
S. 134.
1).
Nur in solchen Ausnahmefällen wird Flusseisen packetirt und geschweisst,
wenn es mit Schweisseisen in einem und demselben Stücke vereinigt werden soll.
Dieser Fall kam bis gegen das Ende der siebenziger Jahre ziemlich häufig bei der
Herstellung von Eisenbahnschienen vor, deren Fuss und Steg aus Schweisseisen
gebildet wurde, während der Kopf aus Bessemerstahl bestand. Wie die fertige Schiene
bestand das Packet theils aus Schweisseisen theils aus Flusseisen.
1).
Gjers nennt diese Räume soaking pits — Durchweichungsgruben. Die Be-
zeichnung Heizgruben oder Selbstheizgruben dürfte für die deutsche Sprech-
weise besser geeignet sein als die wörtliche Uebersetzung.
1).
Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ingenieure 1880, Taf. XIV.
1).
Nach F. Braune; vergl. Literatur.
2).
Kerl, Grundriss der Eisenhüttenkunde, S. 420.
3).
Album du cours de metallurgie, texte, p. 153.
4).
A. v. Kerpely, Eisen und Stahl auf der Weltausstellung zu Paris.
1).
Von 6½ Millionen Tonnen Bessemer- und Martineisen, welche im Jahre 1882
auf der Erde erzeugt wurden, verarbeitete man allein 4 Millionen Tonnen zu Eisen-
bahnschienen (Glaser’s Annalen, Bd. XIV, S. 59).
1).
„Stahl und Eisen“ 1883, S. 488.
2).
Vergl. die Erörterungen auf S. 244 und 255.
1).
Vergl. Literatur.
2).
Vergl. unter Literatur die Abhandlung von Snelus.
1).
Vergl. Literatur.
2).
Glaser’s Annalen Bd. X, S. 210.
3).
Vergl. hierüber unter anderm Wedding, Bedingungen der deutschen Eisen-
bahnverwaltungen für Schienenlieferungen; Glaser’s Annalen Bd. X, S. 63.
4).
Hinsichtlich dieser sogenannten Qualitätsziffer vergl. S. 650.
1).
Dasselbe pflegt bei verschiedenen Bahnen 26—33 kg zu betragen.
1).
Die in Fig. 206 und 207 (S. 729) abgebildeten Walzen gehören einem solchen
Kehrwalzwerke an.
1).
Nach F. Braune. Vergl. dessen Abhandlung unter Literatur.
2).
Selbstverständlich werden die ersten Schienen in dem zu engen Kaliber
etwas zu leicht ausfallen; der Umstand ist jedoch ohne grossen Belang, da von den
Eisenbahnverwaltungen eine Gewichtstoleranz von ± 1.5 Proc. gewährt zu werden
pflegt.
1).
Glaser’s Annalen Bd. IX, S. 178.
2).
Eine aus parallelen, freiliegenden Eisenbalken oder alten Schienen gebildete
Unterlage.
3).
Die verschiedenen Werkzeugmaschinen zum Fräsen, Bohren u. s. w. sind
in meinem Lehrbuche der mechanisch-metallurgischen Technologie (Braunschweig
1879) ausführlich besprochen.
1).
Nach Engineering 1873, p. 77.
1).
Näheres über Kreisscheeren: A. Ledebur, Die Verarbeitung der Metalle auf
mechanischem Wege, S. 579.