[][][][][[I]][[II]][[III]]
Die Elektricität
im Dienſte der Menſchheit.

Eine populäre Darſtellung
der magnetiſchen und elektriſchen Naturkräfte
und ihrer praktiſchen Anwendungen.

Nach dem gegenwärtigen Standpunkte der Wiſſenſchaft
bearbeitet von
Dr. Alfred Ritter von Urbanitzky.

Mit 830 Illuſtrationen.

[[IV]][[V]]
[figure]

Vorwort.


Es wurde wohl kaum noch irgend einem Zweige der modernen Technik
ein ſo allgemeines und reges Intereſſe auch von Seite der Laien-
welt entgegengebracht, wie der Elektrotechnik. Allerdings grenzt das,
was durch ſie ermöglicht wird, zum Theile an das Unbegreifliche,
an’s Märchenhafte; oder hätte vielleicht nicht Jeder noch vor wenigen Jahren
den Gedanken: „die menſchliche Sprache mit Blitzesſchnelle einige hundert
Meilen weit zu übertragen“, d. h. das Telephon zu erfinden, für die Idee
eines Wahnſinnigen gehalten? Hätte man nicht die Uebertragung mechaniſcher
Kraft durch den elektriſchen Strom für ein Märchen erklärt? Hielt man nicht
noch vor verhältnißmäßig kurzer Zeit die Glühlichtlampe und das Telephon
für amerikaniſchen Humbug? — Mit unwiderſtehlicher Gewalt drehen die
herabſtürzenden Waſſermaſſen mächtige Räder oder Turbinen; dieſe ſetzen
unſere elektriſchen Maſchinen in Bewegung, durch welche die Kraft des Waſſer-
falles in Elektricität umgewandelt wird. Um dieſe weiter zu leiten, bedarf man
keiner großen Canäle, keiner theuren Röhrenleitungen — ein einfacher Draht
genügt. Und ſo fließt unmerkbar und doch blitzſchnell die rohe Waſſerkraft,
gebändigt durch die Elektricität, dahin über Berg und Thal, bis ſie an jenem
Orte angelangt iſt, wo man ihrer bedarf. Hier giebt ſie ihre Bändigerin
wieder frei und nun treibt ſie die Maſchinen einer ganzen Fabrik. Und iſt ſie
dort etwa nur im Stande, ein Rad, eine Welle oder eine Maſchine zu drehen,
wie der Waſſerfall, dem ſie ihr Entſtehen verdankt? Keineswegs; wir brauchen
nur das entſprechende Werkzeug hinzulegen und die Kraft des herabſtürzenden
Waſſers leuchtet ſonnenhell auf im Voltabogen oder verrichtet in der Zerſetzungs-
zelle die Arbeit des Chemikers oder Hüttenmannes. Der, einem Irrlichte gleich,
geiſterhaft ſich bewegende Lichtſchein in der Kabelſtation kündet der alten Welt,
[VI] was die neue erregt: die von Hemiſphäre zu Hemiſphäre eilende Botin iſt
wieder die Elektricität; ſie warnt uns vor Feuer- und Waſſernoth, ſie lenkt
die ſturmſchnell dahinbrauſende Locomotive in ſichere Bahnen, ſie verräth dem
Schiffer in dunkler Nacht den bergenden Hafen, ſie mißt die Kugel im Fluge
wie die Geſchwindigkeit des Schalles.


In dieſer wunderbaren Gefügigkeit, immer jene Kraftform annehmen zu
können, die gerade die zweckmäßigſte iſt, liegt die große Bedeutung der Elektricität,
eine Bedeutung, die in ihrem vollen Umfange durch die in den letzten Jahren
veranſtalteten Ausſtellungen auch dem großen Publicum klar vor Augen trat. Das
Intereſſe war geweckt und nun wurde der Wunſch nach Aufklärung laut, nach
einem Führer durch dieſes geheimnißvolle, weit ausgedehnte Gebiet. Gegen-
wärtig herrſcht nun zwar allerdings kein Mangel an fachwiſſenſchaftlichen
Specialwerken und Fachzeitſchriften mehr; doch iſt es nicht Jedermanns Sache,
aus Brauchbarem und Unbrauchbarem das Praktiſche herauszuſuchen, fünfzig
Bände durchzuſtudiren, um ſchließlich ſo viel zu behalten, als in einen Band
zuſammengefaßt werden könnte und ſich hierbei überdies noch durch langathmige
mathematiſche Entwicklungen hindurchzuarbeiten. Den Leſer dieſer Mühe zu
überheben, ſtellte ich mir zur Aufgabe. Dem Leſer ſoll hiermit ein klarer
Ueberblick über das Geſammtgebiet der modernen Elektrotechnik ermöglicht
werden, und zwar unter der Vorausſetzung, daß derſelbe über kein fachliches
Wiſſen verfügt, ſondern nur allgemeine Bildung beſitzt. Ferner ſoll das ſehr
ausgedehnte Regiſter auch die Verwendung des Werkes als bequemes Nach-
ſchlagebuch ermöglichen. Obwohl ich mir keineswegs die Größe und Schwierigkeit
des Unternehmens verhehlte, ſchreckte ich doch nicht vor der Ausführung des-
ſelben zurück, da ich bei dem Umſtande, daß es ſich um ein erſtes Unternehmen
dieſer Art handelte, auf die Nachſicht der Leſer rechnen zu dürfen glaube. Auch
war ich der ausgiebigen und thatkräftigen Unterſtützung der rühmlichſt bekannten
Verlagsbuchhandlung A. Hartleben und der Mitwirkung der kunſtgeübten
Xylographen Günther und Rücker ſicher; ich erfülle eine angenehme Pflicht,
an dieſer Stelle den genannten Firmen meinen wärmſten Dank auszuſprechen.
Selbſt weder Mühe noch Arbeit ſcheuend, iſt durch unſer Zuſammenwirken
vorliegendes Werk entſtanden, welches ich, um wohlwollende Aufnahme bittend,
hiermit der Oeffentlichkeit übergebe.


Dr. A. Ritter v. Urbanitzky.


[[VII]]

Inhalt.


[[1]]

Erſte Abtheilung.


[[2]][[3]]
[figure]

Magnetismus und Elektricität.


Einleitung.


Gegen Ende des achtzehnten Jahrhundertes gewann die Dampfmaſchine durch
die Erfindungen von Humphry Potter, James Watt und Anderen
eine Vollendung, welche der Anwendung der Dampfkraft eine ungeahnte
Verbreitung und Bedeutung verlieh. Im Jahre 1807 benützte ſie bereits
Fulton zum Betriebe eines Schiffes, welches den Verkehr zwiſchen
New-York und Albany vermittelte; im Jahre 1814 baute Robert Stephenſon
ſeine erſte, für das Kohlenwerk Killingworth beſtimmte Locomotive und 1829
wurde die erſte Dampfeiſenbahn (von Liverpool nach Mancheſter) in Betrieb geſetzt.
Das Zeitalter des Dampfes war angebrochen. Nun iſt kaum mehr als ein halbes
Jahrhundert verfloſſen und ſchon gewinnt es den Anſchein, als ob ein neues
Zeitalter, eine neue Epoche in der Culturgeſchichte der Menſchheit beginnen ſollte.
Die beiden geheimnißvollen Naturkräfte, Elektricität und Magnetismus, deren
Weſen zu enträthſeln bisher noch nicht gelungen iſt, erringen ſich mit jedem Tage
eine größere Bedeutung. Nicht ſtreng wiſſenſchaftliche Forſchungen, Laboratoriums-
Experimente oder gelehrte Hypotheſen und Theorien ſind es, die gegenwärtig das
allgemeine Intereſſe in ſo hohem Maße beanſpruchen, ſondern praktiſch verwerthbare
Erfindungen; weder dem Fachmanne noch dem Laien können ſie unbemerkt bleiben,
da ſie auf Schritt und Tritt, wohin wir auch unſere Blicke wenden mögen, uns
entgegentreten.


Fragen wir nach der Urſache, welcher die Elektricität ihre Macht, ihre Be-
deutung verdankt, ſo wird uns dieſe Frage dadurch beantwortet, daß wohl keine
andere Naturkraft ſich ſo leicht in jede gewünſchte Form der Kraft verwandeln
läßt, als eben die Elektricität. Sie verläßt ihre Geburtsſtätte und eilt am tiefen
Meeresgrunde von Continent zu Continent, erzählt dort, was die Menſchen drüben
und herüben treiben; ſie fliegt durch die Lüfte und flüſtert uns die Worte ins
Ohr, wie der weit entfernte liebe Freund ſie geſprochen hat — auch nicht eine
Silbe iſt auf dem weiten Wege aus dem dünnen Eiſenfaden verloren gegangen.
1*
[4] Die Elektricität iſt auch muſikaliſch geworden; und wie richtig, wie ſicher nimmt
ſie die leiſeſten wie die kräftigſten Töne auf, die Triller der ſterbenden Primadonna,
wie den Triumphgeſang der ſiegreich zurückkehrenden Helden! Dann muß ſie in
den engen Draht und durcheilt in dieſem mit Blitzesſchnelle viele, viele Meilen;
am Beſtimmungsorte angelangt, jubelt ſie wieder laut auf im Triumphgeſange des
Helden, haucht ſie wieder die Triller der Primadonna aus. Im tiefen Waldes-
ſchatten, zwiſchen hohen Felſenklippen ſtürzt brauſend und tobend ein Waſſerfall
ins Thal hinab. Weitab von menſchlicher Behauſung, beſuchte ihn früher nur ſelten
ein kühner Wanderer. Und jetzt! Jetzt muß er mächtige Turbinen drehen, welche
mit Hilfe unſerer Maſchinen ſeine gewaltige Kraft wieder in Elektricität umwandeln.
In unfaßbarer Schnelligkeit durcheilt dieſe ihre Leitungsdrähte, weder Berge noch
Thäler, weder Flüſſe noch Wälder hemmen ihren Lauf, und bei den Wohnſtätten
der Menſchen angelangt, verwandelt ſie ſich wieder in Wärme und Licht, in
mechaniſche Kraft oder leiſtet chemiſche Arbeit. Der weit entfernte Waſſerfall muß
unſere Straßen und Plätze, unſere Wohnungen und Magazine mit Licht, mit
hellem Tageslichte verſehen, muß unſere Maſchinen treiben, die Arbeit des
Chemikers und Hüttenmannes übernehmen! Hat etwa Aladdin’s Wunderlampe
mehr geleiſtet? Iſt wirklich die moderne techniſche Wiſſenſchaft proſaiſch oder fehlt
nicht vielmehr der gottbegnadete Dichter, um die Wunder, welche die Elektricität
verrichtet, in begeiſterten Geſängen zu verherrlichen?


I. Geſchichte des Magnetismus und der Elektricität.


Wie unſcheinbar waren die erſten Erſcheinungen, in welchen das Zwillings-
paar, Magnetismus und Elektricität, zuerſt beobachtet wurde! Und in der That
legte man dieſen auch keinerlei Bedeutung bei. Die Eigenſchaft des geriebenen
Bernſteines, leichte Körperchen anzuziehen, machte jenen zu einem beliebten Spielzeuge
griechiſcher Frauen. Ueber den Magnetſtein herrſchten die kindlichſten Anſchauungen.
Die Alten kannten eben nur den natürlich vorkommenden Magnetſtein. Plinius
ſchreibt deſſen Auffindung einem Hirten Namens Magnes zu. Derſelbe ſollte
einmal beim Hüten ſeiner [Herde] auf eine Stelle gekommen ſein, an welcher die
Nägel ſeiner Schuhe und die Eiſenſpitze ſeines Stabes nur mit Mühe vom Boden
losgemacht werden konnten. Er grub nach und fand den natürlichen Magnetſtein.
Nach Anderen ſoll der Stein den Namen „Lithos herakleia“ geführt haben, was
ſo viel als Herkulesſtein oder Stein von Heraklea bedeuten würde. Die Stadt
Heraklea ſcheint ſpäter den Namen Magneſia bekommen zu haben und dann wäre
das Wort Magnet aus dem Namen jener Stadt abgeleitet. Wenngleich Lucrez
(geb. im Jahre 95 v. Chr.) bereits erwähnt, daß der Magnetſtein auch Eiſen
abſtoßen könne und durch andere Körper durchwirke, ſo waren doch die Vor-
ſtellungen der Alten über den Magnetismus äußerſt unklare. Sie wußten nichts
über die Polarität eines Magnetes, ja Plinius giebt ſogar an, daß der Diamant
im Stande ſei, dem Magnete ſeine ganze Kraft zu rauben.


Faſt ebenſo unklar als die Entdeckung des Magnetismus überhaupt iſt auch
jene der Magnetnadel geblieben. Klaproth ſchreibt ſie den Chineſen zu. Er fand
in dem Wörterbuche Schu-e-wen von Hiu-tſchin aus dem Jahre 121 n. Chr.
für das Wort Magnet die Erklärung: Name eines Steines, mit welchem man der
Nadel die Richtung gebe. In einem anderen chineſiſchen Wörterbuche aus dem
[5] elften Jahrhunderte wird angegeben, daß ſich die Schiffer bereits unter der Dynaſtie
der Tſin (265—419) der Magnetnadel bedienten. Sie ließen dieſelbe nach Süden
zeigen und kannten auch bereits ihre Abweichung (Declination) von der genauen
Richtung. Die erſte Anwendung der Magnetnadel erfolgte jedoch nicht in der Schiff-
fahrt, ſondern bei Landreiſen mittelſt des magnetiſchen Karrens oder Tſchi-nan-tſchin.
Poggendorff beſchreibt dieſen in ſeiner Geſchichte der Phyſik in folgender Weiſe:
„Dieſe Karren waren zweiräderige Fuhrwerke, auf welchen ſich vor dem Sitze eine kleine
Figur mit ausgeſtrecktem Arme auf einem Stift beweglich befand. In dem ausgeſtreckten
Arme war ein kleiner Magnetſtab, durch welchen dieſer Arm immer nach Süden
gerichtet wurde. Solcher Karren bedienten ſich die chineſiſchen Kaiſer, wenn ſie große
Reiſen oder Kriegszüge durch unbebaute oder wüſte Gegenden ihres weitläufigen
Reiches unternahmen. Zuweilen hatten dieſe Karren oder Wagen zwei Stockwerke
und neben der magnetiſchen Figur, welche die Richtung des Weges angab, befanden
ſich noch zwei andere, welche die Länge desſelben anzeigten, vermuthlich durch einen
Mechanismus wie er in den Wegmeſſern angewandt wird.“ Nach der mythologiſchen
Geſchichte der Chineſen ſoll der Kaiſer Huang-ti der Erfinder dieſer Wagen
geweſen ſein, wornach die Erfindung in das Jahr 2364 v. Chr. zu ſetzen wäre.
Jedenfalls iſt aber die Anwendung der Magnetnadel zu Landreiſen älteren Datums
als jene zu Seefahrten. Die älteſten verläßlichen Nachrichten hierüber finden ſich
in der etwa im Jahre 1111 oder 1117 verfaßten Naturgeſchichte des Ke-u-
tſung-ſchy
. In dieſer wird mitgetheilt, daß man die Magnetnadel mittelſt Wachs
an einem Faden aufhängen oder auch auf einem Schilfhalm in einem Gefäße mit
Waſſer ſchwimmen laſſen könne; auch wird erwähnt, daß die Nadel etwas von der
Südrichtung abweicht.


Auch die Zeit, zu welcher die Buſſole in Europa eingeführt wurde, iſt nicht
mit Sicherheit anzugeben. Es wird häufig angenommen, daß der aus Paſitano bei
Almafi gebürtige Seefahrer Flavio Gioja etwa um das Jahr 1302 den
Compaß erfunden habe; es iſt wohl möglich, daß dieſem Manne die Einführung
des Compaß in der Schifffahrt am mittelländiſchen Meere zu verdanken iſt, aber
bekannt war derſelbe jedenfalls ſchon bedeutend früher. So findet man in dem von
Guyot de Provins beiläufig im Jahre 1190 verfaßten Gedichte „La Bible“
die Angabe, daß die Schiffer bei trübem Himmel die Magnetnadel zu Rathe
ziehen. Auch Jacques de Vitry gedenkt in ſeiner „Historia naturalis“ (1215
bis 1220) der Magnetnadel als einer nicht mehr neuen Sache. Der erſte Europäer,
welcher die Declination der Magnetnadel genauer beobachtete und auch derſelben
ausdrücklich Erwähnung that, war wahrſcheinlich Chriſtoph Columbus. Dieſe
Thatſache wurde lange Zeit gar nicht anerkannt, indem man die Abweichung der
Nadel von der genauen Nord-Süd-Richtung einer ungenauen oder fehlerhaften
Conſtruction der Nadel zuſchrieb. Die Variationen in der Nadelrichtung an einem
und demſelben Orte wurden zuerſt von Henry Gellibrand im Jahre 1634
beobachtet.


Im Jahre 1544 folgte die Entdeckung der Inclination, d. h. der Neigung,
der um eine horizontale Axe drehbaren Nadel gegen den Horizont durch Hart-
mann
; dieſer erwähnt derſelben in einem an den Herzog Albrecht von Preußen
gerichteten Schreiben. Robert Normann (1576) unterſuchte dieſe Erſcheinung
genauer und fand auch, daß der Magnetismus das Gewicht der Eiſenſtücke nicht
verändere. Die Urſache, welcher die Magnetnadel ihre Eigenſchaft, ſtets nach einer
beſtimmten Richtung zu zeigen, verdankt, war bisher unbekannt geblieben. Erſt
[6]William Gilbert, deſſen wir in der Geſchichte der Elektricität noch ausführlicher
gedenken müſſen, gab die Erklärung hiefür, indem er die Erde ſelbſt als einen
großen Magnet betrachtete. Ihm iſt daher auch die Entdeckung des Erdmagnetismus
zuzuſchreiben. Aus ſeiner Annahme erklärte ſich auch leicht und ungezwungen die
Zunahme der Inclination in der Richtung vom Aequator gegen die Pole zu. Die
Beſtätigung der Theorie Gilbert’s durch das Experiment brachte Hudſon, der
Entdecker der Hudſonsbai, auf einer im Jahre 1608 unternommenen Reiſe in die
nördlichen Breiten bei. Gilbert und Hartmann wußten auch bereits, daß Süd-
und Südpol, Nord- und Nordpol ſich abſtoßen, daß alſo der Nordpol der Magnet-
nadel nach dem magnetiſchen Südpole der Erde zeige. Gilbert beobachtete auch ſchon
das Magnetiſchwerden vertical ſtehender Eiſenſtangen und bemerkte hierbei, daß
ſie an ihrem unteren Ende einen Nordpol zeigen und daß dieſe Erſcheinung noch
kräftiger hervortritt, wenn der Eiſenſtab die Richtung der Inclinationsnadel ein-
nimmt. Er wußte auch, daß ein in der Richtung der Magnetnadel liegender Eiſenſtab
durch Hämmern magnetiſch werden könne, und daß durch Glühen der Magnetismus
zerſtört werde, beim Abkühlen jedoch wieder zum Vorſchein kommt, ſobald hierbei
das Eiſenſtück in die Richtung der Magnetnadel gelegt wird. Auch die magnetiſche
Fernwirkung durch die Luft und andere Körper war ihm nicht unbekannt geblieben.
Eine weitere Vermehrung unſerer Kenntniſſe über den Magnetismus haben wir
Halley, Johann Karl Wilke, Graham und Canton zu verdanken. Die
Arbeiten und Forſchungen dieſer Männer fallen in das achtzehnte Jahrhundert. Zu
Ende dieſes Jahrhundertes beobachtete Coulomb das Verhalten eines Magnetes
bei ſeiner Theilung. Er fand, daß ein Magnet, in zwei, drei und mehr Theile
getheilt, Bruchſtücke giebt, von welchen jedes wieder einen Nord- und einen Südpol
zeigt; dieſes Verhalten führte ihn zur Aufſtellung einer Theorie über die Conſti-
tution der Magnete, mit welcher wir uns ſpäter noch zu beſchäftigen haben werden.
Die berühmten Unterſuchungen von Gauß und ebenſo die Verſuche von Jamin
gehören bereits dem gegenwärtigen Jahrhunderte an.


Die erſten Beobachtungen elektriſcher Erſcheinungen ſind ebenſo unſicher nach-
zuweiſen, wie die der magnetiſchen; doch reichen auch jene weit ins Alterthum
zurück. Es wird ſo ziemlich allgemein angenommen, daß Thales, einer der ſieben
Weiſen Griechenlands, der Erſte ſei, welcher die Anziehungskraft des geriebenen Bern-
ſteines beobachtete. Thales wurde 640 v. Chr. zu Milet geboren und ſtarb 548
während er den olympiſchen Spielen anwohnte. Der Bernſtein führte den Namen
Elektron, zu Deutſch „Zugſtein“, und von dieſem Worte iſt auch unſer gegen-
wärtiger Ausdruck „Elektricität“ abgeleitet. Das deutſche Wort Bernſtein deutet
nicht auf die elektriſchen Eigenſchaften dieſes Harzes, ſondern auf ſeine Fähigkeit
zu brennen; ſeine Ableitung ergiebt ſich aus dem niederdeutſchen Worte bernen =
brennen.


Die Angaben von Theophraſtus und Plinius über Steine, welche durch
Reiben die Eigenſchaft erhalten ſollen, leichte Körperchen anzuziehen, haben wenig
Bedeutung, da ſie zu unklar ſind. Theophraſtus von Ereſus auf Lesbos, der
berühmteſte Mineraloge des Alterthumes, erwähnt nämlich eines Steines mit den
erwähnten Eigenſchaften, welchen er Lynkurion nannte; welches Mineral er damit
meinte, konnte jedoch nicht in Erfahrung gebracht werden. Plinius erzählt, daß
[7] der Carbunculus ſowohl durch Reiben als auch durch Erwärmen von der Sonne
die Fähigkeit erhalte, leichte Körperchen anzuziehen; darnach könnte man vermuthen,
daß unter dem Carbunculus des Plinius unſer Turmalin zu verſtehen ſei. Dem
widerſpricht jedoch die Thatſache, daß der Turmalin den Alten nicht bekannt war,
daß dieſen vielmehr die Holländer erſt um das Jahr 1703 aus Indien mitbrachten.


Nicht unbekannt konnten jedoch die Erſcheinungen der atmoſphäriſchen Elek-
tricität den Alten geblieben ſein, da Gewitter in dieſen ſüdlichen Gegenden eben
nicht gar ſo ſelten waren. Außerdem kannten ſie aber auch das Elmsfeuer, aller-
dings ohne deſſen elektriſchen Urſprung zu ahnen. Poggendorff führt diesbezüglich
mehrere intereſſante Stellen an; ſo z. B. aus Cäſar’s afrikaniſchem Kriege:
„Plötzlich entſtand ein ungeheurer Sturm mit Steinregen (Hagel?) und in derſelben
Nacht glühten von ſelbſt die Spitzen an den Speeren der fünften Legion.“ Ferner:
„In Sicilien wurden den Soldaten die Speere leuchtend, und das Geſtade glänzte
von zahlreichen Funken.“ Wie ſehr man über die Natur des Elmsfeuers im Un-
klaren war, zeigt Plinius, welcher dieſes zu den Sternen zählte. Er ſagt: Es giebt
Sterne auf dem Meere und auf dem Lande. Ich ſelbſt ſah den Speeren der Sol-
daten, die Nachts Wache hielten, ein ſternähnliches Licht ſich anhängen. Auch auf
die Segelſtangen und andere Theile des Schiffes ſetzten ſie ſich mit eigenthümlichem
Geräuſche, wie Vögel hüpfend von einem Orte zum anderen. Wenn ſie einzeln
kommen, ſind ſie verderblich, die Schiffe in den Grund bohrend und
wenn ſie in den Boden geſunken ſind, die Kiele entzündend. Als
Doppelſterne aber ſind ſie heilſam, Vorboten einer glücklichen Fahrt
und durch ihre Ankunft wird jene ſchreckliche Helena verſcheucht. Des-
halb ſchreibt man dem Pollux und Kaſtor dieſe Erſcheinung zu und
ruft ſie an als Götter auf dem Meere. Auch die Häupter der Menſchen
umleuchten ſie in den Abendſtunden zu großer Vorbedeutung. Die
Urſache aber von Allem iſt unbekannt, verborgen in der Majeſtät der
Natur
.“


Wie es kam, daß die Schiffer in Kaſtor und Pollux ihre Schutzgötter ver-
ehrten, hiefür erzählt Poggendorff folgende Sage: „Kaſtor und Pollux machten den
Argonautenzug mit und wurden einſt auf dieſer Fahrt von einem ſchrecklichen
Sturme überfallen. Als alle laut zu den Göttern flehten, erſchienen plötzlich auf
den Häuptern von Kaſtor und Pollux zwei ſternähnliche Flämmchen und darauf
legte ſich das Ungewitter. Seitdem wurden Kaſtor und Pollux die Schutzgötter der
Schiffer und empfingen den Namen der Dioskuren.“ Was unter der ſchrecklichen
Helena zu verſtehen ſei, iſt nicht bekannt.


Man wollte den Alten auch die Kenntniß von Blitzſchutzvorrichtungen zuſchreiben,
aber ſehr mit Unrecht, wie man leicht erſehen kann aus dem damals verbreiteten
Glauben: Zeus ſchone den Lorbeerbaum, Lorbeerzweige ſeien deshalb ein Schutz
gegen Gewitter. Wohl aber ſcheint der Orient nicht aller derartigen Kenntniß ent-
rathen zu haben. So erzählt Kteſias, der Leibarzt des perſiſchen Königs Artaxerxes
Mnemon (circa 400 v. Chr.), daß die Inder Eiſenſtangen in den Boden ſtecken,
um Wolken, Hagel und Blitzſtrahlen abzulenken. Zu demſelben Zwecke bedienten
ſich die Chineſen langer, oben zugeſpitzter Bambusröhren. Es wurde auch behauptet,
daß die vielen hohen Spitzen auf dem Salomoniſchen Tempel Blitzſchutzvorrich-
tungen geweſen ſeien, und daß die Ketten auf den Thürmen ruſſiſcher Kirchen
urſprünglich dieſem Zwecke dienten, doch beruhen dieſe Annahmen auf ſehr zweifel-
haften Nachrichten.


[8]

Alles zuſammengenommen, wußten die Alten über Elektricität eigentlich
nichts; ſelbſt die wenigen Erſcheinungen, die ihnen bekannt waren, die elektriſche
Eigenſchaft des Bernſteines, der Blitz und das Elmsfeuer, wußten ſie in keinen
Zuſammenhang zu bringen. Und ſo blieb es nahezu 2000 Jahre! In dieſem
ganzen langen Zeitraume iſt gar kein Fortſchritt in der Erkenntniß der Elektricität
zu verzeichnen. William Gilbert war es vorbehalten, durch Auffindung neuer
Thatſachen, Anſtellung vieler Verſuche zum eigentlichen Gründer der Elektricitäts-
lehre zu werden. Zu Colcheſter im Jahre 1540 geboren, machte er ſeine Studien
in Oxford und Cambridge, unternahm Reiſen ins Ausland und ließ ſich endlich
als Arzt in London nieder, wo er im Jahre 1603 ſtarb. Sein für die damalige
Zeit bedeutendes Wiſſen gewann ihm raſch die Gunſt der Königin Eliſabeth,
welche ihn reichlich mit Mitteln zur Ausführung ſeiner wiſſenſchaftlichen Unter-
nehmungen unterſtützte und auch zu ihrem Leibarzte erkor. Da um dieſelbe Zeit auch
Lord Baco am Hofe der Königin verkehrte, iſt es wohl möglich, daß des Letzteren
Schreib- und Denkweiſe auf Gilbert beſtimmend einwirkten. Jedenfalls ſchlug er
nicht den Weg gewagter philoſophiſcher Hypotheſen ein, um Naturerſcheinungen zu
erklären, ſondern ſtellte, wie es Baco forderte, durch das Experiment directe Fragen
an die Natur. Auf dieſe Art gelang es ihm auch, unſer Wiſſen weſentlich
zu erweitern. Wußte man bisher nur vom Bernſteine, daß dieſer durch Reiben
elektriſch werde, ſo fand Gilbert dieſe Eigenſchaft auch an verſchiedenen Edelſteinen,
Glas, Schwefel, Kolophon u. ſ. w.; er zeigte auch, daß Metalle durch Reiben
nicht elektriſch werden, daß aber elektriſche Körper dieſelben anziehen, wenn die
Metalle leicht beweglich, etwa nach Art der Magnetnadel aufgehängt werden. Dies
iſt allerdings nicht ſtrenge richtig, doch wenn man bedenkt, daß damals der Unter-
ſchied und die Wirkungsweiſe zwiſchen Leiter und Iſolator noch gänzlich unbekannt
waren, iſt dieſer Irrthum leicht zu begreifen. Man kannte auch noch nicht den
Unterſchied zwiſchen Glas- und Harz- oder poſitiver und negativer Elektricität,
ebenſowenig wie die elektriſche Abſtoßung. Gilbert beobachtete jedoch bereits den
Einfluß der Feuchtigkeit auf elektriſche Erſcheinungen, wußte, daß glühende Körper und
Flammen nicht elektriſch werden und unterſchied Magnetismus und Elektricität ganz
wohl voneinander. Er giebt an, daß Elektricität nur durch Reiben entſtehe, daß
feuchte Luft ſie vernichte, ein elektriſcher Körper ſehr viele Körper anziehe, ein
Magnet dagegen nur Eiſen und Stahl. Allerdings ſagt er auch, daß bei der
magnetiſchen Anziehung ſich beide Körper bewegen, bei der elektriſchen aber nur
einer. Er war auch der Erſte, welcher das Wort „elektriſch“ gebrauchte. Ihm iſt
es zu verdanken, daß die Aufmerkſamkeit der Gelehrten den elektriſchen Erſcheinungen
zugewandt wurde. So fügte der Jeſuit Nicolo Cabeo den elektriſchen Körpern
noch Wachs und einige andere zu, fanden die Florentiner Phyſiker, daß durch
Annäherung einer Flamme an einen elektriſchen Körper dieſer ſeine elektriſche Kraft
verliert. Auch Fracaſtro, Descartes und andere Phyſiker des ſiebzehnten Jahr-
hunderts beſchäftigten ſich mit Elektricität, verließen hierbei jedoch den von Gilbert
ſo glücklich eingeſchlagenen experimentellen Weg und begnügten ſich damit, gelehrte
Hypotheſen aufzuſtellen.


Erſt Otto von Guericke trat wieder in die Fußſtapfen Gilbert’s und
erweiterte die Kenntniſſe elektriſcher Erſcheinungen weſentlich. Guericke wurde im
Jahre 1602 zu Magdeburg geboren, ſtudirte zunächſt in Leipzig und Jena die
Rechte, wandte ſich aber dann in Leyden dem Studium der Mathematik, Geometrie
und Mechanik zu. Er machte Reiſen nach Frankreich und England, war einige
[9] Zeit als Ingenieur in Erfurt thätig, kam darauf nach Magdeburg, wo er
Bürgermeiſter wurde und auch ſeine berühmt gewordenen Verſuche anſtellte. Im
Jahre 1681 legte er ſeine Aemter und Würden nieder und zog nach Hamburg,
wo er 1686 ſtarb.


Abgeſehen von Entdeckungen in anderen Gebieten der Phyſik iſt Guericke
dadurch bekannt geworden, daß es ihm gelang, eine Art Elektriſirmaſchine herzu-
ſtellen. Bisher hatte man Elektricität nur in der Weiſe erhalten, daß man kleinere
oder größere Stücke verſchiedener Körper mit der einen Hand hielt und mit der
anderen rieb. Natürlich konnte man in dieſer Weiſe nur ſehr ſchwache Wirkungen
erzielen. Guericke füllte einen Glasballon mit geſchmolzenem Schwefel, ließ dieſen
erſtarren und zerſchlug
dann das Glasgefäß; nach
Entfernen der Glas-
ſcherben erhielt er hier-
durch eine Schwefelkugel,
die er an zwei gegen-
überliegenden Punkten
durchbohrte. In die Bohr-
löcher wurden alsdann
hölzerne Axen geſteckt und
die Kugel mittelſt dieſer
in einem hölzernen Ge-
ſtelle, a b c, Figur 2, ge-
lagert. Hierzu kam noch
eine Kurbel an einer Seite
der Axe, womit das erſte,
allerdings noch ſehr ein-
fache Modell einer Elek-
triſirmaſchine geſchaffen
war. Das Reibzeug
während der Rotation
der Schwefelkugel blieb
nach wie vor noch die
Menſchenhand. So ein-
fach dieſe Vorrichtung
auch war, geſtattet ſie
doch bedeutend größere

Figure 1. Fig. 1.

Otto von Guericke.


Mengen von Elektricität zu erzeugen, als man je zuvor erhalten hatte. Dies ermöglichte
auch die Entdeckung neuer Erſcheinungen. So beobachtete Guericke als Erſter das Leuchten
der geriebenen Schwefelkugel im verfinſterten Locale und das gleichzeitig auf-
tretende, eigenthümlich kniſternde Geräuſch. Den elektriſchen Funken hat er aber
noch nicht geſehen; dafür fand er die elektriſche Abſtoßung. Leichte Körperchen
wurden von der geriebenen Schwefelkugel angezogen, flogen aber bald wieder weg.
Die Urſache dieſer Erſcheinung, nämlich Mittheilung gleichnamiger Elektricität
von Seite der Kugel an die Körperchen und dadurch bewirkte Abſtoßung, wurde
aber erſt ſpäter gefunden.


Zu Guericke’s Zeit wurde auch zum erſtenmale das elektriſche Leuchten ſtark
verdünnter Gaſe, beziehungsweiſe Dämpfe beobachtet. Picard erhielt nämlich dieſe
[10] Erſcheinung im Vacuum eines ungenügend ausgekochten Barometers, bei deſſen
Schütteln durch Reibung des Queckſilbers an der Innenfläche der Glasröhre
Elektricität erregt wurde, welche dann die zurückgebliebenen Reſte der Luft und
Queckſilberdämpfe zum Leuchten brachte. Picard wußte jedoch nicht, daß die Urſache
des Leuchtens in der Elektricitätserregung zu ſuchen ſei.


Eine weitere Bereicherung wurde der Elektricität durch Robert Boyle
und Dr. Wall zu Theil. Erſterer fand, daß die elektriſche Anziehung auch in
dem durch eine Luftpumpe erzeugten Vacuum ſtattfinde, und Letzterem gelang es,
den elektriſchen Funken hervorzurufen. Als er ein großes Stück Bernſtein mit Woll-
zeug rieb, ſah er erſteren nicht nur leuchten, ſondern bekam auch bei Annäherung
des Fingers an den Bernſtein einen Funken, der mit Kniſtern auf den Finger
überſprang. Auch entging ihm nicht das Blaſen der elektriſchen Entladung und
das eigenthümliche Gefühl, welches der überſpringende Funke in der Hand verurſachte.

Figure 2. Fig. 2.

Guericke’s Schwefelkugel.


Beachtenswerth iſt Wall’s Aeußerung, daß
der Funke und das Geräuſch eine gewiſſe
Aehnlichkeit mit Blitz und Donner habe. Er
veröffentlichte ſeine Experimente im Jahre 1698.
Ein ungefähr 20 Jahre vorher von Newton
angeſtellter Verſuch, beſtehend in der elektri-
ſchen Ladung einer Glasplatte, fand damals
keine Beachtung.


Es wurde bereits erwähnt, daß Picard
das elektriſche Leuchten in der Barometerleere
beobachtet hat, ohne jedoch den Grund dieſer
Erſcheinung angeben zu können. Wie weit
man in der Erklärung derſelben fehlte, zeigt
ſchon der Name, welchen man dieſer Er-
ſcheinung beilegte, ſie hieß damals „mercuria-
liſcher Phosphor“. Dufay ſprach ſogar die
Anſicht aus, das Leuchten habe darin ſeinen
Grund, daß das Queckſilber beim Auskochen
Feuertheilchen in ſich aufnehme, welche nach-
her wieder langſam in die Barometerleere
entweichen. Die richtige Erklärung der in
Rede ſtehenden Erſcheinung brachte endlich Hawksbee bei, der zu Beginn des
achtzehnten Jahrhundertes lebte. Er erreichte dies, indem er verſchiedene Glas-
gefäße, welche Queckſilber enthielten, mit der Luftpumpe auspumpte und dann in
Bewegung ſetzte. Durch das auf dieſe Art hervorgerufene lebhafte Leuchten kam er
eben zu der Anſicht, das beobachtete Phänomen ſei elektriſcher Natur. Dies ver-
anlaßte ihn auch, eine Elektriſirmaſchine nach Art jener von Guericke zu bauen, nur
mit dem Unterſchiede, daß er an Stelle der Schwefelkugel eine ſolche aus Glas
ſetzte. Hierbei konnte ihm die Thatſache nicht entgehen, daß das Glas zur Elektri-
citätserregung vorzüglich geeignet ſei. War die Glaskugel ausgepumpt, ſo leuchtete
ſie lebhaft und gab auch Funken bis zu einem Zoll Länge. Hawksbee unterſuchte
ferner Kugeln aus anderen Stoffen, wie z. B. aus Siegellack, einem Gemiſche
von Harz und Ziegelmehl u. ſ. w., und fand bei dieſen Verſuchen allerdings
eine nach den angewandten Stoffen wechſelnde Stärke der erzeugten Elektricität, der
Artunterſchied zwiſchen poſitiv und negativ blieb ihm aber verborgen, was bei
[11] einem ſonſt ſo aufmerkſamen Beobachter auffallen muß. Hawksbee muß aber doch
zu jenen Männern gerechnet werden, die ſeit Gilbert’s Tod — alſo in einem
Zeitraume von mehr als hundert Jahren — die Lehre von der Elektricität noch
verhältnißmäßig am meiſten gefördert haben. Die Fortſchritte, die man ſeit Gilbert
machte, waren im Ganzen und Großen ziemlich unbedeutende. Man fand noch
einige neue Körper, die durch Reiben elektriſch werden können, fügte zu der elektriſchen
Anziehung auch die Abſtoßung und beobachtete den elektriſchen Funken, ſowie deſſen
mechaniſche Wirkung auf die Hand und deſſen Geräuſch beim Ueberſpringen. Ferner
hatte man das elektriſche Leuchten verdünnter Gaſe geſehen und den erſten,
allerdings ſehr primitiven Verſuch zum Baue einer Elektriſirmaſchine gemacht. Obwohl
man mit beiderlei Elektricitätsarten experimentirte, war doch deren Unterſchied
nicht bekannt, ebenſowenig wie die Elektricitätsleitung, die in der Erſcheinung
der elektriſchen Abſtoßung doch auch ſchon beobachtet, aber nicht als ſolche erkannt
wurde.


Dieſe beiden im Keime bereits vorhandenen, hochwichtigen Entdeckungen zur
Reife gebracht zu haben, iſt das Verdienſt von Gray und Dufay.


Ueber die Lebensverhältniſſe von Stephan Gray iſt wenig bekannt, man
weiß nicht einmal ſein Geburtsjahr anzugeben. Sein Tod erfolgte im Jahre 1736
zu London, wiſſenſchaftliche Publicationen von ihm fand man jedoch ſchon aus dem
Jahre 1696. Seine Verſuche, die elektriſchen Erſcheinungen betreffend, fallen in den
Zeitraum um das Jahr 1729. Seine wichtigſte Entdeckung iſt die der Elektricitäts-
mittheilung, welche ihn auf den Unterſchied zwiſchen Elektricitätsleiter und Nicht-
leiter brachte.


Gray unterſuchte einſt eine elektriſche Glasröhre auf die Stärke ihrer An-
ziehungskraft, einmal mit offenen Enden und einmal auf beiden Seiten mit Kork-
ſtöpſeln verſchloſſen. Die Anziehungskraft der Röhre blieb zwar in beiden Fällen
dieſelbe, aber er bemerkte, daß nun auch die vorher nicht geriebenen Korkſtöpſel im
Stande ſeien, leichte Körperchen anzuziehen und abzuſtoßen, geradeſo wie die
geriebene Glasröhre. Nach dieſer Beobachtung konnte Gray nicht zweifeln, daß
das Glas ſeine elektriſche Anziehungskraft dem Korke mitgetheilt haben müſſe. Als
aufmerkſamer Forſcher verfolgte er dieſe Erſcheinung und ſuchte den Verſuch in
verſchiedener Weiſe zu variiren. In den Korkſtöpſel wurden mit Elfenbeinkugeln
verſehene Holzſtäbchen geſteckt, die Holzſtäbchen dann durch Metalldrähte erſetzt und
immer wieder erhielt die Kugel die Eigenſchaft leichte Körperchen anzuziehen, ſobald
die Glasröhre gerieben wurde. Schon bei dieſen Verſuchen zeigte ſich, daß der
Draht nicht ſo lebhaft Körperchen anzog wie die Holzſtäbchen — eine Erſcheinung,
die bereits auf die verſchiedene Leitungsfähigkeit der Körper für Elektricität hin-
deutete. Dies zeigten jedoch die weiteren Verſuche von Gray noch viel deutlicher
und führten endlich zur Unterſcheidung von Leiter und Nichtleiter. Der Gang der
Verſuche nahm hierbei folgenden Verlauf: Gray nahm nun längere Drähte, aber
bald wurde er durch das Schwingen derſelben während des Reibens der Röhre
beläſtigt, was ihn veranlaßte, die Drähte durch Bindfaden zu erſetzen. An einem
derartigen Bindfaden befeſtigt, ließ er die Kugel über den Balcon ſeines Hauſes
hinabhängen, rieb dann die Glasröhre, an welcher das andere Ende des Bindfadens
befeſtigt war, und fand zu ſeiner Freude, daß die Elektricität der Glasröhre ſelbſt
durch den nun bereits über 20 Fuß langen Faden immer noch bis zur Kugel
fortgeleitet wurde. Er wollte nun die Länge des Fadens noch mehr vergrößern
und führte denſelben daher zunächſt horizontal weiter und ließ erſt die andere Hälfte
[12] hinabhängen; hierbei hatte er den Bindfaden an einer Schlinge desſelben Materiales
aufgehängt. Als er nun abermals verſuchte, die Kugel am Ende des langen
Fadens durch Reiben der Glasröhre zu elektriſiren, mißlang das Experiment. Er
erkannte ganz richtig als Urſache des Mißlingens die Ableitung der Elektricität
durch die zur Aufhängung dienende Schlinge, gelangte aber zu keiner weiteren
Verfolgung der Verſuche.


Im Jahre 1729 ſprach er jedoch darüber mit Granville Wheler, welcher
ſich dahin äußerte, es möge wohl zweckmäßiger ſein, ſich der Seidenfäden zur Auf-
hängung zu bedienen, da dieſe wegen ihrer bedeutend größeren Feſtigkeit viel dünner
ſein könnten als die Hanffäden und daher wegen ihres geringen Querſchnittes
vielleicht weniger Elektricität ableiten würden. Gray führte dieſe Abänderung des
Verſuches aus und auf dieſe Art gelang abermals die Elektriſirung der Kugel. Ja
er konnte den auf Seidenfäden aufgehängten Hanffaden bis gegen 800 Fuß ver-
längern und noch immer zog die Kugel leichte Körperchen an. Nun riſſen ihm bei einem
dieſer Verſuche die Seidenfäden, was ihn veranlaßte, dieſe durch ebenſo ſtarke Meſſing-
drähte zu erſetzen. Bei dieſer Anordnung konnte die Elektriſirung der Kugel abermals
nicht erreicht werden. Gray ſetzte ſeine Experimente fort und lernte im Verlaufe
derſelben noch verſchiedene andere Stoffe kennen, welche die Elektricität nicht leiten.
Er elektriſirte einen Knaben, welcher in horizontaler Lage an Haarſchnüren auf-
gehängt war oder auf einem Harzkuchen ſtand, indem er deſſen Körper mit der
geriebenen Glasſtange berührte, und erregte namentlich durch dieſes Experiment Auf-
ſehen unter ſeinen Zeitgenoſſen. Er elektriſirte Waſſer und fand auch, daß es nicht
nöthig ſei, den zu elektriſirenden Körper mit der Glasröhre unmittelbar zu berühren,
ſondern daß es ſchon genüge, die Glasſtange in der Nähe zu halten. Auch wußte
er, daß die Elektriſirung eines Körpers nicht von deſſen Maſſe, ſondern nur von
der Oberfläche abhängt.


Zur ſelben Zeit, wie Gray, beſchäftigte ſich auch Dufay oder wie ſein voller
Name lautet: Charles François de Eiſternay du Fay, mit elektriſchen
Experimenten. Als Sohn eines Gardelieutenants im Jahre 1698 zu Paris ge-
boren, widmete er ſich zunächſt auch dem Kriegsdienſte und machte im ſpaniſchen
Erbfolgekriege auch einige Schlachten mit. Er brachte es bis zum Hauptmanne,
nahm aber dann ſeine Entlaſſung und warf ſich auf das Studium der Chemie
und Phyſik. Im Jahre 1732 wurde er Intendant des botaniſchen Gartens, gab
aber deſſenungeachtet neben dem Studium der Botanik ſeine phyſikaliſchen Experi-
mente nicht auf. Im Jahre 1739 erlag er den Blattern. Seine elektriſchen Ver-
ſuche fallen in die Jahre 1733 bis 1739. Er unterſuchte eine große Anzahl von
Körpern auf ihre Eigenſchaft, durch Reibung elektriſch zu werden, und fand, daß
alle Körper elektriſch werden können, mit Ausnahme der Metalle und Flüſſigkeiten.
Auch gab er als Urſache dieſer Ausnahme an, daß die letzterwähnten Körper die
Elektricität gut weiterleiten und eben deshalb nicht elektriſch werden oder den
elektriſchen Zuſtand erhalten können. Auch legte er den Grund zur ſpäter erfolgten
Erfindung des Elektrometers, indem er Fäden aus verſchiedenen Materialien über
eine Eiſenſtange hängen ließ, welche an ſeidenen Schnüren in der Schwebe er-
halten wurde. Näherte man nun die geriebene Glasſtange der Eiſenſtange, ſo
mußten ſich die einzelnen Fäden abſtoßen, alſo auseinandergehen, und man konnte
dabei bemerken, daß die Größe der Abſtoßung je nach der Natur der Fäden eine
verſchiedene war. Dufay beobachtete auch, daß die Leitungsfähigkeit eines Fadens
durch Naßmachen ſich ſteigern läßt; er konnte durch dieſes Verfahren Elektricität
[13] durch einen 1256 Fuß langen Faden fortleiten. Beſonderes Aufſehen machte es,
als Dufay ſelbſt aus einem lebendigen Körper, dem eines Knaben, Funken zog,
die mit kniſterndem Geräuſche überſprangen und jenes eigenthümliche Stechen auf
der Haut verurſachten.


Die Reſultate ſeiner Forſchungen faßte er in einigen Sätzen zuſammen, welche
die in damaliger Zeit bekannten Thatſachen in eine gewiſſe Ordnung und Ueberſicht-
lichkeit brachten; ſie lauten folgendermaßen: Elektriſche Körper ziehen alle unelek-
triſchen Körper an, theilen ihnen Elektricität mit und ſtoßen ſie dann ab; ferner,
es giebt zwei Arten der Elektricität, nämlich Glaselektricität und Harzelektricität.
Dieſe beiden ſind einander entgegengeſetzt.


Die Reſultate, welche Gray und Dufay durch ihre Arbeiten und Forſchungen
errungen hatten, erweckten das Intereſſe für die elektriſchen Erſcheinungen nachhaltig
und in weiteren Kreiſen. Von nun an treten keine ſo langen Zwiſchenpauſen in
der Erweiterung und Ausbildung der Elektricitätslehre mehr ein, ſondern iſt viel-
mehr ein ſtetiger Fortſchritt zu verzeichnen.


So hatte man ſich bisher z. B. zur Erregung von Elektricität ſtets
der mit der Hand geriebenen Glasſtange bedient, und keiner der Forſcher kam auf
den Gedanken, die in ihren Rudimenten von Guericke und Hawksbee angegebene
Elektriſirmaſchine weiter auszubilden und zu vervollkommnen. Jetzt war indeſſen
das Intereſſe im erhöhten Maße erregt, und dies hatte zur Folge, daß auch in
dieſer Richtung Fortſchritte gemacht und Verbeſſerungen erzielt wurden. Litzen-
dorf
, ein Schüler des Mathematik-Profeſſors Chriſtian Auguſt Hauſen (1693 bis
1743), ſchlug nämlich vor, die Glasröhre durch eine Glaskugel zu erſetzen und
dieſe durch ein Rad zum Drehen zu bringen. Der genannte Profeſſor nahm dieſe
Idee auf und baute nach dieſem Principe eine Elektriſirmaſchine. Die Zweckmäßigkeit
der Anwendung einer rotirenden Glaskugel, welche bereits Hawksbee eingeſehen
hatte, wurde alſo zum zweitenmale feſtgeſtellt. Aber auch jetzt behielt man noch
die menſchliche Hand als Reibzeug bei. Profeſſor Georg Mathias Boſe fügte
nun zu dieſer Elektriſirmaſchine den erſten Conductor; dieſer beſtand aus einem
beiderſeits offenen, cylindriſchen Rohre aus Eiſenblech, welches Boſe zuerſt von
einer Perſon halten ließ, die er auf einen Harzkuchen ſtellte. Dieſen lebendigen Träger
erſetzte er dann durch Seidenſchnüre.


Bei ſeinen Verſuchen mit dieſer Maſchine bemerkte er auch, daß die Perſon,
welche die Kugel rieb, ebenſo elektriſch wurde wie ſein Conductor. Er benützte dies
zu einer Spielerei, die allgemeines Aufſehen erregte. Die Perſon wurde nämlich
auf einen großen Harzkuchen geſtellt und mit einer Art Rüſtung bekleidet. Sobald
die Perſon Elektricität empfing, entwickelte ſich an allen Körpertheilen ein elektri-
ſcher Schein, der ſchließlich das ganze Haupt umwallte und dieſes wie eine Gloriole
umgab; man nannte dieſen Verſuch „Beatification“.


Außerdem brachte Boſe aber auch die Entzündung von Schießpulver zuwege
und conſtatirte ferner, daß die Körper durch Elektriſirung nicht ſchwerer würden.
Boſe ſtarb im Jahre 1761 auf der Feſtung Magdeburg, wohin er als Geiſel
während des ſiebenjährigen Krieges von den Preußen gebracht worden war.


Aber auch von anderen Seiten ſchenkte man der jetzt in Mode gekommenen
Elektriſirmaſchine Aufmerkſamkeit und dachte an deren Verbeſſerung. Andreas
Gordon
, Profeſſor zu Erfurt, welcher auch mancherlei kleine elektriſche Spielereien
erfand, erſetzte die Glaskugel durch einen Glascylinder. Von bedeutend größerer
Wichtigkeit war jedoch die Erfindung des Reibzeuges durch den Drechsler
[14]Gieſſing in Leipzig. Unter Anleitung von Johann Winkler, welcher 1770 als
Profeſſor der claſſiſchen Sprachen und der Phyſik in Leipzig ſtarb, verfertigte
Gieſſing ein Reibzeug, beſtehend aus einem wollenen Kiſſen, welches durch Metall-
federn an den Glascylinder angedrückt wurde. Die Elektriſirmaſchine beſaß nun
Reibzeug und Conductor, war alſo dem Principe nach vollendet; die mechaniſche
Ausführung ließ allerdings noch viel zu wünſchen übrig.


Weitere Veränderungen, die in England und Deutſchland an der Elektriſir-
maſchine gemacht wurden, ſowie auch die verſchiedenen Experimente, wie Ent-
zünden von Flüſſigkeiten, Elektriſiren von Waſſer u. ſ. w., brachten keinen weiteren
Fortſchritt mit ſich, können daher füglich übergangen werden. Wichtig ſind hin-
gegen die Verbeſſerungen, welche Benjamin Wilſon (beiläufig 1746) und John
Canton
(1762) an der Elektriſirmaſchine anbrachten. Der Erſtere rüſtete nämlich
den Conductor mit einem Collector, d. h. einem Kamme von Saugſpitzen aus und der
Letztere führte die Belegung des Reibkiſſens mit Zinnamalgam ein. Durch dieſe beiden
Verbeſſerungen wurde die Leiſtungsfähigkeit der Elektriſirmaſchine bedeutend erhöht.


Die Ehre, an Stelle des Glascylinders die Glasſcheibe, welche die gegen-
wärtig faſt ausſchließlich in Anwendung kommende Form bildet, geſetzt zu haben,
legt ſich eine ganze Reihe von Männern bei. Poggendorff hält es aber für er-
wieſen, daß Planta aus Süß im Engadin der Erſte geweſen ſei, der ſich der
Scheibenmaſchine bediente. Dieſe wurde nun bald in ſehr bedeutenden Dimenſionen
ausgeführt, und die mit ihr erhaltenen Reſultate waren auch dem entſprechend.
So wurde auf Veranlaſſung des Duc de Chaulnes eine Maſchine gebaut, deren
Scheibe einen Durchmeſſer von 5 Fuß beſaß und Funken bis zu 22 Zoll Länge
gab. Erwähnt man noch der Angabe eines zweckmäßigen Amalgames für die
Reibkiſſen durch Kienmayer in Wien und der Anbringung des nach dem Wiener
Elektriker Winter benannten Ringes am Conductor, ſo iſt die Entwicklungs-
geſchichte der Reibungs-Elektriſirmaſchine vollendet.


Wenden wir uns nun einer anderen Gruppe von Entdeckungen und Er-
findungen zu, welche gleich bei ihrem Bekanntwerden großes Aufſehen erregten; es
ſind dies die Entdeckung der elektriſchen Condenſation, die Erfindung der Ver-
ſtärkungsflaſche und die hierauf beruhenden Experimente. Unſerem Gewährsmanne,
Poggendorff, folgend, haben wir die Erfindung der Verſtärkungsflaſche dem Dechant
des Domcapitels zu Kammin in Pommern, von Kleiſt, zuzuſchreiben. Im Jahre 1745
näherte dieſer ein Medicinglas, in deſſen Hals ein Eiſennagel ſteckte, ſeiner Elek-
triſirmaſchine. Als er nun zufällig mit einer Hand den Nagel berührte, indeß die
andere Hand das Glas hielt, bekam er zu ſeinem größten Schreck einen heftigen
Schlag. Nichtsdeſtoweniger verfolgte er dieſes Experiment weiter und theilte es
auch verſchiedenen Perſonen mit.


Beinahe zur ſelben Zeit führten die elektriſchen Verſuche, welche Pieter
van Musſchenbroek
in Holland anſtellte, zu derſelben Entdeckung. Musſchenbroek
(zuletzt Profeſſor in Leyden), hatte wiederholt beobachtet, daß elektriſche Körper
ihre Elektricität raſch verlieren, wenn ſie von gewöhnlicher Luft umgeben ſind.
Um dies zu vermeiden, elektriſirte er Waſſer ſtatt in einer offenen Schale in einer
Glasflaſche und führte die Elektricität durch einen hineingeſteckten Metalldraht dem
Waſſer zu. Cunaeus aus Leyden, welcher mit Musſchenbroek experimentirte, hielt
nun einſt die Flaſche während der Ladung des Waſſers in der Hand und griff
dann, um die Flaſche von dem Conductor zu entfernen, mit der anderen Hand nach
dem Zuleitungsdrahte. Sofort erhielt er einen ebenſolchen Schlag wie Kleiſt. Eine
[15] Wiederholung des Verſuches durch Musſchenbroek flößte dieſem ein ſolches Entſetzen
ein, daß er an den berühmten Réaumur ſchrieb, „er möge ſich für die Krone
Frankreichs nicht zum zweitenmale den Wirkungen dieſes Verſuches ausſetzen“.
Durch Réaumur erfuhr auch der Abt Nollet in Paris die neue Entdeckung,
und er war es, welcher die Bezeichnung Leydener Flaſche einführte. Es iſt nicht
zu verwundern, daß ein ſo überraſchendes Experiment auch andere Forſcher ver-
anlaßte, dasſelbe nachzumachen und zu ſtudiren. Zu dieſen gehören z. B. Winkler,
Gralath, Le Monnier, Bevis
u. A. Namentlich Winkler in Leipzig ſcheint
ſehr kräftige Ladungen verſucht zu haben, denn er erzählt, die Wirkungen des
Schlages hätten ihm ſtarke Convulſionen verurſacht und er hätte im Kopfe den
Schlag mehrere Tage lang verſpürt. Auch habe ſeine Gattin in Folge zweier Schläge
kaum gehen können; die wackere Frau ſcheute ſich nicht, mit ihrem Manne die
Gefahren des Experimentes zu theilen. Da aber Winkler fernerhin weder ſeine Frau
noch ſich ſelbſt dieſen Gefahren ausſetzen wollte, dachte er daran, die Entladung
der Flaſchen durch beſondere Anordnungen, ohne Zuhilfenahme einer Perſon zu
bewerkſtelligen. Die diesbezüglichen Verſuche führten ihn zur Conſtruction der
elektriſchen Batterie, freilich in einer ſehr primitiven Ausführung und ohne die
Urſache ihrer Wirkſamkeit zu kennen.


Gralath ſchaltete in den Entladungskreis einer Kleiſt’ſchen Flaſche 20 Per-
ſonen ein, indem er dieſe ſich bei den Händen halten ließ; er fand auch, daß die
Flaſche mit einer Entladung nicht ihre ganze Kraft verliert, ſondern nach einiger
Zeit einen zweiten Funken geben kann, entdeckte alſo den Ladungsrückſtand. Aehnliche
Verſuche, aber im größeren Maßſtabe, führte Abt Nollet in Frankreich aus, tödtete
durch den Entladungsſchlag der Flaſche kleine Thiere und ſprach auch bereits die
richtige Anſicht aus, daß das Waſſer in der Flaſche nur zur Leitung der Elek-
tricität an die Innenwand diene. Auch Le Monnier machte eine Reihe von Ver-
ſuchen und veröffentlichte deren Ergebniß im Jahre 1746; er führte z. B. den
Entladungsſchlag durch eine Eiſendrahtleitung von 2000 Toiſen Länge, leitete
denſelben durch Waſſer und verſuchte auch die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit der
Elektricität im Eiſendrahte zu meſſen — allerdings ohne Reſultat. William Watſon
führte die Entladung der Flaſche ſogar durch einen Eiſendraht von zwei engliſchen
Meilen Länge und eine ebenſo lange Strecke des Erdbodens, alſo im Ganzen durch
einen Schließungsbogen von vier engliſchen Meilen Länge; auch er verfolgte hierbei
den Zweck, die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit der Elektricität zu meſſen, aber eben-
falls ohne Reſultat; er fand, daß ſie eine augenblickliche oder doch zu große ſei,
um nach ſeiner Methode gemeſſen werden zu können.


Dr. Bevis kam dann auf den Gedanken, die Flaſche an ihrer Außenſeite
mit Zinnfolie zu überkleiden, fand alſo die äußere Belegung. Nicht lange darauf
verſuchte er eine auf beiden Seiten belegte Glastafel zu laden und bekam bei ihrer
Entladung wirklich auch einen kräftigen Schlag. Dies gab Watſon die Ver-
anlaſſung, zum erſtenmale eine vollkommene Kleiſt’ſche Flaſche herzuſtellen. Zu
dem Ende überkleidete er thönerne Gefäße bis nahe an ihre obere Oeffnung innen
und außen mit Silberfolie. Watſon ſah zwar ein, daß die Kraft der Flaſche
von der Größe der Belegungsfläche abhänge, aber über ihre Wirkungsart konnte
er keine Rechenſchaft geben.


Hierüber brachte Benjamin Franklin Aufklärung. Er erblickte als
ſiebzehntes Kind eines Seifenſieders auf der zu Boſton gehörigen Governorsinſel
am 17. Januar 1706 das Licht der Welt. Anfänglich beſtimmte ihn ſein Vater
[16] zum Studium der Theologie, mußte jedoch wegen Mittelloſigkeit dieſe Abſicht
wieder aufgeben, und ſo nahm er den damals zehnjährigen Benjamin zu ſich in
ſein Geſchäft. Der Widerwille, den aber Letzterer gegen die Seifenſiederei zeigte, bewog
ſeinen Vater bereits nach zwei Jahren, einem älteren Bruder, der eine Buchdruckerei
beſaß, den jungen Benjamin in die Lehre zu geben. Hier las er in ſeinen freien
Stunden mit einer wahren Leidenſchaft und wurde dadurch angeregt, ſich in
der Schriftſtellerei zu verſuchen. Das erſte Reſultat waren einige Balladen, die er
ſelbſt zum Verkaufe in der Stadt herumtrug. Später ſchrieb er Artikel für die
von ſeinem Bruder herausgegebene Zeitung und übernahm ſchließlich auch die

Figure 3. Fig. 3.

Benjamin Franklin.


Redaction des Blattes. Im
Jahre 1724 machte er ſeine
erſte Reiſe nach London,
wo er das Nöthige zur
Einrichtung einer Druckerei
in Philadelphia einkaufen
wollte. Er führte jedoch
dieſen Plan nicht aus,
ſondern trat in die berühmte
Palmer’ſche Druckerei ein.
Im Jahre 1728 errichtete
er endlich eine eigene
Druckerei, die er bald zu
einer ſehr gedeihlichen Ent-
wicklung brachte. Nun
heiratete er auch die mit
ihm ſchon ſeit 1724 ver-
lobte Miß Read. Er ver-
größerte ſein Geſchäft, er-
richtete eine Buch- und
Papier-Handlung, ward
Gründer vieler humanitärer
Anſtalten und betheiligte
ſich überhaupt in hervor-
ragender Weiſe am öffent-
lichen Leben. Aus dieſer
Zeit (um 1740) datiren
auch ſeine elektriſchen Ver-
ſuche. Im Jahre 1753 wurde er zum Generalpoſtmeiſter aller engliſch-
amerikaniſchen Colonien ernannt und nun faßte er den Gedanken einer Bundesver-
faſſung und Vereinigung aller Colonien unter einer Centralregierung. Im Jahre 1757
trat er als pennſylvaniſcher Geſchäftsträger ſeine zweite Reiſe nach England an und
führte als ſolcher die Regulirung von Steuerangelegenheiten auch zu einem befriedigenden
Ende. Im Jahre 1766 brachen in Philadelphia die Unruhen wegen der Stempelacte
aus, und Franklin ging neuerdings als Agent Pennſylvaniens und anderer Staaten
nach England. Hier vertrat er in energiſcher Weiſe die Rechte der Colonien,
wodurch er ſich das Mißtrauen der engliſchen Regierung zuzog und ſeine General-
poſtmeiſterſtelle verlor. Im März 1775 finden wir ihn wieder in Philadelphia,
wo er, an der Spitze des Sicherheitsausſchuſſes ſtehend, zuerſt für die Unabhängig-
[17] keit der Colonien ſprach und am 4. Juli 1776 die Unabhängigkeitserklärung
thatſächlich zu Stande brachte. Im Jahre 1778 ſchloß er in Paris als Bevoll-
mächtigter der dreizehn vereinigten Staaten Nordamerikas einen Allianzvertrag ab.
Auch der Friedensabſchluß im Jahre 1783 iſt weſentlich ſeinen Bemühungen zu
verdanken. Bis zum Jahre 1788 blieb er noch politiſch in hervorragender Weiſe
thätig; dann zwang ihn aber das herannahende Alter und ſein Steinleiden, ſich
zurückzuziehen. Am 17. April 1790 ſtarb er als Amerikas größter Bürger. Ihm
zu Ehren ordnete der Congreß eine Nationaltrauer in der Dauer eines Monates
an. Die Inſchrift für ſeinen Grabſtein hatte er ſich ſelbſt verfaßt; ſie lautet: „Hier
liegt der Leib Benjamin Franklin’s, eines Buchdruckers (gleich dem Deckel eines
alten Buches, aus welchem der Inhalt herausgenommen und der ſeiner Inſchrift
und Vergoldung beraubt iſt), eine Speiſe für die Würmer; doch wird das Werk
ſelbſt nicht verloren ſein, ſondern (wie er glaubt) dereinſt erſcheinen in einer neuen,
ſchöneren Ausgabe, durchgeſehen und verbeſſert von dem Verfaſſer.“


Treffend faßte d’Alembert die Thaten des großen Mannes zuſammen in dem
Hexameter, welchen er auf eine vom Bildhauer Houdon verfertigte Büſte Frank-
lin’s ſetzte:
Eripuit coelo fulmen, sceptrumque tyrannis.
(Er entriß dem Himmel den Blitz und das Scepter den Tyrannen.)


Es wurde bereits angedeutet, daß Franklin es war, der in das bisher un-
aufgeklärte Verhalten der Kleiſt’ſchen Flaſche Aufklärung brachte; darin beſtand eben
eine ſeiner wichtigſten Entdeckungen. Er fand nämlich, daß eine iſolirt aufgehängte
Korkkugel nach ihrer Berührung mit der inneren Belegung einer Flaſche von der
äußeren Belegung der letzteren abgeſtoßen wird und umgekehrt; eine Kugel, welche
von der äußeren Belegung Elektricität erhielt, wurde von einem mit der inneren
Belegung in leitender Verbindung ſtehenden Drahte abgeſtoßen. Auch führte er
Drähte von der äußeren und inneren Belegung bis auf eine kleine Entfernung
gegeneinander und ließ in den noch übrig bleibenden Zwiſchenraum eine Korkkugel
hängen; dann wurde die Korkkugel einmal von dem einen, einmal von dem anderen
Drahtende angezogen und pendelte ſo lange zwiſchen beiden hin und her, bis die
Flaſche entladen war.


Auf Grund dieſer und noch anderer Experimente gab Franklin eine Er-
klärung des Verhaltens einer Kleiſt’ſchen Flaſche und ſtellte zugleich eine Theorie
der Elektricität überhaupt auf. Nach ſeiner Anſicht ſollte nur eine einzige elek-
triſche Materie exiſtiren, von welcher der eine Körper mehr, der andere weniger
beſitzt, je nach ſeiner Natur. Der Zuſtand eines Körpers, den wir elektriſch nennen,
ſollte darin beſtehen, daß dieſer Körper einen Ueberſchuß oder einen Mangel an
der ihm ſeiner Natur nach zukommenden Elektricitätsmenge aufzuweiſen habe. Im
erſteren Falle iſt der Körper poſitiv elektriſch, im letzteren jedoch negativ. Wird
alſo z. B. durch Reiben zweier Körper gegeneinander Elektricität erregt, ſo
geht bei dieſem Proceſſe ein Theil der Elektricität des einen Körpers in den
anderen über und letzterer wird poſitiv elektriſch; der andere Körper hingegen ver-
liert elektriſche Materie und erſcheint als negativ elektriſirter Körper. Beide Körper
können ihr elektriſches Gleichgewicht wieder herſtellen, d. h. alſo unelektriſch werden,
wenn man ſie durch einen Elektricitätsleiter miteinander verbindet.


Dieſe Theorie auf die Erſcheinungen in der Kleiſt’ſchen Flaſche angewandt,
giebt für dieſe folgende Erklärung: Führt man der inneren Belegung Elektricität
Urbanitzky: Elektricität. 2
[18] zu, ſo wird der äußeren Belegung genau ebenſo viel Elektricität entzogen, welche
durch den mit der äußeren Belegung in Verbindung ſtehenden Leiter oder durch
die die Flaſche haltende Hand abfließt. Da das Glas für Elektricität undurch-
läſſig iſt, kann ſich das elektriſche Gleichgewicht durch dieſes hindurch nicht wieder
herſtellen: die Flaſche iſt geladen. Verbindet man nun aber die äußere und innere
Belegung der Flaſche durch einen Leiter, ſo ſtrömt der Ueberſchuß elektriſcher
Materie von der einen (der poſitiven) Belegung zu der anderen (der negativen)
über und der urſprüngliche Gleichgewichtszuſtand wird wieder hergeſtellt, d. h. die
Flaſche entladen. Dieſe beſitzt alſo vor und nach der Ladung immer die gleiche
Geſammtmenge der elektriſchen Materie und ändert durch die Ladung nicht die
Quantität, ſondern nur die Vertheilung.


Unvergänglichen Ruhm als Phyſiker erwarb ſich jedoch Franklin durch die
Erfindung des Blitzableiters. Er wurde darauf hingeführt durch die Ueberzeugung,
daß der Blitz eigentlich nichts Anderes ſei, als ein ſehr mächtiger elektriſcher Funke.
Nicht daß er der Erſte geweſen wäre, welcher dieſe Anſicht ausſprach, denn wie
wir wiſſen, dachten ſchon Wall, Nollet und namentlich Winkler ebenſo, aber
dieſe Anſicht fand erſt dann die verdiente Beachtung, als Franklin ſie nicht nur
klar und deutlich ausſprach, ſondern auch Experimente zu ihrer Prüfung vorſchlug; es
geſchah dies im Jahre 1750. Franklin ließ es jedoch vorläufig bei dem bloßen Vor-
ſchlage des Experimentes bewenden. Der Ruhm, als Erſte dieſes Experiment wirklich
angeſtellt zu haben, gebührt nach Poggendorff den Franzoſen Dalibard und Delor.


Dalibard hatte,“ erzählt Poggendorff, „zu Marly-la-ville, ſechs Stunden
von Paris, eine 40 Fuß hohe Eiſenſtange mit ſeidenen Schnüren an Pfähle be-
feſtigt, die ebenſo wie das untere Ende der Stange nicht vom Regen getroffen
werden konnten. Während ſeiner Abweſenheit hatte er einen von ihm für den Ver-
ſuch unterrichteten Wächter Namens Coiffier angeſtellt, und dieſer war es, der
am 10. Mai 1752 Nachmittags, als ein heftiges Gewitter vorüberzog, mittelſt
eines Drahtes die erſten Funken der vom Himmel herabgebrachten Elektricität aus
der Eiſenſtange herauszog. Die Funken waren 1½ Zoll lang, rochen nach Schwefel
und fuhren unter Kniſtern aus der Stange. Acht Tage darauf machte Delor in
ſeinem Hauſe zu Paris denſelben Verſuch mit einer 99 Fuß hohen Eiſenſtange in
Gegenwart des Königs Ludwig XV. und zu einer Zeit, wo zwar Gewitter-
wolken am Himmel ſtanden, es aber weder blitzte noch donnerte.“


Franklin ging erſt im Juni des Jahres 1752 daran, die Richtigkeit ſeiner
Anſicht experimentell zu prüfen, allerdings noch ohne von den in Frankreich unter-
nommenen Verſuchen Kenntniß zu haben. Zu ſeinem Verſuche diente ihm ein be-
kanntes Kinderſpielzeug, der fliegende Drache. Er verfertigte ſich einen ſolchen aus
zwei gekreuzten Holzſtäben, die er mit einem ſeidenen Taſchentuche überkleidete. Der
Kopf des Drachen trug eine lange eiſerne Spitze und wurde durch eine Hanf-
ſchnur geführt, die unten an einen Schlüſſel geknüpft war. Von letzterem ging
eine ſeidene Schnur aus, um ihn von der Hand zu iſoliren. So ausgerüſtet,
gelang es ihm auf einem freien Felde bei Philadelphia in Geſellſchaft ſeines
Sohnes, dem Schlüſſel Funken zu entlocken, als er den Drachen bei vorüber-
ziehenden Gewitterwolken aufſteigen ließ. Im September desſelben Jahres errichtete
er dann auf ſeinem Hauſe eine iſolirte Eiſenſtange und machte unter Vermittlung
derſelben mit atmoſphäriſcher Elektricität die gleichen Experimente wie früher mit
Hilfe der Elektriſirmaſchine. Er lud z. B. Kleiſt’ſche Flaſchen oder „zapfte den
Blitz auf Bouteillen“.


[19]

An der Identität des Blitzes mit dem Funken der Elektriſirmaſchine war ſonach
nicht mehr zu zweifeln. Franklin dachte aber, wenn man den Blitz aus den Wolken
herableiten könne, müſſe es auch möglich ſein, ihm ſeine ſchädliche Wirkung zu be-
nehmen. Da aber ein elektriſcher Funke nur dort überſpringt, wo ein Leiter unter-
brochen erſcheint
oder ſeine Leitungs-
fähigkeit nicht aus-
reicht, ſo müſſe
man ſich vor den
Wirkungen des
Blitzes dadurch
ſchützen können, daß
man Metallſtangen
von hinreichender
Stärke errichtet und
für deren gut-
leitende Verbin-
dung mit der Erde
Sorge trägt. Eine
ſolche Stange müſſe
dann eine vorüber-
ziehende Wolke ſuc-
ceſſive entladen
und ſo das Ueber-
ſchlagen eines
Blitzes überhaupt
hintanhalten oder
ſelbſt, wenn er trotz-
dem überſchlage,
ihn gefahrlos in
die Erde ableiten.
Dieſe Anſichten
ſprach Franklin klar
und deutlich aus
und gab auch Vor-
ſchriften zur Er-
richtung von Blitz-
ableitern. Und in
der That ließen die
Amerikaner mit der
praktiſchen Aus-
führung derſelben
nicht lange auf ſich
warten.


Figure 4. Fig. 4.

Franklin’s Drache.


In demſelben Jahre (1753) hatte auch Winkler in Deutſchland unabhängig
von Franklin die Aufſtellung von Blitzableitern warm befürwortet und wahr-
ſcheinlich war auch er die Veranlaſſung, daß ein aufgeklärter Prämonſtratenſer-
Chorherr, der Pfarrer Procopius Diviſch zu Prenditz in Mähren, in der
2*
[20] Nähe ſeiner Wohnung den erſten Blitzableiter aufſtellte. Unglücklicherweiſe war
der Sommer des Jahres 1756 ein ſehr trockener, was die unwiſſende Land-
bevölkerung dieſer Wetterſtange zuſchrieb und weshalb ſie ihre Entfernung erzwang.


Mit dem Studium der atmoſphäriſchen Elektricität, die nun zur Reibungs-
Elektricität hinzugekommen war, beſchäftigte ſich eine Reihe von Männern. Leider
ſollte es ſich hierbei auch in entſetzlicher Weiſe zeigen, wie gefahrvoll dieſe Experi-
mente waren. Profeſſor Nichmann in Petersburg hatte zum Studium der atmoſphä-
riſchen Elektricität in ſeinem Hauſe eine iſolirte Eiſenſtange aufgeſtellt, wie ſie

Figure 5. Fig. 5.

Richmann’s Wetterſtange.


die Figur 5 zeigt. Bei o tritt die Stange S
durch eine weite Oeffnung der Zimmerdecke in
das Zimmer ein, durchſetzt dasſelbe und wird
dann weiter bis in feuchtes Erdreich geleitet.
Innerhalb des Zimmers wird die Stange von
Holzkugeln h h gefaßt, welche an Glasſtangen
g g, die in die Mauer eingelaſſen ſind, befeſtigt
werden. Die Oeffnung in der Zimmerdecke iſt,
ſoweit ſie nicht von der Stange ausgefüllt wird,
durch eine Platte aus Spiegelglas verſchloſſen.
Würde die Stange ununterbrochen durch das
Zimmer gehen, ſo könnte man ihren elektriſchen
Zuſtand höchſtens durch die Ablenkung der
Magnetnadel beobachten, nicht aber die Spannung
ſtudiren und Funken herausziehen. Aus dieſem
Grunde iſt bei e ein Charnier angebracht,
welches geſtattet, den Theil c d zu drehen, ſo
daß der Zuſammenhang der Stange unterbrochen
wird (wie dies der punktirte Theil der Zeichnung
erkennen läßt). An der Stelle, wo die Stangen-
enden zuſammenſtoßen, ſind dieſe mit Meſſing-
kugeln d und e verſehen. Ferner trägt der be-
wegliche Arm zwei Hollundermarkkügelchen k;
das Auseinandergehen dieſer oder bei ſtarker
Spannung die zwiſchen den voneinander ent-
fernten Kugeln d e überſpringenden Funken
dienten zur Anzeige des elektriſchen Zuſtandes.


Als Richmann nun im Auguſt 1753
während eines aufſteigenden Gewitters ſich der
Stange näherte, um ihren elektriſchen Zuſtand
zu unterſuchen, fuhr ihm ein Feuerball aus der
Stange gegen den Kopf und ſtreckte ihn augenblicklich todt zu Boden. Der gleich-
zeitig anweſende Kupferſtecher Sokoloff ſtürzte gleichfalls zuſammen, erholte ſich
aber nach einiger Zeit wieder.


Vorſichtiger war De Romas in Nerac (Frankreich) zu Werke gegangen.
Er bediente ſich gleich Franklin eines Drachen, gab aber dieſem ſehr bedeutende
Dimenſionen. Er ließ ihn wiederholt an einer mit Eiſendraht durchflochtenen
Schnur, die in einer Seidenſchnur endigte, ſteigen und erhielt damit koloſſale
Wirkungen. So befeſtigte er einſt am unteren Ende der Drahtſchnur einen Cylinder
aus Eiſenblech, aus welchem er unter Donnerknall Feuermaſſen hervorbrechen ſah.
[21]

Figure 6. Fig. 6.

Richmann’s Tor.


[22] Im Auguſt 1757 erhielt er bei Anwendung eines entſprechenden Ausladers ſogar
Funken von 10 Fuß Länge.


Hatte auch das tragiſche Schickſal Richmann’s bedeutendes Aufſehen erregt
und die Gefahren derartiger Experimente in das grellſte Licht geſetzt, ſo ließ man
ſich dadurch doch keineswegs von weiteren Experimenten und Studien abſchrecken.
Forſcher wie Le Monnier, Beccaria und Cavallo arbeiteten rüſtig weiter.
Auch an die Anwendung der Elektricität in der Heilkunde wurde bereits gedacht.
Es iſt daher begreiflich, daß man nun auch Mittel und Wege ſuchte, um die
Elektricität zu meſſen. Das erſte praktiſch verwendbare Elektrometer conſtruirte
John Canton, der von 1718 bis 1772 in England lebte. Es iſt dies das
bekannte Hollundermarkkügelchen oder Korkkügelchen-Elektrometer, welches dann das
Vorbild für eine Reihe von Elektrometern wurde, welche im Principe von dem
Canton’s nicht abweichen.


Zur ſelben Zeit wurden auch Verſuche über die Fernwirkung elektriſcher
Körper auf unelektriſche gemacht, oder, wie man ſich damals ausdrückte, man
ſtudirte die elektriſche Atmoſphäre eines elektriſchen Körpers. Man hatte beobachtet,
daß zwei nebeneinander hängende Korkkügelchen ſich abſtoßen, wenn man denſelben
einen elektriſirten Körper auch nur annähert, alſo nicht die Kügelchen mit ihm
berührt. Dieſe Erſcheinung ſtudirten namentlich Aepinus und Wilke eingehend
und trugen viel zu ihrer Erklärung bei. Auch wurde durch deren Verſuche die
Unhaltbarkeit der Anſicht Franklin’s über die Kleiſt’ſche Flaſche dargethan, welcher
glaubte, das Verhalten der Flaſche oder Tafel ſei der beſonderen Structur des
Glaſes zu verdanken und dieſem ausſchließlich eigenthümlich.


Nun kam die für die Entwicklung der Elektricitätslehre wichtige Periode der
ſeidenen Strümpfe. Ein gewiſſer Esquire Robert Symmer in England eröffnete
dieſe elektriſche „Strumpfperiode“ im Jahre 1759. Genannter Esquire pflegte
nämlich ſeidene Strümpfe zu tragen, und zwar immer zwei Paare, ein weißes
unterhalb und ein ſchwarzes darüber. Beim Ausziehen derſelben bemerkte er nun,
ſobald nicht beiderlei Strümpfe gleichzeitig herabgezogen wurden, ein Kniſtern,
welches er bald der Erzeugung von Elektricität durch Reiben der Strümpfe an-
einander zuſchrieb. Ferner bemerkte er, daß die Strümpfe gleicher Farbe ſich gegen-
ſeitig abſtoßen, die ungleicher Farbe ſich aber anziehen und mit ſehr erheblicher
Kraft aneinander halten. Obwohl dieſe Verſuche an ſich eigentlich nichts Neues
lehrten, man kannte ja ſchon eine ganze Reihe von Körpern, die durch Reiben
elektriſch werden, ſo erregten Symmer’s Verſuche doch bedeutendes Aufſehen und
brachten die ſeidenen Strümpfe bei den Elektrikern ſehr in Mode. Immerhin würden
aber dieſe Verſuche für die Erweiterung der Kenntniſſe unſerer Wiſſenſchaft ohne
Belang geblieben ſein, wenn nicht Symmer daraus ganz neue Anſichten über das
Weſen der Elektricität geſchöpft hätte. Symmer kehrte nämlich wieder zu der ſchon
von Dufay ausgeſprochenen, aber damals nicht beachteten Theorie zurück, welche
zweierlei Elektricitäten annahm. Im natürlichen Zuſtande ſollten die Körper von
den beiden einander entgegengeſetzten Elektricitäten gleich viel beſitzen und beide
miteinander vereinigt ſein; durch Reiben werden ſie aber getrennt und nun er-
ſcheint der eine Körper entgegengeſetzt elektriſirt wie der andere.


Symmer konnte zu Gunſten ſeiner Theorie nur einen einzigen Verſuch an-
führen und der beſtand darin, daß er einen Funken durch Papier ſchlagen ließ;
dieſes zeigte ſich dann an der Durchſchlagsſtelle auf beiden Seiten aufgeworfen.
Dieſe Erſcheinung ließ ſich nach Franklin’s Theorie allerdings nicht gut erklären,
[23] denn da nach dieſer der elektriſche Funke nur der Ausgleich des Ueberſchuſſes der
Elektricität auf der einen Seite mit dem Mangel an Elektricität auf der anderen
Seite, alſo ein Ueberſtrömen von Elektricität in einer Richtung ſein ſollte, iſt es
nicht gut einzuſchen, warum die Ränder der Durchſchlagsſtelle auf beiden Seiten
des Papieres aufgebogen ſein ſollten. Symmer hingegen erklärte dies aus dem
Gegeneinanderſtrömen beider Elektricitätsarten. Obwohl dies nur ein vereinzelter
Verſuch war, wußte doch Symmer ſeiner Theorie bei den Phyſikern raſch Eingang
zu verſchaffen. Es verdient bemerkt zu werden, daß Franklin ſelbſt mit größter
Bereitwilligkeit an Symmer Inſtrumente und Apparate lieh, die dieſer zur Be-
wahrheitung ſeiner Theorie zu bedürfen glaubte. — Gewiß ein Zug eines wahrhaft
großen und edlen Geiſtes, der Nachahmung verdiente!


Symmer’s oder, richtiger geſagt, Dufay’s Theorie erhielt eine neue Stütze
in der Entdeckung der elektriſchen Staubfiguren durch Lichtenberg im Jahre
1777. Es mag hier nur beiläufig erwähnt werden, daß dieſe Figuren ein von-
einander weſentlich verſchiedenes und wohl charakteriſirtes Ausſehen gewinnen,
je nachdem ſie durch poſitive oder negative Elektricität erzeugt werden. Eine
genauere Beſchreibung derſelben folgt in dem entſprechenden Abſchnitte der
Elektricitätslehre ſelbſt. Durch Lichtenberg wurden auch die Bezeichnungen + und
— eingeführt.


Die weiteren Fortſchritte, die nun bis zu den epochemachenden Entdeckungen
Volta’s und Galvani’s gemacht wurden, laſſen ſich in wenigen Zeilen zuſammen-
faſſen. Man ſtudirte die Ladungsverhältniſſe von belegten Iſolatoren und verbeſſerte
die Meßinſtrumente. Erſteres führte Volta zur Conſtruction des Elektrophors,
letzteres veranlaßte ihn zur Erfindung des Condenſators, d. h. einer Vorrichtung,
um ſchwache Elektricität ſo zu verſtärken, daß ſie meßbar wird. Volta gab auch
1781 das Strohhalm-Elektrometer an. Auf die Verbindung des Condenſators mit
dem Elektrometer kamen ziemlich gleichzeitig (1787) Volta und Bennet. Mit den
Arbeiten Coulomb’s wurde das Capitel der ſtatiſchen Elektricität für lange
Zeit zum Abſchluſſe gebracht.


Charles Auguſtin de Coulomb wurde am 14. Juni 1736 zu Angoulême
geboren, trat in noch jugendlichem Alter in das Geniecorps ein und wurde dann
nach Martinique commandirt, wo er das Fort Bourbon baute. Nach neunjährigem
Aufenthalte daſelbſt kehrte er wieder nach Frankreich zurück und erhielt in Rochefort
eine Anſtellung; hier widmete er ſich ausſchließlich wiſſenſchaftlichen Arbeiten, welche
er in den Schriften der Pariſer Akademie veröffentlichte. Zwei derſelben, nämlich
über die Erzeugung von Magnetnadeln und über die Theorie der einfachen Ma-
ſchinen, wurden von der Akademie, die ihn im Jahre 1781 auch zu ihrem Mit-
gliede wählte, mit Preiſen ausgezeichnet. Im Jahre 1784 veröffentlichte er ſeine
berühmten Unterſuchungen über die Torſionskraft und Elaſticität von Metalldrähten,
eine Arbeit, die ihn dann auch zur Conſtruction der Torſionswage führte, eines
Inſtrumentes, welches ſeit dieſer Zeit bei genauen Meſſungen ſchwacher elektriſcher
und magnetiſcher Kräfte nicht mehr außer Gebrauch gekommen iſt. Beim Ausbruche
der Revolution nahm er als Oberſtlieutenant ſeinen Abſchied vom Geniecorps und
lebte auf einem kleinen Landhauſe bei Blois. Als nach der Revolution die früher
aufgelöſte Akademie unter dem Namen des Nationalinſtitutes wieder hergeſtellt
wurde, nahm er auch dort abermals ſeinen Platz ein und wurde im Jahre 1806
Generalaufſeher des öffentlichen Unterrichtes; noch im ſelben Jahre, am 23. Auguſt,
ereilte den bereits ſiebzigjährigen Greis in Paris der Tod.


[24]

Coulomb unterſuchte mit der von ihm erfundenen Torſionswage die elektriſche
Anziehung, Abſtoßung und Vertheilung mit einer Sorgfalt und Genauigkeit, daß
dieſe Arbeiten heute noch als muſtergiltig anerkannt werden müſſen. Er bekannte
ſich zur dualiſtiſchen Anſchauungsweiſe, alſo der Theorie Dufay’s, nahm an, daß
die Elektricitätstheilchen jeder Art ſich untereinander abſtoßen, Theilchen beiderlei
Art ſich aber anziehen; er fand, daß dieſe Anziehungen und Abſtoßungen im um-
gekehrten Verhältniſſe des Quadrates der Entfernungen geſchehen, daß die Vertheilung
der Elektricität auf einem Körper Folge der gegenſeitigen Abſtoßung der Elektricitäts-
theilchen untereinander iſt u. ſ. w.


Bevor wir uns nun den Entdeckungen Volta’s und Galvani’s zuwenden,
welche die ſpäteren Forſcher in ganz neue Bahnen lenkten und zur Grundlage der
gegenwärtigen, ſtaunenerregenden Entwicklung der Elektricitätslehre und ihrer prak-
tiſchen Anwendungen wurden, müſſen wir noch einen Blick auf jene elektriſchen
Erſcheinungen werfen, die in der animaliſchen Welt beobachtet werden können. Es
ſind dies die elektriſchen Eigenſchaften des Zitterrochen, Zitteraales und Zitterwels.
Zwar erwähnt ſchon Réaumur im Jahre 1714 der Fähigkeit des Zitterrochens,
erſchütternde Schläge auszutheilen, ſchrieb aber dieſe nur der Muskelkraft des
Schwanzes zu. Später, als Reiſende von den kräftigen Schlägen berichteten, welche
der Zitteraal zu führen im Stande ſei, vermuthete man allerdings, dieſe Schläge
mögen elektriſcher Natur ſein. Hiefür den experimentellen Nachweis zu bringen,
gelang jedoch erſt dem Engländer Dr. John Walſh im Jahre 1772. Er bediente
ſich zu ſeinen Experimenten des Zitterrochens und zeigte, daß der Fiſch an der
Ober- und Unterſeite gleichzeitig berührt werden müſſe, um von ihm den Schlag
zu bekommen. Es wurden nun Verſuche verſchiedener Art ausgeführt, um die elek-
triſche Natur der Schläge nachzuweiſen und um dieſe Erſcheinung überhaupt auf-
zuklären. Wir müſſen jedoch geſtehen, daß hierüber heute noch große Dunkelheit
herrſcht.


Gegen Ende des achtzehnten Jahrhundertes ſchien es faſt, als ob die Kenntniß
der elektriſchen Erſcheinungen für lange Zeit abgeſchloſſen ſein ſollte. Nichts deutete
auf eine neue Entdeckung hin, nicht einmal die Richtung ließ ſich erkennen, welche
weitere Forſchungen etwa verfolgen könnten. Da war es, wie ſo oft bei großen
Entdeckungen und Erfindungen, wieder ein glücklicher Zufall, der dem menſchlichen
Forſchungsgeiſte neue Bahnen wies. Ein glücklicher Zufall! wie ſehr wird dieſes
Wort mißbraucht! Ein zufällig vom Baume fallender Apfel ließ Newton die Gravi-
tationsgeſetze entdecken, ein zufälliges Zucken der Froſchſchenkel führte zur Entdeckung
des Galvanismus, eine zufällige Verſuchsanordnung ließ Oerſted die Einwirkung
des elektriſchen Stromes auf die Magnetnadel erkennen u. ſ. w. Sind aber jene
Entdeckungen deshalb wirklich nur glücklichen Zufällen zuzuſchreiben? Und wie
kommt es, daß ſolche glückliche Zufälle immer nur großen Männern, hervorragenden
Forſchern zuſtoßen? Sollte vor Newton’s Zeiten noch nie vor den Augen eines
Menſchen ein Apfel vom Baume gefallen ſein? Oder mußte Galvani im
Zucken der Froſchſchenkel in der Nähe einer in Thätigkeit befindlichen Elektriſir-
maſchine eine neue Erſcheinung erblicken? So lange die Elektriſirmaſchine zu dem
Verſuche angewandt wurde, war der Froſchſchenkel ja doch nichts Anderes als
ein Elektroſkop, welches durch ſeine Zuckungen den elektriſchen Zuſtand anzeigte.
Newton hatte ſich zur Zeit des berühmten Apfelfalles (1666) vor der Peſt aus
Cambridge nach Woolſthorpe geflüchtet und gab ſich dort ernſten und eifrigen
Studien hin; lange vorher hatte er ſchon Ideen über die Gravitation gefaßt. Der
[25] fallende Apfel mag, wenn er nicht überhaupt in das Gebiet der Sage zu verweiſen
iſt, vielleicht den äußerlichen Anlaß gegeben haben, bereits vorhandene und
viel durchdachte Ideen in einer beſtimmten Richtung zu verfolgen, ihm mehr zuzu-
muthen, entbehrt jeder Wahrſcheinlichkeit. Der Arzt Galvani war ſchon jahrelang
beſtrebt, das Räthſel der Lebenskraft ſeiner Löſung näher zu bringen, und dies
ſowie die geringen phyſikaliſchen Kenntniſſe waren die Urſachen, welche Galvani
veranlaßten, den Zuckungen der Froſchſchenkel mehr Aufmerkſamkeit zu ſchenken, als
dies ein Phyſiker damaliger Zeit wohl gethan haben würde. Auch Oerſted’s Ent-
deckung kam nicht unvermittelt; man hatte vielmehr ſchon früher mehr oder weniger
gewagte Anſichten über die Beziehungen zwiſchen Magnetismus und Elektricität
ausgeſprochen. Man ſieht alſo, daß in allen dieſen Fällen nicht die zufällige Be-
achtung ſelbſt ſchon die Entdeckung bildete, ſondern vielmehr nur den erſten Anſtoß
hierzu gab.


„Dieſe Zufälle,“ ſagt Whewell in ſeiner Geſchichte der inductiven Wiſſen-
ſchaften, „wenn ſie ja ſo genannt werden dürfen, ſind viel angemeſſener dem Funken
zu vergleichen, der ein geladenes und auf ein beſtimmtes Ziel gerichtetes Feuer-
gewehr entladet. Galvani’s Entdeckung mag allerdings mit mehr Recht als gewöhnlich
dem Zufalle zugeſchrieben werden, aber ſie enthielt auch in der Form, in welcher
ſie zuerſt mitgetheilt wurde, nichts weſentlich Neues. Erſt als Galvani durch die
bloße Berührung der beiden Metalle dieſelben Bewegungen hervorbrachte, erſt dann
war er im Beſitze einer für die Wiſſenſchaft neuen, wichtigen und fundamentalen
Thatſache.“


Luigi Aloiſio Galvani wurde am 9. September 1737 zu Bologna ge-
boren, ſtudirte zuerſt Theologie und war nur mit Mühe vor dem Eintritte in ein
Kloſter zurückzuhalten. Später wandte er ſich dem Studium der Medicin zu und
wurde 1762 für dieſen Wiſſenszweig Profeſſor in Bologna. Aus dieſer Zeit rühren
auch einige beifällig aufgenommene Abhandlungen aus der Anatomie der Vögel
her. Die Zeit der Revolution brachte für Galvani trübe Tage. Im Jahre 1796
erhielt Bonaparte das Commando der franzöſiſchen Armeen in Italien und zwang
den König von Sardinien zum Frieden ſowie zur Abtretung Nizzas und Savoyens
an Frankreich; auch Neapel mußte um Frieden bitten; aus Mantua, Mailand,
Modena und einem Theile von Parma wurde im Jahre 1797 die cisalpiniſche
Republik gebildet. Galvani weigerte ſich nun, der republikaniſchen Regierung den
Beamteneid zu leiſten und verlor in Folge deſſen ſeine Stelle. Als ihm dieſe ſpäter
von der Republik wieder angetragen wurde, war ſeine Geſundheit bereits ſo zer-
rüttet, daß er den Antrag nicht mehr annehmen konnte. Er ſtarb in ſehr dürftigen
Verhältniſſen am 4. December 1798 an der Abzehrung.


Obwohl man den Zeitpunkt jener Entdeckung, welche Galvani’s Unſterblich-
keit ſicherte, nicht mit abſoluter Beſtimmtheit feſtſtellen kann, nimmt man doch mit
ziemlicher Wahrſcheinlichkeit hiefür das Jahr 1790 an. Auch über die Art, wie
die Entdeckung gemacht wurde, findet man voneinander abweichende Berichte.
Whewell erzählt den Hergang in nachſtehender Weiſe: „Galvani’s Frau wurde
zur Wiederherſtellung ihrer Geſundheit Froſchſuppe verordnet, die Galvani ſelbſt
ihr zu bereiten pflegte. Zufällig lagen einige bereits abgehäutete Froſchſchenkel auf
einem Tiſche neben einer Elektriſirmaſchine. Ein Gehilfe berührte ebenſo zufällig
mit der Meſſerſpitze einen dieſer Schenkel, der ſogleich in lebhafte Zuckungen ge-
rieth. Die dabei gegenwärtige kranke Frau glaubte bemerkt zu haben, daß dieſe
Zuckungen in demſelben Augenblicke ſtatthatten. als der Funke aus der elektriſchen
[26] Maſchine ſprang. Sie berichtete es ihrem Manne, der ſogleich den Verſuch wieder-
holte und weiter verfolgte. Er fand dieſe Zuckungen immer wiederkehren, ſo oft
man der Elektriſirmaſchine Funken entzog und zu gleicher Zeit den Froſch mit
einem Leiter der Elektricität, z. B. mit einem Metalldrahte berührte.“ Der Antheil,
welchen Galvani’s Gattin, Lucia, an der Entdeckung hatte, begeiſterte ſogar einen
ungenannten Poeten zu einem Sonnet, welches Du Bois-Raymond in folgender
Weiſe überſetzte:


An Signor Luigi Galvani.
Das holde Weib, das dir die Macht der Liebe,

Ihr Herz beſiegt mit gold’nem Pfeil, verband,

Dann Tod mit ſeiner Sichel grauſem Hiebe

Als Blume für des Himmels Zier entwandt;

Sie war’s, nicht du, die neue Lebenstriebe

In hautentblößter Fröſche Glieder fand,

Wenn hier der Nerven wunderbar Getriebe,

Dort funkenſprüh’nden Leiter traf die Hand.

Wie flog die Treue einſt, dir’s zu vertrauen,

Das Zauberwort, auf deſſen Fittig nun

Dein Name Meer und Alpen überſchreitet!

Jetzt blickt ſie nieder auf dein rühmlich Thun,

Des Glückes froh, das deinen Schritt geleitet.

O wär’s auch uns vergönnt, ſie ſo zu ſchauen

Allerdings verdient das aufmerkſame Beachten aller, auch ſcheinbar noch ſo
unbedeutender Umſtände, wie dies durch Galvani’s Gattin geſchah, alle Anerkennung;
iſt dies doch eine unerläßliche Bedingung des Gelingens jeder experimentellen
Forſchung! Aber trotzdem hätte dieſe Beobachtung Lucia’s die Wiſſenſchaft ſchwer-
lich weſentlich bereichert, da der Verſuch, ſo lange er in der oben angegebenen
Weiſe ausgeführt wurde. keine neue Thatſache in ſich ſchloß. So lange die
Zuckungen des Froſchſchenkels nur gleichzeitig mit einem in deſſen Nähe über-
ſpringenden elektriſchen Funken auftraten, reichten zur Erklärung dieſer Erſcheinung
die damals bekannten Thatſachen vollkommen aus. Zum Erfolge einer experimen-
tellen Forſchung genügt es eben nicht, blos jeden Umſtand ſorgfältig zu beachten,
er muß auch nach allen Richtungen hin weiter verfolgt werden. Und dies hat
auch Galvani in der That nicht unterlaſſen. So hing er z. B. einen friſch ent-
häuteten Froſchſchenkel mittelſt eines kupfernen Hakens an dem eiſernen Geländer
ſeiner Terraſſe auf. Die Zuckungen traten auch bei dieſer Anordnung ein, ſobald die
Schenkel mit dem Eiſengitter in Berührung kamen. Dieſer Verſuch verliert dadurch
nichts an ſeiner Wichtigkeit, daß bei Anſtellung desſelben von einer falſchen Theorie
ausgegangen wurde. Galvani hatte ſich nämlich ſeine Verſuche in der Art aus-
gelegt, daß er in den Froſchſchenkeln gewiſſermaßen Kleiſt’ſche Flaſchen ſah; die
Muskeln ſollten die äußere, der Nervenſtrang die innere Belegung hierzu bilden.
Die Verbindung des Nervs mit den Muskeln durch einen Draht würde dann
die Entladung einleiten und ſo die Zuckungen der Schenkel veranlaſſen. Von dieſer
Anſicht geleitet, ſtellte er den letzten Verſuch an, um zu erfahren, ob auch die
atmoſphäriſche Elektricität im Stande ſei, ſeine Froſchſchenkel-Flaſche zu laden. Wie
bereits erwähnt, traten die Zuckungen wirklich ein, und zwar auch dann, wenn
kein Gewitter am Himmel ſtand. Galvani’s Verſuche und deren Auslegung erregten
[27] damals ungeheures Aufſehen, was um ſo begreiflicher iſt, als man zu dieſer Zeit
eben bemüht war, die ſogenannte Lebenskraft zu erforſchen. Es entſpann ſich
nun ein lebhafter wiſſenſchaftlicher Kampf zwiſchen Galvani und ſeinen An-
hängern einerſeits, Volta und deſſen Anhängern andererſeits, ein Streit, der an
Fruchtbarkeit für die Entwicklung unſerer Wiſſenſchaft wohl ſeinesgleichen nicht
mehr aufzuweiſen hat.


Aleſſandro Volta, der weitaus hervorragendſte Gegner Galvani’s, wurde
am 18. Februar 1745 zu Como geboren. Er widmete ſich ſchon von Jugend auf
naturwiſſenſchaftlichen Studien und veröffentlichte bereits in den Jahren 1769
bis 1771 Abhandlungen
aus dem Gebiete der Elek-
tricitätslehre, welche auch
ſeinen Forſcherruf begrün-
deten. Er wurde im Jahre
1774 Profeſſor der Phyſik
und Rector des Gymna-
ſiums zu Como. Sein her-
vorragendes experimentelles
Talent führte ihn, wie be-
reits früher erwähnt, zur
Erfindung des Elektrophors
und des dann ſo wichtig
gewordenen Condenſators.
Im Jahre 1779 wurde er
als Profeſſor an die Uni-
verſität in Padua berufen.
Studien über die aus
Sümpfen ſich entwickeln-
den Gasarten gaben den
Anlaß zur Conſtruction
der elektriſchen Piſtole, des
Endiometers und der Lampe
mit brennbarer Luft (Gas-
lampe). Im Jahre 1790
erhielt auch er Kunde von
Galvani’s Verſuchen, wie-

Figure 7. Fig. 7.

Aloiſio Galvani.


derholte dieſelben mit mannigfachen Abänderungen, gelangte aber zu einer prin-
cipiell ganz verſchiedenen Auslegung. Er machte hiervon, zum erſtenmale im Jahre 1792,
eine Mittheilung an die Royal Inſtitution in London. Volta ſah bei ſeinen und
Galvani’s Verſuchen als Urſache der Elektricitätserregung ausſchließlich die Be-
rührung zweier verſchiedenen Metalle an und betrachtete den Froſchſchenkel nur
als Leiter, der gleichzeitig als Elektroſkop fungirt. Er nannte daher die auf neue
Art erregte Elektricität metalliſche Elektricität, indeß Galvani, wie wir geſehen
haben, gerade umgekehrt die Metalle nur als Leiter betrachtete und die Elektricitäts-
erregung als eine ausſchließlich animaliſche Function erklärte. Der Streit zwiſchen
beiden Parteien wurde äußerſt lebhaft fortgeſetzt und man führte von beiden
Seiten immer neue Experimente ins Feld, um die eine oder die andere Anſicht zu
begründen. Es iſt leicht zu begreifen, daß der Anatom Galvani und deſſen An-
[28] hänger ſich für den animaliſchen Urſprung der Elektricität erklärten, umſomehr als
man ja auf dieſem Wege die Löſung des Lebensräthſels zu finden hoffte. Selbſt
Volta neigte anfänglich zu Galvani’s Anſicht, aber bald führte ihn ſeine tiefere
phyſikaliſche Einſicht zu der von ihm darauf verfochtenen Auslegung. Galvani’s
Verdienſt wird jedoch dadurch nicht verringert, denn gegenwärtig wiſſen wir ja,
daß der Urſprung der Elektricität weder ausſchließlich in den Froſchſchenkeln noch
in den Metallen zu ſuchen iſt, ſondern die Quelle der Elektricität in beiden liegt
und ſomit die Entdeckung eine doppelte war.


Während aber Galvani, an ſeiner Theorie feſthaltend, zu keinen neuen That-
ſachen gelángte, vielmehr in Folge der traurigen Verhältniſſe jener Zeit in Armuth

Figure 8. Fig. 8.

Alexander Volta.


und geiſtige Schwäche
verſank, eilte Volta
von Entdeckung zu Ent-
deckung und krönte
ſchließlich ſeine uner-
müdliche Thätigkeit mit
der Erfindung der nach
ihm benannten Säule.
Ungleich glücklicher als
Galvani, ſah Volta den
hohen Werth ſeiner Ent-
deckungen und Erfin-
dungen raſch und voll-
kommen anerkannt und
wurde mit Ehren und
Würden überhäuft. Im
Jahre 1800 theilte er
der Royal Inſtitution
in London die Erfindung
der Säule mit und im
Jahre 1801 wurde er
von Bonaparte nach
Paris berufen. Hier
führte er in Gegenwart
des Conſuls ſeine Ex-
perimente der Akademie
der Wiſſenſchaften vor.
Auf Antrag Bonaparte’s wurde zu Ehren Volta’s eine goldene Medaille geprägt
und die Stiftung zweier Preiſe beſchloſſen, deren einer im Betrage von 60.000 Francs
für Denjenigen beſtimmt war, der Entdeckungen machen würde, die jenen von Franklin
oder Volta gleichkämen, deren zweiter im Betrage von 3000 Francs jährlich für
die beſte in einem Jahre erſchienene Arbeit aus dem Gebiete des Galvanismus
ertheilt werden ſollte. Volta ſelbſt erhielt ein bedeutendes Geſchenk, wurde Deputirter
der Univerſität Pavia, Mitglied des franzöſiſchen und italieniſchen Inſtitutes, von
Napoleon I. zum Senator Italiens ernannt und in den Grafenſtand erhoben. Im
Jahre 1804 legte er ſein Lehramt nieder, nahm aber im Jahre 1815 die Ernennung zum
Director der philoſophiſchen Facultät an der Univerſität zu Padua durch Kaiſer
Franz an. Seine letzten Lebensjahre brachte er in ſeiner Vaterſtadt Como zu und
[29] ſtarb dort, 81 Jahre alt, am 6. März 1826. Die Größe und Bedeutung der
Entdeckungen Volta’s und Galvani’s zeigen ſich am beſten, wenn man die weitere
Entwicklung jenes Theiles der Elektricitätslehre verfolgt, welchen man heute unter
dem Worte Galvanismus zuſammenfaßt. Der elektriſche Strom, der ſich Galvani
durch Zuckungen der Froſchſchenkel verrieth, jenes ſchwache Kind, welches Volta
durch die Erfindung ſeiner Säule zum kräftigen Manne erzog, dient jetzt als
Ideenvermittler zwiſchen den Bewohnern beider Hemiſphären; er bewirkt den Ge-
dankenaustauſch von Menſchen, und mögen Länder und Meere ſie trennen, Hunderte
von Meilen zwiſchen ihnen liegen, in wenigen Augenblicken. Hatten nun hierzu
Galvani und Volta allerdings den Grund gelegt, ſo bedurfte es zur Vollendung
des Gebäudes doch noch der Entdeckungen und Erfindungen, welche an die Namen
Oerſted, Ampère und Faraday für ewige Zeiten geknüpft ſind; es ſind
dies die Entdeckung der elektromagnetiſchen Wirkung, die Ampère’ſche Theorie und
die Entdeckung der Induction.


Hans Chriſtian Oerſted wurde am 14. Auguſt 1777 zu Rudkjöbing
auf der däniſchen Inſel Langeland geboren, wo ſein Vater eine Apotheke hielt
Vom Jahre 1794 an widmete ſich Oerſted an der Univerſität zu Kopenhagen dem
Studium der Medicin und wurde im Jahre 1799 zum Doctor der Philoſophie promovirt.
Nachdem er in den Jahren 1801 bis 1803 Frankreich, Deutſchland und Holland
bereiſt hatte, beſchäftigte er ſich eingehend mit chemiſchen und phyſikaliſchen Studien
und wurde im Jahre 1806 zum Profeſſor der Phyſik ernannt. In den Jahren 1813
und 1814 treffen wir ihn auf einer zweiten Reiſe nach Deutſchland, auf welcher
er während ſeines Aufenthaltes in Berlin eine Arbeit unter dem Titel: „Anſichten
der chemiſchen Naturgeſetze“ veröffentlichte. Dieſe Abhandlung wurde ſpäter unter
Mithilfe von Marcel de Serres umgearbeitet und unter dem Titel: „Recherches
sur l’identité des forces électriques et ehimiques“
(Unterſuchungen über die
Identität der elektriſchen und chemiſchen Kräfte) in franzöſiſcher Sprache neuer-
dings der Oeffentlichkeit übergeben. Dann beſuchte er England und gründete
nach ſeiner Rückkehr im Jahre 1824 in Kopenhagen die Geſellſchaft für Ausbreitung
der Naturlehre.


Fünf Jahre darauf übernahm er die Stelle des Directors am polytechniſchen
Inſtitute. Seine glänzendſte Entdeckung, nämlich die des Elektromagnetismus,
machte er im Jahre 1819. Auch bei dieſem wichtigen Fortſchritte ſpielte der
Zufall eine Rolle. Oerſted ſoll mit einer galvaniſchen Batterie gearbeitet haben,
während ſich gleichzeitig in der Nähe der Leitungsdrähte eine Magnetnadel befand;
ſo oft nun der Stromkreis im Leitungsdrahte geſchloſſen wurde, gerieth die Nadel
in lebhafte Bewegung.


War nun auch dieſe Beobachtung eine rein zufällige und dieſer Verſuch nicht
mit der Abſicht angeſtellt, den Zuſammenhang zwiſchen Magnetismus und Elektricität
zu ergründen, ſo verringert dies jedoch keineswegs Oerſted’s Verdienſt. Oerſted
hatte, ſo berichtet Whewell, dieſen Beziehungen eifriger und beharrlicher nachgeſpürt
als irgend ein anderer Mann in Europa. Denn ſchon im Jahre 1807 hatte er
eine Schrift bekannt gemacht, in welcher er geſtand, „daß er ſchon ſeit längerer
Zeit ſich zu überzeugen ſuche, ob die Elektricität in ihrem verborgenſten Zuſtande
irgend eine Wirkung auf den Magnet habe“. Die Entdeckung iſt deshalb nur die
natürliche Folge ſeiner Arbeiten und Forſchungen und der Zufall hierbei der
Funke, der das geladene und auf das beſtimmte Ziel gerichtete Gewehr in Thätig-
keit ſetzte.


[30]

Seit 1824 war Oerſted auswärtiges Mitglied der Pariſer Akademie und
ſtarb als Geheimer Conferenzrath am 9. März 1851. Oerſted beſaß, was über-
haupt bei großen Naturforſchern nicht ſelten der Fall iſt, auch eine hervorragende
äſthetiſche Bildung, welche man wohl wahrſcheinlich ſeinem Umgange mit Oehlen-
ſchläger zuzuſchreiben hat. So ſchrieb er z. B. über das Verhältniß der Natur-
wiſſenſchaften zur Dichtkunſt und Religion, veröffentlichte Schriften über allge-
mein menſchliche Verhältniſſe, Charaktere und Reden, Gedichte u. ſ. w.


Oerſted’s Entdeckung zog die Aufmerkſamkeit der Phyſiker im lebhaften
Grade auf ſich, und überall wurde ſein Fundamentalverſuch nachgemacht und ſtudirt.
Er kam zu ſehr gelegener Zeit und brachte endlich Licht in eine Reihe von That-

Figure 9. Fig. 9.

Hans Chriſtian Oerſted.


ſachen, die man bereits be-
obachtet hatte und entweder
gar nicht erklären konnte
oder doch nur durch ſehr
gewagte Hypotheſen. Zu
dieſen Beobachtungen ge-
hören z. B. das mag-
netiſche Verhalten von
Eiſenſtangen, durch welche
der Blitz gegangen war,
und das Umpolariſiren der
Magnetnadel. Die letztere
Erſcheinung namentlich hat
ein nicht zu unterſchätzen-
des praktiſches Intereſſe.
Es waren nämlich wieder-
holt Schiffe geſcheitert oder
doch ganz aus ihren Cours
gerathen, einfach dadurch,
daß während eines Ge-
witters die Polarität ihrer
Compaßnadel umgekehrt
wurde, ohne daß dies die
Schiffsleute während ihres
Kampfes mit dem Sturme
bemerkten. Das Schiff fuhr
dann natürlich nach einer ganz anderen Richtung, als der Steuermann nach den
Anzeigen der Magnetnadel glauben mußte.


Die vielfache Beſchäftigung der Phyſiker mit Oerſted’s Entdeckung brachte
nicht nur die Beſtätigung derſelben, ſondern auch mannigfache Erweiterungen des
Verſuches mit ſich. Den hervorragendſten Antheil hieran nahm Ampère. André
Marie Ampère
, geboren am 22. Januar 1775 zu Lyon, zog ſchon als zwölf-
jähriger Knabe durch ſeine ungewöhnlichen Kenntniſſe aus der Mathematik und
Geometrie die Aufmerkſamkeit ſeines Lehrers auf ſich. Dies ſetzte ihn bereits in
dieſem jugendlichen Alter in Stand, bei Daburon zu Lyon das Studium der
höheren Mathematik zu pflegen. Leider wurden ſeine Studien in entſetzlicher Weiſe
geſtört, ſein Vater erlitt den Tod durch die Guillotine. Dieſes Ereigniß wirkte ſo
heftig auf das zarte Gemüth des Jünglings, daß es ſeine geiſtige Thätigkeit voll-
[31] kommen lahmlegte und ihn in gänzliche Apathie verſenkte. Die Lektüre von
Rouſſeau’s botaniſchen Briefen ſoll ihn endlich aus dieſer Lethargie erweckt haben.
Nun warf er ſich, wahrſcheinlich durch Lavoiſier’s Arbeiten angeregt, mit Feuereifer
auf das Studium der Chemie und Phyſik und erhielt im Jahre 1801 für eben
dieſe Gegenſtände eine Profeſſur in Bourg. Von hier kam er an das Lyceum zu
Lyon und dann an die polytechniſche Schule in Paris. Im Jahre 1814 ver-
ſchafften ihm ſeine ausgezeichneten Arbeiten mathematiſchen Inhaltes die Mitglied-
ſchaft der Pariſer Akademie. Von dieſer Zeit an beſchäftigte ſich Ampère wieder
mit Phyſik und lieferte eben jene Arbeiten aus dem Gebiete des Elektromagnetismus,
wegen welcher er hier genannt werden muß. Im Jahre 1824 wurde er Profeſſor
der Experimentalphyſik am Collége de France und ſtarb auf einer Reiſe begriffen
in Marſeille am 10. Juni 1836.


Eine der Folgerungen, welche aus der Oerſted’ſchen Beobachtung von
Ampère gezogen wurde, war die, daß auch die Erde wegen ihres magnetiſchen
Verhaltens richtend auf einen vom Strome durchfloſſenen Leitungsdraht einwirken
müſſe. Nach längeren und anfangs reſultatloſen Verſuchen gelang es Ampère in
der That, für dieſe ſeine Behauptung den experimentellen Beweis beizubringen.
Sein größtes Verdienſt iſt aber die Aufſtellung der nach ihm benannten Am-
père’ſchen Theorie über die elektrodynamiſchen Wirkungen. Als man ſich Mühe
gab, die elektromagnetiſchen Erſcheinungen auf einfache Geſetze zurückzuführen, be-
merkte man bald, daß die hier in Betracht kommenden Kräfte ſich weſentlich anders
verhalten als die bisher bekannten. Man ſah z. B., daß der vom elek-
triſchen Strome durchfloſſene Draht nicht ſo ſehr darnach ſtrebe, die Magnetnadel
zu ſich heranzuziehen, ſich näher zu bringen, als vielmehr dieſer eine beſtimmte
Richtung zu geben; man hat es alſo hier nicht mit einer Kraft zu thun, die
ähnlich wirkt wie die Schwerkraft, welche bekanntlich die Körper dem anziehenden
Punkte näher zu bringen ſucht, ſondern mit einer nicht den Ort, ſondern nur
die Stellung des Körpers richtenden Kraft. Man drückte damals dieſen Unter-
ſchied dadurch aus, daß man die Bezeichnung transverſe Kraft einführte.


Hier griff nun Ampère klärend und ſichtend ein, und zwar in einer Weiſe,
wie ſie ſelten zu verzeichnen iſt: Nicht eine Erklärung einzelner Thatſachen, eine
Theorie, die bei jedem neuen Experimente mannigfach abgeändert und zugefeilt
werden mußte, die ſich nach und nach erſt zu einer gewiſſen Vollkommenheit ent-
wickelte, gab Ampère, ſondern, die Thatſachen in ihrer Allgemeinheit umfaſſend,
vollkommen ausgebildet, wie einſt Pallas Athene dem Haupte des Donnerers, ent-
ſprang die Theorie ſeinem Geiſte. Wenn man das Experiment betrachtet, in welchem
ſich eine Magnetnadel ſenkrecht zu dem Leitungsdrahte des elektriſchen Stromes
ſtellt, ſo könnte man für dieſe Erſcheinung zweierlei Auslegungen annehmen. Die
eine beſteht darin, daß man ſich den Draht aus transverſalen Magneten, alſo aus
Magneten, die mit ihrer Längsrichtung auf die Längsrichtung des Drahtes ſenk-
recht ſtehen, zuſammengeſetzt denkt; die andere Auslegung iſt gewiſſermaßen um-
gekehrt: man denkt ſich den Magnet gleichwerthig mit ihn transverſal durch-
fließenden elektriſchen Strömen. Die zuletzt angeführte Auslegung gab Ampère den
Experimenten und bewies ſogar, daß dies die einzig mögliche Auslegung ſei, wollte
man nicht bei Erklärung anderer Erſcheinungen zu neuerlichen Hilfshypotheſen ſeine
Zuflucht nehmen. Wie glücklich er in der Aufſtellung ſeiner Theorie war, erhellt
daraus, daß dieſe nicht nur allen damals bekannten Thatſachen genügte, ſondern
auch zur Erklärung ſpäter angeſtellter Experimente vollkommen ausreichte.


[32]

Ampère’s Theorie der elektrodynamiſchen Kräfte (wie er ſie ſelbſt be-
nannte) wird uns ſpäterhin noch eingehender beſchäftigen; an dieſer Stelle ſollen nur
noch einige Worte über deren Aufnahme unter den Fachgenoſſen geſagt werden. Die
Geſetze der elektrodynamiſchen Kräfte erforderten noch eine genauere Beſtimmung;
dieſe war durch nicht ganz einfache Rechnungen unter Anwendung höherer Mathe-
matik noch aufzufinden. Auch dies gelang Ampère, und damit hatte ſich wenigſtens
für ihn die Berechtigung ſeiner Theorie allerdings ausreichend dargethan. Sollte ſie
aber zu allgemeiner Anerkennung kommen, ſo mußten eben auch ſeine Zeitgenoſſen
die gründlichen und ſcharfſinnigen Rechnungen nicht nur ſtudiren, ſondern auch

Figure 10. Fig. 10.

Ampère.


vollkommen verſtehen.
Dieſer Umſtand einer-
ſeits und andererſeits
das Beſtreben, ſelbſt eine
Theorie zu finden, die
den in Rede ſtehenden
Erſcheinungen Genüge
leiſten könnte, waren
die Urſachen, warum
Ampère’s Theorie einige
Zeit erforderte, bis ſie zu
allgemeiner Anerkennung
gelangte. Wir hätten
uns nun mit den Folgen
zu beſchäftigen, welche die
Anerkennung und Ver-
breitung der elektro-
dynamiſchen Theorie
mit ſich brachte, müſſen
uns aber hier doch nur
mit der Anführung der
wichtigſten Thatſachen
begnügen. Zu dieſen
gehört die Erfindung
des Galvanometers —
welches wir ſpäter noch
kennen lernen werden —
durch Schweigger in
Halle, und die Entdeckung der Thermo-Elektricität durch Profeſſor Seebeck in
Berlin im Jahre 1822. Im Galvanometer bekam man ein Inſtrument, welches
nicht nur die ſchwächſten elektrodynamiſchen Wirkungen anzeigte, ſondern auch ge-
ſtattete, dieſe durch Ablenkung der Magnetnadel genau zu meſſen. Durch die Ent-
deckung der Thermo-Elektricität erhielten wir Kenntniß von einer neuen Elektricitäts-
quelle, die in Zukunft vielleicht noch eine bedeutende Rolle zu ſpielen berufen iſt.


Dem Phyſiker Georg Simon Ohm, geboren am 16. März 1787 zu
Erlangen, geſtorben als Profeſſor an der Univerſität zu München am 7. Juli 1854,
iſt die Aufſtellung der Theorie galvaniſcher Ketten zu verdanken. Die von ihm
aufgefundenen Geſetze tragen ſeinen Namen, und an den Arago’s knüpft ſich die
Entdeckung des Rotations-Magnetismus.


[33]

Um die Geſchichte der Elektricität zu vollenden, erübrigt uns noch zweier
Männer zu gedenken, welche durch ihre Entdeckungen zwei der wichtigſten Grund-
ſteine ſpeciell für die techniſche Anwendung der Elektricität lieferten; es ſind
dies Faraday und Davy.


Michael Faraday wurde am 22. September 1791 zu Newington Butts
bei London geboren. Sein Vater, ein Hufſchmied, gab ihn zu einem Buchbinder
in die Lehre, wo Faraday bis zu ſeinem 22. Jahre blieb und mit großem Eifer
jene Bücher las, die ihm zufällig in die Hand kamen; hierbei waren es namentlich
phyſikaliſche und chemiſche Werke, welche ſein Intereſſe beſonders erregten. Später

Figure 11. Fig. 11.

Michael Faraday.


hörte er dann einen Cyklus jener öffentlichen Vorleſungen, welche Sir Humphry
Davy an der Royal Inſtitution hielt und arbeitete dieſelben ſchriftlich aus. Durch
Vorzeigung derſelben zog er Davy’s Aufmerkſamkeit auf ſich und dieſer nahm ihn
zunächſt (1813) als Gehilfen in ſein Laboratorium;*) hier warf er ſich mit allem
Eifer auf das Studium der Chemie und Phyſik und wurde nach einiger Zeit Davy’s
Secretär. Im Jahre 1827 erlangte er endlich die Stelle eines Profeſſors der
Urbanitzky: Elektricität. 3
[34] Chemie an der Royal Inſtitution in London und in den Jahren 1829 bis 1842
war er auch als Lehrer an der Akademie in Woolwich thätig. Er ſtarb am
25. Auguſt 1867 zu Hamtoncourt.


Faraday, dem wir die elektroſtatiſchen Geſetze, die Induction und den Dia-
magnetismus verdanken, war überhaupt einer der größten Naturforſcher, die je
lebten. Es iſt hier nicht der Ort, auf alle ſeine Entdeckungen und Erfindungen
auch nur hinzuweiſen, hier intereſſirt uns nur die Entdeckung der Induction.
Welch enorme Tragweite dieſer Entdeckung innewohnte, zeigt uns der gegenwärtige
Stand der Elektrotechnik: Die Telegraphie, die Telephonie, die Mehrzahl der Regu-
lirungsvorrichtungen unſerer Bogenlampen, die elektriſchen Maſchinen ꝛc. beruhen
darauf. Die Entdeckung der Induction war keine zufällige, ſondern von langer
Hand vorbereitet. Aus Ampère’s Theorie ſchien bereits zu folgen, daß der
Wirkung des elektriſchen Stromes auf den Magnet auch eine Gegenwirkung des
Magnetes auf den Leitungsdraht gegenüberſtehen müſſe, und wirklich ſuchte man auch
mit allem Eifer dieſe Gegenwirkung zu finden, aber die in dieſer Richtung angeſtellten
Experimente blieben erfolglos. Faraday ſelbſt ſuchte bereits im Jahre 1825 dieſe
Gegenwirkung zu ergründen, aber auch er erreichte damals nicht das gewünſchte
Reſultat. Es wurde bereits früher erwähnt, daß Arago, der ſich gleichfalls mit
derlei Experimenten befaßte, den Rotations-Magnetismus entdeckte; er fand, daß
eine raſch rotirende Kupferſcheibe eine darüber ſchwebende Magnetnadel veranlaßt,
gleichfalls zu rotiren. Aber obgleich in dieſem Experimente bereits die Induction
mit eingeſchloſſen war, kam man wegen der Mannigfaltigkeit der hier in Betracht
kommenden Thatſachen doch nicht auf die Induction. Im Jahre 1831 nahm endlich
Faraday ſeine diesbezüglichen Verſuche wieder auf und da gelang es ihm nach
einer Reihe fruchtlos angeſtellter Verſuche, endlich die geſuchte Gegenwirkung zu
finden. Die Form war allerdings eine andere, als man erwartet hatte. Er fand, daß
in dem Augenblicke, als der Stromkreis in einem Drahte geſchloſſen wurde, in
dem benachbarten Drahte ein momentaner Strom auftritt. Doch genügte dieſer
Verſuch, um Faraday in kürzeſter Zeit zur Erkennung ſämmtlicher Inductions-
Erſcheinungen zu führen. Selbſt die Induction durch den Erdmagnetismus blieb
ihm nicht verborgen.


Die Folgen von den Entdeckungen Faraday’s zu beſprechen, würde heißen,
ſich mit unſerem gegenwärtigen Wiſſen beſchäftigen; hier endigt alſo die Geſchichte
und beginnt die Lehre von der Elektricität nach dem gegenwärtigen Standpunkte
unſeres Wiſſens. Doch darf in Verfolgung dieſer einen Richtung nicht die
andere gleichfalls hochwichtige überſehen werden, nämlich die chemiſche Wirkung
des elektriſchen Stromes. Hierin wirkte Davy bahnbrechend.


Humphry Davy wurde als Sohn eines Xylographen am 17. December 1778
zu Penzance in Cornwall geboren, beſuchte dort die unteren Schulen, ohne in dieſen
gerade zu den vorzüglicheren Schülern zu gehören, und kam im Jahre 1795 zu
dem Apotheker von Penzance in die Lehre. Hatte Davy frühzeitig große Liebe
zur Dichtkunſt gezeigt, ſo ſtrebte er jetzt eifrig danach, durch Selbſtunterricht ſein
Wiſſen zu vermehren; auch das Sprachſtudium wurde lebhaft betrieben. Im
Jahre 1798 errichtete Dr. Beddoe in Briſtol eine pneumatiſche Curanſtalt, in welcher
er das Stickoxydul als Heilmittel benützte. In dieſe Anſtalt kam nun Davy,
um Beddoe in ſeinen Arbeiten’ zu unterſtützen; Davy beſchäftigte ſich mit Unter-
ſuchungen des Stickoxyduls und fand auch eine bequeme Darſtellung desſelben. Er
ſchrieb, erſt zwanzig Jahre alt, bereits einige Aufſätze für ein von Dr. Beddoe
[35] herausgegebenes Buch, welche günſtige Aufnahme fanden. In Folge einer Empfeh-
lung des Grafen Rumford beſtellte man an der eben errichteten Royal Inſtitution
Davy als Profeſſor der Chemie und er verſtand es, ſich in dieſer Stellung raſch
Anerkennung zu erwerben. Später hielt er auch Vorleſungen über Chemie in ihrer
Anwendung auf die Bodencultur, wurde darauf Mitglied, ſpäter Secretär und
endlich im Jahre 1820 Präſident der k. Societät. Im Jahre 1812 erhielt er die
Ritterwürde, heiratete eine reiche Dame und unternahm dann häufig Reiſen auf

Figure 12. Fig. 12.

Humphry Davy.


den Continent. Im Jahre 1827 zwang ihn ein Schlaganfall, ſeine Stellen nieder-
zulegen, worauf er neuerdings auf den Continent ging, um ſeine angegriffene
Geſundheit wieder herzuſtellen. Er hielt ſich hierbei längere Zeit in Laibach auf
oblag an den reizend gelegenen, fiſchreichen Weißenfelſer Seen ſeiner Lieblings-
beſchäftigung, dem Fiſchfange, und ſchrieb ſeine „Salmonia“ oder „Angelfiſchtage“,
in welchen er eine genaue Anleitung zum Fiſchen mit verſchiedenen künſtlichen
Fliegen angab und hierbei häufig philoſophiſche Geſpräche zwiſchen Freunden mit
einflocht; auch ſein Buch „Troſt auf Reiſen“ rührt aus der Zeit der Wanderungen
Davy’s in Europa her. Auf einer Reiſe nach Italien erkrankte er, fand in Laibach
3*
[36] im Gaſthauſe „zum ſchwarzen Adler“ freundliche Pflege durch die Tochter*) des
Wirthes und ſtarb auf ſeiner Rückreiſe zu Genf am 30. Mai 1829.


Seine Arbeiten über die Einwirkung des elektriſchen Stromes auf chemiſche
Verbindungen begannen im Jahre 1806; es würde zu weit führen, ſie alle hier
aufzuzählen. Es ſeien nur erwähnt die Zerlegung der alkaliſchen Erden und ſomit
die Entdeckung der Alkalimetalle, der Nachweis, daß Chlor ein einfacher Körper
ſei, daß die Zerſetzung der Körper eine polare ſei, d. h. die durch Zerſetzung
der Körper erhaltenen Elemente ſich wie poſitive und negative Elektricität ver-
halten u. ſ. w. Von beſonderer Wichtigkeit iſt namentlich die zuletzt angeführte
Thatſache, da ſie zur Aufſtellung der elektrochemiſchen Theorie führte. Der Aus-
gangspunkt zu dieſen Arbeiten war allerdings ſchon gegeben durch die Entdeckung
der Waſſerzerlegung mit Hilfe des elektriſchen Stromes durch Nicholſon und
Carlisle im Jahre 1800. Die Sache war jedoch noch durchaus nicht vollſtändig
geklärt. Man nahm vielmehr an, daß alle jene Körper, welche durch elektrolytiſche
Zerlegung des Waſſers entſtehen, durch die Elektricität ſelbſt erzeugt würden, und
erſt Davy war es, der durch Anwendung vollkommen reinen Waſſers und goldener
Zerſetzungsbecher nachwies, daß das Waſſer nur aus Waſſerſtoff und Sauerſtoff
beſtehe, und die bei früheren Verſuchen außerdem noch gefundenen Körper nicht
durch den elektriſchen Strom erzeugt werden, ſondern von Unreinigkeiten im Waſſer
oder von Beſtandtheilen der angewandten Zerſetzungsgefäße herrühren. Auf dieſe
und andere Thatſachen gründete er ſeine Theorie. „Indem ich mich,“ ſchreibt er
ſelbſt in der betreffenden Abhandlung, „auf meine früheren Experimente von 1800,
1801 und 1802 und auf eine Menge von neuen Thatſachen beziehe, aus denen
hervorgeht, daß brennbare Subſtanzen und Oxygen (Sauerſtoff), Alkalien und
Säuren, oxydirbare und edle Metalle, daß alle dieſe Körper in poſitiven und
negativen elektriſchen Relationen gegeneinander ſtehen, ziehe ich den Schluß, daß
alle durch Elektricität bewirkten Combinationen und Zerſetzungen ſich auf das
Geſetz der elektriſchen Attraction und Repulſion beziehen, und ſo gelangte ich zu
der Hypotheſe, daß chemiſche und elektriſche Attraction durch dieſelbe Urſache erzeugt
werden, die in dem erſten Falle auf die Elemente, in dem anderen aber auf die
ganzen Maſſen der Körper wirkt, und daß überdies dieſelbe Eigenſchaft, unter
verſchiedenen Modificationen, auch die Urſache von allen denjenigen Erſcheinungen iſt,
die durch verſchiedene Volta’ſche Combinationen hervorgebracht werden.“ Dieſe Theorie
erhielt eine bedeutende experimentelle Stütze, als Davy die bereits früher erwähnte
Abſcheidung des Kaliums und Natriums aus der Pottaſche und Soda gelang.


So groß aber auch die Verdienſte Davy’s in Bezug auf die Elektrochemie
waren, wäre es doch ungerecht, die ſehr zahlreichen und gründlichen Unterſuchungen
ſeines Schülers Faraday unerwähnt zu laſſen, da dieſe es waren, welche Davy’s
in großen, allgemeinen Zügen gegebene Darſtellung erſt in eine klare, exacte Form
brachten. Die Beſtrebungen jener Zeit theilt Whewell treffend in die drei Zweige:
Theorie der Volta’ſchen Säule, elektriſche Zerſetzung und Identität der chemiſchen
[u]nd elektriſchen Kräfte. Es würde uns zu weit führen, auf alle diesbezüglichen
Arbeiten einzugehen und ſo mag nur noch Einiges erwähnt werden. Davy ſah als
Urſache der elektrolytiſchen Zerſetzung die Anziehungskraft der Batteriepole an; erſt
[37] Faraday ſprach die Anſicht aus, daß in dem elektrolytiſchen Körper die Elemente
desſelben ſich in einander entgegengeſetzten Richtungen bewegen und daß die Pole
nur die Auswege für die verſchiedenen Elemente bilden. Er gab daher auch die
Bezeichnung „Pole“ auf und führte dafür den Namen „Elektroden“ ein. Auch
die Ausdrücke Kathode für die negative und Annode für die poſitive Elektrode
rühren von ihm her. Faraday begnügte ſich aber nicht mit der bloßen Feſtſtellung
der Thatſachen, er gab auch die Methode zur genauen Meſſung der elektrolytiſchen
Wirkung an. Das Inſtrument, welches er zu dieſem Zwecke erfand, iſt das Volta-
elektrometer oder Voltameter, wie es jetzt gewöhnlich kurzweg genannt wird. Die
Quantität des zerſetzten Waſſers bildet hierbei den Maßſtab. Durch dieſes Inſtrument
gelang ihm auch die Entdeckung des elektrolytiſchen Grundgeſetzes: Die Elektrolyſe
eines beſtimmten Stoffes iſt der Stromſtärke proportional und verſchiedene Körper
werden durch denſelben Strom im Verhältniſſe ihrer Atomgewichte zerlegt.


Dieſes Geſetz wurde im Jahre 1853 entdeckt und ſomit ſind wir auch mit
der Geſchichte der Elektricität bei der Gegenwart angelangt. Die Schilderung des
gegenwärtigen Standes unſerer Kenntniſſe aus den Gebieten des Magnetismus
und der Elektricität iſt Aufgabe der nächſten Abſchnitte.


II. Magnetismus.


Grunderſcheinungen.


In der Natur kommt ein Erz vor, welches den Mineralogen unter dem
Namen Magneteiſenſtein bekannt iſt; dieſer beſitzt die Eigenſchaft, Eiſenſtücke an-
zuziehen und feſtzuhalten. Der Phyſiker nennt dieſes Erz einen natürlichen
Magnet
. Läßt man an Stelle eines Eiſenſtückes ein Stück Stahl mit einem ſolchen
natürlichen Magnete einige Zeit in Berührung oder, was noch beſſer iſt, ſtreicht
man einen Stahlſtab mit einem natürlichen Magnete, ſo bekommt der Stahlſtab
dauernd die Eigenſchaft, Eiſen anzuziehen, und man erhält alſo in dieſer Weiſe einen
künſtlichen Magnet. Der natürliche Magnet verliert hierbei nichts an ſeiner
Kraft. In dieſer Art wurden urſprünglich die Compaßnadeln magnetiſirt; gegen-
wärtig beſitzt man aber in der magnetiſirenden Wirkung des elektriſchen Stromes
ein bequemeres Mittel zur Herſtellung kräftiger Magnete.


Die magnetiſchen Grunderſcheinungen laſſen ſich durch einige einfache Experi-
mente zeigen. Eine an einem ungedrehten Seidenfaden befeſtigte Eiſenkugel (Fig. 13)
iſt an einem entſprechenden Geſtelle aufgehängt. Nähert man derſelben einen
Magnetſtab, ſo zieht dieſer die Kugel an und hält ſie feſt. Erſetzt man die Eiſen-
kugel durch eine aus anderen Stoffen geformte Kugel, ſo übt der Magnet auf
dieſe keine Wirkung aus. Wird der Magnetſtab an Stelle der Kugel aufgehängt,
und nähert man dieſem ein Stück Eiſen, ſo bewegt ſich der Magnet gegen das
Eiſen. Aus dieſen Experimenten folgt alſo, daß Eiſen und Magnet ſich gegenſeitig
anziehen, daß aber andere Körper von einem gewöhnlichen Magnete nicht beeinflußt
werden und auch jene auf dieſen keine Einwirkung zeigen. Sämmtliche Erſcheinungen
bleiben ungeändert, wenn man zwiſchen Magnet und Körper Glas-, Holz- oder
Papierſcheiben bringt; ſie werden aber abgeſchwächt durch eine Eiſenplatte.


Nähert man der aufgehängten Eiſenkugel verſchiedene Stellen des Magnetſtabes,
ſo findet man bald, daß die Anziehungskraft des Stabes nicht an allen Stellen
[38] dieſelbe iſt. Während die beiden Enden ſchon in beträchtlicher Entfernung ihre
Anziehungskraft auf die Eiſenkugel geltend machen, muß man die gegen die Mitte
des Stabes zu liegenden Stellen deſto näher der Kugel bringen, um noch eine
Wirkung zu erhalten, je näher dieſe Stellen der Mitte liegen; ja in der Mitte
ſelbſt beobachtet man gar keine Anziehung mehr. Dieſe Vertheilung der magne-
tiſchen Kraft im Stabe läßt ſich auch in der Weiſe zeigen, daß man den Stab in
Eiſenfeile legt; dann häufen ſich an ſeinen beiden Enden die Feilſpäne an, während

Figure 13. Fig. 13.

Magnetiſches Pendel.


die Mitte frei bleibt und
der herausgehobene Stahl ge-
winnt das in Fig. 14 ange-
deutete Ausſehen. Jene beiden
Stellen ſtärkſter Anziehungs-
kraft nennt man die Pole
des Magnetes, die Stelle mm'
die Indifferenzzone.


Bisher wurde nur da-
von geſprochen, ob und in
welcher Weiſe Körper durch
einen Magnet angezogen wer-
den; giebt es nicht vielleicht
auch Körper, welche nicht un-
beeinflußt von einem Magnete
bleiben, gleichwohl aber nicht
angezogen, ſondern von beiden
Polen abgeſtoßen werden? Die
Antwort auf dieſe Frage lautet
bejahend. Bei Anwendung
ſehr kräftiger Magnete ſtellt
ſich ſogar heraus, daß dieſe auf die meiſten Körper einwirken, und zwar entweder
in der Weiſe, daß beide Pole eines Magnetes den Körper anziehen oder daß beide
Pole den Körper abſtoßen; zu den Körpern der erſten Art, welche man als para-

Figure 14. Fig. 14.

Magnetiſche Eiſenfeile.


magnetiſch bezeichnet, zählen
das Eiſen in ſeinen verſchiedenen
Arten (Gußeiſen, Schmiede-
eiſen, Stahl), dann Kobalt,
Nickel, wahrſcheinlich auch
Chrom und Mangan. Körper
der zweiten Art werden als
diamagnetiſche bezeichnet
und unter dieſen zeigt das
Wismuth die in Rede ſtehende Eigenſchaft am deutlichſten. Das früher geſchilderte
Experiment, in welchem der Magnetſtab aufgehängt war, ermöglicht aber noch andere
Beobachtungen. Man bemerkt nämlich, daß jeder in ſeiner Mitte frei beweglich auf-
gehängte Stab, ſobald er ausgeſchwungen hat, immer wieder dieſelbe Stellung einnimmt,
d. h. daß er ſich mit ſeiner Längsaxe nahezu in die Richtung Süd-Nord einſtellt;
jenen Pol, welcher gegen den Nordpol der Erde weiſt, nennt man Nordpol und
den nach Süden zeigenden den Südpol des Stabes. Wir ſagten, der Magnetſtab
ſtelle ſich nahezu in die Nord-Süd-Richtung; bei genauen Meſſungen fand man
[39] eben, daß die Richtung, nach welcher der Stab weiſt, von der genauen Nord-
Süd-Richtung um eine beſtimmte Anzahl Grade abweicht; man nennt den Winkel,
welchen der magnetiſche Meridian (d. h. die durch die Längsaxe des Magnet-
ſtabes gelegte Verticalebene) mit dem Erdmeridiane bildet, die Declination. Der
frei beweglich aufgehängte Stab ſtellt ſich
aber nicht in horizontaler Ebene in die
angegebene Richtung, ſondern ſchließt viel-
mehr auch mit dieſer einen beſtimmten
Winkel ein, den man als die Inclina-
tion
des Magnetſtabes bezeichnet. In
unſeren Gegenden neigt ſich hierbei das
Nordende des Stabes nach abwärts.
Declination und Inclination ſind mit Ort
und Zeit veränderlich. Gegenwärtig be-
trägt z. B. für Wien die Declination 10°
(weſtlich) und die Inclination 63°, für
Berlin hingegen die erſtere 12°, die letztere
67°. Dabei iſt die Declination in ganz
Europa, Afrika und dem atlantiſchen Ocean

Figure 15. Fig. 15.

Declinationsnadel.


eine weſtliche, d. h. der Magnetſtab oder die „Magnetnadel“ weicht von der genauen
Nord-Süd-Richtung nach Weſten ab, und in Amerika, dem großen Ocean und
Aſien eine öſtliche. Ferner neigt ſich in der nördlichen Erdhälfte der Nordpol nach
abwärts, auf der Südhälfte hingegen der
Südpol.


Es wurde früher der Ausdruck
„Magnetnadel“ gebraucht; dieſe Bezeich-
nung wendet man für verſchiedene Formen
ſtabförmiger Magnete an, welche um den
Mittelpunkt ihrer Längsaxen leicht beweg-
lich ſind. Die gewöhnliche Form, die einer
ſolchen Nadel gegeben wird, iſt die einer
langgezogenen Raute, wie dies die Fig. 15
und 16 zeigen. Die Nordhälfte der Nadel
läßt man, um ſie leicht kenntlich zu machen,
blau anlaufen. Die Declinationsnadel trägt
in ihrer Mitte bei a ein kleines Hütchen,
mit welchem ſie ſich auf der am Fußbrette b
befeſtigten Stahlſpitze dreht. Die Inclina-
tionsnadel dreht ſich in einer Gabel um
eine horizontale Axe.


Die wichtigen Anwendungen, welche
man von der Richtkraft der Magnetnadel
durch die Buſſole*) und den Compaß

Figure 16. Fig. 16.

Inclinationsnadel.


macht, wurden bereits in der geſchichtlichen Einleitung erwähnt. Fig. 17 ſtellt
[40] eine Buſſole dar. Die Magnetnadel ſchwebt mit ihrem Hütchen auf einer Stahl-
ſpitze und iſt zu ihrem Schutze in ein Meſſinggehäuſe mit Glasplatte ein-
geſchloſſen. In dieſem Gehäuſe iſt ein getheilter Kreis angebracht und ſind die
Weltrichtungen durch die Buchſtaben N S und O W bezeichnet. In die Kapſel
ragt ferner ein um c drehbarer Hebel a b hinein, durch deſſen Hinabdrücken bei
d die Nadel gegen den Glasdeckel angedrückt und in dieſer Art arretirt werden
kann. Der in der Schifffahrt in Verwendung kommende Compaß weicht von der
eben angegebenen Einrichtung etwas ab. Er beſitzt an Stelle der Kreistheilung
die ſogenannte Windroſe, d. h. es ſind 32 Weltgegenden verzeichnet. Die Windroſe
iſt derart befeſtigt, daß ſie an der Drehung der Magnetnadel theilnimmt. Der
Steuermann erkennt, ob er die gewünſchte Richtung einhält, daran, daß der
betreffende Strahl der Windroſe mit zwei Kreideſtrichen, die er ſich am Compaß-
gehäuſe gemacht hat, in eine Gerade fällt. Bei Anwendung des Compaſſes auf
Schiffen muß die Einwirkung der Eiſenmaſſen der letzteren entweder durch Rech-

Figure 17. Fig. 17.

Buſſole.


nung beſtimmt oder durch Anbrin-
gung entgegenwirkender Eiſenſtücke
beim Compaß aufgehoben werden.
Auch muß man wegen der oft be-
deutenden Schwankungen des Schiffes
für eine Aufhängung der Nadel
ſorgen, die dieſer geſtattet, ſtets in
einer horizontalen Ebene zu ſchwin-
gen. Dies wird durch die ſogenannte
Cardan’ſche Aufhängung erreicht,
d. h. dadurch, daß man der Compaß-
büchſe die Drehung um drei auf-
einander ſenkrechte Axen ermöglicht
und durch Beſchweren des unteren
Theiles der Büchſe mit Blei ſie zwingt, die Drehungen immer ſo auszuführen,
daß die Magnetnadel in einer Horizontalebene ſchwingt.


Wirkung zweier Magnete aufeinander.


Es wurde geſagt, daß ein Magnet die Eigenſchaft beſitze, Eiſen anzuziehen,
und daß die Kraft, mit welcher er letzteres anzieht, am ſtärkſten an beiden Polen
iſt, gegen die Indifferenzzone zu fortwährend abnimmt und endlich in dieſer ſelbſt
gleich der Null wird. Hierbei ergab ſich kein Unterſchied der Wirkungen des Nord-
und Südpoles. Daß ein ſolcher aber vorhanden ſein muß, zeigt ſchon das Ver-
halten einer frei beweglichen Magnetnadel; dieſe ſtellt ſich, wie wir bereits wiſſen,
nie mit dem Südpole gegen Norden oder mit dem Nordpole gegen Süden, ſondern
weiſt, ſich ſelbſt überlaſſen, ſtets mit dem Nordpole nach Norden und mit dem
Südpole nach Süden. Daraus folgt einerſeits, daß Nord- und Südpol verſchieden-
artig wirken müſſen, und andererſeits, da ſämmtliche Nadeln an allen Punkten der
Erde nach einem nördlichen und einem ſüdlichen Punkt der letzteren zeigen, daß
auch die Erde einen magnetiſchen Nord- und einen magnetiſchen Südpol beſitzen
müſſe. Letzteres wurde auch in der That durch vielfache Beobachtungen an den
verſchiedenſten Punkten der Erde nachgewieſen und zugleich fand man, daß die magne-
tiſchen Pole der Erde nicht mit ihren geographiſchen Polen zuſammenfallen.


[41]

Die Verſchiedenheit in der Wirkſamkeit der beiden Pole eines Magnetes
kann aber auch dadurch gezeigt werden, daß man die Einwirkung zweier Magnete
aufeinander unterſucht. Man kann dieſe Unterſuchung in einfachſter Art dadurch
ausführen, daß man zwei Declinationsnadeln nebeneinander ſtellt. So oft dieſer
Verſuch angeſtellt wird, bemerkt man, daß ſich die beiden Nadeln ſo ſtellen, daß
ſie ſich ihre ungleichnamigen Pole zukehren; man ſieht auch, daß der Nordpol der
einen Nadel jenen der zweiten Nadel abſtößt und daß der Südpol der einen Nadel
ſich ebenſo zu dem Südpole der anderen Nadel verhält. Führt man eine Decli-
nationsnadel an einem Magnetſtabe ſeiner Länge nach vorbei, ſo beobachtet man
folgendes Verhalten der erſteren: Am Südpole des Stabes ſtellt ſich die Magnet-
nadel ſo, daß ihr Nordpol dem Südpole des Stabes ſo nahe als möglich kommt,
was ſie durch eine gegen die Axe des Magnetes ſenkrechte Stellung erreicht; der
Südpol des Stabes zieht alſo den Nordpol der Nadel an. Dieſes Verhalten
ändert ſich, wenn die Nadel gegen die Mitte des Stabes zu bewegt wird, nur
inſoferne, als die Kraft der Anziehung abnimmt und die ſenkrechte Stellung der
Nadel in eine parallele übergeht. Nähert man die Nadel, über die Mitte des
Stabes hinausgehend, dem Nordpole des Stabes, ſo richtet die Nadel ihren Südpol
gegen den Nordpol des Magnetes und dieſe Richtungskraft gewinnt deſto mehr
an Stärke, je näher die Nadel dem Nordpole des Stabes kommt, wo ſie ſich nun
abermals ſenkrecht gegen den Stab ſtellt, aber jetzt dieſem ihr Südende zukehrt.


Aus dem Verſuche mit zwei Magnetnadeln folgt das Grundgeſetz: Gleich-
namige Magnetpole ſtoßen ſich ab, ungleichnamige ziehen ſich an
, und
dieſes lautet auf Grund des Verſuches mit dem Stabe in umfaſſenderer Ausdrucks-
weiſe: Gleichnamige Magnetismen ſtoßen ſich ab, ungleichnamige ziehen ſich an.


Dieſes Verhalten der Magnete giebt uns ein Mittel an die Hand, den
magnetiſchen Zuſtand eines Eiſenſtückes zu prüfen. Man nähert dasſelbe dem
Nordpol und dann dem Südpol eines Magnetes. Zieht das Eiſenſtück beide Pole
an, ſo iſt es natürlich unmagnetiſch; zieht es den Nordpol an und ſtößt den
Südpol zurück, ſo iſt es an dieſer Stelle ſüdmagnetiſch. Verhält es ſich umgekehrt
gegen die beiden Pole, ſo iſt es nordmagnetiſch.


Magnetiſche Vertheilung oder Influenz.


Verfolgt und ergänzt man das anfänglich angegebene Experiment, ein Stück
Eiſen einem Magnete zu nähern, ſo gelangt man zu der Ueberzeugung, daß das
Eiſenſtück nicht blos angezogen wird, ſondern ſich ſelbſt in einen Magnet
verwandelt, denn es iſt nun ſelbſt wieder im Stande, ein zweites Eiſenſtück an-
zuziehen, dieſes ein drittes u. ſ. w., nur übt jedes neu hinzugebrachte eine geringere
Anziehungskraft aus, als das vorhergehende. Sämmtliche Eiſenſtücke fallen aber ſo-
fort auseinander, wenn der Magnet entfernt wird; ſie waren alſo nur ſo lange
magnetiſch, als das erſte Stück der Kette mit dem Magnete in Verbindung ſtand.
Befeſtigt man einen Eiſenſtab über einer mit Eiſenfeile beſtreuten Fläche, ſo üben
Stab und Feile keinerlei Einwirkung aufeinander aus. Nähert man aber dem Eiſen-
ſtabe von oben her einen Magnet, ſo werden die Feilſpäne von dem Stabe ſofort
angezogen, auch wenn der Magnet denſelben nicht berührt; ja der Eiſenſtab zieht
die Späne ſelbſt dann noch an, wenn man zwiſchen Magnet und Stab eine Platte
aus Glas, Holz, Pappe oder dergleichen einſchiebt. Die Feilſpäne fallen aber ſofort
[42] ab, wenn der Magnet vom Eiſenſtabe entfernt wird. Unterſucht man den letzteren,
ſo lange der Magnet ſich über ihm befindet, mit Hilfe einer Declinationsnadel auf
ſeinen magnetiſchen Zuſtand, ſo findet man, daß jenes Ende des Stabes, welches
dem Nordpole des Magnetes, wenn beiſpielsweiſe dieſer dem Stabe genähert wurde,
ſich am nächſten befindet, einen Südmagnetismus beſitzt, während das von ihm
abgewandte Stabende Nordmagnetismus zeigt. Der Stab iſt alſo durch die bloße
Annäherung eines Magnetes gleichfalls zum Magnete geworden und erhält ſich als
ſolcher ſo lange, als der urſprüngliche Magnet in ſeiner Nähe bleibt. Bei allen
dieſen Verſuchen verliert der letztere nichts an ſeiner Kraft.


Aus dieſen Experimenten folgt, daß das einem Magnete genäherte Eiſenſtück
nicht in der Weiſe magnetiſch wird, daß der Magnet einen Theil ſeines Magne-
tismus abgiebt oder eine Art magnetiſchen Fluidums in das Eiſenſtück überſtrömt,
ſondern daß letzteres durch eine vom Magnete ausgeübte Vertheilungs- oder
Influenzwirkung
ebenfalls zum Magnete wird. Das Ueberſtrömen eines
Fluidums iſt unmöglich, denn dann müßte: 1. die zwiſchen Magnet und Eiſen-
ſtab befindliche Platte aus Glas, Holz ꝛc. wenigſtens zur Zeit des Ueber-
ſtrömens ſelbſt ein magnetiſches Verhalten zeigen, was thatſächlich nicht der
Fall iſt; 2. das Eiſenſtück dürfte nur einerlei Magnetismus zeigen, und zwar
derſelben Art als jener Magnetpol, welcher ihm genähert wurde oder ihn be-
rührte, was ebenfalls nicht der Fall iſt; 3. der urſprüngliche Magnet müßte
bei jedem Verſuche an magnetiſcher Kraft verlieren und andererſeits das Eiſen-
ſtück auch dann noch Magnetismus zeigen, wenn es von dem Magnete ent-
fernt wird.


Wie hat man ſich alſo die bisher geſchilderten Erſcheinungen zu erklären?


Man denkt ſich in jedem Eiſenkörper beide Arten von Magnetismus vor-
handen, und zwar an jeder Stelle des Körpers in gleicher Menge; die beiden
gleich großen, aber entgegengeſetzten Magnetismen heben ſich dann in ihren Wir-
kungen gegenſeitig auf und der Eiſenkörper erſcheint bei ſeiner Prüfung als
unmagnetiſch.*) Nähert man nun einen ſolchen Eiſenkörper einem Magnet oder
bringt dieſen mit erſterem in Berührung, ſo werden die beiden im Eiſenkörper
vorhandenen Magnetismen getrennt; hierbei ſucht der dem genäherten Magnetpole
entgegengeſetzte Magnetismus dieſem Pole möglichſt nahe zu kommen, der gleiche
Magnetismus aber ſich möglichſt weit zu entfernen. Aus dem Eiſenſtücke entſteht
daher ein Magnet, der dem genäherten Magnetpole den ungleichnamigen Pol
zukehrt und am entfernten Ende einen gleichnamigen Pol beſitzt, wie dies die
Fig. 18 für das Zuſammenbringen eines Eiſenſtückes a b mit dem Nordpole
eines Magnetes N S zeigt. Werden Magnet und Eiſen wieder auseinandergebracht,
ſo vereinigen ſich die beiden Magnetismen im Eiſenſtücke neuerdings and machen
ſelbes unmagnetiſch, wie es vor dem Verſuche war. Hiermit iſt nun auch die
magnetiſche Anziehung überhaupt erklärt; ſie ſtellt ſich dar als eine Anziehung
zweier einander entgegengeſetzter Magnetpole. Aber auch das Anhäufen der Eiſen-
feile in voneinander divergirenden Strahlen (Fig. 14) und das Ausſehen der
[43] magnetiſchen Curven, in welche ein hufeiſenförmig gebogener Eiſenſtab die Eiſen-
feile um beide Pole herumlagert, erklärt ſich hieraus. Man erhält dieſe magnetiſchen
Curven oder Kraftlinien (Fig. 20), wenn man ein Blatt Papier mit Eiſenfeile
beſtreut und über den Polen eines Hufeiſenmagnetes leiſe ſchüttelt. Die Feilſpäne
reihen ſich dann in ſolchen Curven an, wie ſie die Figur zeigt. Warum die Bogen
hier und die Strahlen beim ſtabförmigen Magnete voneinander divergiren, zeigt
nachſtehender Verſuch.
In Fig. 19 hängen
zwei Eiſenſtäbchen an
je einem ſeidenen Faden;
nähert man nun dieſen
Stäbchen z. B. den

Figure 18. Fig. 18.

Magnetiſche Induction.


Nordpol eines Magnetes, ſo werden nach Obigem auch die Stäbchen zu Magneten.
Beide Stäbchen werden ihre Südpole an den unteren, ihre Nordpole an den
oberen Enden haben. Da ſich nun aber gleichnamige Pole abſtoßen, ſo müſſen
die an den Seidenfäden
hängenden Magnetſtäb-
chen divergiren. Die
einzelnen Eiſenfeilſpäne
in den magnetiſchen
Curven ſind aber nichts
Anderes als lauter an-
einandergereihte kleine
Eiſenſtäbchen und dieſe
werden durch die Ein-
wirkung des Magnetes
gleichfalls zu Magneten,
gerade ſo wie die Stäb-
chen des magnetiſchen
Doppelpendels; es
müſſen ſich folglich
auch die magnetiſchen
Curven gerade ſo wie
die Stäbchen des Pen-
dels abſtoßen, d. h.
alſo divergiren, wie es
die Fig. 14 und 20
zeigen.


Figure 19. Fig. 19.

Magnetiſches Doppelpendel.


Auch die Indifferenzzone findet durch das oben angegebene Verhalten beider
Magnetismen ihre Erklärung. Nähert man z. B. den Südpol eines Magnetes
einem Eiſenſtabe, ſo zieht dieſer Südpol den Nordmagnetismus des Stabes in das
dem Südpole zugewandte Ende und ſtößt den Südmagnetismus in das abgewandte,
vom Südpole am weiteſten entfernte Ende des Stabes. In der Mitte des letzteren,
wo beide Magnetismen zuſammentreffen, ziehen ſie ſich, weil entgegengeſetzt,
an und heben ihre Wirkung nach außen hin auf; der Stab erſcheint daher in ſeiner
Mitte unmagnetiſch.


In der hiſtoriſchen Einleitung wurde auch mitgetheilt, daß aufrechtſtehende
Eiſenſtangen (z. B. eines Eiſengitters) magnetiſch werden, und zwar in unſeren
[44] Breiten in der Art, daß ihr unteres Ende Nordmagnetismus, ihr oberes Ende
Südmagnetismus zeigt. Der Südmagnetismus der nördlichen Erdhälfte zieht eben
den Nordmagnetismus in der Eiſenſtange an und führt ihn in ihr unteres Ende,
während er den Südmagnetismus der Stange in deren oberes Ende treibt. Wir
ſagten „der Südmagnetismus der nördlichen Erdhälfte“; die nördliche Erd-
hälfte muß als ſüdmagnetiſch bezeichnet werden, da wir jenen Pol der Decli-
nationsnadel Nordpol genannt haben, der nach Norden zeigt. Richtiger wäre
es allerdings geweſen, vom Magnetismus der Erde auszugehen und jenen
Magnetismus, welcher an der nördlichen Erdhälfte herrſcht, nördlichen Magnetis-
mus zu nennen und in Folge deſſen den nach Norden zeigenden Pol der Decli-
nationsnadel als Südpol zu bezeichnen. Da nun aber einmal das Umgekehrte
gebräuchlich iſt, ſo wollen wir auch fernerhin dieſe Bezeichnung beibehalten.


Es iſt noch die Frage zu beantworten, ob bei Annäherung eines Magnetes
an ein Eiſenſtück die vertheilende Einwirkung auf deſſen Magnetismen immer

Figure 20. Fig. 20.

Magnetiſche Curven.


in derſelben Art erfolgt, gleich-
viel von welcher Beſchaffenheit
das Eiſen auch ſei. Hierüber
ertheilen uns entſprechend an-
geſtellte Experimente folgenden
Aufſchluß: Im weichen Schmiede-
eiſen gelingt die Trennung beider
in ihm vorhandenen Magnetis-
men leicht und ſchnell; es wird
durch Einwirkung eines Magnetes
raſch ſelbſt ein Magnet, verliert
aber ebenſo ſchnell und vollſtän-
dig wieder ſeinen Magnetismus,
wenn der die Vertheilung bewir-
kende Magnet entfernt wird; die
getrennt geweſenen Magnetismen
vereinigen ſich eben raſch wieder
miteinander. Man ſagt, im Schmiedeeiſen entſteht temporärer Magnetismus.
Härteres Eiſen oder Stahl wird ſchwieriger und langſamer zum Magnete. Sind
aber einmal die beiden Magnetismen eines Stahlſtückes voneinander getrennt, ſo
werden ſie ſich nach Entfernung des urſprünglich wirkenden Magnetes nicht mehr
ſo leicht wieder vereinigen, d. h. das Stahlſtück bleibt auch nachher magnetiſch
oder iſt permanent magnetiſch. In früherer Zeit war man der Anſicht, daß
jener Einwirkung eines Magnetes auf das Eiſen, durch welche letzteres ſelbſt
magnetiſch wird, eine beſondere dem Eiſen innewohnende Kraft entgegenwirke, und
nannte dieſe Coërcitivkraft. Man ſagte deshalb, das Schmiedeeiſen beſitze eine
geringe und der Stahl eine große Coërcitivkraft.


Conſtitution der Magnete.


Während die magnetiſche Anziehung und Abſtoßung durch Annahme zweier
Fluida noch ganz gut erklärt werden konnten, ergab ſich uns ſchon bei der In-
fluenz die Unmöglichkeit dieſer Annahme. Nun aber werden wir eine Thatſache
[45] kennen lernen, die uns einen Fingerzeig giebt, wie wir über die Conſtitution der
Magnete zu denken haben.


Bricht man nämlich einen dünnen, langen Magnetſtab (etwa von der Form
einer Stricknadel), der an einem Ende einen Südpol, an dem entgegengeſetzten Ende
einen Nordpol beſitzt, in der Mitte, alſo in der Indifferenzzone, entzwei, ſo ent-
hält nicht, wie man nach der Annahme zweier magnetiſcher Fluida erwarten müßte,
die eine Hälfte des Stabes ausſchließlich Nordmagnetismus und die andere Hälfte
Südmagnetismus, ſondern man bekommt zwei Magnete, deren jeder beiderlei Pole
beſitzt. Die Vertheilung der letzteren in jedem Bruchſtücke iſt derart, daß die
urſprünglichen Enden des Stabes ihre anfängliche Polarität behalten, an der Bruch-
ſtelle, der urſprünglichen Indifferenzzone, hingegen neue Pole in der Weiſe ent-
ſtehen, daß die Bruchflächen zu einander entgegengeſetzten Polen werden. Man kann
nun jedes dieſer Bruchſtücke wieder entzweibrechen und erhält dann vier einzelne
Magnete, überhaupt den Magnet in noch ſo viele und daher kleine Stücke zer-
theilen, ſo wird doch jedes Stück immer wieder einen vollſtändigen Magnet bilden.
Die Anordnung der Pole in dieſen kleinen Elementarmagneten iſt immer derart.

Figure 21. Fig. 21.

Conſtitution der Magnete.


daß ſämmtliche Nordpole gegen den Nordpol des urſprünglichen ungetheilten
Magnetes, ſämmtliche Südpole nach dem Südpole des ungetheilten Magnetes
gerichtet ſind. Fig. 21 veranſchaulicht dies. Wir erſehen daraus, daß ein Magnet
thatſächlich aus lauter kleinen Theilchen oder Molekülen beſteht, deren jedes einen
Nord- und einen Südpol beſitzt, und daß im Magnete alle ſeine magnetiſchen
Moleküle derart gerichtet ſind, daß ſie ihre Nordpole nach der einen, ihre Südpole
nach der entgegengeſetzten Richtung kehren.


Auf Grund dieſer Conſtitution der Magnete fällt es nicht ſchwer, die ver-
ſchiedenen magnetiſchen Erſcheinungen zu erklären. Betrachten wir z. B. die An-
ziehung. Nähert man etwa dem Südpole eines Magnetes ein Stück Eiſen, ſo
kehren ſämmtliche magnetiſchen Moleküle des Magnetes ihre Südpole dem Eiſen-
ſtücke zu; folglich ſind deren Südpole dem Eiſenſtücke näher, als ihre Nordpole
und die Einwirkung der Südpole muß überwiegen. Im Eiſenſtücke werden nun die
vorher vollkommen durcheinanderliegenden und daher nach außen unwirkſamen
magnetiſchen Moleküle derart gerichtet, daß ſie alle ihre Nordpole gegen den
Magnet kehren, alſo der Nordmagnetismus überwiegen muß. Und nun haben wir
einfach wieder die Anziehung zwiſchen Nord- und Südpol. Demnach iſt auch das
[46] Magnetiſiren eines Eiſenſtückes nichts Anderes, als eine Drehung ſämmtlichen
Molecularmagnete in eine beſtimmte Lage, ſo zwar, daß ſie alle ihre Nordenden
nach der einen und ihre Südenden nach der entgegengeſetzten Seite richten. Der
unmagnetiſche Zuſtand eines Eiſenſtückes beſteht aber darin, daß die einzelnen
magnetiſchen Moleküle ganz verſchiedene Lagen einnehmen, ſich daher in ihren Wirkungen
nach außen aufheben. Man kann dieſe Verhältniſſe auch durch ein einfaches
Experiment nachweiſen. Man magnetiſirt Eiſenfeile, die man in eine Glasröhre
eingeſchloſſen hat; die Röhre verhält ſich dann wie jeder andere Stabmagnet.
Sobald man ſie jedoch ſchüttelt, verſchwindet der Magnetismus, da nun die durch
das Magnetiſiren gerichteten Eiſentheilchen durch das Schütteln wieder ihre ein-
heitliche Richtung verlieren. Ebenſo einfach ergiebt ſich die Erklärung der Indifferenz-
zone; wird ein Stück Eiſen der Mitte (m m, Fig. 21) eines Magnetſtabes ge-
nähert, ſo befindet es ſich zwiſchen auf beiden Seiten in gleicher Anzahl, aber im
entgegengeſetzten Sinne wirkenden Theilchen, kann daher auch keinerlei Einwirkung
erfahren. Ferner iſt nach der Annahme der Molecularmagnete die Coërcitivkraft
als jener Widerſtand aufzufaſſen, welchem die Molecularmagnete ihrer Drehung
entgegenſetzen. Die Conſtitution der Magnete ſtellt ſich noch einfacher dar nach
Ampère’s Theorie, daß der Magnetismus der Moleküle durch dieſe umkreiſende
elektriſche Ströme hervorgerufen werde; dann iſt unter Magnetiſirung einfach die
Gleich- und Parallelrichtung dieſer Ströme zu verſtehen. Doch darauf müſſen wir
ſpäter noch zurückkommen.


Erzeugung von Magneten.


Stahl und Eiſen können in Magnete verwandelt werden, und zwar erſterer
ſowohl in einen temporären als auch in einen permanenten Magnet, letzteres nur
in einen temporären. Die Magnetiſirung oder das Richten der Molecularmagnete
wird bewirkt durch Streichen des zu magnetiſirenden Stückes mit einem temporären
oder permanenten Magnete, durch Berührung oder Annäherung eines derartigen
Magnetes an das Eiſenſtück oder endlich durch den elektriſchen Strom. Die
letzte Art der Erzeugung von Magneten wird bei der magnetiſchen Wirkung
des elektriſchen Stromes beſchrieben werden. Bei der Erzeugung von Magneten
durch Streichen unterſcheidet man den einfachen Strich, den Doppelſtrich und
den Kreisſtrich.


Der einfache Strich beſteht darin, daß man auf den zu magnetiſirenden
Stahlſtab, und zwar in deſſen Mitte, einen Magnet mit einem ſeiner Pole, z. B.
dem Nordpole (Fig. 22), aufſetzt, dann gegen das eine Ende des Stabes fährt, den
Magnet in der Luft wieder zur Mitte des Stabes zurückführt, abermals dort
aufſetzt, wieder gegen dasſelbe Ende des Stabes führt und dieſe Operation öfter
wiederholt. Das Ende des Stabes, von welchem bei Vollendung jedes Striches
der Nordpol des Magnetes abgezogen wird, erhält auf dieſe Weiſe einen Südpol.
Die Wirkung, welche bei dieſem Verfahren erzielt wird, iſt die, daß man vermöge
der Anziehungskraft des Nordpoles im Magnete die Molecularmagnete des Stabes
alle mit ihrem Südende gegen das eine Ende des Stabes richtet. Dann ſetzt man
den Magnet mit ſeinem zweiten Pole, alſo in unſerem Falle mit dem Südpole,
neuerdings in der Mitte des zu magnetiſirenden Stabes auf und ſtreicht den Stab
ebenſo oft von der Mitte aus gegen ſein zweites Ende. Dieſes wird dadurch in
[47] derſelben Weiſe wie früher das erſte Ende einen Magnetpol erhalten, aber dieſes-
mal einen entgegengeſetzten, nämlich einen Nordpol. In welcher Richtung und mit
welchem Pole des Magnetes hierbei zu ſtreichen angefangen wird, iſt gleichgiltig
und der zum Streichen angewandte Magnet verliert durch dieſe Operation nichts an
ſeiner urſprünglichen Kraft. Man erreicht dasſelbe Reſultat, wenn man ſtatt erſt
mit einem Pole nach der einen und dann mit dem zweiten Pole nach der entgegen-
geſetzten Richtung zu ſtreichen, gleichzeitig die ungleichnamigen Pole zweier Magnet-
ſtäbe in der Mitte des zu magnetiſirenden Stabes aufſetzt, den einen Pol gegen
das eine und gleich-
zeitig den entgegenge-
ſetzten Pol des zweiten
Magnetes gegen das
zweite Ende des Sta-
bes führt, beide Mag-
nete durch die Luft
wieder in die Mitte des
Stabes zurückbringt,
abermals gegen die
beiden Enden des
Stabes zu ſtreicht und
dieſes Verfahren mehr-
mals wiederholt.


Will man den
Doppelſtrich an-

Figure 22. Fig. 22.

Einfacher Strich.


wenden, ſo ſetzt man die entgegengeſetzten Pole zweier Stabmagnete mit Zwiſchen-
ſtellung eines dreiſeitigen Holzprismas (Fig. 23) auf die Mitte des zu magneti-
ſirenden Stabes derart auf, daß die Magnetſtäbe mit dem Eiſenſtabe Winkel
von beiläufig 20 Grad einſchließen, und fährt dann mit beiden Magneten und
dem Holzprisma gegen
das eine Ende des
Stabes, dann über die
Mitte desſelben zurück
bis zum zweiten Ende,
hierauf wieder zum
erſten Ende und ſo
oft hin und her, bis
der Stab nicht mehr
an magnetiſcher Kraft
gewinnt, worauf man

Figure 23. Fig. 23.

Doppelſtrich.


beide Magnetſtäbe in der Mitte des Stahlſtabes abhebt. Die Polarität des
Stahlſtabes iſt dann die entgegengeſetzte jenes Magnetpoles, welcher während des
Streichens dem betreffenden Stabende zunächſt lag. Die Wirkung dieſes Striches
beſteht darin, daß die Moleküle des Stabes, welche ſich jeweilig zwiſchen den
Polen der Streichmagnete befinden, in eine derartige Richtung gebracht werden, daß
ſie ihr Nordende dem Südpole und ihr Südende dem Nordpole der Streich-
magnete zukehren. An Stelle zweier Stabmagnete kann natürlich auch ein Hufeiſen-
magnet verwendet werden, bei welchem die entgegengeſetzten Pole ohnehin nahe
aneinander liegen und daher auch kräftig wirken.


[48]

Beim Kreisſtrich bildet man aus vier Stäben ein Rechteck oder aus zwei
hufeiſenförmigen Stücken ein Oblong, ſetzt einen Magnetſtab an irgend einer Stelle
des Rechteckes oder Oblonges auf, führt den Magnet wiederholt am Umfange
der Figur herum und hebt ihn ſchließlich an der Stelle wieder ab, wo man ihn
anfänglich aufgeſetzt hatte. Dort entſteht dann ein Pol, welcher jenem, mit dem
geſtrichen wurde, entgegengeſetzt iſt. Man kann den Kreisſtrich auch bei nur einem
Hufeiſen anwenden, indem man die Oeffnung der beiden Schenkel durch einen
Anker, d. h. ein Stück weichen Eiſens ſchließt. Man erreicht dabei eine ſehr
kräftige Magnetiſirung, da im Anker durch Influenz entgegengeſetzte Pole (wie im
Hufeiſen) entſtehen und dieſe dann die Wirkung des zum Streichen angewandten
Magnetes unterſtützen.


Gleichviel, in welcher Art auch der Magnetismus in einem Stabe hervor-
gerufen wird, hängt die Stärke ſeiner magnetiſchen Kraft von mancherlei Bedin-
gungen ab. Nicht allein die Kraft des zum Magnetiſiren angewandten Magnetes
(beziehungsweiſe elektriſchen Stromes) und die Zahl der Striche, ſondern auch die
chemiſche Zuſammenſetzung und die Härte des Stabes, ſeine Größendimenſionen,
ſeine Geſtalt u. ſ. w. üben hierauf Einfluß. Trotz vieler und eingehender Verſuche
iſt der genaue Zuſammenhang dieſer verſchiedenen einflußnehmenden Urſachen noch
nicht völlig geklärt. Im Allgemeinen wächſt die magnetiſche Kraft mit der Anzahl
der Einwirkungen und der Stärke des zum Magnetiſiren benützten Magnetes. Nach
einer beſtimmten Anzahl von Strichen mit einem Magnete von beſtimmter Kraft
iſt ein gegebener Stab nicht mehr im Stande, ſeine magnetiſche Kraft zu ver-
größern. Es verſchwindet dann nach Beendigung der Operation der temporäre
Magnetismus und bleibt der remanente zurück. Man ſagt dann, für dieſen Stahlſtab
iſt durch Streichen mit dem gegebenen Magnete die magnetiſche Sättigung
erreicht. Dies ſchließt jedoch nicht aus, daß dieſer Stab noch kräftiger magnetiſch
gemacht werden kann, wenn man ihn nun mit einem ſtärkeren Magnete ſtreicht.
Doch läßt ſich auch dies nicht beliebig fortſetzen, ſondern die magnetiſche Sättigung
erreicht ein gewiſſes Maximum, das auch mit den kräftigſten Magneten nicht geſteigert
werden kann. Weſentlichen Einfluß üben die Härte, ja auch die Art des Härtens
und der Kohlenſtoffgehalt des Stabes auf deſſen Magnetiſirung aus. Der remanente
Magnetismus wird größer, wenn der Stahl kohlenſtoffreicher oder wenn er härter
iſt. Enthält der Stahl wenig Kohlenſtoff, ſo übt die Härte einen großen Einfluß
aus, iſt jedoch der Kohlenſtoffgehalt ein hoher, ſo wird dadurch die Einwirkung
der Härte bedeutend verringert. Dann iſt auch, wie bereits erwähnt, die Art der
Härtung und des Anlaſſens von Bedeutung. Aus dieſen Gründen iſt es daher
nicht möglich, für die Erzeugung kräftiger permanenter Magnete beſtimmte Vor-
ſchriften zu geben. Nach den Verſuchen von Jamin nehmen die kohlenſtoffreichen
und mittelreichen, durch jähes Abſchrecken ſtark gehärteten Stäbe am meiſten per-
manenten Magnetismus auf.


Stahlſtäbe, welche ſtarken Erſchütterungen ausgeſetzt ſind, z. B. durch Häm-
mern, Drehen, Schlagen u. ſ. w., werden gleichfalls magnetiſch, und das Magneti-
ſiren durch Streichen wird durch ſolche Erſchütterungen des Stahlſtabes befördert.
Die Erſchütterungen unterſtützen eben das Gleichrichten der magnetiſchen Moleküle.
Daraus erklärt ſich auch das Magnetiſchwerden verſchiedener Werkzeuge, wie
Feilen, Bohrer u. ſ. w. Durch Erwärmen wird der Magnetismus verringert,
durch Glühen ganz zerſtört; hingegen kann plötzliche Abkühlung den Magnetismus
verſtärken.


[49]

Der Magnetismus hat ſeinen Sitz nicht nur an der Oberfläche des Magnetes,
ſondern dringt, je nach der Beſchaffenheit des letzteren, mehr oder weniger tief
ein. Dieſes Verhalten hat Jamin durch Aetzungsverſuche experimentell bewieſen.
Er zeigte auf dieſe Art auch, daß ein Stab mehrere Schichten verſchiedener Magne-
tismen beſitzen könne, und gelangte auf dieſem Wege zur Erzeugung abnormer
Magnete
, alſo z. B. eines Magnetes mit zwei Nordpolen ohne Südpol.
Ein normaler Magnet wurde durch Einwirkung eines zweiten Magnetes in ſeiner
oberſten Schicht umgekehrt magnetiſirt und zeigte nun in ſeiner Wirkung nach
außen an Stelle des früheren Nordpoles einen Südpol und umgekehrt. Nun
wurde der Magnet mit ſeinem Nordpole in die Säure gebracht und dieſe ätzte die
obere nordmagnetiſche Schicht ab, worauf die untere ſüdmagnetiſche Schicht an
die Oberfläche kam. Die andere Hälfte des Stabes unterzog Jamin nicht der
Aetzung, ſie blieb daher ſüdmagnetiſch. Der Stab hatte ſomit zwei Südpole und
keinen Nordpol. Abnorme Magnete entſtehen auch durch unregelmäßiges Streichen
mit verſchiedenen Polen auf benachbarten Stellen eines Stabes; dieſer zeigt dann
mehr als zwei Stellen mit polartigem Verhalten, er iſt dann ein Magnet mit
ſogenannten Folgepunkten.


Tragkraft der Magnete.


Man verſteht unter Tragkraft eines Magnetpoles die Fähigkeit desſelben,
ein beſtimmtes Gewicht Eiſen feſtzuhalten, und beſtimmt dieſelbe dadurch, daß
man an den möglichſt ebenen Pol einen ebenſo beſchaffenen Anker bringt, welcher
eine Wagſchale trägt; auf letztere werden dann ſo lange Gewichte aufgelegt, bis
dieſe den Anker eben abreißen. Die Tragkraft des Poles iſt dann gleich dem auf-
gelegten Gewichte plus dem der Schale und des Ankers. Die Tragkraft des ganzen
Stabmagnetes iſt doppelt ſo groß. Letzteres gilt für gerade Stäbe, nicht aber für
Hufeiſenmagnete. Die Tragkraft eines Hufeiſenmagnetes iſt erheblich größer als die
doppelte Tragkraft eines ſeiner Pole. Im Allgemeinen wächſt die Tragkraft aller-
dings mit der Stärke der Magnete; ſie kann aber doch nicht als Maß für letztere
benützt werden, da ſie nicht im einfachen Verhältniſſe mit der magnetiſchen Kraft
wächſt. Man kann die Tragkraft eines Magnetes auch dadurch vermehren, daß
man nach und nach größere Gewichte anhängt, bringt ſie aber wieder auf die
urſprüngliche Größe herab, ſobald man den Anker abreißt. Die abſolute Tragkraft
wächſt mit der Größe des Magnetes, nicht aber die relative, d. h. das Verhältniß
zwiſchen Tragkraft und Eigengewicht des Magnetes; letztere iſt im Gegentheile für
kleinere Magnete erheblich größer als für große Magnete. Einige Beiſpiele mögen
dies erläutern: Häcker, der auch eine Formel für die Tragkraft der Magnete
angab, verfertigte einen Magnet, der 1 Loth wog und das 32fache Gewicht trug,
einen, der 1 Pfund wog und das zwölffache Gewicht trug, und einen, der 40 Pfund
wog und nur das vierfache Gewicht trug. Jamin, welcher auch die Magnete auf
ihre Tragkraft unterſuchte, fand, daß die Wirkung des Ankers nicht blos auf
der Anziehung durch die Magnetpole beruhe, ſondern daß auch eine Art Con-
denſation
des Magnetismus durch ihn bewirkt werde; der Anker zieht nämlich den
Magnetismus mehr gegen die Pole hin und verleiht dadurch dieſem eine größere Kraft.
Dies erklärt auch das Zunehmen der Tragkraft durch Vergrößerung der angehängten
Gewichte und die größere Tragkraft zweier nebeneinander befindlicher Pole beim
Hufeiſenmagnet, wie auch das Zurückgehen der Tragkraft beim Abreißen des Ankers.


Urbanitzky: Elektricität. 4
[50]

Da der Magnetismus nur bis zu einer gewiſſen Tiefe in den Magnet ein-
dringt, kann man durch Vergrößerung ſeiner Dicke über eine beſtimmte Grenze
hinaus die Kraft des Magnetes nicht mehr ſteigern. Man erreicht dies aber
dadurch, daß man eine Anzahl von Magneten aufeinanderlegt und auf dieſe Weiſe
ein ſogenanntes magnetiſches Magazin bildet, wie ein ſolches die Fig. 24
darſtellt. Hierbei ergiebt ſich aber, daß die Tragkraft des magnetiſchen Magazines
allerdings größer iſt als jene eines ſeiner Magnete, aber nicht der Summe der
Tragkräfte aller Magnete gleichkommt. Es erklärt ſich dieſes Verhalten aus der
gegenſeitigen Einwirkung je zweier benachbarter Magnete oder Lamellen. Betrachten
wir z. B. den Nordpol einer Lamelle, ſo wird dieſer die Moleküle des auf ihm
liegenden Nordpoles der benachbarten Lamelle anziehen und ſie ſo richten, daß ſie

Figure 24. Fig. 24.

Magnetiſches Magazin.


Figure 25. Fig. 25.

Jamin’s Blättermagnet.


ihre Südenden gegen den Nordpol der erſten Lamelle kehren; dieſe Molecular-
magnete werden alſo eine Stellung ſenkrecht zur Ebene der Magnetſchenkeln ein-
nehmen, ſomit für die Wirkung nach außen verloren gehen. P. Reis erläutert in
ſeinem Lehrbuche der Phyſik*) dieſes Verhalten einzelner Magnete in einem magneti-
ſchen Magazine recht gut durch folgendes Beiſpiel: „Als Jamin ſechs gleiche Magnete
von 3 Kilo Gewicht und 18 Kilo Tragkraft aufeinanderlegte, hatte das Magazin
nicht die Tragkraft von 6 × 18 = 108 Kilo, ſondern nur von 64 Kilo; nach
dem Zerlegen des Magazines hatte jeder Magnet nur noch 9 bis 10 Kilo Trag-
kraft.“ Jamin iſt es auch gelungen, durch verſchiedene Anordnungen und Formen der
[51] Einzelmagnete eines Magazines, ſowie auch des Ankers, ſehr kräftige Wirkungen zu
erzielen. Ein derartiges magnetiſches Magazin, gebildet aus lauter einzelnen Stahl-
bändern, die an ihren Polenden durch entſprechende Faſſungen zuſammengehalten
werden, zeigt Fig. 25. Um die Einwirkung der einzelnen Magnetpole aufeinander
möglichſt gering zu machen, ſind die einzelnen Stahlbänder ungleich lang gemacht,
derart, daß ihre einzelnen Pole nicht direct aufeinanderfallen. Dies iſt in ähnlicher
Weiſe auch bei den Lamellen des magnetiſchen Magazines in Fig. 24 ausgeführt.


Magnetiſche Fernwirkung.


Befinden ſich zwei Magnete in geringer Entfernung voneinander, ſo kommt
nur die zur Abſtoßung oder Anziehung führende Wirkung der Pole in Betracht.
Es gilt dann das Geſetz: Die Abſtoßungen
oder Anziehungen verhalten ſich umgekehrt
wie die Quadrate der Entfernungen
. Dieſes
Geſetz kann mit der von Coulomb erfundenen
Drehwage nachgewieſen werden. Die Drehwage,
Fig. 26, beſteht aus einem weiten Glascylinder c,
welcher oben durch einen Deckel d verſchloſſen iſt;
in eine mittlere Oeffnung des letzteren iſt eine
Glasröhre g eingekittet, die an ihrem oberen Ende
eine durch den Knopf k drehbare Scheibe S mit
Kreistheilung beſitzt. Der an der Glasröhre un-
verrückbar angebrachte Index i ermöglicht die Ab-
leſung des Drehungswinkels. Am Knopfe k iſt ein
dünner Silberdraht f befeſtigt und hängt durch die
Röhre in den Glascylinder hinab; an ſeinem unteren
Ende trägt er ein kleines Meſſingſchiffchen, in wel-
chem der Magnetſtab n s liegt. In gleicher Höhe
mit dem Magnetſtabe iſt der Glascylinder mit
einer Theilung T verſehen. Ein zweiter Magnet-
ſtab N S kann durch eine Oeffnung des Deckels
in den Glascylinder ſo eingeführt werden, daß er
mit einem ſeiner Pole gerade dem aufgehängten
Magnetſtabe gegenüberſteht.


Figure 26. Fig. 26.

Magnetiſche Drehwage.


Um mit dieſem Apparate das angegebene Geſetz nachzuweiſen, dreht man
zuerſt durch den auf der Scheibe S ſitzenden Kn pf k den Silberdraht ſo lange, bis
der daran hängende Magnetſtab ſich in den magnetiſchen Meridian eingeſtellt
hat, ohne daß der Metalldraht irgend welche Verdrehung oder Torſion zeigt. Führt
man dann den Magnetſtab N S in den Glascylinder ein, ſo wird deſſen Nordpol
den Nordpol des ſchwebenden Stabes abſtoßen und dieſen um einen am Kreiſe T T
ablesbaren Winkel drehen. Durch dieſe Drehung wird der Silberdraht tordirt und
der Stab n s wird dann eine fixe Stellung einnehmen, wenn die Torſionskraft des
Drahtes gleich geworden iſt der Abſtoßungskraft zwiſchen beiden Magneten. Man
dreht nun am Knopfe k derart, daß der ſchwebende Magnetſtab dem feſtſtehenden
genähert wird; dadurch wird die Torſion des Drahtes vermehrt und es tritt ein
neuer Gleichgewichtszuſtand zwiſchen Torſionskraft und magnetiſcher Abſtoßungskraft
ein. Wird dieſe Operation noch einmal oder mehreremale wiederholt und hat man
4*
[52] durch einen früher angeſtellten Verſuch beſtimmt, welche Torſion nöthig iſt, um den
ſchwebenden Stab ohne Einwirkung des feſtſtehenden um 1 Grad aus dem magne-
tiſchen Meridian herauszudrehen, ſo beſitzt man alle Daten zur Nachweiſung des
ausgeſprochenen Geſetzes. Die Entfernung der beiden Magnetpole voneinander
kann bei den einzelnen Verſuchen an der Theilung T T abgeleſen werden, die
Kraft der Abſtoßung mißt man durch die entgegenwirkende Torſionskraft. Dieſe
iſt aber gleich dem jeweilig an der Scheibe S abzuleſenden Torſionswinkel multi-
plicirt mit der Entfernung, in welche der ſchwebende Magnetpol vom feſtſtehenden
gebracht wurde. Die Zahlen, welche ſich auf dieſe Art ergeben, zeigen dann deut-
lich, daß ſich die magnetiſchen Kräfte umgekehrt verhalten wie die Quadrate der
Entfernungen.


Für die Einwirkung zweier Magnete aufeinander gilt jedoch nicht mehr
dieſes Geſetz, wenn die Entfernung eine bedeutendere wird, wenn die Größe
eines Magnetes im Vergleiche zur Entfernung vom zweiten Magnete ſo klein iſt,
daß man die von einem Magnetſtabe ausgeübte Anziehung ebenſo wie die Ab-
ſtoßung in Betracht ziehen muß. In dieſem Falle ſtehen die magnetiſchen
Kräfte im umgekehrten Verhältniſſe des Cubus der Entfernungen
.


Magnetiſche Intenſität.


Unter magnetiſcher Intenſität oder Kraft eines Magnetes verſtehen wir jene
Kraft, welche nöthig iſt, um die beiden Magnetismen zu trennen oder die Mole-
cularmagnete zu richten. Je größer dieſe Arbeit war, deſto größer muß dann auch
die Kraft des Magnetes ſein. Da uns aber das Weſen des Magnetismus un-
bekannt iſt, können wir deſſen Intenſität nicht direct meſſen. Ihre Beſtimmung iſt
uns nur durch deren Wirkungen ermöglicht. Eine ſolche Wirkung wäre die Tragkraft
der Magnete; wir haben aber geſehen, daß dieſe Größe mit dem Magnetismus
ſelbſt in keinem einfachen Verhältniſſe ſteht und daher nicht verwendbar iſt. Es
wurde deshalb die Richtkraft des Magnetes als Maß für deſſen Stärke vor-
geſchlagen. Bringt man eine Declinationsnadel aus ihrer Gleichgewichtslage, ſo
wird ſie durch die Wirkung des Erdmagnetismus wieder in den magnetiſchen
Meridian zurückgeführt; in dieſem ſelbſt bleibt die Nadel in Ruhe, und am kräftigſten
erfolgt die Einwirkung, wenn die Nadel auf den magnetiſchen Meridian ſenkrecht
ſteht. Daraus erkennt man, daß die Richtung der drehenden Kraft die des magne-
tiſchen Meridians ſein müſſe. Die magnetiſche Kraft der Erde iſt nun allerdings nach
Ort und Zeit verſchieden, doch ſind dieſe Verſchiedenheiten nicht ſo groß, daß
man die magnetiſche Kraft mehrerer Magnete nicht vergleichen kann. Die Richtkraft,
die auf einen Magnet ausgeübt wird, hängt aber nicht nur vom Erdmagnetismus
ab, ſondern auch von der Stärke des Magnetismus in der Nadel; je größer jene
iſt, deſto raſcher erfolgt die Rückführung der Nadel in den magnetiſchen Meridian.
Man hat nun für die Richtkraft nur noch eine Maßeinheit aufzuſtellen; dies hat
Gauß durch Ausdrückung derſelben im abſoluten Maße gethan. Hiernach ver-
ſteht man unter der Einheit der Kraft jene Kraft, welche der Maſſe von 1 Milli-
gramm mit dem Dreharme von 1 Millimeter in 1 Secunde eine Drehbeſchleunigung
von 1 Millimeter ertheilt. Zur Ausführung derartiger Meſſungen hat Gauß auch
ein Inſtrument, ſein Magnetometer, conſtruirt; man beſtimmt mit dieſem In-
ſtrumente die Schwingungszeit in folgender Art: Ein auf Coconfäden hängender
Magnet trägt an einem ſeiner Pole einen verticalen Spiegel; dieſer reflectirt das
[53] Bild einer gegenüberſtehenden Scala in das darüber angebrachte Fernrohr. Durch
dieſes beobachtet man nun die Zeiten, in welchen ein beſtimmter Theilſtrich der
Scala das Fadenkreuz im Fernrohre paſſirt. Außer der Schwingungszeit hat man
auch noch das Trägheitsmoment der Nadel zu beſtimmen, was mit dem angegebenen
Inſtrumente ebenfalls leicht bewerkſtelligt werden kann; ſind dieſe Meſſungen aus-
geführt, ſo ergiebt ſich die Größe der Richtkraft mit Hilfe einer einfachen Formel.


Der Erdmagnetismus.


Es wurde bei Beſprechung der Magnetnadel bereits erwähnt, daß ſie ihre
Richtkraft der Einwirkung des Erdmagnetismus verdanke, daß alſo die Erde ſelbſt
ſich als großer Magnet verhalten müſſe. Iſt dies wirklich der Fall, ſo muß die
Wirkung des Erdmagnetismus auf die Magnetnadel dieſelbe ſein, wie die Wirkung
eines großen Stabmagnetes auf eine kleine Magnetnadel. Es muß ſich daher jede
Declinationsnadel parallel ſtellen zur Axe des Magnetes und von Pol zu Pol
zeigen. Nun beſtimmen wir die Richtung des magnetiſchen Meridians durch den
Winkel, welchen dieſer mit dem aſtronomiſchen Meridian einſchließt, folglich muß,
da die Erde eine Kugel iſt, die Declination an verſchiedenen Punkten der Erde
eine verſchiedene ſein. Ferner muß, wenn die Axe des Magnetes durch den Erd-
mittelpunkt geht, alſo ein Durchmeſſer der Erde iſt, auch eine magnetiſche Meri-
dianebene vorhanden ſein, welche mit einer aſtronomiſchen Meridianebene über-
einſtimmt, d. h. in welcher alſo die Declination gleich Null iſt. Verſuche, an
verſchiedenen Punkten der Erde angeſtellt, haben in der That dieſes Verhalten
der Declinationsnadel ergeben.


Iſt die Nadel um eine horizontale Axe drehbar, alſo eine Inclinationsnadel,
ſo muß dieſe, unter der Vorausſetzung, daß die Erde ein großer Magnet ſei, an
verſchiedenen Punkten der Erde gleichfalls verſchiedene Stellungen annehmen, ſobald
ſie in den magnetiſchen Meridian geſtellt wird. Da wir dieſe Stellungen durch die
Winkel meſſen, welche die Nadel mit der horizontalen Ebene einſchließt ſo muß
es Punkte auf der Erde geben, in welchen dieſe Neigung der Nadel, die Inclina-
tion, am größten, d. h. gleich 90 Grad wird. Dieſe Punkte der Erde ſind dann
ihre Pole, und zwar jener Pol, welchem die Inclinationsnadel ihren Nordpol
zuwendet, der magnetiſche Südpol der Erde, und jener, welchem die Nadel ihren
Südpol zuwendet, der Nordpol der Erde. Auch muß ſich auf der Erde eine Linie
finden, auf welcher die Inclinationsnadel gar keine Neigung zur Horizontalebene
zeigt, alſo der Inclinationswinkel gleich Null iſt; auf dieſer Linie befände ſich
nämlich die Inclinationsnadel von beiden Magnetpolen der Erde gleichweit entfernt.
Auch hier zeigten zahlreiche Verſuche, daß ſich die Inclinationsnadel wirklich
ſo verhält.


Es wurde auch bereits mitgetheilt, daß durch Einwirkung eines Magnetes
weiches Eiſen vorübergehend, Stahl bleibend magnetiſch wird. Iſt nun die Erde
wirklich ein großer Magnet, ſo muß ſie auch dieſe Wirkung zeigen. Stellt man der-
artige Verſuche an, alſo z. B. in der Art, daß man einen Stahlſtab in den
magnetiſchen Meridian bringt und hierauf ſeinen magnetiſchen Zuſtand unterſucht,
ſo findet man dieſen wirklich auch unſerer Vorausſetzung entſprechend.


Nach dieſen Betrachtungen unterliegt es daher keinem Zweifel, daß die Erde
ſich thatſächlich wie ein großer Magnet verhält. Ferner folgt daraus, daß die
Declinationsnadeln mit ihrem Nordpole nach Norden und ihrem Südpole nach
[54] Süden zeigen, daß die Inclinationsnadeln auf der nördlichen Hälfte der Erde
ihren Nordpol nach abwärts und auf der ſüdlichen Hälfte ihren Südpol nach ab-
wärts wenden, ſowie auch aus der Vertheilung der Pole bei Eiſen- und Stahl-
ſtäben, die durch den Erdmagnetismus magnetiſch werden, daß der magnetiſche
Südpol der Erde ſich auf der nördlichen Erdhälfte und der magnetiſche Nordpol
auf der ſüdlichen Erdhälfte befinden muß.


Iſt es an und für ſich wünſchenswerth, den magnetiſchen Zuſtand der Erde
zu kennen, ſo intereſſirt uns dieſer auch noch beſonders aus dem Grunde, weil
wir nur bei genauer Kenntniß desſelben im Stande ſind, den magnetiſchen Zuſtand

Figure 27. Fig. 27.

Lamont’s Declinatorium.


der Körper zu unterſuchen. Um den
magnetiſchen Zuſtand der Erde für
einen beſtimmten Ort kennen zu
lernen, iſt es nothwendig, die Inten-
ſität und die Richtung der mag-
netiſchen Kraft zu meſſen. Die
Richtung erhalten wir durch Be-
obachtung der Declinations- und
der Inclinationsnadel, die Intenſität
aber durch Rechnung, wenn uns
außer Inclination auch noch die
Richtkraft der Erde bekannt iſt; wie
man letztere beſtimmt, wurde bereits
mitgetheilt.


Die Declination wurde in
früherer Zeit einfach durch ein mit
einer Buſſole in Verbindung ſtehen-
des Fernrohr, deſſen Axe zur Mittel-
linie der Buſſole parallel war, ge-
meſſen. Man ſtellt das Fernrohr
genau nach Norden, was durch
Viſiren einer im Obſervatorium ent-
ſprechend angebrachten Marke leicht
auszuführen iſt, und lieſt dann in
dem Winkel, welchen die Mittellinie
des Fernrohres mit der Magnet-
nadel bildet, unmittelbar die Decli-
nation ab. Handelt es ſich um die
Erreichung großer Genauigkeit, ſo bedient man ſich des Magnetometers nach Gauß;
da dieſes jedoch von dem magnetiſchen Obſervatorium nicht getrennt werden kann,
benützt man andere Inſtrumente, wenn es darauf ankommt, die Declination an
verſchiedenen Orten zu beſtimmen. Ein derartiges Inſtrument wurde von Lamont
conſtruirt. Es beſteht aus einer durch Schrauben horizontal ſtellbaren Grund-
platte A aus Meſſing (Fig. 27), auf welcher eine zweite Platte B, die einen auf
Silber getheilten Kreis beſitzt, feſt und unverrückbar aufgeſetzt iſt. Genau durch
die Mitte dieſer beiden Platten geht ein drehbarer Meſſingzapfen, der an ſeinem
oberen Ende mit einer dritten Scheibe verſehen iſt, an welcher das Fernrohr L
und zwei einander diametral gegenüberſtehende Nonien N befeſtigt ſind. Iſt das
Fernrohr mit ſeiner Axe in den aſtronomiſchen Meridian eingeſtellt, ſo lieſt man die
[55] Anzeigen der Nonien ab und ſtellt den nun zu beſchreibenden Theil des Apparates
auf die oberſte Meſſingplatte. Dieſer Theil beſteht aus einem rechteckigen Meſſing-
gehäuſe M, welches oben ein Rohr T trägt, in welchem der Coconfaden herab-

Figure 28. Fig. 28.

Karte der Iſogonen.


hängt, der zur Aufhängung des Magnetſtabes a b dient. Das Meſſinggehäuſe iſt
in der Höhe des Magnetes, um dieſen durchzulaſſen, durchbrochen, und dieſe beiden
Oeffnungen ſind durch eingeſetzte Glasröhren v v zum Schutze des Magnetes
gegen Luftzug verſchloſſen. Der zum Tragen des Magnetes beſtimmte Träger iſt
[56] nach abwärts verlängert und beſitzt einen kleinen Spiegel, welcher derart befeſtigt
iſt, daß ſeine Ebene auf den Magnetſtab genau ſenkrecht ſteht; in der Höhe dieſes
Spiegels iſt das Meſſinggehäuſe gleichfalls durchbrochen und durch eine Glas-
platte D verſchloſſen. Der jetzt beſchriebene Theil des Apparates wird derart auf-
geſtellt, daß jene Rechteckfläche des Meſſinggehäuſes, auf welcher ſich das Fenſterchen
D befindet, ſenkrecht ſteht auf der optiſchen Axe des Fernrohres. Dann dreht man
das Fernrohr ſo lange, bis der an dieſer Bewegung theilnehmende Magnetſtab in
dem Rohre v v frei ſchwingen kann. Jetzt ſtellt man das Fernrohr genau ſenkrecht
auf das Spiegelchen bei D und bekommt dadurch die optiſche Axe des Fernrohres
parallel zum Magnetſtabe. Lieſt man hierauf den Winkel, um welchen das
Fernrohr aus ſeiner erſten Stellung gedreht wurde, ab, ſo iſt dies die geſuchte
Declination. Um ein genaues Senkrechtſtellen der Fernrohraxe auf das Spiegelchen
zu ermöglichen, befindet ſich im Fernrohre an Stelle des ſonſt gebräuchlichen Faden-
kreuzes eine Spiegelplatte, in welche ein Kreuz eingeritzt iſt. Von letzterem
entwirft der Spiegel D ein Bild, welches mit dem Kreuze ſelbſt nur dann genau zu-
ſammenfällt, wenn die Fernrohraxe auf den Spiegel vollkommen genau ſenkrecht
ſteht, weil nur in dieſer Stellung die vom Kreuze ausgehenden Lichtſtrahlen
ſenkrecht auf den Spiegel treffen und in ſich ſelbſt reflectirt werden.


Die Beobachtungen mit dieſem und ähnlichen Inſtrumenten ergaben, daß die
Declination ſowohl zu gleicher Zeit an verſchiedenen Orten der
Erde, als auch zu verſchiedenen Zeiten an einem und demſelben Orte
verſchieden iſt
. Hingegen beſitzen immer je eine Anzahl von Orten gleiche
Declinationen. Jene Linien, welche Orte gleicher Declination verbinden, nennt
man Iſogonen und die Iſogone, auf welcher die Declination gleich Null iſt,
heißt Agone. Eine Darſtellung der Iſogonen zeigt die Karte in Fig. 28. Aus
dieſer iſt auch der Verlauf der einzelnen Iſogonen zu erſehen.


Man verſteht unter Variationen die Veränderungen der Declination mit der
Zeit und unterſcheidet ſäculare, jährliche und tägliche Variationen, ſowie auch Per-
turbationen oder unregelmäßige Variationen, die gewöhnlich gleichzeitig mit dem
Nordlichte auftreten. Aus der Declinationskarte ergiebt ſich auch, daß nahezu die
eine Hälfte der Erde weſtliche, die andere Hälfte öſtliche Declination beſitzt. Beide
ſind voneinander getrennt durch die Agone, von welcher man bis jetzt zwei
getrennte Theile kennt. Der eine Theil geht von der Hudſonsbai aus über den
öſtlichen Theil von Nordamerika in den atlantiſchen Ocean, dann an den weſt-
indiſchen Inſeln vorbei über die Oſtſpitze von Südamerika wieder in den Ocean;
der zweite Theil geht über den 45. und 50. Grad öſtl. L. durch das aſiatiſche
Rußland, dann durch das kaspiſche Meer, den öſtlichen Theil Arabiens und durch-
ſchneidet dann die weſtliche Hälfte Auſtraliens. Wahrſcheinlich bilden beide Stücke
zuſammen eine geſchloſſene Curve. Auf der europäiſchen Seite derſelben iſt die
Declination weſtlich, auf der anderen Hälfte öſtlich. Sämmtliche Iſogonen ſchneiden
ſich in zwei Punkten, welche nahe den aſtronomiſchen Polen der Erde liegen, und
dieſe nennt man die magnetiſchen Pole derſelben. Sie liegen an der Weſtküſte von
Boothia Felix und bei den Vulkanen Erebus und Terror.


In welcher Art die ſäcularen Variationen ſich geltend machen, iſt aus den
Beobachtungen mehrerer Jahrhunderte leicht zu erſehen. Es ergiebt ſich hieraus,
daß in Europa bis gegen die Mitte des ſiebzehnten Jahrhundertes die Declination
eine öſtliche war und dann in eine weſtliche überging. Man fand für Paris folgende
Declinationen:


[57]
  • Im Jahre 1580 11° 30' öſtlich
  • „ „ 1618 8° 00' „
  • „ „ 1663 0° 00' „
  • „ „ 1700 8° 10' weſtlich
  • „ „ 1805 22° 5' „
  • „ „ 1818 22° 22' „
  • „ „ 1828 22° 6' „
  • „ „ 1849 20° 34' „

Gegenwärtig iſt daher die Declination für Europa eine weſtliche, und dieſe iſt in
der Abnahme begriffen.


Eine genaue Feſtſtellung der täglichen Variationen iſt den Bemühungen von
Gauß und Weber zu verdanken, über deren Anregung an vier beſtimmten Tagen
des Jahres auf verſchiedenen Punkten der Erde während voller 24 Stunden das
Verhalten des Erdmagnetismus beobachtet
wurde. Hieraus ergab ſich für große Ge-
biete eine ziemliche Uebereinſtimmung. In
Europa iſt die Declination des Morgens
am geringſten, wächſt bis kurz nach Mittag
zu ihrem Maximum an und ſinkt dann
wieder bis gegen Abend. Die Geſammt-
differenz iſt zwar nicht zu allen Jahres-
zeiten dieſelbe, ſchwankt aber nur beiläufig
um neun Minuten.


Die Inclination beſtimmt man
mittelſt der Inclinatorien. Hierbei muß die
Magnetnadel entweder ganz frei, nur in
ihrem Schwerpunkte durch einen Cocon-
faden aufgehängt oder doch wenigſtens
um eine horizontale Axe beweglich ſein. Im
letzteren Falle muß die horizontale Axe
genau durch den Schwerpunkt gehen, da
ſonſt die Schwerkraft auf die Stellung
der Nadel mit einwirkt; auch muß die
Reibung der Axe in ihren Lagern mög-
lichſt vermindert werden.


Figure 29. Fig. 29.

Inclinatorium.


Ein derartiges Inclinatorium iſt in Fig. 29 abgebildet. Auf einem maſſiven
Dreifuße iſt ein horizontaler getheilter Kreis k1 angebracht, durch deſſen Mittel-
punkt die Drehaxe des verticalen Kreiſes K2 geht; die Verbindung des verticalen
Kreiſes mit ſeinem Drehzapfen vermittelt das Geſtelle A B C D, welches auf ſeiner
Bodenfläche eine Waſſerwage w trägt. Dieſe und die Stellſchrauben s dienen zur
genauen Horizontalſtellung des Kreiſes k1 und ſomit auch zur gleichzeitigen Vertical-
ſtellung des Kreiſes K2. Zur Ableſung an dem horizontalen Kreiſe dient der mit
A B feſtverbundene Nonius n. Im Mittelpunkte des Verticalkreiſes K2 iſt die Magnet-
nadel a b gelagert; ihre Drehaxe beſteht aus einem dünnen Stahlſtabe und dieſer
dreht ſich auf Achatplatten, welche auf den Meſſingſtücken m m befeſtigt ſind.
Die Nadel hat eine Länge von beiläufig 30 Centimeter und muß mit ihren ſpitzen
Enden genau auf die Theilung einſpielen, welch letztere Dr. Meyerſtein in Göt-
tingen ſpiegelnd machte, um ein ſeitliches Daraufſehen bei der Ableſung hintan-
[58] zuhalten. Um mit dieſem Apparate die Inclination zu beſtimmen, ſtellt man zunächſt
den Kreis k1 durch die Stellſchrauben s genau horizontal, beziehungsweiſe den
Kreis K2 vertical. Dann wird der Verticalkreis mit der Nadel in den magnetiſchen

Figure 30. Fig. 30.

Karte der Iſoctinen.


Meridian gedreht und der Wintel abgeleſen, welchen die magnetiſche Axe mit der
Horizontalebene bildet. Um hierbei Fehler zu vermeiden, lieſt man dieſen Winkel
an beiden Spitzen der Nadel ab und nimmt aus beiden Ableſungen das Mittel;
aus demſelben Grunde bringt man auch die Nadel mehrmals aus der Gleich-
gewichtslage und macht, ſobald ſie dieſelbe wieder erlangt hat, jedesmal wieder
[59] beide Ableſungen. Das Mittel ſämmtlicher Ableſungen wird dann als die richtige
Anzeige betrachtet.


Gleichwie die Declination, iſt auch die Inclination ſowohl für ver-
ſchiedene Orte zur ſelben Zeit, als auch für dieſelben Orte zu ver-
ſchiedenen Zeiten ungleich
. Aber auch hier giebt es Orte gleicher Inclination;
ihre Verbindungslinien nennt man Iſoclinen, und jene Iſocline, in welcher die
Inclination gleich Null iſt, den magnetiſchen Aequator oder die Acline. Von
der Acline aus, welche ſich beiläufig am aſtronomiſchen Aequator hinzieht, durch-
läuft die Inclination bis zu den magnetiſchen Polen alle Werthe von 0 bis 90 Grad.
Die Inclinationsnadel ſtellt ſich daher am magnetiſchen Aequator horizontal, neigt
ſich auf der Nordhälfte der Erde mit ihrem Nordende nach unten, auf der ſüdlichen
Erdhälfte mit dem Südende, und ſteht auf den magnetiſchen Polen ſenkrecht.
Dieſes Verhalten ermöglichte auch die Beſtimmung der magnetiſchen Pole. Der
magnetiſche Aequator läuft nicht mit dem aſtronomiſchen Aequator parallel, ſondern
ſchneidet dieſen, wie die Karte in Fig. 30 zeigt, zu wiederholtenmalen. Die
Iſoclinen umkreiſen die magnetiſchen Pole in ähnlichen Curven wie die Acline.


Die Inclination iſt im Verlaufe der Zeit ähnlichen Veränderungen ausgeſetzt
wie die Declination. Seit der Zeit, in welcher man begonnen hatte, ſie zu beob-
achten, bis zur Gegenwart, iſt ſie in einer beſtändigen Abnahme begriffen. Dies
zeigen z. B. nachſtehende in Paris beobachtete Werthe:


  • Im Jahre 1661 75° 00'
  • „ „ 1758 72° 15'
  • „ „ 1805 69° 12'
  • „ „ 1820 68° 20'
  • „ „ 1835 67° 24'
  • „ „ 1851 68° 35'

Man kann vorläufig noch nicht angeben, ob die Schwankungen der Incli-
nation nach Perioden erfolgen, da z. B. in Paris ſeit dem Jahre 1820 der
Werth ſich beiläufig auf 60 Grad erhält, während in München auch von dieſer Zeit
an eine ſtändige Abnahme, an anderen Orten aber wieder eine Zunahme beobachtet
wurde. Auch die Inclination iſt täglichen periodiſchen Schwankungen ausgeſetzt.


Zur Feſtſtellung des magnetiſchen Zuſtandes der Erde iſt außer der Kenntniß
der Declination und Inclination auch noch jene der Intenſität nothwendig. Es
wurde bereits früher angedeutet, daß dieſe aus der horizontalen Richtkraft beſtimmt
werden kann, und eine Methode angegeben, dieſelbe zu erhalten. Um die Ver-
änderungen der Intenſität genau verfolgen zu können, hat Gauß ebenfalls ein
Inſtrument, das Bifilarmagnetometer, conſtruirt. Das Princip desſelben iſt folgendes.
Wird ein Körper an zwei parallelen Fäden derart aufgehängt, daß er in einer
horizontalen Ebene ſchwingen kann, ſo befindet er ſich dann im Gleichgewichte,
wenn die beiden Fäden in einer verticalen Ebene liegen und der Schwerpunkt des
Körpers ſich in derſelben Ebene befindet. Läßt man dann den Körper ſchwingen,
ſo werden die beiden Fäden gegeneinander verdreht und gleichzeitig der Körper
abwechſelnd etwas gehoben und geſenkt. Durch das Herausdrehen des Körpers aus
ſeiner Gleichgewichtslage entſteht in dieſer Art ein Drehungsmoment, welches den
Körper wieder in ſeine urſprüngliche Lage zurückzuführen ſtrebt. Die durch die
Verdrehung der Fäden bewirkte Directionskraft iſt leicht zu beſtimmen.


Wird an Stelle des aufgehängten Körpers ein Magnet angewandt, ſo wirken
auf deſſen Stellung die Directionskraft der Fäden und überdies noch die Directions-
[60] kraft des Erdmagnetismus ein. Hierbei ſind drei Fälle denkbar. Die Ebene der
Fäden ſteht ſenkrecht auf dem magnetiſchen Meridian und die Magnetnadel befindet
ſich im magnetiſchen Meridiane, indem ihr Nordpol nach Norden und ihr Südpol
nach Süden zeigt. In dieſem Falle befindet ſich der Magnet natürlich im Gleich-
gewichte und die Kraft, mit welcher er in dieſem gehalten wird, iſt gleich der
Summe der Directionskräfte des Erdmagnetismus und der Fäden. Im zweiten
Falle ſteht die Ebene der Fäden gleichfalls ſenkrecht auf dem magnetiſchen Meridian
und befindet ſich die Magnetnadel im Meridiane, aber ſie iſt um 180 Grad gedreht,
d. h. ihr Nordpol zeigt nach Süden und ihr Südpol nach Norden. Auch in
dieſem Falle kann ſich der Magnet im ſtabilen Gleichgewichte befinden; dann muß

Figure 31. Fig. 31.

Bifilarmagnetometer.


aber die Directionskraft in Folge der
Aufhängungsvorrichtung größer ſein als
jene des Erdmagnetismus. Die Kraft,
mit welcher jetzt die Nadel in ihrer Lage
erhalten wird, iſt aber gleich der
Differenz beider Drehkräfte. Iſt jedoch
die magnetiſche Directionskraft größer
als die durch die Art der Aufhängung
hervorgebrachte, ſo kehrt ſich der Mag-
net, aus [ſeiner] Lage herausgebracht,
um 180 Grad um.


Der letzte mögliche Fall iſt endlich
jener, in welchem die Ebene der Fäden
mit dem magnetiſchen Meridiane einen
Winkel einſchließt, der kleiner iſt als
90 Grad. Nun hängt die Stellung des
Magnetes von dem Verhältniſſe beider
Directionskräfte und dem Winkel ab,
welchen die magnetiſche Axe des Stabes
mit der Ebene der Fäden einſchließt. Jede
Aenderung der magnetiſchen Richtkraft
muß eine Aenderung der Stellung des
Stabes bewirken. Nimmt z. B. die
magnetiſche Richtkraft zu, ſo wird der
Stab ſeine Gleichgewichtslage verlaſſen und einen größeren Winkel mit der urſprüng-
lichen Ebene der Fäden einzuſchließen ſtreben. Dadurch wird aber auch die Ver-
drehung der Fäden eine größere und in Folge deſſen auch die von dieſen aus-
geübte Richtkraft. Der Stab wird neuerdings eine Gleichgewichtslage einnehmen,
ſobald der neue Winkel dem geänderten Verhältniſſe beider Richtkräfte entſpricht.


Der zuletzt betrachtete Fall iſt jener, welcher zur Löſung der geſtellten Aufgabe
am geeignetſten erſcheint und daher auch von Gauß benützt wurde. Der Magnetſtab
iſt in ein Schiffchen s s, Fig. 31, gelagert und dieſes hängt an einem langen oben
über zwei Rollen laufenden Drahte, deſſen untere Enden an zwei Schrauben befeſtigt
ſind, durch welche der Draht verlängert oder verkürzt werden kann. Die Schrauben
ſelbſt drehen ſich in zwei an dem getheilten Kreiſe K angebrachten Meſſinganſätzen.
Das Schiffchen mit dem Magnetſtabe kann gegen den Kreis mit den damit ver-
bundenen Drähten gedreht werden und dieſe Drehung iſt durch einen Nonius
ablesbar. Ferner iſt im Mittelpunkte des Kreiſes ein Säulchen, gleichfalls mit
[61] Nonius verſehen, angebracht, welches den Spiegel S trägt. Der Spiegel dient
dazu, um in ein in einiger Entfernung davon aufgeſtelltes Fernrohr die Theil-
ſtriche einer unter demſelben befeſtigten Scala zu reflectiren, ähnlich wie dies
weiter oben bereits angegeben wurde. Durch dieſe Einrichtung iſt die Drehung des
Kreiſes und ſomit auch der Metalldrähte mit großer Genauigkeit meßbar.


Um mit dieſem Apparate Meſſungen anzuſtellen, erſetzt man zunächſt den
Magnet durch einen gleichſchweren nicht magnetiſchen Körper. Man bewirkt dadurch,
daß ſich das Schiffchen ausſchließlich der Directionskraft der Metalldrähte ent-
ſprechend einſtellt. Jetzt dreht man das Schiffchen genau in den magnetiſchen
Meridian, ſtellt den Spiegel ſo, daß er das Bild der Scala in das Fernrohr
reflectirt und beobachtet die Schwingungen. Man erhält hierdurch die Directions-
kraft der Metalldrähte, die übrigens ſo gewählt werden muß, daß ſie die Richtkraft
des Erdmagnetismus übertrifft. Nun legt man den Magnetſtab an Stelle des
nicht magnetiſchen Körpers ſo in das Schiffchen, daß ſein Nordpol nach Süden
zeigt. Jetzt iſt die Herſtellung des Gleichgewichtes das Reſultat der Differenz-
wirkung der magnetiſchen und der Directionskraft durch die Aufhängung. Ebenſo
wird dann die Schwingungsdauer für die normale Lage des Magnetes im Schiffchen,
wo alſo der Nordpol nach Norden gerichtet iſt und das Gleichgewicht durch die
Summe beider Drehungsmomente hergeſtellt wird, beobachtet. In dieſer Weiſe
erhält man das Verhältniß der beiden wirkſamen Kräfte. Nun ſucht man dem
Magnetſtabe eine ſolche Lage zu geben, daß er bei Herſtellung des Gleichgewichtes
ſich ſenkrecht auf den magnetiſchen Meridian ſtellt. Natürlich werden dann die beiden
Drähte um einen beſtimmten Winkel gegeneinander verdreht. Das Schiffchen mit
dem Magnetſtabe wird dann an den Kreis feſtgeklemmt, und dadurch bewirkt, daß
bei jeder Veränderung der magnetiſchen Richtkraft die hierdurch bewirkte Veränderung
der Gleichgewichtslage auch den Winkel, um welchen die Drähte verdreht ſind, ändern
muß. Der Spiegel wird natürlich ebenfalls ſo gerichtet, daß er die Scala wieder
in das Fernrohr reflectirt. In dieſer transverſalen Lage des Apparates beobachtet
man mit Hilfe der Scala die Veränderungen der Intenſität.


Die Beobachtungen über die Intenſität ſind bisher noch nicht ſehr zahlreich,
weshalb ſich über die Veränderungen derſelben nicht viel Beſtimmtes ſagen läßt.
Die wenigen Angaben, welche vorliegen, ſcheinen auf ein Wachsthum der Intenſität
hinzuweiſen. In München erhielt man z. B. folgende Intenſitäten für


  • das Jahr 1853 1·9578
  • „ „ 1857 1·9706
  • „ „ 1862 1·9821
  • „ „ 1867 1·9973
  • „ „ 1871 2·0093

Die Intenſität zeigt auch tägliche Veränderungen, indem ſie von Früh bis
Abend zunimmt und in der Nacht wieder ſinkt. Die Aufſtellung einer Theorie des Erd-
magnetismus iſt zur Zeit noch nicht möglich, da hierzu das bis jetzt vorliegende Material
ein viel zu geringes iſt. Die unregelmäßigen Störungen, die wiederholt beobachtet werden,
treten oft an vielen Orten gleichzeitig auf und müſſen deshalb Urſachen zugeſchrieben
werden, die nicht localer Natur ſind, ſondern ſich über einen großen Theil der Erde er-
ſtrecken. Zu dieſen Urſachen zählt z. B. das Nordlicht, woraus folgt, daß dieſes mit
den magnetiſchen Kräften in irgend einem Zuſammenhange ſteht. Aber auch vul-
kaniſche Ausbrüche und Erdbeben haben ſich ſchon auf den magnetiſchen Zuſtand
der Erde einflußnehmend herausgeſtellt.


[62]

III. Elektricität.


1. Elektricität durch Reibung und durch Influenz.


Grunderſcheinungen.

Sehr viele Körper, wie namentlich Harze, Schwefel, Glas u. dgl., zeigen,
durch die Hand, durch Fell, Wolle oder Seide gerieben, bemerkenswerthe Veränderungen
in ihrem phyſikaliſchen Verhalten, in ihrer Einwirkung auf andere Körper. Der
geriebene Körper erhält nämlich die Eigenſchaft, kleine, leichte Körperchen, wie Papier-
ſchnitzel, Federchen, Hollundermark u. ſ. w., anzuziehen und kürzere oder längere
Zeit feſtzuhalten. Reibt man z. B. einen größeren Glasſtab, ſo beobachtet man,
daß er nach dieſer Operation leichte Körperchen anzieht, in kurzer Zeit aber wieder

Figure 32. Fig. 32.

Goldblatt-Elektroſkop.


abſtößt. Während des Reibens ſelbſt beobachtet man ein eigen-
thümliches, kniſterndes Geräuſch und ſieht, wenn man das Ex-
periment im Dunkeln ausführt, den Stab leuchten oder zwiſchen
ihm und dem Reibzeuge kleine Fünkchen überſpringen. Die
Erſcheinung des Abſtoßens der Körperchen kurze Zeit nachdem ſie
angezogen wurden, beobachtet man noch beſſer in folgender
Weiſe. Man bedient ſich des elektriſchen Pendels — einer
Vorrichtung, ganz ähnlich jener, welche auf Seite 38 beſchrieben
und abgebildet wurde; die Stelle der Eiſenkugel vertritt aber
eine Kugel aus Hollundermark oder ein kleiner Papierballon.
Nähert man nun dieſer an einem Seidenfaden hängenden Hollunder-
markkugel eine geriebene Glasſtange, ſo fliegt die Kugel gegen
dieſelbe bis zur Berührung und fällt dann wieder ab; nähert
man neuerdings die Stange der Kugel, ſo flieht letztere.


Man erſieht aus dieſen einfachen Experimenten, daß die
erwähnten Körper durch das Reiben in einen Zuſtand verſetzt
wurden, in welchem ſie ſich vorher nicht befanden; wir be-
zeichnen dieſen Zuſtand als einen elektriſchen und nennen die
uns noch unbekannte Urſache desſelben Elektricität.


Charakteriſtiſch für dieſe Kraft iſt die Abſtoßung. Eine Behandlung ge-
wiſſer Körper, welche dazu führt, andere Körper anzuziehen, haben wir bereits
im Magnetismus kennen gelernt; das mit einem natürlichen Magnete geſtrichene
Stahlſtück zieht Eiſentheile an und hält ſie feſt. Ein hinreichend kräftig geriebener
Glasſtab jedoch zieht leichte Körperchen zwar auch an, hält ſie aber nicht feſt,
ſondern ſtößt ſie mehr oder weniger lebhaft wieder von ſich. Greifen wir
nochmals auf das Experiment mit der Hollundermarkkugel — dem elektriſchen
Pendel — zurück; wurde die Kugel an und für ſich in ungeändertem Zuſtande
erſt angezogen und dann abgeſtoßen oder hat auch die Kugel durch ihre Berührung
mit der Glasſtange ihre Eigenſchaften geändert? Die Beantwortung dieſer Frage
giebt folgender Verſuch: Man nähert der Hollundermarkkugel, nachdem ſie mit dem
Glasſtabe in Berührung geweſen iſt, eine zweite Hollundermarkkugel oder andere
leichte Körperchen. Werden dieſe nun gleichfalls von der zuerſt benützten Kugel
angezogen, ſo iſt mit letzterer während der Berührung mit dem Glasſtabe offen-
bar auch eine Veränderung vorgegangen. Und in der That, das Experiment zeigt,
[63] daß die anziehende Kraft vom Glasſtabe auf die Kugel übertragen wurde, denn dieſe
zieht wirklich leichte Körperchen an: die Kugel wurde durch den Glasſtab elektriſirt.
Daraus erſieht man, daß die am Glasſtabe durch Reiben erzeugte Elektricität durch
Berührung einem zweiten Körper mitgetheilt werden kann. Die auf die Anziehung
folgende Abſtoßung iſt aber nunmehr als Abſtoßung zwiſchen zwei elektriſirten
Körpern aufzufaſſen.


Dieſes Verhalten elektriſirter Körper giebt uns ein Mittel an die Hand, die
Körper auf ihren elektriſchen Zuſtand zu prüfen. Der einfachſte Apparat hierzu iſt
das Goldblatt-Elektroſkop, Fig. 32. Auf einem hölzernen Fuße iſt eine Glas-
kugel befeſtigt, deren nach oben gerichteter Hals eine Metallfaſſung beſitzt; in die
Mitte der Metallfaſſung iſt ein Glasröhrchen eingekittet. Letzteres enthält einen
Metalldraht, welcher nach oben in einer Kugel endigt. Das untere Ende des
Drahtes iſt flachgedrückt, ragt beiläufig bis in den Mittelpunkt der Kugel und
trägt zwei ſchmale Streifen aus dünnem Goldblatte; letztere hängen im gewöhn-
lichen Zuſtande parallel nebeneinander herab. Be-
rührt man bei dieſem Elektroſkope die Metallkugel
mit der geriebenen Glasſtange, ſo theilt ſich deren
Elektricität durch den Draht den beiden Gold-
blättchen mit, dieſe ſtoßen einander ab und diver-
giren in der durch die Fig. 32 veranſchaulichten
Weiſe. Man bemerkt hierbei auch, daß der Winkel,
um welchen die beiden Blättchen auseinandergehen,
deſto größer wird, je ſtärker man die Glasſtange
reibt. Das Elektroſkop geſtattet daher auch, einen
beiläufigen Schluß auf die Stärke der Elektriſirung
des Glasſtabes zu ziehen.


Ein zweites derartiges Elektroſkop iſt das
Henley’ſche Quadranten-Elektrometer, welches
in Fig. 33 abgebildet iſt. Man bedient ſich des-
ſelben zur annähernden Beurtheilung der Ladung
des Conductors einer Elektriſirmaſchine. Es beſteht
aus einem Metallſtabe S, welcher an ſeinen beiden
Enden mit Metallkugeln verſehen iſt; die obere

Figure 33. Fig. 33.

Quadranten-Elektrometer.


Kugel trägt ein kleines Gelenk zur Bewegung des Stäbchens A mit der Hollunder-
markkugel H, welche in unelektriſchem Zuſtande an der unteren Kugel anliegt.
Mit der unteren Kugel des Stabes S ſetzt man das Inſtrument auf den Con-
ductor C der Elektriſirmaſchine auf. Die Elektricität ſtrömt vom Conductor C auf
die beiden Kugeln bei H und S und dieſe ſtoßen ſich ab, einen deſto größeren
Winkel bildend, je ſtärker elektriſch der Conductor iſt. Zur Beſtimmung des Winkels
dient der getheilte Viertelkreis Q. Beide Elektroſkope erlauben keine eigentlichen
Meſſungen der Elektricität, ſondern können nur den elektriſchen Zuſtand des zu
prüfenden Körpers anzeigen und eine oberflächliche Schätzung der Stärke ermög-
lichen; hat man es mit ſehr ſchwach elektriſirten Körpern zu thun, ſo iſt ſelbſt
dies, der Unempfindlichkeit der Inſtrumente wegen, nicht ausführbar. Apparate,
welche wirkliche Meſſungen erlauben, werden wir ſpäter noch kennen lernen. Der
elektriſche Zuſtand eines Körpers kann durch Reiben hervorgerufen werden; dies
gelingt bei einer großen Anzahl von Körpern. Nicht nur Glas, Harze und Schwefel
können in dieſen Zuſtand gebracht werden, ſondern auch trockenes Papier, Kaut-
[64] ſchuk, Guttapercha, Wachs u. ſ. w. Andere Körper aber, wie z. B. alle feuchten
Körper, Metalle, Kohle u. ſ. w., werden durch Reiben nicht elektriſch. Man
nennt die erſteren elektriſirbare oder idioelektriſche, die letzteren nicht
elektriſirbare
oder anelektriſche Körper.


Dies iſt jedoch nicht der einzige Unterſchied, der ſich beim Reiben verſchie-
dener Körper ergiebt. Reibt man eine Glasſtange mit Wolle und nähert ſie dem
elektriſchen Pendel, ſo wird dieſes angezogen, berührt dieſe Stange und empfängt
von dieſer Elektricität; jetzt ſtößt die Glasſtange die Hollundermarkkugel ab. Reibt
man nun eine Siegellackſtange mit Wolle und nähert ſie der elektriſchen
Hollundermarkkugel, ſo wird dieſe von der Siegellackſtange nicht erſt angezogen und
dann abgeſtoßen, ſondern nur angezogen, während die unelektriſche Kugel eines
zweiten Pendels von derſelben Siegellackſtange ebenſo wie die erſte von dem Glas-
ſtabe elektriſirte zuerſt angezogen und dann aber abgeſtoßen wird. Schon dieſes
Experiment zeigt, daß zwiſchen der auf dem Glasſtabe und jener auf der Siegel-
lackſtange hervorgerufenen Elektricität ein Unterſchied beſtehen müſſe. Dies wird
jedoch noch klarer, wenn man ſich bei obigem Verſuche des Goldblatt-Elektroſkopes
an Stelle des Pendels bedient. Man berührt mit dem geriebenen Glasſtabe die
Kugel des Elektroſkopes; ſofort werden ſich die beiden Goldblättchen abſtoßen und
divergiren. Reibt man den Glasſtab neuerdings, und zwar kräftiger als das erſte-
mal und berührt wieder die Kugel des Elektroſkopes, ſo wird die Divergenz der
Goldblättchen geſteigert. Das Experiment nimmt denſelben Verlauf, wenn man
ſtatt des Glasſtabes eine Siegellackſtange verwendet; es ändert ſich jedoch, wenn man
die Anwendung beider combinirt. Zu dem Ende wird vorerſt die Kugel des
Elektroſkopes mit dem geriebenen Glasſtabe berührt und dadurch eine Divergenz
beider Goldblättchen hervorgerufen. Nun berührt man aber die Kugel des Elektro-
ſkopes mit einer geriebenen Siegellackſtange; die Goldblättchen werden jetzt ſofort
zuſammenfallen oder doch ihre Divergenz verkleinern. Die Goldblättchen zeigen ein
analoges Verhalten, wenn das Experiment in umgekehrter Ordnung ausgeführt
wird: die Blättchen des unelektriſirten Elektroſkopes divergiren durch die Berührung
mit der geriebenen Siegellackſtange, dieſe Divergenz wird jedoch durch darauf-
folgende Berührung mit dem elektriſirten Glasſtabe ganz oder theilweiſe auf-
gehoben.


Das Experiment beweiſt alſo, daß ſowohl Glas als auch Siegellack durch
Reiben elektriſch wird; es zeigt aber auch, daß die elektriſchen Zuſtände auf dieſen
beiden Körpern ſich in einem gewiſſen Gegenſatze befinden, da der eine Körper die
Divergenz vernichtet, welche durch den anderen hervorgerufen wird, und umgekehrt.
Dies lehrt, daß zweierlei elektriſche Zuſtände angenommen werden müſſen.
Um dieſe zu unterſcheiden, hat man jenen Zuſtand, in welchen das Glas durch
Reibung gelangt, Glaselektricität, und jenen Zuſtand, in welchen Harze durch
dieſelbe Behandlung kommen, Harzelektricität genannt, wobei man von der
Anſicht ausging, daß ein beſtimmter Körper durch Reiben immer nur in einen und
denſelben elektriſchen Zuſtand verſetzt werden könne. Als man jedoch den Verſuch
machte, einen Körper mit verſchiedenen Stoffen zu reiben, erkannte man bald, daß
die Art des elektriſchen Zuſtandes ſich nicht nur mit dem geriebenen Körper,
ſondern auch mit dem zum Reiben angewandten ändern kann, daß alſo ein und
derſelbe Körper ſowohl den einen als auch den entgegengeſetzten elektriſchen Zuſtand
annehmen kann, je nachdem man ihn mit dem einen oder anderen Körper reibt.
Die Bezeichnungen Glaselektricität und Harzelektricität konnten daher nicht bei-
[65] behalten werden, da durch dieſe Bezeichnungen der elektriſche Zuſtand eines Körpers
nicht genügend beſtimmt erſcheint. Man einigte ſich deshalb dahin, den einen
Zuſtand den poſitiv elektriſchen, den anderen den negativ elektriſchen zu
benennen. Da man fand, daß Glas ſtets in einen und denſelben elektriſchen Zuſtand
geräth, ſobald man es mit einem Lederflecke reibt, auf welchem Amalgam aufgetragen
iſt, Harz durch Wolle gerieben aber faſt immer den entgegengeſetzten elektriſchen
Zuſtand annimmt, ſo wurden dieſe beiden Erzeugungsarten für die Unterſcheidung
beider elektriſchen Zuſtände als maßgebend aufgeſtellt. Poſitiv elektriſch werden
daher alle jene Körper genannt, welche denſelben elektriſchen Zuſtand zeigen wie
ein mit Amalgam geriebener Glasſtab, negativ elektriſch alle jene Körper, deren
Zuſtand dem eben jetzt genannten entgegengeſetzt iſt.


Faſſen wir die bisher be-
trachteten Erſcheinungen zuſam-
men, ſo ergeben ſich hieraus
nachſtehende Grundgeſetze:


Es giebt zwei Arten
von Elektricität, poſitive
und negative. Die ungleich-
namigen Elektricitäten zie-
hen einander an, die gleich-
förmigen ſtoßen ſich ab;
gleiche Mengen ungleich-
namiger Elektricitäten in
einen Körper vereint neu-
traliſiren ſich
.


Dieſe Grundſätze geben uns
auch den Weg an, welcher ein-
zuſchlagen iſt, um den elektriſchen
Zuſtand der Körper zu prüfen.
Um zu unterſuchen, ob ein Körper
überhaupt elektriſch iſt und bei-
läufig die Stärke der Elektriſirung
zu beſtimmen, ſind die vorhin
beſchriebenen Elektroſkope in vielen

Figure 34. Fig. 34.

Elektroſkop von Behrends.


Fällen ausreichend. Man iſt mit ihrer Hilfe aber häufig auch im Stande, die Art
des elektriſchen Zuſtandes zu beſtimmen. Hierzu iſt ſogar oft ſchon das elektriſche
Doppelpendel ausreichend, d. h. es genügen zwei an Seidenfäden parallel neben-
einander hängende Hollundermarkkügelchen oder Collodiumballons. Man theilt zu
dieſem Behufe der einen Kugel Elektricität der einen Art, alſo z. B. poſitive
Elektricität mit, und berührt die zweite Kugel mit dem zu prüfenden elektriſchen
Körper. Stoßen ſich hierauf beide Kugeln ab, ſo iſt der zu unterſuchende Körper
gleichfalls poſitiv elektriſch, ziehen ſie ſich gegenſeitig an, ſo iſt er negativ elektriſch.


Beim Goldblatt-Elektroſkop verfährt man in der Weiſe, daß man die Gold-
blättchen zunächſt in einer Art, alſo etwa wieder poſitiv elektriſirt und dadurch
eine beſtimmte Divergenz derſelben erzielt; dann berührt man die Kugel des
Elektroſkopes mit dem zu prüfenden elektriſchen Körper. Divergiren darauf die
Blättchen noch ſtärker, ſo war der zu prüfende Körper poſitiv elektriſch, fallen ſie
ganz oder theilweiſe zuſammen, ſo war er negativ elektriſch.


Urbanitzky: Elektricität. 5
[66]

Ob man nun die eine oder die andere Methode zu einer derartigen Prüfung
benutzt, iſt es doch immer erforderlich, ſich zuerſt davon zu überzeugen, ob der
Körper überhaupt elektriſch ſei, wenn man ſich nicht der Gefahr ausſetzen will,
falſche Reſultate zu erhalten. Dieſe Methoden führen auch dann nicht zum Ziele,
wenn man es mit ſehr ſchwach elektriſchen Körpern zu thun hat. Hierzu bedient
man ſich des von Behrens angegebenen Elektroſkopes, welches von Rieß in die
durch Fig. 3[4] dargeſtellte Form gebracht wurde. In einem vierſeitigen Holzkaſten, der
an ſeinen beiden Längsſeiten durch Glasplatten verſchloſſen iſt, befindet ſich eine Art
galvaniſcher Batterie, wie wir ſolche ſpäter noch kennen lernen werden. Die ſpeciell
hier angewandte führt den Namen Zamboni’ſche Säule. Sie wird in der Art
hergeſtellt, daß man kreisrunde Scheiben aus unechtem Gold- und Silberpapier zu
je zweien ſo aufeinanderlegt, daß ſich ihre metalliſchen Seiten berühren. Tauſend
bis zweitauſend ſolcher Paare werden dann, mit ihren Goldſeiten nach der einen,
mit ihren Silberſeiten nach der entgegengeſetzten Seite gerichtet, aufeinandergelegt
und in einer Glasröhre durch zwei Metalldeckel zuſammengepreßt. Die Metall-
deckel als Pole der Säule erweiſen ſich dann einander entgegengeſetzt elektriſch. Eine
ſolche Säule, eingeſchloſſen in der Glasröhre K Z und ausgerüſtet mit den Metall-
deckeln, enthält auch das Elektroſkop. An jedem der Metalldeckel iſt bei g ein Gelenk
angebracht, in welchem ſich ein S-förmig gebogener Draht d d drehen kann. Die
oberen Enden der Drähte ragen durch eine mit Glasröhren ausgekleidete längliche
Spalte im Deckel des Holzkaſtens über denſelben heraus und tragen die Metall-
ſcheiben k und z; dieſe bilden die Pole der Zamboni’ſchen Säule, und zwar k
den poſitiven, z den negativen Pol. Ueber die beiden Metallſcheiben iſt eine Glas-
glocke geſtülpt, in deren obere Oeffnung ein Metallſtäbchen durch Schellack ein-
gekittet iſt. Dieſes trägt an ſeinem oberen Ende die Kugel r, an ſeinem unteren
Ende ein feines Goldblättchen. Die Scheiben k und z ſind ſo geſtellt, daß das
Goldblättchen zwiſchen beiden in der Mitte hängt. So lange das Blättchen
unelektriſch iſt, wird es von beiden Scheiben k und z gleich ſtark angezogen und
bleibt deshalb in der Mitte beider vertical hängen, vorausgeſetzt, daß k und z
gleich ſtark elektriſch ſind. Sollte letzteres nicht der Fall ſein, ſo verbindet man
für kurze Zeit die beiden Metalldeckel der Zamboni’ſchen Säule durch die Metall-
ſtange t t miteinander, indem man letztere gegen die Säule ſchiebt. In jedem
Falle iſt es leicht, durch Stellung der Metallſcheiben k z und das eben angegebene
Verfahren die durch k und z auf das Goldblättchen ausgeübten Anziehungen ſo
zu reguliren, daß das Blättchen von beiden Seiten gleich ſtark angezogen wird
und daher in der Mitte vertical herabhängt.


In dieſem Zuſtande genügt jedoch die geringſte Menge Elektricität, welche
dem Goldblättchen mitgetheilt wird, um das Gleichgewicht zu ſtören. Denn iſt nun
das Goldblättchen elektriſch, ſo wird es allerdings auch jetzt noch von einer der
Metallſcheiben, und zwar der entgegengeſetzt elektriſchen, angezogen, aber die gleich-
namige Metallſcheibe ſtößt jetzt das Blättchen ab. Die große Empfindlichkeit dieſes
Inſtrumentes rührt eben davon her, daß die Anziehung der einen Metallſcheibe
und die Abſtoßung der gegenüberſtehenden Scheibe ſich derart unterſtützen, daß ſie
das Goldblättchen in derſelben Richtung zu bewegen ſuchen.


Die Prüfung eines Körpers auf ſeinen elektriſchen Zuſtand mit dieſem
Inſtrumente bedarf nach Vorſtehendem kaum mehr einer Erklärung. Man berührt
die Metallkugel des Elektroſkopes mit dem zu prüfenden Körper und beobachtet
das Goldblättchen. Bleibt es ruhig hängen, ſo iſt der Körper unelektriſch; bewegt
[67] es ſich gegen den poſitiven Pol k der Säule, ſo iſt der Körper negativ elektriſch,
und bewegt es ſich gegen den Pol z, ſo iſt der Körper poſitiv elektriſch.


Kehren wir nochmals zum einfachen elektriſchen Pendel zurück, ändern dieſes
aber in der Weiſe ab, daß wir an die Hollundermarkkugel noch eine zweite Hol-
lundermarkkugel H2 durch einen Metalldraht befeſtigen, in der Weiſe, wie es Fig. 35
zeigt. Berührt man nun wieder die Hollundermarkkugel H1 mit einem geriebenen
Glasſtabe, ſo wird ſie poſitiv elektriſch und deshalb von der gleichfalls poſitiv elektriſchen
Glasſtange abgeſtoßen; dasſelbe Verhalten zeigt nun aber auch die Kugel H2, ohne
daß dieſe vorher von dem Glasſtabe berührt worden iſt. Ferner wird die Kugel
H2 von einer geriebenen Siegellackſtange angezogen; auch iſt die Kugel H2 im
Stande, leichte, unelektriſirte Körperchen anzuziehen, verhält ſich alſo genau ſo,
wie früher die Kugel des einfachen elektriſchen Pendels. Da nun aber der Kugel
H2 keine Elektricität mitgetheilt wurde, ſie ſich aber doch
elektriſch, und zwar in derſelben Art elektriſch erweiſt,
wie die Kugel H1, ſo folgt daraus, daß die der Kugel H1
mitgetheilte Elektricität auf die Kugel H2 übergeſtrömt
ſein muß. Das Experiment gelingt nicht, d. h. die Kugel H2
bleibt unelektriſch, wenn die beiden Kugeln nicht durch
einen Metalldraht, ſondern durch einen Seidenfaden mit-
einander verbunden ſind. Dieſe beiden Verſuche lehren,
daß ein Metalldraht die Elektricität leitet, ein Seidenfaden
aber nicht. Man nennt deshalb den Metalldraht einen
Elektricitätsleiter oder Conductor und den Seiden-
faden einen Nichtleiter oder Iſolator.


Bei der Prüfung der Körper auf ihren elektriſchen
Zuſtand durch das Goldblatt- oder durch das Qua-
dranten-Elektroſkop wurde erwähnt (S. 66), daß es
nöthig ſei, um Täuſchungen zu vermeiden, vor der Unter-
ſuchung, welche Art Elektricität der Körper beſitze, zu
prüfen, ob er überhaupt elektriſch ſei. Es ſoll nun durch
Nachſtehendes gezeigt werden, welcher Art dieſe Täuſchungen
ſein können. Nehmen wir an, das Goldblatt-Elektroſkop
ſei durch einen geriebenen Glasſtab elektriſirt, alſo die
beiden Blättchen ſeien durch poſitive Elektricität zur Diver-
genz gebracht. Iſt nun der auf ſeinen elektriſchen Zuſtand

Figure 35. Fig. 35.

Elektriſches Pendel.


zu prüfende Körper ein Metall und beiſpielsweiſe negativ elektriſirt, ſo werden
die beiden Blättchen ihre Divergenz verlieren, ſobald die Kugel des Elektroſkopes
mit dem Metallſtücke berührt wird. Das Elektroſkop hat alſo den negativ elektri-
ſchen Zuſtand des Metalles ganz richtig angezeigt. Iſt aber das Metallſtück gar
nicht elektriſch und berührt man nun die Kugel des poſitiv geladenen Elektroſkopes,
ſo werden die Blättchen ebenfalls ihre Divergenz ganz oder theilweiſe verlieren.
Der Grund dieſes Verhaltens liegt aber jetzt darin, daß durch Berühren der
Kugel mit dem Metallſtücke die ganze oder ein Theil der Elektricität aus den
Blättchen in das Metallſtück gefloſſen iſt und die Blättchen daher in Folge einer
vollkommenen oder theilweiſen Entladung ihre Divergenz ganz oder theilweiſe
einbüßen.


Hätte man alſo nicht vorher ſchon geprüft, ob das Metallſtück überhaupt
elektriſch iſt, ſo würde das letzte Experiment zu der Anſicht verleiten können, das
5*
[68] Metallſtück ſei negativ elektriſch. Bei Anwendung des Elektroſkopes von Behrens
iſt ein derartiger Irrthum überhaupt nicht möglich.


Die Divergenz der Blättchen eines Elektroſkopes nimmt ſofort ab, wenn
man die Kugel desſelben mit einem Körper berührt, weil auf dieſen Elektricität
von den Blättchen übergegangen iſt. Es läßt ſich dieſes Verhalten durch nach-
ſtehendes Experiment unzweifelhaft nachweiſen. Man berührt die Kugel eines
elektriſirten Elektroſkopes mit der Kugel eines zweiten Elektroſkopes; ſofort ver-
mindert ſich die Divergenz der Blättchen im erſten Elektroſkope und gleichzeitig
divergiren die früher parallel herabhängenden Blättchen des zweiten Elektroſkopes:
das erſte Elektroſkop hat alſo offenbar an das zweite Elektricität abgegeben. Prüft
man nun das zweite Elektroſkop auf die Art ſeiner elektriſchen Ladung, z. B. mit
Hilfe des Elektroſkopes von Behrens, ſo findet man, daß das zweite Elektroſkop
denſelben elektriſchen Zuſtand zeigt, welchen früher das erſte beſaß. Wir können
daher allgemein ſagen: Wenn man einen elektriſchen Körper mit einem unelektriſchen
Körper berührt, ſo verliert erſterer einen Theil ſeiner Elektricität und der berührende
Körper wird in derſelben Art elektriſch wie der berührte.


Wenngleich dieſer Satz über das Verhalten unelektriſcher Körper gegenüber
elektriſchen ganz allgemein gilt, ſo iſt hierbei doch bei den einzelnen Körpern ein
Unterſchied wahrnehmbar. Berührt man z. B. die Kugel des elektriſirten Elektroſkopes
mit einer Siegellackſtange, ſo nimmt die Divergenz der Blättchen etwas ab, und
prüft man dann die Siegellackſtange am Behrens’ſchen Elektroſkope, ſo findet man
ſie nur an jener Stelle elektriſch, welche mit der Kugel des erſten Elektroſkopes
in Berührung geſtanden war; an allen übrigen Stellen iſt die Stange unelektriſch.
Andere Körper, wie z. B. Metalle, zeigen ſich hingegen bei derſelben Behandlung
an ihrer ganzen Oberfläche elektriſch. Im erſten Falle iſt alſo die Elektricität auf
eine Stelle der Siegellackſtange übergegangen und daſelbſt geblieben; im zweiten
Falle hat ſich aber die Elektricität über den ganzen Metallkörper ſofort aus-
gebreitet. Dieſer Verſuch zeigt alſo noch deutlicher als der vorhin angegebene mit
den beiden Kugeln des elektriſchen Pendels, daß man die Körper je nach ihrer
Leitungsfähigkeit für Elektricität wohl zu unterſcheiden hat, und zwar, wie bereits
angegeben wurde, in leitende und nicht leitende Körper.


Berührt man die Kugel eines geladenen Elektroſkopes mit der Hand, ſo
fallen die Goldblättchen ſofort zuſammen, woraus hervorgeht, daß der menſchliche
Körper ein Leiter iſt. Die Elektricität gelangt vom Elektroſkope in den Körper
und wird von dieſem der Erde mitgetheilt, alſo auf eine ſo große Maſſe vertheilt,
daß ſie nicht mehr nachweisbar iſt. Man kann deshalb auch einen Körper prüfen,
ob er ein Leiter iſt oder nicht, indem man ihn mit der Hand an ein geladenes
Elektroſkop hält. Fallen die Blättchen ganz zuſammen, ſo iſt er ein Leiter, was
auch noch dadurch beſtätigt wird, daß der Körper, hierauf an einem zweiten
Elektroſkope geprüft, ſich vollkommen unelektriſch erweiſt, da er ſeine Elektricität
ſofort unter Vermittlung der Hand und des menſchlichen Körpers an die Erde
abgegeben hat.


Unterſucht man in dieſer Art die verſchiedenen Körper, ſo beobachtet
man, daß das Zuſammenfallen der Goldblättchen in ſehr verſchieden langen Zeit-
räumen eintritt, woraus gefolgert werden muß, daß das Leitungsvermögen der
verſchiedenen Körper ein ſehr verſchiedenes iſt. Metalle entladen das Elektroſkop
faſt augenblicklich, Harze äußerſt langſam, trockenes Holz in meßbarer Zeit. Es
giebt daher keine ſcharf gezogene Grenze zwiſchen Leiter und Nichtleiter. Man kann
[69] dieſes Verhalten der Körper auch ſo auffaſſen, daß jeder Körper dem Durchgange
der Elektricität einen gewiſſen Widerſtand entgegenſetzt, der gute Leiter einen
geringen, der ſchlechte Leiter, da ein abſoluter Nichtleiter nicht exiſtirt, einen ſehr
bedeutenden. Der Unterſchied zwiſchen leitenden und iſolirenden Körpern iſt kein
qualitativer, ſondern nur ein quantitativer, und der Uebergang von Körpern der
einen Art zu Körpern der andern Art iſt kein ſprungweiſer, ſondern ein allmäliger.
Wenn man daher die Körper in drei Gruppen, nämlich Leiter, Halbleiter und
Nichtleiter eintheilt, ſo ſind dieſe voneinander nicht ſcharf abgegrenzt, ſondern man
rechnet zu den Leitern ſolche Körper, welche ein Elektroſkop faſt momentan entladen,
zu Halbleitern ſolche, welche hierzu eine meßbare Zeit, alſo einige Secunden brauchen,
und endlich zu Nichtleitern diejenigen, durch deren Anlegung an das Elektroſkop letzteres
ſelbſt nach Verlauf einer Minute noch nicht entladen iſt. Hiernach iſt auch nach-
ſtehende Tabelle (nach Rieß) aufzufaſſen.


Leiter:


  • Die Metalle,
  • Holzkohle,
  • Graphit,
  • Säuren,
  • Salzlöſungen,
  • Seewaſſer,
  • Quellwaſſer,
  • Regenwaſſer,
  • Schnee,
  • Lebende Vegetabilien,
  • Lebende animaliſche Theile,
  • Lösliche Salze,
  • Leinen,
  • Baumwolle.

Halbleiter:


  • Alkohol,
  • Aether,
  • Schwefelblumen,
  • Trockenes Holz,
  • Marmor,
  • Papier,
  • Stroh,
  • Eis bei 0 Grad.

Nichtleiter:


  • Trockene Metalloxyde,
  • Fette Oele,
  • Aſche,
  • Eis bei — 25 Grad C.,
  • Phosphor,
  • Kalk,
  • Kreide,
  • Kautſchuk,
  • Kampher,
  • Aetheriſche Oele,
  • Porzellan,
  • Getrocknete Vegetabilien,
  • Leder,
  • Pergament,
  • Trockenes Papier,
  • Federn,
  • Haare,
  • Wolle,
  • Gefärbte Seide,
  • Seide,
  • Edelſteine,
  • Glimmer,
  • Glas,
  • Wachs,
  • Schwefel,
  • Harze,
  • Bernſtein,
  • Schellack.

Die Grenzen zwiſchen den einzelnen Gruppen ſind aber auch aus dem
Grunde nicht unverrückbare, weil die Leitungsfähigkeit eines und desſelben Materiales
auch von der Beſchaffenheit ſeiner Oberfläche abhängt. Ferner ſind alle Körper
[70] mehr oder weniger hygroſkopiſch, d. h. geneigt, Waſſer an ihrer Oberfläche zu
condenſiren, und ändern dann ihre Leitungsfähigkeit auch mit dem Wechſel der
Temperatur, ſo daß im Großen und Ganzen Nichtleiter in Folge des letzterwähnten
Umſtandes bei niedrigerer Temperatur die Elektricität beſſer leiten als bei höherer,
weil ſie bei erſterer mehr Waſſer aufnehmen. Hingegen können ſtarke Temperatur-
erhöhungen gerade das Gegentheil bewirken. So werden z. B. glühendes Glas
und geſchmolzenes Harz zu guten Leitern der Elektricität.


Bei der Aufſtellung der obigen Tabelle wurde mit dem beſten Leiter begonnen
und mit dem ſchlechteſten geſchloſſen. Den Schluß bilden Schellack, Bernſtein, Harze,
Schwefel und Glas, während die Metalle an der Spitze ſtehen. Es iſt daher
erklärlich, warum man ſchon in früheſter Zeit die Beobachtung machte, daß Bern-
ſtein durch Reiben elektriſch werde und daß andererſeits ſelbſt Gilbert noch glaubte,
Metalle werden durch Reiben nicht elektriſch. Die ſchlechten Leiter oder Iſolatoren,

Figure 36. Fig. 36.

Elektricität
durch Reibung.


wie Bernſtein, Schwefel und Harze, konnte man beim Reiben
in der Hand halten, ohne durch dieſe die Elektricität gleich zur
Erde abzuleiten; ſie blieben eben wegen ihrer ſchlechten Leitungs-
fähigkeit an der geriebenen Stelle elektriſch. Die Metalle hin-
gegen leiten die durch Reiben hervorgerufene Elektricität durch
die Hand ſofort zur Erde ab und erſcheinen deshalb unelektriſch.
Verſieht man jedoch Metallſtücke mit Glasgriffen und hält ſie
beim Reiben nur an dieſen, ſo werden ſie ebenfalls elektriſch.


Sehr merkwürdig iſt eine Beobachtung, welche Sale
im Jahre 1873 am Selen gemacht hat. Dieſer entdeckte nämlich,
daß das Selen ſeine Leitungsfähigkeit erhöht, wenn es vom
Lichte beſtrahlt wird. Dieſe Entdeckung führte, wie wir in der
zweiten Abtheilung dieſes Buches ſehen werden, zur Erfindung
des Photophons.


Die Gaſe gehören zu den ſchlechten Leitern der Elektricität;
wäre dies nicht der Fall, ſo wäre uns die Elektricität wohl
unbekannt geblieben, weil dann jeder Körper die auf ihm er-
regte Elektricität ſofort an die Luft abgeben würde. Auch der
leere Raum oder das Vacuum iſt kein Leiter der Elektricität.
Iſt jedoch die Luft feucht, ſo wird ſie ein Halbleiter, und dies
iſt der Grund, warum viele elektriſche Experimente bei feuchter
Luft nicht gelingen.


Wir unterſchieden weiter oben (S. 64) idioelektriſche oder elektriſirbare
und anelektriſche oder nicht elektriſirbare Körper. Sehen wir nun auf die
Tabelle der Elektricitätsleiter oder Conductoren und der Nichtleiter oder Iſolatoren,
ſo finden wir jene Körper, welche als nicht elektriſirbare angegeben wurden, in der
Gruppe der Leiter, jene, welche als elektriſirbare angegeben wurden, in der
Gruppe der Nichtleiter. Wir kennen nun bereits auch den Grund dieſes
verſchiedenen Verhaltens und ſehen ein, daß es nicht genügt, einen Körper in
die Hand zu nehmen und zu reiben, um feſtzuſtellen, ob dieſer Körper elektriſirbar
ſei oder nicht. Wir müſſen vielmehr, wenn es ſich um einen Elektricitätsleiter
handelt, dieſen ſorgfältig iſoliren, d. h. mit Subſtanzen umgeben, welche die
Elektricität nicht leiten; dann erſt können wir unterſuchen, ob er durch Reiben
elektriſch wird oder nicht. Dies hat man auch in der That ausgeführt, ſobald
man den Unterſchied zwiſchen Leiter und Nichtleiter erkannt hatte, und dabei ſtellte
[71] es ſich nun heraus, daß durch Reiben unter Beobachtung der in Bezug auf
Leiter angegebenen Vorſicht alle Körper ohne Ausnahme elektriſch werden.


Bei dieſer Art der Unterſuchung ergab ſich aber von ſelbſt auch noch die
Entdeckung einer ſehr wichtigen Thatſache. Da beim Reiben eines Körpers mit
einem zweiten auch der reibende Körper gerieben wird, ſo muß ja auch dieſer
elektriſch werden; und als man bei den betreffenden Verſuchen das Reibzeug iſolirte,
fand man dieſe Vorausſetzung auch wirklich beſtätigt. Man ſtellt ſolche Verſuche
am einfachſten derart an, daß man die zu unterſuchenden Platten A und B (Fig. 36)
mit Glasgriffen verſieht. Iſt z. B. A eine Glasplatte, B eine mit amalgamirtem
Leder überzogene Platte, und werden beide gegeneinander gerieben, ſo zeigt ein
einfacher Verſuch an einem Elektroſkope, daß ſowohl das reibende Amalgam, als
auch die geriebene Glasplatte elektriſch geworden ſind; das Elektroſkop zeigt aber
auch an, daß hierbei die Glasplatte poſitiv, das Amalgam negativ elektriſch wurde.
Nimmt man an Stelle der Glasplatte eine Harzplatte und verſieht die Platte B
mit Wolle ſtatt des amalgamirten Leders, ſo wird ſich die Harzplatte nach dem
Reiben negativ elektriſch, die Wolle poſitiv elektriſch erweiſen. Reibt man in der-
ſelben Weiſe Glas mit Wolle, ſo wird das Glas ſich poſitiv, die Wolle negativ
elektriſch erweiſen. Ein ähnliches Verhalten zeigen aber alle Körper, wenn ſie mit-
einander gerieben werden.


Aus dieſen Verſuchen ergeben ſich zwei wichtige Grundgeſetze: 1. Sämmt-
liche Körper werden durch Reiben elektriſch. 2. Bei der Reibung
zweier Körper werden ſtets beide elektriſch, und zwar der eine poſitiv
und der andere negativ
.


Die Verſuche zeigen aber auch, daß ein und derſelbe Körper einmal poſitiv
und ein nächſtesmal negativ elektriſch werden kann, je nachdem er mit verſchiedenen
Körpern gerieben wird, wie wir dies an der Wolle beobachteten; dieſe wird, auf
Glas gerieben, poſitiv, auf Harz gerieben, negativ elektriſch. Worin dieſes ver-
ſchiedene Verhalten ſeinen Grund hat, wurde bis heute noch nicht ermittelt, wohl
aber haben verſchiedene Forſcher Reihen aufgeſtellt, in welchen jeder vorhergehende,
mit jedem nachfolgenden Körper gerieben, poſitiv elektriſch wird, während jeder
nachfolgende, mit jedem vorhergehenden gerieben, negativ elektriſch wird. Eine ſolche
Reihe nennt man Spannungsreihe, und nachſtehende Spannungsreihe iſt von
Faraday aufgeſtellt worden:


  • Katzen- und Bärenfell
  • Flanell
  • Elfenbein
  • Federkiele
  • Bergkryſtall
  • Flintglas
  • Baumwolle
  • Leinwand
  • Weiße Seide
  • Die Hand
  • Holz
  • Lack
  • Eiſen, Kupfer, Meſſing, Zinn, Silber,
    Platin
  • Schwefel.

Dieſe Spannungsreihe ſtimmt mit Spannungsreihen, welche von anderen
Forſchern aufgeſtellt wurden, im Weſentlichen überein. Sie erleidet aber bedeutende
Abänderungen, wenn die einzelnen Körper in verſchiedenen Formen oder Zuſtänden
verwendet werden. Reibt man z. B. alte Glasflächen, ſo werden ſie faſt immer
poſitiv elektriſch; nur das Reiben mit Raubthierfellen und einigen Kryſtallen bildet
[72] eine Ausnahme. Matt geſchliffene Glasflächen werden jedoch auch dann negativ
elektriſch, wenn man ſie mit Federn, Holz, Wolle, Papier oder mit der Hand reibt.
In ähnlicher Art weichen viele Körper der Spannungsreihe von dem durch dieſe
ausgedrückten Verhalten ab.


Quellen der Elektricität.

Bislang wurde nur die Reibung als Quelle der Elektricität betrachtet; ſie
iſt aber, wenn auch eine hervorragende, ſo doch nicht die einzige Quelle. Es wird
uns nicht überraſchen, daß auch Feilen und Schaben, als eine dem Reiben ähnliche
Thätigkeit, Elektricität hervorruft. Man weiſt dies am einfachſten dadurch nach,
daß man Siegellack oder einen anderen Iſolator feilt und die Späne auf eine
Metallſcheibe auffallen läßt, welche man an Stelle der Kugel auf ein Goldblatt-
Elektroſkop aufſchraubt.


In wenig verſchiedener Art wirkt auch das Schneiden, Spalten und Zer-
brechen der Körper auf dieſe elektriſirend; Elektricität wird ferner durch Druck
hervorgerufen, und in dieſer Richtung ſind namentlich gewiſſe Mineralien aus-
gezeichnet. So wird z. B. der isländiſche Doppelſpath durch Drücken mit der
Hand nicht nur elektriſch, ſondern behält ſeinen elektriſchen Zuſtand lange Zeit bei.


Die mechaniſchen Einwirkungen ſind jedoch nicht die einzigen Mittel, um
einen Körper elektriſch zu machen; man erreicht dies vielmehr auch durch Einleitung
chemiſcher Proceſſe, und gerade dieſe Art der Elektricitätserregung gehört zu den
wichtigſten; ihr ſoll ein ſpäterer Abſchnitt dieſes Buches gewidmet werden.


Elektricität wird ferner durch Erwärmen der Körper hervorgerufen, und
zwar ſowohl durch Erwärmen der Löthſtellen gewiſſer Metallcombinationen, worauf
wir gleichfalls ſpäter noch zurückkommen werden, als auch durch Erhitzen verſchie-
dener Kryſtalle; die letzterwähnten Erſcheinungen an Kryſtallen bezeichnet man mit
dem Namen Pyro-Elektricität.


Ein ausgezeichnetes Beiſpiel für Pyro-Elektricität giebt der Turmalin. Der-
ſelbe iſt unelektriſch, ſo lange ſich ſeine Temperatur von jener der Umgebung nicht
unterſcheidet. Wird er jedoch erwärmt oder abgekühlt, ſo zeigt er zwei einander
entgegengeſetzte elektriſche Pole, welche mit Hilfe eines Elektroſkopes leicht nach-
gewieſen werden können. Die Pole, welche der Kryſtall beim Erwärmen und beim
Abkühlen zeigt, ſind einander entgegengeſetzt, d. h. jener Pol, welcher beim Er-
wärmen poſitiv wird, zeigt ſich beim Abkühlen als negativer Pol, und jener Pol,
der beim Erwärmen negativ elektriſch erſcheint, wird beim Abkühlen poſitiv.


So verhalten ſich jedoch nicht nur die vollkommenen Turmalinkryſtalle
ſondern auch Bruchſtücke derſelben; letztere erhalten dann ihren poſitiven Pol an
jener Stelle des Bruchſtückes, welche vor dem Zerbrechen dem poſitiven Pole des
ganzen Kryſtalles am nächſten lag. Der Turmalin behält ſeine elektriſchen Eigen-
ſchaften ſelbſt dann noch bei, wenn man ihn pulvert. Dieſen Verſuch ſtellt man in
der Weiſe an, daß man das Pulver auf einem Bleche erwärmt und dann mit
einem Glasſtabe durcheinanderrührt. Das Pulver ballt ſich dann in Folge der
Anziehungskraft der elektriſchen Theilchen untereinander zuſammen; ſobald jedoch
das Pulver die Temperatur der Umgebung wieder angenommen hat, hört auch das
Zuſammenballen auf.


Das eben geſchilderte elektriſche Verhalten des Turmalins iſt jedoch nicht
dieſem Minerale ausſchließlich eigenthümlich, ſondern kommt an vielen anderen
[73] Kryſtallen, wie z. B. am Schwerſpath, Topas, Borazit u. a. in mehr oder weniger
deutlich ausgeſprochener Form vor.


Schließlich möge noch eine Art der Elektricitätserregung erwähnt werden,
die bei einem beſtimmten chemiſchen Proceſſe, nämlich jenem der Verbrennung, auf-
tritt. Es wurde durch verſchiedene Forſcher nachgewieſen, daß die Flammen von
Waſſerſtoffgas, Wachs, Alkohol, Oel u. dgl. ſich elektriſch erweiſen; ähnliches
Verhalten zeigen glimmende Körper, was z. B. durch ein auf das Elektroſkop
aufgeſetztes Räucherkerzchen erſichtlich wird. Das Elektroſkop zeigt hierbei negative
Elektricität des Kerzchens an, während ſich der abziehende Rauch als poſitiv elek-
triſch erweiſt.


Geſetze der elektriſchen Anziehung und Abſtoßung.

Bereits bei den Verſuchen mit dem Henley’ſchen Quadranten-Elektrometer
und dem Goldblatt-Elektroſkope wurde beobachtet, daß ſich die beiden Pendel ſtärker
abſtoßen, alſo einen größeren Winkel miteinander einſchließen, wenn die ihnen ertheilte
elektriſche Ladung eine größere wird, als bei Mittheilung kleiner Elektricitätsmengen.
In welchem Verhältniſſe jedoch die Größe der Abſtoßung zu der Stärke der Ladung
ſteht, konnte mit dieſen Inſtrumenten nicht beſtimmt werden; um dies zu erreichen,
alſo die Geſetze der elektriſchen Anziehung und Abſtoßung feſtzuſtellen, bedarf es
eines Inſtrumentes, deſſen Angaben genauer und verläßlicher ſind. Coulomb, der
dieſe Geſetze entdeckte, hat ſie mit der Drehwage nachgewieſen.


Die Drehwage, wie ſie zum Nachweiſe der elektriſchen Anziehungs- und
Abſtoßungsgeſetze verwendet wird, iſt in Fig. 37 abgebildet. Sie unterſcheidet ſich
von der bereits beſprochenen magnetiſchen Drehwage (S. 51), wie ein Blick auf
die beiden Figuren lehrt, nur in einigen Theilen. Zunächſt muß der Aufhängedraht d
für den Wagebalken ſehr dünn genommen werden, da es ſich in der Regel um
Meſſungen ſehr ſchwacher Kräfte handelt. Der Wagebalken beſteht aus einem Schellack-
oder Glasfaden, oder endlich, wie Rieß angiebt, aus einem Schellackcylinderchen,
auf welchem an ſeinen beiden Enden Glasfäden befeſtigt ſind; letztere werden über-
dies noch mit Schellack überzogen. Der Wagebalken trägt an einem Ende eine ver-
goldete Hollundermarkkugel B und an dem gegenüberliegenden Ende eine vertical
geſtellte Glimmerſcheibe. Dieſe hat einerſeits den Zweck, der Kugel das Gleich-
gewicht zu halten, andererſeits dient ſie als Zeiger, um die Stellung des Wage-
balkens an der Cylindertheilung ableſen zu können. Durch die Oeffnung D im
Deckel des Glascylinders kann eine der Kugel B an Größe genau gleiche, ver-
goldete Hollundermarkkugel eingeführt werden. Dieſe Kugel, welche man die Stand-
kugel nennt, iſt an einem Schellackſtäbchen befeſtigt. Die Oeffnung E dient dazu,
um der Standkugel und der anliegenden Kugel des Wagebalkens Elektricität mit-
theilen zu können.


Die Verſuche werden in folgender Weiſe durchgeführt: Zunächſt ſtellt man
den Wagebalken ſo, daß ſeine Kugel die Standkugel berührt, ohne daß der Metall-
draht tordirt iſt. Dann theilt man der Standkugel Elektricität mit, indem man
eine elektriſirte und an einem iſolirenden Stiele befindliche Metallkugel durch die
Oeffnung E in den Glascylinder einführt und die Standkugel mit der Metallkugel
einen Augenblick berührt. Die Elektricität ſtrömt dann von der Metallkugel auf
die Standkugel über, und da dieſe mit der gleich großen Kugel des Wagebalkens
in Berührung iſt, vertheilt ſich die elektriſche Ladung auf beide Kugeln der Tor-
[74] ſionswage in gleicher Weiſe. Jetzt ſtoßen ſich die Standkugel und die Kugel B
wegen ihres gleichnamigen elektriſchen Zuſtandes einander ab und der Wagebalken
dreht ſich um einen beſtimmten Winkel aus ſeiner urſprünglichen Gleichgewichtslage.
Er erreicht ſeine neue Gleichgewichtslage, wenn die Kraft der Abſtoßung beider
Kugeln gleich iſt der ihr entgegenwirkenden Torſionskraft des Metalldrahtes.


Nach dieſem erſten Verſuche dreht man den Torſionskreis derart, daß die
Torſion des Drahtes vermehrt wird und bringt dadurch die Kugel des Wagebalkens

Figure 37. Fig. 37.

Coulomb’s Drehwage.


der Standkugel näher. Auch jetzt wird
ſich der Wagebalken im Gleichgewichte
befinden, ſobald die abſtoßende Kraft
der beiden elektriſchen Kugeln gleich
iſt der Torſionskraft des Drahtes. Eine
neuerliche Drehung des Torſionskreiſes
im vorigen Sinne giebt für eine dritte
Stellung der Kugeln gegeneinander die
Größe der einander entgegenwirkenden
Kräfte. Die Größe der elektriſchen
Kräfte in den verſchiedenen Stellungen
wird in derſelben Art aus dieſen Ver-
ſuchen beſtimmt, wie dies bei der Nach-
weiſung der magnetiſchen Kräfte bereits
angegeben wurde (S. 51). Die Zahlen,
welche man dann erhält, zeigen, daß
ſich die abſtoßenden Kräfte umgekehrt
wie die Quadrate der Entfernungen
verhalten.


In ähnlicher Weiſe kann das
Verhalten ungleichnamiger Elektricitäten,
alſo die elektriſche Anziehung, unter-
ſucht werden; auch aus dieſen Ver-
ſuchen reſultirt, daß ſich die anziehen-
den Kräfte umgekehrt verhalten wie
die Quadrate der Entfernungen.


Bei den vorhergehenden Ver-
ſuchsreihen wurde das Verhalten der
anziehenden oder abſtoßenden Kräfte
nur in Bezug auf die Entfernung
beider Kugeln voneinander unter-
ſucht. Auf die Größe der abſtoßen-
den oder anziehenden Kraft hat aber außerdem die Menge der wirkenden
Elektricität Einfluß. In welcher Art dieſe ihre Wirkung geltend macht, kann
ebenfalls mit der Torſionswage leicht gezeigt werden. Zu dieſem Behufe
elektriſirt man die Standkugel ganz in derſelben Weiſe wie bei unſerem
erſten Verſuche; dann dreht man den Torſionskreis, bis der Wagebalken einen
beſtimmten Winkel mit ſeiner früheren Ruhelage einſchließt. Hierauf berührt
man die Standkugel mit einer ihr ganz gleichen, ebenfalls iſolirten, aber unelek-
triſchen Kugel. Nun ſtrömt von der Standkugel auf die ihr genäherte Kugel
ſo lange Elektricität über, bis beide Kugeln gleich ſtark elektriſch ſind; in der
[75] Standkugel bleibt ſomit, nachdem die zweite Kugel entfernt worden iſt, die Hälfte
der urſprünglichen Elektricitätsmenge zurück. Dieſe übt auf die Kugel des Wage-
balkens eine geringere Abſtoßungskraft aus, und die Kugel des Wagebalkens wird
ſich daher der Standkugel nähern; durch Drehung am Torſionskreiſe kann jedoch
der Wagebalken wieder in die früher innegehabte Stellung gebracht werden. Man
findet dabei, daß die Torſionskraft im letzteren Falle die Hälfte der Torſion beim
erſten Verſuche beträgt. Nun berührt man die Standkugel mit einem nicht iſolirten
Leiter und entzieht ihr auf dieſe Weiſe die ganze Elektricität. Der Wagebalken dreht
ſich dann bis zur Berührung ſeiner Kugel mit der Standkugel zurück und giebt an
dieſe die Hälfte ſeiner Elektricität ab; nun ſtoßen ſich die Kugeln neuerdings ab,
und der Winkel wird mit Hilfe des Torſionskreiſes wieder auf dieſelbe Größe
gebracht. Die Torſionskraft zeigt ſich abermals um die Hälfte verringert. Alſo
z. B. in der Art: Die der Standkugel anfänglich mitgetheilte Elektricitätsmenge
betrage 4 Einheiten irgend welchen Maßſyſtemes. Durch Berührung mit der Kugel
des Wagebalkens vertheilen ſich dieſe 4 Einheiten zu 2 und 2 auf die Standkugel
und jene des Wagebalkens. Durch Berühren der Standkugel mit einer ihr gleich
großen Kugel giebt ſie die Hälfte ihrer Elektricität ab und ſomit bleiben auf der
Standkugel die Elektricitätsmenge 1 und auf der Kugel des Wagebalkens die
Menge 2. Dann wird die Standkugel entladen, beide Kugeln zur Berührung
gebracht, alſo die Elektricitätsmenge 2 auf der Kugel des Wagebalkens halbirt und
man hat jetzt auf jeder Kugel die Menge 1. Die Experimente geben aber, wenn
man z. B. den Wagebalken immer auf 30 Grad einſtellt, im erſten Falle eine Torſion
von 96 Grad, im zweiten Falle von 38 Grad und im dritten Falle von 4 Grad.
Die Torſionskräfte verhalten ſich daher wie
30 + 4 zu 30 + 38 zu 30 + 96
oder
34 zu 68 zu 126.


Die Elektricitätsmengen aber wie
2mal 2 zu 2mal 1 zu 1mal 1
oder
4 zu 2 zu 1,

d. h. wird die Elektricitätsmenge halbirt, ſo muß auch die entgegenwirkende
Torſionskraft halbirt werden, wenn der Ausſchlagwinkel des Wagebalkens gleich-
bleiben ſoll, oder mit anderen Worten: Die elektriſchen Abſtoßungen verhalten
ſich gerade ſo wie die Producte aus den aufeinander einwirkenden Elektricitäts-
mengen.


Faſſen wir nun die Verſuche mit der Torſionswage, wie ſie jetzt beſchrieben
wurden, zuſammen und bedenken wir noch, daß bei einer elektriſirten Kugel die
von allen Punkten ihrer Oberfläche gleichförmig ausgeübten Kräfte in ihrem Mittel-
punkte vereinigt angenommen werden können, ſo ergiebt ſich folgendes Geſetz:
Zwei elektriſirte Punkte ziehen ſich an oder ſtoßen ſich ab, propor-
tional dem Producte der auf beiden vorhandenen Elektricitätsmengen
und umgekehrt proportional dem Quadrate ihres Abſtandes
.


[76]
Meſſung der Elektricität

Die Meſſung der Elektricitätsmengen, welche die Körper beſitzen, kann in
zweierlei Weiſe erfolgen; entweder man beſtimmt blos das Verhältniß der Elek-
tricitätsmengen zweier oder mehrerer Körper zueinander, oder man drückt die Elek-

Figure 38. Fig. 38.

Torſions-Elektrometer von Kohlrauſch.


tricitätsmenge durch ein abſolutes Maß
aus. Zu Meſſungen der erſten Art
kann wieder die Torſionswage dienen
und hat die Ausführung der Meſſung,
nachdem wir das Geſetz über die Ein-
wirkung elektriſirter Körper aufeinander
kennen, keine Schwierigkeit mehr. Man
ladet die Standkugel in zwei auf-
einanderfolgenden Verſuchen mit den
beiden zu vergleichenden Elektricitäten
und bekommt dann aus den Größen
für die Torſionskräfte, die in der
vorhin angegebenen Weiſe beſtimmt
werden, das Verhältniß beider Elektri-
citätsmengen zueinander.


Um Elektricitätsmengen im ab-
ſoluten Maße zu meſſen, muß man
zunächſt eine Einheit feſtſtellen. Solche
werden von verſchiedenen Forſchern
angegeben. Weber ſchlägt in Ueber-
einſtimmung mit dem magnetiſchen
Maße jene Elektricitätsmenge als Ein-
heit vor, welche, auf einer kleinen Kugel
vertheilt, eine andere genau gleiche und
mit der gleichnamigen und gleich großen
Elektricitätsmenge geladene Kugel, die
von der erſten 1 Millimeter entfernt
iſt (von Mittelpunkt zu Mittelpunkt
gerechnet), mit einer Kraft abſtößt,
welche der Maſſe von 1 Milligramm
in einer Secunde die Geſchwindigkeit
von 1 Millimeter ertheilt.


Die Torſionswage kann nur dann,
wenigſtens unmittelbar, zu Meſſungen
verwendet werden, wenn es ſich nicht
um gar zu geringe Größen handelt.
Zur Meſſung dieſer bedient man ſich beſſer der von Dellmann und Kohlrauſch
angegebenen empfindlicheren Inſtrumente oder, wenn äußerſte Empfindlichkeit ge-
fordert wird, des Quadrauten-Elektrometers von Thomſon.


Dellmann’s Meßapparat iſt der Hauptſache nach eine Torſionswage, die
aber durch einige Abänderungen gegenüber der gewöhnlichen Torſionswage bedeutend
empfindlicher gemacht wurde. Zunächſt ſind ſchon Wagebalken und Aufhängeart
anders; Dellmann verwendet nämlich an Stelle des Wagebalkens aus Schellack
[77] einen ſolchen aus Metall und an Stelle des Drahtes zu deſſen Aufhängung einen
Glasfaden. Die Standkugel wird aber durch eine ganz eigenartige Einrichtung
erſetzt. Dieſe beſteht aus einem horizontal aufgeſtellten Metallbügel, gegen welchen
ſich der Wagebalken ſo anlegen kann, daß die eine Hälfte desſelben die eine Seite
und die andere Hälfte desſelben die andere Seite des Bügels berührt. Daß dieſe
Einrichtung die Empfindlichkeit der Torſionswage bedeutend vermehrt, iſt begreiflich,
denn wenn man nun Wagebalken und Bügel gleichnamig elektriſirt, ſo ſtoßen ſich
beide in ihrer ganzen Länge ab, während bei der gewöhnlichen Torſionswage die
Abſtoßung nur zwiſchen zwei Kugeln geringen Durchmeſſers ſtattfindet.


Die Form, welche das Inſtrument von Kohlrauſch bekam, iſt in Fig. 38
abgebildet. Der Bügel a a iſt aus Silber angefertigt und durch Schellackfüßchen b b
feſtgekittet. Der Wagebalken, gleichfalls aus Silber, hängt an dem Glasfaden i ſo
in den Ausſchnitt von a a hinein, daß er ſich in Folge der Biegungen des
Bügels zu beiden Seiten an denſelben anlegen kann. Der Spiraldraht unterhalb
des Wagebalkens dient zur Zuleitung der
Elektricität. Die Meſſungen ſelbſt werden mit
dieſem Inſtrumente in ganz ähnlicher Art
ausgeführt wie bei der gewöhnlichen Tor-
ſionswage.


Kohlrauſch hat noch ein zweites Elek-
trometer (Sinus-Elektrometer) angegeben, bei
welchem die der elektriſchen Abſtoßung ent-
gegenwirkende Kraft in der Richtkraft des
Erdmagnetismus, ausgeübt auf eine Magnet-
nadel, beſteht. Wenngleich dieſes und das
vorerwähnte Inſtrument bedeutend empfind-
licher ſind als die gewöhnliche Torſionswage,
und namentlich das Sinus-Elektrometer von
Kohlrauſch ganz bequem iſt, ſobald es ſich
darum handelt, eine größere Anzahl von
Meſſungen raſch hintereinander auszuführen,
ſo verſagen doch auch dieſe Apparate bei

Figure 39. Fig. 39

Quadranten.


exacten Meſſungen ſehr ſchwacher Elektricitäten ihren Dienſt und dann muß an deren
Stelle Thomſon’s Quadranten-[Elektrometer] treten.


Das Quadranten-Elektrometer von Thomſon beruht dem Principe
nach darauf, daß ein conſtant elektriſirter Körper auf einen mit der zu unter-
ſuchenden Elektricität geladenen zweiten Körper einwirkt und dieſen zu drehen ſucht,
oder daß der zweite Körper feſtſteht und den erſten zu drehen ſucht. Auf Grundlage
dieſes Principes hat Thomſon eine größere Anzahl von Meßapparaten conſtruirt,
deren einer, und zwar jener, welcher die größte Verbreitung erlangte, nachſtehend
beſchrieben werden ſoll.


Der charakteriſtiſche Beſtandtheil desſelben, die Quadranten mit der Nadel,
ſind in Fig. 39 getrennt abgebildet, während Fig. 40 eine perſpectiviſche
Anſicht des ganzen Elektrometers giebt. Die vier Quadranten zuſammengenommen
bilden eine flache cylindriſche Büchſe (Fig. 39), die durch zwei aufeinander ſenk-
recht geführte Schnitte in die vier Theile oder Quadranten A, B, C, D getheilt iſt.
Das Material der Quadranten iſt Meſſingblech. Je zwei einander gegenüberliegende
Quadranten ſind durch Drähte leitend miteinander verbunden, und ſämmtliche
[78] Quadranten nach innen zu ſo ausgeſchnitten, daß ihre inneren Begrenzungen einen
zum Umfange des ganzen Cylinders concentriſchen Kreis bilden. Innerhalb der
vier Quadranten ſchwebt, an einem feinen Platindrahte aufgehängt, die Nadel C
von der aus der Figur erſichtlichen eigenthümlichen (lemniskatiſchen) Form. Dieſe
Nadel iſt aus Aluminiumblech gefertigt.


Der Platindraht, an welchem die Nadel hängt, iſt nach unten verlängert und
trägt an ſeinem unteren Ende ein kleines Platingewichtchen; oberhalb der Nadel,
bei t, ſind an dem Platindrahte ein kleiner Hohlſpiegel und ein Magnetſtäbchen

Figure 40. Fig. 40.

Quadranten-Elektrometer von Thomſon.


befeſtigt, und das Ganze, nämlich
Platindraht, Spiegel, Magnet
und Nadel, ſammt dem herab-
hängenden Drahte mit dem Ge-
wichtchen hängt an einem Cocon-
faden. Die ganze Vorrichtung
umgiebt ein unten abgerundeter
Glascylinder, der in einem feſten
Geſtelle ſo gehalten wird, daß
ſein oberer Rand in eine hori-
zontale Ebene fällt. Der Glas-
cylinder ſelbſt iſt außen und
innen bis nahe an ſeinen oberen
Rand mit Stanniol belegt, ſo
daß er, wie wir ſpäter ſehen
werden, eine Kleiſt’ſche Flaſche
bildet. Er enthält in ſeinem
unteren Theile concentrirte
Schwefelſäure, welche den dop-
pelten Zweck erfüllt, die Luft
innerhalb des Elektroſkopes trocken
zu erhalten und die Nadel mit
der inneren Belegung der Flaſche
in leitende Verbindung zu ſetzen.
Nach oben zu iſt der Glas-
cylinder durch einen Metalldeckel
abgeſchloſſen, an welchem durch
Glasſtäbe die Quadranten (a b,
Fig. 40) befeſtigt ſind. Die
Zuleitung der Elektricität zu
den Quadranten a und b erfolgt durch die von den übrigen Theilen des Elek-
trometers wohl iſolirten Elektroden 1 und m; die Enden der von dieſen Elek-
troden zu den beiden Quadranten führenden Drähte ſind in der Figur als zwei
Spiralen ſichtbar.


Setzt man die äußere Belegung des Glascylinders mit der Erde in leitende
Verbindung und theilt der inneren Belegung Elektricität mit, ſo bleibt die Ladung
des Inſtrumentes (der Flaſche) und ſomit auch der Nadel, die durch Vermittlung
der Schwefelſäure und des Platindrahtes geladen wird, lange Zeit hindurch con-
ſtant. Die Quadranten erhalten ihre elektriſche Ladung, wie bereits angedeutet,
durch die Elektroden 1 oder m; gewöhnlich ſetzt man eine der Elektroden mit der
[79] Erde in leitende Verbindung, die andere mit der zu prüfenden Elektricitätsquelle.
In Folge der früher angegebenen Verbindung je zweier einander gegenüberlie-
gender Quadranten iſt dann ein Paar geladen, das andere aber unelektriſch.


Die Ruhelage der Nadel, d. h. jene Lage, welche ſie einnimmt, ſo lange
ſämmtliche Quadranten unelektriſch ſind, iſt aus Fig. 39 erſichtlich; ſie iſt derart,
daß die Nadel durch einen der die Quadranten trennenden Schnitte genau in zwei
gleiche Hälften getheilt wird. Die Nadel wird in dieſer Lage gehalten durch Ein-
wirkung des außerhalb des Glascylinders angebrachten und am Geſtelle befeſtigten
Magnetes (Fig. 40) auf die kleine Magnetnadel bei t.


Die Meſſungen mit dem eben beſchriebenen Elektrometer werden in folgender
Art vorgenommen. Zunächſt theilt man der inneren Belegung des Glascylinders
eine gewiſſe Menge Elektricität durch die Elektrode p mit, welche mit dieſer Be-
legung in leitender Verbindung ſteht. Die Ladung, welche die innere Belegung auf
dieſe Weiſe erhält, bleibt längere Zeit conſtant und theilt ſich auch der Aluminium-
nadel mit, indem ſie durch die Schwefelſäure und den Platindraht, der bis nahe
an die Oberfläche der letzteren durch einen Cylinder W geſchützt iſt, geleitet wird.
Die Aluminiumnadel bleibt vorläufig in ihrer Lage unverändert erhalten, da ſie zu
den unelektriſchen Quadranten vollkommen ſymmetriſch ſchwebt. Setzt man nun
aber eine der Elektroden l oder m mit der zu prüfenden Elektricitätsquelle in Ver-
bindung, ſo werden zwei einander gegenüberliegende Quadranten geladen; nehmen
wir an, es ſeien dies die Quadranten A und C (Fig. 39), die durch einen Draht
untereinander verbunden ſind. Jetzt iſt das Gleichgewicht der Nadel natürlich
geſtört und dieſe wird ſich je nach der Art ihrer Ladung drehen. Iſt die Nadel
poſitiv elektriſch und ſind auch die beiden Quadranten A und C poſitiv elektriſch,
ſo wird der Quadrant A die eine Hälfte (in der Figur die rückwärtige) der Nadel
gegen den Quadranten B, die andere (vordere) Hälfte der Nadel gegen den Qua-
dranten D zu drehen ſuchen. Ein Blick auf die Figur lehrt, daß dieſe beiden
Drehungen ſich unterſtützen und daß ſich daher die Nadel nach einer Richtung
(Richtung des Zeigers einer Uhr) drehen wird. Die Stärke der Abſtoßung iſt aber,
wie wir gehört haben, direct proportional dem Producte der Elektricitätsmengen der
ſich abſtoßenden Körper, ſomit kann ſie durch die Größe der Nadelablenkung be-
ſtimmt werden. Dies gilt bei dem Thomſon’ſchen Elektrometer allerdings nur ſo lange,
als die Ablenkung eine ſehr geringe iſt, denn bei einer größeren Ablenkung der Nadel
wird auch ihre Stellung zu der auf den Quadranten vorhandenen Elektricitätsmenge
verändert. Das Inſtrument iſt deshalb nur zur Meſſung ſehr ſchwacher Kräfte geeignet,
wird aber deſto genauere Reſultate geben, je kleiner die zu meſſenden Kräfte ſind. Der
Ablenkung der Nadel durch die elektriſche Abſtoßungskraft wirkt die Anziehungs-
kraft des außerhalb des Elektroſkopes angebrachten Magnetes auf die Magnetnadel
bei t entgegen, und das ganze Syſtem iſt dann im Gleichgewichte, wenn die magne-
tiſche Richtkraft und die elektriſche Abſtoßungskraft einander gleich groß ſind.


Man beobachtet dieſe Gleichgewichtslage mit Hilfe des bei t angebrachten
Spiegels. Dieſer wirft das Bild eines hellen Spaltes, eine feine Lichtlinie, auf
eine horizontal aufgeſtellte Scala und das Wandern dieſer Linie auf der Scala
ermöglicht die Beſtimmung des Ablenkungswinkels. Das Quadranten-Elektrometer von
Thomſon übertrifft an Genauigkeit alle übrigen Inſtrumente, ſo lange es ſich, wie
bereits erwähnt, um die Meſſung ſchwacher Kräfte handelt; daraus erſieht man aber
auch, daß durch die Anwendung dieſes Elektrometers jene der anderen Inſtrumente
durchaus nicht wegfallen kann, daß vielmehr jedes für beſtimmte Meſſung zu benutzen iſt.


[80]
Elektricitätsverluſt mit der Zeit.

Theilt man in der Coulomb’ſchen Drehwage der Kugel des Wagebalkens und
der Standkugel eine gewiſſe Menge Elektricität mit, ſo ſtoßen ſich beide Kugeln
ab und die neue Gleichgewichtsſtellung des Wagebalkens bildet mit ſeiner urſprüng-
lichen Ruhelage einen beſtimmten Winkel. Ueberläßt man in dieſem Zuſtande die
Torſionswage ſich ſelbſt, ſo wird der Winkel nach und nach kleiner, was offenbar
nur daher rühren kann, daß die abſtoßende Kraft ſich vermindert, da die Torſion
des Aufhängedrahtes der Nadel nicht geändert wurde. Die Abnahme der abſtoßenden
Kraft kann jedoch nur von einem Verluſte an elektriſcher Ladung herrühren. Wo-
durch kann nun dieſer eintreten? Die Kugeln ſind bis auf jene Stellen, an welchen
ſie auf ihre Träger befeſtigt ſind, von Luft umgeben, müſſen alſo einen Theil ihrer
Elektricität entweder an die Luft oder an den Träger oder endlich an beide ab-
geben. Eingehende Unterſuchungen hierüber beſtätigten, daß der letzterwähnte Fall
wirklich eintritt. Man nennt jenen Verluſt an Elektricität, welchen ein Körper
mit der Zeit durch Abgabe an die Luft verliert, Zerſtreuung, den Verluſt jedoch,
der durch die den Körper unterſtützenden Iſolatoren herbeigeführt wird, den
Stützenverluſt.


Die Zerſtreuung erklärt man ſich in der Art, daß man annimmt, der elek-
triſche Körper ziehe die Lufttheilchen an, theile ihnen Elektricität mit und ſtoße ſie
dann wieder ab. Durch dieſe Abgabe von Elektricität an die Lufttheilchen wird
natürlich die Menge der auf einem Körper urſprünglich vorhandenen Elektricität
vermindert.


Der Stützenverluſt rührt daher, daß es eben, wie auch bei Beſprechung
der Leitungsfähigkeit verſchiedener Körper ſchon erwähnt wurde, keine abſoluten
Iſolatoren oder Nichtleiter giebt. Die Elektricität breitet ſich eben vom Körper
aus auf den ihn ſtützenden Iſolator eine gewiſſe Strecke weit aus. Steht dann
der Iſolator innerhalb dieſer Strecke mit einem leitenden Körper in Ver-
bindung, ſo findet durch dieſen ein Abfließen von Elektricität ſtatt. Die Größe
der Ausbreitung der Elektricität auf dem iſolirenden Träger hängt von der Menge
der auf dem elektriſirten Körper angehäuften Elektricität ab, und die Menge der
Elektricität auf der iſolirenden Stütze nimmt mit der Entfernung von dem elek-
triſchen Körper ab, ſo daß ſie den Iſolator gewiſſermaßen mit einer Schichte über-
zieht, die gegen den elektriſchen Körper zu immer dicker wird. Nach der entgegen-
geſetzten Richtung hin, alſo vom elektriſchen Körper weg, wird die Schichte immer
dünner und in beſtimmter Entfernung gleich Null.*) Setzt ſich der iſolirende Träger
über dieſen Nullpunkt noch hinaus fort, ſo verliert der elektriſirte Körper außer der
angegebenen Schichte weiter keine Elektricität. Iſt aber z. B. der Iſolator mit
einer Schichte von Staub und Feuchtigkeit bedeckt, ſo daß dieſe Bedeckung in die
elektriſche Schichte hineinreicht, ſo findet dann auch noch durch dieſe leitende Be-
deckung eine Ableitung ſtatt. Um die Entſtehung einer ſolchen leitenden Bedeckung
hintanzuhalten, überzieht man iſolirende Glasfüße mit einem dünnen Schellack-
überzuge, der weniger hygroſkopiſch iſt (weniger Feuchtigkeit an ſeiner Oberfläche
verdichtet) als das Glas. Der Schellacküberzug hat aber den Uebelſtand, daß
Staubtheilchen leichter an ihm haften und dieſe durch Abwiſchen ſchwierig zu ent-
[81] fernen ſind, ja durch das Abwiſchen ſogar neuerdings Fädchen dazugebracht werden.
In dieſem Falle ſchlägt ſich dann die Feuchtigkeit noch mehr nieder und deshalb
ſind blanke Glasfüße vorzuziehen, deren Oberfläche man vor dem Gebrauche des
betreffenden Apparates gut reinigt.


In neuerer Zeit wird auch Hartgummi häufig zu iſolirenden Stützen oder
Theilen verwendet und bewährt ſich wenigſtens anfangs ganz gut. Doch darf auf
ſeine Iſolirungsfähigkeit auch nicht gar zu ſicher vertraut werden, da der in ihm
enthaltene Schwefel ſich im Verlaufe der Zeit mit Sauerſtoff verbindet und dieſe
Säureproducte unter Umſtänden die Iſolationsfähigkeit des Hartgummi ganz erheblich
vermindern können.


Bezüglich des Elektricitätsverluſtes durch Zerſtreuung iſt noch zu bemerken,
daß die Größe dieſes Verluſtes ſich mit dem Feuchtigkeitsgrade der Luft ändert,
und zwar größer wird mit der Zunahme der Feuchtigkeit. Ferner iſt die Zer-
ſtreuung auch verſchieden, wenn der elektriſirte Körper ſich in verſchiedenen Gaſen
befindet.


Elektricität durch Influenz oder Vertheilung.

Berührt man die Hollundermarkkugeln eines Doppelpendels mit einem elek-
triſirten Körper, ſo theilt dieſer den beiden Kugeln gleichnamige Elektricität mit,
und die Pendel divergiren in Folge der aufeinander ausgeübten Abſtoßung. Die
Kugeln ſtoßen ſich aber auch dann ab, wenn man den Verſuch in der Weiſe
abändert, daß man ſie mit dem elektriſirten Körper, alſo z. B. mit einer geriebenen
Siegellackſtange nicht berührt, ſondern letztere nur den beiden Kugeln nähert.
Dieſe werden alſo ſchon dadurch elektriſch, daß ſie in die Nähe eines elektriſirten
Körpers gelangen. Hierbei zeigen ſich die beiden Kugeln poſitiv elektriſch, wenn
man ihnen die negativ elektriſche Siegellackſtange nähert, und negativ elektriſch,
wenn man eine poſitiv elektriſche Glasſtange in ihre Nähe bringt.


In ebenſo anſchaulicher als bequemer Weiſe laſſen ſich dieſe Erſcheinungen
mit dem von Rieß angegebenen Vertheilungs-Apparate (Fig. 41) zeigen. An einem
Stativ f ſind drei horizontale Träger, die mit Ausnahme der Anſätze an ihren
beiden Enden aus Glasſtäben beſtehen, verſtellbar befeſtigt. Der oberſte Träger
hält einen Meſſingſtab oder hohlen, an beiden Enden abgerundeten Meſſingcylinder,
welcher an mehreren Stellen mit Hollundermarkkügelchen verſehen iſt, die an feinen
Drähten hängen. Die mittlere Kugel iſt am Meſſingſtab verſtellbar und kann dem
einen oder dem anderen Ende des Stabes beliebig genähert werden. Der mittlere
Arm des Stativs trägt die Glasſcheibe d und der unterſte Arm die Meſſing-
kugel e. Gegen den Mittelpunkt dieſer Kugel iſt der Meſſingſtab a b gerichtet.


Die drei Arme werden ſo geſtellt, daß ſich Stab, Glasſcheibe und Kugel
übereinander befinden, jedoch zwiſchen Scheibe und Stab einerſeits und Scheibe
und Kugel andererſeits ein Zwiſchenraum befindet, d. h. alſo, daß ſich dieſe drei
Körper an keiner Stelle berühren. Theilt man nun der Kugel e Elektricität mit,
ſo wird im ſelben Augenblicke auch der Stab a b elektriſch. Der elektriſche Zuſtand
des Stabes verräth ſich durch Abſtoßen der Hollundermarkkugeln.


Da nun die Kugel e den Stab a b an keiner Stelle berührt, vielmehr noch
durch die Glasſcheibe d von ihm getrennt iſt, kann der Stab ſeinen elektriſchen
Zuſtand nicht einer Mittheilung von Elektricität durch die Kugel verdanken, ſondern
es muß vielmehr die bloße Nähe der elektriſchen Kugel auf den Stab a b gewirkt
Urbanitzky: Elektricität. 6
[82] haben. Dieſe Art der Elektricitätserregung nennt man Erregung durch Influenz
oder durch Vertheilung, und die auf dem Stabe erregte Elektricität dementſprechend
Influenz- oder Vertheilungs-Elektricität.


Bei obigem Verſuche beobachtet man aber auch, daß der Stab a b nicht an allen
Stellen gleich ſtark elektriſch geworden iſt, denn, indes die Pendel bei a und b
eine ſtarke Abſtoßung zeigen, wird das Pendel nahe der Mitte des Stabes faſt
gar nicht abgeſtoßen. Bewegt man dieſes Pendel dem Stab entlang, ſo kommt
man zu einer Stelle, wo die Abſtoßung wirklich gleich Null iſt. Daraus folgt
aber, daß der Stab an dieſer Stelle unelektriſch iſt, während die Elektricität an
den beiden Enden bei a und b ihre größte Dichte beſitzt. Unterſucht man ferner
nach einer der früher angegebenen Methoden die Art der Elektricität auf dem Stabe,

Figure 41. Fig. 41.

Vertheilungsapparat nach Rieß.


ſo findet man jene bei a der bei b
entgegengeſetzt und jene bei a entgegen-
geſetzt jener auf der Kugel e.


Man theilt z. B. der Kugel e
poſitive Elektricität mit und nähert nun
der Hollundermarkkugel bei a eine ge-
riebene Siegellackſtange; dieſe wird die
Hollundermarkkugel abſtoßen, während
eine geriebene Glasſtange dieſelbe an-
zieht. Das Ende des Meſſingſtabes
bei a iſt deshalb negativ elektriſch.
Nähert man jedoch der Hollunder-
markkugel bei b eine Siegellackſtange,
ſo zieht dieſe die Kugel an, während
eine geriebene Glasſtange ſie abſtößt;
daher iſt das obere Ende des Meſſing-
ſtabes poſitiv elektriſch. Durch Ver-
ſchieben der mittleren Hollundermark-
kugel erreicht man, wie bereits erwähnt,
eine Stelle des Meſſingcylinders, die
ſich ganz unelektriſch erweiſt und nahezu
in der Mitte des Stabes, jedoch näher
der Meſſingkugel e zu liegt. Man
nennt dieſe Stelle Mittellinie oder
Indifferenzzone.


Ladet man die Kugel e mit negativer Elektricität, ſo treten im Stabe a b
ganz gleiche Erſcheinungen auf, nur folgen ſie in umgekehrter Ordnung: das Ende
bei a wird poſitiv elektriſch, dann folgt wieder die Indifferenzzone, und das Ende
bei b iſt negativ elektriſch. Die Influenz-Elektricität tritt in jedem Körper auf,
welcher der Kugel genähert wird, und zwar immer derart, daß an jener Stelle
des Körpers, welche ſich der Kugel am nächſten befindet, Elektricität entgegen-
geſetzter Art, und an jener Stelle, welche von der Kugel am weiteſten entfernt iſt,
Elektricität gleicher Art erſcheint. Die Kugel kann hierbei auch durch irgend einen
anderen elektriſirten Körper erſetzt werden.


Entfernt man den influenzirenden Körper von dem influenzirten oder entladet
man den influenzirenden Körper, ſo wird jedoch in beiden Fällen der elektriſche
Zuſtand des influenzirten Körpers aufgehoben. Daraus ergiebt ſich aber, daß die
[83] beiden Influenz-Elektricitäten in gleicher Menge entſtehen müſſen, da, ſo lange der
influenzirende Körper in der Nähe iſt, beide getrennt erhalten werden; ſobald aber
der letztere entfernt wird, ſich beide als gleich groß und entgegengeſetzt vereinigen
und gegenſeitig aufheben. Der influenzirende Körper zieht nämlich die ihm ungleich-
namige Elektricität des genäherten Leiters an, ſtößt die ihm gleichnamige Elek-
tricität ab und trennt in dieſer Weiſe beide Elektricitäten, die ſich aber, ſobald der
influenzirende Körper entfernt wird, wieder vereinigen, weil die ſie trennende Kraft
zu wirken aufgehört hat. Um die beiden Influenz-Elektricitäten zu unterſcheiden,
nennt man die mit der Elektricität des influenzirenden Körpers ungleichnamige
(alſo von ihm angezogene) Influenz-Elektricität erſter Art und die gleich-
namige (alſo abgeſtoßene) Influenz-Elektricität zweiter Art.


Wenngleich nach Obigem der influenzirte Körper nur ſo lange elektriſch
bleibt, als der influenzirende Körper ſich in ſeiner Nähe befindet, ſo giebt es doch
ein Mittel, den influenzirten Körper dauernd zu laden; dieſes Mittel beſteht einfach
darin, daß man die beiden getrennten Influenz-Elektricitäten verhindert, ſich wieder
zu vereinigen. In einfachſter Art läßt ſich dies bewerkſtelligen, wenn man den Stab
oder Cylinder a b des Vertheilungs-Apparates aus zwei Theilen zuſammenſetzt.
Die Influenz-Elektricität erſter Art befindet ſich dann auf der unteren Hälfte, die
Influenz-Elektricität zweiter Art auf der oberen Hälfte des Stabes; trennt man
dann beide Hälften voneinander, ſo kann man die influenzirende Metallkugel ent-
fernen oder entladen, ohne daß die beiden Stabhälften ihre Elektricität verlieren.
Dabei iſt nur vorausgeſetzt, daß die Stabhälften von ihrer Umgebung gut iſolirt
ſind. Statt den Stab in zwei Stücke zu theilen, kann man natürlich auch an dem
Ende des Stabes bei a oder bei b einen zweiten Stab anbringen, der mit dem
erſten in Berührung ſteht und nach der Influenzirung von ihm wieder getrennt
wird. In jedem Falle bleibt auf jenem Theile des Geſammtleiters, welcher der
Kugel am nächſten ſtand, Influenz-Elektricität erſter Art zurück, während der ent-
ferntere Theil Influenz-Elektricität zweiter Art behält.


Die Erhaltung der Influenz-Elektricität nach Entfernung des influenzirenden
Körpers gelingt aber auch noch auf eine zweite, ſcheinbar andere Art. Nur erhält
man bei dieſem Verfahren blos Influenz-Elektricität erſter Art. Man verbindet zu
dieſem Behufe den Meſſingſtab oder Cylinder a b an irgend einer Stelle leitend
mit der Erde und hebt nach der Influenzirung die Verbindung wieder auf,
noch bevor der influenzirende Körper enfernt wird. Der Vorgang iſt hierbei
derſelbe wie früher; die influenzirende Kugel zieht Influenz-Elektricität erſter
Art an und hält ſie feſt, während die Influenz-Elektricität zweiter Art ab-
geſtoßen und in den entfernteſten Theil des Leiters zurückgedrängt wird. Da
nun aber die Erde mit dem Leiter in Verbindung ſteht, ſo gehört ſie zu dieſem
und die Wirkung der Influenz muß ſich auch auf ſie erſtrecken. Die Influenz-
Elektricität zweiter Art wird daher vom Meſſingcylinder weg auf die Erde gedrängt,
wo ſie ſich ausbreitet und natürlich nicht mehr nachweisbar iſt. Wird alsdann die
Verbindung zwiſchen Erde und Meſſingcylinder aufgehoben, ſo muß dies dieſelbe
Wirkung ergeben, wie im vorhergehenden Verſuche die Trennung beider Meſſing-
cylinder oder Cylinderhälften.


Man erhält aber nur eine Art Elektricität, nämlich Influenz-Elektricität
erſter Art, weil die Influenz-Elektricität zweiter Art zwar allerdings auch hervor-
gerufen wird, ſich aber auf einen ſo großen Leiter, nämlich die Erde, ausbreitet,
daß wir ſie nicht mehr nachzuweiſen im Stande ſind.


6*
[84]

In welchem Zuſammenhange die Quantität der influenzirten Elektricität zur
influenzirenden ſteht, lehrt nachſtehender Verſuch. Man ſtellt zwei gleich große
Meſſingkugeln ſo nebeneinander, daß ſie ſich berühren, aber im Uebrigen iſolirt
ſind. Nun bringt man eine bedeutend größere elektriſche Kugel ſo in die Nähe der
beiden erſten, daß die Mittelpunkte ſämmtlicher Kugeln in einer Geraden liegen.
Man erhält dadurch auf der der großen Kugel näher ſtehenden kleinen Kugel
Influenz-Elektricität erſter Art, auf der weiter entfernten Influenz-Elektricität zweiter
Art. Man bringt nun eine dieſer Kugeln, alſo z. B. die mit Influenz-Elektricität
erſter Art geladene, in die Torſionswage und mißt ihre Ladung. Dann bringt man
dieſe Kugel wieder an ihren Platz zurück und berührt die große influenzirende
Kugel mit einer ihr genau gleich großen Kugel. Dadurch wird die Ladung der
influenzirenden Kugel, wie wir bereits wiſſen, auf die Hälfte herabgebracht. Man
läßt nun dieſe halbe Ladung influenzirend auf die beiden kleinen Kugeln wirken und
bringt die Kugel mit Influenz-Elektricität erſter Art abermals in die Torſionswage;
hierbei ergiebt die Meſſung, vorausgeſetzt, daß der Elektricitätsverluſt mit der Zeit
mit in Betracht gezogen wurde, die halbe Menge Influenz-Elektricität gegenüber
der erſten Meſſung. Ein nochmaliges Berühren der influenzirenden Kugel mit der
ihr gleichen bringt dann die elektriſche Ladung der erſteren auf ein Viertel der
urſprünglichen herab, und die dann hervorgerufene Influenz-Elektricität iſt gleichfalls
ein Viertel der beim erſten Verſuche hervorgerufenen. Hieraus folgt das Geſetz:
Unter ſonſt gleichen Umſtänden iſt die Menge der Influenz-Elektri-
cität proportional der Menge der erregenden Elektricität
.


Aepinus rieb das Ende einer unelektriſchen Glasröhre mit einer elektriſchen
und fand dabei, daß jene an der geriebenen Stelle Elektricität derſelben Art an-
nahm, wie ſie die elektriſche Glasröhre beſaß. Er beobachtete aber auch, daß ſich
neben dieſer durch Mittheilung elektriſirten Stelle eine zweite elektriſche Stelle fand,
die Elektricität entgegengeſetzter Art beſaß und nach dieſer noch eine dritte Stelle
mit gleichnamiger Elektricität. Die beiden letzten Stellen der Röhre mußten alſo
ihre elektriſchen Zuſtände der vertheilenden Wirkung der durch Mittheilung elek-
triſirten Stelle verdanken. Es war ſomit ſchon durch dieſen Verſuch nachgewieſen,
daß die Influenzwirkung elektriſcher Körper ſich nicht nur auf Leiter erſtreckt, von
welchen bisher nur geſprochen wurde, ſondern ſich auch auf Iſolatoren geltend
macht.


Die Erregung von Influenz-Elektricität auf Iſolatoren kann auch mit dem
Vertheilungs-Apparate von Rieß nachgewieſen werden. Man erſetzt dann zu dieſem
Zwecke den Meſſingcylinder a b durch einen ſolchen von Schellack. Läßt man auf
dieſen die elektriſirte Kugel e wirken, ſo zeigt das der Kugel zugewandte Ende des
Schellack-Cylinders nach einiger Zeit Influenz-Elektricität erſter Art, alſo wenn
die Kugel poſitiv elektriſch iſt, negative Influenz-Elektricität. Bei der Influenzirung
von Iſolatoren zeigt ſich jedoch gegenüber jener bei Leitern ein Unterſchied, der
eben in dem verſchiedenen Leitungsvermögen begründet iſt. Bei Leitern tritt die
Influenzwirkung ſofort ein, ſobald die beiden Körper einander nahe kommen; bei
Iſolatoren hingegen braucht ſie eine gewiſſe Zeit, um ſich geltend zu machen.


Bei Influenzirung von Leitern hört auch die Wirkung ſofort auf oder ver-
einigen ſich die getrennten Elektricitäten wieder augenblicklich, ſobald der influen-
zirende Körper entfernt iſt. Iſolatoren bleiben hingegen nach der Influenzirung
elektriſch zurück; es hat dieſes Verhalten zweierlei Urſachen. Die durch die Influenz-
wirkung getrennten Elektricitäten können ſich der geringen Leitungsfähigkeit des
[85] Iſolators wegen nicht ſo ſchnell wieder vereinigen und die Influenz-Elektricität zweiter
Art wird raſcher zerſtreut, wie die erſte Art, weil letztere durch die Elektricität
des influenzirenden Körpers angezogen oder feſtgehalten wird, während ſich auf die
Influenz-Elektricität zweiter Art die Abſtoßung geltend macht.


Die Influenz erſtreckt ſich alſo auf alle Körper, Leiter wie auch Iſolatoren,
erregt immer beide Arten Elektricität gleichzeitig und in gleicher Menge und auch
in proportionaler Menge zu der influenzirenden Elektricität.


Cheorie der Influenz und daraus gezogene Folgerungen.

Verſuchen wir nun die Erſcheinungen, welche durch die Influenz hervor-
gerufen werden, zu erklären und dadurch das Weſen der Influenz ſelbſt kennen zu
lernen. Faſſen wir zunächſt das bisher Geſagte kurz zuſammen, ſo beſteht die
Wirkung der Influenz darin, daß ein elektriſcher Körper auf jeden ihm genäherten
unelektriſchen Körper derart einwirkt, daß dieſer beiderlei Elektricitäten zeigt. Hier-
bei werden dieſe in untereinander gleicher Menge und in ihrer Geſammtmenge
proportional der Elektricitätsmenge des influenzirenden Körpers erregt und der
influenzirende Körper verliert nichts an Elektricität. Werden influenzirender und
influenzirter Körper voneinander getrennt, ſo erſcheint letzterer unelektriſch, wenn
er ein Leiter, elektriſch, wenn er ein Iſolator iſt.


Aus der Thatſache, daß der Leiter durch bloße Annäherung an einen elek-
triſchen Körper gleichfalls elektriſch wird, ohne daß letzterer Elektricität verliert, bei
ſeiner Entfernung aber wieder unelektriſch erſcheint, folgt, daß beiderlei Elektricitäten
bereits vor der Influenzirung in dem Leiter vorhanden geweſen ſein müſſen. Daß ſie
aber vor der Influenzirung nicht beobachtet werden konnten, kann nur davon her-
rühren, daß ſie ſich in ihren Wirkungen nach außen gegenſeitig aufgehoben haben.
Hierfür ſpricht auch die Thatſache, daß durch Influenzwirkung immer beiderlei Elektri-
citäten in gleicher Menge erregt werden. In welcher Art und warum die Influenz-
wirkung auf Iſolatoren ſich anders zu äußern ſcheint wie auf Leiter, wurde bereits
erörtert.


Man ſtellt ſich daher den natürlichen Zuſtand der Körper ſo vor, daß man
annimmt, jeder Körper enthalte in allen ſeinen Theilen beiderlei Elek-
tricitäten in gleicher Menge und könne nach außen deshalb keine
Wirkung ausüben
(ſich elektriſch zeigen), weil gleich ſtarke, aber ungleich-
namige Elektricitäten ſich neutraliſiren
.


Die Erregung der Elektricität durch Influenz beſteht daher darin, daß der
elektriſche Körper die beiden Elektricitäten des ihm genäherten Körpers trennt, die
ihm gleichnamige Elektricität abſtößt und die ungleichnamige anzieht; letztere wird
daher an jener Stelle des genäherten Körpers auftreten, welche dem influenzirenden
Körper am nächſten iſt, erſtere an der entfernteſten Stelle.


Dieſe Erklärung der Influenzwirkung giebt uns auch die Möglichkeit an
die Hand, die elektriſchen Grunderſcheinungen überhaupt zu erklären. Betrachten wir
zunächſt das Verhalten elektriſcher und unelektriſcher Körper zueinander. Nach
obigen Auseinanderſetzungen muß jeder elektriſche Körper auf einen ihm genäherten
unelektriſchen Körper influenzirend einwirken, d. h. deſſen beide Elektricitäten trennen,
die negative Elektricität anziehen und die poſitive abſtoßen, wenn der elektriſche
Körper beiſpielsweiſe poſitiv elektriſch iſt. Nun treten drei Elektricitätsmengen in
gegenſeitige Wirkung: die poſitive des influenzirenden Körpers, die negative und
[86] die poſitive des influenzirten Körpers. Da aber die negative Influenz-Elektricität
dem poſitiv elektriſchen Körper näher iſt als die negative Influenz-Elektricität, ſo
wird die Anziehung zwiſchen den beiden erſtgenannten entgegengeſetzten Elektrici-
täten die Abſtoßung zwiſchen der poſitiven Elektricität des Körpers und der poſi-
tiven Influenz-Elektricität überwiegen und iſt der influenzirte Körper leicht genug,
ſo wird er von dem influenzirenden Körper angezogen werden.


Nun treten beide Körper miteinander in Berührung; jetzt gleichen ſich die
negative Influenz-Elektricität und eine gleich große Menge poſitiver Elektricität des
influenzirenden Körpers miteinander aus und es bleibt auf dem influenzirten Körper
nur mehr die Influenz-Elektricität zweiter Art, in unſerem Falle alſo die poſitive,
zurück. Der influenzirende Körper bleibt poſitiv elektriſch, hat aber an ſeiner Elek-
tricitätsmenge ſo viel verloren, als zur Neutraliſirung der negativen Influenz-
Elektricität erforderlich war. Es ſind alſo beide Körper poſitiv elektriſch und müſſen
ſich deshalb abſtoßen.


Mit dieſer Erklärung der Anziehung und Abſtoßung iſt aber auch gleichzeitig
die Mittheilung der Elektricität durch Leitung von einem zum anderen Körper
erklärt. Man erſieht daraus, daß auch die Elektricitätsleitung kein einfaches
Ueberfließen der Elektricität von einem zum andern Körper iſt, ſondern daß
vielmehr auch hier die Influenz zur Geltung kommt. An dem ſchließlichen
Reſultate wird dadurch allerdings nichts geändert; ein Theil der Elektricität
des einen Körpers neutraliſirt bei ſeiner Berührung mit dem zweiten Körper
einen gleich großen Theil entgegengeſetzter Influenz-Elektricität und macht dadurch
einen genau gleich großen Theil gleichnamiger Elektricität frei. Der erſte Körper
verliert ſomit eine eben ſo große Menge derſelben Art Elektricität als der zweite
Körper gewinnt, und dies konnte allerdings zu der Anſchauung Veranlaſſung geben,
als würde es ſich hierbei wirklich um ein Ueberfließen von einem zum andern
Körper handeln.


Daß ſich dieſe Vorgänge wirklich in der Weiſe abſpielen, kann auch durch
Experimente bewieſen werden. Leichte Körperchen, wie Papierſchnitzel, Federn und
dergleichen werden von einem elektriſirten Körper leichter angezogen, wenn ſie auf
einer leitenden Unterlage ruhen, als wenn ſie auf einem Iſolator liegen. Im
erſteren Falle kann nämlich die Influenz-Elektricität zweiter Art durch die Unter-
lage abfließen, es bleibt nur die Influenz-Elektricität erſter Art in den Körperchen;
dieſe als ungleichnamig mit der Elektricität des genäherten Körpers wird von
dieſer angezogen und erfährt keine Abſchwächung durch die gegenwirkende Kraft der
Influenz-Elektricität zweiter Art. Auch das Verhalten ſolcher Körper, welche über-
wiegende Längsdimenſionen haben, alſo z. B. Strohhalme, Fädchen u. ſ. w., ſpricht
für obige Auslegung. Derlei Körper ſtellen ſich nämlich, wenn ſie von einem elek-
triſirten Körper angezogen werden, immer derart, daß ihre Längsrichtung gegen
den Körper gerichtet iſt. In dieſer Lage kann nämlich die Influenz-Elektricität
erſter Art am weiteſten von der Influenz-Elektricität zweiter Art getrennt werden.


Die Behauptung, daß jeder Körper vor ſeiner Anziehung durch einen elek-
triſirten Körper gleichfalls elektriſirt wird und wir es daher überhaupt ausſchließlich
nur mit der Anziehung ungleichnamiger Elektricitäten zu thun haben, zieht die
Folgerung nach ſich, daß ein wirklich neutraler Körper von einem elektriſirten nicht
angezogen werden darf. Auch dies läßt ſich durch das Experiment entſcheiden, und
die Entſcheidung ſpricht gleichfalls zu Gunſten der Theorie. Das Experiment iſt
folgendes: Reibt man zwei Glasſcheiben heftig aneinander, ſo werden beide gleich
[87] ſtark, aber entgegengeſetzt elektriſch; man kann dies zeigen durch Verſuche mit dem
elektriſchen Pendel oder auf irgend eine andere Weiſe. Nun drückt man die beiden
Glasplatten mit ihren elektriſchen Flächen aneinander. Da das Glas ein Iſolator
iſt und die beiden Flächen ſich doch nur in verhältnißmäßig wenigen Punkten be-
rühren, findet kein Ausgleich der Elektricitäten ſtatt. Auch davon kann man ſich
überzeugen, indem man ſpäter die beiden Platten wieder trennt und auf ihren
elektriſchen Zuſtand neuerdings prüft. Hängt man aber ein Hollundermarkkügelchen
nahe an die zuſammengedrückten Glasplatten, und zwar in derſelben Höhe, in
welcher ſich ihre elektriſchen Flächen befinden, ſo üben ſie auf das Kügelchen gar
keine Wirkung aus. Die Elektricität der einen Platte und die gleich große, aber
entgegengeſetzte Elektricität der anderen Platte haben ſich alſo in ihrer Wirkung
nach außen wirklich neutraliſirt und zuſammen einen unelektriſchen Körper gegeben.


Auch das Verhalten zweier elektriſirter Körper gegeneinander iſt mit Zuhilfe-
nahme der Influenzerſcheinungen leicht einzuſehen. Hier ſind zunächſt zwei Fälle zu
unterſcheiden: die beiden Körper ſind gleichnamig elektriſch und die beiden Körper
ſind ungleichnamig elektriſch. Der erſte Fall iſt bereits erklärt bei jenem Stadium
der Anziehung, wo beide Körper zur Berührung gelangt ſind.1) Beim zweiten
Falle ſind wieder zwei Möglichkeiten gegeben: die beiden Körper beſitzen gleiche
Mengen Elektricität oder ihre Mengen ſind verſchieden.


Bringt man Körper, die ungleichnamige aber gleich große Mengen Elektricität
beſitzen, miteinander in Berührung, ſo vereinigen ſich beide Elektricitätsmengen,
neutraliſiren ſich und beide Körper werden in kürzerer oder längerer Zeit je nach
ihrer Leitungsfähigkeit unelektriſch.


Enthalten die beiden einander genäherten Körper ungleichnamige und ungleich
große Elektricitätsmengen, ſo ſind die gegenſeitigen Influenzwirkungen ebenfalls
ungleich groß; in Folge der Anziehung zur Berührung gebracht, heben ſich die
gleichen Mengen der ungleichnamigen Elektricitäten (ſowohl urſprüngliche als In-
fluenz-Elektricität) auf, immerhin bleibt aber noch ein Theil jener Elektricität übrig,
welche urſprünglich in größerer Menge vorhanden war, und dieſe Elektricität ver-
theilt ſich dann auf beide Körper, die ſich dann als gleichnamig elektriſch abſtoßen
werden.


Auch der Verſuch, bei welchem (Fig. 41, Seite 82) der Leiter a b mit
der Erde in Verbindung geſetzt wurde, läßt ſich nun einfach erklären. Im Leiter
a b wird durch die poſitiv elektriſche Kugel bei a negative und bei b poſitive
Elektricität influenzirt. Nähert man nun dem Leiter bei a einen zweiten Leiter, der
bedeutend größer iſt als a b, ſo wird die Kugel e natürlich auch auf dieſen
zweiten Leiter influenzirend einwirken; das gegen a gerichtete Ende iſt der Kugel e
am nächſten und erhält negative Elektricität. Dieſe wird jedoch kräftiger auf-
treten als die gleiche bei a, weil der zweite Leiter bedeutend größer iſt, und
[88] daher geſtattet, die beiden Elektricitäten viel weiter voneinander zu trennen. Nun
wirkt das negative Ende des zweiten Leiters influenzirend auf das negative Ende
des Leiters a b und erregt bei a poſitive Elektricität. Kommen jetzt beide Leiter
bei a zur Berührung, ſo wird dieſe poſitive Influenzelektricität durch einen Theil
der negativen Elektricität compenſirt und die negative Elektricität des Leiters a b
verſtärkt. Die poſitive Elektricität (Influenzelektricität zweiter Art) wird in das
entfernte Ende des zweiten großen Leiters abgeſtoßen. Iſt nun der zweite Leiter
unendlich groß, d. h. alſo, iſt der Leiter a b mit der Erde in Verbindung, ſo
wird die poſitive Elektricität in dieſe zurückgeſtoßen und verſchwindet für uns
wegen der Ausbreitung auf der ganzen Erdfläche. Der Leiter a b muß ſomit
ausſchließlich negativ elektriſch zurückbleiben.


Man glaubte früher, aus dem Umſtande, daß die Influenzelektricität erſter
Art nicht abgeleitet werden kann, dieſe als eine von der Reibungselektricität ver-
ſchiedene Elektricität auffaſſen zu müſſen und drückte dies mit der Bezeichnung
gebundene Elektricität aus. Man fand jedoch bald, daß hierfür kein zwin-
gender Grund vorliegt, daß vielmehr die Influenzelektricität ſich genau ebenſo
verhält, wie die Reibungselektricität. Die Nichtableitbarkeit der Influenzelektricität
erſter Art iſt nicht in ihrer eigenartigen Natur begründet, ſondern darin, daß ſie
durch eine gleich große, aber ungleichnamige Elektricitätsmenge in Folge der gegen-
ſeitigen Anziehung feſtgehalten wird. Sie wird ableitbar, ſobald die ſie feſſelnde
Kraft zu wirken aufhört. Die Influenzelektricität zeigt ſich aber auch in ihren
übrigen Eigenſchaften von der Reibungselektricität nicht verſchieden. Gleichnamige
Influenzelektricitäten ſtoßen ſich ab, ungleichnamige ziehen ſich an, wie ſchon das
Verhalten der Pendel am Vertheilungsapparate zeigt, und die Influenzelektricität iſt
auch im Stande, neuerdings influenzirend zu wirken, gerade ſo wie die Reibungs-
elektricität. Man hat deshalb die Bezeichnung „gebundene Elektricität“ aufgegeben
und nach einem Vorſchlage von Rieß die Ausdrücke Influenz-Elektricität erſter und
zweiter Art angenommen.


Die Potentialtheorie.

Sowohl Reibungs-Elektricität als auch Influenz-Elektricität werden, wie im
Vorhergehenden gezeigt wurde, in der Weiſe hervorgerufen, daß man die gleich
großen und gleichmäßig vertheilten Mengen poſitiver und negativer Elektricität
eines Körpers räumlich voneinander trennt. Bei der Elektricitäts-Erregung durch
Reibung iſt letztere die trennende Kraft, bei jener durch Influenz die Anziehungs-
und Abſtoßungskraft der Elektricität ſelbſt. Wir wollen nun die Wirkungsart der
letzteren etwas näher betrachten und zu dieſem Behufe den einfachſten Fall annehmen.
Es ſei, ohne die übrigen Körper des Weltraumes zu berückſichtigen, ein elektriſirter
Körper K und ein unendlich kleines elektriſches Theilchen t gegeben (Fig. 42).
Sind Körper und Theilchen gleichnamig elektriſch, ſo werden ſie ſich abſtoßen und
das Theilchen t, von welchem wir annehmen, daß es vollkommen frei beweglich ſei,
wird ſich von K immer weiter und weiter entfernen, alſo die Diſtanz zwiſchen ſich
und dem Körper in’s Unendliche vergrößern. Die Bewegung dieſes Theilchens wird
durch die von K ausgeübte Abſtoßungskraft bewirkt und dieſe leiſtet dadurch eine
beſtimmte Arbeit. Die Größe der Arbeit iſt hier, wie in jedem Falle, abhängig
von der Größe der Kraft, welche in Arbeit umgeſetzt wird, und von der Länge
des Weges, welchen das Theilchen t zurücklegt. Sie wird gemeſſen durch das
[89] Product von Kraft mal Weg, welchen das bewegte Theilchen in der Richtung der
Kraft zurückgelegt hat. Offenbar muß aber auch eine Arbeit geleiſtet werden, wenn
wir das Theilchen t aus der Unendlichkeit gegen den Körper K zurückführen wollen,
da hierbei die Abſtoßungskraft des Körpers K zu überwinden iſt. Dieſe Arbeit
hat ſtets eine ganz beſtimmte Größe, welche von der Entfernung des Theilchens t
vom Körper K in der Kraftrichtung des letzteren abhängen wird, da die Größe
der elektriſchen Kraft von der Entfernung abhängt. Es wird ſich daher die Größe
der Arbeit nicht ändern, wenn das Theilchen t ſtatt in der Kraftrichtung A C auf
dem Wege über B oder irgend welche andere Punkte nach C gebracht wird, da
nicht der Weg des Theilchens, ſondern nur die Entfernung desſelben in der
Kraftrichtung
die Größe der Arbeit in jedem Momente und jeder Lage während
der Bewegung des Theilchens t gegen K beſtimmt. Was für die Bewegung des
Theilchens t nach A oder B gilt, hat für jeden beliebigen Punkt des Raumes,
welcher K umgiebt, Geltung. Es iſt für jeden dieſer Punkte ſtets eine für dieſen
ganz beſtimmte Arbeit nothwendig, um das Theilchen t aus der Unendlichkeit zu
dieſem Punkte zu bringen. Dieſe Arbeit, welche die elektriſchen Kräfte von K in
einem beſtimmten Punkte des Raumes leiſten, nennt man das Potential der
genannten Kräfte in dieſem Punkte oder mit anderen Worten: Man verſteht
unter dem Poten-
tiale eines beſtimm-
ten Punktes jene
Arbeit, welche er-
forderlich iſt, um die
elektriſche Kraftein-
heit
(ein ſehr kleineselek-
triſches Theilchen) aus
unendlicher Entfer-
nung auf dieſen
Punkt zu bringen
.


Figure 42. Fig. 42.

Zur Potentialtheorie.


Da jeder Punkt, der ſich in beſtimmter Entfernung von dem elektriſchen
Körper befindet, auch ein beſtimmtes Potential beſitzt, ſo muß der Körper von
lauter concentriſchen Flächen gleichen Potentiales eingehüllt ſein, wenn man ſich
ſtets durch alle Punkte gleichen Potentiales Flächen gelegt denkt. Dieſe Flächen
gleichen Potentiales bezeichnet man mit dem Namen Niveauflächen. Auf dieſen
Flächen haben alſo alle Punkte das gleiche Potential, aber in den verſchiedenen
Flächen iſt auch das Potential ein verſchiedenes, und dieſes wird deſto kleiner, je
weiter die betreffende Niveaufläche von dem elektriſchen Körper abſteht. Die Geſtalt
der Niveauflächen iſt für jede Form des elektriſchen Körpers eine andere. Iſt z. B.
der Körper nach allen Richtungen ſymmetriſch, alſo beſitzt er die Form der Kugel
und befindet er ſich in einem vollkommen homogenen Medium, ſo werden auch die
Niveauflächen Kugelflächen ſein.


Von einem elektriſchen Körper werden dann gleichnamig elektriſche Theilchen
ſo abgeſtoßen, daß ſie von Niveauflächen hohen Potentiales zu Niveauflächen
immer niedriger werdenden Potentiales fortſchreiten. Jedes Theilchen wird unter
der ausſchließlichen Wirkung dieſes einen elektriſchen Körpers von einer zur nächſten
Niveaufläche auf dem kürzeſten Wege übergehen, alſo eine Bahn einſchlagen, die auf
beide Niveauflächen ſenkrecht ſteht, da dies der kürzeſte Weg iſt. Die Linien, welche
die abgeſtoßenen Theilchen beſchreiben, nennt man Kraftlinien. Dieſe ſind im
[90] Allgemeinen Curven, deren Geſtalt von der Form der Niveauflächen, ſomit auch
von jener des elektriſchen Körpers bedingt iſt. Folglich werden ſie gerade Linien
bilden, wenn der Körper die Kugelform beſitzt, und dann ſtrahlenförmig vom
Mittelpunkte der Kugel nach allen Richtungen hin ausgehen. Analoge Kraftlinien
haben wir bereits im Abſchnitte über Magnetismus kennen gelernt, für welchen
dieſe Betrachtungen eben ſo gut Anwendung finden können, wenn man an Stelle
der elektriſchen Kräfte magnetiſche ſetzt. Es ſind dies die Curven, in welchen ſich
feine Eiſenfeilſpäne über den Polen eines Hufeiſenmagnetes anordnen (Seite 44,
Fig. 20). In dieſem Falle iſt die Geſtalt der Curven oder der Verlauf der
Kraftlinien durch die Doppelwirkung zweier entgegengeſetzter magnetiſcher Pole be-
dingt. Die an der angegebenen Stelle abgebildeten magnetiſchen Curven zeigen uns
die magnetiſchen Kraftlinien natürlich nur in einer Ebene; in Wirklichkeit aber
verlaufen die Kraftlinien in ähnlicher Weiſe in allen durch die beiden Magnetpole
gelegten Ebenen. Der von dieſen Kraftlinien oder, wenn man will, der von den
darauf ſenkrecht ſtehenden Niveauflächen ausgefüllte Raum heißt ein magnetiſches
Feld
. Kehren wir wieder zur Elektricität zurück, ſo brauchen wir, um ganz ana-
loge Verhältniſſe zu finden, blos die beiden Magnetpole durch zwei ungleichnamig
elektriſirte Körper zu erſetzen. Der von dieſen beherrſchte Raum heißt dann ein
elektriſches Feld. Wie ſich dieſe Verhältniſſe geſtalten, wenn nur ein magnetiſcher
Pol, beziehungsweiſe nur ein elektriſirter Körper vorhanden iſt, bedarf wohl keiner
beſonderen Erläuterung mehr. Eine Verſinnlichung der Kraftlinien, der Niveau-
flächen und des Feldes geſtattet die auf Seite 38 dargeſtellte Fig. 14.


Noch eines gegenwärtig häufig gebrauchten Ausdruckes haben wir zu gedenken,
bevor wir dieſe theoretiſchen Betrachtungen abſchließen; es iſt dies die Frage, was
man unter dem Potentialgefälle zu verſtehen habe. Zwei verſchiedene Niveau-
flächen beſitzen verſchiedene Potentiale; zwiſchen beiden muß daher eine Differenz
der Potentiale oder eine Potential-Differenz herrſchen. Betrachtet man nun
die Wirkung zwiſchen zwei ſehr nahe aneinander liegenden Niveauflächen oder
Potentiale, ſo nennt man dieſe das Potentialgefälle. An Stelle des Ausdruckes
Potentialgefälle kann man auch das Wort Spannung ſetzen.


Letzteres dürfte durch folgenden Vergleich vollkommen verſtändlich werden:
Von einem hochgelegenen Behälter fließt Waſſer in immer tiefer gelegene. In jedem
Behälter repräſentirt das Waſſer eine beſtimmte Arbeitskraft, die beim Ausfließen
des Waſſers durch Treiben eines Rades ꝛc. ausgenutzt werden kann. Es iſt an ſich
klar, daß das Waſſer des oberſten Behälters den größten, das des unterſten den
kleinſten Arbeitswerth darſtellt, da dasſelbe beim Ausfließen aus dem oberſten
Behälter die größte, beim Ausfließen aus dem unterſten Behälter die geringſte
Höhe durchfallen muß. Dieſe in der Reihe der Waſſerbehälter von oben nach unten
ſtets abnehmenden Druckhöhen des Waſſers ſtellen uns die Potentiale vor, der
Unterſchied der Höhen zweier Behälter ihre Potential-Differenz und die Aenderung
der Höhe während des Ueberfließens von Waſſer aus einem Behälter in den
nächſten das Potentialgefälle.


Sitz und Vertheilung der Elektricität.

Die Betrachtung der Niveauflächen lehrte, daß jedes frei bewegliche, poſitiv
elektriſche Theilchen ſich ſtets von Flächen hohen Potentiales zu ſolchen niedrigeren
Potentiales bewegt, und daß es dieſe Bewegung ſo lange fortſetzt, als es das
[91] Medium, in welchem es ſich bewegt, geſtattet. Aus dieſem theoretiſchen Satze läßt
ſich unmittelbar, d. h. ohne Zuhilfenahme eines Experimentes, ein Schluß auf den
Sitz der Elektricität in einem elektriſirten Körper ziehen. Theilt man nämlich einem
Körper, der ein Elektricitätsleiter iſt, eine gewiſſe Menge Elektricität mit, ſo ſtoßen
ſich die elektriſchen Theilchen gegenſeitig ab und müſſen ſich derart bewegen, daß ſie
ſtets von Stellen hohen Potentiales zu ſolchen niedrigeren Potentiales kommen. Die
Theilchen müſſen ſich daher möglichſt weit voneinander zu entfernen trachten und
ſich ſo lange fortbewegen, bis ihrer Fortbewegung ein Hinderniß in den Weg
kommt. Im Leiter ſelbſt bewegt ſich aber die Elektricität, wie wir wiſſen, ſehr
ſchnell und nach allen Richtungen hin, folglich kann jene Grenze, an welcher die
Theilchen auf einen Widerſtand ſtoßen, der ihre Fortbewegung hemmt, nur die
Oberfläche des Leiters bilden, weil dieſe von einem ſchlechten Leiter, der Luft,
umgeben iſt. Der Sitz der Elektricität auf einem iſolirten Leiter kann alſo nur auf
deſſen Oberfläche ſein. Die Oberfläche ſelbſt muß aber dann auch eine Fläche
gleichen Potentiales ſein, ſobald Gleichgewicht herrſchen ſoll; wäre dies nicht der
Fall, ſo müßte auf der Oberfläche eine Bewegung der Theilchen von Stellen
höheren zu Stellen niederen Potentiales eintreten, und dieſe Bewegung müßte doch
wieder mit der Herſtellung gleichen Potentiales auf der ganzen Oberfläche enden.
Wir haben alſo den Satz: Befindet ſich die Elektricität auf einem Leiter
im Gleichgewichte, ſo beſitzt jede Stelle des Leiters das gleiche Poten-
tial und der Sitz der Elektricität iſt nur an der Oberfläche des
Leiters
.


Dieſes auf theoretiſchem Wege erſchloſſene Verhalten der Elektricität auf
Leitern läßt ſich aber auch experimentell nachweiſen und der in dieſer Art bei-
gebrachte Nachweis bildet gleichzeitig eine Stütze für die Richtigkeit der Theorie.
Der einfachſte Apparat, der dem in Rede ſtehenden Zwecke dienen kann, iſt in
Fig. 43 dargeſtellt. Eine Meſſingkugel A iſt durch eine Glasſäule und einen
hölzernen Fuß iſolirt aufgeſtellt. Ueber die Kugel A können zwei gleichfalls aus
Meſſing gefertigte Halbkugeln B und C derart geſtülpt werden, daß ſie die Kugel A
genau umſchließen. Die beiden Halbkugeln ſind mit iſolirenden Handgriffen verſehen.
Setzt man dieſe beiden Halbkugeln auf die Kugel A auf und elektriſirt das ganze
Syſtem, ſo erſcheint nach Wiederentfernung der Halbkugeln die Kugel A ganz
unelektriſch, während die Halbkugeln elektriſch bleiben. Der Verſuch kann auch in
der Weiſe angeſtellt werden, daß man zuerſt die Kugel A elektriſirt und dann die
beiden Halbkugeln aufſetzt: dieſe werden dann alsbald elektriſch und laſſen nach
ihrer neuerdings erfolgten Entfernung von der Kugel A letztere abermals unelek-
triſch zurück.


Man kann auch mit Hilfe der Torſionswage zeigen, daß der Sitz der
Elektricität nur an der Oberfläche der Körper iſt und daß die Maſſe keinen Ein-
fluß ausübt. Man bedient ſich hierzu zweier Kugeln von genau gleicher Größe,
deren eine maſſiv und in ihrer ganzen Maſſe aus gut leitendem Materiale (z. B.
Meſſing) verfertigt iſt, indes die zweite nur eine leitende Oberfläche beſitzt. Die
letzterwähnte Kugel kann alſo eine Meſſinghohlkugel oder eine vergoldete Holz- oder
Hollundermarkkugel ſein. Beide Kugeln müſſen aber dieſelbe Größe beſitzen, wie die
Standkugel der Torſionswage. Wird nun dieſe elektriſirt, während die Kugel des
Wagebalkens mit ihr in Berührung ſteht, ſo theilt ſie der letzteren gleichnamige
Elektricität mit, die beiden Kugeln ſtoßen ſich ab, und der Wagebalken ſchließt mit
ſeiner urſprünglichen Gleichgewichtslage einen gewiſſen Winkel ein. Berührt man
[92] hierauf die Standkugel mit der maſſiven Hohlkugel, ſo nimmt dieſe der Standkugel
die Hälfte ihrer Elektricität weg, und der Ausſchlagwinkel des Wagebalkens ver-
mindert ſich dementſprechend. Berührt man die Standkugel nicht mit der maſſiven,
ſondern mit der gleich großen Hohlkugel, ſo vermindert ſich der Ausſchlagwinkel
genau um denſelben Betrag.


Der experimentelle Nachweis für die Richtigkeit der zwiſchen Elektricität und
Körperoberfläche herrſchenden Beziehung wurde noch in mannigfacher Art geführt;
eines dieſer Experimente ſoll hier noch gedacht werden. Faraday ließ ſich ein großes
Holzgerüſte in Form eines Würfels herſtellen, verband die Kanten desſelben durch
Netze aus Kupferdraht und überklebte ſeine Flächen mit Papier und darüber mit
Stanniol. Die in ſolcher Weiſe verfertigte Kammer mit gut leitenden Wänden
wurde in einen großen Saal geſtellt, und Faraday begab ſich, mit einem empfind-
lichen Elektroſkope in der Hand, in das Innere der Kammer. Sodann ließ er
letztere ſo ſtark als möglich elektriſiren und unterſuchte mit Hilfe des Elektroſkopes
den elektriſchen Zuſtand im Innenraume. Es gelang ihm an keiner Stelle auch

Figure 43. Fig. 43.

Sitz der Elektricität.


nur eine Spur von Elektrici-
tät nachzuweiſen.


Die Potentialtheorie
ließ uns erkennen, daß der
Sitz der Elektricität an der
Oberfläche der Körper ſei und
die Experimente beſtätigten die
aus der Theorie abgeleitete
Folgerung. Die Theorie läßt
uns aber auch die Art der
Vertheilung der Elektricität
auf der Oberfläche ſelbſt er-
kennen. Soll ſich die Elek-
tricität auf einem Leiter im
Gleichgewichte befinden, ſo
muß, wie früher gezeigt wurde,
an allen Punkten der Oberfläche
dasſelbe Potential herrſchen, d. h. die Oberfläche muß eine Niveaufläche ſein.
Sämmtliche elektriſche Theilchen haben dann das Beſtreben, in Richtungen, die
ſenkrecht auf die Oberfläche des Körpers ſtehen, dieſen zu verlaſſen und werden
daran nur durch die ſchlechte Leitungsfähigkeit des umgebenden Mediums, z. B. der
Luft, gehindert. Sobald dieſe Gegenkraft (der Leitungswiderſtand des Mediums)
kleiner wird als das Potentiale auf der Oberfläche, geht Elektricität in das Medium
über. Da das Potentiale einer gegebenen Elektricitätsmenge von der Vertheilung
derſelben im Raume abhängt und ſich augenblicklich ändert, wenn die Vertheilung
eine andere wird, ſo muß offenbar bei einer gegebenen Niveaufläche, wie dies die
Oberfläche eines Leiters iſt, die Vertheilung eine ganz beſtimmte ſein. Im All-
gemeinen kann daher die Vertheilung der Elektricität auf einem Leiter von irgend-
welcher Oberfläche keine gleichförmige ſein; der Leiter muß an einer Stelle ſeiner
Oberfläche eine größere, an der andern Stelle eine geringere Anzahl elektriſcher
Theilchen haben, oder, mit anderen Worten, die Dichte der Elektricität muß an
verſchiedenen Stellen auch eine verſchiedene ſein. Man kann die Vertheilung der
Elektricität auf der Oberfläche eines Körpers ausrechnen, doch gelingt dies ſelbſt
[93] dann, wenn die Oberfläche die einfachſten geometriſchen Formen beſitzt, nur durch
ziemlich ſchwierige Rechnungen, während bei complicirter geformter Oberfläche
unſere mathematiſchen Hilfsmittel überhaupt nicht mehr ausreichen. Wir wollen
daher verſuchen, dieſe Verhältniſſe auf graphiſchem Wege dem Verſtändniſſe näher-
zurücken, und das Streben nach Vereinfachung möge die ſinnliche und rohe Dar-
ſtellung entſchuldigen.


Fig. 44 ſtellt einen Leiter dar, deſſen Oberfläche im Raume A B C D
cylindriſch, im Raume B a D coniſch geformt iſt. Die oberſte Schichte elektriſcher
Theilchen iſt durch a b c d .... angedeutet. Nehmen wir zunächſt an, die Ver-
theilung der Elektricität wäre auf der ganzen Oberfläche des Leiters eine gleich-
förmige, wie dies auch durch die gleich weit voneinander abſtehenden elektriſchen
Theilchen dargeſtellt iſt, und betrachten wir nun das Verhalten irgend eines
Theilchens gegen ſeine Nachbartheilchen. Das Theilchen a wird von dem Theilchen
b in der Richtung b f abgeſtoßen, vom Theilchen c in der Richtung c e; die
Wirkungen der Theilchen d und e auf a können wegen ihrer großen Entfernung

Figure 44. Fig. 44.

Elektricitätsvertheilung auf der Körperoberfläche.


vernachläſſigt werden. Stellen a e und a f die Größen und Richtungen der von c
und b auf a ausgeübten Kräfte dar, ſo kann die Reſultirende dieſer beiden Kräfte
bekanntlich leicht gefunden werden, indem man das Kräfteparallelogramm a e r1 f
conſtruirt; die Diagonale a r1 iſt dann die geſuchte Reſultirende. Sucht man
dann in derſelben Weiſe für das Theilchen c, das nächſte an a, die Reſultirende
der beiden Kräfte, welche a und d auf c geltend machen, ſo erhält man die
Linie c r2; die Reſultirende für das Theilchen d iſt d r3 u. ſ. w. Man erſieht
hieraus, daß die Reſultirenden immer kleiner werden, je weiter man ſich von a
in der Richtung über c und d nach C D entfernt. Die Theilchen auf der Strecke
D C haben dann Reſultirende gleich Null, d. h. die gegenſeitigen Wirkungen der
Theilchen aufeinander heben ſich auf; derſelbe Verlauf ergiebt ſich auch für den
oberen Theil der Begrenzung a b B A.


Es werden daher alle Theilchen auf A B oder C D ſich im Gleichgewichte
befinden, wenn ſie nach der urſprünglichen Vorausſetzung in gleicher Entfernung
voneinander angeordnet ſind. Die Theilchen auf der Curve B a D ſind jedoch
nicht im Gleichgewichte und die ſie zu bewegen ſuchenden Reſultirenden werden deſto
größer, je näher die Theilchen an a liegen. Der Grund für dieſes Anwachſen
[94] der Reſultirenden iſt aus der Zeichnung leicht zu erkennen, er liegt offenbar in
der immer mehr zunehmenden Krümmung der Curve, denn hierdurch wird der
Winkel, den je zwei auf ein Theilchen einwirkende Kräfte einſchließen, immer
kleiner, folglich die Diagonale des betreffenden Kräfteparallelogrammes immer
größer.


Wir erſehen daraus, daß auf einem Leiter von der Form, wie ihn die
Fig. 44 darſtellt, die elektriſchen Theilchen ſich nicht überall im Gleichgewichte
befinden können, wenn ſie, wie anfangs vorausgeſetzt wurde, über den ganzen
Leiter ohne Berückſichtigung ſeiner Form gleichmäßig vertheilt ſind. Wir haben
auch früher bereits gehört, daß allen Theilchen das Beſtreben innewohnt, ſich in
Richtungen, die ſenkrecht auf die betreffenden Stellen der Leiterfläche ſtehen, von
dieſer zu entfernen. Nun ſehen wir, daß ohne Berückſichtigung des letzterwähnten
Beſtrebens der Theilchen für dieſe an vielen Stellen unſeres Leiters noch auf
eine zweite Art Reſultirende zu Stande kommen, die gleichfalls das Beſtreben
haben, die Theilchen von der Oberfläche zu entfernen. Daraus folgt, daß die
Theilchen deſto eher ſich vom Leiter entfernen werden, je ſtärker die Krümmung
jener Stelle des Leiters iſt, an welcher ſie ſich befinden. Bei einer beſtimmten
Ladung des Leiters wird daher ein Theilchen in a den Widerſtand des um-
gebenden Mediums überwinden können und ſich von ihm entfernen, während ein
Theilchen bei A noch feſtgehalten wird; das von a entwichene Theilchen wird
durch ein anderes erſetzt werden, da ſich die Elektricität auf einem guten Leiter
ſtets über die ganze Oberfläche verbreitet. Dieſe iſt alſo bei der angenommenen
Vertheilung der Elektricität keine Fläche gleichen Potentiales, keine Niveaufläche.
Wir erſehen aus dem eben auseinandergeſetzten Verhalten der Theilchen vielmehr,
daß auf einem Leiter mit einer Oberfläche verſchiedener Krümmung die elektriſchen
Theilchen ſich von den Stellen geringer zu jener ſtarker Krümmung bewegen
und daher, ſo lange ſie nicht den Widerſtand des umgebenden Mittels (z. B. der
Luft) überwinden können, ſich an dieſen Stellen anhäufen müſſen. Die Dichte der
Elektricität — denn darunter verſtehen wir ja die Menge auf der Flächeneinheit
— wird alſo deſto größer ſein, je ſtärker die betreffende Stelle des Leiters ge-
krümmt iſt.


In welcher Weiſe die Dichte der Elektricität mit der Krümmung des Leiters
zunimmt, wird in Fig. 44 durch die Curve r1 r2 r3 ..... angedeutet. Aus dieſer
erſieht man auch, daß im cylindriſchen Theile des Leiters bei A B und C D überall
dieſelbe Dichte herrſcht. Die Figur ſtellt in ihrem mittleren Theile aber nur die
Vertheilung der Elektricität in der Längsrichtung des Leiters dar. Daß ſich die
Vertheilung in einem Querſchnitte von Punkt zu Punkt gleich bleibt, iſt leicht
einzuſehen, da die Querſchnitte als Kreiſe Curven ſind, die an jeder Stelle dieſelbe
Krümmung beſitzen. Die Schnitte nach X Y und x y zeigen auch durch die Kreiſe
R R und r3 r5 beiläufig die Dichte der Elektricität; an einem und demſelben
Querſchnitte bleibt ſie gleich, von Querſchnitt zu Querſchnitt wächſt ſie aber deſto
mehr, je größer die Krümmung jenes Theiles des Leiters iſt, welchem der Quer-
ſchnitt entnommen wurde.


Wir kennen nur einen Körper, welcher nach allen Richtungen hin gleiche
Krümmungen beſitzt, bei welchem jeder Schnitt eine Kreisfläche iſt, nämlich die
Kugel; auf dieſer wird daher die Vertheilung der Elektricität eine vollkommen
gleichmäßige oder die Dichte an allen Stellen dieſelbe ſein. Auf allen übrigen
Körpern aber vertheilt ſich die Elektricität ungleichmäßig; bei einem Ellipſoide
[95] beſitzt ſie ihre größte Dichte an den Scheiteln, bei Cylindern, die durch Halb-
kugeln abgeſchloſſen ſind, an dieſen u. ſ. w.


Die Vertheilung der Elektricität kann auch experimentell beſtimmt werden;
man bedient ſich hierzu der Prüfungskörper. Dieſe ſind kleine Kugeln oder
Scheibchen aus Goldpapier, welche an iſolirenden Stielen befeſtigt ſind. Berührt
man nämlich einen elektriſirten Körper an einer Stelle mit einem ſolchen Prü-
fungskörper, der im Verhältniſſe zum elektriſirten Körper ſehr klein iſt, ſo nimmt
der Prüfungskörper gleichnamige Elektricität von dem elektriſirten Körper auf,
ohne deſſen elektriſchen Zuſtand wahrnehmbar zu verändern. Hierbei erfolgt die
Aufnahme der Elektricität durch den Prüfungskörper genau in demſelben Ver-
hältniſſe als die Dichte der Elektricität an den berührten Stellen zunimmt; man
kann ſich davon durch Verſuche leicht überzeugen. Unterſucht man nun mit dieſen
Prüfungskörpern, die man nach jeder Berührung mit dem zu prüfenden Körper
in die Torſionswage an Stelle der Standkugel bringt, die Körper an verſchie-
denen Stellen, ſo findet man in der That jene Vertheilung der Elektricität, welche
uns die theoretiſche Betrachtung gelehrt hat.


Die Spitzenwirkung.

Die Theorie giebt aber auch noch nach anderen Richtungen hin intereſſante
Aufſchlüſſe. Wir haben geſehen, daß die Dichte der Elektricität bei einer beſtimmten
Ladung eines Leiters von der Krümmung der Oberfläche abhängt und dort am
größten iſt, wo die Krümmung am ſtärkſten wird, oder, wie man ſich gewöhnlich aus-
zudrücken pflegt, wo der Krümmungsradius am kleinſten iſt. Man kann ſich
nämlich jede gekrümmte Oberfläche aus Flächenelementen zuſammengeſetzt denken,
welche je nach ihrer ſtärkeren oder ſchwächeren Krümmung Kugeln von kleineren
oder größeren Radien entnommen ſind. Man kann deshalb auch ſagen,
eine ebene Fläche iſt ein Stück der Oberfläche einer Kugel, deren Halbmeſſer
unendlich groß iſt, und eine Spitze iſt die Oberfläche einer Kugel, deren Halb-
meſſer unendlich klein iſt. Zwiſchen dieſen beiden Werthen liegen die Krüm-
mungsradien ſämmtlicher Flächen. Verbindet man daher irgend einen Leiter mit der
Erde und ertheilt dem Leiter eine beliebige elektriſche Ladung, ſo kann dieſer Leiter,
wie wir ſchon früher aus anderen Gründen erkannt haben, nie elektriſch bleiben.
Die Erde hat im Vergleiche zu jedem herſtellbaren Leiter immer eine Oberfläche,
deren Krümmungsradius als unendlich groß angenommen werden muß; dieſem
unendlich großen Krümmungsradius entſpricht aber eine unendlich kleine Dichte,
d. h. die Erde iſt unelektriſch, und da der Körper mit ihr in leitender Ver-
bindung ſteht, kann auch dieſer keine freie Elektricität bewahren, wie viel Elek-
tricität ihm auch immer mitgetheilt werden mag.


Bringt man an einem Leiter eine Spitze an, ſo entſpricht dieſem Theile der
Leiteroberfläche ein unendlich kleiner Krümmungsradius, oder, da wir doch keine
mathematiſchen Spitzen anfertigen können, ein ſehr kleiner Krümmungsradius. Die
Dichte der Elektricität an ſolchen Spitzen muß daher immer, wie groß oder klein
auch die elektriſche Ladung des Leiters ſei, immer außerordentlich groß ſein. Dieſem
Verhalten der Spitzen ſind die Erſcheinungen zuzuſchreiben, welche man unter der
Bezeichnung Spitzenwirkungen zuſammenfaßt.


Jeder elektriſirte Körper verliert, wenn er ſich ſelbſt überlaſſen bleibt, nach
kürzerer oder längerer Zeit ſeine Ladung. Die Verluſte ſetzen ſich aus der bereits
[96] beſprochenen Zerſtreuung und dem Stützenverluſte zuſammen. Hierzu kommt jedoch
noch eine andere Art des Verluſtes. Wir haben oben (S. 92 u. f.) geſehen, daß
alle elektriſchen Theilchen an der Oberfläche eines Leiters das Beſtreben zeigen,
ſich von dem Leiter zu entfernen, und daß ſie daran nur durch den Widerſtand,
welchen das umgebende Medium, alſo gewöhnlich die Luft, ihrer Entfernung vom
Leiter entgegenſetzt, auf dieſem zurückgehalten werden. Wird jedoch die Dichte der
Elektricität auf dem Leiter ſo groß, daß ſie den Widerſtand der Luft überwinden
kann, ſo iſt der Leiter nicht mehr im Stande, weiterhin Elektricität aufzunehmen,
ſondern die ihm dann noch zugeführte Elektricität ſtrömt in die Luft aus. Im
Dunkeln beobachtet man hierbei, daß der Uebertritt der Elektricität von dem Leiter
in die Luft unter Lichtentwicklung ſtattfindet. Die auf die Elektricität wirkende
Kraft, welche ſie vom Leiter zu entfernen ſtrebt, nennt man die Spannung.
Die Spannung wächſt aber mit der Dichte der Elektricität (im quadratiſchen
Verhältniſſe) und dieſe iſt deſto größer, je kleiner der Krümmungsradius der be-
treffenden Stelle der Leiteroberfläche iſt (vergl. Fig. 44). Die Spannung wird

Figure 45. Fig. 45.

Elektriſches Flugrädchen.


deshalb an jenen Stellen eines Leiters
am leichteſten den Widerſtand durch
die Luft überwinden können, welche
am ſtärkſten gekrümmt ſind. Die Krüm-
mung einer Spitze entſpricht aber einem
außerordentlich kleinen Krümmungs-
radius, weshalb die Dichte der Elek-
tricität und mit ihr die Spannung außer-
ordentlich groß ſein muß. Dies hat
zur Folge, daß bei einem elektriſirten
Körper, der mit einer Spitze verſehen
iſt, durch dieſe die Elektricität aus-
ſtrömen muß, ſelbſt auch dann, wenn
die dem Körper mitgetheilte Elektricitäts-
menge eine ſehr kleine iſt. Könnten wir
einen Körper mit einer mathematiſchen Spitze verſehen, ſo müßte es ganz un-
möglich ſein, auf dem Körper irgendwelche Elektricitätsmenge zu erhalten. Bei der
Anwendung ſolcher Spitzen, wie wir ſie herzuſtellen im Stande ſind, wird aber
der damit verſehene Körper ſo viel Elektricität behalten können, daß die Span-
nung an der Spitze noch nicht im Stande iſt, Elektricität an die Luft abzugeben.
Natürlich wird dieſe zurückbleibende Elektricität bei einer ſehr ſcharfen Spitze eine
ſo geringe ſein, daß man ſie in der Regel vernachläſſigen kann.


Die Ausſtrömung der Elektricität in Folge ihrer Spannung iſt ſtets mit
dem Auftreten eines Luftſtromes, des elektriſchen Windes, verbunden, der in
der Richtung von der Ausſtrömungsſtelle weg bläſt; bei entſprechender Spannung
kann der elektriſche Wind ſo ſtark werden, daß er Lichtflammen auszulöſchen im
Stande iſt. Das Auftreten des elektriſchen Windes, alſo das Wegſchleudern der
elektriſirten Lufttheilchen, kann auch durch das elektriſche Flugrädchen (Fig. 45)
gezeigt werden. Dasſelbe beſteht aus S-förmig gekrümmten Metallblättchen oder
Drähten, die an ihren Enden zugeſpitzt ſind und ſich auf einer verticalen Axe
leicht drehen können. Mit letzterer ſetzt man das Flugrädchen auf den Conductor
einer Elektriſirmaſchine auf. Sobald die Elektricität auf dem Conductor und ſomit
auch auf dem mit ihm in leitender Verbindung ſtehenden Flugrädchen eine gewiſſe
[97] Spannung erreicht hat, ſtrömt die Elektricität aus den Spitzen heftig aus und
ſtößt die Lufttheilchen in der Richtung der Spitzen zurück. Das Rädchen ſelbſt
bewegt ſich dann in Folge der Reactionswirkung in entgegengeſetzter Richtung,
was durch die Pfeile angedeutet iſt.


Für die Wirkung einer Spitze iſt es nicht gleichgiltig, an welcher Stelle
des Leiters ſie angeſetzt wird. Sie wird z. B. kräftiger wirken, wenn man ſie
bei a (Fig. 44, S. 93) anſetzt, als wenn ſie auf der Strecke A B ihre Baſis
hat, weil an der erſterwähnten Stelle des Leiters die Dichte ſchon an und für
ſich eine größere iſt, als an der letzterwähnten. Im erhöhten Maße macht ſich
aber der Einfluß der Stellung geltend, wenn Influenzerſcheinungen auftreten.


In Fig. 46 ſtellt K eine elektriſirte Kugel dar, welche iſolirt aufgeſtellt iſt;
bringt man in ihre Nähe den gleichfalls iſolirten Meſſingcylinder a b, ſo wird
auf dieſem bekanntlich bei a Influenzelektricität erſter Art, bei b Influenzelektricität

Figure 46. Fig. 46.

Wirkung der Spitze bei Influenz-Erſcheinungen.


zweiter Art influenzirt. Setzt man nun auf das Ende bei b eine Spitze, ſo erhält
auch dieſe Influenzelektricität zweiter Art; dieſe Influenzelektricität wird daher
durch die Spitze ausſtrömen und hierin noch durch die von der Elektricität auf
die Kugel ausgeübte Abſtoßung unterſtützt werden. Entfernt man dann die
Kugel K von dem Cylinder a b, ſo bleibt letzterer mit Influenzelektricität erſter
Art geladen zurück. Die Spitze bewirkt alſo bei dieſer Anordnung des Verſuches
eine Ladung des genäherten Leiters mit Influenzelektricität erſter Art.


Aendert man aber den Verſuch derart ab, daß man die Spitze nicht bei
b, ſondern an dem der Kugel zugewandten Ende a des Cylinders anſetzt, ſo
treten folgende Erſcheinungen auf: Die (z. B. +) elektriſche Kugel erregt wieder
bei a Influenzelektricität erſter Art (—) und bei b Influenzelektricität zweiter Art
(+). Die Spitze bei a erhält Influenzelektricität erſter Art (—) und veranlaßt
das Ausſtrömen dieſer (—) Elektricität. Nach Entfernung der Kugel K bleibt
der Cylinder mit Influenzelektricität zweiter Art (+) geladen zurück. Dabei zeigt
ſich aber die merkwürdige Thatſache, daß die Kugel K in ihrer (+) Elektricitäts-
Urbanitzky: Elektricität. 7
[98] menge eine Verminderung erlitten hat, und zwar beiläufig um denſelben Be-
trag, welchen die Influenzelektricität zweiter Art (+) auf dem Cylinder aus-
macht. Wir wiſſen, daß unter gewiſſen Verhältniſſen ein Körper durch Ausübung
einer Influenzwirkung an ſeiner Elektricitätsmenge nichts verliert. Wie haben wir
uns daher in dieſem Falle den Elektricitätsverluſt zu erklären? In Folge der
großen Dichte der Influenzelektricität erſter Art (—) auf der Spitze bei a
ſtrömt dieſe Elektricität hier aus, bewirkt aber hierdurch auch eine andere Ver-
theilung der (+) Elektricität auf der Kugel. Auf dem der Spitze gegenüberliegen-
den Punkte der Kugel wird nämlich die Dichte der (+) Elektricität ſo geſteigert,
daß auch hier ein Ausſtrömen eintritt. Dazu kommt noch folgender Umſtand: das
Ausſtrömen der (—) Elektricität aus der Spitze iſt von dem elektriſchen Winde
begleitet, d. h. die (—) elektriſchen Lufttheilchen werden von der Spitze weg gegen
die Kugel getrieben. Auf dieſer geben ſie natürlich ihre (—) Influenzelektricität erſter
Art ab und neutraliſiren dadurch einen Theil der auf der Kugel vorhandenen
(+) Elektricität.


Ohne dieſe internen Vorgänge zu kennen, würde man zu der Meinung
gelangen müſſen, daß die bei a angebrachte Spitze die Elektricität aus der Kugel
in den Cylinder hinübergeſaugt habe. Man bezeichnet daher dieſe Erſcheinung
als Saugwirkung der Spitzen. Aus der obigen Erklärung der Spitzenwirkung
ergiebt ſich auch, daß dieſe ſcheinbare Saugwirkung ſo lange ſtattfinden wird, als
die Dichte des ihr gegenüber befindlichen elektriſchen Körpers groß genug bleibt,
um ein Ausſtrömen von Elektricität an der Spitze hervorzurufen.


Die Saugwirkung zeigt ſich in eclatanter Weiſe, wenn man eine im Uebrigen
iſolirt aufgeſtellte Spitze mit der Erde in leitende Verbindung ſetzt und der
Spitze einen elektriſirten Körper nahe bringt; es ſinkt dann die Dichte auf dem
elektriſirten Körper augenblicklich auf eine ganz minimale Größe herab und läßt
ſich nicht mehr vergrößern, wie viel Elektricität man auch dem Körper neuerdings
zuführen will.


Wird der (z. B. +) elektriſche Körper mit einer Spitze verſehen, und nähert
man ihm nun in der Richtung gegen die Spitze einen unelektriſchen Körper, ſo
wird letzterer mit Influenzelektricität zweiter Art (+) geladen; es ſtrömt nämlich,
durch die große Dichte der (+) Elektricität auf der Spitze bewirkt, Influenz-
elektricität erſter Art (—) von dem genäherten Körper aus, und außerdem neu-
traliſiren die von der Spitze auf den Körper geſchleuderten (+) elektriſchen Luft-
theilchen einen entſprechenden Theil der Influenzelektricität erſter Art (—) auf dem
genäherten Körper.


Die Spitzenwirkung iſt eine ſehr wichtige Erſcheinung und daher bei
Conſtruction von Apparaten zu elektriſchen Verſuchen wohl zu beachten. Dieſe
Wirkungen treten aber nicht nur bei Spitzen auf, ſondern auch, wenngleich in
geringerem Maße, bei ſcharfen Kanten. Dieſe können wir nämlich, wenn wir die für
die Spitzen angenommene Auffaſſung beibehalten, als Flächen bezeichnen, deren
Krümmungsradius nach einer Richtung hin außerordentlich klein iſt.


Auch glimmende oder brennende Körper zeigen, wenn ſie aus leitenden Sub-
ſtanzen beſtehen oder wenn die Flamme durch leitende Gaſe erhalten wird, die an
Spitzen beobachteten Erſcheinungen. Ihre Wirkung iſt den beim Glimmen ſich
bildenden Spitzen oder der Flammenſpitze und dem [aufſteigenden] Gasſtrome zu-
zuſchreiben. Die Bildung dieſer Spitzen ſcheint ſogar viel vollkommener vor ſich
zu gehen, als die der künſtlich verfertigten Spitzen, da ihre Wirkung eine kräftigere
[99] iſt. Es iſt daher auch ein häufig angewandtes Mittel, Körper, namentlich wenn
ſie nicht leitend ſind, dadurch unelektriſch zu machen, daß man ſie einigemale durch
eine Gasflamme führt.


Apparate zur Erregung der Elektricität.

Um größere Mengen von Elektricität zu erhalten, bedient man ſich natürlich
nicht der Glas- oder Siegellackſtangen, ſondern verwendet hierzu die Elektriſir-
maſchinen; wir wollen von dieſen im Nachſtehenden die Scheiben-Elektriſirmaſchine,
die Dampf-Elektriſirmaſchine, den Elektrophor und die ſogenannte Influenzmaſchine
betrachten.


Die Scheiben-Eſektriſtrmaſchine hat im Laufe der Zeit äußerlich zwar
manche Veränderungen erfahren, aber ihre Hauptbeſtandtheile ſind im Weſentlichen
unverändert geblieben. Auch jetzt noch drückt der jeweilige Fabrikant ſeiner Maſchine
in einigen Details gewiſſermaßen ſeinen Stempel auf, aber im Großen und Ganzen
haben dieſe Conſtructionsdifferenzen keine Bedeutung; es genügt daher, eine dieſer
Formen zu betrachten. Fig. 47 ſtellt eine Scheiben-Elektriſirmaſchine in der Geſtalt
dar, welche ihr der Wiener Elektriker Winter gegeben hat. Ihre Hauptbeſtand-
theile ſind die Glasſcheibe S, das Reibzeug R und die beiden Conductoren C
und C. Die Glasſcheibe S beſitzt in der Mitte eine kreisrunde Oeffnung, durch
welche ein mit Schraubengewinde verſehener Holzzapfen geſteckt iſt, der mit einem
zweiten die Schraubenmutter enthaltenden Holzzapfen auf der andern Seite der
Glasſcheibe verſchraubt wird. Durch das Anziehen der Schraube erfolgt die Ein-
klemmung der Glasſcheibe zwiſchen beiden Holzzapfen. Der eine Holzzapfen dreht
ſich in einem hölzernen Lager, welches durch die Glasſäule G1 an dem Grund-
brette der ganzen Elektriſirmaſchine befeſtigt iſt. Der zweite Zapfen iſt durch die
Glasſäule G2 verlängert und dieſe dreht ſich in der Durchbohrung eines hölzernen
Fußes. Die Kurbel K dient dazu, die Scheibe S in Umdrehung zu ſetzen.


Der Glasfuß G3 trägt ein gabelförmig geſtaltetes Holzſtück, welches die
Scheibe derart umfaßt, daß zwiſchen je einer Gabelzinke und der Scheibe ein Reib-
kiſſen R eingeſchoben werden kann. Jedes dieſer zu beiden Seiten der Scheibe an-
gebrachten Reibkiſſen beſteht aus einem Brette, welches auf der der Scheibe zu-
gewandten Fläche mit einigen Lagen Tuch belegt und darüber mit Leder überſpannt
iſt. Das Leder verſieht man mit einem Ueberzuge von Amalgam, welches man ſich
aus Zinn, Zink und Queckſilber bereitet, auf die mit etwas Knochenöl eingefettete
Lederfläche ſtreut und leicht verreibt. An der Außenſeite der Reibkiſſenbretter befindet
ſich eine Feder, welche ſich gegen die betreffende Zinke der Holzgabel ſtemmt und
hierdurch das Reibkiſſen an die Glasſcheibe mäßig andrückt. Man hat es vortheil-
haft gefunden, die Scheibenfläche zwiſchen den Reibkiſſen und dem poſitiven Con-
ductor mit Wachstaffet zu bedecken (wie dies die Figur auch erkennen läßt). Die
beiden Reibkiſſen ſtehen mit dem negativen Conductor C, einem durch Halb-
kugeln beiderſeits abgeſchloſſenen Meſſingcylinder, in leitender Verbindung.


Der poſitive Conductor C, eine Meſſinghohlkugel, wird durch die Glasſäule G4
getragen. An der Kugel ſind zwei zu einander und zur Glasſcheibe parallele Holz-
ringe r derart befeſtigt, daß ſich die Scheibe zwiſchen beiden Ringen in geringer
Entfernung durchdreht. Die Holzringe ſind an ihren der Glasſcheibe zugewandten
Seiten mit Stanniol bekleidet, und dieſes ſteht mit dem Conductor in leitender
Verbindung. Aus den Stanniolbelegen ſelbſt ragt eine Anzahl feiner Metallſpitzen
7*
[100] heraus, welche ſenkrecht zur Scheibe geſtellt ſind und ohne dieſe zu berühren
möglichſt nahe an ſie heranreichen. Winter fügte dem Conductor noch gewöhnlich
einen Holzring W bei, der im Innern eine Drahtſpirale trägt. Verſuche haben
ihm gezeigt, daß dieſer Ring, der gleichſam einen Meridian einer Kugel von

Figure 47. Fig. 47.

Scheiben-Elektriſirmaſchine.


gleichem Durchmeſſer darſtellt,
gerade ſo wirkt, als ob die ganze
Kugel vorhanden wäre, alſo die-
ſelbe Menge Elektricität auf-
zuſpeichern geſtattet, als wenn
eine Kugel von gleichem Radius
als der des Ringes als Con-
ductor in Verwendung kommen
würde. Auf dem Conductor iſt
häufig auch noch an der den
Holzringen gegenüberliegenden
Seite eine kleine Meſſingkugel
angebracht, auf welcher dann
die Dichte der Elektricität ſtets
bedeutend größer wird, als auf
der übrigen Conductoroberfläche;
man erreicht hierdurch, daß der
Funke nur von einer und immer
von derſelben Stelle auf einen
etwa genäherten Entlader E
überſpringt.


Mit Hilfe dieſer Beſchrei-
bung und der früher gegebenen
Erklärung der Spitzenwirkung
iſt der Proceß der Elektricitäts-
erregung mittelſt der Scheiben-
maſchine leicht einzuſehen. Die
Glasſcheibe wird durch die Kurbel
in der Richtung des Pfeiles ge-
dreht, reibt ſich an den amal-
gamirten Lederkiſſen und erhält
dadurch an den geriebenen Flächen
poſitive Elektricität. Da das
Glas ein Iſolator iſt, verbreitet
ſich die poſitive Elektricität nicht
über die ganze Scheibe, ſondern
bleibt auf jenen Flächen, auf
welchen die Elektricität erregt
wurde. Bei fortgeſetzter Drehung gelangen dann die poſitiv-elektriſchen Flächen
unter die Saugſpitzen der Holzringe r. Die poſitive Elektricität der Scheibe wirkt
nun influenzirend auf den poſitiven Conductor C, ſtößt die Influenzelektricität
zweiter Art (poſitive Elektricität) in die Meſſingkugel C als den entfernteſten Theil
und bringt die Influenzelektricität erſter Art (negative Elektricität) an den am
nächſten gelegenen Spitzen der Holzringe r zum Ausſtrömen. Dieſe (—) Influenz-
[101] elektricität erſter Art neutraliſirt die poſitive Elektricität der Glasſcheibe und dieſe
verläßt bei Fortſetzung ihrer Drehung wieder unelektriſch den Raum zwiſchen beiden
Saugringen. Inzwiſchen ſind jedoch neue durch die Reibung zwiſchen den beiden
Reibkiſſen poſitiv elektriſirte Flächentheile der Scheibe zu den Saugſpitzen gelangt
und geht neuerdings der oben angegebene Proceß vor ſich. Es braucht wohl
kaum hinzugefügt zu werden, daß durch fortgeſetzte Drehung der Scheibe die
Ladung des Conductors C mit poſitiver Elektricität immer ſtärker wird.


Wir wiſſen aber, daß durch Reibung immer gleichzeitig und in gleicher
Menge poſitive und negative Elektricität erregt wird; was iſt alſo inzwiſchen mit
letzterer geſchehen? Die negative Elektricität wird bei der Reibung auf dem
Amalgam des Reibzeuges hervorgerufen, welches, wie früher angegeben wurde,
mit dem negativen Conductor C in leitender Verbindung ſteht. Die bei der
Reibung erregte negative Elektricität ſtrömt daher direct auf dieſen Conductor C
über und häuft ſich dort bei fortgeſetzter Drehung der Scheibe an. Die Anſammlung
der negativen Elektricität iſt alſo keine Influenzwirkung, ſondern die Maſchinentheile
(Reibzeuge), auf welchen die Elektricität hervorgerufen wird, ſind gleichzeitig Theile
des negativen Conductors.


Dreht man die Glasſcheibe fortgeſetzt, ſo wird die Wirkung der Maſchine
in kurzer Zeit zu Ende ſein, denn die negative Elektricität, welche ſich auf dem
negativen Conductor und dem Reibzeuge anſammelt, wird alsbald eine hinlängliche
Dichte erhalten, um ſich mit der auf der Glasſcheibe erregten poſitiven Elektricität
vermöge der gegenſeitigen Anziehung vereinigen zu können; dann neutraliſiren ſich
gleiche Mengen poſitiver und negativer Elektricität an ihrer Erregungsſtelle und
verhindern ſo die Wirkſamkeit der Maſchine. Um dies zu verhindern, leitet man
die negative Elektricität ſtets zur Erde ab, indem man vom negativen Conductor
aus eine Metallkette auf die Erde herabhängen läßt. Jetzt kann natürlich der vor-
erwähnte Fall nicht mehr eintreten und die Ladung des poſitiven Conductors wird
bei fortgeſetztem Drehen der Scheibe immer zunehmen. Doch läßt ſich auch dieſer
Proceß nicht unbegrenzt fortſetzen, da ſchließlich die Dichte der Elektricität am
poſitiven Conductor ebenfalls ſo groß wird, daß beim unelektriſchen Zuſtande der
Glasſcheibe ein Ausſtrömen poſitiver Elektricität durch die Spitzen gegen die Scheibe
eintreten würde; hat der Conductor dieſe Spannung der Elektricität erreicht, ſo
iſt eben die poſitive Elektricität auf der Scheibe nicht mehr kräftig genug, um das
Ausſtrömen von Influenzelektricität erſter Art (—) aus den Spitzen zu bewirken.
Wird jedoch auch die poſitive Elektricität von dem Conductor abgeleitet, ſo bildet
die Maſchine eine ununterbrochen ſtrömende Elektricitätsquelle, ſo lange die Scheibe
gedreht wird. Will man nur Funken überſchlagen laſſen, ſo verbindet man die vom
negativen Conductor herabhängende Metallkette mit dem dem poſitiven Conductor
gegenübergeſtellten Entlader (wie dies die Figur anzeigt).


Will man von der Maſchine nicht poſitive, ſondern negative Elektricität
erhalten, ſo nimmt man die Kette von dem negativen Conductor ab und verbindet
durch ſie den poſitiven Conductor leitend mit der Erde. Man erhält dann natürlich
am negativen Conductor eine entſprechende Ladung mit negativer Elektricität. Dieſe
iſt aber nicht durch Influenz auf dem negativen Conductor erregt worden, ſondern
einfach von ihrer Erregungsſtelle, den beiden Reibkiſſen, auf den Conductor über-
geſtrömt.


Im Jahre 1840 machte der Maſchinenwärter Seghill die Beobachtung,
daß beim Ausſtrömen des Dampfes aus dem Sicherheitsventil eines Keſſels
[102] ſowohl dieſer, als auch der Dampf elektriſch werde. Armſtrong und Pattinſon
ſtellten dem ausſtrömenden Dampfe Metallſpitzen gegenüber, welche mit einem
Conductor in Verbindung ſtanden, und iſolirten den Dampfkeſſel von ſeiner
Umgebung; bei dieſen Experimenten fanden ſie, daß der Dampf poſitiv, der Keſſel
negativ elektriſch wird. Die Erſcheinung tritt jedoch nicht immer ein, ſobald Dampf
ausſtrömt, ſondern iſt an die Bedingung geknüpft, daß der Dampf „naß“ austritt,
d. h. daß er Waſſertröpfchen mit ſich führt. Armſtrong und ebenſo Faraday haben

Figure 48. Fig. 48.

Dampf-Elektriſirmaſchine.


alle dieſe Umſtände einer
genauen Unterſuchung
unterworfen und Arm-
ſtrong conſtruirte auf
Grund der hierbei ge-
wonnenen Erfahrungen die


Hydro- oder Dampf-
Elektriſirmaſchine.
Auf
einem viereckigen Rahmen,
Fig. 48, ſind vier ſtarke
Glasſäulen befeſtigt, welche
den Keſſel zur Dampf-
erzeugung tragen. Derſelbe
iſt mit einem Sicherheits-
ventile und einem Mano-
meter ausgerüſtet. In der
Mitte des Dampfkeſſels
iſt ein Dampfdom, als
Reſervoir für den im Keſſel
erzeugten Dampf, auf-
geſetzt und von dieſem aus
geht der Dampf durch ein
mit Hahn verſehenes Rohr
zu den Ausſtrömöffnungen.
Er gelangt jedoch nicht
unmittelbar in dieſe, ſon-
dern muß zuerſt noch eine
flache eiſerne Büchſe
paſſiren, in welcher er ſich
zum Theile condenſirt. Es
hat dies den ſchon früher
erwähnten Zweck, an den
Ausflußröhren ſtets naſſen
Dampf zu erhalten. Den Ausflußöffnungen ſelbſt giebt man verſchiedene Formen,
die aber immer den Zweck haben, die Reibung beim Ausſtrömen des Dampfes zu
vermehren. So ſtellte Faraday der Ausflußöffnung einen Conus mit der Spitze
gegen die Oeffnung gerichtet entgegen, während Armſtrong vor der Mündung der
Röhre eine Platte anbringt, die der Dampf umſtrömen muß.


Die aus den Röhren kommenden Dampfſtrahlen treffen dann auf einen
mit Spitzen verſehenen Metallrahmen, welcher mit einem Conductor in Verbindung
ſteht. Letzterer iſt entweder auf dem Dampfkeſſel ſelbſt iſolirt befeſtigt, wie dies
[103] unſere Abbildung zeigt, oder er ſteht auf einem eigenen vom Keſſel unabhängigen
Geſtelle. Auf dieſem Conductor ſammelt ſich dann die poſitive Elektricität, während
ſich die negative auf dem Keſſel vertheilt.


Die Maſchine der Royal polytechnie institution in London beſitzt nach
Wüllner’s Angabe 46 Ausflußöffnungen und iſt eine der wirkſamſten Elektriſir-
maſchinen, die es überhaupt giebt. Die größte Maſchine, welche gebaut wurde,
ſoll nach Cazin jene der Faculté des sciences von Paris ſein. Dieſe hat 80 Aus-
flußröhren und giebt Funken von mehreren Decimetern Länge. Sie befindet ſich in
der Maſchinengallerie des Conservatoire des arts et métiers.


Schon im Jahre 1762 hatte Wilke eine elektriſirte Glasplatte auf alle ihre
Eigenſchaften ſorgfältig unterſucht, aber allerdings nicht daran gedacht, einen eigenen
darauf gegründeten Apparat zu conſtruiren. Dies führte erſt Volta aus, indem er
den Elektrophor erfand (1775).


In einer flachen, tellerartigen Metallform, Fig. 49, befindet ſich ein bei-
läufig 1 Centimeter ſtarker Harzkuchen A, welchem man eine möglichſt ebene
und blaſenfreie Oberfläche zu geben ſucht. Auf
dieſer ruht ein einfacher oder aus zwei Metall-
platten B und C beſtehender Deckel, welcher
iſolirt abgehoben werden kann. Zu dieſem
Zwecke zeigt die obere Platte des Doppel-
deckels eine Handhabe i aus Glas; die beiden
Metallplatten ſind durch Seidenſchnüre miteinander
verbunden. Zur Erklärung der Wirkungsweiſe
dieſes Apparates möge die ſchematiſche Zeich-
nung, Fig. 50, dienen; M bezeichnet in dieſer
die metalliſche Form, H den Harzkuchen, D
den metalliſchen Deckel und G den iſolirenden
Glasgriff.


Man macht zunächſt den Harzkuchen durch
Reiben negativ elektriſch, indem man den Kuchen
mit einem Fuchsſchwanze peitſcht. Wird dann der

Figure 49. Fig. 49.

Elektrophor.


Deckel aufgeſetzt, ſo wirkt die negative Elektricität des Kuchens influenzirend auf den
Deckel; die poſitive Elektricität, Influenzelektricität erſter Art, wird durch die negative
Elektricität des Harzkuchens an der unteren Fläche des Deckels feſtgehalten, die
negative Elektricität, Influenzelektricität zweiter Art, gegen die obere Fläche des
Deckels zurückgeſtoßen. Berührt man jetzt die obere Seite des Deckels ableitend,
ſo fließt die negative Elektricität zur Erde ab, während die poſitive noch durch
die negative Elektricität des Kuchens im Deckel feſtgehalten wird. Hebt man den
Deckel an dem iſolirenden Glasgriffe ab, ſo erſcheint erſterer poſitiv elektriſch. Die
poſitive Elektricität des Deckels kann dann beliebig verwendet werden; der Harz-
kuchen hat hierbei an ſeiner Ladung nichts verloren. Man kann den Deckel nach
ſeiner Entladung neuerdings auf den Harzkuchen bringen, wieder ableitend berühren
und erhält ihn dann nach dem Abheben abermals poſitiv elektriſch. Daß im Metall-
deckel ſich wirklich dieſe Vorgänge abſpielen, kann durch den in Fig. 49 abgebildeten
Elektrophor gezeigt werden. Man ſetzt nämlich, nachdem der Harzkuchen gepeitſcht
wurde, den Doppeldeckel B C auf, wobei die beiden Platten, welche durch die
Seidenſchnüre i miteinander verbunden ſind, aufeinander zu liegen kommen und
daher in metalliſcher Berührung ſtehen. Durch die Influenzwirkung der negativen
[104] Elektricität des Kuchens wird alsdann die untere Platte (B) poſitiv, die obere
Platte (C) negativ elektriſch. Zieht man nun ohne vorhergegangener ableitender
Berührung den Deckel an dem Griffe ab, ſo entfernt man zuerſt die obere Metall-
platte, auf welcher ſich die negative Influenzelektricität befindet, von dem Harz-
kuchen, und ſobald die Seidenſchnüre ſich geſpannt haben, folgt die untere poſitiv
elektriſche Platte nach. Man erhält alſo beide Influenzelektricitäten in der Art,
daß man den Leiter, auf welchen die Influenz ausgeübt wurde, in zwei Theile
theilt. Auch der Elektrophor mit einfachem Deckel giebt für obige Erklärung der
Wirkungsweiſe einen Beweis. Der Deckel erſcheint nämlich nach dem Abheben nur
dann elektriſch, wenn er zuvor ableitend berührt wurde, und zwar zeigt er Influenz-
elektricität erſter Art. Hat man ihn jedoch nicht ableitend berührt, ſo vereinigen
ſich nach dem Abheben wieder die beiden Influenzelektricitäten und der Deckel
erſcheint unelektriſch.


Es iſt wohl leicht begreiflich, daß ſich die Influenzwirkung des auf ſeiner
Oberfläche negativ elektriſchen Harzkuchens nicht blos auf den Deckel beſchränken
wird, ſondern ſich auch auf die unteren Schichten des Harzkuchens und auf die
metalliſche Form erſtrecken muß. Die in dieſer Richtung eintretenden Erſcheinungen

Figure 50. Fig. 50.

Elektrophor.


wurden namentlich von Rieß und Bezold einem
eingehenden Studium unterworfen, deſſen Reſultat
die Aufſtellung zweier nicht völlig übereinſtim-
mender Theorien war. Rieß ſchreibt die Haupt-
wirkung der Influenz der negativen Elektricität
zu, welche auf der Oberfläche des Kuchens durch
Reiben erregt wird und dann ihre Wirkung
auf die Maſſe des Kuchens äußert. Die In-
fluenzelektricität erſter Art, alſo die poſitive
Elektricität, müßte darnach die mittlere Schicht
des Kuchens einnehmen, die Influenzelektricität
zweiter Art, alſo die negative, ſich an die
untere Fläche des Kuchens begeben. Dieſe Ver-
theilung der Elektricität im Kuchen wirkt dann natürlich auch auf jene in der
Metallform.


Bezold iſt jedoch der Anſicht, daß die Influenzwirkung der negativen Elek-
tricität an der Oberfläche des Kuchens auf deſſen Maſſe nur von untergeordneter
Bedeutung ſei, daß hingegen das elektriſche Verhalten der Metallform hauptſächlich
von der directen Einwirkung der negativen Elektricität auf der Kuchenoberfläche
herrühre. Die negative Elektricität des Kuchens wirkt vertheilend auf die Form,
indem ſie die poſitive Influenzelektricität an die obere Seite derſelben zieht und
dort feſthält, während die negative Influenzelektricität in die untere Fläche der Form
zurückgedrängt wird und von dieſer abfließt, wenn die Form nicht iſolirt aufgeſtellt
iſt. Daraus erklärt ſich auch, daß die Form negativ elektriſch erſcheint, ſobald nach
Elektriſirung des Kuchens der Deckel aufgeſetzt wird. Wurde die negative Elektricität
der Form abgeleitet, ſo iſt dieſe unelektriſch, da nun die poſitive Elektricität der
Anziehung durch die negative an der Oberfläche des Kuchens folgt und aus der Form
in die untere Seite des Kuchens eintritt. Bezold ſchreibt alſo den negativelektriſchen
Zuſtand der Form der directen Influenzwirkung der negativen Harzoberfläche auf
die Form zu, während Rieß annimmt, die negative Elektricität der Form ſei im
Harzkuchen erzeugte und dann erſt auf die Form übergeſtrömte Influenzelektricität.


[105]

Ob man ſich nun für die eine oder die andere Erklärung entſcheidet, in jedem
Falle wird man ſich über nachſtehendes Verhalten leicht Rechenſchaft geben können.
Legt man auf irgend eine Stelle der Kuchenoberfläche einen etwa Centimeter breiten
Stanniolſtreifen, welcher mit der nicht iſolirt aufgeſtellten Form in leitender Ver-
bindung ſteht, ſo iſt der Deckel, ohne daß man ihn vorher ableitend berührt, nach
dem Abheben poſitiv elektriſch. Der [Stanniolſtreifen] ſtellt eine leitende Verbindung
zwiſchen der Erde einerſeits, der Form und der Harzkuchenoberfläche andererſeits
her. Der Harzkuchenoberfläche wird dadurch negative Elektricität an jener Stelle
entzogen, welche der Stanniolſtreifen berührt; die Elektricität auf der übrigen Fläche
des Kuchens wird nahezu nicht beeinflußt, da, wie wir bereits wiſſen, Harze der
Bewegung der Elektricität einen ſehr großen Widerſtand entgegenſetzen oder, mit
anderen Worten, Iſolatoren ſind. Ferner wird durch den Stanniolſtreifen auch die
negative Elektricität der Form zur Erde abfließen, während die poſitive feſtgehalten
wird, beziehungsweiſe auf die untere Fläche des Harzkuchens übergeht. Setzt man
nun den Deckel auf den Kuchen, ſo wird auf dieſen poſitive und negative Elek-
tricität influenzirt. Die poſitive wird durch die Anziehungskraft der negativen
der Harzfläche feſtgehalten, die negative Influenzelektricität hingegen in den ent-
fernteſten Theil des Deckels abgeſtoßen. Dieſer liegt nun aber auf dem Stanniol-
ſtreifen, welcher mit der Erde in Verbindung ſteht, folglich muß die negative
Influenzelektricität des Deckels durch den Stanniolſtreifen zur Erde abfließen. Hebt
man jetzt den Deckel ab, ſo verbreitet ſich natürlich die poſitive Influenzelektricität
über den ganzen Deckel und dieſer erſcheint alſo poſitiv elektriſch. Die Anbringung
des Stanniolſtreifens erſpart daher das läſtige ableitende Berühren des Deckels,
welches ſonſt vor jedem Abheben erfolgen muß.


Wir haben noch jener Eigenſchaft des Elektrophors zu gedenken, welcher er
ſeinen Namen verdankt, der ſo viel wie Elektricitätsträger bedeutet. Läßt man
nämlich den Elektrophor, nachdem man ihn elektriſirt und wieder mit einem Deckel
verſehen hat, ſtehen, ohne daß man ſeine Form iſolirt, ſo behält er monatelang
ſeinen elektriſchen Zuſtand bei. Die Erklärung für dieſes Verhalten iſt darin zu
ſuchen, daß die negative Elektricität der Kuchenoberfläche einerſeits und die poſitive
Elektricität am Deckel und an der Unterfläche des Kuchens andererſeits ſich gegenſeitig
binden, daher die Zerſtreuung erſchweren; ferner iſt die Berührung der Luft mit
der Harzoberfläche durch den aufgeſetzten Deckel ſehr vermindert und wird überdies
noch jene Luftſchicht, welche ſich zwiſchen Deckel und Harzoberfläche befindet, von
den einander entgegengeſetzten Elektricitäten dieſer beiden auch entgegengeſetzt influenzirt,
weshalb ſich hier eine gewiſſermaßen ſtagnirende Luftſchicht bildet, die ebenfalls der
Zerſtreuung der Harzelektricität entgegenwirkt. Die Eigenſchaft ſelbſt, den elektriſchen
Zuſtand lange Zeit hindurch zu erhalten, nennt man Tenacität.


Gleichwie man ſich bei der Elektricitätserregung durch Reibung nicht damit
begnügte, blos Glas- oder Harzſtangen mit der Hand zu reiben, ſondern eine
Maſchine conſtruirte, die geſtattet, die Elektricitätserregung zu einem continuirlichen
Proceſſe zu geſtalten, ebenſo verſuchte man auch den Elektrophor in ähnlicher Weiſe
umzuformen. Die Maſchinen, die in ſolcher Art entſtanden, nennt man Infſuenz-
maſchinen
oder nach Rieß Elektrophormaſchinen. Holtz und Töpler gelangten
beinahe gleichzeitig zur praktiſchen Ausführung dieſes Gedankens. Wie beim Elek-
trophor wird auch bei dieſen Maſchinen zuerſt ein Beſtandtheil derſelben durch
Reiben elektriſirt; dieſer elektriſirt durch Influenz andere Theile der Maſchine, die
abwechſelnd mit ihnen zuſammengebracht und dann wieder voneinander entfernt
[106] werden. Die Influenzmaſchinen unterſcheiden ſich aber dadurch vortheilhaft von dem
Elektrophor, daß die influenzirte Elektricität nicht blos zu den gewünſchten Zwecken
verwendet werden kann, ſondern überdies auch noch die dem andern Maſchinen-
theile urſprünglich ertheilte Elektricität vermehrt. Durch dieſes gegenſeitige Aufein-
anderwirken der influenzirenden und der influenzirten Elektricität wird die Wirkſamkeit
der Maſchine natürlich bedeutend geſteigert. Es mag hier ſchon darauf hingewieſen
werden, daß wir bei der Beſprechung der dynamoelektriſchen Maſchinen einen ähn-
lichen Proceß kennen lernen werden.


Figure 51. Fig. 51.

Influenzmaſchine von Holtz.


In Deutſchland hat jene Form der Influenzmaſchine die größte Verbreitung
gefunden, welche Holtz ihr gegeben hat. Sie iſt in Fig. 51 in perſpectiviſcher Anſicht
dargeſtellt. Als Baſis dient ihr ein ſolider, vierſeitiger Rahmen A B aus Holz.
Die beiden gut gefirnißten Glasſcheiben E F und C D ſind mit dieſem Rahmen in
folgender Weiſe verbunden. Die Glasſcheibe E F (die rückwärtige in der Figur) wird
an den drei Stellen d d e durch horizontale Arme feſtgehalten, kann aber in ihrer
Stellung zur Scheibe C D regulirt werden. Die horizontalen Arme enden nämlich
in Schrauben, deren Muttern d d e von mit Kerben verſehenen kreisrunden Holz-
ſcheibchen gebildet werden; in den Kerben dieſer Muttern iſt nun die Scheibe E F
[107] gelagert. Dreht man dieſe Muttern in dem einen oder andern Sinne, ſo muß
daher die Scheibe E F dementſprechend ihre Stellung gegen die Scheibe C D ändern;
dieſe Einrichtung ermöglicht alſo, die beiden Scheiben ſtets einander parallel zu
ſtellen. Einmal in dieſe Stellung gebracht, bleibt dann die Scheibe E F immer in
derſelben. E F iſt mit drei Ausſchnitten verſehen; der eine kreisrunde Ausſchnitt in
der Mitte dient dazu, um die Axe a b der Scheibe C D durchzulaſſen; die beiden
anderen Ausſchnitte, welche an den Enden eines Scheibendurchmeſſers liegen, befinden
ſich bei n und n'. Unterhalb n und oberhalb n' ſind die ſogenannten Belege m'
und m angebracht, beſtehend aus ovalen Papierſtücken, welche je einen in einer
Spitze endigenden Streifen aus demſelben Materiale tragen. Dieſe Spitzen ragen
in die Oeffnungen n n' der Scheibe E F hinein und ſind durch dieſe gegen die
Scheibe C D gerichtet. Die Scheibe C D (vordere in der Figur) ſitzt auf der horizon-
talen Axe a b und kann um dieſe in raſche Rotation gebracht werden. Hierzu dienen
die Rollen r, r' und r″ mit den dazu gehörigen Schnurläufen. Das letzte Rad r
trägt an einem Ende ſeiner Welle w w' die Kurbel k. Die rotirende Scheibe C D
beſitzt keine Ausſchnitte.


Den beiden Belegen m m' ſind Saugkämme, beſtehend aus einer größeren
Anzahl feiner Metallſpitzen, derart gegenübergeſtellt, daß die rotirende Glasſcheibe
C D mit geringem Spielraume zwiſchen dieſen Kämmen einerſeits und der feſtſtehenden
Glasſcheibe E F andererſeits durchrotiren kann. Die Saugkämme werden von den
Metallſtäben p g o und q g' o' gehalten, welche bei o und o' in horizontal durch-
bohrten Kugeln endigen. In dieſe Durchbohrungen ſind Metallſtäbe geſteckt, die bei
i i' Kugeln tragen, zur Befeſtigung von Leitungsdrähten wohl auch Klemmen beſitzen,
und an den nach außen gekehrten Enden mit iſolirenden Griffen h h' verſehen ſind.
Mit Hilfe dieſer kann man die beiden Stäbe in den horizontalen Durchbohrungen
der Kugeln o o' verſchieben und ſo die Kugeln i i', welche man die Pole der Maſchine
nennt, voneinander entfernen oder einander, auch bis zur Berührung, nähern.
Die Saugkämme ſammt dieſen Metallſtäben und Kugeln ſind an dem Geſtelle H H'
voneinander wohl iſolirt befeſtigt.


Um die Maſchine in Gang zu ſetzen, bringt man die beiden Kugeln i i'
zunächſt zur Berührung und theilt dann einer der beiden Belegungen m oder m'
eine gewiſſe elektriſche Ladung mit, indem man ſie mit einer vorher geriebenen Hart-
gummiplatte berührt. Gleichzeitig ſetzt man mit Hilfe der Kurbel k die Glasſcheibe
C D derart in raſche Rotation, daß die Drehung gegen die Spitzen der Papier-
belegung auf der feſtſtehenden Platte gerichtet iſt. Entfernt man dann durch Vermittlung
der iſolirenden Griffe h h' die beiden Pole i i' voneinander, ſo ſchlagen zwiſchen
dieſen beiden Funken über. Letztere kann man noch dadurch verſtärken, daß man eine
Kleiſt’ſche Flaſche mit den Metallſtäben q g' und p g in Verbindung ſetzt.


Die Vorgänge, welche ſich während der Thätigkeit der Maſchine in dieſer
abſpielen, ſind keineswegs ſehr einfacher Natur, und deshalb auch noch nicht ganz
vollkommen ergründet. Um eine Vorſtellung hierüber zu gewinnen, wollen wir an
der Hand der ſchematiſchen Zeichnung in Fig. 52 im Weſentlichen der von Rieß
gegebenen Erklärung folgen. Die beiden Kugeln i und i' ſtehen miteinander in
Berührung; der Belegung — m auf der feſtſtehenden Glasſcheibe E F wird negative
Elektricität mitgetheilt. Dieſe wirkt nun durch Influenz auf die drehbare Scheibe
C D und auf den Metallkamm p. Die Scheibe C D wird auf jener Seite, welche
der Belegung m zugekehrt iſt, poſitiv elektriſch, auf jener Seite, welche dem Saug-
kamm zugewandt iſt, negativ elektriſch. Die negative Elektricität auf m wirkt aber
[108] auch influenzirend auf das Leiterſyſtem p g i i' g' q, und zwar in der Art, daß die
poſitive Influenzelektricität in die Spitzen bei p gezogen, die negative jedoch durch
g g' in die Spitzen bei q zurückgeſtoßen wird. Die poſitive Influenzelektricität kommt
dann an den Spitzen p zum Ausſtrömen und tritt auf die Scheibe C D über. Dort
trifft ſie mit der durch die Belegung m auf der Scheibe C D erregten negativen
Influenzelektricität zuſammen und beide neutraliſiren ſich zum Theile. Der Ueberſchuß
der auf die Scheibe C D aus den Spitzen p übergeſtrömten poſitiven Elektricität
macht die Scheibe poſitiv elektriſch. Es ergiebt ſich alſo als Wirkung der negativen
Elektricität in m und der gegenüberſtehenden Spitzen bei p auf die Scheibe C D
das Reſultat, daß dieſe zwiſchen p und m auf beiden Seiten poſitiv elektriſch wird.


Wird nun die Scheibe C D in der Richtung des Pfeiles um ihre horizontale
Axe gedreht, ſo gelangen jene poſitiv elektriſchen Flächen zwiſchen den Kamm q und
die Belegung + m. In den Kamm g' wird aber, wie früher angegeben wurde, negative
Influenzelektricität gedrängt; dieſe ſtrömt von den Spitzen des Kammes auf die
Scheibe C D über, wird alſo, wenn durch die Drehung die poſitiv elektriſche Fläche
nach g gekommen iſt, dieſe poſitive Elektricität neutraliſiren und dann dieſelbe Fläche

Figure 52. Fig. 52.

Schema der Influenzmaſchine.


negativ laden. Gleichzeitig iſt aber auch
die poſitiv elektriſche Fläche auf der
andern Seite der Scheibe, nämlich
jener, welche der feſtſtehenden Scheibe
E F zugewandt iſt, + m gegenüber
gekommen. Hier findet ſie die unelektriſche
mit einer Spitze verſehene Belegung + m
und wirkt auf dieſe in folgender Weiſe.
Sie erregt auf der Belegung poſitive
und negative Influenzelektricität; die
erſtere wird als gleichnamig in die Be-
legung zurückgeſtoßen, die letztere aber,
weil ungleichnamig, nach der Spitze der
Belegung gezogen. Hier kommt ſie zum
Ausſtrömen, geht auf die Scheibe C D über, neutraliſirt hier die poſitive Elektricität
und ladet die vorhin poſitiv elektriſche Fläche nun negativ. Das Reſultat der Ein-
wirkungen von der Belegung + m und dem Saugkamme q auf die Scheibe C D iſt
daher, daß die Scheibe C D auf beiden Seiten negativ elektriſch wird; gleichzeitig
hat die Belegung m' eine poſitive Ladung erhalten.


Es iſt einleuchtend, daß bei fortgeſetzter Drehung der Scheibe C D nach und
nach ſämmtliche Stellen der Scheibe die eben geſchilderten Einwirkungen erfahren
müſſen. Die eben betrachteten Flächenſtücke der Scheibe C D, welche ſich anfänglich
zwiſchen m und p befanden, erhielten dort poſitive Elektricität und behielten dieſelbe
bei, bis ſie zwiſchen + m und q angelangt waren. Da ſich dieſer Vorgang auf jedem
Theile der Scheibe abſpielen wird, welcher den Weg von m p nach m' q zurücklegt,
ſo muß offenbar die ganze obere Hälfte der Scheibe fortwährend poſitiv elektriſch
ſein. Setzt die Scheibe die Drehung in derſelben Richtung fort, ſo gelangen die in
Rede ſtehenden Flächentheile von + m q wieder nach m p; in + m q wurden ſie
aber negativ elektriſirt, folglich muß die ganze untere Hälfte der Scheibe, ſo lange
die Rotation dauert, negativ elektriſch ſein.


Was geſchieht nun, wenn die auf beiden Flächen negativ elektriſirte Scheibe
wieder zwiſchen m und p angelangt iſt? Die negative Elektricität auf der der feſt-
[109] ſtehenden Scheibe E F zugewandten Fläche tritt in Folge der Spitzenwirkung der
letzteren in die Belegung m über 1) und verſtärkt die negative Ladung der Belegung
m. Die negative Elektricität auf der dem Metallkamme p zugewandten Fläche der
Scheibe C F wird durch die aus p ausſtrömende poſitive Elektricität neutraliſirt
und die vorhin negativ elektriſche Scheibenfläche poſitiv elektriſirt. Die verſtärkte
negative Ladung von m wirkt nun abermals influenzirend auf die Scheibe C D und
den Kamm m. Der Vorgang hierbei iſt wieder derſelbe wie zu Beginn der Scheiben-
drehung, aber die Wirkung wird eine bedeutend ſtärkere ſein. Die Scheibe C D
wird alſo zwiſchen m und p abermals auf beiden Flächen poſitiv elektriſch, und zwar
ſtärker als bei der erſten Drehung, und dieſe poſitiv geladenen Flächen gelangen
dann neuerdings zwiſchen + m und q, wo wieder der vorhin angegebene Vorgang
ſtatt hat, aber ebenfalls in erhöhter Kraft.


Bei fortgeſetzter Drehung der Scheibe verſtärken ſich Urſache und Wirkung
gegenſeitig immer mehr und die Maſchine wird in kurzer Zeit zur vollen Wirkungs-
fähigkeit gebracht. Entfernt man nun die beiden Kugeln i und i' voneinander, ſo
geht zwiſchen beiden ein für das Auge faſt ununterbrochenes Funkenbüſchel über; in
Wirklichkeit tritt immer dann ein Funke auf, wenn die Dichte der poſitiven Elek-
tricität auf der Kugel i' und jene der negativen Elektricität auf i groß genug ge-
worden iſt, um den Widerſtand der zwiſchen beiden Kugeln befindlichen Luftſchichte
überwinden zu können. Bleiben hingegen beide Kugeln miteinander in Berührung,
ſo gleichen ſich beide Elektricitäten in dem Maße als ſie erregt werden in dem dann
ununterbrochenen Leiter g g' aus. Schaltet man bei auseinandergerückten Kugeln eine
Kleiſt’ſche Flaſche ein, ſo ſchlägt, je nach der Wirkſamkeit der Maſchine, in größeren
oder kleineren Zeitpauſen ein hell leuchtender Funke zwiſchen beiden Kugeln über
und verurſacht dabei einen Knall, der jenen einer Piſtole an Stärke übertreffen kann.


Die Influenzmaſchine iſt alſo an Wirkſamkeit dem Elektrophor beiweitem
überlegen, da letzterer, auch in großen Dimenſionen ausgeführt, doch nur bedeu-
tend ſchwächere und kürzere Funken giebt. Wir werden ſpäter, nämlich bei Be-
ſprechung der in galvaniſchen Batterien erregten Elektricität, erfahren, daß, um
ganz kleine Funken an den Enden der Poldrähte zu erhalten, ſchon eine ſehr
bedeutende Elementenanzahl erfordert wird. Andererſeits iſt aber die in dieſer
Weiſe erregte Elektricität, auch wenn nur wenige Elemente angewandt werden,
im Stande, gewiſſe Arbeiten zu leiſten, welche eine ganze Reihe von Influenz-
maſchinen zuſammengeſpannt nicht zu leiſten im Stande iſt. Des beſſeren Ver-
ſtändniſſes wegen dürfte es ſchon hier am Platze ſein, zu erklären, warum der
anſcheinend mächtige, mit Piſtolenknall überſpringende Funke der Influenzmaſchine
nicht im Stande iſt, eine Arbeit zu leiſten, welche wenige galvaniſche Elemente,
die an ihren Polenden nicht das geringſte Fünkchen überſpringen machen können, ſehr
leicht leiſten. Sind die beiden Pole i i' der Influenzmaſchine miteinander in Be-
rührung, ſo gleichen ſich, wurde früher geſagt, die durch Influenz erregten poſi-
tiven und negativen Elektricitäten im Leiter g g' aus; man ſagt dann, der Leiter
g g' iſt von einem elektriſchen Strome durchfloſſen. Verbindet man die Pol-
enden einiger galvaniſcher Elemente entſprechend miteinander, ſo fließt in dem
Verbindungsdrahte ebenfalls ein elektriſcher Strom. Unterbricht man im erſten
Falle den Leiter an irgend einer Stelle, ſo ſchlägt an dieſer ein mächtiger Funke
[110] über; unterbricht man den Leiter, der die Pole der galvaniſchen Elemente ver-
bindet, ſo tritt kein Funkenüberſchlagen ein. Die Urſache dieſes verſchiedenen Ver-
haltens liegt darin, daß im erſten Falle, alſo bei der Influenzmaſchine, ein äußerſt
ſchwacher elektriſcher Strom erregt wird, die erregte Elektricität aber eine bedeutende
Spannung hat, während im letzterwähnten Falle ein kräftiger Strom entſteht, der
aber eine ſo geringe Spannung beſitzt, daß er den Widerſtand auch der dünnſten
Luftſchichte nicht zu überwinden im Stande iſt.


Die Elektricität verhält ſich in beiden Fällen ähnlich wie das Waſſer in
nachſtehendem Beiſpiele. Ein ſehr dünner Waſſerſtrahl, etwa im Durchmeſſer von
1 Millimeter, ſchießt aus ſeiner engen Ausflußöffnung zu ſehr bedeutender Höhe,
etwa 10 Meter hoch, empor und fällt dann in ein weites Becken. Es iſt ein-
leuchtend, daß in dieſem Falle geraume Zeit verſtreichen wird, bis ſich das Becken
füllt. Nun nehmen wir aber eine ſehr weite Ausflußöffnung; jetzt wird das
Waſſer ſich kaum über ſeine Ausflußöffnung erheben, aber in kürzeſter Zeit das Becken
füllen. Die Anwendung dieſes Veiſpieles auf unſere beiden Elektricitätserreger iſt
nun einfach: der hoch aufſchießende Waſſerſtrahl aus der engen Oeffnung iſt der
kräftige Funke der Influenzmaſchine, der das Becken raſch füllende Waſſerſchwall
aus der weiten Oeffnung iſt der Strom der galvaniſchen Batterie.


Eine Holtz’ſche Influenzmaſchine kann Funken von der Länge des Drittels
oder der Hälfte des Scheibendurchmeſſers geben, entwickelt aber in einem Waſſer-
zerſetzungsapparate erſt in etwa 40 Stunden einen Cubikcentimeter Knallgas. Um
letzteres durch galvaniſche Elemente zu bewirken, bedarf es nur einer ſehr kurzen
Zeit und weniger Elemente. Hingegen geben 11.000 Chlorſilber-Elemente Funken
von nur 15 Millimeter Länge.


In neuerer Zeit hat A. Toepler Influenzmaſchinen conſtruirt, die an
Wirkſamkeit die Holtz’ſche Influenzmaſchine weit übertreffen. Er beſchrieb ſie ſelbſt
mit folgenden Worten: „Man ſtelle ſich vor, daß auf einer horizontalen Rotationsaxe
ſehr viele kleine Kreisſcheiben von Glas in kleinen Abſtänden voneinander befeſtigt
ſeien. In die engen Zwiſchenräume derſelben rage zu beiden Seiten der Maſchine
ein Syſtem wohl iſolirter Inductorenplatten (d. h. feſtſtehende Platten mit Belegungen)
hinein, jedoch ſo, daß dabei je ein Zwiſchenraum überſprungen wird. Es ſind
alſo auf jeder Seite nur halb ſo viel Inductoren, als die Anzahl der Kreisſcheiben
beträgt. In die noch unbeſetzten Zwiſchenräume greift rechts und links je ein Syſtem
horizontaler Spitzenkämme, mit den Spitzen gegen die Rotationsrichtung gekehrt.
Denkt man ſich die Inductoren rechts mit poſitiver, links mit negativer Elektricität
geladen, ſo wirkt jeder Inductor durch Influenz auf ſeine beiden Nachbarſcheiben;
ebenſo wirkt jeder Kamm doppelt. Verbindet man die Kammſyſteme durch einen
Draht, ſo muß in dieſem, entſprechend der wirkſamen Oberfläche, ein ſtarker Strom
entſtehen. Ich habe die Maſchine mit 20 kleinen Scheiben von nur 13 Centimeter
Radius ausführen laſſen, ſo daß ein Apparat entſtand, deſſen wirkſame Theile, abge-
ſehen vom Rotationsmechanismus, nur etwa 0·05 Kubikmeter Raum einnehmen.
Kleine Scheiben mit großer Rotationsgeſchwindigkeit halte ich für vortheilhaft, theils
aus techniſchen Gründen, hauptſächlich aber, damit die Spannung nicht größer
werde, als man ſie bei den meiſten Experimenten braucht.“


Toepler kuppelte einſt drei ſolche Maſchinen zuſammen und ließ ſie durch
einen Arbeiter in Bewegung ſetzen. Der Strom, welchen er hierbei bekam, erhielt
bereits einen 0·2 Millimeter dicken Platindraht beſtändig glühend und veranlaßte
eine bereits ſichtbare Waſſerzerſetzung. Allerdings würde zur Erzeugung von einem
[111] Cubikcentimeter Knallgas immerhin noch ein Zeitraum von beiläufig 38 Minuten
nöthig ſein. „Und doch, ſo geringfügig dieſe galvaniſchen Wirkungen auch ſein
mögen,“ ſagt Toepler, „vor zwanzig Jahren hätte man, um ſie zu erhalten,
einige hundert gute Reibungs-Elektriſirmaſchinen zuſammen in Thätigkeit ſetzen
müſſen.“


In Frankreich hat die Influenzmaſchine von Carré (Fig. 53) große Verbreitung
erlangt. Bei dieſer werden beide Scheiben, die influenzirende (der Inductor) ſowohl,
als auch die influenzirte, in Rotation verſetzt. Die Inductorſcheibe wird durch die
Reibung zwiſchen den beiden Reibkiſſen F F1 ſtets elektriſch erhalten und rotirt in ent-
gegengeſetzter Richtung und bedeutend langſamer wie die große Scheibe B. Der Antrieb
beider Scheiben erfolgt gemein-
ſchaftlich durch die Kurbel M,
den Schnurlauf und die dazu-
gehörigen Rollen. Die Axen der
beiden Scheiben ſind in den
Ständern a und b gelagert,
welche an ihren oberen Enden
den Conductor C tragen, mit
dem ein Saugkamm in Ver-
bindung ſteht; der zweite Saug-
kamm beſitzt eine beweglichen
Arm e d, welcher an dem oberen
Conductor angelegt oder von
ihm weggedreht werden kann.
Die Wirkungsweiſe dieſer Ma-
ſchine bedarf nach der vorhin
für die Holtz’ſche Maſchine ge-
gebenen keiner weiteren Er-
klärung.


So ſehr die Influenz-
maſchinen in ihrer Wirkſamkeit
den Reibungs-Elektriſirmaſchinen
überlegen ſind, theilen ſie mit
dieſen doch auch einige Nach-
theile. So wirkt z. B. namentlich
die Luftfeuchtigkeit ſehr ſtörend,
ſo zwar, daß die Maſchinen

Figure 53. Fig. 53.

Carré’s Maſchine.


häufig gar nicht in Thätigkeit zu bringen ſind. Dies iſt auch die Urſache, warum
Experimente vor einem großen Auditorium häufig mißlingen, da durch den Athmungs-
proceß ſo vieler Menſchen die Luft eines geſchloſſenen Raumes ſtark mit Feuchtigkeit
geſättigt wird. Toepler ſucht dieſen Uebelſtand dadurch zu beſeitigen, daß er die
ganze Maſchine auf einen Heizapparat ſtellt. Dieſer beſteht im Weſentlichen aus einem
doppelwandigen Blechkaſten, in deſſen Innerem einige Gasflämmchen brennen. Der
äußere Blechmantel iſt durchbrochen und ebenſo die Geſtellplatte der Influenzmaſchine,
ſo daß ein mäßig warmer Luftſtrom die Maſchine von unten umſtrömt, und alle
Theile derſelben gleichförmig umſpült. Dr. S. Th. Stein ſchließt zur Erreichung
desſelben Zweckes die ganze Influenzmaſchine in einen Glaskaſten ein und ſtellt in
deſſen Innerem einen kleinen Ventilator auf; dieſer ſaugt auf einer Seite die Luft
[112] aus dem Kaſten ein, zwingt ſie, durch eine Trockenröhre, d. h. eine Röhre gefüllt
mit Subſtanzen, welche begierig Waſſer anziehen, zu gehen und treibt die ſo ge-
trocknete Luft wieder in den Kaſten zurück. Die Bewegung der Influenzmaſchine
und des Ventilators wird durch einen kleinen, ebenfalls im Glaskaſten befindlichen
Motor bewirkt, deſſen Triebkraft ein elektriſcher Strom iſt. Hiermit iſt das Durch-
führen der Rotationswellen durch die Glaswand vermieden und dadurch der
Eintritt der äußeren Luft in den Glaskaſten ausgeſchloſſen.


Influenzmaſchinen, welche längere Zeit hindurch in Gebrauch waren, werden
aber auch noch durch eine andere Urſache unwirkſam. Die Scheiben belegen ſich
nämlich mit einer Staubſchicht, die nicht mehr durch einfaches Abwiſchen zu beſeitigen
iſt. Dann bleibt nichts Anderes übrig, als die Maſchine zu zerlegen, die Scheiben
gründlich zu reinigen und mit einem neuen Firnißüberzuge zu verſehen.


Apparate zur Anſammlung der Elektricität.

Reibungs-Elektriſirmaſchine und Influenzmaſchine geſtatten Elektricität in
größerer Menge zu erregen, und beide ſind auch mit Apparaten ausgerüſtet,
welche erlauben, die erregte Elektricität anzuſammeln. Es ſind dies die Conductoren.
Wir haben aber auch bei der Beſprechung der Reibungs-Elektriſirmaſchine erfahren,
daß die Anſammlung von Elektricität auf den Conductoren nur bis zu einem
beſtimmten Grade möglich iſt, und daß dann der Conductor ſeine Ladung nicht
mehr zu verſtärken vermag, wie viel Elektricität ihm von der Maſchine auch noch
zugeführt werden mag. Es wurde dort geſagt, daß der Zeitpunkt, von welchem an
die Ladung des Conductors nicht mehr zunehmen kann, dann eintritt, wenn das
Potentialniveau des Conductors ſo groß geworden iſt, daß die Saugſpitzen nicht
mehr wirken können. Ueberdies ſetzt auch noch die Zerſtreuung der Elektricität
durch die den Conductor umgebende Luft eine beſtimmte Grenze.


Hier giebt jedoch die Influenz ein Mittel an die Hand, größere Mengen
von Elektricität anzuſammeln oder aufzuſpeichern. Die Apparate, welche unter
Anwendung der Influenz eine ſolche Aufſpeicherung geſtatten, ſind der Condenſator,
die Kleiſt’ſche oder Leydener Flaſche und die Franklin’ſche Tafel; alle beruhen
darauf, daß zwei leitende Flächen einander parallel gegenübergeſtellt und vonein-
ander durch eine iſolirende Schicht getrennt werden. Bei der Ladung dieſer Apparate
wird ſtets die eine Fläche mit der Elektricitätsquelle, die andere mit der Erde
leitend verbunden; man nennt die erſte den Collector, die letztere den Con-
denſator
.


Rieß hat dem Anſammlungsapparate eine ſehr einfache und namentlich zum
Studium der bei der Anſammlung ſtattfindenden Vorgänge geeignete Form gegeben;
ſie iſt in Fig. 54 in perſpectiviſcher Anſicht dargeſtellt. A iſt die durch eine Glas-
ſäule s iſolirt aufgeſtellte Collectorplatte, B die Condenſatorplatte. Die letztere iſt
am Fuße ihres gläſernen Trägers mit einem Gelenke g verſehen, welches geſtattet,
die Platte B von A weg und nach abwärts zu drehen. Der Träger der Platte A
ſitzt auf einem Rahmen r und kann mit dieſem auf der Theilung T verſchoben
werden. k iſt eine Klemmſchraube zur Aufnahme eines zuleitungsdrahtes für die
Elektricität. Die iſolirende Zwiſchenſchicht zwiſchen den beiden Platten bildet
die Luft.


Man dreht die Scheibe B nach abwärts und ſetzt die Platte A mit Hilfe
eines bei k befeſtigten Leitungsdrahtes mit einer Elektricitätsquelle in Verbindung.
[113] Von dieſer ſtrömt dann ſo lange Elektricität auf die Platte A, bis die Dichte der
Elektricität auf dem Leitungsdrahte jener der Elektricitätsquelle gleich geworden iſt;
dann hört jede weitere Zuſtrömung auf. Nun dreht man die Platte B wieder nach
aufwärts, ſo daß ſie in geringer Entfernung von der Platte A und parallel zu
ihr zu ſtehen kommt. Die Elektricität auf der Platte A wirkt jetzt influenzirend
auf die Platte B; ſie zieht die Influenzelektricität erſter Art auf jene Fläche der
Scheibe B, welche der Scheibe A zugewandt iſt, und ſtößt die Influenzelektricität
zweiter Art auf die andere Fläche, oder wenn die Platte B mit der Erde in
leitender Verbindung ſteht, in dieſe. Die Platte B beſitzt dann eine gewiſſe Menge
Influenzelektricität erſter Art; dieſe wirkt nun natürlich auch verändernd auf die
Vertheilung der Elektricität in der Platte A ein, und zwar in der Art, daß die
Elektricität der Platte A ſich mehr auf der der Scheibe B zugewandten Fläche
ausbreitet. Hierdurch wird aber
die Dichte auf der andern Fläche
der Scheibe und auch auf dem
Zuleitungsdrahte vermindert; die
Dichte auf letzterem iſt alſo
wieder geringer geworden, als
die Dichte der Elektricitätsquelle,
ſomit kann von letzterer neuer-
dings Elektricität durch den Draht
auf die Scheibe A überfließen.
Dieſer ſtärkeren Ladung der
Scheibe A entſpricht auch eine
kräftigere Influenzwirkung auf B
und daher muß auch hier die
Ladung durch Influenzelektricität
erſter Art zunehmen. Die Zu-
nahme der Influenzelektricität
hat aber neuerdings auf die
Vertheilung der Elektricität von
A Einfluß und wirkt abermals
verminderud auf die Dichte der
Elektricität des Zuleitungs-
drahtes, welcher hierdurch neuer-

Figure 54. Fig. 54.

Anſammlungs-Apparat nach Rieß.


dings in den Stand geſetzt wird, Elektricität von der Elektricitätsquelle der Collec-
torplatte A zuzuführen.


In dieſer Art findet eine immer ſtärkere Anhäufung von Elektricität auf dem
Collector und ſomit auch auf dem Condenſator ſtatt. Der Proceß läßt ſich jedoch
keineswegs beliebig lange fortſetzen, da ſchließlich, trotz der Anziehungskraft der
Influenzelektricität erſter Art auf der Condenſatorplatte, die Elektricität auf dem
Collector eine derartige Dichte erreicht, daß auch der mit dem Collector in Ver-
bindung ſtehende Leitungsdraht ſeine Dichte bis zu jener der Elektricitätsquelle
erhöhen muß; hiermit iſt dann der Anſammlung der Elektricität natürlich eine
Grenze geſetzt.


Das Ladungsvermögen eines derartigen Condenſators drückt man durch die
ſogenannte Verſtärkungszahl aus; man verſteht darunter jene Zahl, welche
angiebt, um wie vielmal mehr Elektricität die Collectorplatte aufnehmen kann,
Urbanitzky: Elektricität. 8
[114] wenn ihr die Condenſatorplatte gegenüberſteht, als wenn letzteres nicht der Fall
iſt, die Collectorplatte alſo als einfacher Leiter benützt wird. Die Verſtärkungs-
zahl iſt hiernach der Quotient der Potentialwerthe der betreffenden Metallplatte
vor und während der Gegenüberſtellung einer Condenſatorplatte. Die Größe der
Verſtärkungszahl verſchiedener Condenſatoren hängt von verſchiedenen Umſtänden
ab; ſie wird geringer, wenn die Entfernung zwiſchen den beiden Platten vergrößert
wird, ſie wird größer, wenn man den Zuleitungsdraht zur Collectorplatte erheblich
verkürzt; ebenſo wirkt die Vergrößerung der Platten. Man erhält auch eine ſtärkere
Ladung, wenn man die Elektricität auf die Mitte der Platte leitet, als wenn der
Zuleitungsdraht an ihrem Rande befeſtigt wird. Ferner iſt auch die iſolirende
Zwiſchenſchicht von Einfluß. Erſetzt man die Luftſchicht zwiſchen beiden Platten
durch einen feſten Iſolator, ſo bekommt man eine ſtärkere Ladung der Platten,
weil ſowohl die Zerſtreuung durch die Luft entfällt, als auch dem Ueberſchlagen
eines Funkens durch einen ſtarren Iſolator ein größerer Widerſtand entgegengeſetzt
wird wie durch die Luftſchicht. Bei Anwendung eines ſtarren Iſolators ziehen ſich
die beiden Elektricitäten von den Metallplatten auf die oberſten Schichten des
Iſolators und kommen dadurch einander näher.


Wendet man als Schicht zwiſchen den beiden Platten des Condenſators
ſtarre Iſolatoren an, ſo äußert auch die Verſchiedenheit der Subſtanz der letzteren
eine Einwirkung auf die Ladung des Condenſators; dieſe Thatſache wurde zuerſt
von Faraday beobachtet, und dieſer nannte die Eigenſchaft eines Iſolators, unter
ſonſt gleichen Umſtänden in Folge ſeiner chemiſchen Zuſammenſetzung auf die Ladung
der Platten verändernd einzuwirken, die Dielektricität. Unter Dielektricitäts-
conſtante
eines Iſolators verſteht man die Zahl, welche angiebt, um wie viel-
mal größer die Ladung der Platten wird, wenn als Zwiſchenſchicht an Stelle der
Luft dieſer Iſolator zur Anwendung kommt; hierbei iſt natürlich vorausgeſetzt,
daß die übrigen Umſtände, welche auf die Ladung der Platten Einfluß ausüben
können, nicht geändert werden.


Boltzmann hat dieſe Verhältniſſe eingehend unterſucht und hierbei als
Dielektricitätsconſtante folgende Zahlen gefunden:


  • für Schwefel 3·84
  • „ Colophonium 2·55
  • „ Paraffin 2·32
  • „ Ebonit 3·15

Die Dielektricitätsconſtante z. B. für Ebonit beträgt 3·15, heißt alſo, wenn
zwiſchen den beiden Platten des Condenſators eine Ebonitſcheibe an Stelle der
Luftſchicht angewandt wird, ſo kann man die Ladung des Condenſators im erſten
Falle 3·15 mal ſtärker erhalten als im letzten. Da Schwefel, Paraffin u. ſ. w.
verſchieden auf die Ladung der Platten einwirken, muß offenbar in dieſen Körpern
ſelbſt ein elektriſcher Vorgang ſtattfinden. Als Träger dieſes Vorganges betrachtet
man die Moleküle des Iſolators und nimmt an, daß durch die Einwirkung der
elektriſchen Platten die Elektricität jedes Moleküles ſo vertheilt wird, daß ſeine
poſitive Elektricität ſich an das Ende des Moleküles begebe, welches der negativ
elektriſchen Platte zugewandt iſt, und die negative Elektricität des Moleküles ſich
an jenem Ende anſammle, welches der negativ elektriſchen Platte am nächſten ſteht.
Es werden dann alſo alle Moleküle des Iſolators ihre poſitiv elektriſchen Enden
der negativ elektriſchen Platte, ihre negativ elektriſchen Enden der poſitiv elektriſchen
[115] Platte zuwenden. Man nennt dieſen Zuſtand die dielektriſche Polariſation.
Boltzmann hebt hervor, daß ſich dieſe von den durch Leitung hervorgerufenen Er-
ſcheinungen weſentlich unterſcheide, da durch die Polariſation nie ein Strom entſtehe,
vielmehr die Bewegung der Elektricität mit der Herſtellung der Polariſation auch zu
Ende ſei; hierzu, alſo zum Richten der Moleküle, genüge aber eine unmeßbar kurze Zeit.


Wir hätten dieſe doch ſchon etwas ſubtileren Erſcheinungen nicht in den Kreis
unſerer Betrachtungen einbezogen, wenn es nicht Boltzmann gelungen wäre, zwiſchen
den Dielektricitätsconſtanten und der Lichtbrechung (richtiger dem Brechungsexponenten
und dem Coëfficienten der magnetiſchen Induction) eine äußerſt intereſſante Beziehung
aufzufinden. Allerdings können wir auf dieſe Beziehung nicht näher eingehen, wollen
aber doch darauf hinweiſen, daß dieſe wichtige Entdeckung einen
inneren Zuſammenhang zwiſchen dem Weſen des Lichtes und der
Elektricität erkennen läßt und ſomit geeignet iſt, uns der
Erkenntniß der Elektricität ſelbſt näher zu bringen. Dieſe
Beziehungen machen es wahrſcheinlich, daß die Elektricität eine
Bewegung des Aethers oder dieſer ſelbſt ſei.


Die Anwendung des Condenſators iſt eine zweifache:
man benützt ihn entweder dazu, Ekektricität von äußerſt ge-
ringer Dichtigkeit ſo weit zu verdichten, daß ſie bequem und
ſicher meßbar wird, oder zur Anſammlung von Elektricität,
welche eine kräftige Quelle liefert, und wozu ein gewöhnlicher
Leiter nicht mehr ausreicht. Apparate letzterer Art ſind die
Franklin’ſche Tafel und die Kleiſt’ſche Flaſche.


Zum Nachweiſe von Elektricitäten geringer Dichtigkeit
wurde der Condenſator zuerſt von Volta angewandt. Er
beſteht aus zwei gleich großen Metallplatten, welche an je einer
Fläche mit einem iſolirenden Firniß überzogen ſind. Mit dieſen
Flächen werden ſie aufeinander gelegt und dann bilden die
beiden Firnißüberzüge die iſolirende Zwiſchenſchicht. Gewöhnlich
wird eine der Metallplatten gleich auf den Zuleitungsſtift eines
Elektroſkopes aufgeſchraubt, während die zweite Platte mit
einem iſolirenden Glasgriffe verſehen iſt (Fig. 55). Hat man
einen Körper, deſſen elektriſche Dichte ſo gering iſt, daß ſie
mit Hilfe eines Elektroſkopes ſich nicht mehr direct nachweiſen
läßt, zu prüfen, ſo bedient man ſich des Condenſators in

Figure 55. Fig. 55.

Volta’s Condenſator.


folgender Weiſe: Man bringt die abhebbare Platte auf die an dem Elektroſkope
befeſtigte, wobei man die Vorſicht beobachten muß, jede Reibung zu vermeiden,
da ſonſt hierdurch die Firnißſchicht der Platte ſelbſt elektriſch würde; dann legt
man den zu prüfenden Körper an die untere Platte an, während man gleichzeitig
die obere Platte ableitend berührt. Erſtere erhält hierdurch Elektricität, welche
gleichnamig iſt mit jener des zu prüfenden Körpers, letztere wird durch Influenz
entgegengeſetzt elektriſch. Man hat alſo die untere Platte als Collector, die obere
als Condenſator benützt; man kann jedoch ebenſo gut die untere als Condenſator
und die obere als Collector verwenden, nur darf dann nicht vergeſſen werden,
daß das Elektroſkop entgegengeſetzte Elektricität anzeigt als der Körper beſitzt. In
jedem Falle hebt man nach der Ladung die obere Platte an dem iſolirenden Griffe
ab, worauf ſich die Elektricität der unteren Platte auf dieſer und den damit in
Verbindung ſtehenden Goldblättchen ausbreitet.


8*
[116]

Dieſes Verfahren erlaubt, nicht nur ſehr geringe Elektricitätsmengen überhaupt
nachzuweiſen, ſondern es geſtattet auch, mit Hilfe eines zweiten Verſuches die Art des
elektriſchen Zuſtandes zu beſtimmen. Wie wir bereits erfahren haben, genügt hierzu
die Annäherung einer geriebenen Glas- oder Harzſtange an das Elektroſkop. Hat
man jedoch Meſſungen auszuführen, ſo genügt hierzu der eben beſchriebene Apparat
keineswegs. Dazu bedient man ſich des von Kohlrauſch angegebenen Inſtrumentes,
deſſen Abbildung wir in Fig. 56 vorführen. Zwei Meſſingſcheiben t t im Durch-
meſſer von beiläufig 15 Centimeter ſind an horizontalen Stäben befeſtigt und
dieſe durch Schellack in die aus gut ausgetrocknetem Holze verfertigten Träger b
und c eingekittet. Die Scheiben ſind auf den einander zugewandten Flächen ver-
goldet, die Enden der Stäbe mit Klemmſchrauben zur Aufnahme der Leitungsdrähte
verſehen. Die Träger mit ihren Fußplatten ruhen auf der Grundplatte a des
ganzen Apparates, welche durch Stellſchrauben horizontal geſtellt werden kann.
Der Träger b läßt ſich gegen den Träger c verſchieben, zu welchem Behufe er

Figure 56. Fig. 56.

Condenſator nach Kohlrauſch.


an der Unterſeite ſeiner Fußplatte zwei Gabeln trägt, welche ein dreiſeitiges, auf
a befeſtigtes Stahlprisma umfaſſen; außerdem, um ein Umkippen auszuſchließen,
ſchleifen zwei in der Fußplatte angebrachte Stellſchrauben noch auf zwei Meſſing-
ſtreifen, die an der Grundplatte a angebracht ſind. Eine ſeidene Schnur, mit ihrem
einen Ende an b befeſtigt, dann über zwei Rollen laufend, trägt am anderen Ende
ein Gewicht und ſtrebt durch dieſes den Träger b gegen c zu bewegen. Die Aus-
führung dieſer Bewegung wird durch eine bei d angebrachte Feder ſo lange ge-
hindert, als dieſe nicht gehoben wird. Der Hangriff e dient dann dazu, die
Bewegung zu mäßigen oder auch, um b von c zu entfernen.


Der Träger c geſtattet keine fortſchreitende Bewegung gegen b, ſondern beſitzt
nur Vorrichtungen, um die an ihn befeſtigte Condenſatorplatte parallel zur Con-
denſatorplatte des Trägers b ſtellen zu können. Zu dieſem Zwecke iſt der Träger c
durch Schraube und Mutter bei f ſo befeſtigt, daß er ſich um dieſe drehen und
auch ein klein wenig neigen kann. Die Drehung, alſo die Bewegung der Fußplatte in
einer horizontalen Ebene, wird durch die Druckſchraube k und die ihr entgegenwirkende
Feder i bewirkt; die Neigung kann durch eine bei g befindliche Druckſchraube und
die dieſer entgegenwirkende Feder bei h verändert werden. Eine ſeitliche Neigung
[117] wird durch die Stellſchrauben beſeitigt, welche auf den Meſſingſtreifen der Grund-
platte a befeſtigt ſind.


Um die Condenſatorplatten ſtets genau auf dieſelbe Diſtanz einander nähern
zu können, iſt an dem Träger b ein Anſchlag m angebracht, während der Träger c
die Schraube n beſitzt. Man ſchiebt dann den Träger b ſo lange gegen c, bis
der Anſchlag m den Kopf der Schraube n berührt. Durch Drehen der Schraube n
kann dann natürlich im Vorhinein die Entfernung der Condenſatorplatten nach
Belieben beſtimmt werden.


Zu Meſſungen bedient man ſich des Apparates in folgender Weiſe: Man
führt die Condenſatorplatten gegeneinander, verbindet die eine durch den Zuleitungs-
draht mit der Elektricitätsquelle, welche zu prüfen iſt, die andere mit der Erde;
hierbei ſind die beiden Platten einander genähert. Dann entfernt man ſie von-
einander, wobei ſie in einen Abſtand von beiläufig 0·1 Meter kommen, und entladet
die Condenſatorplatte. Dieſe Entfernung von 0·1 Meter iſt hinreichend groß, um
eine Einwirkung beider Platten aufeinander auszuſchließen. Die Collectorplatte wird
dann in der Weiſe auf ihre Elektricität unterſucht, wie dies bereits früher bei der
Meſſung elektriſcher Ladungen angegeben wurde.


Als zweite Verwendungsart des Condenſators wurde ſeine Benützung zur
Anſammlung einer größeren Elektricitätsmenge, als ein Leiter an und für ſich
aufzunehmen im Stande iſt, bezeichnet. Hierzu dienen die Kleiſt’ſche Flaſche
(Leydener Flaſche) und die Franklin’ſche Tafel. Letztere kommt ihrer unbequemen
Form und leichten Zerbrechlichkeit wegen nur mehr wenig in Anwendung. Die Er-
findung der Verſtärkungsflaſche durch den Prälaten v. Kleiſt in Kammin wurde bereits
mitgetheilt (S. 14); dem können wir jetzt beifügen, daß Kleiſt noch nicht wußte, worauf
es bei der Wirkung der Flaſche ankommt. Wohl aber erkannte Musſchenbroek,
daß die Leiter (Waſſer oder Queckſilber in der Flaſche und die Hand auf ihrer
äußeren Fläche) auf den beiden Seiten des Iſolators (Glaſes) Beſtandtheile ſind,
die nicht fehlen dürfen. Nollet ſtudirte dann eingehend das Verhalten der Flaſche
und nannte ſie, wie wir wiſſen, Leydener Flaſche.


Die elektriſche Flaſche hat ſeit dieſer Zeit die verſchiedenſten Geſtalten be-
kommen. Eine recht zweckmäßige und gegenwärtig gebräuchliche Form iſt in Fig. 57
abgebildet. Ein cylindriſches, ſtarkwandiges Glas iſt an ſeiner Innen- und Außen-
fläche mit Stanniol überklebt, ſo zwar, daß am oberen Rande ein mäßig breiter
Streifen des Cylinders frei bleibt. Dieſen läßt man dann entweder ſo wie er iſt
oder man verſieht ihn wohl auch mit einem Siegellackfirniſſe. In den Cylinder
hinein ſtellt man einen Dreifuß aus Meſſingdraht, deſſen untere Enden zweckmäßig
mit Metalllitzen verſehen werden, um einen guten Contact zwiſchen dem Dreifuße
einerſeits und der Belegung im Inneren des Cylinders andererſeits zu ſichern.
Oben vereinigen ſich die horizontalen Theile des Dreifußes in einer Meſſingkugel,
die ihrerſeits einen abermals mit einer Meſſingkugel verſehenen Meſſingſtab trägt.
Dieſe Vorrichtung iſt auf der linken Seite der Figur getrennt von der Flaſche
gezeichnet.


Eine Kleiſt’ſche Flaſche kann man ſich ſelbſt ſehr leicht herſtellen in der Form,
wie ſie die Fig. 58 zeigt. Man benützt dazu eine gewöhnliche Medicinflaſche, über-
zieht dieſe an der Außenfläche mit Stanniol, ſo daß der Hals und das obere Stück
des cylindriſchen Theiles frei bleiben und verſieht die Innenſeite bis zur ſelben
Höhe mit irgend einem Metallpulverüberzuge, alſo z. B. mit Eiſenfeile. Man
bewirkt letzteres, indem man in die Flaſche eine hinreichende Menge aufgelöſtes
[118] arabiſches Gummi bringt und durch entſprechendes Drehen der Flaſche ihre ganze
Innenfläche, mit Ausnahme des oben freizulaſſenden Raumes, benetzt. Dann
ſchüttet man Metallpulver hinein, dreht die Flaſche neuerdings und läßt den
Ueberſchuß des Pulvers wieder herausfallen. Die Innenfläche erſcheint dann an
allen Stellen, welche durch die Gummilöſung benetzt wurden, mit dem Metallpulver
überzogen. Iſt der Ueberzug getrocknet, ſo verſchließt man die Flaſche durch einen
Korkſtöpſel, welchen man in der Mitte durchbohrt hat. In dieſe Durchbohrung
wird dann ein Metalldraht geſteckt, der oben eine Kugel trägt und mit ſeinem
unteren Ende das Metallpulver entweder direct oder durch Vermittlung angeknüpfter
Metalllitzen berührt. Der Glasrand ohne Belegung kann ebenfalls mit einer Löſung
von Siegellack in ſtarkem Weingeiſte überſtrichen werden.


Figure 57. Fig. 57.
Figure 57. Fig. 58.

Kleiſt’ſche oder Leydener Flaſchen.


Die Ladung einer Flaſche wird gewöhnlich in der Weiſe bewerkſtelligt, daß
man ſie bei der äußeren Belegung in die Hand nimmt und die Kugel an den
Conductor der Elektriſirmaſchine anlegt. Die Elektricität des Conductors ſtrömt
dann auf die Kugel der Flaſche und gelangt durch den die Kugel tragenden
Metallſtab auf die innere Belegung. Hier wirkt die Elektricität influenzirend auf
die äußere Belegung, zieht die Influenz-Elektricität erſter Art an und hält ſie feſt,
während die Influenz-Elektricität zweiter Art durch die Hand und den menſchlichen
Körper in die Erde zurückgeſtoßen wird. Natürlich kann man auch die äußere
Belegung durch einen Draht mit der Erde in leitende Verbindung ſetzen, ſtatt ſie
mit der Hand zu halten. In beiden Fällen bildet die innere Belegung die Collector-
platte und die äußere die Condenſatorplatte. Man ſagt, die Flaſche iſt poſitiv
geladen, wenn man der inneren Belegung poſitive Elektricität zugeführt hat, wenn
alſo die Kugel der Flaſche mit dem poſitiven Conductor einer Elektriſirmaſchine in
Verbindung ſtand. Selbſtverſtändlich kann aber auch der negative Conductor zur
Ladung benützt werden; dann iſt die Flaſche negativ geladen.


[119]

Die Franklin’ſche Tafel iſt in Fig. 59 abgebildet. Das hölzerne Geſtell h
trägt eine Glastafel g, welche bis auf einen einige Centimeter breiten Rand beider-
ſeits mit Stanniol s s belegt iſt. Der Rand kann blank gelaſſen oder mit einem
Firnißüberzuge verſehen werden. Um die Tafel zu laden, wird die Belegung der
einen Fläche mit der Elektricitätsquelle in Verbindung geſetzt, während man von
der andern Belegung einen Draht zur Erde führt. Um letzteres bequem in der
Hand zu haben, iſt an dem Holzrahmen bei l ein Charnier angebracht, in welchem
ſich der mit einer Kugel verſehene Meſſingarm k l dreht; nach unten trägt das
Charnier ein Häkchen zur Aufnahme des Leitungsdrahtes. Wird die Kugel k in
die punktirt gezeichnete Stellung gedreht, ſo berührt ſie die Stanniolbelegung und
vermittelt dadurch die Ableitung der Elektricität zur Erde. In dem Verhalten bei
der Ladung und Entladung zeigt ſich zwiſchen der Franklin’ſchen Tafel und der
Kleiſt’ſchen Flaſche kein Unterſchied.


Um ſehr kräftige Ladungen zu erhalten, kann man ſich natürlich auch ſehr
großer Tafeln oder Flaſchen bedienen, da, wie bei
Erklärung des Condenſators geſagt wurde, die
Verſtärkungszahl mit der Größe der Metallplatten,
alſo hier der Belegungen, zunimmt. Es wurden
auch in der That ſchon Flaſchen von ganz be-
deutender Größe hergeſtellt; doch iſt nicht nur deren
Handhabung eine unbequeme, ſondern die Vergröße-
rung kann auch begreiflicherweiſe nicht beliebig weit
getrieben werden. Es wird daher, wenn man ſehr
kräftiger Ladungen bedarf, ein anderer Weg ein-
geſchlagen. Dieſer beſteht darin, daß man an Stelle
einer Flaſche deren mehrere nimmt und ihre Belegun-
gen untereinander verbindet. In dieſem Falle wird
eine größere Anzahl von Flächen geladen und folglich
muß man auch eine größere Wirkung erhalten. Dabei
darf man aber nicht außer Acht laſſen, daß die Ver-
ſtärkungszahl mit der Größe der wirkſamen Fläche
wächſt, daß es alſo für die Wirkung nicht gleich-

Figure 58. Fig. 59.

Franklin’ſche Tafel.


giltig ſein kann, ob man eine große oder viele
kleine
Flächen anwendet. Es wird vielmehr eine beſtimmte Anzahl kleiner Flaſchen,
deren innere Belegungen ebenſo untereinander leitend verbunden ſind wie deren
äußere, ſchwächer wirken wie eine große Flaſche, deren wirkſame Fläche gleich iſt
der Summe der wirkſamen Flächen aller kleinen Flaſchen. Dabei verſteht man unter
der wirkſamen Fläche die innere Belegung einer Flaſche. Eine ſolche Zuſammen-
ſtellung von Flaſchen — elektriſche Batterie — wird alſo, gleiche wirkſame Fläche
vorausgeſetzt, eine deſto kräftigere Ladung geſtatten, je geringer die Anzahl der
Flaſchen iſt, oder, was hier dasſelbe bedeutet, je größer die einzelnen Flaſchen
ſind. Ferner kann man beiläufig annehmen, daß bei gleich großen Flaſchen die
Ladungsfähigkeit der Batterie im geraden Verhältniſſe mit der Zahl der Flaſchen
wächſt, daß alſo z. B. acht Flaſchen eine viermal ſo große Ladung ermöglichen
als zwei Flaſchen.


Eine zweckmäßige und bequem zu handhabende Zuſammenſtellung von Flaſchen
zu einer Batterie zeigt Fig. 60. Ein auf Glasfüßen ruhender Tiſch iſt auf der
Oberſeite ſeiner Platte mit Meſſingſtreifen derart belegt, daß dieſe die äußeren
[120] Belegungen der darauf geſtellten Flaſchen ſämmtlich leitend untereinander verbinden.
Die Kugeln der Flaſchen ſelbſt tragen Bügel aus Meſſing, die gleichfalls in Kugeln
endigen und an den Kugeln der Flaſchen drehbar befeſtigt ſind. Die in der Mitte
des Tiſches ſtehende Flaſche beſitzt eine bedeutend größere Kugel (B) wie die
übrigen, und an dieſe werden die vorhin erwähnten Bügel der im Kreiſe ſtehenden
Flaſchen angelegt. Hierdurch iſt auch die Verbindung der inneren Belegungen
ſämmtlicher Flaſchen untereinander hergeſtellt. Will man eine geringere Flaſchenzahl
benützen, ſo hat man blos die Metallbügel der überzähligen Flaſchen ſo weit zu
drehen, daß ſie von der mittleren Kugel hinlänglich weit entfernt ſind, um ein
Funkenüberſchlagen hintanzuhalten.


Figure 59. Fig. 60.

Flaſchen-Batterie.


Um die Batterie zu laden, legt man den auf der Kugel B angebrachten, in
einer kleinen Meſſingkugel endigenden Arm an den Conductor A einer Elektriſir-
maſchine und verbindet die äußeren Belegungen der Flaſchen leitend mit der Erde.
Zu dieſem Behufe geht einer der Meſſingſtreifen auf der Oberfläche des Tiſches
bis an den Rand desſelben und trägt dort ein Häkchen, in welches der ableitende
Draht eingehängt wird (auf der linken Seite der Zeichnung ſichtbar).


Die Batterie iſt dann vollſtändig geladen, wenn ihr ſo viel Elektricität
zugeführt worden iſt, als alle Flaſchen zuſammengenommen faſſen können. Braucht
alſo eine Flaſche zu ihrer Ladung mit einer beſtimmten Elektricitätsquelle eine
beſtimmte Anzahl von Secunden, ſo brauchen alle Flaſchen zuſammen eben ſo oft-
[121] mal dieſe Anzahl Secunden, als die Batterie Flaſchen beſitzt. Man kann jedoch
auch die ganze Batterie in der Anzahl von Secunden, welche nur eine Flaſche
braucht, laden, alſo die Ladungszeit erheblich abkürzen, wenn man die Flaſchen in
einer andern als der angegebenen Weiſe miteinander verbindet. Man ſtellt ſie
nämlich iſolirt voneinander und von der Erde auf, führt dann einen Leitungsdraht
von der äußeren Belegung der erſten Flaſche zu der inneren der zweiten Flaſche,
einen Leitungsdraht von der äußeren Belegung der zweiten Flaſche zur inneren
Belegung der dritten Flaſche u. ſ. w. bis zur letzten Flaſche, deren äußere Be-
legung mit der Erde in leitende Verbindung geſetzt wird. Der inneren Belegung
der erſten Flaſche führt man dann die Elektricität, welche von der Elektriſirmaſchine
geliefert wird, zu. Eine derartig angeordnete Flaſchenbatterie nennt man Cascaden-
batterie
.


Führt man bei der Cascadenanordnung der inneren Belegung der erſten
Flaſche Elektricität zu, z. B. poſitive, ſo wirkt dieſe bekanntlich influenzirend auf
die äußere Belegung; letztere wird negativ elektriſch werden und die poſitive
Influenzelektricität fließt durch den Verbindungsdraht auf die innere Belegung der
zweiten Flaſche ab. Die poſitive Elektricität auf der inneren Belegung der zweiten
Flaſche wirkt nun abermals vertheilend auf die äußere Belegung dieſer Flaſche,
bindet dort die negative Elektricität und treibt die poſitive auf die innere Belegung
der dritten Flaſche u. ſ. w.; die poſitive Influenzelektricität der äußeren Belegung
der letzten Flaſche fließt endlich zur Ende ab. Da auf guten Leitern die Influenz-
wirkung in unmeßbar kurzer Zeit erfolgt, werden daher alle Flaſchen, alſo die
ganze Batterie, in jener Zeit ihre volle Ladung erreicht haben, in welcher die erſte
Flaſche vollſtändig geladen iſt.


Vergleicht man jedoch die Stärke der Geſammtladungen der Batterien in
der einen mit jener in der andern Verbindungsweiſe der Flaſchen, ſo findet man,
daß die Geſammtladung in der Cascadenbatterie eine geringere Stärke beſitzt, als
jene der gewöhnlichen. Es hat dies darin ſeinen Grund, daß mit Ausnahme der
erſten alle übrigen Flaſchen nur durch Influenzwirkung geladen werden.


Die Ladungsfähigkeit einer Batterie, beziehungsweiſe einer Flaſche hängt
aber nicht blos von den eben erörterten Bedingungen ab, ſondern ſie wird auch
noch durch die Dicke des Glaſes beeinflußt. Eine Flaſche wird unter ſonſt gleichen
Umſtänden eine deſto ſtärkere Ladung annehmen können, je dünner das Glas iſt.
Man darf jedoch, in der Abſicht die Flaſche wirkſamer zu machen, keine allzu dünnen
Gläſer nehmen, da ſonſt die Anziehung zwiſchen den beiden entgegengeſetzten
Elektricitäten beider Belegungen ſo kräftig wird, daß ſie den Widerſtand des
Iſolators überwindet und beide Elektricitäten ſich durch das Glas hindurch aus-
gleichen. An der Stelle, an welcher der Ausgleich erfolgt, erſcheint dann das
Glas durchbohrt und die Flaſche iſt in dieſem Zuſtande unbrauchbar. Sie kann
wieder verwendet werden, wenn man die beiderſeitige Stanniolbelegung im Umkreiſe
der Durchſchlagſtelle entfernt.


In Fig. 60 iſt links unten ein kleiner Apparat abgebildet, deſſen Zweck
noch zu erklären iſt. Er führt den Namen Lane’ſche Maßflaſche und dient zur
Beſtimmung der mittleren Dichtigkeit der in der Batterie angeſammelten Elektricität.
Jeder Dichte, alſo auch jedem beſtimmten Potentialwerthe der Elektricität auf einem
Körper entſpricht eine beſtimmte Schlagweite des auf einen genäherten Leiter über-
ſpringenden Funkens. Sonach kann, wenn die Schlagweite unverändert bleibt, die
Zahl der überſchlagenden Funken zur Meſſung der mittleren Dichtigkeit verwendet
[122] werden. Dieſe Art der Meſſung hat jedoch den Uebelſtand, daß hierbei gleichzeitig
auch die Batterie entladen wird. Dieſer Mangel kann aber in nachſtehender Weiſe
beſeitigt werden. Bekanntlich iſt die Menge der Influenzelektricität unter ſonſt
gleichen Umſtänden der erregenden Elektricität proportional. Benützt man daher
zur Meſſung einer Ladung die Influenzelektricität zweiter Art, welche gewöhnlich
in die Erde abgeleitet wird, ſo kann man die Dichte beſtimmen, ohne die Batterie
gleichzeitig zu entladen. Dies iſt nun auch der Zweck der Lane’ſchen Maßflaſche.
Sie beſteht aus einer Kleiſt’ſchen Flaſche E (Fig. 60), welche auf einer leitenden
Unterlage aufgeſtellt wird. In ihrer unmittelbaren Nähe iſt ein Glasſtab befeſtigt,
der die Meſſinghülſe D trägt. In dieſer läßt ſich ein Meſſingſtab horizontal
verſchieben, ſo daß die an einem Ende des Stabes befindliche Kugel der Kugel
der Kleiſt’ſchen Flaſche mehr oder weniger genähert werden kann. Das andere
Ende des Stabes iſt mit einem Häkchen oder beſſer mit einem Ringe verſehen,
an welchem ein dünner Draht F befeſtigt iſt, welcher zu einem Ringe an der Metall-
platte führt, die der Flaſche als Unterlage dient. Die Kugel der Flaſche, alſo
deren innere Belegung, iſt durch den Draht C mit der äußeren Belegung der
Batterie leitend verbunden. Letztere ſteht in dieſem Falle mit der Erde in keiner
leitenden Verbindung.


Führt man der inneren Belegung der Batterie durch die Kugel B die poſitive
Elektricität des Conductors A der Elektriſirmaſchine zu, ſo erregt dieſe beiderlei
Influenzelektricitäten auf den äußeren Belegungen der Flaſchenbatterie. Die Influenz-
elektricität erſter Art, in unſerem Falle negative Elektricität, wird an der äußeren
Belegung feſtgehalten, die Influenzelektricität zweiter Art, alſo die poſitive, fließt
durch den Draht C zur inneren Belegung der Maßflaſche E. Dort erregt ſie auf
der äußeren Belegung abermals Influenzelektricität, welche ſich durch den Draht F
auch auf den horizontalen Meſſingſtab und ſeine Kugel ausbreiten muß. Iſt die
Entfernung der beiden Kugeln der Maßflaſche voneinander feſtgeſtellt, ſo wird bei
einer beſtimmten Ladung der Maßflaſche dieſe ſich entladen. Im überſpringenden
Funken gleichen ſich nun die beiden entgegengeſetzten Ladungen auf den Belegungen
der Maßflaſche aus; dadurch wird aber auch die in der Batterie erregte Influenz-
elektricität zweiter Art vernichtet und deshalb wird auch die Batterie bei An-
wendung der Maßflaſche nicht mit der Erde leitend verbunden. Behält man die
Stellung beider Kugeln der Lane’ſchen Flaſche bei, ſo wird deren Selbſtentladung
immer bei derſelben Stärke ihrer Ladung eintreten. Die Zahl der überſchlagenden
Funken kann daher als Maß der mittleren Dichte in der Batterie benützt werden,
indem man die Zahl der überſpringenden Funken durch die Anzahl der Flaſchen
in der Batterie dividirt. Die Einheit bei dieſer Maßbeſtimmung bildet hierbei
natürlich jene Elektricitätsmenge, welche zugeführt werden muß, um ein einmaliges
Ueberſchlagen des Funkens zu bewirken.


Bei dieſer Art Meſſung ſind jedoch einige Vorſichten zu beobachten. So
darf die Batterie nicht in der Weiſe geladen werden, daß man vom Conductor
der Elektriſirmaſchine Funken überſchlagen läßt, ſondern die Zuleitung muß mit
dem Conductor einerſeits und der Batterie andererſeits in ununterbrochener leitender
Berührung ſein. Iſt dies nicht der Fall, ſo kann es geſchehen, daß nach dem
Ueberſchlagen einer gewiſſen Anzahl von Funken aus dem Conductor in die Batterie
die Lane’ſche Flaſche ſoweit geladen wird, daß nur mehr eine äußerſt geringe
Menge Elektricität nothwendig iſt, um die Selbſtentladung der Flaſche herbei-
zuführen. Nun ſchlägt aber neuerdings ein kräftiger Funke vom Conductor auf
[123] die Batterie über und führt dieſer eine viel größere Menge Elektricität zu, als
zur Vollendung der Ladung in der Lane’ſchen Flaſche erforderlich iſt. In dieſer wird
nun natürlich die Selbſtentladung eintreten, aber bei dieſer die geſammte aus der
Batterie abgefloſſene Influenzelektricität zweiter Art vernichtet werden. Die Lane’ſche
Flaſche würde daher nicht die Vorausſetzung erfüllen, daß ſie ſich immer bei
derſelben Ladung ſelbſt entladet, und die Meſſung muß deshalb unbrauchbar
werden.


Ein anderer Umſtand, der noch in Betracht kommt, iſt der, daß ſich eine
Kleiſt’ſche Flaſche durch einen Funken nicht vollſtändig entladet, ſondern noch
Elektricität zurückbehält. Es muß daher auch zwiſchen der Ladung der Lane’ſchen
Flaſche bei ihrer erſten Selbſtentladung und bei der darauffolgenden eine Differenz
beſtehen. Um die erſte Selbſtentladung herbeizuführen, muß offenbar eine größere
Menge Elektricität zugeführt werden, als bei der darauffolgenden. Dieſe Ungenauigkeit
beſeitigt man dadurch, daß man die Lane’ſche Flaſche vor ihrer Benützung zur
Meſſung einmal bis zur Selbſtentladung ladet.


Die elektriſche Entladung und ihre Wirkungen.

Es wurde ſchon wiederholt das Wort Entladung gebraucht, vom Entladen
elektriſirter Körper und vom Ableiten der Elektricität geſprochen. Wir haben
nun die Entladung ſelbſt zu betrachten und uns mit deren Wirkungen bekannt zu
machen.


Setzt man einen elektriſirten Körper durch einen Draht mit der Erde in
leitende Verbindung, ſo wird ihm ſeine ganze Elektricität entzogen. Der Vorgang
hierbei iſt in der Art aufzufaſſen, daß die Elektricität des Körpers durch den
Draht zur Erde abfließt und ſich auf dieſer ausbreitet. Da jeder Körper, ſo groß
wir ihn auch herſtellen mögen, im Verhältniß zur Erde doch verſchwindend klein,
alſo die Erde unendlich groß genannt werden muß, ſo iſt begreiflich, daß der
elektriſche Zuſtand der letzteren keine Aenderung erfährt, wie viel Elektricität ihr
auch zugeführt werden mag. Wir ſagten daher, das elektriſche Potential der Erde
ſei ſtets gleich Null. Das Entladen eines elektriſirten Körpers in der Weiſe, daß
man dieſen mit der Erde in leitende Verbindung ſetzt, beſteht ſonach darin, daß
Elektricität von einem Körper, deſſen Potentialniveau eine beſtimmte Größe hat,
zu der Erde, deren Potentialniveau gleich Null iſt, abfließt. Während der Ent-
ladung bewegt ſich daher die Elektricität durch den Leiter zur Erde; dieſe
Bewegung nennt man einen elektriſchen Strom, oder, da hierbei der elektriſirte
Körper ſeiner Elektricität beraubt wird, einen Entladungsſtrom.


Wir haben aber auch einem unelektriſchen Körper wiederholt Elektricität
zugeführt, indem wir ihn mit einem elektriſchen Körper, z. B. dem Conductor
einer Elektriſirmaſchine, in leitende Verbindung ſetzten. In dieſem Falle ſtrömt ſo
lange Elektricität vom Conductor auf den Körper, bis beide dasſelbe Potential-
niveau beſitzen. Ein ſolcher Strom muß alſo jedesmal auftreten, wenn ein Körper,
deſſen Potentialniveau höher iſt, mit einem Körper niedrigeren Potentialniveaus
leitend verbunden wird. Auch in dieſem Falle herrſcht während der Ausgleichung
beider Potentialniveaus eine Bewegung der Elektricität durch den verbindenden
Leitungsdraht und iſt hierbei die Bewegung von dem Körper höheren zu dem
niederen Potentialniveaus gerichtet.


[124]

Aus dieſem Verhalten folgt, daß ein Körper durch Ableitung der Elektricität
nur dann vollkommen entladen werden kann, wenn man ihn mit der Erde in
leitende Verbindung ſetzt; der Strom, der hierbei in dem ableitenden Drahte auf-
tritt, währt ſo lange, als noch irgend welche Menge der Elektricität auf dem
Körper vorhanden iſt.


Auch noch einer zweiten Art der Entladung wurde bereits Erwähnung
gethan, namentlich bei der Selbſtentladung einer Kleiſt’ſchen Flaſche. Hier iſt jedoch der
Vorgang ein anderer; es wird nicht ein elektriſirter Körper mit einem unelektriſchen
in leitende Verbindung gebracht, ſondern man verbindet zwei einander entgegen-
geſetzt elektriſche Flächen, nämlich die äußere und die innere Belegung der Flaſche,
miteinander. Bei der Lane’ſchen Flaſche ſteht, wenn dieſe Ausdrucksweiſe der Kürze
wegen geſtattet wird, das Ende der äußeren Belegung in Form einer Kugel der

Figure 60. Fig. 61.

Entladung einer Leydener Flaſche durch den gewöhnlichen
Auslader.


Kugel der inneren Belegung
in geringer Entfernung gegen-
über. Die Flaſche wird ent-
laden, d. h. unelektriſch,
indem ſich die beiden ent-
gegengeſetzten Elektricitäten
der Belegungen durch die
Luft hindurch in Form eines
hellleuchtenden Funkens neu-
traliſiren. Der Ausgleich
beider Elektricitäten wird durch
die gegenſeitige Anziehung be-
wirkt. Durch den Verbin-
dungsdraht beider Belegungen
ſtrömt daher während der Ent-
ladung ſowohl Elektricität von
der äußeren zur inneren Be-
legung, als auch Elektricität
entgegengeſetzter Art in der
umgekehrten Richtung. Bei-
dieſer Art der Entladung tritt
alſo ein Doppelſtrom auf.


Ein Doppelſtrom muß
aber auch dann erfolgen, wenn
ein elektriſirter Körper einem nicht elektriſirten Körper genähert wird, was
jedesmal geſchehen muß, bevor man den elektriſchen Körper mit dem un-
elektriſchen leitend verbindet. In dem Momente, in welchem man mit dem
Drahte, welcher die Verbindung herſtellen ſoll, dem elektriſchen Körper nahe kommt,
wird ja, wie wir wiſſen, auf dem nicht elektriſchen Drahte Influenzelektricität er-
regt; die ungleichnamige Influenzelektricität tritt dann an das dem elektriſchen
Körper nächſte Ende des Drahtes und bevor dieſes noch mit dem elektriſchen
Körper in Verbindung gebracht wird, ſieht man den Funken überſpringen. Es
iſt deshalb auch in dieſem Falle und daher in allen Fällen angezeigter, die Ent-
ladung als einen Doppelſtrom ſich zu denken. Unter der Stromrichtung bei einem
ſolchen Doppelſtrome hat man dann die Richtung des poſitiven Stromes zu
verſtehen.


[125]

Aus obigen Auseinanderſetzungen erſieht man, daß bei jeder Art der
Entladung ein Funke auftritt: bei der Selbſtentladung dann, wenn die Spannung
zwiſchen den beiden Kugeln, welche mit den Belegungen der Flaſche in Verbindung
ſtehen, hinlänglich groß geworden iſt, um den Luftwiderſtand zu überwinden, bei
der Ableitung von Elektricität durch einen Leitungsdraht vor der Berührung des
letzteren mit dem elektriſchen Körper. Man nennt dieſen Funken den Entladungs-
ſchlag
und die Entfernung, welche der Funke hierbei überſpringt, die Schlag-
weite
. Daß letztere eine ſehr verſchiedene ſein kann, iſt wohl ſelbſtverſtändlich;
ſie wird größer ſein, wenn dem Körper eine größere Menge Elektricität mitgetheilt
wurde, alſo ſeine Dichte eine größere iſt, kleiner, wenn nur geringe Elektricitäts-
mengen vorhanden ſind.


Um Entladungsſchläge bequem herbeiführen zu können, bedient man ſich
verſchiedener Apparate: einen derſelben haben wir bereits kennen gelernt. Es iſt
dies der Entlader, welcher den Reibungs-Elektriſirmaſchinen gewöhnlich beigegeben

Figure 61. Fig. 62.

Henley’s allgemeiner Auslader.


wird. (Siehe S. 100, Fig. 47 E.) Um eine Kleiſt’ſche Flaſche zu entladen, benützt
man die in Fig. 61 abgebildete Vorrichtung. Dieſer einfache Entlader beſteht
aus zwei miteinander drehbar verbundenen Metallſtäben, welche an ihren freien
Enden kleine Meſſingkugeln tragen. Ueberdies beſitzt dieſe Metallgabel entweder
an ihrem Gelenke eine Handhabe oder es iſt an jedem Schenkel ein gläſerner
Griff angebracht. Will man mit dieſem Entlader eine Flaſche entladen, ſo legt
man, wie dies die Figur zeigt, die Kugel des einen Schenkels an die äußere
Belegung der Flaſche an und bringt durch Drehung die Kugel des zweiten
Schenkels der Kugel der Flaſche ſo nahe, bis der Funke überſchlägt.


Will man jedoch die Entladungsſchläge und deren Wirkungen auf etwa
dazwiſchen geſchaltete Körper ſtudiren, ſo würde die Manipulation mit dem ein-
fachen Auslader zu umſtändlich ausfallen. In dieſem Falle verwendet man den
Henley’ſchen oder allgemeinen Auslader, wie er in Fig. 62 dargeſtellt iſt.
Auf einem Holzbrette ſind drei Glasröhren a, b und c vertical befeſtigt. Die
Glasröhren a und c tragen die Arme des Entladers, b ein Tiſchchen, auf welches
man jene Körper legen kann, durch welche die Entladungsſchläge gehen ſollen.
[126] Das Tiſchchen, ſowie auch die Arme können höher oder tiefer geſtellt werden,
indem ſowohl erſteres, als auch letztere nicht unmittelbar an den betreffenden
Glasröhren, ſondern an Metallſtäben befeſtigt ſind, welche in die Röhren ein-
geſchoben und durch die Klemmſchrauben s in der gewünſchten Höhe feſtgehalten
werden. Die Metallſtäbchen in den Röhren a und c beſitzen an ihren oberen
Enden Gelenke, um welche ſich die Hülſen h und mit ihnen die durchgeſchobenen
Arme in verticaler Ebene drehen können. Die Arme des Entladers können durch
Verſchieben in den Hülſen h einander genähert oder voneinander entfernt werden,
und haben an den einander zugekehrten Enden Schraubengewinde eingeſchnitten,
mittelſt welcher Kugeln k oder auch Spitzen oder Scheiben befeſtigt werden können.
Die anderen Enden der Entladerarme tragen Ringe oder Klemmſchrauben S zur
Aufnahme der Zuleitungsdrähte.


Zur Beſtimmung und Unterſuchung der Schlagweite oder überhaupt zu
meſſenden Verſuchen verwendet man das Funkenmikrometer von Rieß. Dieſes

Figure 62. Fig. 63.

Funkenmikrometer
von Rieß.


beſteht aus einem ſchweren Metallfuße A, Fig. 63, auf
welchem eine Metallplatte horizontal befeſtigt iſt. Letztere
trägt einerſeits eine verticale Glasſäule, die an ihrem
oberen Ende mit einem verticalen Metallzapfen und einer
horizontalen Klemmſchraube zur Aufnahme eines Zu-
leitungsdrahtes verſehen iſt, andererſeits einen auf der
Platte verſchiebbaren Schlitten. Die zweite verticale Glas-
ſäule, an ihrem oberen Ende ebenſo wie die erſte be-
ſchaffen, iſt auf dem Schlitten befeſtigt. Die verticalen
Zapfen an den oberen Enden der Säulen dienen zum
Aufſtecken von Kugeln u. dergl. Die Bewegung des
Schlittens wird durch eine ſehr feine Schraube (Mikro-
meterſchraube) bewirkt und die Größe der Verſchiebung
an der Theilung abgeleſen.


Rieß hat mit ſeinem Funkenmikrometer eine große
Anzahl von Verſuchen durchgeführt und die geſetzmäßigen
Beziehungen zwiſchen Schlagweite und Dichtigkeit beſtimmt.
So unterſuchte er die Schlagweiten bei dem früher
beſchriebenen Anſammlungs-Apparate, ſowohl wenn Collec-
tor- und Condenſatorſcheibe einander gegenübergeſtellt waren, als auch mit der
Collectorſcheibe allein. Die Schlagweite wurde hierbei beſtimmt, indem man die
bewegliche Kugel der feſtſtehenden durch Vermittlung der Mikrometerſchraube ſo lange
näherte, bis der Funke überſprang; die Ableſung an der Theilung gab dann die
Entfernung der beiden Kugeln voneinander, alſo die Schlagweite. Rieß ſchloß aus
ſeinen Verſuchen, daß die Schlagweiten an einem Punkte der inneren Belegung
eines Anſammlungs-Apparates der elektriſchen Dichtigkeit in dieſem Punkte pro-
portional ſeien. Wird alſo eine Batterie immer an derſelben Stelle ihrer inneren
Belegung entladen, ſo iſt ihre Schlagweite der mittleren Dichtigkeit der Elektrici-
tät in der Batterie proportional.


Rijke, der ſich mit demſelben Gegenſtande befaßte, fand jedoch, daß das
von Rieß aufgeſtellte Geſetz nur annäherungsweiſe Geltung beſitze und daß die
Schlagweite etwas ſchneller wachſe wie die Dichtigkeit. Rijke hat auch zur
Berechnung der Schlagweite aus der Dichtigkeit eine Formel aufgeſtellt, und die
nach dieſer Formel berechneten Schlagweiten ſtimmen mit den wirklich beobachteten
[127] beſſer überein, als die nach dem Rieß’ſchen Geſetze berechneten. Nachſtehende Tabelle
(aus Wüllner’s Exp. Phyſ.) läßt dies deutlich erkennen:

Es iſt bei dieſen Verſuchen von Rijke jedoch nicht zu überſehen, daß die
Uebereinſtimmung zwiſchen berechneten und beobachteten Schlagweiten hauptſächlich
bei ſehr kleinen Schlagweiten zu Gunſten der Anſicht von Rijke ſpricht, während
bei größeren Schlagweiten die nach dem Geſetze von Rieß berechneten Werthe eben
ſo gut mit den Beobachtungen übereinſtimmen. Für die Entladungen von Bat-
terien kann man daher das Geſetz von Rieß um ſo eher gelten laſſen, je größer
die Schlagweiten werden, denn dann ſind ſie wirklich der mittleren Dichtigkeit
proportional.


Aus dieſem Satze folgt, daß die Schlagweite unabhängig ſein muß von der
Beſchaffenheit des Schließungsbogens, d. h. der Mikrometerkugeln und Zuleitungs-
drähte. Die Richtigkeit dieſes Satzes wurde auch in der That durch das Experi-
ment beſtätigt. Wohl aber zeigt ſich eine Verſchiedenheit der Luftſchichte, welche
der Funke durchſchlagen muß, von Einfluß auf die Schlagweite; letztere wird
kleiner, wenn die Dichte der Luft eine größere wird. Aber nicht nur dieſe phyſi-
kaliſche Beſchaffenheit der Gasſchichte übt auf die Schlagweite Einfluß aus, ſondern
auch die chemiſche Zuſammenſetzung. Nach Verſuchen von Faraday iſt die Schlag-
weite in gasförmiger Salzſäure (Chlorwaſſerſtoff) bedeutend kleiner, im Waſſer-
ſtoffgaſe größer als in Luft.


Der elektriſche Funke tritt aber nicht blos dann auf, wenn zwei entgegen-
geſetzt elektriſche Körper einander genähert werden, ſondern auch dann, wenn man
einem elektriſchen Körper die Hand oder irgend einen Leiter nahe genug bringt.
Was iſt nun eigentlich der elektriſche Funke? Man denke ſich zwei entgegengeſetzt
elektriſche Körper, z. B. Meſſingkugeln mit elektriſchen Pendeln verſehen und ein-
ander genähert; ſobald die Entfernung der Kugeln bis zu einer beſtimmten, von
der Stärke der Ladung abhängigen Größe abgenommen hat, leuchtet der elektriſche
Funke zwiſchen beiden Kugeln auf. Gleichzeitig fallen die Kugeln der elektriſchen
Pendel zuſammen und zeigen hierdurch an, daß die beiden Leiter entladen ſind.
Hiernach iſt alſo der elektriſche Funke als ein Ausgleich beider Elektricitäten durch
die Luft hindurch aufzufaſſen; er entſteht, ſobald die beiden einander gegenüber-
ſtehenden Elektricitäten ſtark genug ſind, den Widerſtand der ſchlecht leitenden Luft
zu überwinden. Die heftige Erſchütterung, welche hierbei die Luft und die Aether-
theilchen erfahren, iſt dann die Urſache der Schall-, Licht- und Wärmewirkung
des Funkens.


Das Ueberſchlagen eines Funkens bei Annäherung eines nicht elektriſchen
Leiters an einen elektriſchen Körper erklärt ſich aus der Influenzwirkung. Der
[128] genäherte Leiter erhält nämlich Influenzelektricität erſter und zweiter Art; die
erſtere, als die ungleichnamige mit der Elektricität des Körpers, wird von dieſer
angezogen, und der bei weiterer Annäherung des influenzirten Leiters an den elek-
triſchen Körper auftretende Funke iſt wieder nur der Ausgleich entgegengeſetzter
Elektricitäten, nämlich der Elektricität des Körpers und der ihr entgegengeſetzten
Influenzelektricität.


Entladet man in dieſer Weiſe, alſo durch Herbeiführen eines Entladungs-
funkens oder -Schlages, eine Kleiſt’ſche Flaſche oder Batterie, ſo verliert dieſe
hierdurch nicht die geſammte Elektricität. Man kann ſich davon überzeugen, indem
man z. B. den Entladungsſchlag durch ein Funkenmikrometer herbeiführt und nach
dieſer Entladung die Kugeln einander näher bringt. Sind die Kugeln einander
ziemlich weit entgegengerückt, ſo daß alſo jetzt ihre Entfernung voneinander bedeu-
tend geringer iſt, als ſie beim erſten Entladungsſchlage war, ſo erhält man einen
zweiten Entladungsſchlag, ja bei weiterem Zuſammenſchieben der Kugeln gelingt es
nicht ſelten, ſogar noch einen dritten, jedoch abermals bedeutend ſchwächeren Ent-
ladungsſchlag zu erhalten. Rieß hat dieſes Verhalten auch in der Weiſe nach-
gewieſen, daß er eine Batterie unter Benützung der Lane’ſchen Maßflaſche lud
und dann bei einer beſtimmten Schlagweite die Entladung herbeiführte. Dann
wurde die Batterie neuerdings geladen, bis wieder bei derſelben Schlagweite die
Entladung eintrat. Da zeigte ſich nun, daß zur zweiten Ladung der Batterie
eine viel geringere Elektricitätsmenge erforderlich war wie zu ihrer erſten Ladung.
Die Meſſungen ergaben, daß zur zweiten Ladung beiläufig 0·8 jener Elektricitäts-
menge gebraucht wurden, welche zur erſten Ladung erforderlich war. Dieſes
Verhalten der Batterie kann nur ſo erklärt werden, daß bei der Entladung
nicht die geſammte Ladung vernichtet wurde, ſondern beiläufig 0·2 derſelben
zurückblieben.


Dieſe Experimente zeigen alſo, daß wir die Entladung einer Batterie durch
Verbindung ihrer äußeren mit der inneren Belegung nicht als eine momentane
aufzufaſſen haben, ſondern daß zur vollſtändigen Entladung der Batterie eine
gewiſſe, meßbare Zeit erforderlich iſt, und daß die Batterie nicht ſchon durch die
erſte Entladung, ſondern erſt durch eine Reihe von Partial-Entladungen ihre
Elektricität verliert.


Rieß, Fedderſen und Andere haben dieſe Erſcheinungen eingehenden Studien
unterzogen und ſind dabei zu ſehr intereſſanten Reſultaten gelangt. So ergab ſich
zunächſt, daß ſelbſt der erſte Entladungsſchlag, der dem Auge doch als einfacher
Funke erſcheint, keineswegs eine momentane Ausgleichung beider Elektricitäten dar-
ſtellt, ſondern ſelbſt wieder durch eine Reihe von Partial-Entladungen gebildet
wird. Es zeigte ſich nämlich, daß der Rückſtand, welcher in der Batterie nach
dem erſten Entladungsſchlage zurückbleibt, eine verſchiedene Größe erlangt, je nach
dem Widerſtande im Schließungsbogen. Nun iſt aber die Schlagweite von der
Natur des Schließungsbogens vollkommen unabhängig; folglich dürfte auch die
Größe des Rückſtandes nicht von der Natur des Schließungsbogens abhängen,
wenn bei dem Entladungsſchlage beide Elektricitäten ſich momentan ausgleichen
würden. Da jedoch, wie durch vielfache Experimente nachgewieſen wurde, die
Größe des Rückſtandes thatſächlich von dem Widerſtande des Schließungsbogens
abhängt, ſo iſt auch der erſte Entladungsſchlag als eine Reihe von Partial-
Entladungen aufzufaſſen, da nur durch dieſe Annahme das in Rede ſtehende Ver-
halten erklärbar iſt.


[129]

Die Wirkung des Widerſtandes im Schließungsbogen auf die Entladung
iſt nämlich eine zweifache; die eine beſteht darin, daß die Zeit, welche zwiſchen
zwei Partial-Entladungen verſtreicht, eine längere wird, wenn der Widerſtand
wächſt; die andere wird ein ſchnelleres Aufhören der Partial-Entladungen eines
Entladungsſchlages herbeiführen müſſen. Betrachten wir zunächſt die erſterwähnte
Wirkung. Die erſte Partial-Entladung iſt erfolgt und dadurch der Schließungs-
bogen entladen; eine zweite Partial-Entladung kann nun offenbar erſt dann ein-
treten, wenn durch Nachſtrömen der Elektricität an der Unterbrechungsſtelle des
Schließungsbogens die Dichtigkeit der Elektricitäten wieder eine ſo große geworden
iſt, daß ſie den Widerſtand der Luft überwinden kann. Nun iſt einleuchtend, daß
dieſes Nachfließen der Elektricitäten, dieſe Herſtellung der erforderlichen Dichtigkeit
um ſo langſamer erfolgen muß, je größer der Widerſtand iſt, welchen die nach-
ſtrömenden Elektricitäten im Schließungsbogen zu überwinden haben. Gegen dieſe
Erklärung könnte eingewendet werden, daß ja nach der erſten Partial-Entladung
jedenfalls ein Theil der Batterieladung vernichtet ſein muß, daß alſo an der Unter-
brechungsſtelle des Schließungsbogens durch Nachfließen der Elektricitäten ſich nie-
mals jene Dichtigkeit wieder herſtellen könne, welche genügt, um bei der unver-
änderten Schlagweite eine zweite Partial-Entladung zu ermöglichen. Dieſer Einwand
wird jedoch dadurch unhaltbar, daß bei jeder Entladung durch eine Luftſtrecke die
Lufttheilchen mit großer Heftigkeit ſeitwärts geſchleudert werden und daher in der
Bahn, welche der erſte Funke durchlaufen hat, gewiſſermaßen ein Canal, gefüllt
mit verdünnter Luft, entſtehen muß. Nun wiſſen wir aber, daß die Schlagweite
einer Batterie größer wird, wenn die Anzahl der Lufttheilchen, durch welche der
Entladungsſchlag geht, ſich vermindert. Iſt daher der Widerſtand im Schließungs-
bogen nicht ein ſehr großer, ſo wird das Nachſtrömen der Elektricitäten raſcher
erfolgen als der Zutritt neuer Lufttheilchen in den Canal mit verdünnter Luft
und eine zweite Partial-Entladung wird eintreten müſſen. So lange ſich der Wider-
ſtand des Schließungsbogens innerhalb gewiſſer Grenzen hält, wird daher die
Zeitdauer zwiſchen je zwei aufeinanderfolgenden Partial-Entladungen vergrößert
und ſomit die Dauer der Geſammtentladungen des erſten Entladungsſchlages ver-
längert.


Wird jedoch der Widerſtand des Schließungsbogens ein bedeutender, ſo
können die eben geſchilderten Wirkungen des Widerſtandes gerade das entgegen-
geſetzte Endreſultat bewirken, und dann haben wir es mit der andern der früher
angegebenen beiden Wirkungen des Widerſtandes zu thun. Die Erklärung für
dieſen Fall iſt eigentlich ſchon in der Erläuterung des erſten Falles gegeben und
es bedarf daher nur noch einer überſichtlichen Zuſammenfaſſung. Der zweite Fall
ſetzt alſo einen großen Widerſtand im Schließungsbogen voraus; es wird daher
die Zeitdauer, welche zwiſchen je zwei Partial-Entladungen verſtreichen muß, damit
die erforderliche Dichtigkeit an der Unterbrechungsſtelle des Schließungsbogens
wieder hergeſtellt wird, eine größere werden. Sie wird aber auch weiter wachſen,
je mehr Partial-Entladungen eingetreten ſind, da mit jeder Entladung die Elek-
tricitätsmenge in der Batterie geringer wird. Dadurch wird aber der die Unter-
brechungsſtelle umgebenden Luft immer mehr Zeit gelaſſen, in jenen Canal einzu-
ſtrömen, in welchem die Luft durch den überſchlagenden Funken verdünnt wurde.
Nimmt nun die Dichte der Luft in dem Canale ſchneller zu als das Nachfließen
der beiden Elektricitäten, ſo kann keine Partial-entladung mehr eintreten. Mit
anderen Worten heißt dies, je längere Zeiten die Elektricitäten zum Nachſtrömen
Urbanitzky: Elektricität. 9
[130] brauchen, oder je größer alſo der Widerſtand des Schließungsbogens iſt, deſto
eher müſſen die Partial-Entladungen aufhören, deſto geringer wird alſo die Anzahl
der Partial-Entladungen. Bei einer gewiſſen Größe des Widerſtandes kann daher
die Anzahl der Partial-Entladungen ſo weit vermindert werden, daß in Folge
deſſen auch die Dauer der Geſammtentladungen eines Entladungsſchlages kürzer
wird, als bei Einſchaltung kleinerer Widerſtände in den Schließungsbogen.


Die Zeitdauer eines Entladungsſchlages iſt daher als eine Wechſelwirkung
aufzufaſſen zwiſchen der Schnelligkeit, mit welcher einerſeits die Elektricitäten im
Schließungsbogen nachſtrömen, und andererſeits der Zeit, welche den umgebenden
Lufttheilchen gelaſſen wird, um in den durch das Ueberſchlagen des Funkens er-
zeugten luftverdünnten Raum einzutreten. Ueberwiegt die erſte Wirkung, ſo wird
durch wachſenden Widerſtand im Schließungsbogen die Zeitdauer eines Entladungs-
ſchlages verlängert; überwiegt jedoch die zweite Wirkung, nimmt alſo der Wider-
ſtand noch weiter zu, ſo wird die Dauer des Entladungsſchlages verkürzt. Hierbei
erfolgt die Verlängerung der Entladungszeit durch zeitliche Auseinanderrückung
der Partial-Entladungen, die Verkürzung aber durch Verminderung der Anzahl
der Partial-Entladungen bei gleichzeitiger zeitlicher Auseinanderrückung der Partial-
Entladungen.


Es erübrigt uns noch, die experimentellen Nachweiſe für die Richtigkeit obiger
Erklärungen beizubringen. Sowohl Fedderſen als auch Wheatſtone bedienten ſich
hierzu principiell derſelben Methode. Dieſe beſteht in der Anwendung der optiſchen
Analyſe des Funkens. Läßt man nämlich vor einem leuchtenden Punkte einen ebenen
Spiegel rotiren, ſo reflectirt dieſer das Bild des Punktes in jedem Momente
ſeiner Drehung nach einer andern Richtung in unſer Auge; das Bild des Punktes
erſcheint daher der Reihe nach auf verſchiedenen Stellen der Netzhaut unſeres
Auges. Da aber jeder Lichteindruck in unſerem Auge eine beſtimmte Zeit andauert,
ſo müſſen bei hinlänglich ſchneller Rotation des Spiegels die einzelnen Funken-
bilder ſo nahe nebeneinander erſcheinen, daß wir ſie nicht mehr voneinander getrennt
wahrnehmen können, d. h. wir ſehen eine Lichtlinie. Der Lichtpunkt im Spiegel
verhält ſich gerade ſo wie eine raſch im Kreiſe geſchwungene, glühende Kohle;
auch bei letzterer können wir das Kohlenſtück nicht mehr in ſeinen aufeinander-
folgenden Stellungen unterſcheiden, ſondern erblicken einen feurigen Kreis.


Die beiden obengenannten Forſcher ließen nun einen ebenen Spiegel vor
dem überſchlagenden Funken rotiren und beobachteten die auf dieſe Art durch den
Funken erzeugte Lichtlinie. Es iſt leicht einzuſehen, daß letztere um ſo länger
erſcheinen mußte, je längere Zeit der Funke andauerte, vorausgeſetzt, daß hierbei
die Rotationsgeſchwindigkeit des Spiegels nicht geändert wurde. Die Leuchtdauer
des Funkens, oder, was dasſelbe iſt, die Zeitdauer des Entladungsſchlages, iſt
unter Anwendung einer einfachen Formel aus der Länge der Lichtlinie und aus
der Rotationsgeſchwindigkeit des Spiegels leicht zu berechnen. Die in dieſer Weiſe
angeſtellten Experimente zeigten nun in der That die Abhängigkeit der Entladungs-
dauer von der Größe des im Schließungsbogen vorhandenen Widerſtandes in der
Art, wie ſie oben angegeben wurde.


Der rotirende Spiegel zeigte aber auch, daß ein Entladungsſchlag, den man
ohne Anwendung der optiſchen Analyſe als einen einzigen Funken ſieht, that-
ſächlich aus einer Reihe raſch aufeinanderfolgender Funken beſteht, indem das
Spiegelbild des Entladungsfunkens nicht als eine, ſondern eine Reihe aufeinander-
folgender Lichtlinien geſehen wird. Somit iſt auch die Zuſammenſetzung eines
[131] Entladungsſchlages aus einer Reihe von Partial-Entladungen experimentell nach-
gewieſen.


Fedderſen gelangte bei ſeinen Unterſuchungen aber auch zur Wahrnehmung
von Entladungsvorgängen, die ſich in der obigen Weiſe nicht erklären laſſen. Er
fand nämlich, daß bei Herabminderung des Widerſtandes im Schließungsbogen
unter eine gewiſſe Größe die Entladungsdauer nicht mehr ab-, ſondern im Gegen-
theile wieder zunimmt. Fedderſen nennt jenen Widerſtand, von welchem an die
Entladungszeit wieder wächſt, den Grenzwiderſtand und erklärt dieſe Entladungs-
art, welcher er den Namen oſcillirende Entladung gab, in nachſtehender
Weiſe: Sinkt der Widerſtand im Schließungsbogen unterhalb des Grenzwider-
ſtandes, ſo beſteht die Bewegung der Elektricitäten während der Entladung nicht
blos darin, daß ſie ſich zur Unterbrechungsſtelle bewegen und dort ausgleichen,
ſondern die Bewegung ſetzt ſich eben des geringen Widerſtandes wegen noch über
die Unterbrechungsſtelle hinaus fort, gleichwie ein aus ſeiner Gleichgewichtslage
gebrachtes Pendel nicht ſofort wieder in dieſe zurückkehrt und darin verharrt,
ſondern darüber hinausſchwingt und erſt nach einer größeren oder geringeren
Anzahl von Schwingungen ſeine Ruhelage wieder einnimmt. Ein Pendel wird
deſto länger ſchwingen, je geringer der Widerſtand iſt, welchen es bei ſeiner
Bewegung zu überwinden hat; könnte man dieſen gleich Null machen, ſo würde
das Pendel gar nie mehr zur Ruhe kommen. In gleicher Weiſe verhält es ſich
mit der Bewegung der Elektricitäten; ihre Bewegung gegeneinander wird um ſo
länger andauern, je geringer der Widerſtand im Schließungsbogen iſt; ſie würde
immer fortdauern, wenn man einen Schließungsbogen ohne irgend einen Wider-
ſtand herſtellen könnte. Da aber jeder Leiter dem Durchgange der Elektricität einen
Widerſtand entgegenſetzt, muß die Dauer der Oſcillationen eine beſchränkte ſein.
Die Zahl der Oſcillationen muß deshalb abnehmen, wenn der Widerſtand im
Schließungsbogen zunimmt; es treten gar keine Oſcillationen ein, wenn der Wider-
ſtand über den Grenzwiderſtand hinaus wächſt, wobei dann der früher geſchilderte
Entladungsvorgang ſtattfindet.


Die Oſcillationen gehen in folgender Weiſe vor ſich: Bei einer poſitiv
geladenen Flaſche oder Batterie fließt die poſitive Elektricität auf die äußere Be-
legung, die negative auf die innere Belegung und die Flaſche iſt nach dieſer erſten
Entladung umgekehrt, alſo negativ geladen. Das weitere Nachſtrömen der Elek-
tricitäten wird dann durch die Abſtoßung gleichnamiger Elektricitäten verhindert
und es tritt eine kurze Bewegungspauſe ein. Hierauf bewegen ſich wieder beide
Elektricitäten in der entgegengeſetzten Richtung, d. h. die poſitive ſtrömt auf die
innere, die negative auf die äußere Belegung über und es erfolgt die zweite
Oſcillation oder Entladung u. ſ. w., bis die Flaſche entladen iſt. Der Entladungs-
vorgang iſt alſo in dem jetzt betrachteten Falle ein Hin- und Herſtrömen der
Elektricitäten. Daß dieſe Oſcillationen thatſächlich ſtattfinden, folgt nicht nur aus
theoretiſchen Unterſuchungen von Helmholtz, Kirchhoff und Thomſon, ſondern wird
auch durch einen Verſuch von Oettingen gezeigt. Wüllner beſchreibt dieſen Verſuch
in nachſtehender Weiſe: „Durch den mit dem Conductor der Elektriſirmaſchine in
Verbindung ſtehenden Draht C K, Fig. 64, an welchem bei der Ladung die Kugel A
anlag, wurde die Batterie B geladen, bis in dem Schließungsbogen B F S J,
welcher bei F ein Funkenmikrometer enthielt, das für eine beliebige Schlagweite
geſtellt werden konnte, die Entladung eintrat. In dem Momente der Entladung
wurde dann die Kugel A, welche an dem Drahte l A befeſtigt war, herabgedrückt,
9*
[132] ſo daß der Schließungsbogen B l G ohne Funkenſtrecke geſchloſſen war. In dieſem
Schließungsbogen trat dann die Entladung des nach der erſten Entladung in der
Flaſche enthaltenen Rückſtandes ein. Die Richtung des Stromes der poſitiven Elek-
tricitäten in dieſem Schließungsbogen gab dann die Art der Ladung der Batterie
nach der erſten Entladung an. Die Richtung des Stromes erkannte man an der
Bewegung der Nadel des bei G in den Stromkreis eingeſchalteten Galvanometers
und die Menge der entladenen Elektricität an der Größe des Ausſchlages, welchen
die Nadel des Galvanometers erhielt.


Auf dieſe Weiſe gelang es Oettingen, die Exiſtenz negativer Rückſtände nach-
zuweiſen und ſo einen neuen Beweis dafür zu liefern, daß, entſprechend den theo-
retiſchen Unterſuchungen von Kirchhoff, bei nicht zu großen Widerſtänden und nicht
zu kleiner Schlagweite die Entladungen im Allgemeinen oſcillirende ſind. Schließ-
lich möge noch erwähnt werden, daß Paalzow die oſcillirende Entladung mit

Figure 63. Fig. 64.

Verſuch von Oettingen.


Hilfe Geißler’ſcher Röhren, die wir ſpäter kennen
lernen werden, direct ſichtbar gemacht hat.


Verbindet man die innere und äußere Be-
legung einer geladenen Flaſche oder Batterie leitend
miteinander, ſo tritt alſo, je nach den Widerſtands-
verhältniſſen des Schließungsbogens, die eine oder
die andere Art der Entladung ein. Doch gelingt
es in keinem Falle, gleich die vollſtändige Entladung
herbeizuführen, ſobald die beiden Belegungen in
leitende Verbindung geſetzt ſind. Es zeigt ſich viel-
mehr, daß, wenn man dieſe Verbindung wieder
aufhebt und dann abermals herſtellt, neuerdings
eine, wenn auch bedeutend ſchwächere Entladung
eintritt, und daß dieſer Vorgang auch drei bis
viermal wiederholt werden kann. Man nennt die
bei der Entladung einer Flaſche oder Batterie
immer noch zurückbleibende Ladung den elektriſchen
Rückſtand
oder das Reſiduum.


Man hat beobachtet, daß die Bildung eines elektriſchen Rückſtandes nur
dann eintritt, wenn der Iſolator, welcher die beiden Belegungen voneinander
trennt, ein feſter Körper iſt, und daß die Größe des Rückſtandes von der Be-
ſchaffenheit dieſes feſten Iſolators abhänge. Ferner fand man, daß der Rückſtand
mit der Dicke des Iſolators und mit der Stärke der den Belegungen mitgetheilten
Ladungen wachſe. Aus allen dieſen Beobachtungen muß der Schluß gezogen werden,
daß die Urſache der Erſcheinung im Verhalten des Iſolators zu ſuchen ſei. Hierzu
kommt noch die bereits von Franklin gemachte Wahrnehmung, daß die einem Leiter
mitgetheilte Elektricität nicht auf dieſem bleibt, ſondern ſich zum größten Theile
auf den Iſolator begiebt, wenn ein ſolcher mit dem Leiter in unmittelbarer Be-
rührung ſteht.


Geſtützt auf dieſe Erfahrungen erklärte Faraday die Erſcheinung des elek-
triſchen Rückſtandes in nachſtehender Weiſe: Wird z. B. eine Flaſche oder
Tafel poſitiv geladen, ſo tritt poſitive Elektricität von der inneren Belegung auf
die dieſer zugewandte Fläche des Iſolators über, negative Elektricität von der
äußeren Belegung auf die dieſer zugewandte Fläche. Bei der Entladung gleichen
ſich nun die auf den Belegungen zurückbleibenden Elektricitäten ſofort aus. Jene
[133] auf den beiden Flächen des Iſolators können aber der ſchlechten Leitungsfähigkeit
des letzteren wegen nicht ſo ſchnell wieder auf die Belegungen zurückfließen und
bleiben daher bei der erſten Entladung zurück. Verbindet man nun nach einiger
Zeit wieder beide Belegungen leitend miteinander, ſo haben die zurückgebliebenen
Elektricitäten Zeit gehabt, ſich wieder auf die Belegungen zurückzubegeben, und es
kann neuerlich eine Entladung eintreten.


Als Stütze für dieſe Erklärung wird das Verhalten einer zerlegbaren
Flaſche
oder Tafel angeführt. Eine derartige Zerlegtafel iſt in Fig. 65 ab-
gebildet; a und b ſind die beiden Belegungen, aus Meſſingblech gebildet und auf
Glasfüßen verſchiebbar befeſtigt. Den Iſolator bildet die Glastafel c. Schiebt man
die Meſſingplatten a und b bis zu ihrer Berührung mit der Glastafel c zuſammen,

Figure 64. Fig. 65.

Zerlegtafel.


ſo bildet der ganze Apparat eine Franklin’ſche Tafel In dieſem Zuſtande wird
nun die Tafel geladen. Entfernt man nach der Ladung die Platten a und b
wieder von c, ſo erſcheinen ſie natürlich beide elektriſch, wenngleich ſehr ſchwach,
und zwar die eine poſitiv, die andere negativ. Entladet man nun die beiden
Metallplatten und führt ſie dann neuerdings bis zur Berührung mit der Glas-
platte c zurück, ſo erſcheint die wiederhergeſtellte Franklin’ſche Tafel neuerdings
geladen, und zwar in derſelben Art und nur unbedeutend ſchwächer als vorher. Es
muß alſo wirklich der größte Theil der Ladung von den Metallbelegen auf die
Glasplatte übergegangen ſein.


Kohlrauſch macht gegen dieſe Erklärung die Einwendung, daß, wenn die
beiden Elektricitäten wirklich auf den Iſolator übergehen, für ſie kein Grund vor-
handen ſei, wieder auf die Belegungen zurückzufließen und eine neuerliche Ladung
[134] herbeizuführen. Kohlrauſch ſucht daher den elektriſchen Rückſtand als eine Influenz-
erſcheinung zu erklären. Er denkt ſich die Einwirkung der Elektricitäten der Be-
legungen auf den Zuſtand des Iſolators in ähnlicher Weiſe wie die Wirkung eines
Magnetes auf ein Stück weichen Eiſens. In den Molekülen des Iſolators ſeien
bereits im unelektriſchen Zuſtande die beiden Elektricitäten voneinander getrennt, in
der Weiſe, daß jedes Molekül einen poſitiv und einen negativ elektriſchen Pol
beſitze. Da aber die einzelnen Moleküle des Iſolators ſich in allen möglichen
Stellungen befinden, erſcheint derſelbe nach außen hin unelektriſch. Sobald jedoch
der Iſolator mit metalliſchen Belegungen verſehen und dieſen Elektricität mitgetheilt
wird, ſo wirkt letztere richtend auf die polariſirten Moleküle des Iſolators. Dann
kehren ſämmtliche Moleküle ihre poſitiv elektriſchen Pole der negativ elektriſirten
Platte zu, während ihre negativen Pole der poſitiv elektriſirten Platte zugewandt
werden. Die Geſammtwirkung des Iſolators nach außen muß daher die ſein, daß
die eine Fläche desſelben poſitiv, die andere aber negativ elektriſch erſcheint. Werden
jetzt die Metallplatten entladen, ſo verſchwindet die richtende Kraft und die Moleküle
des Iſolators kehren wieder in ihre urſprünglichen Stellungen zurück. Die Rückkehr
erfolgt jedoch nicht augenblicklich, ſondern braucht eine gewiſſe Zeit. Während dieſer
können die Moleküle influenzirend auf die Belegungen wirken und dieſe neuerdings
in derſelben Art wie zu Beginn des Verſuches, wenn auch ſchwächer, laden. Dieſe
Ladung bildet dann den elektriſchen Rückſtand.


Der von Kohlrauſch gegebenen Erklärung ſchloß ſich auch Clauſius an,
während Bezold die Faraday’ſche Auslegung der Erſcheinung aufrecht erhält und
unterſtützt. Wüllner ſuchte durch eine Reihe von Experimenten zwiſchen beiden
Erklärungen eine Entſcheidung herbeizuführen, gelangte aber zu keinem definitiven
Reſultate; die Hauptwirkung ſchreibt er jedoch der Influenz zu.


Die Experimente, welche Wheatſtone durchführte, um die Dauer des Ent-
ladungsſchlages zu beſtimmen, veranlaßten ihn auch, die Fortpflanzungsgeſchwin-
digkeit der Elektricität
überhaupt zu unterſuchen. Zwar hatten ſchon Le Monnier
und auch Watſon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundertes dieſe zu meſſen
verſucht, erzielten aber beide, wie wir in der Geſchichte der Elektricität erfahren
haben, kein Reſultat.


Die Methode, deren ſich Wheatſtone zur Unterſuchung der Fortpflanzungs-
geſchwindigkeit bediente, iſt im Weſentlichen dieſelbe, die wir bei der Beſtimmung
der Entladungsdauer kennen gelernt haben; ſie beruht alſo auf der Anwendung
eines rotirenden Spiegels. Die Geſammtanordnung iſt aus der ſchematiſchen Zeich-
nung in Fig. 66 erſichtlich. K iſt eine Kleiſt’ſche Flaſche, deren Kugel a eine
zweite gleich große Kugel b gegenübergeſtellt iſt. Letztere ſteht mit der äußeren
Belegung der Flaſche in Verbindung. Damit ſich die beiden Elektricitäten der
Flaſche K vereinigen können, alſo ein Funke zwiſchen a und b überſpringt, müſſen
ſie jedoch die Leitungen L L1 und das Funkenbrett F durchlaufen. Wenn wir den
Weg, welchen die Elektricität zu durchlaufen hat, von der äußeren Belegung der
Flaſche aus verfolgen, ſo ſehen wir, daß die Elektricität zunächſt auf die Kugel 6
des Funkenbrettes gelangt, dann auf die Kugel 5 überſpringt, die Leitungen L
durchläuft, zur Kugel 4 kommt, von da auf die Kugel 3 überſpringt, die Leitungen L1
paſſirt, dann von der Kugel 2 auf die Kugel 1 überſpringt und endlich durch den
Draht und die Kugel b wieder auf die Flaſche zurück nach a gelangt. Der Weg,
welchen die Elektricität der inneren Belegung bei der Entladung zurückzulegen hat
iſt derſelbe, nur wird er in umgekehrter Richtung gemacht.


[135]

Wheatſtone gab nun jeder der iſolirten Leitungen L und L1 eine Länge von
402 Meter, ſo daß alſo der Entladungsſtrom einen Geſammtweg von 804 Meter
zurückzulegen hatte. Hierbei treten zwiſchen 5 und 6, 4 und 3, ſowie auch 1 und 2
Funken auf. Dieſe drei Funken liegen in einer geraden Linie, da die Kugeln 1 bis 6
ebenfalls in einer ſolchen liegen. Hinter dieſen Kugeln am Funkenbrette iſt der
Spiegel angebracht (in der Zeichnung der Deutlichkeit wegen weggelaſſen), deſſen
Rotationsaxe zur Funkenlinie parallel
liegt. So lange der Spiegel ruhig
ſteht, erſcheinen die Spiegelbilder
der drei Funken natürlich auch als
einfache Funken; wird aber der
Spiegel in raſche Rotation verſetzt,
ſo erſcheinen die drei Funkenbilder
als drei parallele Linien, da, wie
wir früher ſchon geſehen haben,
die einzelnen Bilder jedes Funkens
ſo raſch aufeinanderfolgen, das wir
ſie nicht mehr getrennt wahrnehmen
können.


Würden nun die Funken in
den drei Kugelpaaren des Funken-
brettes gleichzeitig überſpringen, d. h.
würde die Elektricität zum Durch-
laufen der Leitungen L und L1 gar
keine Zeit brauchen, ſo müßten die
drei Funkenlinien im rotirenden
Spiegel zur ſelben Zeit beginnen
und zur ſelben Zeit enden; das
Bild müßte die in B1 dargeſtellte
Form zeigen. Der Verſuch ergab
jedoch das Bild B2. Dieſes Bild
lehrt, daß der Funke, welcher im
mittleren Kugelpaare (4, 3) über-
ſprang, ſpäter aufgetreten ſein muß,
als die beiden ſeitlichen Funken, da
die von ihm als Spiegelbild erzeugte
Lichtlinie ſpäter begonnen und früher
aufgehört hat als die Lichtlinien der
beiden anderen Funken. Die beiden

Figure 65. Fig. 66.

Meſſung der Fortpflanzungsgeſchwindigkeit der
Elektricität.


äußeren Lichtlinien begannen und
endeten gleichzeitig, folglich ſind die beiden äußeren Funken gleichzeitig aufgetreten.
Aus dieſem Verhalten folgt zweierlei: 1. Die Elektricität pflanzt ſich nicht momentan
fort, ſondern braucht zur Zurücklegung des Weges von der Kugel 5 durch den 402
Meter langen Leitungsdraht L zur Kugel 4 einerſeits und zur Zurücklegung des
Weges von der Kugel 1 durch die gleichfalls 402 Meter lange Leitung L1 zur
Kugel 3 andererſeits eine gewiſſe Zeit. 2. Die Entladung der Flaſche erfolgt nicht
in der Weiſe, daß nur ein Strom auftritt, der etwa von der inneren zur äußeren
Belegung oder umgekehrt gerichtet iſt, ſondern daß zwei gegeneinander gerichtete
[136] Ströme gleichzeitig in der Art entſtehen, daß einer von der inneren zur äußeren
Belegung, der andere in der entgegengeſetzten Richtung ſich bewegt.


Die erſte Folgerung aus dem Verſuche und das bei dem Verſuche erhaltene
Funkenbild B2 geſtattet uns einen Schluß auf die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit
der Elektricität in den Kupferdrähten L zu ziehen. Der Strom hat, um den Weg
von der Kugel 5 durch die Leitungen L zur Kugel 4 zurückzulegen, offenbar die
Zeit gebraucht, welche zwiſchen dem Beginne der erſten und der zweiten Funkenlinie
verſtrichen iſt. Dieſe Zeit können wir aber beſtimmen, wenn uns die Rotations-
geſchwindigkeit des Spiegels und die Länge des Stückes d e bekannt iſt, um
welches die mittlere Funkenlinie gegen die erſte zurückgeblieben iſt.


Bevor wir die Zeitbeſtimmung ſelbſt erklären, wollen wir nur noch bemerken,
daß während der Bildung der Funkenlinien das Spiegelbild immer den doppelten
Weg zurücklegt als der Spiegel bei ſeiner Drehung. Dieſes Verhalten folgt einfach

Figure 66. Fig. 67.

Bilder eines rotirenden Spiegels.


aus dem für Planſpiegel geltenden Geſetze:
Der Winkel, welchen der einfallende Lichtſtrahl
mit ſeinem Lothe einſchließt, iſt immer gleich
jenem Winkel, welchen der reflectirte Strahl
mit einem Lothe bildet. Obwohl die Begrün-
dung dieſes Geſetzes nicht hierher gehört,
wurde doch nebenſtehende Figur (67) auf-
genommen, um im Verſtändiſſe des Nach-
folgenden keine Lücke zu laſſen. S S' ſtellt
einen Planſpiegel dar, F den Funken, der
einen Lichtſtrahl in der Richtung F O auf
den Spiegel ſendet; O N iſt das Loth auf
die Ebene des Spiegels, im Punkte O und
O b der reflectirte Strahl oder die Richtung,
in welcher das Spiegelbild geſehen wird, da
der Winkel b O N gleich iſt F O N. Dreht
man nun den Spiegel in die Stellung S1 S1',
ſo iſt O N1 die Normale und der Winkel
F O N1 der Einfallwinkel; der reflectirte
Strahl muß nun einen gleich großen Winkel
einſchließen, alſo in die Richtung O b1 fallen.
Hierbei hat ſich der Spiegel um den Winkel S S1, das Bild aber um den
Winkel W W1 gedreht. Vergleicht man dieſe beiden Winkel miteinander, ſo er-
kennt man ſofort, daß der vom Funkenbilde zurückgelegte Winkel (W W1) doppelt
ſo groß iſt als jener (S S1), um welchen ſich der Spiegel gedreht hat.


Wie bereits wiederholt erwähnt wurde, ſieht man bei raſcher Rotation des
Spiegels nicht die einzelnen Funkenbilder in b b1 (Fig. 67) u. ſ. w., ſondern der
ganze Weg, welchen der Funke zurücklegt, erſcheint als heller Streifen oder als
Lichtlinie. Die Länge dieſer Lichtlinie muß nun offenbar von der Dauer des Funkens
und von der Schnelligkeit der Spiegeldrehung abhängen und mit dem Zunehmen
dieſer Factoren wachſen; in Bezug auf die Spiegeldrehung erſtreckt ſich hierbei
die Lichtlinie nach obiger Erklärung immer über einen doppelt ſo großen Bogen
(W W1) als jener (S S1) iſt, um welchen ſich der Spiegel gedreht hat.


Dasſelbe gilt nun auch für das Stück d e (Fig. 66), um welches die mittlere
Lichtlinie zurückgeblieben iſt und welches wir zu beſtimmen haben.


[137]

Kennt man nun die Schnelligkeit der Spiegeldrehung, d. h. die Zeit, welche
der Spiegel braucht, um ſich um einen vollen Winkel (360 Grad) zu drehen, und kennt
man ferner die Dauer des Funkens, ſo kann man die Länge dieſes Stückes berechnen.
Macht der Spiegel z. B. 800 Umdrehungen in der Secunde, ſo legt er in dieſer
Zeit einen Weg zurück, welcher gleich iſt 800mal 360 Grad, d. i. 288.000 Grad;
dauert die Zeit zwiſchen dem Beginne der erſten und der zweiten Lichtlinie x Secunden,
ſo wird der Spiegel x mal 288.000 Grade durchlaufen. Das Spiegelbild legt
aber in derſelben Zeit den doppelten Weg zurück, alſo zweimal 288.000 mal x,
d. i. 576.000 x Grade. Dieſes Product iſt alſo die Länge des Stückes, um welches
das Spiegelbild des zweiten Funkens gegen dem des erſten zurückgeblieben iſt.
Mißt man die Länge dieſes Stückes und nehmen wir an, ſie würde 0·5 Grade
betragen, ſo erhalten wir die Gleichung 0·5 = 576.000 x. Aus dieſer kann x, d. i.
die Zeitdauer des Funkens leicht berechnet werden; ſie iſt gleich . Führt
man dieſe Diviſion aus, ſo ergibt ſich x = 0·000,000.868 Secunden.


Die Zahlen, welche hier gewählt wurden, ſind diejenigen, welche Wheatſtone
bei ſeinem Experimente wirklich erhalten hat. Aus dieſen Zahlen iſt es aber ein
Leichtes, die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit der Elektricität zu berechnen. Braucht
nämlich der Strom zum Durchlaufen der 402 Meter langen Leitung L 0·000,000.868
Secunden, ſo durchläuft er in eine Secunde einen Kupferdraht, deſſen Länge
gleich iſt

Nach Wheatſtone würde alſo die Elektricität in einer Secunde einen Weg
von 463.133 Kilometer oder beiläufig 62.500 Meilen zurücklegen, wenn ſie durch
Kupferdrähte geleitet wird. Natürlich kann das ſo gewonnene Reſultat nicht als
exacte Meſſung, ſondern nur als annähernde Schätzung der Fortpflanzungs-
geſchwindigkeit der Elektricität betrachtet werden. Daß auch die Natur des Leitungs-
drahtes auf die Geſchwindigkeit Einfluß nehmen muß, erhellt ſchon aus unſeren
früheren Betrachtungen über das Leitungsvermögen der Körper. In der That
fanden auch andere Forſcher abweichende Zahlen für die Fortpflanzungsgeſchwin-
digkeit. Aus den Verſuchen, welche Walker anſtellte, ergab ſich als Fort-
pflanzungsgeſchwindigkeit der Elektricität in Eiſendraht nur 4000 Meilen per
Secunde, aus jenen von Fizeau und Gounelle 24.200 Meilen für Kupfer
und 13.500 für Eiſen. Nach theoretiſchen Betrachtungen, welche Kirchhoff anſtellte,
müßte ſich die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit der Elektricität in einem widerſtands-
loſen Drahte zu 41.950 Meilen per Secunde, alſo gleich jener des Lichtes ergeben.


Wenden wir uns nunmehr den Wirkungen der elektriſchen Entladung zu;
als ſolche haben wir zu betrachten die Wärme- und Lichtwirkungen, ſowie die
mechaniſchen, chemiſchen, magnetiſchen und phyſiologiſchen Wirkungen. Was zu-
nächſt die erſte, nämlich die Wärmewirkung anbelangt, ſo kann dieſe ſowohl
im ununterbrochenen Schließungsbogen, als auch in dem an der Unterbrechungs-
ſtelle überſpringenden Funken beobachtet werden. Die Wärmewirkung des elektri-
ſchen Funkens kann man durch Entzünden leicht brennbarer Körper zeigen. Hierzu
dient der kleine in Fig. 68 abgebildete Apparat. Ein Meſſingſchälchen M iſt auf
[138] einer Glasſäule iſolirt aufgeſtellt; in dieſes ragt, ohne es zu berühren, die
Spitze S hinein, welche das eine Ende eines gleichfalls iſolirt aufgeſtellten Meſſing-
ſtabes bildet. Sein anderes Ende wird durch eine kleine Kugel begrenzt. In das
Schälchen, welches man durch einen Draht zur Erde ableitet, bringt man leicht
entzündliche Körper, wie z. B. Schwefeläther, Schwefelkohlenſtoff, erwärmten Al-
kohol ꝛc. und läßt auf die Kugel des horizontalen Meſſingſtabes den Funken
einer Elektriſirmaſchine oder Kleiſt’ſchen Flaſche überſpringen. Der Funke muß
dann von der Spitze S auf die in dem Schälchen M befindliche Flüſſigkeit über-
ſchlagen, die hierdurch entzündet wird.


Um die Entzündung feſter Körper, wie z. B. Pulver, zu zeigen, verwendet
man gewöhnlich den früher beſchriebenen allgemeinen Auslader nach Henley. Das
Pulver wird dann zwiſchen die beiden Kugeln k k (Fig. 62) gebracht. Bei dieſem
Experimente erſcheint es jedoch als zweckwäßig, in den Schließungsbogen noch
eine naſſe Schnur einzuſchalten, um durch die hierdurch erzielte Vermehrung des

Figure 67. Fig. 68.

Elektriſcher Zünd-Apparat.


Figure 68. Fig. 69.

Elektriſcher Mörſer.


Widerſtandes die Entladung zu verlangſamen. Das Pulver bedarf eben einer ge-
wiſſen Zeit, bevor es hinlänglich erwärmt iſt, um ſich zu entzünden. Läßt man
daher den Funken im metalliſchen Schließungsbogen überſpringen, ſo iſt die
Dauer der Entladung ſehr kurz und der Funke ſchleudert das Pulver häufig nur
zur Seite, ohne es zu entzünden.


Die Wärme des elektriſchen Funkens kann auch in der Weiſe gezeigt werden,
daß man ihn durch exploſible Gaſe ſchlagen läßt, die er dann natürlich entzündet.


Hierauf beruht die elektriſche Piſtole oder der elektriſche Mörſer (Fig. 69).
In das Innere des Mörſers ſind zwei in einer Geraden liegende Metalldrähte ein-
geführt und ſtehen einander mit ihren kugelförmig verdickten Enden nahe gegenüber.
Man leitet in den Mörſer Waſſerſtoff- oder Leuchtgas, welches ſich mit der Luft
miſcht und ein exploſibles Gasgemenge bildet; derſelbe Zweck wird auch durch
einen Tropfen Aether oder Schwefelkohlenſtoff erreicht. Dann verſchließt man die
Mündung des Mörſers durch eine Kugel oder einen Pfropfen und läßt den
Funken überſchlagen; dieſer entzündet das Gasgemiſch und der Pfropfen wird durch
die Exploſion der Gaſe mit ſtarkem Knalle hinausgeſchlendert.


[139]

Wenn auch dieſe kleinen Apparate ganz gut geeignet ſind, die Wärme-
wirkung des elektriſchen Funkens überhaupt zu zeigen, ſo geſtatten ſie natürlich
doch nicht, dieſelben meſſend zu verfolgen und ihre geſetzmäßigen Beziehungen feſt-
zuſtellen. Um dieſen Zweck zu erreichen, haben Kinnersley und Rieß Inſtru-
mente erdacht. Das Inſtrument des Letzteren, das Rieß’ſche elektriſche Luft-
thermometer
, welches auch das beſſere iſt, zeigt Fig. 70 in perſpectiviſcher Anſicht.


In der Glaskugel k, welche einen Durchmeſſer von beiläufig 9 Centimeter
beſitzt, iſt quer durch ihren Mittelpunkt eine Spirale aus Platindraht geſpannt.

Figure 69. Fig. 70.

Elektriſches Luftthermometer von Rieß.


Ihre Enden ſind an zwei Klemmſchrauben s s1, befeſtigt, welche in einander dia-
metral gegenüberliegenden Oeffnungen der Kugel eingekittet ſind. Unten ruht die
Kugel auf einem Metallringe r, der mit ſeinen Füßen auf dem Brette feſtgeſchraubt
iſt. Ferner geht von der unteren Seite der Kugel eine Glasröhre aus, deren
zweites Ende ſich zu einem auf der Röhre ſenkrecht ſtehenden Glasgefäße g er-
weitert. Die Glasröhre beſitzt einen ſehr geringen inneren Durchmeſſer und ruht
nicht unmittelbar auf dem Brette B auf, ſondern iſt an einer Scala feſtgemacht,
und erſt dieſe iſt mit dem Brette verbunden. Letzteres iſt durch ein Gelenk mit dem
Grundbrette G vereinigt und läßt ſich mit Hilfe des Metallbogens b und der
dort angebrachten Schraube in verſchiedenen Neigungen gegen die Horizontalebene
[140] feſtſtellen. Die Platinſpirale iſt durch dicke Drähte mit den iſolirt aufgeſtellten
Drahtklemmen D D in leitender Verbindung, um durch letztere das ganze Inſtru-
ment bequem in den Schließungsbogen einer Batterie ꝛc. einſchalten zu können.
Bei o beſitzt die Glaskugel eine durch einen eingeſchliffenen Stöpſel verſchließbare
Oeffnung, um den Luftdruck im Inneren der Kugel mit jenem der äußeren Luft
übereinſtimmen machen zu können.


Zum Studium der Wärmeverhältniſſe im Schließungsbogen einer Elektrici-
tätsquelle muß man bei Anwendung des eben beſchriebenen Luftthermometers den
Rauminhalt der Kugel genau kennen. Beim Gebrauche wird die Glasröhre mit
einer Flüſſigkeit gefüllt, welche die Communication der Luft in der Kugel mit
jener außerhalb abſperrt. Bei der Füllung der Röhre mit Flüſſigkeit läßt man
die Oeffnung bei o offen, damit in der Glaskugel kein von dem äußeren Luft-
drucke verſchiedener Luftdruck entſteht. Während des Experimentes iſt jedoch auch
dieſe Oeffnung geſchloſſen, ſo daß die Luft in der Kugel nach allen Seiten hin
vollkommen abgeſperrt iſt. Führt man nun durch die Platinſpirale den Entladungsſchlag
einer Batterie, indem man das elektriſche Thermometer unter Vermittlung der Draht-
klemmen D D1 in den Schließungsbogen einſchaltet, ſo wird die Platinſpirale
erhitzt. Dieſe giebt dann Wärme an die in der Kugel eingeſchloſſene Luft ab,
welche in Folge der Erwärmung ihr Volumen vergrößern muß. Die Vergrößerung
des Volumens iſt dadurch möglich, daß die Flüſſigkeit in der Glasröhre zurück-
gedrängt, d. h. nach g gedrückt wird.


Die Sperrflüſſigkeit weicht deſto mehr gegen das Gefäß zurück, je mehr
ſich die Luft in der Kugel ausdehnt oder, mit anderen Worten, je mehr Wärme
die Platinſpirale an die Luft abgiebt. Wir ſind daher im Stande, durch die
Depreſſion der Sperrflüſſigkeit die Wärmewirkungen elektriſcher Entladungen einer
Batterie zu unterſuchen. Nachſtehende Tabelle (aus Wüllner’s „Exp. Phyſ.“), welche
die Verſuchsreſultate einer Reihe von Rieß durchgeführter Experimente enthält,
giebt zunächſt Aufſchluß über den Zuſammenhang zwiſchen der Menge q der ent-
ladenen Elektricität, ſowie auch der Größe der Batterie (Flaſchenzahl s) und der
hierdurch bewirkten Erwärmung im Luftthermometer, ausgedrückt durch die Depreſ-
ſionen δ der Sperrflüſſigkeit.


Dieſe Tabelle lehrt uns, wenn wir die in den einzelnen Verticalreihen
befindlichen Zahlen betrachten, daß die Erwärmung des Platindrahtes zunimmt,
wenn, natürlich unter ſonſt gleichen Umſtänden, die Mengen der Elektricität
[141] wachſen; hierbei erfolgt die Zunahme der Wärmemenge proportional dem Quadrate
der Elektricitätsmenge, denn vergleichen wir z. B. bei Anwendung von zwei Flaſchen
die für die Depreſſionen und die Elektricitätsmengen erhaltenen Zahlen, ſo bekommen
wir für die Elektricitätsmengen 2 und 6 die Proportion:


  • 22 : 62 ſoll gleich ſein 1·8 : 15·8
  • oder 4 : 36 ſoll gleich ſein 1·8 : 15·8
  • d. h. 4 mal 15·8 ſoll gleich ſein 36 mal 1·8
  • oder 63·2 annähernd gleich 64·8.

Daß die Producte je zweier Glieder dieſer Proportion nicht vollkommen
gleich ſind, liegt natürlich in den nie auszuſchließenden Beobachtungsfehlern. Die
Uebereinſtimmung beider Werthe iſt aber hinlänglich genau, um das oben aus-
geſprochene Geſetz der Wärmewirkung als giltig anſehen zu dürfen, da bei einer
ſehr großen Anzahl von Verſuchen ſich ſtets ſo nahe übereinſtimmende Werthe
ergeben haben.


Vergleichen wir nun die Zahlen untereinander, die in einer horizontalen Reihe
ſtehen, ſo erkennen wir die Beziehungen, welche bei gleichbleibender Elektricitätsmenge
zwiſchen der Wärme-Erzeugung und der Zahl der Flaſchen beſtehen. Man erſieht
hieraus, daß bei Entladung derſelben Elektricitätsmenge die Depreſſionen d der
Flaſchenzahl umgekehrt proportional werden, daß alſo die Wärmemenge deſto geringer
wird, je größer die Anzahl der Flaſchen iſt, oder mit anderen Worten, auf eine je
größere Oberfläche eine und dieſelbe Elektricitätsmenge vor ihrer Entladung ver-
theilt war.


In ähnlicher Weiſe unterſuchte Rieß auch den Einfluß von Veränderungen
im Schließungsbogen auf die Wärme-Entwicklung in der Drahtſpirale, indem er
mit Hilfe des Henley’ſchen Ausladers feuchte Schnüre oder kürzere oder längere
Metalldrähte in den Bogen einſchaltete. Die Erwärmung der Spirale nahm ab,
wenn feuchte Schnüre, Waſſerſäulen oder auch Metalldrähte von bedeutender Länge
eingeſchaltet wurden; ſie nahm zu, wenn bei gleicher Länge der Metalldrähte ihr
Durchmeſſer zunahm. Ferner zeigte ſich die Erwärmung unter ſonſt gleichen
Umſtänden auch verſchieden je nach der verſchiedenen Natur der eingeſchalteten
Drähte. Rieß beobachtete auch, daß die Dauer der Entladung zunimmt mit der
Abnahme der Leitungsfähigkeit eines Drahtes, und daß das Erwärmungsvermögen
des letzteren der verzögernden Kraft des Metalles direct proportional ſei. Vorſſel-
mann de Heer ſprach dann den Satz aus, daß die Entladung einer mit derſelben
Elektricität geladenen Batterie in jedem Schließungsbogen dieſelbe Geſammtwärme-
menge erzeuge. Mit der Veränderung des Schließungsbogens wird nur die
Vertheilung der an den einzelnen Partien des Bogens erzeugten Wärmemengen
geändert, die Summe aller bleibt aber ſtets conſtant. Dieſes Verhalten zeigt, daß
das Princip der Erhaltung der Kraft auch für die Elektricität Geltung beſitzt:
eine beſtimmte Arbeitsmenge in der Form elektriſcher Spannung giebt bei Um-
wandlung in eine andere Form, nämlich in Wärme, immer dieſelbe Wärmemenge,
nie mehr und nie weniger.


In inniger Beziehung zu den Wärmewirkungen ſtehen die Lichtwirkungen,
welche durch elektriſche Entladungen hervorgerufen werden. Es iſt wohl Jedermann
bekannt, daß dieſe dazu benützt werden können, die mannigfachſten und prächtigſten
Lichteffecte hervorzurufen. Die Lichteffecte ſind ſehr mannigfacher Art und ändern
ſich mit Veränderung der Umſtände, unter welchen die Entladung ſtattfindet. Sie
ſind ſehr ſchwach, wenn die Entladung eines Conductors nur durch Ausſtrömen
[142] in Folge hoher Dichtigkeit der Elektricität ſtattfindet, ſie ſind brillant und blendend,
wenn große Mengen von Elektricität ſich raſch ausgleichen, d. h. wenn die Ent-
ladung durch Funkenüberſchlagen vor ſich geht, ſie ſind farbenprächtig, wenn die
Entladung in verdünnten Gaſen verſchiedener Natur erfolgt.


Wir wollen nun dieſe verſchiedenartigen Lichterſcheinungen in einigen Bei-
ſpielen näher kennen lernen. Führen wir zunächſt dem poſitiven Conductor einer
Elektriſirmaſchine durch Drehen der Scheibe fort und fort Elektricität zu, ſo wird
dieſe nach einiger Zeit auf dem Conductor eine ſolche Dichtigkeit erlangen, daß
ſie auszuſtrömen beginnt. Dieſes Ausſtrömen bringt eine Lichterſcheinung mit ſich,
die dadurch geſteigert werden kann, daß man auf den Conductor eine Spitze
aufſetzt. Von dieſer geht dann ein bläulicher Lichtkegel aus, deſſen Spitze an der
auf dem Conductor aufgeſetzten Spitze ſich befindet. Das kegelförmige Ausbreiten

Figure 70. Fig. 71.

Ausſtrömen von Elektricität.


Figure 71. Fig. 72.

Poſitiv elektriſches Lichtbüſchel.


der von der Spitze ausgehenden Strahlen findet darin ſeine Erklärung, daß ſich
die einzelnen Strahlen, als gleichnamig elektriſch, voneinander abſtoßen. Das
Strahlenbüſchel, welches beiläufig die in Fig. 71 angedeutete Form beſitzt, iſt
jedoch ſo lichtſchwach, daß es nur im verdunkelten Raume wahrgenommen werden
kann. Die Farbe des Büſchels ändert ſich, wenn es in verſchiedenen Gaſen erzeugt
wird. Die Farben treten namentlich ſchön und deutlich bei Entladungen im gas-
verdünnten Raume auf und ſollen daher auch bei Beſprechung dieſer angegeben
werden.


Bei Anwendung ſehr kräftiger Elektriſirmaſchinen gewinnt das Büſchel das
Anſehen einer Fächerpalme, wie dies Fig. 72 (nach einer Abbildung in Cazin’s
„L’étincelle électrique“) darſtellt.


Die Lichterſcheinungen erfahren eine Aenderung, wenn man dem Conductor
einen Leiter nähert. Wird derſelbe nur ſo weit genähert, daß noch keine Funken-
[143] entladung eintreten kann, ſo ſicht man vom poſitiven Conductor ein Lichtbüſchel aus-
gehen, deſſen Strahlen zunächſt auseinanderweichen, dann ſich aber wieder einander
nähern; auf dem gegenüber befindlichen Leiter, welcher durch Influenz gleichfalls
elektriſch werden muß, ſtrömt die negative Elektricität in der Richtung gegen den
Conductor aus. Dieſe Ausſtrömung negativer Elektricität zeigt ſich aber von dem
Ausſehen des poſitiven Büſchels verſchieden. Man ſieht nämlich an der Aus-
ſtrömungsſtelle kein ſtrahlenförmiges Lichtbüſchel, ſondern nur einen Lichtſchein,
eine Lichtwolke, die auf dem Leiter aufſitzt und keine einzelnen Strahlen erkennen
läßt. Dieſer Lichtſchein iſt auch in der Regel anders gefärbt,
als das Lichtbüſchel. Man nennt dieſe Form des elektriſchen
Lichtes das Glimmlicht im Gegenſatze zu dem Büſchel-
lichte
, welches die poſitive Elektricität bewirkt. Wir werden
die Unterſchiede dieſer beiden ſpäter noch genauer kennen lernen.
Eine Verſinnlichung der ganzen Er-
ſcheinung iſt in Fig. 73 verſucht.


Die Lichterſcheinungen, hervor-
gerufen durch elektriſche Entladungen,
werden auch im Tageslichte ſichtbar,
wenn die Entladungen unter Funken-
überſchlagen vor ſich gehen. Auch hier
zeigen ſich Verſchiedenheiten, je nach
der Art, in welcher der Funke hervor-
gerufen wird. Er wird länger oder
kürzer, je nachdem die Dichtigkeit der
Elektricität größer oder geringer iſt.
Die Intenſität des Funkens iſt mit der
durch denſelben Entladungsſtrom an
derſelben Stelle entwickelten Wärme auf
das innigſte verknüpft.


Maſſon fand durch meſſende
Verſuche, daß dieſe Lichtſtärke der er-
regten Wärmemenge proportional iſt.
Dieſes Verhalten giebt einen Finger-
zeig, daß die Lichterſcheinung nicht
eine directe Wirkung der Elektricität,
ſondern nur eine ſecundäre, eine durch
die gleichzeitig auftretende Temperatur-
erhöhung hervorgerufene Wirkung iſt.

Figure 72. Fig. 73.

Glimm- und Büſchellicht.


Figure 73. Fig. 74.

Brillantröhre.


Die Betrachtung der Farben des elektriſchen Funkens wird uns dieſe Erklärung
ebenfalls beſtätigen.


Ueberſpringt ein kräftiger Funke nur einen kleinen Zwiſchenraum, ſo erſcheint
er in ſeiner ganzen Länge gleich hell und bewegt ſich während ſeines Ueber-
ſpringens in einer geraden Linie. Man kann auch in einem Schließungsbogen
mehrere Unterbrechungsſtellen anordnen, welche dann der Funke gleichzeitig über-
ſpringt, ſo lange die Summe aller Unterbrechungsſtellen keine größere Unterbrechung
des Schließungsbogens darſtellt, als der Funke zu überſchlagen überhaupt im Stande
iſt. Eine entſprechende Anordnung dieſer Unterbrechungsſtellen geſtattet natürlich
auch, Schriftzüge, Figuren ꝛc. zuſammenzuſetzen. In einfacher Weiſe können dieſe
[144] mehrfachen Funken durch die ſogenannte Brillantſäule gezeigt werden (Fig. 74).
Sie beſteht aus einer Glasröhre, die an ihrem Umfange mit einem Stanniol-
ſtreifen ſpiralförmig umklebt iſt. An beiden Enden der Röhre ſteht dieſer Stanniol-
ſtreifen mit Metallfaſſungen in leitender Verbindung, deren eine mit der Elektricitäts-
quelle, die andere mit der Erde in leitende Verbindung geſetzt iſt. Der Stanniol-
ſtreifen ſelbſt iſt an vielen Stellen durchſchnitten, ſo daß ſich die ganze Stanniolſpirale

Figure 74. Fig. 75.

Elektriſcher Funke.


eigentlich aus lauter Leiterſtückchen zuſammenſetzt. An jeder
Unterbrechungsſtelle muß dann, ſobald eine Entladung bewirkt
wird, ein Funke auftreten. Anſtatt auf einer Röhre kann ein
ſolcher häufig unterbrochener Leiter ſelbſtverſtändlich auch auf
einer Tafel angebracht werden und dann erhält man die ſo-
genannte Brillant- oder Blitztafel.


Das gleichförmige Leuchten des ganzen Funkens und
das Ueberſpringen desſelben in einer geraden Linie hört jedoch
ſofort auf, wenn die Unterbrechungsſtrecke des Schließungs-
bogens eine größere wird. Dann iſt der durchlaufene Weg
nicht mehr geradlinig, ſondern zickzackförmig, ähnlich dem
des Blitzſtrahles, und bei ſehr kräftigen Entladungen auf
große Schlagweiten gewinnt der Funke die in Fig. 75 ab-
gebildete Form. Er iſt dann mannigfach gekrümmt und zeigt
an ſeinen Ecken häufig Veräſtelungen. Die Zickzackform des
Funkens will man in der Weiſe erklären, daß derſelbe die
Luft vor ſich her verdichte, daher dann ſeitwärts in weniger
dichte Luft ausweiche, in dieſer Richtung verharre, bis die
Verdichtung abermals eine gewiſſe Größe erreicht hat, dann
neuerdings die Richtung verlaſſe u. ſ. w. Die Figur läßt
auch erkennen, daß die Leuchtkraft des Funkens durchaus nicht
an allen Stellen dieſelbe iſt, indem derſelbe nahe am poſitiven
Conductor in Folge der bedeutend größeren Helligkeit erheb-
lich breiter erſcheint als in ſeinem weiteren Verlaufe gegen
den negativen Conductor hin. Ja, kurz vor dieſem ſelbſt
iſt ſogar gewöhnlich ein dunkler Zwiſchenraum bemerkbar.


Auch die Farbe des Funkens iſt dann in jenem Theile,
welcher zwiſchen dem poſitiven Conductor und der dunklen
Stelle liegt, verſchieden von jenem Theile, welcher auf dem
negativen Conductor aufruht. Die Farben beider ändern ſich
mit der Natur des Gaſes, durch welches der Funke überſchlägt,
und mit der Wahl des Metalles an der Unterbrechungs-
ſtelle des Schließungsbogens. Der elektriſche Funke, welcher
zwiſchen Metallen überſpringt, iſt in Bezug auf ſeine
Farbe mit Hilfe des Spectralapparates unterſucht worden und dabei hat ſich
herausgeſtellt, daß die Farbe des Funkens nur von der Natur des angewandten
Metalles und der des Gaſes, durch welches ſich der Funke Bahn bricht, ab-
hängt. Wir werden ſpäter noch Gelegenheit haben, auf dieſes Verhalten aus-
führlicher zurückzukommen. An dieſer Stelle ſoll blos darauf hingewieſen werden,
daß dieſe Beobachtungen die ſchon früher mitgetheilte Annahme, das Leuchten des
elektriſchen Funkens ſei nur eine ſecundäre Wirkung der Elektricität, neuerdings
beſtätigen.


[145]

Das Licht iſt alſo ſtreng genommen kein elektriſches, ſondern durch die in
Folge der gleichzeitig auftretenden Wärme zum Glühen gebrachten Metall- und
Gastheilchen hervorgebrachtes. Daß es wirklich Metalltheilchen ſind, die durch die
elektriſche Entladung losgeriſſen und fortgeführt werden, während ſie gleichzeitig
durch die Erwärmung zum Glühen kommen, erkennt man auch daraus, daß
Metalle, von welchen aus längere Zeit Funken übergeſprungen ſind, ſich an ihrer
Oberfläche rauh und aufgeriſſen zeigen; umgekehrt kann an dem Metalle, auf
welches der Funke überſchlägt, Auflagerung von Metalltheilchen beobachtet werden.
Dieſer Vorgang läßt ſich ſehr deutlich zeigen, wenn man den Funken zwiſchen
zwei verſchiedenen Metallen, z. B. zwiſchen Silber und Kupfer, überſchlagen läßt;
in dieſem Falle kann man auf dem Kupfer nach einiger Zeit einen feinen Silber-
niederſchlag nachweiſen.


Leitet man die elektriſchen Entladungen in luftverdünnten Räumen ein, ſo
gewinnen ſie ein von dem eben betrachteten ganz verſchiedenes Ausſehen und
gewähren durch die Mannigfaltigkeit ihrer Formen und die Schönheit der Farben
häufig einen ſehr hübſchen, ja überraſchenden Anblick. Das Ausſehen, welches dieſe
Lichterſcheinungen zeigen, iſt von vielerlei Umſtänden abhängig. Die Form des
Gefäßes, in welchem das verdünnte Gas eingeſchloſſen iſt, die Form und gegen-
ſeitige Lage jener Drahtenden (Elektroden), von welchen die Entladungen ausgehen,
der Grad der Verdünnung, die chemiſche Beſchaffenheit des Gaſes, der Widerſtand
im Schließungsbogen u. ſ. w., jeder Umſtand für ſich und alle zuſammen bewirken
die mannigfachſten Veränderungen. Es würde umſomehr zu weit führen, hier
alle dieſe Erſcheinungen zu beſprechen, als wir uns mit denſelben ohnehin noch
ſpäter (bei Schilderung der durch die Inductionsſtröme hervorgerufenen Erſcheinungen)
damit zu befaſſen haben. Es wird daher hier eine kurze Angabe genügen.


Um die Entladungserſcheinungen in verſchiedenen Gaſen und bei verſchiedener
Verdünnung zu zeigen, benützt man das ſogenannte elektriſche Ei, Fig. 76.
Dasſelbe beſteht aus einem Glasballon, welcher oben und unten mit Meſſing-
faſſungen verſehen iſt. Die obere Faſſung trägt eine Stopfbüchſe, d. h. eine mit
eingefetteten Lederſcheiben gefüllte Büchſe, durch deren Mitte die eine Elektrode
geſteckt iſt. Die Stopfbüchſe hat den Zweck, die Elektrode verſchiebbar in das
Glasgeſäß einführen zu können, ohne daß hierdurch der luftdichte Verſchluß leidet.
Die einzelnen Lederſcheiben werden nämlich durch einen Schraubenkopf feſt aneinander
gepreßt und legen ſich dadurch dicht an die Elektrode an. Letztere beſteht aus einem
Meſſingſtabe, welcher an ſeinem oberen Ende mit einer Drahtklemme zur Aufnahme
des Zuleitungsdrahtes verſehen iſt und an ſeinem unteren Ende eine kleine Meſſing-
kugel trägt.


An die untere Metallfaſſung des elektriſchen Eies iſt die zweite Elektrode,
gewöhnlich unverſtellbar, befeſtigt. Nach unten zu ſchließt ſich an dieſe Faſſung
zunächſt ein Hahn, welcher durch entſprechende Drehungen geſtattet, den Innenraum
des Eies mit der äußeren Luft in Verbindung zu ſetzen oder von ihr abzuſperren.
Unterhalb des Hahnes iſt ein hohler Metallfuß befeſtigt, welcher an ſeiner Unter-
fläche vollkommen eben abgeſchliffen iſt. Mittelſt dieſes Fußes kann das Ei auf
den Teller einer Luftpumpe geſetzt werden; man kann dann durch die durchbohrte
Metallfaſſung, den geöffneten Hahn und den Fuß die Luft aus dem Ei ausſaugen,
andere Gaſe einſtrömen laſſen und dieſe beliebig verdünnen.


Um an einem Beiſpiele den Verlauf der Erſcheinungen kennen zu lernen,
wollen wir annehmen, das Ei ſei mit gewöhnlicher, trockener Luft gefüllt und
Urbanitzky: Elektricität. 10
[146] gleich bemerken, daß die Lichterſcheinungen, welche in dieſem Medium auftreten,
ſich nicht weſentlich von jenen unterſcheiden, welche man bei Anwendung reinen
Stickſtoffes (Stickgas) beobachtet. Die beiden Elektroden ſind ſo weit voneinander
entfernt, daß in gewöhnlicher Luft kein Funkenüberſchlagen eintreten kann. Hat
nun die Verdünnung der Luft einen gewiſſen Grad erreicht, ſo ſieht man von
der poſitiven Elektrode aus feine, lebhaft züngelnde, rothe Lichtfäden ausgehen,

Figure 75. Fig. 76.

Elektriſches Ei.


die gegen die negative Elektrode gerichtet ſind.
Hierbei ſind dieſe Lichtfäden häufig nicht in ihrer
ganzen Länge gleich hell, ſondern in regel-
mäßigen, ſehr kleinen Abſtänden von licht-
ſchwächeren Stellen unterbrochen, ſo daß jeder
einzelne Lichtfaden das Anſehen einer Reihe
leuchtender Perlen gewährt. In dem Maße, als
die Verdünnung fortſchreitet, mehrt ſich die Zahl
dieſer Fäden, dann werden dieſe ſelbſt immer
breiter, verſchmelzen miteinander und bilden
endlich einen röthlichen Lichtſchwall, der zunächſt
der poſitiven Elektrode am hellſten leuchtet, gegen
die negative Elektrode an Lichtſtärke ſtetig ab-
nimmt und in einer größeren oder geringeren
Entfernung von dieſer endet. Auch dieſes poſi-
tive Lichtbüſchel zeigt häufig abwechſelnd helle
und dunkle Schichten, die mit ihrer concaven
(hohlen) Fläche gegen die poſitive Elektrode ge-
kehrt ſind, wie dies Fig. 76 erkennen läßt.


An der negativen Elektrode haben ſich
inzwiſchen die Erſcheinungen in folgender Weiſe
entwickelt: Während des Auftretens der leuch-
tenden Fäden an der poſitiven Elektrode zeigt
ſich an der dieſer zugewandten Seite der nega-
tiven Elektrode ein ſchwacher bläulicher Licht-
ſchein — ein Lichtſcheibchen. Dieſes gewinnt bei
fortſchreitender Verdünnung der Luft im Ei eine
immer größer werdende Ausdehnung und über-
zieht immer größer werdende Flächen der Elektrode
mit einer blauen Lichthülle. Dieſe Lichthülle nimmt
dann auch an Dicke zu und erſcheint kornblumen-
blau gefärbt. Sie iſt am hellſten unmittelbar um
die Elektrode herum und nimmt mit der Ent-
fernung von ihr allmählich an Leuchtkraft ab.
Dieſes negative Glimmlicht zeigt gar nie Schichten, wie ſie beim poſitiven Lichtbüſchel
ſehr häufig zu beobachten ſind, nämlich Schichten, deren Flächen auf der Axe
des Lichtbüſchels ſenkrecht ſtehen; wohl aber bemerkt man, namentlich bei ſtarken
Verdünnungen der Luft im Ei, daß das elektriſche Glimmlicht häufig aus mehreren
Lichthüllen ſich zuſammenſetzt, die concentriſch die negative Elektrode umſchließen
und verſchiedene Helligkeiten zeigen. In unſerer Figur ſchließt ſich eine hellleuchtende
Hülle enge an die Elektrode an, hierauf folgt eine dunklere Hülle und auf dieſe
wieder eine helle Hülle; die Helligkeit der letzteren nimmt nach außen zu allmählich
[147] ab. Zwiſchen dieſer Hülle und dem poſitiven Lichtbüſchel iſt kein Licht zu ſehen;
es iſt dies der ſogenannte dunkle Raum.


Enthält das Ei andere Gaſe im verdünnten Zuſtande, ſo bekommen die
Lichterſcheinungen andere Farben. Bei Anwendung von Kohlenſäure iſt das poſitive
Büſchellicht grün oder blaugrün gefärbt, indeß das Glimmlicht, welches ſich in
dieſem Gaſe beſonders ſchön entwickelt, eine prachtvoll lavendelblaue Färbung
annimmt. Waſſerſtoffgas wird im Büſchellichte roſa, feurigroth, wenn es enge
Röhren durchſetzen muß, im Glimmlichte röthlich. Bei Sauerſtoff beobachtete der
Verfaſſer in der Regel rauchgraues oder gelblichgraues, wolkenförmiges Büſchel-
licht bei Anwendung verhältnißmäßig weiter Röhren und gleichzeitig röthliches
bis roſafarbenes Glimmlicht. Bei ſehr raſchem Uebergange von großen zu geringen
Röhrendurchmeſſern, alſo trichterförmiger Geſtaltung der Röhre wurde häufig auch
prächtig ſmaragdgrünes Licht beobachtet. Noch mannigfaltiger werden die Licht-
erſcheinungen bei mehrfach zuſammengeſetzten Gaſen.


Die mechaniſchen Wirkungen elektriſcher Entladungen laſſen ſich zum
Theile ſchon durch den Elektrophor oder die Reibungs-Elektriſirmaſchine zeigen,
treten aber bedeutend kräftiger auf, wenn man die Entladungsſchläge von Batterien
benützt. Zu den einfachſten dieſer Erſcheinungen gehören jene, welche auf der An-
ziehung und Abſtoßung der Elektricitäten beruhen. Hier haben wir zunächſt des
elektriſchen Windes zu gedenken. Wieſo dieſer entſteht, wurde bereits früher
gelegentlich der Spitzenwirkung erörtert. Dort wurde auch angegeben, daß durch
den elektriſchen Wind eine Kerzenflamme ausgeblaſen werden könne, daß auch
entſprechend geformte und befeſtigte Körper in Bewegung verſetzt werden können
(elektriſches Flugrad). Es wurde dort auch geſagt, daß die Bewegung des Flug-
rades eine Folge der zwiſchen den Lufttheilchen und der Spitze thätigen Abſtoßungs-
kraft ſei. Wir fügen dem noch bei, in welcher Art man ſich von der Richtigkeit
dieſer Erklärung überzeugen kann. Man ſetzt das Flugrädchen unter die Glocke
einer Luftpumpe und elektriſirt es, nachdem die Luft ausgepumpt iſt. Das Flug-
rädchen rotirt dann in der verdünnten Luft viel langſamer, weil jetzt bedeutend
weniger Lufttheilchen vorhanden ſind, daher auch weniger Lufttheilchen von den
Spitzen abgeſtoßen werden können, was ſchließlich zur Folge hat, daß die
Reactionswirkung eine ſchwächere werden muß.


Die elektriſchen Anziehungs- und Abſtoßungserſcheinungen ſind auch zu
einer Reihe elektriſcher Spielereien benützt worden. Hierher gehören der elektriſche
Schmetterling, das elektriſche Glockenſpiel, das elektriſche Kugelſpiel, der elektriſche
Hammer, die elektriſchen Tänzer, Blumen, Papierbüſchel, die unter dem Namen
Ano-Katho neuerdings wieder mehrfach aufgetauchte elektriſche Caſſette u. ſ. w.
Es iſt wohl überflüſſig, alle dieſe Spielereien zu erklären und dürfte daher die
Vorführung einiger derſelben genügen. Das elektriſche Kugelſpiel kann z. B. in
der Weiſe gezeigt werden, daß man auf eine Metallplatte, welche zur Erde
abgeleitet iſt, eine größere Anzahl von kleinen Kork- oder Hollundermarkkugeln
bringt und dann eine Glasglocke darüberſtülpt, wie dies Fig. 77 zeigt. In die
Glocke ragt ein Metallſtab hinein, der an ſeinen beiden Enden mit Kugeln verſehen
iſt. Theilt man dann der oberen Kugel Elektricität mit, ſo wird auch die Kugel
innerhalb der Glasglocke elektriſch, zieht die Korkkugeln an, elektriſirt ſie und
ſtößt ſie dann wieder ab. Hierauf fallen die elektriſirten Kugeln auf die zur Erde
abgeleitete Metallplatte, geben dort ihre elektriſche Ladung ab und können nun
ueuerdings wieder von der Kugel des Zuleitungsſtabes angezogen werden. Das
10*
[148] Herumhüpfen der Korkkugeln dauert natürlich ſo lange an, als die Metallkugel
hinlänglich ſtark geladen iſt, um die Korkkugeln anzuziehen. Das Ano-Katho iſt
eine Caſſette, deren Innenflächen mit Silberpapier oder Stanniol ausgekleidet
ſind und deren Deckel eine Glasplatte bildet. In der Caſſette befinden ſich beliebig
geformte Figürchen aus Hollundermark. Reibt man nun die Glasplatte an ihrer
Oberſeite, ſo wird ſie elektriſch und wirkt durch Influenz auf die Hollundermark-
figürchen, die dann in gleicher Weiſe, wie im früher angeführten Beiſpiele die
Korkkugeln, auf und ab hüpfen.


Die elektriſchen Tänzer ſind leichte Hollundermarkfigürchen, die man auf eine
zur Erde abgeleitete Metallplatte ſtellt, während man über dieſe und parallel zu
ihr eine Metallplatte hängt, welcher man Elektricität zuführt; die Figürchen
ſpringen dann zwiſchen beiden Platten luſtig auf und nieder. Alle dieſe Spielereien

Figure 76. Fig. 77.

Elektriſches Kugelſpiel.


ſind, wie man leicht einſieht, ſucceſſive Entladungen
eines elektriſirten Körpers durch Berührung mit
unelektriſchen Körpern und hierdurch hervorgerufene
Anziehungs- und Abſtoßungserſcheinungen.


Von größerem Intereſſe iſt jedoch der elek-
triſche Springbrunnen. Nähert man einem kleinen
Springbrunnen, wie ſolche gegenwärtig häufig als
Zierde unſerer Blumentiſche zu finden ſind, einen
elektriſirten Körper, etwa eine geriebene Glas- oder
Siegellackſtange, ſo wird das Ausſehen des Spring-
brunnens ſofort geändert. Während ſich früher der
Waſſerſtrahl knapp oberhalb der Ausflußöffnung in
Tropfen auflöſte, bleibt er jetzt ungetheilt; auch
fällt das Waſſer nicht mehr in ganz zerſtäubtem
Zuſtande, ſondern in größeren Tropfen wieder
herab. Dieſer Verſuch wurde zuerſt von Fuchs
gemacht, dann aber mit mannigfachen Abände-
rungen von Reitlinger und Anderen wiederholt;
Herwig und Lippmann unterſuchten den Einfluß
der Elektriſirung auf das Ausfließen aus engen
Röhrchen (Capillarröhren) überhaupt, und Zöllner
verſuchte, den Einfluß der Elektricität auf die Größe
der Tropfen zu beſtimmen. Nach Reitlinger ſoll die
Einwirkung der Elektricität auf die Form des aus dem Springbrunnen fließenden
Waſſers darin beſtehen, daß die Adhäſion zwiſchen Waſſer und Mündung des Ausfluß-
rohres aufgehoben wird, während die Cohäſion (Zuſammenhang der Waſſertheilchen
untereinander) durch die Elektricität unbeeinflußt bleibt. Es muß hierzu bemerkt
werden, daß durch anderweitige Verſuche als Urſache der Auflöſung eines feinen
unelektriſchen Waſſerſtrahles in Tropfen die Adhäſion erkannt wurde. Ob nun
obige Erklärung die richtige iſt oder nicht, intereſſant bleibt es immerhin, daß ſich
zwiſchen dem in Rede ſtehenden Experimente und gewiſſen Erſcheinungen in der
Natur gemeinſchaftliche Beziehungen zeigen. Beim Springbrunnen werden nämlich
durch Elektriſirung die Waſſertröpfchen vergrößert, und hat nicht ſchon Jedermann
beobachtet, daß vor Ausbruch eines Gewitters zumeiſt große, ſchwere Tropfen zur
Erde fallen? Häufig tritt auch unmittelbar nach einem Blitzſchlage eine bedeutende
Verſtärkung des Regens ein, der dann oft in förmlichen Strahlen zur Erde fließt.
[149] Der engere Zuſammenhang zwiſchen der Größe der Regentropfen und dem elek-
triſchen Zuſtande der Atmoſphäre iſt zwar noch nicht erkannt, bildet aber gewiß
ein intereſſantes Forſchungsthema.


In der Geſchichte der Elektricität wurde ein Verſuch angegeben, welcher ſeiner-
zeit als Stütze für die von Dufay aufgeſtellte Symmer’ſche Theorie der Elektricität
galt; wir meinen die Durchbohrung eines Kartenblattes durch den elektriſchen
Funken. Dort wurde geſagt, daß die Ränder der Oeffnung, welche durch den
Funken gebildet wird, auf beiden Flächen des Kartenblattes oder der Pappeſcheibe
aufgeworfen erſcheinen; das Aufwerfen der Ränder auf beiden Flächen müſſe in
der Art erklärt werden, daß die elektriſche Entladung ein Gegeneinanderſtrömen
zweier elektriſcher Ströme ſei, was eben Dufay und Symmer behaupteten. Rieß
machte jedoch darauf aufmerkſam, daß die aus dem Experimente gezogene Folgerung
eine unrichtige iſt. Aus dieſem Verſuche
folgt nur, daß die durch den Strom her-
vorgerufene mechaniſche Wirkung ſich
nach allen Seiten hin gleichförmig fort-
pflanzt und die Faſern des Kartenblattes
daher dorthin ausweichen, wo ſie nahezu
keinen Widerſtand finden, nämlich gegen
die das Kartenblatt auf ſeinen beiden
Flächen bedeckende Luft. Der Verſuch kann
aber keineswegs über den Strom ſelbſt
Aufſchluß geben.


Iſt der elektriſche Entladungsſchlag
hinlänglich ſtark, ſo kann er auch mehr
oder weniger dicke Glasplatten durchſchlagen.
Man kann ſich hierzu des in Fig. 78
abgebildeten Apparates bedienen. In der
Mitte eines cylindriſchen Glasgefäßes iſt
eine verticale Metallſpitze a befeſtigt, welche
mit der Klemmſchraube k in leitender
Verbindung ſteht; der Spitze a gegen-
über wird gleichfalls vertical an einem

Figure 77. Fig. 78.

Apparat zum Durchſchlagen von
Glasplatten.


Träger die Spitze b befeſtigt. Die zu
durchbohrende Glasſcheibe S S bringt man
zwiſchen beide Spitzen, indem man ſie auf den oberen Rand des Glascylinders
legt. Zur Ausführung des Verſuches verbindet man die Klemmſchraube k und
ſomit die untere Metallſpitze mit der Erde und leitet den Entladungsſchlag einer
kräftigen Flaſche oder Batterie durch die obere Spitze ein. Soll das Experiment
gelingen, ſo muß die Glasplatte vorher warm gut abgerieben werden, damit ſie
keine leitende Oberflächenſchicht beſitzt. Sie darf auch nicht zu klein ſein, da ſonſt
der Funke um die Platte herum zwiſchen beiden Spitzen überſchlägt. Um dies zu
verhindern, thut man auch gut daran, auf die Durchſchlagsſtelle einen Tropfen
Terpentinöl zu bringen. — Eine elektriſche Entladung unter Auftreten eines Funkens
kann auch in nicht leitenden Flüſſigkeiten bewirkt werden. Sind hierbei die Gefäße,
z. B. Röhren, welche die Flüſſigkeit enthalten, vollkommen verſchloſſen, ſo werden
die Wände durch die Gewalt des Entladungsſchlages häufig zerſprengt. In
leitenden Flüſſigkeiten kann natürlich kein Funke zu Stande kommen.


[150]

Bei hinlänglicher Stärke der elektriſchen Entladungen bringen dieſe auch im
ununterbrochenen Schließungsbogen mechaniſche Wirkungen hervor. Schaltet man
nämlich in den Schließungsbogen einer kräftig geladenen Batterie dünne Metall-
drähte ein, ſo werden dieſe durch den Entladungsſchlag zunächſt an verſchiedenen
Stellen eingeknickt; gleichzeitig beobachtet man an den Verbindungsſtellen des
dünnen Drahtes mit dem Schließungsbogen ein lebhaftes Funkenſprühen. Vom
Drahte ſelbſt werden Theilchen losgeriſſen, die in Form einer grauen Dampf-
wolke aufſteigen. Die Einknickungen des Drahtes werden zahlreicher und ſchärfer,
je ſtärker der Entladungsſchlag war, der durch den Draht gegangen iſt.


Wird die Ladung der Batterie weiter vergrößert, ſo kommt der Draht durch
die Entladung zum Roth- oder auch Weißglühen. Bei derſelben Menge der durch-
geleiteten Elektricität iſt die Intenſität des Glühens von der Dicke des Drahtes
abhängig und ſteigt, wenn der Querſchnitt abnimmt. Drähte aus verſchiedenen
Metallen verhalten ſich auch verſchieden. Die nächſte Wirkung, welche bei weiterer
Verſtärkung der Batterieladung eintritt, iſt die, daß der Draht in Stücke zerriſſen
wird und dieſe theilweiſe ſchmelzen. Die ſtärkſte Wirkung endlich, welche durch einen
Entladungsſchlag erzielt werden kann, iſt die Zerſtäubung des Drahtes; dieſe tritt
unter Entwicklung einer glänzenden Lichterſcheinung ein und iſt von einem ſtarken
Knalle begleitet.


Rieß hält dafür, daß auch beim Glühen der Drähte mechaniſche Wirkungen
zur Geltung kommen; er glaubt, der Entladungsſchlag bewirke eine Auflockerung
des Drahtes und verändere dadurch das Leitungsvermögen ſo, daß durch dieſe
mechaniſche Einwirkung der Draht viel eher zum Glühen gebracht wird, als der
bloßen Temperaturerhöhung durch die elektriſche Entladung entſprechen würde. Beim
Glühen und Schmelzen machen ſich übrigens noch ſecundäre Wirkungen geltend,
ſobald der Draht aus einem leicht oxydirbaren Metalle beſteht. Bei einem Eiſen-
drahte wird z. B. durch die Entladung eine oberflächliche Verbrennung des Eiſens
eingeleitet. Dieſe erzeugt dann eine ſo hohe Temperatur, daß der Draht fortglüht
oder ſogar abſchmilzt.


Zu den mechaniſchen Wirkungen der elektriſchen Entladung iſt ferner noch
die Bildung der Lichtenberg’ſchen Figuren zu zählen. Man erhält ſolche am
einfachſten in der Weiſe, daß man einer ebenen Harzplatte eine Metallſpitze ſenk-
recht gegenüberſtellt und durch letztere eine Entladung auf die erſtere übergehen
läßt. Nachdem man die Spitze entfernt hat, wird hierauf die Platte mit einem
feinen Pulver beſtreut; dieſes ordnet ſich hierbei in ganz beſtimmten Figuren an,
ſo zwar, daß dieſe als eines der ſicherſten Erkennungsmittel der Art der Ent-
ladung (ob poſitiv oder negativ) bilden. Als Beſtreuungspulver verwendet man in
der Regel das von Villarſy angegebene Gemenge, beſtehend aus Mennige und
Schwefel. Man ſtreut dieſes Gemenge in der Weiſe auf die elektriſirte Harzplatte,
daß man es aus einer mit mehreren Lagen Mouſſelin verſchloſſenen Büchſe aus-
beutelt. Die Theilchen des Pulvers reiben ſich an dem Mouſſelin und werden
elektriſch; die Schwefeltheilchen negativ und die Mennigetheilchen poſitiv. Erſtere
werden daher von den poſitiv elektriſirten Theilen der Harzfläche, letztere von den
negativen angezogen. Es werden alſo alle negativ elektriſchen Stellen roth, alle
poſitiven gelb erſcheinen.


Wichtiger als dieſer Farbenunterſchied, welcher durch Veränderung der Be-
ſtäubungsvorrichtung ſogar umgekehrt werden kann, iſt der Unterſchied der Formen.
Fig. 79 zeigt die charakteriſtiſche Form für eine poſitive Ladung der Harzplatte,
[151] ſtellt alſo eine poſitive Lichtenberg’ſche Figur dar. Man erſieht aus dieſer, daß
die von der Metallſpitze auf die Platte übergegangene Elektricität ſich vom Fuß-
punkte der Spitzen nach allen Richtungen hin ſtrahlenförmig ausgebreitet hat, und
daß die einzelnen Strahlen ſich mannigfach veräſteln. Betrachten wir hingegen die
negative Figur (Fig. 80), ſo ſehen wir eine kreisförmig begrenzte Fläche gleich-
mäßig mit Pulver beſtreut. Strahlen oder Veräſtelungen ſind keine wahrnehmbar,
die ganze negative Figur beſteht vielmehr nur aus einer rothen Scheibe. Ertheilt man
der Harzplatte eine gemiſchte Ladung, ſo zeigt ſich auch nach der Beſtreuung
eine gemiſchte Figur, wie eine ſolche in Fig. 81 dargeſtellt iſt. Bei dieſer ſehen
wir innen eine (rothe) Scheibe, entſprechend der negativen Elektriſirung, umgeben
von einem (gelben) Strahlenkranze, welcher durch die poſitive Entladung hervor-
gerufen wurde. Eine derartige Figur kann am bequemſten mit Hilfe eines Ruhm-
korff’ſchen Inductoriums (welches wir ſpäter noch kennen lernen werden) hervorgerufen
werden.


Figure 78. Fig. 79.

Poſitive Lichtenberg’ſche Figur.


Figure 79. Fig. 80.

Negative Lichtenberg’ſche Figur.


Mit der Erklärung und der Erforſchung der geſetzmäßigen Beziehungen der
Lichtenberg’ſchen Figuren haben ſich namentlich Bezold, Reitlinger, Rieß und Wächter
beſchäftigt. Wir folgen im Nachſtehenden einer diesbezüglichen, von Reitlinger und
Wächter in der Wiener Akademie der Wiſſenſchaften veröffentlichten Abhandlung.
Erſterer hatte ſchon vorher nachſtehende Erklärung gegeben: Poſitiv elektriſirten
Theilchen, welche ſich von der Spitze entfernen, habe man einen Impuls in der
Richtung ihrer Elektricitätsübertragung zuzuſchreiben; indem ſie in ſolcher Weiſe
ſchief von der Spitze nach der Platte fahren, ſtreifen ſie vermöge Zerlegung ihrer
Bewegung noch ein Stück an der Harzfläche, radial vom Fußpunkte der Spitze
ausgehend, nach außen fort; dieſe Bahnen erzeugen poſitiv elektriſirte Striche auf
dem Harze, welche, durch Beſtäubung ſichtbar gemacht, die gelbe Strahlenfigur
bilden. Dagegen fehle den negativ elektriſirten Theilchen ein ſolcher Impuls und
finde die Ausbreitung der negativen Elektricität unter der Spitze in ſolcher Gleich-
förmigkeit rund um dieſelbe ſtatt, daß der Schnitt zwiſchen ihr und der Harzfläche
eine Kreisſcheibe bilde. Dieſe wird nachher durch Beſtäubung als negative, rothe
[152] Kreisſcheibe ſichtbar. Demnach iſt die verſchiedene Bewegung der elektriſirten Theil-
chen zwiſchen Spitze und Platte die Urſache für die Formverſchiedenheit der
beiderlei Figuren. Was nun ſchließlich die nähere Bezeichnung der dabei thätigen
elektriſirten Theilchen ſelbſt betrifft, ſo bot ſich wohl am leichteſten die Annahme
dar, den Luft- oder Gastheilchen die geſchilderte Rolle zuzuſchreiben.


Eine von Wächter in umfaſſender Weiſe durchgeführte experimentelle Unter-
ſuchung führte in Bezug auf die Natur der elektriſirten Theilchen zu einer Ab-
änderung und Ergänzung obiger Erklärung. Durch mannigfaltige Variirung des
Materiales und der Geſtalt jener Spitzen, von welchen aus die Elektricität auf
die Platten geleitet wurde, gelang es nämlich, auch poſitive Figuren zu erhalten,
die das Ausſehen der negativen bekamen, alſo keine ſtrahlenförmigen Verzweigungen
zeigten. Dieſer Fall trat aber nur dann ein, wenn das Materiale der Spitze aus
einem ſchlechten Leiter beſtand und dieſer an ſeiner Oberfläche vollkommen ſtaubfrei

Figure 80. Fig. 81.

Gemiſchte Lichtenberg’ſche Figur.


war. Es gelang jedoch gar nie, eine
negative ſtrahlenförmige Figur zu be-
kommen. Beſtand die zur Verwendung
kommende Spitze aus einem guten Leiter
oder aus einem ſchlechten Leiter, der
aber vor der Entladung beſtäubt wurde,
ſo zeigte die poſitive Figur immer die
charakteriſtiſchen Strahlen. Daraus
folgerten nun Reitlinger und Wächter,
daß bei Erzeugung der poſitiven
Strahlenfigur feſte Theilchen die Träger
der Elektricität bilden, indem ſie von
der Spitze weg gegen die Platte ge-
ſchleudert werden und auf dieſer ſich
noch eine größere oder kleinere Strecke
weit fortbewegen, während ſie gleich-
zeitig ihre Elertricität an die Platte
abgeben. Wenn ein Entladungsfunke
zwiſchen Metallen überſchlägt, ſo werden
von dieſen Metallen ſtets Theilchen
abgeriſſen und fortgeſchleudert; dies
haben wir bereits früher erfahren. Dieſe Theilchen verurſachen dann die Strahlen-
figur. Wendet man hingegen einen Nichtleiter, alſo z. B. eine Spitze aus trockenem
Holze an, ſo findet dieſes Losreißen feſter Theilchen nicht ſtatt und man erhält
auch die poſitive Figur in Geſtalt einer ſtrahlenloſen runden Scheibe; die Elek-
triſirung der Platte erfolgt dann durch Vermittlung der Lufttheilchen, welche die
Platte nach allen Richtungen hin vollkommen gleichmäßig elektriſiren. Iſt jedoch
die Oberfläche des ſchlechten Leiters mit Staub irgend welcher Art bedeckt, ſo
wird dieſer durch eine poſitive Entladung weggeſchleudert und dann erhält die
poſitive Figur auch trotz der Anwendung eines ſchlechten Leiters wieder ihr
ſtrahlenförmiges Ausſehen.


Die Reſultate der in Rede ſtehenden Arbeit wurden in nachſtehenden Sätzen
zuſammengefaßt: Wo und wie immer negative Elektricität an die Harzfläche über-
geht, hinterläßt ſie Spuren kreisförmiger Ausbreitung, während die Uebertragung
poſitiver Elektricität je nach den Umſtänden in radialen Strichen oder auch in
[153] kreisförmigen Scheiben und Ringen geſchehen kann. Eine Umkehrung des Art-
unterſchiedes Lichtenberg’ſcher Figuren, mittelſt deren negative Elektricität eine
Strahlenfigur gäbe, iſt bis zum kleinſten Strahle herab unmöglich. Die poſitive
Strahlenfigur wird durch einzelne von der Elektrode losgeriſſene oder fort-
geführte Staubpartikel erzeugt, die poſitive ſowie auch die negative Scheibenfigur
werden dagegen durch Gasentladungen hervorgebracht.


Zur Erzeugung der Lichtenberg’ſchen Figuren ſind nicht Harzplatten aus-
ſchließlich geeignet, ſondern man kann dazu vielmehr auch Scheiben aus Glas,
Ebonit, Wachs und dergleichen verwenden. Ebenſo kann auch das Villarſy’ſche Ge-
menge durch andere Pulver erſetzt werden, wenn hierbei nur der Umſtand im
Auge behalten wird, daß der eine Theil des Pulvers durch die Reibung am
Mouſſelin poſitiv, der andere aber negativ elektriſch werden muß.


Reitlinger fand, daß die Staubfiguren verſchiedene Größen erhalten, wenn
ſie in verſchiedenen Gaſen erzeugt werden, und daß ſie hierin mit dem von Faraday
beobachteten Verhalten des elektriſchen Büſchels übereinſtimmen. Werden die Figuren
im luftverdünnten Raume erzeugt, ſo ändert ſich deren Größe im umgekehrten
Verhältniſſe zum Luftdrucke, welcher in dem Raume herrſcht. Dieſes Geſetz wurde
von Reitlinger durch annähernde Verſuche gefunden und von Bezold durch exacte
Meſſungen feſtgeſtellt.


Die Lichtenberg’ſchen Figuren wurden abſichtlich ausführlicher beſprochen, als
es eigentlich dem Zwecke dieſer Blätter entſpricht, weil ſie in die Gruppe jener
Erſcheinungen gehören, die man unter dem Namen der Artunterſchiede zuſammen-
faßt. Die Verfolgung und das eingehende Studium dieſer dürfte aber in theo-
retiſcher Hinſicht noch große Wichtigkeit erlangen. Wir werden auch noch fernerhin
wiederholt Gelegenheit haben, auf derlei Erſcheinungen hinzuweiſen.


Die elektriſchen Entladungen ſind auch im Stande, phyſiologiſche Wir-
kungen
auszuüben. Läßt man den elektriſchen Funken auf die Hand oder über-
haupt eine unbekleidete Körperſtelle überſpringen, ſo fühlt man eine Art ſtechenden
Schmerzes. Iſt der Funke kräftig, z. B. der einer Kleiſt’ſchen Flaſche, welche man
bei ihrer äußeren Belegung mit der einen Hand hält, während die andere Hand
der mit der inneren Belegung in Verbindung ſtehenden Kugel genähert wird, ſo
verſpürt man je nach der Stärke der Ladung einen mehr oder minder heftigen
Schlag. Zu heftige Schläge, die ſich bis zur Bruſt fühlbar machen, können auch
theilweiſe Lähmung bewirken. Den Entladungsſchlag kann eine größere Anzahl von
Perſonen gleichzeitig fühlen, wenn ſie, ſich bei den Händen haltend, eine Kette bilden,
deren erſtes Glied die Flaſche in der Hand hält, während deren letztes Glied die
freie Hand dem Knopfe der Flaſche nähert. Der Entladungsſchlag einer Flaſche
kann kleine Thiere, jener kräftiger Batterien auch große Thiere tödten. Innere
Verletzung iſt hierbei keine wahrzunehmen.


Leitet man die Entladung einer Batterie durch chemiſch zuſammengeſetzte
Flüſſigkeiten, ſo werden dieſe in ihre Beſtandtheile zerlegt; wir haben es alſo hier
mit einer chemiſchen Wirkung der elektriſchen Entladungen zu thun. Wir hatten
ſchon einmal, nämlich bei Beſprechung der Influenzmaſchinen und ihrer Wirkungen,
Gelegenheit, der chemiſchen Wirkung elektriſcher Entladungen zu gedenken. An
dieſer Stelle wurde die Zeſetzung des Waſſers in ſeine beiden Beſtandtheile, Waſſer-
ſtoff und Sauerſtoff, erwähnt. Man kann die chemiſche Wirkung elektriſcher
Entladungen einfach dadurch zeigen, daß man die vom negativen und poſitiven
Conductor ausgehenden Drähte bis auf ihre Enden wohl iſolirt in eine Kupfer-
[154] vitriollöſung tauchen läßt. Sind auch die durch eine Elektriſirmaſchine hervorgerufenen
chemiſchen Wirkungen ſehr ſchwach, ſo zeigt ſich doch nach länger fortgeſetzter
Thätigkeit der Maſchine jenes Drahtende, welches mit dem negativen Conductor
in Verbindung ſteht, mit Kupfer überzogen. Vertauſcht man hierauf beide Drähte,
ſo löſt ſich der vorhin gebildete Kupferniederſchlag wieder auf. Aus dieſen beiden
Verſuchen folgt, daß die Kupfervitriollöſung durch die elektriſchen Entladungen
zerſetzt und bei dieſer Zerſetzung das Kupfer an jenem Drahtende abgeſchieden
wird, welches mit dem negativen Conductor in Verbindung ſteht, die Säure
hingegen an dem mit dem poſitiven Conductor in Verbindung geweſenen
Drahtende.


Durch chemiſche Wirkung der elektriſchen Entladungen in der Luft wird auch
der gleichzeitig auftretende elektriſche Geruch bewirkt. Der elektriſche Funke
wirkt nämlich auf den Sauerſtoff der Luft in der Weiſe ein, daß er ihn in
eine andere Modification, in welcher wir ihn als Ozon bezeichnen, überführt. Ferner
werden auch immer kleine Mengen von Salpeterſäure gebildet.


Die elektriſche Piſtole beruht zum Theile ebenfalls auf der chemiſchen Wirkung
des elektriſchen Funkens. Durch ihn werden nämlich exploſible Gasgemenge entzündet
und in gewiſſe Gasverbindungen übergeführt. Umgekehrt können aber auch gasförmige
Verbindungen durch den elektriſchen Funken wieder zerlegt werden.


Sämmtliche Wirkungen, die wir bis jetzt kennen gelernt haben, treten innerhalb
des Schließungsbogens auf. Die elektriſchen Entladungen rufen aber auch außerhalb
desſelben Erſcheinungen hervor. Als ſolche kennen wir die elektriſchen und
magnetiſchen Wirkungen.


Die magnetiſchen Wirkungen elektriſcher Entladungen zeigen ſich in zweierlei
Art. Eine freibewegliche Magnetnadel wird, in die Nähe eines Schließungsbogens
gebracht, aus ihrer Richtung abgelenkt, ſobald eine Entladung ſtattfindet. Führt
man elektriſche Entladungen durch eine Drahtſpirale, in deren Innerem ſich eine
Stahlnadel befindet, ſo wird letztere dauernd magnetiſch.


Die elektriſchen Wirkungen der Entladungen erklären ſich aus der Influenz-
wirkung. Man kann ſie etwa in der Weiſe zeigen, daß man in der Richtung ſenkrecht
auf den Schließungsbogen zwei Leiter nahe aneinanderſtellt und den von dem
Schließungsbogen weiter abſtehenden Leiter mit der Erde in Verbindung ſetzt.
Bevor nun im Schließungsbogen der Ausgleich der beiden Elektricitäten erfolgt,
wirken dieſe influenzirend auf die beiden Leiter. Die Influenzelektricitäten erſter und
zweiter Art werden voneinander getrennt und bleiben getrennt, bis im Schließungs-
bogen die Entladung eintritt. Dann hört die Wirkung der trennenden Kraft auf und
die beiden Influenzelektricitäten vereinigen ſich wieder; es findet alſo auch zwiſchen
den beiden Leitern eine elektriſche Entladung ſtatt. Man nennt dieſe Erſcheinung
den Rückſchlag und dieſer iſt auch die Urſache der Zuckungen eines Froſchſchenkels,
welcher während des Funkenüberſpringens ſich in der Nähe einer Elektriſirmaſchine
befindet. (Vergl. S. 24.) Derſelben Urſache iſt es ferner zuzuſchreiben, daß Perſonen,
die ſich nahe bei einem Schließungsbogen befinden, durch welchen kräftige Ent-
ladungen erfolgen, einen ſchwachen Schlag empfinden, auch wenn ſie mit dem
Bogen in gar keiner Berührung ſtehen. Die beiden Influenzelektricitäten werden
eben bevor der Entladungsſchlag erfolgt, im menſchlichen Körper voneinander getrennt
und vereinigen ſich wieder, ſobald die Entladung erfolgt iſt.


In Obigem ſind die Wirkungen elektriſcher Entladungen keineswegs erſchöpfend
behandelt; doch da ein großer Theil derſelben bei Anwendung des galvaniſchen
[155] Stromes in viel höherem Maße zur Geltung kommt, ſo ſollen ſie auch dort ein-
gehender gewürdigt werden. Hier hatten wir daher hauptſächlich nur jene Wirkungen
in’s Auge zu faſſen, die durch die plötzliche Ausgleichung kräftiger Ladungen hervor-
gerufen werden.


2. Atmoſphäriſche Elektricität.


Elektricität der Luft.

Die oberen Schichten der Luft zeigen ſich ſtets, bald mehr, bald weniger,
elektriſch. Wodurch ihr elektriſcher Zuſtand hervorgerufen wird, iſt gegenwärtig
noch nicht bekannt. Man glaubte früher, der Verdunſtungs- und Vegetationsproceß
errege Elektricität. Rieß und Reich konnten jedoch bei diesbezüglichen Verſuchen
das Auftreten elektriſcher Zuſtände nicht nachweiſen. Man neigt ſich daher gegen-
wärtig mehr der Anſicht zu, daß die Condenſation der Waſſerdämpfe Elektricität
errege, und ſtützt dieſe Anſicht darauf, daß bei Nebel größere Elektricitätsmengen
nachweisbar ſind, als bei klarem Himmel, und auf das Entſtehen des Blitzes bei
bewölktem Firmamente. Experimentelle Beweiſe für dieſe Anſicht wurden jedoch
keine beigebracht. Lamont hält hingegen die atmoſphäriſche Elektricität nur für eine
Folge der Elektricität der Erde.


Die atmoſphäriſche Elektricität iſt bei heiterem Himmel gewöhnlich poſitiv
und gleichzeitig die der Erde negativ. In ihrer Stärke zeigt ſie tägliche und
jährliche Schwankungen. Ihre Stärke wächſt von Sonnenaufgang an einige
Stunden, nimmt dann ab, beginnt einige Stunden nach Mittag neuerdings zu
wachſen und nimmt etwa zwei Stunden nach Sonnenuntergang abermals ab; es
treten alſo täglich zwei Maxima und zwei Minima ein. Die jährlichen Schwankungen
vollziehen ſich in der Art, daß die Stärke im Januar ihr Maximum erreicht, von
da an bis zum Mai abnimmt, wo ſie alſo ihr Minimum erreicht, und dann
abermals bis zum Januar wächſt. Nahe der Erde beſitzt die Luft keine nachweis-
bare elektriſche Ladung; dieſe tritt erſt oberhalb auf und nimmt dann mit der
Entfernung von der Erde zu. Die Luft zeigt ſich, wie bereits erwähnt wurde, ſtärker,
und zwar poſitiv elektriſch bei nebeligem Wetter als bei reiner Luft, wird jedoch
bald poſitiv, bald negativ, ſobald Niederſchläge eintreten. Zur Unterſuchung der
Luftelektricität kommen hauptſächlich zweierlei Methoden in Verwendung. Nach
der erſten Methode ſtellt man in hinreichender, freier Höhe eine iſolirte Spitze
auf, welche mit einem empfindlichen Elektrometer in Verbindung geſetzt wird.
Hierbei bekommt das Elektrometer eine elektriſche Ladung, welche gleichnamig mit
jener der Luftelektricität iſt (ſiehe Spitzenwirkung). Nach der zweiten Methode
wird am oberen Ende der Zuleitſtange eine Kugel angebracht. Zum Zwecke der
Beobachtung ſetzt man dann dieſe für kurze Zeit mit der Erde in leitende Ver-
bindung.


Die Luftelektricität wirkt influenzirend, indem ſie die Influenzelektricität
erſter Art in die Kugel zieht, während die Influenzelektricität zweiter Art zur
Erde abfließt. Hebt man dann die Verbindung zwiſchen Erde und Kugel auf, ſo
verbreitet ſich die Influenzelektricität erſter Art über den ganzen Leiter, gelangt
alſo auch in das Elektrometer und dieſes wird daher mit entgegengeſetzter
Elektricität (Influenzelektricität erſter Art) geladen erſcheinen.


[156]
Das Gewitter.

Das Gewitter iſt der Ausgleich hoher elektriſcher Spannungen in der Luft,
beziehungsweiſe in den Wolken, wobei der elektriſche Funke als Blitz, der Schall
als Donner auftritt. In welcher Art die Identität des Blitzes mit dem elektriſchen
Funken nachgewieſen wurde, braucht hier nicht mehr erörtert zu werden, da hierüber
bereits in der Geſchichte der Elektricität berichtet wurde. Es mag nur noch erwähnt
werden, daß ſich der Blitz ſtets die beſten Leiter ausſucht, daß er brennbare Körper
entzündet, Metalle zum Schmelzen bringt oder auch zerſtäubt, lebende Weſen
tödtet, Eiſen magnetiſch machen und Magnete zerſtören kann, Ozongeruch ver-
breitet — kurz in ſeinem ganzen Verhalten von jenem elektriſcher Entladungs-
ſchläge nicht abweicht.


Man unterſcheidet verſchiedene Formen der Blitze, nämlich Zickzack-, Flächen-,
Kugel- und Schlangenblitze. Am häufigſten ſind die Flächenblitze zu beobachten.
Nach Kundt verhält ſich die Zahl der Flächenblitze zu jener der Zickzackblitze wie
11 zu 6. Die Flächenblitze ſind büſchelförmige elektriſche Entladungen von Wolke
zu Wolke. Auch der Zickzackblitz kann von Wolke zu Wolke überſchlagen. Es iſt
hierbei nicht nothwendig, daß die eine Wolke poſitiv, die andere negativ elektriſch
ſein muß. Die Elektricität einer Wolke kann auch auf eine unelektriſche Wolke
übergehen, gleichwie man aus einem elektriſirten Körper durch Annäherung eines
nicht elektriſchen Leiters Funken ziehen kann. Natürlich kommt hierbei die Influenz-
wirkung in der Weiſe zur Geltung, wie dies früher dargeſtellt wurde. Auch die
Zickzackform des Blitzes wird in der Weiſe erklärt, wie jene des Funkens bei
Entladung kräftiger Batterien durch größere Luftſtrecken. Der Blitz verdichtet
vor ſich her die Luft und weicht dann dieſer verdichteten und daher ſchlechter
leitenden Schicht aus.


Wenn der Blitz vom Himmel zur Erde niederzuckt, ſo ſagt man, es hat
eingeſchlagen. Der Blitzſtrahl hat hierbei oft eine Länge von mehr als
1000 Meter. Ob wir in dieſem Falle nur in Folge der Lichtnachwirkung im
Auge die ganze Bahn der Entladung leuchtend ſehen und daher der Blitz nur
ein Funke in den aufeinanderfolgenden Stellen der Bahn iſt, oder ob die Linien-
form dem Blitze eigenthümlich ſei, darüber iſt die Entſcheidung noch ausſtändig.
Der Zickzackblitz verbreitet ein weißes, grelles Licht und giebt im Spectralapparate
dasſelbe Spectrum wie der elektriſche Funke. Die Flächenblitze ſind hingegen etwas
röthlich gefärbt. Wenn der Blitz gegen die Erde gerichtet iſt, ſo fährt er gewöhnlich
auf die höchſten Gegenſtände, wie Thürme, Bäume und dergleichen los und verfolgt
dann jenen Weg zur Erde, der ihm am wenigſten Widerſtände darbietet. Sind
die Gegenſtände, die er auf ſeiner Bahn antrifft, Nichtleiter, ſo werden ſie häufig
zerriſſen oder zertrümmert; ſind es hingegen Leiter, ſo werden ſie, je nach der
Stärke des Schlages, mehr oder weniger glühend oder auch abgeſchmolzen. Muß
der Blitz auf ſeinem Wege zur Erde trockenen Sand paſſiren, ſo ſchmilzt er dieſen
zuſammen und bildet die ſogenannten Blitzröhren. Dem Einſchlagen des Blitzes
folgt gewöhnlich ein raſcher, kräftiger Donnerſchlag nach, der dann praſſelnd endet.
Bei Flächenblitzen hört man meiſt ein mehr oder minder ſtarkes, grollendes Donnern.
Menſchen und Thiere werden durch den Blitz betäubt oder auch getödtet. Die
Betäubung beſteht in einer momentan eintretenden Bewußtloſigkeit in der Art,
daß der Wiedererwachte keine Rechenſchaft darüber zu geben im Stande iſt, was
mit ihm vorgegangen. Der Tod in Folge eines Blitzes tritt ebenfalls augenblicklich
[157] ein; in dieſer Weiſe Getödtete findet man in derſelben Stellung, die ſie im Momente
des Schlages eingenommen hatten, und mit geöffneten Augen. An dem Körper
zeigen ſich keine inneren Verletzungen, aber auf der Haut finden ſich häufig Spuren
des Weges, welchen der Blitzſtrahl genommen hat. Es ſind dies blutunterlaufene
Stellen, die mitunter Veräſtelungen zeigen, ähnlich jenen der poſitiven Lichtenberg-
ſchen Figur. Nach Boudin werden in Frankreich alljährlich beiläufig 100 Perſonen
durch den Blitz getödtet.


Es ereignet ſich auch, daß Menſchen oder Thiere während eines Blitzſchlages,
ohne von dieſem getroffen zu ſein, doch eine Erſchütterung verſpüren, ja ſogar
getödtet werden. Es iſt dies die Wirkung des Rückſchlages, welche durch den
Blitz ebenſo hervorgerufen werden kann, wie durch die Entladungen einer elektriſchen
Batterie.


Zu den ſeltenen Erſcheinungen gehören die Schlangen- und die Kugelblitze;
durch einen Blitz letzterer Art wurde bekanntlich Richmann erſchlagen. Es ſind dies
Feuerkugeln, die bis zu 10 Secunden ſichtbar bleiben und dann mit heftigem
Knalle zerplatzen. Eine blitzartige Entladung ohne Donner iſt das Wetter-
leuchten
. Dieſe Erſcheinung kann durch zweierlei Urſachen hervorgerufen ſein:
entweder iſt ſie nur der Widerſchein eines weit entfernten Gewitters und kann
daher auch bei wolkenloſem Himmel wahrgenommen werden, oder es iſt das ruhige,
büſchelartige Ausſtrömen von Elektricität aus Wolken.


Auch das Elmsfeuer (Hermesfeuer, auch Kaſtor und Pollux genannt) iſt
ebenfalls eine elektriſche Lichterſcheinung. Es beſteht aus kleinen, büſchelförmigen
Flämmchen, die ſich bei ſtark elektriſchem Zuſtande der Luft namentlich an ſpitzigen
oder kantigen Körpern aufſetzen. Gleichzeitig vernimmt man hierbei manchmal ein
Geräuſch, wie ſolches das Ausſtrömen der Elektricität aus Spitzen hervorbringt.


Der Blitz iſt gewöhnlich vom Donner begleitet; dieſer verdankt ſein Ent-
ſtehen dem gewaltſamen Zurückſchleudern der Luft durch den Blitzſtrahl. Die längere
Dauer des Donners ſchreibt man verſchiedenen Urſachen zu. Wie bereits erwähnt,
legt der Blitz oft einen Weg von mehr als 1000 Meter Länge zurück. In Folge
der Geſchwindigkeit des elektriſchen Funkens und der Fortpflanzung des Lichtes
ſehen wir den ganzen Weg gleichzeitig beleuchtet. Der Blitz wirft hierbei auf allen
Stellen ſeines Weges die Luft zurück und erregt daher überall Schallerſcheinungen;
dieſe pflanzen ſich aber bedeutend langſamer fort als das Licht, und daher gelangen
die von den einzelnen Punkten der Blitzbahn ausgehenden Schallwellen auch erſt
nacheinander in unſer Ohr, müſſen alſo eine länger andauernde Schallwirkung
hervorrufen. Die auf dieſer Grundlage berechnete Schalldauer iſt jedoch für die
Dauer des Donners in der Regel nicht ausreichend. Man nimmt daher an, daß
länger andauernde Donner durch Reflexionen der Schallwellen an Wolken, Fels-
wänden u. dergl. zu Stande kommen. Es kann aber auch ſein, daß das Zurück-
werfen der Luftmaſſen allein zur Erklärung des andauernden Donners ausreicht.
Die Luftmaſſen, welche durch den Blitz weggeſchleudert werden und dann wieder
zurückkehren, können nämlich nicht ſofort zur Ruhe kommen, ſondern werden viel-
mehr über die Stelle des Zuſammenſchlagens hinausgehen, wieder auseinander-
weichen und abermals zuſammenſchlagen, bis ſie endlich nach mehrmaligem Hin-
und Herſchwingen zur Ruhe kommen. Es iſt daher wohl möglich, daß die Dauer
des Donners nur auf dieſem Verhalten beruht.


Befindet ſich der Beobachter von allen Stellen der Blitzbahn ziemlich gleich
weit entfernt, ſo tritt der Donner als einfacher, ſcharfer Knall auf. Die Zeit,
[158] welche zwiſchen Blitz und Donner verfließt, kann zur Schätzung der Entfernung
eines Gewitters benützt werden. Das Licht pflanzt ſich bei den Entfernungen,
welche hier in Betracht kommen, faſt augenblicklich fort, während der Schall in
einer Secunde nur 333 Meter zurücklegt. Das Gewitter iſt daher ſo oftmal
333 Meter weit entfernt, als Secunden verſtreichen zwiſchen der Wahrnehmung
des Blitzes und jener des Donners. Die Fortpflanzung des Schalles findet aber
auch in der Luft ein Hinderniß, da dieſe den Schall viel ſchlechter leitet, als wie
dies feſte Leiter vermögen. Iſt deshalb der Blitz über drei Meilen von uns
entfernt, ſo nehmen wir dieſen allerdings noch wahr, aber ohne den Donner zu
hören; es iſt ein Blitz ohne Donner.


In welcher Weiſe die großen Mengen Elektricität erregt werden, welche bei
Gewittern zur Geltung kommen, iſt noch nicht genügend aufgeklärt. Man könnte
annehmen, daß die in der Atmoſphäre vorhandene Elektricität durch die Wolken,
als gute Leiter, aufgenommen und geſammelt wird; dann müßte aber der elektriſche
Zuſtand der Luft vor einem Gewitter zunehmen, wofür keine ausreichenden Beob-
achtungen vorliegen. Nimmt man jedoch an, daß die elektriſchen Spannungen in
der Wolke ſelbſt, etwa durch plötzliche Condenſation, hervorgerufen werden, ſo iſt
hiermit die Thatſache nicht in Uebereinſtimmung zu bringen, daß die Gewitter ſich
nicht gar zu ſelten in entgegengeſetzter Richtung fortbewegen wie die Wolken.
Gewitter legen oft mehrere Hunderte von Meilen zurück, treten auf ihrem Wege
in ganz verſchiedener Stärke auf und kehren auch zuweilen zurück. Es iſt daher
wohl anzunehmen, daß der elektriſche Zuſtand ſeinen Sitz nicht in den Wolken
hat, ſondern ſich vielmehr von Wolke zu Wolke fortpflanzt.


Was die Häufigkeit der Gewitter anbelangt, ſo iſt dieſe für verſchiedene
Gegenden der Erde verſchieden; in den Aequatorialzonen ſind ſie ſehr häufig,
treten oft ſogar täglich auf, während in den Polargegenden ganze Jahre ohne
Gewitter verſtreichen. Die Zahl der Gewitter nimmt ab mit der Zunahme der
geographiſchen Breite, wird jedoch auch durch die Niederſchlagsverhältniſſe beeinflußt.
Im Inneren der Continente ſind ſie ſeltener als in den Küſtenländern, in der
warmen Jahreszeit häufiger als in der kalten. Sie treten öfter in den Nachmittags-
und Abendſtunden ein als zeitlich Morgens.


Mittel, welche als Schutz gegen die Wirkungen des Blitzes dienen, ſind
verſchieden je nach dem zu ſchützenden Objecte. Als Schutz für Gebäude und
Schiffe verwendet man bekanntlich die Franklin’ſche Stange oder den Blitzableiter.
Seine Anwendung, Conſtruction und Wirkung iſt Gegenſtand der zweiten Ab-
theilung vorliegenden Buches. Zum Schutze für Perſonen empfiehlt man folgende
Vorſichtsmaßregeln: In Zimmern ſorge man dafür, daß keine Zugluft herrſche,
halte ſich entfernt von jeder Art metalliſcher Leitungen, ebenſo von Kaminen und
bewege ſich überhaupt mehr in der Mitte des Zimmers. Auf Straßen geht
man am beſten in deren Mitte und ebenſo in Alleen. In freier Ebene wird durch
das Laufen einzelner Perſonen die Gefahr nicht weſentlich erhöht, wohl aber durch
das Laufen vieler Perſonen. Das Unterſtellen unter Bäume iſt nicht rathſam.


Das Nordlicht.

Zu den elektriſchen Erſcheinungen in der Atmoſphäre gehört auch das Nord-
licht. In den Polargegenden faſt jede Nacht ſichtbar, iſt es in den mittleren
Breiten ſelten, in den Aequatorialgegenden gar nie zu beobachten. In den mittleren
[159] Breiten ſieht man kaum mehr als eine Röthung des nördlichen Abendhimmels, in
der Art, wie ſie von großen Bränden bewirkt wird. Das Nordlicht verräth ſich
in dieſen Gegenden jedoch durch Störungen der Magnetnadel, die oft bis um
5 Grade ſchwankt. In den Polargegenden bildet es eine prächtige, häufig die
Form wechſelnde Lichterſcheinung, welche die langen Nächte theilweiſe erhellt. Am
nördlichen Himmel zeigt ſich zunächſt ein durch einen hellen Saum eingefaßtes
Segment; dann nimmt der Saum an Breite zu, wird glänzender und nach einiger
Zeit tauchen aus demſelben hellleuchtende Strahlen auf. Länge, Glanz und Form
dieſer Strahlen ſind ſehr wandelbar; in den höchſten Breiten, wo ſich die Er-
ſcheinung in ihrer ſchönſten Form zeigt, vereinigen ſich dieſe Strahlen nach oben
zu und bilden die ſogenannte Corona. Gerland macht darauf aufmerkſam, daß
dieſe Nordlichterſcheinungen häufig von Blitzen begleitet werden, welche den Cha-

Figure 81. Fig. 82.

Das Nordlicht.


rakter der Flächenblitze haben und oft eine und dieſelbe ſcharf begrenzte Stelle des
Himmels innerhalb des Nordlichtes momentan erleuchten. Ebenſo beobachtete er
ein regelmäßig pulſirendes Aufleuchten einer der Corona benachbarten Stelle. Die
Corona erſcheint an jener Stelle des Himmels, nach welcher der Südpol einer
Inclinationsnadel zeigt.


Das Nordlicht gehört der Atmoſphäre an; hiefür ſpricht ſowohl der Um-
ſtand, daß es an der Bewegung der Sternenwelt keinen Antheil nimmt, ſowie
auch zum Theile die ſpectroſkopiſche Unterſuchung desſelben. Dieſe ergab nämlich
der Hauptſache nach Anzeigen, welche gleich ſind jenen, die glühendes und leuch-
tendes Stickgas giebt. Die Angaben über die Höhe des Nordlichtes ſind äußerſt
ſchwankend; ſie variiren zwiſchen 20 und 100 Meilen.


Iſt auch die Natur und die Entſtehung des Nordlichtes noch ziemlich
unerforſcht, ſo ſteht doch deſſen Zuſammenhang mit dem Erdmagnetismus außer
[160] jedem Zweifel. Das Nordlicht lenkt nicht nur die Declinationsnadel ab, ſondern
es zeigt ſich auch, daß ſeine Strahlen die Richtung der Inclinationsnadel einnehmen.
Man hält das Nordlicht gewöhnlich für elektriſche Ausſtrömungen; nach Ampère iſt
der Erdmagnetismus durch elektriſche Ströme hervorgerufen, welche die Erde beiläufig
in der Oſt-Weſt-Richtung umkreiſen. Dieſe Stromkreiſe müſſen gegen die Pole
zu immer enger werden und ſomit gewiſſermaßen in eine Spitze zu auslaufen.
Da die Erde negativ elektriſch iſt, tritt an dieſer Spitze ein Ausſtrömen der
negativen Elektricität ein; die Ausſtrömung iſt dann gegen die poſitiv elektriſchen
oberen Luftſchichten gerichtet.


Die Nordlichter treten nicht während des ganzen Jahres in gleicher Anzahl
auf, ſondern die Häufigkeit ihrer Erſcheinung erreicht während der Tag- und Nacht-
gleichen ihr Maximum und nimmt dann wieder ab, bis ſie zur Zeit der Solſtitien
ihr Minimum erreicht hat. Die Zahl der Nordlichter zeigt aber auch eine perio-
diſche Schwankung in der Art, daß nach ungefähr 11 Jahren ſtets ein Maximum
eintritt, welches mit dem Erſcheinen der Sonnenflecken in einem noch ganz unbe-
kannten Zuſammenhange ſteht; es zeigt, wie dieſe, in dem Zeitraume von fünf
Perioden (alſo etwa 56 Jahren) wieder eine Ab- und Zunahme.


3. Der galvaniſche Strom.


Entſtehung des Stromes.

Elektricitätserregung bei Berührung von Metallen untereinander
oder mit Flüſſigkeiten.
Bei der Lane’ſchen Maßflaſche führt von der äußeren
Belegung ein Draht zu einer Meſſingkugel, welche in entſprechender Entfernung
von der mit der inneren Belegung in Verbindung ſtehenden Kugel angebracht iſt.
Je nach der Entfernung der beiden Kugeln voneinander tritt bei einer beſtimmten
Ladung der Flaſche der Ausgleich beider Elektricitäten in den zwiſchen beiden
Kugeln auftretenden Funken ein. Um das Zuſtandekommen dieſes Ausgleichsfunkens
zu ermöglichen, mußte ſich die Elektricität offenbar einerſeits von der inneren
Belegung zu der mit ihr in leitender Verbindung ſtehenden Kugel begeben, anderer-
ſeits mußte ſich die entgegengeſetzte Elektricität von der äußeren Belegung durch
den Draht zu der zweiten Kugel bewegen.


Die beiden Elektricitäten befinden ſich alſo gegeneinander in Bewegung. Wie
wir gehört haben, iſt auch die Bewegung der Elektricitäten im Schließungsbogen
damit, daß ſie bis zur Unterbrechungsſtelle ſtrömen, noch nicht zu Ende. Die
Elektricität der äußeren Belegung bewegt ſich vielmehr bis zur inneren Belegung
und umgekehrt (ſiehe oſcillirende Entladung). Wir betrachteten ferner die chemiſchen,
mechaniſchen, phyſiologiſchen und Wärmewirkungen elektriſcher Entladungen, und in
jedem Falle mußte zur Hervorrufung dieſer Wirkungen die Elektricität in Bewegung
kommen, Drähte durchſtrömen. Wenn wir trotzdem nicht von einem elektriſchen
Strome ſprachen, ſondern die Bezeichnung Entladungsſchlag beibehielten, ſo hat
dies darin ſeinen Grund, daß die Ströme, welche wir bisher kennen lernten, nur
von äußerſt kurzer Dauer ſind, und weil wir jetzt eine Art der Elektricitäts-
erregung betrachten wollen, durch welche es ermöglicht wird, ein ununterbrochenes
gleichförmiges Fließen der Elektricitäten zu bewirken.


[161]

Taucht man zwei Metalle in eine Flüſſigkeit, z. B. Kupfer und Zink in
verdünnte Schwefelſäure, und verbindet die aus der Flüſſigkeit herausragenden Enden
beider Metalle durch einen Draht, ſo tritt alsbald in dieſem ein ſtetiges Gegen-
einanderfließen beider Elektricitäten ein. Man nennt eine derartige Vorrichtung ein
galvaniſches Element oder eine galvaniſche Kette, die beiden aus der
Flüſſigkeit herausragenden Metallenden die beiden Pole und das Gegeneinander-
ſtrömen beider Elektricitäten den galvaniſchen Strom. Man ſagt, der Strom
iſt geſchloſſen, wenn die Verbindung der beiden Metalle durch den Draht her-
geſtellt iſt, er iſt geöffnet, wenn dies nicht der Fall iſt.


Von dem Vorhandenſein des Stromes kann man ſich in verſchiedener Weiſe
überzeugen. Führt man den Verbindungsdraht über eine frei bewegliche Magnet-
nadel, ſo wird dieſe abgelenkt; legt man die von den beiden Polen ausgehenden
Drähte auf feuchtes Papier, welches mit Jodkaliumlöſung und Kleiſter getränkt
wurde, ſo färbt ſich dieſes blau, was von der Ausſcheidung des Jodes aus dem
Jodkalium herrührt, da freies Jod den Kleiſter blau
färbt; legt man die beiden Drahtenden auf die Zunge,
ſo verſpürt man einen metalliſchen Geſchmack; ſchaltet
man zwiſchen die Enden des Verbindungsdrahtes einen
ſehr dünnen Draht ein, ſo wird dieſer merklich erwärmt.


Der Draht bringt alſo magnetiſche, chemiſche,
phyſiologiſche und Wärmewirkungen hervor, gerade ſo,
wie wir ſie oben bei einem von Elektricität durchſtrömten
Leiter kennen gelernt haben. Wir müſſen es ſomit auch
hier mit einer elektriſchen Erſcheinung zu thun haben.


Prüft man das elektriſche Verhalten der beiden
Metalle näher, ſo findet man das herausragende Zink-
ende negativ, das herausragende Kupferende poſitiv elek-
triſch. Es ſtrömt alſo vom Zinkende ſtets negative Elek-
tricität zum Kupfer und vom freien Kupferende immer
poſitive Elektricität zum Zink. Schon aus dieſer That-
ſache folgt, daß auch an den eingetauchten Enden beider
Metalle und in der Flüſſigkeit die Elektricitäten in Be-
wegung kommen müſſen. Betrachten wir z. B. den Vor-

Figure 82. Fig. 83.

Galvaniſches Element.


gang an der Zinkplatte. Bevor ſie eingetaucht wurde, waren beide Elektricitäten
gleichmäßig auf ihr vertheilt; in die Flüſſigkeit eingetaucht und mit dem Kupfer
verbunden, verliert ſie ihren elektriſchen Gleichgewichtszuſtand, indem beiderlei
Elektricitäten voneinander getrennt werden. Die negative Elektricität fließt, wie die
Verſuche lehren, von dem freien Zinkende durch den Verbindungsdraht zum Kupfer
ab; folglich muß die poſitive Elektricität vom eingetauchten Zinkende durch die
Flüſſigkeit zum Kupfer ſich begeben.


Derſelbe Vorgang ſpielt ſich an der Kupferplatte ab, nur müſſen hier poſitiv
und negativ verwechſelt werden, d. h., da das freie Kupferende poſitiv elektriſch
iſt, muß von dieſem poſitive Elektricität durch den Verbindungsdraht zum Zink
fließen, während ſich vom eingetauchten Kupferende negative Elektricität durch die
Flüſſigkeit zum Zink begeben muß. Die poſitive Elektricität geht alſo außerhalb
der Flüſſigkeit vom Kupfer zum Zink, in der Flüſſigkeit vom Zink zum Kupfer.
Daraus iſt zu erſehen, daß der elektriſche Strom eigentlich ein Kreisſtrom iſt, für
welchen die beiden Metalle, der Verbindungsdraht und die Flüſſigkeit, zuſammen
Urbanitzky: Elektricität. 11
[162] einen ununterbrochenen, in ſich ſelbſt geſchloſſenen Leiter bilden (ſiehe Fig. 83).
Die negative Elektricität durchfließt dieſen Leiter natürlich in entgegengeſetzter
Richtung. Wenn man von der Stromrichtung in einem derartigen galvaniſchen
Elemente ohne nähere Bezeichnung ſpricht, meint man ſtets die Richtung des
poſitiven Stromes.


Aber nicht nur aus dem eben angegebenen Verhalten müſſen wir auf elek-
triſche Vorgänge in der Flüſſigkeit ſchließen, ſondern auch noch daraus, daß in derſelben
chemiſche und phyſikaliſche Veränderungen eintreten. Die Flüſſigkeit erwärmt ſich
und wird gleichzeitig zerſetzt; das ſind aber gleichfalls Erſcheinungen, die wir
bereits als Folgen des Durchſtrömens von Elektricität durch Flüſſigkeiten kennen
gelernt haben, beweiſen ſomit ebenfalls das Durchſtrömen von Elektricität durch
die Flüſſigkeit.


Theorien der Elektricitätserregung. Fragen wir nach der Urſache dieſer
Erſcheinungen, ſo müſſen wir leider geſtehen, daß uns dieſelbe nicht mit Sicherheit
bekannt iſt. Es herrſchen gegenwärtig vielmehr zweierlei Anſichten. Nach der einen,
und zwar der älteren, wäre die Elektricitätserregung in der bloßen Berührung
der Körper zu ſuchen, während die andere chemiſche Proceſſe als die Urheber des
elektriſchen Stromes angiebt; man nennt die erſtere die Contacttheorie (daher
auch die in vielen Büchern vorkommenden Bezeichnungen: Contactelektricität oder
Berührungselektricität), die letztere die chemiſche Theorie.


Die Contacttheorie entſtand auf Grund des Volta’ſchen Fundamental-
verſuches
und war das Reſultat jenes berühmten wiſſenſchaftlichen Streites, welcher
zu Ende des 18. Jahrhundertes zwiſchen Volta und Galvani geführt wurde. Wir
haben in der Geſchichte der Elektricität erfahren, daß Galvani die Zuckungen des
Froſchſchenkels der thieriſchen Elektricität, Volta hingegen der metalliſchen Elek-
tricität zuſchrieb. Volta beobachtete nämlich, daß die Zuckungen des Froſchſchenkels
ſchwach oder gar nicht eintreten, wenn der den Muskel und Nerv verbindende
Bogen nur aus einem Metalle beſtand, daß dieſe Zuckungen aber regelmäßig
erhalten werden, wenn zweierlei Metalle zur Verwendung kommen. Dieſer Umſtand
veranlaßte ihn eben, nicht in der thieriſchen Elektricität, ſondern in der durch
Berührung zweier heterogener Metalle erregten Elektricität die Urſache der Froſch-
ſchenkelzuckungen zu ſuchen. Er leugnete daher das Vorhandenſein einer thieriſchen
Elektricität und nahm eine metalliſche, d. h. eine durch Berührung zweier Metalle
erregte Elektricität an; der Froſchſchenkel ſpielt nach dieſer Anſicht nur die Rolle
eines ſehr empfindlichen Elektroſkopes.


In Verfolgung dieſer Anſicht gab dann Volta die Verſuche mit dem Froſch-
ſchenkel ganz auf und experimentirte nur mit Metallen oder mit ſolchen unter
Zwiſchenſchaltung feuchter Körper. Volta’s ſogenannter Fundamentalverſuch
kann in folgender Weiſe ausgeführt werden: Man ſetzt auf eine an ihrer Ober-
fläche vollkommen eben abgeſchliffene Zinkplatte eine eben ſolche Platte aus Kupfer
auf und trennt hierauf wieder beide Platten, indem man ſie mit den Glasgriffen,
welche an ihnen befeſtigt ſind, voneinander abhebt. Die beiden Platten erſcheinen
dann entgegengeſetzt elektriſch, was mit Zuhilfenahme ſehr empfindlicher Elektroſkope
nachgewieſen werden kann. Es kann hierzu etwa das Elektroſkop von Behrens oder
das Thomſon’ſche Quadranten-Elektrometer angewandt werden. Auf das Elektroſkop
wird zu dem Ende eine Platte an Stelle der Kugel aufgeſchraubt und dieſe mit
einer Condenſatorplatte verſehen; die erſtere dient dann als Collector. Berührt
man bei dieſem Inſtrumente die Collectorplatte mit der Zinkplatte, während man
[163] gleichzeitig die Condenſatorplatte ableitend berührt, und wiederholt nach jedes-
maligem Zuſammenbringen der Kupfer- mit der Zinkplatte dieſes Verfahren mehrere-
male, ſo zeigt das Elektroſkop ſchließlich poſitive Elektricität an.


Würde man in gleicher Weiſe mit der Kupferplatte verfahren ſein, ſo hätte
das Elektroſkop negative Elektricität angezeigt. Der Verſuch lehrt daher, daß, wenn
man Kupfer und Zink miteinander in Berührung bringt, das Zink poſitiv und
das Kupfer negativ elektriſch wird.


Das Experiment kann auch in der Weiſe ausgeführt werden, daß man
gleich auf das Elektroſkop eine Kupfer- oder eine Zinkplatte aufſchraubt und dieſe
dann mit einer Zink- oder einer Kupferplatte zur Berührung bringt. Auch hierbei
wird wieder das Zink poſitiv und das Kupfer negativ elektriſch. Das Kupfer
wird aber auch dann negativ elektriſch, wenn man es mit einer Zinn- oder Eiſen-
platte berührt; es wird aber poſitiv elektriſch, wenn es mit Silber oder Platin
in Contact gebracht wird. Unterſucht man die verſchiedenen Metalle auf ihr elek-
triſches Verhalten, wenn ſie miteinander zur Berührung gebracht werden, ſo findet
man nach der wiedererfolgten Trennung immer beide Platten einander entgegen-
geſetzt elektriſch. Es muß alſo während der Berührung zweier Metalle eine Kraft
auftreten, welche beiderlei auf den beiden neutralen Platten vorhandenen Elektrici-
täten trennt und veranlaßt, daß ein Theil der einen Elektricitätsart auf die eine,
ein Theil der entgegengeſetzten Elektricität auf die andere Platte übergeht. Die
Kraft, welche dieſen Vorgang oder den elektriſchen Strom — denn das iſt ja ein
ſolcher — bewirkt, nennt man elektromotoriſche Kraft. Die Metalle ſelbſt heißen
Elektromotoren.


Die Urſache des Auftretens dieſer elektromotoriſchen Kraft erblickt Helmholtz
in der verſchieden ſtarken Anziehung, welche die verſchiedenen Metalle auf die beiden
Elektricitäten ausüben. „Die Materie der Metalle übt eine Anziehung auf die
beiden Elektricitäten aus, und dieſe Anziehung hat eine verſchiedene Größe je nach
der Art der Elektricität. Sie wirkt nach Art der Molecularkräfte nur in unmeßbar
kleinen Entfernungen, während die Elektricitäten aufeinander aus endlichen Ent-
fernungen wirken.“


In welcher Weiſe durch die verſchiedene Anziehungskraft verſchiedener Metalle
auf die beiden Elektricitäten dieſe voneinander getrennt werden können, wird folgendes
Beiſpiel lehren, in welchem wir annehmen, daß eine Kupfer- und eine Zinkplatte
miteinander in Berührung gebracht werden. Setzen wir voraus, daß Kupfer die
negative Elektricität ſtärker anziehe und Zink die poſitive. So lange die beiden
Platten ſich nicht berühren, kann dieſe Anziehungskraft natürlich nicht zur Geltung
gelangen, denn in jeder der Platten iſt im unelektriſchen Zuſtande die poſitive und
negative Elektricität in gleicher Menge und in gleicher Vertheilung vorhanden. In
dieſer Art haben wir uns ja von jeher den unelektriſchen Zuſtand der Körper
vorgeſtellt. Derſelbe wird, ſo lange keine neue Kraft ſich geltend macht, dadurch
erhalten, daß ſich die beiden entgegengeſetzten Elektricitäten in jeder Platte anziehen,
dadurch binden und jede Bewegung hintanhalten.


Bringt man aber zwei ſolcher Metallplatten, alſo z. B. Kupfer und Zink,
miteinander in Berührung, ſo muß wegen der verſchiedenen Anziehungskraft der
zwei Metalle auf beiderlei Elektricitäten das Gleichgewicht zwiſchen dieſen offenbar
geſtört werden. Da die Anziehungskräfte der Metalle nur auf ſehr kleine Entfernungen
ſich geltend machen können, wird dieſe Störung des elektriſchen Gleichgewichtes
auch nur in der Grenzſchicht zwiſchen beiden Metallen eintreten, alſo an den ſich
11*
[164] berührenden Kupfer- und Zinkflächen. In den von den Berührungsflächen weiter
entfernten Theilen der Platten bleibt der elektriſche Zuſtand ungeändert. In der
Grenzfläche wirken aber jetzt zweierlei Kräfte, nämlich die Anziehungskraft zwiſchen
den beiden einander entgegengeſetzten Elektricitäten und die verſchiedenen Anziehungs-
kräfte der beiden Metalle auf die beiden Elektricitäten. Ein elektriſcher Gleichgewichts-
zuſtand kann jetzt nur dann eintreten, wenn er der Reſultirenden aus dieſen beiden
Kräften entſpricht.


Betrachten wir zunächſt die Vorgänge, welche ſich auf der Zinkplatte abſpielen
müſſen. Auf dieſer befinden ſich gleich große und gleichmäßig vertheilte Mengen
poſitiver und negativer Elektricität, d. h. alſo die Platte iſt unelektriſch. Jetzt
bringen wir die Zinkplatte mit der Kupferplatte in Berührung. Nun wird allerdings
die negative Elektricität wie früher von der poſitiven Elektricität angezogen; die negative
Elektricität wird aber auch von der Zink- und von der Kupferplatte angezogen,
jedoch von der erſteren weniger ſtark als von der letzteren; folglich muß negative
Elektricität von der Zinkplatte auf die Kupferplatte überfließen, wenn das Gleich-
gewicht wieder hergeſtellt werden ſoll.


Die beiden Elektricitäten der Kupferplatte haben ſich vor der Berührung
der letzteren mit der Zinkplatte ebenfalls gegenſeitig neutraliſirt. Nachdem aber
beide Platten zur Berührung gebracht worden ſind, wird in Folge der ſtärkeren
Anziehungskraft der Zinkplatte für die poſitive Elektricität ein Theil dieſer auf die
Zinkplatte überſtrömen müſſen.


Es ergiebt ſich daher als Reſultat der Berührung beider Platten ein Ueber-
ſtrömen poſitiver Elektricität vom Kupfer zum Zink und ein Ueberſtrömen negativer
Elektricität vom Zink zum Kupfer, d. h. ein galvaniſcher Strom. Derſelbe iſt
jedoch nur von kurzer Dauer und hört ſofort auf, ſobald das Gleichgewicht zwiſchen
den wirkſamen Kräften hergeſtellt iſt. Trennt man beide Platten, ſo muß offenbar
in Folge des Ueberſtrömens die Kupferplatte eine negative, die Zinkplatte aber eine
poſitive elektriſche Ladung zeigen.


Dieſe Erklärung ſtützt Sir W. Thomſon durch folgendes Experiment.
(Ferrini, Technologie der Elektricität): An einem elaſtiſchen Drahte (Fig. 84) iſt
ein horizontaler Aluminiumſtreifen a aufgehängt. Der Draht ſelbſt ſteht mit der
inneren Belegung einer Kleiſt’ſchen Flaſche K in leitender Verbindung. Unterhalb des
Aluminiumſtreifens befinden ſich zwei gleichfalls horizontale Platten aus Kupfer
Cu und Zink Zn, welche iſolirt aufgeſtellt und bis auf eine geringe Diſtanz einander
genähert ſind. Der Trennungsſpalt beider Platten iſt ſo angeordnet, daß er bei
normaler Lage des Aluminiumſtreifens genau unterhalb der Mittellinie desſelben
zu ſtehen kommt und mit dieſer parallel ſteht. Der Aluminiumſtreifen nimmt alſo
zu beiden Platten eine vollkommen ſymmetriſche Stellung ein.


Bei ſtarker Ladung der Flaſche wird bei dieſer Anordnung der Aluminium-
ſtreifen ein hohes Potential erhalten müſſen und daher auch influenzirend auf beide
Platten wirken. Iſt z. B. der Aluminiumſtreifen poſitiv elektriſch, ſo wird ſich die
negative Influenzelektricität an die Oberfläche der beiden Platten begeben. Da aber
wegen der ſymmetriſchen Stellung des Aluminiumſtreifens auf beiden Platten gleich
hohe Potentiale hervorgerufen werden, ſo wird auch der Aluminiumſtreifen von
beiden Seiten gleich ſtark angezogen, d. h. er bleibt unverändert zwiſchen beiden
in der Mitte ſtehen.


Verbindet man nun aber die Kupfer- mit der Zinkplatte durch einen Draht D,
ſo kann ſich jetzt die verſchiedene Anziehungskraft der zwei Metalle auf die beiderlei
[165] Influenzelektricitäten geltend machen. Es wurden auf der Zink- und auf der Kupfer-
platte gleiche Mengen poſitiver und negativer Influenzelektricitäten erzeugt, die ſich
durch ihre gegenſeitige Anziehungskraft in jeder Platte das Gleichgewicht hielten.
Nun beſitzt aber das Kupfer eine ſtärkere Anziehungskraft für die negative Elektricität,
das Zink eine geringere; folglich ſtrömt negative Elektricität von der Zinkplatte
auf die Kupferplatte. Ferner beſitzt die Zinkplatte eine größere Anziehungskraft
für die poſitive Elektricität als die Kupferplatte; folglich ſtrömt poſitive Elektricität
von der Kupferplatte durch den Draht D zur Zinkplatte. Das durch die Verbindung
beider Platten mit Hilfe des Drahtes D erreichte Reſultat wird daher das ſein, daß
die Kupferplatte ſtärker negativ elektriſch und ſchwächer poſitiv elektriſch wird als
die Zinkplatte. Auf die Stellung des Aluminiumzeigers werden nun die Kraft-
überſchüſſe beſtimmend einwirken. Das Zink iſt ſtärker poſitiv elektriſch, das Kupfer
ſtärker negativ elektriſch, folglich wird, da der Aluminiumſtreifen poſitiv elektriſch iſt,

Figure 83. Fig. 84.

Experiment von Thomſon.


dieſer von der Zinkplatte ſtärker abgeſtoßen und von der Kupferplatte ſtärker angezogen
werden müſſen. Er verläßt alſo ſeine Mittelſtellung und dreht ſich der Kupferplatte
zu. Wird dieſes Experiment mit genügender Sorgfalt ausgeführt, ſo tritt in der
That der eben geſchilderte Verlauf ein und beſtätigt die oben gegebene Erklärung.


Kurze Zeit nach dem Bekanntwerden von Volta’s Verſuchen tauchte eine
andere Erklärung für die Erregung der galvaniſchen Elektricität auf. Nach dieſer ſoll
die galvaniſche Elektricität nur durch chemiſche Proceſſe hervorgerufen werden können.
Beide, ſowohl die chemiſche als auch die Contacttheorie, fanden Anhänger und
ſelbſt heute hat es noch keine zur allgemeinen Anerkennung gebracht. Für die
Contacttheorie traten namentlich außer Volta noch Péclet, Gaſſiot, Thomſon, Hankel,
Kohlrauſch und Andere ein, während Faraday und De la Rive hingegen die chemiſche
Theorie annahmen.


Es kann hier nicht unſere Aufgabe bilden, alle Experimente, Abhandlungen ꝛc.
zu beſprechen, welche die eine oder die andere Theorie ſtützen ſollen, und deshalb
[166] wollen wir im Nachſtehenden der chemiſchen Theorie nur noch einige Zeilen
widmen.


Taucht man ein Stück Zink in verdünnte Schwefelſäure, ſo bemerkt man
alsbald, daß ſich aus der Flüſſigkeit Gasblaſen entwickeln. Die nähere Unter-
ſuchung zeigt, daß dieſe Gasblaſen Waſſerſtoffgas ſind, und daß gleichzeitig mit der
Gasentwicklung die Flüſſigkeit ſich ändert und das Zink an Gewicht verliert. Die
Flüſſigkeit beſteht nicht mehr allein aus verdünnter Schwefelſäure, ſondern ſie enthält
auch ſchwefelſaures Zink (Zinkvitriol). Es iſt alſo, veranlaßt durch die chemiſchen
Spannkräfte im Zink und in der Schwefelſäure, ein chemiſcher Proceß vor ſich
gegangen, als deſſen Reſultat die Bildung von Zinkvitriol erfolgte. Die chemiſche
Energie im Zink und in der Schwefelſäure iſt als ſolche verſchwunden; da aber
nach dem Geſetze der Erhaltung der Kraft keine Energie verloren gehen oder vernichtet
werden kann, muß die chemiſche Energie blos in eine andere Form der Energie
übergegangen ſein. Wir finden dieſe Umwandlungsform bei unſerem Experimente
im Auftreten der Wärme. Die Flüſſigkeit hat ſich während der Bildung von Zink-
vitriol erwärmt.


Unterſucht man das Metall und die Flüſſigkeit in zweckentſprechender Weiſe
auf das elektriſche Verhalten, ſo findet man beide einander entgegengeſetzt elektriſch;
auch die Entſtehung dieſes Zuſtandes iſt als eine Umwandlung der früher vor-
handenen chemiſchen Energie aufzufaſſen. Bei dieſer Erklärung für die Entſtehung
der galvaniſchen Elektricität, wonach alſo letztere nur als ein Umwandlungsproduct
aus der chemiſchen Energie erſcheint, iſt ein etwaiger Widerſpruch mit dem allgemein
giltigen Geſetze der Erhaltung der Kraft vollkommen ausgeſchloſſen. Dies iſt eben
ein Vorwurf, welchen die Anhänger der chemiſchen Theorie den Contacttheoretikern
machen, indem ſie ſagen, daß durch die bloße Berührung zweier Metalle keine
Arbeit geleiſtet würde, die bei ihrem Verſchwinden als ſolche in der Form des
elektriſchen Stromes wieder auftreten könnte. Man müßte deshalb das Entſtehen
einer Energie (nämlich des elektriſchen Stromes) aus Nichts annehmen, was nicht
möglich iſt.


Wird der galvaniſche Strom in der Weiſe erregt, daß man Metalle mit
Flüſſigkeiten in Berührung bringt, ſo treten jederzeit ſo augenfällige chemiſche
Proceſſe ein und verlaufen, was ihre Intenſität betrifft, ſo genau parallel mit
der Stromſtärke, daß man hierin wohl eine weſentliche Stütze der chemiſchen
Theorie zu erblicken hat. Wie aber läßt ſich Volta’s Fundamentalverſuch mit der
chemiſchen Theorie vereinigen? Zunächſt darf nicht überſehen werden, daß die
empfindlichſten Inſtrumente zur Verwendung kommen müſſen, wenn der Verſuch
überhaupt gelingen ſoll. Es entſtehen eben ſo minimale elektriſche Differenzen, daß
ſie ſonſt nicht nachweisbar ſind. Ferner muß man ſich daran erinnern, daß ſich auf der
Oberfläche jedes Körpers ſtets Gaſe condenſiren, die den Körper mit einer Gas-
ſchicht, der ſogenannten Oberflächenſchicht, überziehen. Es iſt auch bekannt, daß
dieſe Oberflächenſchicht äußerſt ſchwierig vollkommen zu beſeitigen iſt. Daher, ſagen
die Anhänger der chemiſchen Theorie, hat man es auch beim Volta’ſchen Fundamental-
verſuche nicht mit der Berührung zweier Metalle zu thun, ſondern mit zwei
Metallen, die durch eine Flüſſigkeitsſchichte voneinander getrennt ſind. Iſt auch
dieſe Schichte außerordentlich dünn, ſo kann ſie doch immerhin ausreichen, einen
chemiſchen Proceß einzuleiten, der dann Urſache der hierbei auftretenden geringen
Elektricitätsmengen iſt. Den chemiſchen Proceß als Urſache der Elektricitäts-
erregung anzuſehen, hat umſomehr Berechtigung, als irgendwie erhebliche Mengen
[167] von Elektricität immer nur bei Berührung von Metallen mit Flüſſigkeiten auf-
treten. *)


Es iſt übrigens die Möglichkeit nicht ausgeſchloſſen, daß beide Parteien bis
zu einem beſtimmten Punkte Recht haben. Der Vorgang kann ſich nämlich in der
Weiſe abſpielen. Bringt man die Metalle zur Berührung, ſo werden ihre elek-
triſchen Potentiale geändert, d. h. ein beſtimmter ſtatiſcher Zuſtand hervorgerufen;
hierdurch tritt alſo keinerlei Bewegung ein und die Arbeit, welche erforderlich
war, um die beiden Körper zur Berührung zu bringen, iſt hinreichend, um die
Entſtehung dieſes ſtatiſchen Zuſtandes zu bewirken. Dieſe Erklärung ſteht ſomit
nicht mit dem Principe der Erhaltung der Kraft im Widerſpruche. Die Spannungs-
differenz der Körper wird dann die Urſache eines chemiſchen Proceſſes, und da
dieſer fortdauert, ſo kann auch ein dauernder galvaniſcher Strom entſtehen.
Urſache und Wirkung verſtärken ſich jetzt gegenſeitig, gleichwie bei der Verbrennung
die Temperatur durch die Oxydation erhöht wird und die Temperaturerhöhung die
Oxydation befördert. Die Bewegung der Elektricität, alſo der galvaniſche Strom,
wäre ſomit allerdings dem chemiſchen Proceſſe zuzuſchreiben, aber die urſprüngliche
Erweckung der Spannungsdifferenz, die Einleitung des chemiſchen Proceſſes, bliebe
in der Berührung der Körper begründet.


Die Spannungsreihen. Bringt man Metallplatten verſchiedener Natur
miteinander in Berührung, ſo ergiebt ſich ein verſchiedenes Verhalten ſowohl in
Bezug auf die Art der erregten Elektricität, als auch in Bezug auf die Größe
der Differenz der Potentialwerthe. Volta fand bereits, daß das Eiſen, mit Zink
berührt, negativ elektriſch wird und ebenſo, wenngleich ſchwächer, durch die
Berührung mit Blei oder Zinn. Wird jedoch das Eiſen mit Kupfer oder Silber
berührt, ſo erſcheint es poſitiv elektriſch. Volta, Seebeck, Pfaff und Andere haben
das Verhalten vieler Metalle und metalliſcher Verbindungen bei ihrer gegenſeitigen
Berührung geprüft und gelangten dadurch zur Aufſtellung ſogenannter Spannungs-
reihen
. In dieſen Spannungsreihen ſind die Metalle derart angeordnet, daß jedes
vorhergehende mit jedem nachfolgenden Metalle zur Berührung gebracht poſitiv
elektriſch wird; wir geben nachſtehend zwei Beiſpiele ſolcher Spannungsreihen:


Spannungsreihe der Metalle


nach Volta:
  • + Zink
  • Blei
  • Zinn
  • Eiſen
  • Kupfer

nach Pfaff (1837):
  • + Zink
  • Cadmium
  • Zinn
  • Blei
  • Wolfram

[168]

Spannungsreihe der Metalle


nach Volta:
  • Silber
  • Gold
  • Graphit
  • — Braunſtein

nach Pfaff (1837):
  • Eiſen
  • Wismuth
  • Antimon
  • Kupfer
  • Silber
  • Gold
  • Uran?
  • Tellur
  • Platin
  • — Palladium.

Dieſe Reihen ſtimmen untereinander und mit jenen anderer Forſcher ziemlich
genau überein. Etwaige Abweichungen können auch darin ihre Erklärung finden,
daß bei den verſchiedenen Unterſuchungen die Reinheit der Metalle eine ver-
ſchiedene war.


Dieſe Reihen geben jedoch nicht nur für jede Gruppirung je zweier Elemente
die Elektricitätsart an, ſondern ſie geſtatten auch eine relative Beſtimmung der
Größe der erregten Elektricitäten. Volta bewies nämlich für dieſe Reihen experi-
mentell den Satz: Je größer der Abſtand der Metalle in der Spannungs-
reihe iſt, deſto größer iſt ihre elektriſche Differenz; die elektriſche
Differenz zweier Metalle in der Spannungsreihe iſt gleich der Summe
der elektriſchen Differenzen aller zwiſchenliegenden
.


Als Volta die verſchiedenen elektriſchen Differenzen zwiſchen den einzelnen
Metallen maß, fand er nämlich:

Man erſieht hieraus, daß wirklich der Differenzwerth zwiſchen Zink und
Silber gleich iſt der Summe der Differenzwerthe zwiſchen Zink und Blei, Blei
und Zinn, Zinn und Eiſen, Eiſen und Kupfer, Kupfer und Silber; ferner jener
zwiſchen Zink und Eiſen gleich der Summe der Werthe zwiſchen Zink und Blei,
Blei und Zinn, Zinn und Eiſen u. ſ. w., alſo ganz entſprechend dem oben an-
gegebenen Geſetze.


Sind auch Volta’s Meſſungen keine ganz genauen, ſo beeinflußt dies
doch nicht die Richtigkeit des Geſetzes, da dieſes ſich auch noch in anderer Art
nachweiſen läßt. Ferner wurde es auch durch exacte Meſſungen, welche ſpäter
Kohlrauſch mit Hilfe ſeines (auf Seite 116 beſchriebenen) Condenſators durch-
geführt hat, beſtätigt.


[169]

Kohlrauſch ſetzte die Spannungsdifferenz zwiſchen Zink und Kupfer gleich
100 und erhielt dann für die übrigen Metalle nachſtehende Werthe (Wüllner,
Exp. Phyſ.):

Jene Werthe, welche als berechnet angegeben wurden, ſind auf Grundlage
des Spannungsgeſetzes gefunden worden. Das Spannungsgeſetz iſt auch noch von
Anderen, z. B. Hankel, experimentell geprüft worden und hat ſich ſtets als voll-
kommen richtig herausgeſtellt. Bei dieſen Prüfungen zeigte ſich aber auch, daß die
Oberflächenbeſchaffenheit der zur Berührung gebrachten Metalle von Einfluß auf
die hierdurch bewirkte Differenz iſt. Dies iſt wohl auch ein Grund, warum die
Spannungsreihen verſchiedener Forſcher nicht vollkommen miteinander überein-
ſtimmen.


Aus dem Spannungsgeſetze laſſen ſich einige wichtige Folgerungen ziehen.
Da nach dem Spannungsgeſetze die Differenz zweier Metalle gleich iſt der Summe
der Differenzen aller zwiſchenliegenden Glieder der Reihe, ſo muß es für die
Geſammtwirkung ganz gleichgiltig ſein, ob nur die beiden Endglieder allein oder
dieſe mit ſämmtlichen Zwiſchengliedern zur Berührung gebracht werden. Man erſieht
dies ſehr leicht aus den von Volta gefundenen Werthen. Bringen wir nämlich
Zink und Silber zur Berührung, ſo erhalten wir für die Differenz den Werth 12.
Legen wir auf die Zinkplatte eine Bleiplatte, auf dieſe eine Zinnplatte, hierauf
eine Eiſenplatte, dann eine Kupferplatte und ſchließlich die Silberplatte, ſo erhalten
wir für die Differenzen die Werthe 5, 1, 3, 2 und 1, welche ſummirt wieder den
Werth 12 ergeben.


Aus dem Spannungsgeſetze ergiebt ſich auch, daß, wenn man eine beliebige
Anzahl von Metallen zur Berührung bringt, jedoch mit demſelben Metalle ſchließt
als begonnen wurde, die Differenz gleich Null ſein muß. Man erhält nämlich,
z. B. für Zink, Blei, Zinn, Eiſen und ſchließlich wieder Zink, die Werthe:


  • für Zink und Blei + 5
  • „ Blei „ Zinn + 1
  • „ Zinn „ Eiſen + 3
  • „ Eiſen „ Zink — 9

Die Summe der Werthe für die drei erſten Berührungen iſt gleich + 9,
die letzte Berührung giebt den Werth von — 9, folglich alle Berührungen zu-
ſammen Null. *)


[170]

Die Verſuche zeigten ferner, daß die Berührungsdauer der Platten keinen
Einfluß auf den Differenzwerth ausübt, was leicht erklärlich, wenn man bedenkt,
daß durch die Berührung eben nur ein ſtatiſcher Zuſtand bewirkt wird, der ähnlich
der Influenz zwiſchen Leitern momentan eintritt und ſich nicht ändert, wie lange
auch der influenzirte und der influenzirende Körper einander gegenüberſtehen (na-
türlich abgeſehen von Verluſten durch Zerſtreuung u. ſ. w.). Die Differenzwerthe
werden auch nicht geändert, wenn die Zahl der Berührungspunkte zwiſchen beiden
Platten geändert wird; es iſt deshalb auch gar nicht nöthig, die Platten wirklich
zur Berührung zu bringen, ſondern es genügt bereits, ſie metalliſch miteinander
zu verbinden. Auch dieſes Verhalten iſt nach obigen Auseinanderſetzungen ſelbſt-
verſtändlich.


Volta hielt anfänglich dafür, daß nur durch Berührung zweier Metalle
Elektricität erregt werden könne, mußte jedoch dieſe Anſicht fallen laſſen, als Gal-
vani nachwies, daß die Froſchſchenkelzuckungen auch bei Anwendung eines Schließungs-
bogens, der nur aus einem Metalle beſteht, eintreten. Volta brachte die Metalle
nun auch mit Flüſſigkeiten in Berührung und es gelang ihm zu finden, daß die
Metalle, mit Waſſer in Berührung gebracht, negativ elektriſch werden. Später wurde
das elektriſche Verhalten der Metalle beim Zuſammenbringen derſelben mit Flüſſig-
keiten von verſchiedenen Forſchern unterſucht. Man kann derartige Verſuche etwa
in der Weiſe ausführen, daß man auf die Condenſatorplatte eines empfindlichen
Elektroſkopes eine Glasplatte legt, welche an ihrer unteren Seite und ihren Rändern
mit Firniß überzogen iſt (um Leitung durch die Oberflächenſchicht des Glaſes aus-
zuſchließen). Auf die Glasplatte trägt man dann mit Hilfe eines Pinſels eine
dünne Flüſſigkeitsſchicht auf oder legt ein mit der Flüſſigkeit getränktes Papier-
ſcheibchen darauf. Dann verbindet man durch einen Draht von demſelben Metalle,
aus welchem die Condenſatorplatte gefertigt, dieſe mit der Flüſſigkeit. Die Flüſſig-
keit wird hierbei in der einen, das Metall in der anderen Art elektriſch. Hebt man
hierauf die Verbindung zwiſchen beiden auf und die Glasplatte mit der Flüſſigkeit
von der Condenſatorplatte ab, ſo verbreitet ſich die Elektricität, welche früher an
der Oberfläche der Condenſatorplatte ſich befand, über das Elektroſkop und zeigt
den elektriſchen Zuſtand durch die Bewegung des Goldblättchens an.


Nach dieſem oder einem ähnlichen Verfahren wurden von verſchiedenen For-
ſchern zahlreiche Unterſuchungen angeſtellt und ergaben folgende Reſultate: Sämmt-
liche Metalle werden bei Berührung mit alkaliſchen Flüſſigkeiten negativ elektriſch;
beim Zuſammenbringen mit Säuren verhalten ſich jedoch die verſchiedenen Metalle
verſchieden; ein Theil derſelben wird poſitiv, der andere Theil jedoch negativ elek-
triſch. Gold, Platin, Silber werden z. B. mit concentrirter Schwefelſäure, Sal-
peterſäure und Salzſäure poſitiv elektriſch, Zink hingegen negativ elektriſch.


Aus dieſem Verhalten der Metalle gegen Flüſſigkeiten ergiebt ſich bereits,
daß die Flüſſigkeiten mit den Metallen nicht in eine Spannungsreihe geſtellt werden
können. Sollte dies möglich ſein, ſo müßten alle Metalle, mit Säuren zuſammen-
gebracht, negativ elektriſch werden, da Zink mit ihnen negativ elektriſch wird, und
dieſes an der Spitze der Spannungsreihe ſteht; da aber Gold, Platin, Silber
poſitiv elektriſch werden, kann man alſo die Säuren nicht in die Spannungsreihe
einreihen.


Deshalb unterſcheidet man auch die Metalle und die Flüſſigkeiten in zwei
Claſſen, nämlich in Leiter erſter und zweiter Claſſe. Man nennt dann
Leiter erſter Claſſe alle jene Körper, welche ſich dem Geſetze der Spannungs-
[171] reihe unterordnen, Leiter zweiter Claſſe alle jene Körper, welche die Elektricität zwar
leiten, ſich aber nicht in die Spannungsreihe einreihen laſſen.


Die Größe der Differenzen, welche beim Zuſammenbringen von Metallen
mit Flüſſigkeiten entſtehen, iſt auch wieder verſchieden, je nach der Natur der
Flüſſigkeiten ſowohl, als auch nach jener der Metalle. Hier verläßliche Zahlen zu
erhalten, iſt ſehr ſchwierig, da die Flüſſigkeiten häufig chemiſch verändernd einwirken
und je nach der Dauer ihrer Einwirkung auch ein verſchiedenes Reſultat bewirken
müſſen. Wir geben in nachſtehender Tabelle Werthe, wie ſie Péclet bei ſeinen
Unterſuchungen fand. Hierbei enthält die oberſte Reihe die Flüſſigkeiten und die
erſte Verticalreihe links die Metalle, welche mit den Flüſſigkeiten in Berührung
gebracht wurden.


Aus dieſer Tabelle iſt erſichtlich, daß jene Metalle, welche an der Spitze
der Spannungsreihe ſtehen, am ſtärkſten elektriſch werden, und zwar negativ; die
vom Zink weiter abſtehenden Metalle werden entweder nicht oder ſogar poſitiv
elektriſch.


Auch über die wahren Werthe, welche für die Erregung gelten, wenn
Metalle mit Waſſer zuſammengebracht werden, ſind noch keine ſicheren Zahlen
anzugeben. Nachſtehend ſind Werthe zuſammengeſtellt, wie ſie Gerland gefunden
hat, indem er für Kupfer mit Zink 100 ſetzte.


  • Zink — 61·6
  • Kupfer — 33·0
  • Gold — 33·7
  • Silber — 17·0
  • Platin — 44·7

Der Umſtand, daß ſich die Flüſſigkeiten nicht in die Spannungsreihe ein-
ordnen laſſen, hat aber ſehr wichtige Folgen; er ermöglicht uns, freie Elektricität
auch in geſchloſſenen Kreiſen zu erhalten, was bekanntlich bei einem geſchloſſenen
Kreiſe von Leitern erſter Claſſe nicht möglich iſt, da eine Reihe von Leitern, welche
mit demſelben Metalle endet, mit welchem ſie beginnt, einen Differenzwerth gleich
Null beſitzt; jede ſolche Reihe ſtellt aber einen geſchloſſenen Kreis dar, da man
mit dem Endgliede wieder das Anfangsglied erreicht hat. Um dies vollkommen
klar einzuſehen, braucht man blos die im Beiſpiele auf Seite 169 angegebenen Leiter
im Kreiſe zu gruppiren, wie dies Fig. 85 darſtellt. Aus dieſer erſieht man, daß
jedes Glied als Anfangs- und Endglied der Reihe betrachtet werden kann, daß
alſo der Leiterkreis ein geſchloſſener iſt.


Stellt man jedoch einen ſolchen geſchloſſenen Leiterkreis aus Leitern erſter und
zweiter Claſſe zuſammen, wie dies Fig. 86 in einem Beiſpiele zeigt, ſo wird das
[172] Reſultat ein anderes. Nach den auf Seite 171 und 169 angegebenen Werthen er-
halten wir nämlich Differenzwerthe für:


  • Kupfer und Waſſer — 33·0
  • Waſſer „ Zink + 61·6
  • Zink „ Silber + 105·6
  • Silber „ Eiſen — 29·8
  • Eiſen „ Gold + 39·7
  • Gold „ Kupfer — 12·7
  • — 75·5 + 206·9

alſo als ſchießlichen Differenzwerth + 131·4.


Daraus ergiebt ſich das Geſetz: Beſteht ein vollkommen geſchloſſener
Kreis aus Leitern erſter und zweiter Claſſe, ſo iſt der aus allen Glie-
dern des Kreiſes reſultirende Differenzwerth von Null verſchieden
.


Figure 84. Fig. 85.

Figure 85. Fig. 86.

Leiterkreiſe.


Aus dieſem Verhalten reſultirt eine weitere für die Wirkungsweiſe galvaniſcher
Elemente ſehr wichtige Folgerung. Mit dem Waſſer ſtehen nur die beiden Metalle
Kupfer und Zink in Berührung; die anderen Metalle hingegen berühren ſich nur
untereinander. Für dieſe Reihe von Metallen hat aber das früher angegebene Geſetz
der Spannungsreihe Geltung, d. h. es iſt einerlei, ob wir der Reihe nach die
Metalle Zink, Silber, Eiſen, Gold und Kupfer ſich berühren laſſen, oder ob wir
nur Zink und Kupfer zur Berührung bringen. Hiernach haben wir alſo in unſerem
Kreiſe folgende Differenzwerthe:


  • Kupfer und Waſſer — 33·0
  • Waſſer „ Zink + 61·6
  • Zink „ Kupfer + 100
  • — 33·0 + 161·6

Dieſe Werthe geben eine Geſammtdifferenz von 128·6, während wir früher
131·4 erhielten; dieſe beiden Werthe ſtimmen mit Berückſichtigung der Ungenauig-
[173] keiten der experimentellen Methoden ſo gut überein, daß wir hieraus (und aus
vielen ähnlichen Beiſpielen) das Geſetz ableiten können:


Taucht man zwei verſchiedene Metalle in eine Flüſſigkeit und
verbindet man ſie auf einer Seite durch eine willkürliche Reihe von
Metallen zu einem geſchloſſenen Kreiſe, ſo iſt der Differenzwerth
dieſes Kreiſes nur von den Differenzwerthen der beiden eingetauchten
Metalle untereinander und mit der Flüſſigkeit abhängig; die zwiſchen-
geſchalteten Metalle haben auf das Endreſultat gar keinen Einfluß
.


Man erhält alſo bei einem galvaniſchen Elemente immer denſelben Differenzwerth,
welche oder wie vielerlei Metalle man auch zur Herſtellung des äußeren Schließungs-
bogens benützen mag; der Differenzwerth iſt nur von der Natur der eingetauchten
Metalle und jener der Flüſſigkeit abhängig. Aus dieſem Verhalten erklärt es ſich
auch, daß die Reſultate, welche man unmittelbar während des Eintauchens von
Metallen in Flüſſigkeiten erhält, nicht immer dieſelben ſind als einige Zeit nachher.
Im letzteren Falle haben die Flüſſigkeiten eben bereits chemiſch verändernd auf das
Metall eingewirkt.


Für die erſte Berührung der Metalle mit Flüſſigkeiten hat Wüllner folgende
von verſchiedenen Forſchern gefundene Spannungsreihen zuſammengeſtellt:

Nobili war der erſte, welcher zeigte, daß auch die Berührung zweier
Flüſſigkeiten
elektromotoriſch wirke. Ausführlichere Unterſuchungen hierüber
ſtellten Fechner, Wild und Andere an. Aus Fechner’s Arbeiten ergab ſich, daß
ſich die von ihm unterſuchten Flüſſigkeiten nicht in eine Spannungsreihe bringen
laſſen. Wild beſtätigte im Allgemeinen dieſes Reſultat, ergänzte es aber dahin,
daß innerhalb beſtimmter Flüſſigkeitsgruppen die betreffenden Flüſſigkeiten doch in
eine Spannungsreihe gebracht werden können.


Er bediente ſich zu ſeinen Verſuchen eines kleinen Holzkäſtchens, in deſſen
Boden B D, Fig. 87, zwei Glasröhren eingeſetzt waren. Den Boden der Glas-
röhren bildeten verkupferte Metallkapſeln, welche mit den zum Galvanometer
[174] führenden Drähten in Verbindung ſtanden. Vor Ausführung jedes Verſuches
mußten natürlich die Kupferböden beider Röhren geprüft werden, ob ſie nicht
ſchon bei Berührung mit einer Flüſſigkeit einen Strom geben; man mußte ſich
alſo ſorgfältig von ihrer Homogenität überzeugen. Iſt dies geſchehen, ſo wurde
in die beiden Glasröhren die Flüſſigkeit f1 gebracht, dann eine der Röhren mit
der Flüſſigkeit f2 bis nahe an den Boden des Holzkäſtchens ſo gefüllt, daß die
Flüſſigkeiten f1 und f2 ſich nicht miſchten, und hierauf kam wieder unter Beobachtung
derſelben Vorſicht die Flüſſigkeit f3.


Das Hauptreſultat der in dieſer Art ausgeführten Unterſuchungen wurde
bereits angegeben; Wild fand außerdem noch, daß die elektriſchen Differenzen ſich
mit der Concentration der Flüſſigkeiten ändern u. ſ. w. Ein praktiſch verwerth-
bares Reſultat ergab ſich jedoch hieraus nicht.


Figure 86. Fig. 87.

Elektricitätserregung bei
Berührung von Flüſſigkeiten.


Figure 87. Fig. 88.

Grove’s Gaselement.


Elektriſche Differenzen treten ferner auch dann auf, wenn Metalle mit
Gaſen
in Berührung kommen. Die Kenntniß dieſer Thatſache iſt ſchon älteren
Datums, doch ausführliche Verſuche wurden erſt von Grove (1839) ausgeführt.
Dieſer bediente ſich hierzu des in der Fig. 88 abgebildeten Apparates. In die
beiden ſeitlichen Oeffnungen oder Tubuli der Flaſche ſind mit Hilfe von Kautſchuk-
pfropfen Glasröhren O und H eingeſetzt; der mittlere Tubulus iſt durch einen
Glasſtöpfel verſchloſſen. Die Röhren O und H ſind an ihren unteren Enden offen,
oben jedoch rund zugeſchmolzen. Beim Zublaſen der Röhren an ihren oberen
Enden wurde je ein Platindraht mit eingeſchmolzen, der nach außen zu ein kleines
Platinnäpfchen trägt, während an das in die Röhre hineinragende Ende ein
Platinſtreifen befeſtigt iſt. Dieſe Platinſtreifen ſind platinirt, d. h. mit Platin-
ſchwamm überzogen.


Zur Ausführung der Verſuche füllt man zunächſt die Flaſche durch die
mittlere Oeffnung mit Waſſer, welches mit Schwefelſäure angeſäuert wurde; es
[175] werden hiermit etwa zwei Drittel der Flaſche gefüllt. Stürzt man nach Verſchließung
der mittleren Oeffnung die Flaſche um, ſo füllen ſich natürlich auch die beiden
Röhren mit Flüſſigkeit, und dieſe bleibt in den Röhren, auch wenn die Flaſche
wieder aufrecht geſtellt wird, weil die unteren offenen Enden der Röhren in die
Flüſſigkeit eintauchen. In die beiden Platinnäpfchen bringt man dann Queckſilber
und hängt in dieſes die beiden Leitungsdrähte ein, welche zum Galvanometer
führen. Wird hernach durch die mittlere Oeffnung Sauerſtoffgas in die Röhre O
und Waſſerſtoffgas in die Röhre H eingeleitet, ſo zeigt die Magnetnadel des
Galvanometers einen Ausſchlag. Die Richtung des Ausſchlages läßt erkennen, daß
durch den Schließungsbogen ein Strom circulirt, welcher von der Sauerſtoffröhre
zu der mit Waſſerſtoff gefüllten Röhre verläuft. (Es iſt hierbei die Bewegungsrichtung
der poſitiven Elektricität gemeint.) Gleichzeitig beobachtet man ein Aufſteigen der
Flüſſigkeit in beiden Röhren. Die Flüſſigkeit ſteigt jedoch nicht in beiden Röhren
gleich ſchnell auf, ſondern in der Röhre H beiläufig doppelt ſo raſch als in der
Röhre O.


Da die beiden Röhren O und H vollkommen gleich gemacht wurden und
ſich nur dadurch unterſcheiden, daß in der einen Waſſerſtoffgas das Platinblech
umgiebt, in der anderen Sauerſtoff, ſo folgt daraus, daß auch nur dieſe Gaſe
die Urſache der Elektricitätserregung ſein können. Die Stromrichtung lehrt, daß
das Platinblech, welches mit Waſſerſtoffgas in Berührung ſteht, negativ elektriſch
wird, während dieſes ſelbſt ſich als poſitiv elektriſch erweiſt. Das Aufſteigen der
Flüſſigkeit in den beiden Röhren findet darin ſeine Erklärung, daß der elektriſche
Strom bei ſeinem Durchgange durch die Flüſſigkeit dieſe in Waſſerſtoff und Sauerſtoff
zerlegt. Der Sauerſtoff ſcheidet ſich hierbei in der mit Waſſerſtoff gefüllten Röhre,
der Waſſerſtoff in der mit Sauerſtoff gefüllten Röhre aus. Sonach ſtehen in beiden
Röhren Waſſerſtoff und Sauerſtoff mit dem Platinſchwamm auf den Platin-
blechen in Berührung. Der Platinſchwamm bringt in Folge ſeiner Eigenſchaft,
Gaſe in ſehr großer Menge zu abſorbiren, dieſe ſo nahe aneinander, daß
ſie ſich chemiſch verbinden. Waſſerſtoff und Sauerſtoff bilden dann in Folge
dieſer „katalytiſchen“ oder Contactwirkung des Platinſchwammes Waſſer. Da
ſich aber ſtets zwei Volumina Waſſerſtoff mit einem Volumen Sauerſtoff verbinden,
ſo muß in der mit Waſſerſtoff gefüllten Röhre auch die Flüſſigkeit doppelt ſo
ſchnell ſteigen als in der mit Sauerſtoff gefüllten.


Der Verſuch ergab, daß der Waſſerſtoff bei der Berührung mit dem Platin-
bleche poſitiv elektriſch wird, indeß das Blech negative Elektricität zeigt; wie verhält
ſich nun der Sauerſtoff gegen das Platin? Dies erfahren wir aus nachſtehenden
zwei Experimenten. Man füllt die eine Röhre mit Waſſerſtoffgas und läßt die
andere ganz mit Flüſſigkeit gefüllt. Verbindet man nun die beiden Platinbleche mit
den Galvanometerdrähten, ſo zeigt die Nadel in Größe und Richtung faſt denſelben
Ausſchlag wie bei unſerem erſten Experimente. Erſt nach und nach nimmt dieſer
Ausſchlag an Stärke ab. Die Stromerregung iſt ſomit blos der gegenſeitigen Einwirkung
des Platins und des Waſſerſtoffes zuzuſchreiben, da, wenn auch der Sauerſtoff
elektromotoriſch wirken ſollte, gleich der anfängliche Nadelausſchlag bei Hinweg-
laſſung des Sauerſtoffes geringer ſein müßte als bei Anwendung desſelben. Die
nachher eintretende Verminderung des Ausſchlages iſt wieder Folge der Waſſer-
zerlegung durch den Strom; durch dieſen wird nämlich in der Waſſerſtoffröhre
Sauerſtoff und in der mit Flüſſigkeit gefüllten Röhre Waſſerſtoff ausgeſchieden;
folglich wird das Platinblech in der letzterwähnten Röhre immer mehr mit Waſſerſtoff
[176] umgeben, während das Platinblech in der anderen Röhre von Anbeginn des Ex-
perimentes aus mit Waſſerſtoff in Berührung ſtand. Somit kommen nach und nach
beide Platinbleche mit demſelben Gaſe in Berührung und die Erregung elektriſcher
Differenzen muß ihr Ende finden.


Das zweite Experiment, welches gleichfalls zeigt, daß die Berührung von
Sauerſtoff mit Platin nahezu gar nicht elektromotoriſch wirkt, beſteht in Folgendem:
Man leitet in eine Röhre Sauerſtoff und läßt die andere mit Flüſſigkeit gefüllt.
Verbindet man jetzt die beiden Bleche mit den Galvanometerdrähten, ſo zeigt die
Nadel durch einen kaum merkbaren Ausſchlag einen ſehr ſchwachen Strom an, deſſen
Richtung erkennen läßt, daß der Sauerſtoff bei ſeiner Berührung mit dem Platin-
bleche letzteres ſehr ſchwach poſitiv erregt.


Durch Grove wurde eine große Anzahl von Gaſen und Dämpfen unterſucht
und dieſe Unterſuchung gab das intereſſante Reſultat, daß die Gaſe ſich mit den
Metallen in eine Spannungsreihe ordnen laſſen. Wenn man, wie früher bei der
Spannungsreihe der Metalle, mit dem elektropoſitivſten Körper beginnt, erhält man
folgende Reihenfolge:


  • Metalle, welche das Waſſer
    zerſetzen
  • Waſſerſtoff
  • Kohlenoxyd
  • Phosphor
  • Schwefel
  • Alkohol
  • Aether
  • ölbildendes Gas
  • ätheriſche Oele
  • Kampher
  • Metalle, welche das Waſſer
    nicht zerſetzen
  • Stickſtoff
  • Kohlenſäure
  • Stickſtoffoxyd
  • Sauerſtoff
  • Superoxyde
  • Jod
  • Brom
  • Chlor.

Bringt man alſo eines jener Metalle, welche das Waſſer nicht zerſetzen, mit
einem in der Reihe unterhalb ſtehenden Gaſe zuſammen, ſo wird das Metall poſitiv
elektriſch, und zwar um ſo ſtärker, je weiter Metall und Gas in der Reihe von-
einander abſtehen. Metalle, welche das Waſſer nicht zerſetzen, ſind z. B. Gold,
Silber, Platin u. ſ. w.


Galvaniſche Batterien. Unter galvaniſcher Batterie verſteht man die
Verbindung mehrerer oder vieler galvaniſcher Elemente zu einer geſchloſſenen Reihe
in der Art, daß nur je eine Metallplatte der einen und eine Metallplatte der
zweiten Art unverbunden bleibt. Fig. 89 ſtellt eine derartige Batterie, beſtehend
aus Kupfer-Zinkelementen, dar. Hierbei iſt das Zink des erſten Elementes frei, das
Kupfer des erſten mit dem Zinke des zweiten, das Kupfer des zweiten mit dem
Zinke des dritten Elementes u. ſ. w. verbunden und das Kupfer des letzten Elementes
bleibt ſchließlich frei. Die Wirkungsweiſe dieſer Batterie können wir in nachſtehender
Weiſe erklären. Wie bereits früher (S. 161) mitgetheilt wurde, wird das Zink
beim Eintauchen in verdünnte Schwefelſäure an ſeinem freien Ende negativ elektriſch
und ſtößt die poſitive Elektricität in das äußere Kupferende. Dieſer Vorgang tritt
nun bei unſerer Batterie gleichfalls in jedem Elemente auf. Da aber die einzelnen
Elemente leitend untereinander verbunden ſind, ſo muß der Vorgang eine gewiſſe
Aenderung erfahren. Die vom Zinke des erſten Elementes abgeſtoßene poſitive
[177] Elektricität gelangt in das Kupfer des erſten Elementes, und da dieſes mit dem
Zinke des zweiten Elementes in leitender Verbindung ſteht, in dieſes; dieſes Zink
des zweiten Elementes ſtößt aber an und für ſich ſchon eine ebenſo große Menge
poſitiver Elektricität in das Kupfer des zweiten Elementes wie das Zink des erſten
Elementes in das Kupfer des erſten Elementes. In das Kupfer des zweiten
Elementes gelangt alſo die vom Zinke des erſten und die gleich große Menge
poſitiver Elektricität, welche vom Zink des zweiten Elementes abgeſtoßen wird,
alſo die doppelte Menge poſitiver Elektricität als in das Kupfer des erſten Elementes.
Dieſe jetzt bereits doppelt ſo große Menge poſitiver Elektricität gelangt nun auf
das Zink des dritten Elementes, vereinigt ſich mit der von dieſem abgeſtoßenen
Menge poſitiver Elektricität und geht jetzt dreifach ſo groß zum vierten Element
u. ſ. w. Die poſitive Elektricität nimmt alſo in demſelben Maße zu als die Anzahl
der Elemente, wird daher bei unſerer aus fünf Elementen beſtehenden Batterie fünfmal
ſo groß ſein als bei einem Elemente. Den umgekehrten Weg ſchlägt die negative
Elektricität ein. Jedes eingetauchte Kupfer ſtoßt die negative Elektricität in das

Figure 88. Fig. 89.

Galvaniſche Batterie.


benachtbarte Zink und alle dieſe Mengen negativer Elektricität treten dann an das
freie Zinkende des erſten Elementes.


Vereinigt man das freie Zinkende des erſten Elementes mit dem freien Kupfer-
ende des letzten Elementes durch einen Draht, ſo iſt die Batterie geſchloſſen. Es
ſtrömt dann in dieſem Drahte, oder dem äußeren Schließungsbogen, ſtets negative
Elektricität vom Zink zum Kupfer und poſitive Elektricität vom Kupfer zum Zink,
während im inneren Schließungsbogen, in den Flüſſigkeiten, die beiden Elektricitäten
in der entgegengeſetzten Richtung fließen. Galvaniſche Batterien ſind in der mannig-
fachſten Zuſammenſtellung und Form conſtruirt worden; wir führen im Nachſtehenden
nur einige Beiſpiele vor, da die Beſprechung techniſch verwertheter Elemente Auf-
gabe des zweiten Abſchnittes dieſes Buches bildet.


Die erſte Batterie oder Säule wurde, wie bereits mitgetheilt, von Volta
conſtruirt; es war dies die ſogenannte Becherſäule. Sie beſtand aus bügelartig
zuſammengelötheten Zink- und Kupferſtreifen, die derartig in je zwei einander
benachbarte, mit verdünnter Schwefelſäure gefüllte Gefäße tauchten, daß in jedem
derſelben ein Zink einem Kupfer gegenüberſtand. Sie hatte alſo beiläufig das Aus-
ſehen der in Fig. 89 dargeſtellten Batterie.


Urbanitzky: Elektricität. 12
[178]

Jene Form der Batterie, von welcher eigentlich die Bezeichnung Säule
abgeleitet iſt, hat Volta erſt ſpäter erſonnen. Dieſe Volta-Säule beſteht aus
wiederholter Combination von Kupfer, Zink und mit verdünnter Schwefelſäure
getränkten Tuchſcheiben. Auf einer Grundplatte ſind drei oder vier Glasſäulen
vertical befeſtigt. Zwiſchen dieſe legt man kreisrunde Scheiben von Zink und
Kupfer, darauf einen kreisförmigen, mit verdünnter Schwefelſäure getränkten Tuch-
lappen, dann abermals eine Zink- und eine Kupferplatte, wieder einen Tuchlappen
u. ſ. w. Hierbei muß natürlich ſtets dieſelbe Ordnung eingehalten werden; dann
erhält man als unterſte Platte Zink, als oberſte Kupfer. Auf letztere kann dann
ein Metalldeckel aufgeſetzt und leicht angedrückt werden. Ein Element dieſer Säule

Figure 89. Fig. 90.

Volta-Säule.


beſteht aus der Combination Kupfer, verdünnte Schwefel-
ſäure und Zink; die unterhalb des erſten Elementes
liegende Zinkplatte und die oberhalb des letzten Elementes
liegende Kupferplatte haben für die Stromerzeugung
keine Bedeutung und können daher weggelaſſen werden.


Da die Metalle an ihrer Berührungsfläche ſich
leicht oxydiren und durch dieſe Oxydſchicht dann einen
ſchädlichen Widerſtand in der Säule erzeugen, löthet man
häufig die Kupfer- und Zinkplatten paarweiſe zuſammen.
Durch den Druck, welchen das Gewicht der Metallplatten
ausübt, können leicht Störungen in der Stromerregung
der Säule hervorgerufen werden, indem nämlich die ver-
dünnte Schwefelſäure aus den Tuchſcheiben ausgepreßt
wird, über die Platten herunterläuft und ſo dieſe in
leitende Verbindung ſetzt. Um dieſen Uebelſtand zu ver-
meiden, ordnet Haldan die Säule horizontal an; Andere
geben hingegen den Kupferſcheiben die Form von flachen
Schalen. Eine in dieſer Weiſe aufgebaute Säule iſt in
Fig. 90 abgebildet.


Die unterſte Kupferplatte bildet hierbei den poſitiven,
die oberſte Zinkplatte den negativen Pol; verbindet man
beide durch einen Metalldraht, ſo iſt die Säule geſchloſſen
und der poſitive Strom geht im Drahte vom Kupfer zum
Zink, in der Säule vom Zink zum Kupfer. Durch ein
Elektroſkop kann man auf der oberſten Zinkplatte freie
negative, auf der unterſten Kupferplatte poſitive Elektricität
nachweiſen. Leitet man den nicht mit dem Elektroſkope
in Verbindung ſtehenden Pol zur Erde ab, ſo wird die Elektricitätsanzeige im
Elektroſkope bedeutend verſtärkt.


Die Volta-Säule wurde im Laufe der Zeit mannigfach abgeändert; ſo erhielt
ſie z. B. durch Cruikshank die in Fig. 91 dargeſtellte Form. Hier ſind vier-
eckige Kupfer- und Zinkplatten zuſammengelöthet und in einem Holztroge derart
befeſtigt, daß ſie dieſen in eine Reihe von Zellen theilen. Letztere werden mit ver-
dünnter Schwefelſäure gefüllt. Das Auswechſeln ſchadhafter Platten iſt bei dieſer
Anordnung umſtändlich und die Säule hat deshalb auch keine praktiſche Ver-
wendung.


Wollaſton hat, um die Oberfläche der Platten zu vergrößern, die Kupfer-
bleche derart gebogen, daß ſie die Zinkplatten beiderſeits umſchließen (Fig. 92).
[179] Sämmtliche Platten ſind an einem viereckigen hölzernen Rahmen befeſtigt und laſſen
ſich mit Hilfe dieſes aus den mit verdünnter Schwefelſäure gefüllten Glasgefäßen
ausheben, wenn die Batterie nicht gebraucht wird. Aehnliche Anordnungen wurden
den Säulen von Faraday, Münch, Schmidt und Young gegeben.


Fig. 93 zeigt Hare’s ſogenannten Calorimotor. Hare hat, um die Wirk-
ſamkeit des Elementes möglichſt zu erhöhen, den beiden Platten eine ſehr große
Oberfläche gegeben. Er erreichte dies, indem er lange Zink- und Kupferbleche mit
Zwiſchenlegung von Holzſtäben aufeinander brachte und dann zu einer gemein-

Figure 90. Fig. 91.

Säule von Cruikshank.


Figure 91. Fig. 92.

Säule von Wollaſton.


ſchaftlichen Spirale zuſammenrollte; die Holzſtäbe haben den Zweck, die Berührung
der beiden Platten hintanzuhalten. Auf dieſe Weiſe werden auch beide Seiten der
Platten nahezu vollkommen ausgenützt, da der Zinkfläche faſt überall eine Kupfer-
fläche gegenüberſteht. Die verdünnte Schwefelſäure befindet ſich in einem Holzbottich,
der auch mit einem Geſtelle verſehen iſt, um das Element je nach Bedürfniß aus-
heben und einſenken zu können. Das Element giebt in der That, namentlich im
Anfange, einen ſehr kräftigen Strom, der Metalldrähte zum Glühen und auch zum
Schmelzen bringen kann. Auch dieſes Element erfreut ſich heute keiner praktiſchen
Verwerthung mehr.


12*
[180]

Trockene Säulen, d. h. Batterien ohne Anwendung einer Flüſſigkeit,
wurden zuerſt von Behrens conſtruirt (1806). Ferner verfertigten ſolche de Luc
und Zamboni (1812); von Letzterem erhielt ſie auch den Namen Zamboni-
Säule
. Dieſe Säulen wurden zunächſt in der Weiſe verfertigt, daß man unechtes
Gold- und Silberpapier mit den Rückſeiten aufeinanderklebte und aus den in
dieſer Art erhaltenen Doppelbogen, deren eine Seite Gold, deren andere Silber
war, eine große Anzahl kreisförmiger Scheiben ausſtanzte. Letztere wurden dann ſo
aufeinandergelegt, daß ſämmtliche Goldſeiten nach der einen, ſämmtliche Silberſeiten
nach der entgegengeſetzten Richtung zeigten. Da das unechte Goldpapier durch
Ueberziehen mit einer dünnen Kupferſchicht, das Silberpapier durch Ueberziehen
mit einer Zinnſchicht hergeſtellt wird, ſo erhält man durch das oben angegebene

Figure 92. Fig. 93.

Hare’s Calorimotor.


Verfahren eine Säule, welche ganz ähnlich der Voltaſäule
aufgebaut iſt. Die Zinn- und Kupferſchichten ſind in
jedem Plattenpaare durch Papier und Kleiſter, alſo einer
ſehr hygroſkopiſchen Zwiſchenſchicht, voneinander getrennt.
Es mag gleich an dieſer Stelle bemerkt werden, daß die
Feuchtigkeit dieſer Zwiſchenſchicht eine weſentliche Bedin-
gung für die Wirkſamkeit der Säule bildet. Trocknet
man die Säule ſorgfältig, z. B. durch Aufbewahren in
einem Raume, in welchem ſich Chlorcalcium befindet, ſo
wird ſie völlig unwirkſam. Es iſt daher ganz unrichtig,
dieſe ſogenannte trockene Säule als einen Beweis für die
Richtigkeit der Contacttheorie anzuſehen.


Da man bei einer ſolchen Säule gewöhnlich eine
ſehr bedeutende Anzahl von Elementen, 3000 bis 4000,
aufeinanderſchichtet, ſo erlangen die beiden Endſcheiben
oder Pole der Säule ziemlich ſtarke elektriſche Spannun-
gen, und zwar wird hierbei die letzte Zinnſcheibe negativ,
die letzte Kupferſcheibe poſitiv elektriſch. Die Pole der
Säule zeigen daher Anziehungs- und Abſtoßungserſchei-
nungen, wie geriebene Glas- oder Harzſtangen, ja man
kann im Dunkeln ſelbſt das Ueberſpringen kleiner Fünkchen
beobachten. Gleichwohl iſt aber der Strom, welchen ſie
liefert, äußerſt ſchwach; es rührt dies daher, daß, ſobald
die Pole einmal entladen ſind, es immer geraume Zeit
dauert, bevor ſie wieder ihre urſprüngliche Ladung er-
halten können, weil das Nachſtrömen der Elektricität wegen der außerordentlich
ſchlechten Leitungsfähigkeit der Säule ſehr langſam erfolgt. Dagegen erhält ſich die
elektriſche Differenz an den beiden Polen jahrelang und dieſer Umſtand veran-
laßte auch die verſchiedenen Anwendungen der Säule. Eine lernten wir bereits
kennen bei Beſprechung des Elektroſkopes von Behrens.


Behrens benützte die Säule auch zur Conſtruction eines elektriſchen perpetuum
mobile
(Fig. 94). Dieſes beſteht aus zwei vertical nebeneinandergeſtellten trockenen
Säulen S S', deren eine den poſitiven, deren andere den negativen Pol nach oben
kehrt. Dieſe beiden einander entgegengeſetzten Pole tragen Metallanſätze, die in gegen-
einandergeſtellten Kugeln n p enden. In den Raum zwiſchen dieſen beiden Kugeln hängt
ein leichtes Pendel a b hinein. Dieſes wird nun bei entſprechender Stellung von einem
Säulenpole angezogen, wird gleichnamig elektriſch, dann von dieſem Pole abgeſtoßen
[181] und von dem entgegengeſetzten Pole der zweiten Säule angezogen, gleicht dort
ſeine Elektricität mit der entgegengeſetzten des Poles aus, empfängt von dieſem
Elektricität und pendelt wieder zum erſten Säulenpole zurück u. ſ. w., ſo lange
die beiden Säulen ihre Wirkſamkeit beibehalten. Es braucht wohl kaum erwähnt
zu werden, daß dieſes perpetuum mobile mit dem Geſetze der Erhaltung der
Kraft in keinem Widerſpruche ſteht. Das einmal in Bewegung geſetzte Pendel ſetzt
allerdings unter Umſtänden jahrelang ſeine Bewegung fort, aber dieſe Bewegung
wird nur mit Hilfe der ſtets zu den Polen der Säule ſtrömenden Elektricität
bewirkt; die Erregung dieſer iſt aber
dem langſam fortſchreitenden chemiſchen
Proceſſe in der Säule zuzuſchreiben. Es
wird alſo chemiſche Spannkraft auf-
gezehrt, in Elektricität verwandelt und
dieſe in mechaniſche Bewegung umgeſetzt.


Rouſſeau hat die trockene Säule
zur Conſtruction ſeines Diagometers
benützt, d. h. eines Inſtrumentes,
welches die verſchiedene Leitungsfähig-
keit der Körper benützt, um ihre
chemiſche Zuſammenſetzung zu prüfen.
Der untere Pol m' der Säule A,
Fig. 95, iſt zur Erde abgeleitet, vom
oberen Pole m führt ein Draht zu
der iſolirt unter der Glasglocke auf-
geſtellten und in einer horizontalen
Ebene frei beweglichen Nadel M. Die
letztere iſt ſchwach magnetiſirt und
trägt an einem Ende eine Scheibe.
In derſelben Höhe wie dieſe iſt eine
zweite eben ſo große Scheibe L iſolirt
aufgeſtellt. Bringt man das Inſtrument
mit ſeiner Längsaxe in den magnetiſchen
Meridian, ſo kommen beide Scheiben
zur Berührung. Wird nun der obere
Pol der Säule direct durch einen Draht
mit der Nadel verbunden, ſo werden
beide Scheiben gleichnamig elektriſch und
ſtoßen ſich ab; die Nadel kommt zur

Figure 93. Fig. 94.

Elektriſches perpetuum mobile.


Ruhe, ſobald die elektriſche Abſtoßungskraft und der auf den ſchwachen Magnetis-
mus der Nadel wirkende Erdmagnetismus ſich das Gleichgewicht halten. Letzteres
tritt ſehr raſch ein, wenn die Verbindung der Nadel mit dem Säulenpole durch
einen guten Leiter hergeſtellt wird. Anders verhält es ſich aber, wenn man zwiſchen
der Säule und der Nadel einen ſchlechten Leiter einſchaltet; es wird dann eine von
der Leitungsfähigkeit dieſes ſchlechten Leiters abhängende Zeitdauer erforderlich ſein,
bis die beiden Scheiben ihre volle oder Maximalladung haben und erſt dann die
Nadel eine fixe Stellung einnehmen können. Dieſe Zeitdauer iſt daher ein Maß
für die Leitungsfähigkeit der eingeſchalteten Subſtanz und wurde von Rouſſeau zur
Prüfung der Körper auf ihre chemiſche Reinheit benützt.


[182]

Um die Körper bequem einſchalten zu können, iſt der Poldraht der Säule
zu einem Metallbügel geführt, deſſen ein Ende in ein Metallſchälchen G reicht,
welches mit der Nadel durch den Träger L' in leitender Verbindung ſteht, im
Uebrigen aber iſolirt aufgeſtellt iſt. Das Drahtende wird dann in geeigneter Ent-
fernung über den Boden des Schälchens befeſtigt und in dieſes die zu unter-
ſuchende Subſtanz gebracht. Dadurch wird die Elektricität des Säulenpoles ge-
zwungen, durch eine Schicht dieſer Subſtanz zu gehen, bevor ſie zur Nadel gelangt.


Mit Hilfe des Diagometers unterſuchte Rouſſeau namentlich Fette und Oele,
deren Prüfung auf ihre Reinheit durch chemiſche, beziehungsweiſe andere phyſikaliſche
Methoden bekanntlich keine ſehr genauen Reſultate giebt, und fand dabei, daß z. B.
Olivenöl ein viel geringeres Leitungsvermögen beſitzt, als die übrigen fetten Oele;
er konnte eine Beimiſchung von 1/100 Gewichtstheil der letzteren zu erſterem noch beſtimmt

Figure 94. Fig. 95.

Rouſſeau’s Diagometer.


nachweiſen. Dieſer geringe Bruchtheil eines anderen zum Olivenöl hat alſo genügt,
um des letzteren Leitungsfähigkeit ſo zu vermindern, daß ſie durch Beobachtung
der Ladungszeit der Scheiben erkannt werden konnte.


Ein anderes Beiſpiel iſt die Unterſuchung des Kaffees auf deſſen Reinheit.
Geröſtete und gepulverte Kaffeebohnen leiten die Elektricität nicht; enthalten ſie
aber eine Beimiſchung von Cichorien (ein häufig benütztes Verfälſchungsmittel), ſo
werden ſie leitend. Aehnlich verhält ſich die Chocolade: iſt ſie aus reinem Cacao
bereitet, ſo leitet ſie nicht, enthält ſie eine Beimiſchung von Mehl, ſo leitet ſie die
Elektricität.


Zamboni’s Säule, wie ſie gegenwärtig bei Elektroſkopen angewandt wird,
verfertigt man gewöhnlich nicht mehr aus Gold- und Silberpapier, ſondern hat
es vortheilhafter gefunden, ſie in nachſtehender Weiſe anzufertigen: Das Silber-
papier wird auf ſeiner Rückſeite mit einer dünnen Schicht von Braunſtein (Man-
ganhyperoxyd) überzogen, indem man ſehr feines, durch Schlämmen erhaltenes
[183] Pulver des Minerales in Honig, Gummi oder Leimwaſſer einrührt und dann auf
das Silberpapier aufträgt. Aus den ſo vorbereiteten Bogen ſchlägt man dann mit
Hilfe eines Locheiſens Scheiben aus von zwei bis drei Centimeter Durchmeſſer. In ein
Geſtelle ähnlich jenem, welches wir bei der Volta-Säule kennen lernten, legt man
hierauf eine Metallſcheibe, an welcher auf drei Stellen des Umfanges Seidenfäden
befeſtigt ſind. Auf die Metallſcheibe werden die Zinn-Braunſteinſcheiben ſo geſchichtet,
daß alle Scheiben ihre Zinnſeite nach der einen, ihre Braunſteinſeite nach der
anderen Richtung kehren. Auf die letzte Scheibe kommt wieder eine Metallſcheibe,
welche mit drei Löchern zur Aufnahme der Seidenfäden verſehen iſt. Mit Hilfe
dieſer und der beiden Metallſcheiben wird die Säule etwas zuſammengedrückt und
in dieſer Stellung durch Zuſammenbinden der Seidenfäden erhalten. Die Säule
kann nun als Ganzes aus dem Geſtelle herausgenommen werden und kommt ge-
wöhnlich in eine innen mit Harz gut überzogene Glasröhre, die an ihren Stirn-
ſeiten mit Metallkapſeln verſehen iſt. Jene Metallkapſel, welche an der Zinnfläche
anliegt, bildet dann den negativen Pol der Säule, die andere den poſitiven. Das
Einſchließen der Säule in eine Glasröhre hat den Zweck, die Feuchtigkeit des
Papieres am Entweichen zu verhindern.


Die bisher beſchriebenen Batterien und überhaupt alle Elemente, welche aus
zwei Metallen und nur einer Flüſſigkeit gebildet werden, leiden an dem Uebel-
ſtande, daß ihre Kraft kurze Zeit nach ihrer Inbetriebſetzung eine ſtarke Abnahme
zeigt. Die Urſache hiervon liegt in der chemiſchen Zerſetzung der Flüſſigkeit, welche
durch den elektriſchen Strom bewirkt wird. Letzterer zerſetzt nämlich das Waſſer in
Waſſerſtoff und Sauerſtoff; erſterer ſcheidet ſich am Kupfer aus, da, wie wir aus
dem Vorhergehenden wiſſen, dieſer in der Flüſſigkeit elektropoſitiv wird, und der
Sauerſtoff geht zur Zinkplatte. Letztere wird durch den Sauerſtoff an ihrer Ober-
fläche zu Zinkoxyd oxydirt und dieſes löſt ſich in der Schwefelſäure zu Zinkſulfat.
Die Zinkplatte bleibt alſo ſtets rein erhalten. Anders verhält es ſich aber mit der
Kupferplatte; an dieſer ſcheidet ſich der Waſſerſtoff aus und überzieht nach und
nach die Kupferplatte mit einer Schicht Waſſerſtoffgas. Letzteres wird aber hierbei
poſitiv elektriſch und veranlaßt dadurch in der Flüſſigkeit einen Strom poſitiver
Elektricität vom Kupfer zum Zink, alſo in der entgegengeſetzten Richtung als jener
Strom, welcher durch die beiden Metalle und die Flüſſigkeit hervorgerufen wird
(vergl. Abbildung Seite 161). Dieſer durch die chemiſche Zerſetzung hervor-
gerufene Gegenſtrom iſt nun eben die Urſache der raſch abnehmenden Kraft des
Elementes.


Dieſe Uebelſtände zu beſeitigen, hat man verſchiedene chemiſche und mecha-
niſche Mittel angewandt; ſie beſtehen häufig darin, daß man in die Batterie
Stoffe bringt, welche leicht Sauerſtoff abgeben. Der Sauerſtoff verbindet ſich dann
mit dem Waſſerſtoffe zu Waſſer und macht dieſen dadurch unſchädlich. Um zu
verhindern, daß ſich die Sauerſtoff abgebende Subſtanz mit der übrigen Batterie-
flüſſigkeit miſche, wird erſtere gewöhnlich in geſonderte, poröſe Gefäße gebracht.
Dieſe geſtatten wohl den Gaſen, nicht aber den Flüſſigkeiten den Durchgang
und werden dadurch leitend für die Elektricität, daß ſie ſich mit Flüſſigkeit an-
ſaugen.


Die Anwendung obiger Hifsmittel führt zur Conſtruction der conſtanten
Batterien,
deren erſte von Daniell (1837) angegeben wurde. Die urſprüngliche
Form derſelben iſt in Fig. 96 abgebildet. Ein Becher aus Kupferblech iſt in
ſeinem Boden kreisförmig ausgeſchnitten und dieſer Ausſchnitt durch einen Kork-
[184] pfropfen verſchloſſen. An dem Pfropfen befeſtigt und zum Kupferbecher concentriſch
geſtellt ragt ein Stück Ochſengurgel o o bis nahe an den Rand des Bechers.
Oben iſt dieſe Ochſengurgel durch einen gleichweiten Kupfercylinder c c fortgeſetzt,
welcher mit der Kupferſchale b b verbunden iſt. Letztere beſitzt einen ſiebartigen
Boden und ruht mit ihren Rändern auf dem Rande des äußeren Kupferbechers
auf. Der Zinkcylinder befindet ſich innerhalb der Ochſengurgel und wird oben
durch einen Pfropf gehalten. Der übrige von der Ochſengurgel umſchloßene Raum
iſt mit verdünnter Schwefelſäure gefüllt, während in den Raum zwiſchen der
Ochſengurgel und dem äußeren Kupferbecher eine concentrirte Löſung von Kupfer-
vitriol (Kupferſulfat) gebracht wird. Auf den ſiebartigen Boden der Schale b b
kommen Kupfervitriolkryſtalle, deren Zweck darin beſteht, die Löſung ſtets concen-
trirt zu erhalten.


Figure 95. Fig. 96.

Daniell-Element.


Iſt das Element einige Zeit in Gebrauch, ſo
löſt ſich Zink in der Schwefelſäure unter Bildung
von Zinkvitriol auf, welche Löſung ſich zu Boden
ſenkt, da ſie ſpecifiſch ſchwerer iſt als die verdünnte
Schwefelſäure. Man kann ſie, ohne den Betrieb des
Elementes unterbrechen zu müſſen, entfernen, indem
man durch den Trichter verdünnte Schwefelſäure
nachfüllt, wodurch die Zinkvitriollöſung durch das
Rohr g zum Ausfließen gebracht wird. Zur Ab-
leitung des Stromes verſicht man den Kupfer-
und den Zinkcylinder an ihren oberen Enden
entweder mit Blechſtreifen oder mit Queckſilber-
näpfchen, in welche dann die Leitungsdrähte ein-
gehängt werden.


Um einzuſehen, wodurch ein ſolches Element
befähigt wird, einen conſtanten Strom zu liefern,
müſſen die chemiſchen Proceſſe, welche ſich in den
Flüſſigkeiten abſpielen, in Betracht gezogen werden.
Wir wiſſen bereits, daß das Waſſer durch den
Strom in Waſſerſtoff und Sauerſtoff zerlegt wird
und daß der Sauerſtoff das Zink oxydirt; das
Zinkoxyd löſt ſich dann in der Schwefelſäure
und bildet Zinkvitriol. Durch dieſen Proceß wird alſo die Schwefelſäure in der
Ochſengurgel vermindert.


Der elektriſche Strom zerſetzt aber auch die Kupfervitriollöſung und ſcheidet
aus dieſer das Kupfer aus, welches ſich am Kupfercylinder niederſchlägt. Der
zweite Beſtandtheil des Kupfervitriols, die Schwefelſäure, nimmt den in der Ochſen-
gurgel ausgeſchiedenen und durch dieſe in die Kupfervitriollöſung übergeführten
Waſſerſtoff auf und erſetzt in dieſer Weiſe die durch die Bildung von Zinkvitriol
dem Elemente entzogene Schwefelſäure. Der Verluſt an Kupfervitriol durch die
Zerſetzung der Löſung wird durch die Kryſtalle, welche auf dem ſiebartigen Boden
der Schale b b liegen, erſetzt. In dem Elemente wird alſo Zink, Kupfervitriol
und Schwefelſäure verbraucht und dafür Zinkvitriol, Kupfer und Schwefelſäure
erzeugt. Somit braucht einerſeits die Schwefelſäure beim Zinkcylinder nicht erſetzt
zu werden (weshalb auch das Rohr g wegbleiben kann), und andererſeits iſt die
Anlagerung von Waſſerſtoff an den Kupfercylinder vermieden; das Element wird
[185] folglich ſo lange einen conſtanten Strom liefern, ſo lange Kupfervitriolkryſtalle
in der Schale ſich befinden, und ſo lange der Zinkcylinder nicht verzehrt iſt.


Das Element hat im Laufe der Zeit mannigfache Abänderungen erfahren,
deren eine in Fig. 97 dargeſtellt iſt. In einem Glasbecher befindet ſich der Zink-
cylinder Zn und die Ochſengurgel iſt durch den poröſen Thoncylinder (das Dia-
phragma) t erſetzt. In dieſes ragt der Kupferſtab C hinein, welcher bei D ein
Sieb zur Aufnahme der Kupfervitriolkryſtalle trägt. Der Kupferſtab taucht in eine
Löſung von Kupfervitriol, der Raum zwiſchen dem Diaphragma und dem Glas-
becher iſt mit verdünnter Schwefelſäure ausgefüllt. Jeder Kupferſtab iſt mit dem
Zinkcylinder des nachfolgenden Elementes durch einen Draht a verbunden.


Die ſchädliche Wirkung des Waſſerſtoffgaſes auf mechaniſche Weiſe zu be-
ſeitigen, iſt Smee (1840) gelungen. Das von ihm conſtruirte Element iſt in
Fig. 98 abgebildet. In einem ſehr hohen, gewöhnlich vierſeitigen Glasgefäße ſind

Figure 96. Fig. 97.

Daniell-Elemente.


Figure 97. Fig. 98.

Smee-Element.


zwei Zinkplatten Zn eingehängt und oben durch eine Schraubenzwinge zuſammen-
gehalten. Zwiſchen beiden Zinkplatten, und wohl iſolirt von dieſen, befindet ſich die
Platin- oder Silberplatte Ag. Letztere beſteht jedoch nicht aus blankem Metallbleche,
ſondern ſie iſt mit einem Ueberzuge von Platinmoor, d. h. fein vertheiltem Platin,
verſehen. Letzteres wird auf galvaniſchem Wege auf der Platte niedergeſchlagen.
Das Glasgefäß erhält eine Füllung von verdünnter Schwefelſäure. Es wird des-
halb verhältnißmäßig groß gemacht, damit ſich der Zinkvitriol, welcher durch den
Betrieb des Elementes gebildet wird, unterhalb der Metallplatten anſammeln kann.
Die Platten bleiben hierdurch lange Zeit nur mit verdünnter Schwefelſäure in
Berührung, und ſomit braucht die Flüſſigkeit nur ſelten erneuert zu werden.


Die ſchädliche Wirkung des Waſſerſtoffgaſes wird durch den Platinmoor-
überzug auf der Silberplatte zum größten Theile vermieden oder doch bedeutend
vermindert. Vermöge der rauhen Beſchaffenheit dieſes Ueberzuges ſammelt ſich
nämlich das Waſſerſtoffgas nur ſo lange an, bis die Gasblaſen eine gewiſſe Größe
erreicht haben und dann löſen ſie ſich ab und entweichen durch die Flüſſigkeit.
[186] Der Waſſerſtoff ſchwächt daher den Batterieſtrom nur bis zu einer beſtimmten,
ſtets gleichbleibenden Grenze und der Strom bleibt von dieſer an conſtant. Die
Silberplatte, welche den poſitiven Pol der Säule bildet, erhält gewöhnlich Wellen-
form, um die Oberfläche zu vergrößern.


Für den Gebrauch in Laboratorien ſetzt man gewöhnlich eine größere oder
geringere Anzahl von Elementen in einen Holzrahmen, der ſich in einem geeigneten
Geſtelle heben oder auf die Batteriegläſer herabſenken läßt (Fig. 99). Iſt die
Batterie nicht in Gebrauch, ſo wird der Holzrahmen ſammt den Platten gehoben,
letztere alſo aus der Schwefelſäure herausgezogen und dadurch eine Schonung der
Zinkplatten erreicht. Eine in techniſcher Verwendung befindliche Form dieſer Batterie
werden wir in der zweiten Abtheilung dieſes Buches kennen lernen.


Das Element von Grove zeichnet ſich durch eine ſehr kräftige elektro-
motoriſche Wirkſamkeit aus; dieſe beträgt 1·8 jener eines Daniell-Elementes. Das

Figure 98. Fig. 99.

Smee’ſche Batterie.


Element von Grove, Fig. 100,
beſteht aus einem Glasgefäße, ähn-
lich jenem der Daniell’ſchen Säule,
in welchem ſich ein oben und unten
offener Zinkcylinder befindet. In
dieſem ſteht das Diaphragma und
dieſes enthält ein S-förmig gebogenes
Platinblech. Das Glasgefäß wird
mit verdünnter Schwefelſäure, das
Diaphragma mit concentrirter Sal-
peterſäure gefüllt. Letzteres trägt
oben einen Deckel aus Holz oder
auch aus Porzellan, welcher mit
einem Schlitze verſehen iſt, aus
dem ein an das Platinblech an-
genieteter Platinſtreifen herausragt.
Auf dieſen wird eine Klemmſchraube
zur Aufnahme des Leitungsdrahtes
aufgeſetzt; eine eben ſolche Klemm-
ſchraube trägt der obere Rand des
Zinkcylinders. Der Deckel des Diaphragmas iſt an ſeiner Unterſeite mit Schwefel
ausgegoſſen; letzterer trägt zum guten Verſchluß des Diaphragmas bei und giebt
auch dem dünnen Platinbleche eine gewiſſe Feſtigkeit. Den poſitiven Pol der Säule
bildet das Platinblech.


Setzt man das Element in Thätigkeit, ſo wird das Waſſer zerſetzt und der
Waſſerſtoff gelangt durch das Diaphragma in die concentrirte Salpeterſäure; dieſer
entzieht er den Sauerſtoff und vereinigt ſich mit letzterem zu Waſſer. Aus der
Salpeterſäure entſteht hingegen durch Reduction Stickoxyd, welches ſich unter Bil-
dung von Unterſalpeterſäure in der Salpeterſäure löſt und ſelbe grün färbt. Ein
Theil des Stickoxydes entweicht jedoch in die Luft und verbindet ſich mit dem
Sauerſtoff derſelben zu Unterſalpeterſäure, welche in Form rothbrauner Dämpfe
entweicht.


Durch den chemiſchen Proceß wird alſo wieder Zinkvitriol gebildet, gleich-
zeitig entſtehen aber auch Unterſalpeterſäure und Waſſer. Die beiden letzt-
genannten Producte bleiben zum größten Theile in der Thonzelle. Die Säule kann
[187] daher nur ſo lange conſtanten Strom geben, als unzerſetzte Salpeterſäure mit der
Platinplatte in Berührung iſt.


Der Vorzug, welchen dieſe Säule vor anderen beſitzt, liegt, wie bereits
hervorgehoben, in der bedeutenden elektromotoriſchen Kraft; hingegen iſt es ein
erheblicher Uebelſtand der Säule, daß ſie Dämpfe von Unterſalpeterſäure in der
Luft bildet. Dieſe ſind ſowohl äußerſt geſundheitsſchädlich, als auch nachtheilig für
alle Metalltheile, welche ſich mit der Batterie im ſelben Raume befinden. Auch
kommt, wegen der Platinplatten, der hohe Anſchaffungspreis zu Ungunſten der
Batterie in Betracht.


Letzterer iſt bei der Bunſen’ſchen Kette vermieden. Eine ältere Form der-
ſelben iſt in Fig. 101 abgebildet. In ein oben zuſammengezogenes Glasgefäß iſt
ein Kohlecylinder eingeſenkt; in dieſem ſteht die Thonzelle mit dem Zinkcylinder.

Figure 99. Fig. 100.

Grove-Element.


Figure 100. Fig. 101.

Bunſen-Element.


Der Raum zwiſchen Thonzelle und Glas wird mit Salpeterſäure gefüllt und
dieſer werden durch Bohrungen im Kohlecylinder Wege geſchafft, durch welche ſie
leicht circuliren kann. Der Kohlecylinder beſitzt oben einen verſtärkten Rand, mit
welchem er auf dem Glasrande aufruht, um das Entweichen der Säuredämpfe
möglichſt hintanzuhalten. Das Diaphragma erhält eine Füllung von verdünnter
Schwefelſäure. Um den Ableitungsdraht mit der Kohle in gut leitende Verbindung
bringen zu können, wird um den oberen Rand der letzteren ein Metallſtreifen
gelegt, deſſen Enden durch eine Schraube zuſammengezogen werden können; der
Metallſtreifen ſelbſt wird dann durch angelöthete oder angeſchraubte Blechſtreifen
oder Drähte mit dem Zinkcylinder des nächſten Elementes verbunden.


Der chemiſche Proceß, welcher in dieſem Elemente vor ſich geht, iſt derſelbe,
wie der bei der Säule von Grove geſchilderte. Die Bereitung der Kohle, ſowie
die Abänderungen, welche das Element für die techniſche Verwendung erfahren
hat, werden, wie auch die übrigen techniſch verwertheten Säulen, in der zweiten
Abtheilung vorliegenden Buches einer eingehenderen Beſprechung unterzogen werden.


[188]

Stromerregung durch Temperatur-Unterſchiede — Thermo-Elek-
tricität.
Der Erſte, welcher Stromerregung durch Temperaturdifferenzen im metal-
liſchen Schließungsbogen nachwies, war, wie in der Geſchichte der Elektricität
mitgetheilt wurde, Seebeck.


Er befeſtigte auf ein Wismuthſtäbchen a b, Fig. 102, einen Kupferbügel k
und ließ innerhalb dieſes auf einem Stativ aufgeſetzten Metallrahmens eine
Magnetnadel n s anbringen, welche ſich auf einer Stahlſpitze frei drehen konnte.
Der Metallrahmen wurde dann in den magnetiſchen Meridian gebracht, ſo daß
alſo die Magnetnadel ſich in die Ebene des Rahmens ſtellte. Sobald man nun
eine der Verbindungsſtellen von Kupfer und Wismuth erhitzte, während die andere
ihre urſprüngliche Temperatur beibehielt, gab die Nadel durch ihren Ausſchlag
einen elektriſchen Strom im Rahmen zu erkennen. Der Strom dauert hierbei ſo
lange an, als beide Verbindungsſtellen der Metalle verſchiedene Temperaturen

Figure 101. Fig. 102.

Seebeck’s Verſuch.


zeigen. Anſtatt eine Stelle
zu erwärmen, kann man ſie
auch abkühlen. Zur Hervor-
bringung eines Stromes iſt
nur eine Differenz der Tem-
peraturen beider Verbindungs-
ſtellen erforderlich.


Die Magnetnadel zeigt
durch ihre Bewegung nicht
nur die Exiſtenz eines Stromes
überhaupt an, ſondern ſie läßt
durch die Richtung ihres Aus-
ſchlages auch die Richtung des
Stromes erkennen. Erhitzt
man z. B. die nördliche Löth-
ſtelle des Rahmens, ſo be-
wegt ſich das Nordende der
Nadel nach Oſten. Dieſer
Ablenkung entſpricht aber ein
Strom, welcher an der er-
hitzten Stelle vom Wismuth zum Kupfer, an der kalten Stelle vom Kupfer zum
Wismuth geht. Man findet nämlich die Richtung des Stromes in der Art, daß
man ſich im Strome ſchwimmend eine menſchliche Figur denkt; dieſe muß hierbei
gegen die Nadel ſehen und den Nordpol derſelben zur Linken haben. Die Strom-
richtung geht dann von den Füßen zum Kopfe der Figur.


Solche Thermoſtröme entſtehen aber nicht blos bei Anwendung von Kupfer
und Wismuth, ſondern auch wenn irgendwelche metalliſche Körper an ihren Be-
rührungsſtellen ungleiche Temparatur beſitzen. In Bezug auf die Größe der elektro-
motoriſchen Kraft, welche hierbei auftritt, iſt die Natur des Körpers ausſchlag-
gebend; ſowohl die chemiſche Zuſammenſetzung, als auch die Structur wirken auf
das Reſultat verändernd ein. Ferner hat auch die Temperatur, bis zu welcher eine
Verbindungsſtelle erhitzt wird, weſentlichen Einfluß. Ausgedehnte Unterſuchungen
über dieſe Verhältniſſe wurden von Seebeck angeſtellt und dieſem gelang es auch,
die Metalle in eine thermoelektriſche Spannungsreihe einzuordnen; dieſe
Spannungsreihe iſt:


[189]
  • + Antimon
  • Arſen
  • Eiſen
  • Zink
  • Silber
  • Gold
  • Zinn
  • Blei
  • Kupfer
  • Platin
  • Kobalt
  • Nickel
  • — Wismuth.

Es muß hierzu bemerkt werden, daß dieſe Spannungsreihe nur für Temperatur-
differenzen innerhalb gewiſſer Grenzen gilt, und daß ſie überdies auch noch weſentlich
geändert werden kann, wenn Metalle verſchiedener Structur benützt werden. Unter
Beobachtung dieſer Umſtände gilt auch für dieſe Reihe das Geſetz der Spannungs-
reihen. Wismuth und Antimon ſtehen in der Reihe am weiteſten voneinander ab,
werden daher auch die kräftigſte Wirkung erzielen laſſen, oder das ſtärkſte Thermo-
Element
geben.


Die Kraft eines und desſelben Thermo-Elementes nimmt im Allgemeinen
zu mit der Zunahme der Temperaturdifferenz zwiſchen beiden Löthſtellen. Die Zu-
nahme ſchreitet jedoch nicht bis zu beliebigen Differenzen fort, ſondern gilt für jede
Combination nur innerhalb beſtimmter Grenzen. Werden dieſe überſchritten, ſo hört
die Elektricitätserregung nicht ſelten ganz auf oder tritt bei weiterem Fortſchreiten
zwar neuerdings auf, giebt aber einen Strom, der in entgegengeſetzter Richtung
verläuft, als jener bei geringeren Temperaturdifferenzen. Thermo-Elemente liefern
einen conſtanten Strom, ſo lange die Temperaturen an den Löthſtellen conſtant
erhalten werden. Man erreicht dies am einfachſten dadurch, daß man die eine Löth-
ſtelle in ſchmelzendes Eis, die andere in kochendes Waſſer bringt; erſtere wird dann
ſtets die Temperatur 0, die letztere 100 Grade C. beſitzen.


Die elektromotoriſche Kraft der Thermo-Elemente verglichen mit jener der gal-
vaniſchen iſt ſehr gering.


So beträgt z. B. die elektromotoriſche Kraft zwiſchen reinem Silber und
käuflichem Kupfer eines Daniell-Elementes. Setzt man dieſe elektro-
motoriſche Kraft gleich 1, ſo bekommt man bei denſelben Temperaturdifferenzen
folgende Werthe für:


  • Silber und Wismuth 32·9
  • „ „ Neuſilber 5·2
  • „ „ Queckſilber 2·5
  • „ „ Blei 1·0
  • „ „ reines Antimon 9·87
  • „ „ Tellur 179
  • „ „ Selen 290

[190]

Wie dieſe Tabelle zeigt, ſind zur Bildung von Thermo-Elementen nicht nur
reine Metalle, ſondern auch Metalllegierungen (Neuſilber), ſowie auch Körper, bei
welchen der metalliſche Charakter ſchon ſehr zurücktritt (Selen, Tellur), verwendbar.
Seebeck hat gefunden, daß ſich die Metalllegierungen in die Spannungsreihe der
Metalle einreihen laſſen, daß aber manche Legierungen nicht zwiſchen jene Metalle
zu ſtehen kommen, aus welchen ſie gebildet wurden. Für einzelne Legierungen erhielt
er z. B. folgende Spannungsreihe:


  • Wismuth
  • Blei
  • Zinn
  • 1 Wismuth 3 Zink
  • 1 Wismuth 3 Blei
  • Platin Nr. 2
  • 1 Wismuth 3 Zinn
  • Kupfer Nr. 2
  • 1 Wismuth 1 Blei
  • Gold Nr. 1
  • Silber
  • 1 Wismuth 1 Zinn
  • Zink
  • 3 Wismuth 1 Blei
  • 1 Antimon 1 Kupfer
  • 1 Antimon 3 Kupfer
  • 1 Antimon 3 Blei; 3 An-
    timon 1 Blei
  • 1 Antimon 3 Zinn; 3 An-
    timon 1 Zinn
  • Stahl
  • Stabeiſen
  • 3 Wismuth 1 Zinn
  • 1 Wismuth 3 Antimon
  • Antimon
  • 1 Antimon 1 Zinn
  • 3 Antimon 1 Zink
  • +

Die Thermo-Elemente können wie die galvaniſchen in größerer oder geringerer
Anzahl zu Batterien vereinigt werden. Man ordnet dann die Elemente ſo an, daß
alle geraden Löthſtellen (2, 4 im Schema Fig. 103) auf die eine, alle ungeraden
(1, 3, 5) auf die andere Seite zu liegen kommen, um die einen bequem erwärmen,
die anderen abkühlen zu können.


Der Umſtand, daß die elektromotoriſche Kraft einer Thermoſäule bei geringen
Temperaturdifferenzen dieſen proportional wächſt, ermöglicht die Anwendung der
Thermoſäulen zur Meſſung der Temperaturen. Man verbindet zu dieſem Behufe
die Pole der Thermoſäule durch Drähte mit einem ſehr empfindlichen Galvanometer.
Tritt dann zwiſchen den Temperaturen verſchiedener Löthſtellen auch nur eine ſehr
geringe Differenz ein, ſo ſendet die Thermoſäule ſofort einen Strom in das
Galvanometer, welches dieſen und deſſen von der Höhe der Temperaturdifferenz ab-
hängige Stärke durch den Ausſchlag der Nadel zu erkennen giebt. Man hat ſomit
in der combinirten Anwendung von Thermoſäule und Galvanometer ein höchſt
empfindliches Thermometer; nach Melloni können hiermit noch Temperaturdifferenzen
von Grad gemeſſen werden, eine Leiſtung, die mit keinem anderen Thermo-
meter zu erreichen iſt.


Die Form, welche man den Thermoſäulen giebt, um ſie zu Unterſuchungen
aus dem Gebiete der Wärmelehre zu verwenden, richtet ſich nach dem ſpeciellen
Zwecke, der hierbei verfolgt wird. Eine häufig angewandte Form iſt jene, bei welcher
die einzelnen Thermo-Elemente ſo angeordnet werden, daß ſie einen Würfel bilden
[191] Fig. 104). Auf einer Seite dieſes Würfels befinden ſich alle geraden, auf der ent-
gegengeſetzten Seite alle ungeraden Löthſtellen. Die ganze Säule wird dann gewöhnlich
in eine Faſſung iſolirt eingeſetzt und auf ein Statif befeſtigt (Fig 105). Auf eine
Seite des Würfels kann dann ein Com s C aufgeſetzt werden, welcher dazu dient,
um die Wärmeſtrahlen in größerer Menge zuzuleiten. An den Polklemmen m
und n befeſtigt man dann die Zuleitungsdrähte a b zum Galvanometer.


Figure 102. Fig. 103.

Schema einer Thermofäule.


Figure 103. Fig. 104.

Thermoſäule.


Figure 104. Fig. 105.

Thermoſäule.


Zu gewiſſen Zwecken verwendet man auch Thermoſäulen, bei welchen ſowohl
die geraden als auch die ungeraden Löthſtellen in je einer geraden Linie angeordnet
ſind. In anderen Fällen leiſtet wieder die thermoelektriſche Nadel gute Dienſte.
Dieſe beſteht aus nur einem Elemente, deſſen Löthſtelle zugeſpitzt wird, während
die freien Enden mit dem Galvanometer in leitende Verbindung geſetzt werden.
Mit ihrer Hilfe können die Wärmeverhältniſſe von Geweben (animaliſchen und
pflanzlichen) bequem unterſucht werden.


[192]

Thermoelektriſche Erſcheinungen treten auch ſchon bei ganz einfachen Vor-
richtungen auf. Um eine ſolche hervorzurufen, genügt es z. B., das Ende eines
Galvanometerdrahtes zum Glühen zu erhitzen und dann mit dem Ende des zweiten
Galvanometerdrahtes in Berührung zu bringen; die Galvanometernadel zeigt auch
einen Strom an, wenn an die Galvanometerdrähte zwei Drähte gelöthet werden,
man den einen erhitzt und dann mit den andern in Berührung bringt u. ſ. w.


Die Geſetze des galvaniſchen Stromes.

Wir wiſſen, daß durch Eintauchen zweier Metalle in Flüſſigkeit elektro-
motoriſche Kräfte geweckt werden, und daß in Folge deſſen eine Bewegung der
Elektricitäten, ein galvaniſcher Strom, eintritt. Dieſer dauert ſo lange an, ſo lange
der chemiſche Proceß währt. Hierbei fließen die beiden Elektricitäten ſtets von
Stellen höheren, zu ſolchen niedrigeren Potentials. Greifen wir nochmals auf jenes
Experiment zurück, bei welchem wir eine Kupfer- und eine Zinkplatte in verdünnte
Schwefelſäure tauchten und die freien Enden beider Platten durch einen Draht ver-
banden. Jede derartige Vorrichtung nennt man ein geſchloſſenes Element. Bei
unſerer Combination bewegt ſich die poſitive Elektricität vom freien Kupferende
zum freien Zinkende und die negative in der umgekehrten Richtung. Wir wiſſen
aber auch, daß ſich die Bewegung der Elektricitäten nicht nur auf dieſe Theile des
Elementes beſchränkt, ſondern auch auf die in die Flüſſigkeit eingetauchten Platten
und auf die Flüſſigkeit ſelbſt erſtreckt. In der Flüſſigkeit ſtrömt poſitive Elektricität
vom Zink zum Kupfer und negative in der entgegengeſetzten Richtung.


Im ganzen Elemente circuliren alſo zwei Kreisſtröme, welche einander ent-
gegengeſetzt gerichtet ſind. Um die Vorſtellung dieſer Vorgänge zu erleichtern,
möge nachſtehender Vergleich mit dem Verhalten bewegten Waſſers herangezogen
werden. Vom Waſſerſpiegel W, Fig. 106, erheben ſich zwei Röhren, welche mit
den Waſſerbehältern A und B in Verbindung ſtehen. Da das Niveau in B höher
ſteht als in A, ſo wird das Waſſer von B ſo lange durch die Verbindungsröhre R
nach A überſtrömen, als noch eine Differenz zwiſchen den Höhen der beiden
Waſſerſpiegel beſteht. Sorgt man überdies noch durch eine Pumpe P dafür, daß
das Niveau in B conſtant erhalten wird, ſo erhält man auch in R eine con-
ſtante Strömung. Dieſes Verhalten iſt jenem des galvaniſchen Stromes ganz analog.
Bei dieſem fließt die Elektricität von Stellen höheren zu Stellen tieferen Poten-
tiales, beim Waſſer tritt eine Strömung vom höheren zum tieferen Waſſerſpiegel
ein. Beim Elemente wird der elektriſche Strom zu einem dauernden gemacht durch
die Umwandlung chemiſcher in elektriſche Energie, beim Waſſer wird die Arbeit
der Pumpe dazu angewandt, um die Druckhöhe im Waſſerreſervoir (B) conſtant zu
erhalten.


Bei der Bewegung der Elektricität im Stromkreiſe des Elementes muß
offenbar durch jeden Querſchnitt des Leiters eine beſtimmte Menge Elektricität
in einer beſtimmten Zeit, z. B. in einer Secunde, durchgehen. Man nennt jene
Menge der Elektricität, welche in einer Secunde irgend einen Querſchnitt des
Leiters durchfließt, die Stromſtärke oder -Intenſität. Laſſen wir in ein wie
immer geſtaltetes Gefäß in jeder Secunde eine beſtimmte Menge Waſſers, z. B.
10 Liter, auf einer Seite einſtrömen und ſorgen dafür, daß bei ſtets gefülltem
Gefäße auch in jeder Secunde 10 Liter am entgegengeſetzten Ende ausfließen, ſo
müſſen ſelbſtverſtändlich in jedem beliebigen Querſchnitte des Gefäßes in jeder
[193] Secunde 10 Liter Waſſer durchſtrömen. Die Quantität des in der Secunde durch
irgend einen Querſchnitt ſtrömenden Waſſers iſt alſo von der Größe des Quer-
ſchnittes unabhängig. Geradeſo verhält es ſich auch beim galvaniſchen Strom.
Circulirt in einem geſchloſſenen Elemente ein conſtanter Strom, ſo paſſirt in
jedem Querſchnitte des Stromkreiſes in einer Secunde dieſelbe Quantität Elek-
tricität. Wir haben daher den Satz: In jedem Stromkreiſe beſitzt der
galvaniſche Strom eine beſtimmte, und zwar an allen Stellen des
Kreiſes gleiche Stärke
.


Auf die Quantität des Waſſers, welches in einer beſtimmten Röhrenleitung
einen beliebigen Querſchnitt in jeder Secunde durchſtrömt, übt der Druck, unter
welchem das Waſſer durch die Röhren getrieben wird, in der Art Einfluß aus,
daß die Waſſermenge zunimmt, wenn der Druck zunimmt. In dieſem Falle erhält
das Waſſer eine raſchere Bewegung, und deshalb muß auch in derſelben Zeit eine
größere Menge jeden Querſchnitt paſſiren. Der Druck des Waſſers im Behälter B
(Fig. 106) kann in der
Weiſe geſteigert werden, daß
man dieſen Behälter oben
verſchließt und mit einem zwei-
ten höher gelegenen durch eine
Röhre verbindet. Durch An-
bringung weiterer immer höher
gelegener Behälter kann dann
der Druck noch mehr geſteigert
werden. Beim galvaniſchen
Elemente ſetzt die [elektromoto-]
riſche Kraft oder die Potential-
differenz auf den Metallplatten
die Elektricität in Bewegung;
die Potentialdifferenz iſt hier
der Druck, durch welchen die
Menge der Elektricität, die in
der Secunde einen Querſchnitt

Figure 105. Fig. 106.


des Leiters paſſirt, beeinflußt wird; hiervon hängt alſo in einem gegebenen Strom-
kreiſe die Stromſtärke ab.


Verbindet man daher zwei, drei, vier oder mehrere galvaniſche Elemente
hintereinander und vermehrt hierdurch die elektromotoriſchen Kräfte, ſo wird auch
die Stromſtärke- oder Intenſität erhöht. Wir erkennen daraus das Geſetz: Die
Intenſität des Stromes wird deſto größer, je größer die elektro-
motoriſche Kraft iſt, welche in dem gegebenen Stromkreiſe wirkt
. (1)


Die Stromſtärke muß aber auch noch von einem andern Umſtande ab-
hängen. Es wurde nämlich ſchon früher erwähnt, daß ſich die Elektricität in ver-
ſchiedenen Körpern verſchieden ſchnell fortpflanzt, oder mit anderen Worten, daß
jeder Körper der Fortbewegung der Elektricität einen von ſeiner Natur und Be-
ſchaffenheit abhängigen Widerſtand entgegenſetzt. Offenbar muß nun die Menge
der Elektricität, welche in der Secunde durch einen Querſchnitt fließt, vermindert
werden, wenn der Widerſtand im Stromkreiſe ein größerer wird; das heißt alſo,
die Stromſtärke wird geringer. Der Widerſtand, den der Strom in einem ge-
ſchloſſenen Elemente zu überwinden hat, ſetzt ſich zuſammen aus dem Widerſtande
Urbanitzky: Elektricität. 13
[194] des Verbindungsdrahtes zwiſchen den freien Enden der Platten, dem ſogenannten
äußeren Widerſtande und dem Widerſtande in den eingetauchten Platten und in
der Flüſſigkeit oder dem inneren Widerſtande. Beide zuſammen oder der Geſammt-
widerſtand wirkt dann auf die Stromſtärke in der Art ein, daß die Intenſität
des Stromes deſto kleiner wird, je mehr der Geſammtwiderſtand
zunimmt
. (2)


Faſſen wir die beiden zuletzt gefundenen Sätze (1 und 2) zuſammen, ſo
erhalten wir das nach ſeinem Entdecker G. S. Ohm benannte oder Ohm’ſche
Geſetz
:


Die Stromſtärke einer galvaniſchen Kette iſt direct proportional
ihrer elektromotoriſchen Kraft und umgekehrt proportional dem Wider-
ſtande des Stromkreiſes
.


Die Stromſtärke wird alſo zwei-, drei-, viermal größer, wenn die elektro-
motoriſche Kraft zwei-, drei-, viermal größer wird; ſie ſinkt auf die Hälfte, ein
Drittel, oder ein Viertel, wenn der Widerſtand zwei-, drei-, viermal größer wird.
Man kann daher das Ohm’ſche Geſetz auch in nachſtehender Form ausdrücken:

In dieſem für jeden galvaniſchen Strom geltenden Geſetze ſind alſo die Be-
ziehungen zwiſchen den drei in Betracht kommenden Factoren gegeben. Es iſt
nun zu unterſuchen, von welchen Umſtänden dieſe einzelnen Factoren wieder ab-
hängen. Wir haben gehört, daß ſich der Widerſtand des Stromkreiſes aus den
Widerſtänden der einzelnen Theile des Stromkreiſes (Metallplatten, Flüſſigkeit und
Verbindungsdrähten, eventuell dem Widerſtande einer in den Kreis geſchalteten
Buſſole) zuſammenſetzt. In welcher Weiſe wirken nun die Beſchaffenheit und die
Dimenſionen dieſer Theile auf die Größe des Widerſtandes?


Nehmen wir an, wir hätten als Stromquelle ein Daniell’ſches Element und
verbinden dieſes durch einen Kupferdraht von einem Meter Länge mit der Buſſole.
Durch den galvaniſchen Strom wird dann die Nadel der Buſſole abgelenkt und
ſchließt mit ihrer Ruhelage einen beſtimmten Winkel ein. Erſetzen wir nun den
1 Meter langen Kupferdraht durch einen ſolchen von 2 Meter Länge. Auch
jetzt wird die Magnetnadel ihre Ruhelage verlaſſen und mit dieſer abermals einen
beſtimmten Winkel einſchließen; dieſer Winkel iſt jedoch diesmal kleiner. Aehnliche
Reſultate erhalten wir, wenn dem zum Verſuche benutzten Kupferdrahte eine Länge
von 3, 4, 5 … Meter gegeben wird. Der Ausſchlag der Nadel verringert ſich dann
immer mehr. Da dieſer das Reſultat der combinirten Einwirkung des conſtanten
Erdmagnetismus und der Stromſtärke auf die Nadel iſt, ſo kann aus den
Ausſchlägen der letzteren die Wirkung der Länge des Kupferdrahtes auf den
Widerſtand berechnet werden. Man findet hierbei, daß der Widerſtand eines Drahtes
zwei-, drei-, viermal größer wird, wenn die Länge desſelben auf das Zwei-, Drei-,
Vierfache ſteigt.


Dieſes Verhalten zeigt nicht nur ein Kupferdraht, ſondern jeder Körper,
welcher als Stromleiter benutzt wird oder durch welchen der Strom gehen muß;
Es gilt auch für die Einſchaltung von Füſſigkeitsſäulen und ſomit auch für die
Flüſſigkeitsſchichten zwiſchen den Metallplatten eines galvaniſchen Elementes.


Aendert man die Verſuche in der Weiſe ab, daß man immer gleich lange
Kupferdrähte in den Stromkreis einſchaltet, aber deren Dicke verſchieden nimmt,
[195] ſo findet man, daß auch dieſe Aenderungen auf die Größe des Nadelausſchlages
Einfluß nehmen. Es zeigt ſich hierbei, daß der Ausſchlagswinkel deſto größer wird,
je größer man den Querſchnitt des eingeſchalteten Drahtes wählt, d. h. alſo,
durch Vergrößerung des Querſchnittes wird der Widerſtand des Drahtes ver-
mindert, oder umgekehrt, durch Verminderung des Querſchnittes wird der Wider-
ſtand erhöht.


Auch dieſes Geſetz hat nicht blos für Kupferdrähte, ſondern für jeden in
den Stromkreis geſchalteten Leiter Geltung, und ſomit kennen wir den Einfluß der
Dimenſionen auf die Größe des Widerſtandes, welchen ein Körper dem Durch-
fließen des galvaniſchen Stromes entgegenſetzt. Nicht in Betracht gezogen haben wir
bisher die innere Beſchaffenheit oder die chemiſche Natur des Körpers. Leiten gleich
lange und gleich ſtarke Drähte, von welchen der eine aus Eiſen, der andere aus
Kupfer gefertigt iſt, den Strom gleich gut oder ſetzen ſie ſeinem Durchgang ver-
ſchieden große Widerſtände entgegen? Wir können dies erfahren, wenn wir aber-
mals unſer Daniell-Element mit der Buſſole verbinden und als Verbindungsdraht
einmal einen Kupferdraht, dann einen Eiſen-, Silber- oder Platindraht, aber alle
von genau gleichen Dimenſionen, benutzen. Führt man derartige Experimente aus,
ſo lehrt der verſchieden große Ausſchlag der Nadel, daß auch das Material, aus
welchem der Leitungsdraht verfertigt iſt, Einfluß auf den Widerſtand ausübt. Man
nennt dieſen Widerſtand, der durch das Material des Leiters bedingt wird,
den ſpecifiſchen Widerſtand des Leiters.


Um die ſpecifiſchen Widerſtände der Körper angeben zu können, muß natürlich
eine Einheit angenommen werden, d. h. man muß den Widerſtand eines Körpers
gleich 1 ſetzen. Bezeichnet man alſo den Widerſtand, welchen z. B. ein Kupferdraht
von 1 Meter Länge und 1 Quadratmillimeter Querſchnitt dem Durchgange
des Stromes entgegengeſetzt, mit 1, ſo findet man durch das Experiment den
Widerſtand des Platins gleich 3·57, des Neuſilbers gleich 5·88 u. ſ. w. Dieſe
Zahlen beſagen alſo, daß ein Draht aus Platin einen 3·57mal, ein Draht aus
Neuſilber einen 5·88mal ſo großen Widerſtand beſitzt als ein genau gleich langer
und gleich dicker Kupferdraht. Unter ſonſt gleichen Umſtänden iſt alſo der Wider-
ſtand eines Leiters deſto größer, je größer ſein ſpecifiſcher Widerſtand iſt.


Faſſen wir nun die Sätze, welche wir über den Widerſtand gefunden haben
zuſammen, ſo haben wir folgendes Geſetz: Der Widerſtand eines Strom-
kreiſes iſt direct proportional ſeiner Länge und dem ſpecifiſchen Leitungs-
widerſtande ſeines Materiales und umgekehrt proportional ſeinem
Querſchnitte
. Bringt man dieſes Geſetz wieder in die Form, in welcher das
Geſetz über die Stromſtärke ausgedrückt wurde, ſo bekommen wir:

Schaltungen im inneren Stromkreiſe. Die Geſetze, welche wir bisher
kennen gelernt haben, erlauben uns nunmehr auch jene Verhältniſſe zu ſtudiren,
welche bei Verbindung mehrerer oder vieler Elemente zu einer Stromquelle oder
galvaniſchen Batterie eintreten und welche für die richtige Verwendung der
Batterien zu irgend welchen Zwecken genan berückſichtigt werden müſſen. Die
Verbindung der galvaniſchen Elemente zu einer Batterie kann in verſchiedener
Weiſe bewerkſtelligt werden. Eine ſolche Verbindungsweiſe haben wir bereits
wiederholt benutzt. Sie beſteht, wie das Schema in Fig. 107 erkennen läßt,
13*
[196] darin, daß man immer das elektropoſitive Metall des einen Elementes mit
dem elektronegativen Metalle des nachfolgenden Elementes verbindet. Es bleibt
dann beim erſten Elemente das elektronegative Metall, beim letzten das elektropoſitive
unverbunden. An dieſe beiden Platten, die Pole der Batterie, werden dann die
Drähte des äußeren Stromkreiſes angeſchloſſen. Dieſe Art der Zuſammenſtellung von
Elementen zu einer Batterie nennt man die Hintereinanderſchaltung.


Der elektriſche Strom fließt hier in der Flüſſigkeit des erſten Elementes vom
Zink zum Kupfer, durch den Verbindungsdraht zum Zink des zweiten Elementes,
wo er ſich mit dem daſelbſt erregten Strom vereinigt und zum dritten Elemente
ſtrömt u. ſ. w. bis zum letzten Elemente, aus welchem er durch die Kupferplatte

Figure 106. Fig. 107.

Hintereinan-
derſchaltung.


austritt, den äußeren Stromkreis durchläuft und wieder zum Zink des
erſten Elementes znrückkehrt.


Die Stromſtärke iſt, wie wir früher gefunden haben, gleich:
oder, da letzterer ſich aus dem Widerſtande des Elementes und dem
Widerſtande des äußeren Stromkreiſes zuſammenſetzt, können wir auch
ſchreiben:

Dies giebt uns den Werth für die Stromintenſität, welche ein
Element entwickelt. Verbinden wir nun mehrere, z. B. 6 Elemente, wie
es unſer Schema zeigt, hintereinander, ſo wirkt die elektromotoriſche
Kraft ſechsfach; gleichzeitig wird aber auch der innere Widerſtand
ſechsmal ſo groß, da jetzt der Strom die Flüſſigkeiten von 6 Ele-
menten durchfließen muß. Unſer Ausdruck für die Stromintenſität geht
daher über in

Nehmen wir nun an, der Widerſtand des äußeren Schließungs-
bogens ſei im Verhältniſſe zu dem inneren Widerſtande ſo unbedeutend,
daß ſein Einfluß auf den Werth des Bruches nahezu gar nicht ver-
ändernd einwirkt, dann können wir ihn vernachläſſigen und ſchreiben:
oder, wenn wir durch 6 abkürzen:

Wir erhalten ſomit für die Stromintenſität der 6 hintereinandergeſchalteten
Elemente denſelben Werth wie für ein Element. Es ergiebt ſich alſo aus dieſer
Discuſſion des Ohm’ſchen Geſetzes der Satz:


Bei Anwendung eines Schließungsbogens von ſehr kleinem
Widerſtande kann man die Intenſität des Stromes durch Vermehrung
der Elemente nicht erhöhen
.


Betrachten wir jetzt den entgegengeſetzten Fall: Der äußere Widerſtand ſei
ſo groß, daß der Widerſtand der 6 Elemente im Vergleiche zu erſterem gar nicht
[197] in Betracht kommt. Wir können dann den Widerſtand der Elemente vernachläſſigen
und ſchreiben:
hieraus erſehen wir aber, daß durch die Hintereinanderſchaltung von 6 Elementen
die Stromintenſität nahezu ſechsmal ſo groß geworden iſt als die eines Elementes,
und können daher den Satz aufſtellen:


Bei Anwendung eines Schließungsbogens von ſehr großem
Widerſtande iſt es zur Erzielung eines kräftigen Stromes vortheil-
haft, die Elemente hintereinander zu ſchalten
.


Mehrere Elemente können aber auch noch auf eine zweite Art zu einer
Batterie vereinigt werden, wie dies das Schema Fig. 108 darſtellt. Bei dieſer
Anordnung ſind alle Kupferplatten mit dem einen, alle Zinkplatten mit dem
andern Leitungsdrahte verbunden. Eine derartige Batterie ſtellt daher gewiſſer-
maßen nur ein Element dar, in welchem aber die eingetauchten Platten eine

Figure 107. Fig. 108.

Parallelſchaltung.


ſechsmal ſo große Oberfläche beſitzen wie das urſprüngliche Element. Es wird
daher auch bei dieſer Berbindungsweiſe von Elementen zu einer Batterie die
elektromotoriſche Kraft nicht vergrößert; der innere Widerſtand iſt hingegen durch
die Verbindung von 6 Elementen auf den ſechſten Theil des Widerſtandes von
einem Elemente herabgebracht worden, da der Strom durch einen ſechsmal ſo
großen Querſchnitt fließt.


Man nennt dieſe Verbindung von Elementen zu einer Batterie die Parallel-
ſchaltung
und erhält für die Stromſtärke von 6 parallel geſchalteten Elementen
den Ausdruck:

Betrachten wir nun abermals den Einfluß des äußeren Widerſtandes auf
die Stromintenſität, ſo finden wir bei parallel geſchalteten Elementen ein gerade
entgegengeſetztes Verhalten als bei Hintereinanderſchaltung.


Iſt nämlich der äußere Widerſtand im Schließungsbogen verſchwindend
klein im Verhältniſſe zu jenem in der Batterie, ſo kann erſterer vernachläſſigt werden
und obiger Ausdruck für die Stromintenſität erhält die Form:

[198]

Der Nenner dieſes Bruches iſt nur der ſechſte Theil des Nenners jenes
Bruches, welcher die Stromintenſität eines Elementes ausdrückt, daher iſt der
ganze Werth des Bruches nahezu ſechsmal ſo groß; d. h. alſo:


Bei geringem äußeren Widerſtande wird die Stromſtärke durch
Vermehrung der Elemente erhöht, wenn dieſe parallel geſchaltet
werden
. Iſt hingegen der äußere Widerſtand ſehr groß, ſo kommt im Vergleiche
zu ihm der innere Widerſtand nicht mehr in Betracht und der Ausdruck für die
Stromintenſität lautet dann:
, d. h.:


Bei großem äußeren Widerſtande kann die Stromſtärke durch
Vermehrung der Elemente, wenn ſelbe in Parallelſchaltung angeordnet
ſind, nicht erhöht werden
.


Figure 108. Fig. 109.

Figure 109. Fig. 110.

Gemiſchte Schaltungen.


Die vier Sätze, welche wir für die Stromſtärke von Batterien bei ver-
ſchiedenen Widerſtänden und verſchiedener Schaltung der Elemente gefunden
haben, ſind ſehr wichtig, da ſie uns lehren, in welcher Weiſe eine größere Anzahl
von Elementen verwendet werden muß, um ein möglichſt günſtiges Reſultat zu
erhalten. Die Regel, welche ſich aus obigen Betrachtungen ergiebt, lautet nämlich:


Man verbindet die Elemente hintereinander, wenn der Wider-
ſtand des äußeren Stromkreiſes ein ſehr großer iſt, nebeneinander
oder parallel bei ſehr kleinem Widerſtande
.


Zwiſchen dem ſehr hohen und ſehr geringen Widerſtande des äußeren
Stromkreiſes liegen alle möglichen Werthe; handelt es ſich daher um die Grup-
pirung der Elemente für einen ſolchen mittelgroßen Widerſtand, ſo wird weder
die Hintereinanderſchaltung aller Elemente, noch deren Parallelſchaltung das günſtigſte
Reſultat geben. Man wird vielmehr eine entſprechende Combination beider
Schaltungen anwenden müſſen. Es iſt leicht einzuſehen, daß in dieſer Weiſe alle
[199] möglichen Stromſtärken erhalten werden können, denn wenn wir unſeren Ausdruck
für die Stromſtärke betrachten, ſehen wir, daß hierdurch Zähler und Nenner des
Bruches ſich ändern und daher dieſer ſelbſt jeden beliebigen Werth erhalten kann.
Die Fig. 109 und 110 ſtellen zwei Beiſpiele ſolcher gemiſchter Schaltungen dar. In
Fig. 109 ſind je drei Elemente hintereinander, oder wie man ſich auch ausdrückt,
auf Spannung geſchaltet, und die ſo erhaltenen zwei Gruppen (die beiden Vertical-
reihen der Figur) parallel miteinander verbunden. Der Ausdruck für die Strom-
intenſität muß daher lauten:

In Fig. 110 ſind je zwei Elemente auf Spannung verbunden und die
hierdurch entſtandenen drei Paare parallel geſchaltet oder auf Quantität ge-
kuppelt, woraus nachſtehende Formel reſultirt:

Schaltungen im äußeren Stromkreiſe. Bisher wurde nur von den
verſchiedenen Anordnungen der Elemente in einer Batterie, alſo von der Zuſammen-
ſetzung des inneren Stromkreiſes geſprochen und hierbei auf jene des äußeren
Stromkreiſes keine Rückſicht genommen. Es iſt aber ſelbſtverſtändlich, daß auch
in dieſem principiell verſchiedene Anordnungen ſtatthaben können. Hierbei iſt jene
Anordnung die einfachſte, bei welcher alle Theile des äußeren Stromkreiſes ſo
hintereinander liegen, daß der Strom ſie nacheinander, ohne ſich an irgend einer
Stelle theilen zu müſſen, durchfließt. Ein derartiger Schließungsbogen kann etwa
durch das Schema in Fig. 111 verſinnlicht werden. In dieſem Falle ſind die
einzelnen Theile a b, b c und c d des Schließungsbogens ſo miteinander ver-
bunden, daß ſie dem Strome einen ungetheilten Weg darbieten. Der Strom muß
hierbei einen Theil nach dem andern durchlaufen und hat deshalb auf ſeinem Wege
einen Widerſtand zu überwinden, der gleich iſt der Summe aller Widerſtände der
einzelnen Theile des Schließungsbogens.


Die einzelnen Theile eines Schließungsbogens laſſen ſich aber nicht nur
hintereinander ſchalten, ſondern ſie können auch in Parallelſchaltung an-
geordnet werden. Schemas ſolcher Parallelſchaltungen ſtellen die Fig. 112 und
113 dar. In Fig. 112 geht ein einfacher Leitungsdraht bis a, zertheilt ſich dort
in ſechs Zweige und dieſe vereinigen ſich wieder in b zu einem Drahte, der zur
Batterie zurückführt. In Fig. 113 verlaufen von der Batterie aus zwei parallele
Drähte, welche an verſchiedenen Stellen durch Querdrähte miteinander verbunden
ſind. In dem einen wie in dem andern Falle ſind dem von der Batterie kommenden
Strome mehrere Wege zur Rückkehr dargeboten. Man nennt ſolche Anordnungen
eines Stromkreiſes Stromverzweigungen und verdankt die Geſetze, welche hier
Geltung haben, Kirchhoff. Sie ſind von Letzterem durch Verallgemeinerung des
Ohm’ſchen Geſetzes gefunden worden. Nach dieſem hängt die Stromſtärke in einem
gegebenen Schließungsbogen und bei Anwendung einer Batterie von conſtanter
elektromotoriſcher Kraft derart vom Widerſtande ab, daß letzterer abnehmen muß,
wenn die Stromſtärke zunimmt, und zunehmen muß, wenn die Stromſtärke ab-
[200] nimmt; wäre dies nicht der Fall, ſo könnte ja unſer Ausdruck für die Strom-
intenſität
keine Geltung mehr beſitzen. Hieraus ergiebt ſich bereits der wichtige Satz, daß
in den Zweigen eines getheilten Leiters eine deſto größere Stromſtärke herrſcht,
je geringer der Widerſtand des betreffenden Zweiges iſt.


Hieraus folgt auch, daß die Stromſtärken in den einzelnen Zweigen eines
getheilten Stromleiters im Allgemeinen verſchieden ſein werden; die Summe der

Figure 110. Fig. 111.

Hintereinanderſchaltung.


Figure 111. Fig. 112.


Figure 112. Fig. 113.

Parallelſchaltungen.


Stromſtärken in den Zweigen muß jedoch immer gleich ſein der Stromſtärke im
ungetheilten Leiter.


Vergleichen wir wieder das Verhalten der Zweigſtröme mit jenem des
Waſſers in einer verzweigten Röhrenleitung (Fig. 114). Das Waſſer ſtrömt durch
das Rohr A B in der Richtung des Pfeiles zu und durch das Rohr C D in der
Richtung des Pfeiles ab. Die Verbindung zwiſchen A B und C D iſt durch die
Röhren 1 bis 6 hergeſtellt. Bei dieſer Anordnung fließt das Waſſer aus dem
Rohre A B durch ſechs Röhren in das Rohr C D; hierbei wird jedenfalls durch
jenes Zweig- oder Verbindungsrohr die größte Waſſermenge ſtrömen, welches dem
Durchgange derſelben den geringſten Widerſtand entgegenſetzt. Die Waſſermenge,
welche durch alle Verbindungsröhren zuſammengenommen durchfließt, muß aber
[201] unter der Vorausſetzung, daß bei D ebenſoviel Waſſer ausſtrömen ſoll als bei A
eintritt, gleich ſein jener Waſſermenge, welche durch A B oder C D fließt. Sind
die Röhren 1 bis 6 alle von gleichen Dimenſionen und gleicher Beſchaffenheit,
ſo wird durch jede dieſer Röhren dieſelbe Waſſermenge ſich bewegen. Daraus folgt
aber auch, daß der Widerſtand, welchen das Waſſer bei ſeinem Uebertritte aus
dem Rohre A B in C D findet, deſto geringer werden muß, je mehr Zweigröhren
vorhanden ſind. Der Widerſtand wird auf ein Sechſtel verringert, wenn an
Stelle einer Verbindungsröhre ſechs Röhren von gleicher Beſchaffenheit dem Ueber-
fließen des Waſſers zur Verfügung ſtehen.


Ganz analog verhalten ſich die galvaniſchen Ströme. In den durch die
Fig. 112 und 113 verſinnlichten Stromkreiſen hängt die Stromſtärke in den
einzelnen Zweigen (1 bis 6) von den Widerſtänden derſelben ab. Der Durchgang
des elektriſchen Stromes durch die Verzweigungen des Leiters wird deſto mehr
erleichtert, je größer die Zahl der Zweige iſt, und ſomit wird auch der Wider-
ſtand des geſammten Stromkreiſes in demſelben Maße vermindert. Sind die Zweige
(1 bis 6) von vollkommen
gleicher Beſchaffenheit, ſo bil-
den ſie zuſammengenommen
einen Widerſtand, der nur ein
Sechſtel des Widerſtandes
eines ſolchen Zweiges aus-
macht. Würden wir jedoch
die Zweige 1 bis 6 hinter-
einander
anordnen, ähnlich
wie im Schema (Fig. 111),
ſo bewirkt dies eine Erhöhung
des Widerſtandes auf den
ſechsfachen Werth. Dieſer
Unterſchied in dem Verhalten
von nebeneinander und hinter-

Figure 113. Fig. 114.


einandergeſchalteten Leitern in
einem Stromkreiſe muß bei praktiſchen Anwendungen der Elektricität ebenſo
ſorgfältig beachtet werden, wie die Schaltung von Elementen in einer Batterie.


Sowohl bei wiſſenſchaftlichen als auch bei praktiſchen Anwendungen der
Elektricität kommen jedoch außer dieſen einfachen Stromverzweigungen auch noch com-
plicirtere vor. Eine derartige Schaltung beſteht z. B. darin, daß zwei Zweige
eines Stromkreiſes auch untereinander verbunden ſind. Betrachten wir, um in die
hier herrſchenden Verhältniſſe einen Einblick zu gewinnen, zunächſt wieder das
Verhalten fließenden Waſſers. In den Fig 115, 116 und 117 ſind dreierlei
Röhrencombinationen dargeſtellt. In jeder der drei Figuren fließt das Waſſer in
der Richtung des Pfeiles gegen a und findet dort zwei Röhren, durch welche es
nach c überſtrömen kann. Hierbei wird ſich, unter ſonſt gleichen Umſtänden, die
Waſſermenge in den beiden Zweigröhren ſo vertheilen, daß in jene mit größerem
Querſchnitte auch die größere Waſſermenge eintritt, weil dort ein geringerer Wider-
ſtand der Strömung entgegengeſetzt wird. Da beim ungetheilten Rohre c ebenſoviel
Waſſer ausſtrömen ſoll, als bei a einſtrömt, muß die Geſammtmenge des durch
beide Zweigröhren a b c und a d c ſtrömenden Waſſers gleich ſein der Waſſermenge
in dem ungetheilten Rohre.


[202]

In Fig. 115 gelangt das Waſſer in der Richtung des großen Pfeiles nach
a und trifft dort auf zwei genau gleiche Röhren a b c und a d c. Das Waſſer
wird ſich daher auf dieſe gleichmäßig vertheilen, ſo daß durch jedes Zweigrohr die
Hälfte der geſammten Waſſermenge fließt. Nun iſt aber in die Röhrenverzwei-
gung noch die Röhre b d eingeſchaltet, durch welche die beiden Zweigröhen vor

Figure 114. Fig. 115.


Figure 115. Fig. 116.


Figure 116. Fig. 117.


ihrer Wiedervereinigung
bei c ebenfalls unterein-
ander verbunden ſind.
Wird nun in b d eine
Bewegung des Waſſers
eintreten? Offenbar nicht;
denn nachdem ſich das
Waſſer bei a in die
beiden Zweige a b und
a d gleichmäßig vertheilt
hat, findet es bei b, bezie-
hungsweiſe d für das
Weiterſtrömen durch b c
und d c genau dieſelben
Verhältniſſe vor wie in
den erſten Röhrenhälften.
Es müſſen ſich deshalb
von b durch das Ver-
bindungsrohr nach d und
von d auf demſelben
Wege nach b ganz gleiche
Drücke fortpflanzen, die
in der Röhre b d aufein-
andertreffen und ſich daher
gegenſeitig aufheben. In
der letztgenannten Röhre
tritt daher keine Bewegung
des Waſſers ein, und zwar
ans dem Grunde, weil ſich
die Widerſtände von a b
und b c gerade ſo zuein-
ander verhalten wie die
Widerſtände von a d und
d c.


Aus demſelben Grunde
wird auch das Waſſer im
Rohre b d bei der durch
Fig. 116 dargeſtellten Anordnung der Röhrenverzweigung unbewegt bleiben.
Wenngleich hier die Zweige a b c und a d c verſchieden weit ſind, alſo dem
Durchfließen des Waſſers einen verſchiedenen Widerſtand entgegenſetzen, ſo iſt doch
das Verhältniß der Röhrenſtücke zueinander wieder dasſelbe wie im erſten Falle.
Auch hier verhalten ſich die Widerſtände in a b und b c gerade ſo zueinander wie
in a d und d c.


[203]

Dieſes Verhältniß beſteht jedoch nicht mehr bei der in Fig. 117 dargeſtellten
Anordnung. Hier theilt ſich das Waſſer bei a in zwei ungleich ſtarke Ströme.
Der ſtärkere Strom in a d findet, bei d angelangt, plötzlich einen viel engeren
Röhrenquerſchnitt vor, als jenen, durch welchen er früher gefloſſen iſt; er ſtößt
alſo auf einen vermehrten Widerſtand. Die Folge davon wird ſein, daß ſich das
Waſſer bei d ſtaut und einen ſtarken Druck in der Richtung von d nach b aus-
übt, d. h. ein Theil des Waſſers bewegt ſich durch das Verbindungsrohr in der
Richtung von d nach b. Dieſe Bewegung des Waſſers wird noch durch die Form
des zweiten Röhrenzweiges a b c unterſtützt. Bei a gelangt nämlich ein verhältniß-
mäßig ſchwacher Strom in die Röhre a b und findet dann, bei b angelangt, eine
bedeutend weitere Röhre b c zum Fortfließen vor. Dieſe wird dann durch die aus
a b kommende Waſſermenge nicht ausgefüllt, wodurch offenbar der Uebertritt des
Waſſers aus a d durch die Verbindungsröhe d b in das Zweigrohr b c er-
leichtert wird. Das Reſultat einer derartigen Anordnung der Röhrenleitung iſt
alſo, daß in der Verbindungsröhre d b
eine Bewegung des Waſſers in der
Richtung von d nach b eintreten muß.


Nach dem Vorhergehenden hat
es nun gar keine Schwierigkeit, die
Stromvertheilung in einem ähnlich
den Waſſerleitungsröhren verzweigten
Schließungsbogen zu erklären. In
Fig. 118 geht von der Batterie aus
ein Leiter bis a, theilt ſich dort in die
beiden Zweige a b c und a d c, die
ſich bei c wieder vereinigen und dann
gemeinſchaftlich als unverzweigter Draht
wieder zur Batterie zurückführen; die
beiden Zweige ſind untereinander durch
einen dritten Draht, die ſogenannte
Brücke, verbunden.


Figure 117. Fig. 118.

Stromverzweigung.


Die Stromrichtung in den einzelnen Drähten iſt durch Pfeile angedeutet.
Der von der Batterie kommende Strom theilt ſich bei a in zwei Zweige, von
welchen einer durch a b, der andere durch a d fließt; bei b und d theilen ſich
die Ströme neuerdings, indem ein Theil über b c und d c nach c geht und von dort
wieder zur Batterie zurückkehrt, während der andere Theil einerſeits von b nach d
und andererſeits von d nach b fließt. Die beiden Ströme, die in der Brücke in
entgegengeſetzter Richtung verlaufen, müſſen ſich nun offenbar ſchwächen oder ganz
aufheben, je nachdem ſie ungleich oder gleich ſtark ſind. Nun wiſſen wir aber,
daß ſich die Stromſtärken umgekehrt verhalten, wie die Widerſtände; folglich muß
ſich der aus der Batterie bei a ankommende Strom den Widerſtänden in den
Zweigen a b und a d entſprechend vertheilen. Bei b und d ſtehen den dort an-
kommenden Theilſtrömen wieder je zwei Wege offen, nämlich b c und b d einer-
ſeits und d c und d b andererſeits. Auch hier muß die Theilung der Ströme den
Widerſtänden der genannten Zweige entſprechend eintreten. Da die Brücke b d
ungeändert bleibt, wird die weitere Vertheilung der Ströme in den Punkten b
und d nur von den Widerſtänden in den beiden Zweigen a b c und a d c ab-
hängen. Die Vertheilung des Stromes in a erfolgte im umgekehrten Verhältniſſe
[204] der Widerſtände beider Zweige; iſt nun dieſes Verhältniß auch für die Zweige b c
und d c unverändert geblieben, ſo wird der in b anlangende Theilſtrom unver-
ändert nach c weiterfließen und ebenſo der in d anlangende. Die Brücke b d iſt
alſo dann ſtets ſtromlos, wenn zwiſchen den vier Theilen der Verzweigung nach-
ſtehendes Verhältniß beſteht:

Dieſe Art der Stromverzweigung wurde von Wheatſtone angegeben und
führt daher auch den Namen: Wheatſtone’ſche Brücke. Sie findet ſehr häufige
Anwendung bei Meſſungen, denn es iſt leicht einzuſehen, daß durch das oben
erklärte Verhalten der Brücke die Vergleichung verſchiedener Drähte in Bezug auf
ihre Widerſtände ermöglicht wird; auf die Ausführung ſolcher Meſſungen wollen
wir ſpäter noch zurückkommen.


Bevor dieſe ſelbſt beſprochen werden, müſſen wir uns nämlich vorerſt mit
den Maßeinheiten bekannt machen, welche den Meſſungen zu Grunde gelegt werden.
Bisher lernten wir nur die Beziehungen der zu meſſenden Größen untereinander
kennen, ohne Angabe beſtimmter numeriſcher Werthe. Um ſolche für die Strom-
ſtärke, die elektromotoriſche Kraft und den Widerſtand angeben zu können, müſſen
eben zuerſt die Einheiten der elektriſchen Größen feſtgeſtellt ſein.


In Bezug auf den Widerſtand eines Leiters wurde bereits früher (Seite 195)
erwähnt, daß derſelbe von den Dimenſionen und dem Materiale abhängig iſt.
Die Abhängigkeit des Widerſtandes von dem Materiale wurde von verſchiedenen
Forſchern unterſucht und hierbei fand unter Anderen Matthießen für eine Reihe
von Körpern nachſtehende Widerſtände, wenn er jenen des Kupfers gleich 1 ſetzte:

Dieſe Tabelle lehrt, daß von allen Metallen das Silber dem Durchgange
des elektriſchen Stromes den geringſten Widerſtand entgegenſetzt, d. h. mit anderen
Worten, das Silber beſitzt die größte ſpecifiſche Leitungsfähigkeit. Es iſt natürlich
einerlei, ob man das Verhalten der Metalle in Bezug auf Stromleitung durch den
ſpecifiſchen Widerſtand oder durch das ſpecifiſche Leitungsvermögen aus-
drückt; die eine Zahl iſt eben der reciproke Werth des andern. Beträgt alſo der
ſpecifiſche Widerſtand des Silbers 0·77, des Goldes 1·38, des Platins 7·35, ſo
lauten die Zahlen für die ſpecifiſche Leitungsfähigkeit dieſer Metalle beziehungs-
[205] weiſe , und . Somit bedeutet die Angabe, das Platin beſitze
einen ſpecifiſchen Widerſtand = 7·35, das Platin ſetzt dem Durchgange der Elek-
tricität einen 7·35mal ſo großen Widerſtand entgegen wie das Kupfer; das
ſpecifiſche Leitungsvermögen des Platins = heißt aber, die Leitungsfähig-
keit des Platins beträgt nur jener des Kupfers.


Will man das ſpecifiſche Verhalten der Körper durch die Leitungsfähigkeit
ausdrücken, ſo multiplicirt man, um nicht unbequem kleine Werthe zu erhalten, die
für die einzelnen Metalle erhaltenen Zahlen mit 10 oder 100, d. h. man ſetzt
die ſpecifiſche Leitungsfähigkeit eines Metalles gleich 10 oder 100 und bezieht die
Werthe für die Metalle hierauf. Auf dieſe Art erhielt Matthießen folgende Werthe:

Nach dem Silber beſitzt alſo das Kupfer das größte Leitungsvermögen;
dies iſt auch der Grund, warum man zu elektriſchen Leitungen innerhalb und
außerhalb der Apparate gewöhnlich Kupferdrähte verwendet. Die Telegraphen-
leitungen werden allerdings aus Eiſendraht hergeſtellt; hier ſteht eben der ver-
hältnißmäßig hohe Preis des Kupfers der Anwendung dieſes Metalles hindernd
im Wege. Dazu kommt auch noch, daß Kupferdrähte wegen ihrer geringeren
Feſtigkeit eine größere Anzahl von Telegraphenſäulen (Stützpunkten) erfordern würden.


Das Leitungsvermögen, beziehungsweiſe der Leitungswiderſtand iſt nicht nur
bei den feſten Körpern verſchieden je nach dem Materiale, aus welchem ſie beſtehen,
ſondern auch bei den Flüſſigkeiten. Eine derſelben, nämlich das Queckſilber, welches
bekanntlich das einzige bei gewöhnlicher Temperatur flüſſige Metall bildet, wurde
bereits in obigen Tabellen angeführt. Um für das Verhalten der Flüſſigkeiten
eine Vorſtellung zu gewinnen, wird es genügen, einige Beiſpiele anzuführen. Nach-
ſtehende Werthe für die Leitungsfähigkeit ſind von Becquerel gefunden und iſt
ihnen die Leitungsfähigkeit des Silbers = 100000000 zu Grunde gelegt:

[206]

Der ſpecifiſche Leitungswiderſtand iſt aber auch für eine und dieſelbe Flüſſigkeit
keine conſtante Größe, ſondern ändert ſich vielmehr ſowohl bei Aenderung der Concen-
tration als auch bei Aenderung der Temperatur. Die Aenderung mit der
Concentration iſt recht gut aus nachſtehenden von Wiedemann gefundenen
Werthen erkennbar. Wiedemann bezog hierbei die Widerſtände der Flüſſig-
keiten auf den Widerſtand des Platins, welchen er gleich 1 ſetzte:

Bei Salzlöſungen nimmt der Widerſtand im Allgemeinen ab, wenn der
Salzgehalt zunimmt. Die Leitungsfähigkeit reinen Waſſers iſt daher ſehr klein.
Merkwürdig verhält ſich die Schwefelſäure. Man erſieht aus obiger Tabelle, daß
ihr Leitungswiderſtand mit der Concentration bis zu einer gewiſſen Grenze ab-
nimmt, ein Minimum erreicht und dann bei weiterer Concentration wieder zunimmt,
ſo daß einfaches Schwefelſäurehydrat die Elektricität faſt gar nicht mehr leitet.


Den Einfluß der Temperatur auf die ſpecifiſche Leitungsfähigkeit z. B. einer
Kupfervitriollöſung zeigt nachſtehende Tabelle (nach Wiedemann):

Bei Flüſſigkeiten nimmt alſo der Leitungswiderſtand mit zunehmender
Temperatur ab. Hierin unterſcheiden ſich die Flüſſigkeiten weſentlich von den
Metallen, denn bei dieſen bewirkt eine Temperaturerhöhung auch eine Erhöhung
des Widerſtandes. So fand z. B. Müller für Kupferdraht bei verſchiedenen
Temperaturen desſelben nachſtehende Werthe:

Als der Draht nachher wieder auf 210 abgekühlt wurde, betrug ſein
Widerſtand 910. Die durch das Glühen bewirkte Aenderung der Structur hat
alſo gleichfalls verändernd auf das Leitungsvermögen des Kupfers eingewirkt.
Spannung, Härte und Dichtigkeit üben gleichfalls einen unverkennbaren Einfluß
aus. Das Leitungsvermögen der Kohle nimmt zu mit der Zunahme der Temperatur,
[207] verhält ſich alſo wie die Flüſſigkeiten, während hingegen Queckſilber dasſelbe Ver-
halten zeigt wie die übrigen feſten Metalle.


Will man den Widerſtand eines Leiters nach relativem Maße beſtimmen,
ſo muß man der Meſſung den Widerſtand eines Drahtes von beſtimmtem Materiale
und beſtimmten Dimenſionen als Widerſtandseinheit zu Grunde legen. Hierzu
wurden von verſchiedener Seite Vorſchläge gemacht. So ſetzte Jacobi bei ſeinen
Meſſungen den Widerſtand eines cylindriſchen Kupferdrahtes von 1 Meter Länge
und 1 Millimeter Durchmeſſer = 1. Dieſe Einheit erwies ſich aber als unver-
läßlich, weil der Widerſtand des Kupfers ſchon durch unbedeutende Verunreinigungen
merklich geändert wird. Aus dieſem Grunde wählt Siemens das Queckſilber,
welches leicht in hinreichender Menge und vollkommen rein erhalten werden kann.
Die Siemens-Einheit fand daher auch raſch Eingang und iſt namentlich in Deutſch-
land vielfach in Verwendung. Sie beſteht aus einer Queckſilberſäure von 1 Meter
Länge und 1 Quadratmillimeter Querſchnitt.


Die Siemens-Einheit wird von der Firma Siemens \& Halske in Berlin
angefertigt und in den Handel gebracht. Da es aber umſtändlich und unbequem
wäre, hierzu das Queckſilber zu benutzen,
ſo wird Neuſilberdraht verwendet, deſſen
Länge und Querſchnitt ſo bemeſſen wird,
daß der Widerſtand des Drahtes mit
jenem der Queckſilbereinheit vollkommen
genau übereinſtimmt.


Eine auf dieſe Weiſe hergeſtellte
Siemens-Einheit iſt in Figur 119 dar-
geſtellt. Der Neuſilberdraht iſt zu einer
Rolle gewunden und in eine cylindriſche
Büchſe eingeſchloſſen. (Der Deckel wurde,
um das Innere zu zeigen, in der Figur
weggelaſſen.) Die Enden des Drahtes
ſind durch Schrauben mit den Metall-
ſtangen a b und c d feſt verbunden.

Figure 118. Fig. 119.

Siemens-Einheit.


Letztere tragen an der einen Seite Klemmſchrauben b d, um die Einheit durch Drähte
in einen Stromkreis einſchalten zu können, die anderen Enden beſitzen zum ſelben
Zwecke verticale Anſätze zum Eintauchen in Queckſilbernäpfchen.


Meſſung des Widerſtandes. Mit Hilfe einer ſolchen Siemens-Einheit
wäre man allerdings im Stande, die Widerſtände verſchiedener Drähte zu meſſen,
indem man dieſe mit erſterer vergleicht. Bequemer gelangt man jedoch in der Weiſe
zum Ziele, indem man den zu prüfenden Draht nicht direct mit der Einheit, ſondern
mit einem nach dieſer graduirten Rheoſtaten vergleicht. Es ſind dies Apparate,
welche geſtatten, in bequemer Weiſe Widerſtände ein- und ausſchalten, vergrößern
und verkleinern zu können. Einer dieſer Apparate iſt in Figur 120 abgebildet.
Auf einem Cylinder aus Serpentin, Marmor oder gut ausgetrocknetem Holze iſt ein
Neuſilberdraht von möglichſt gleichförmiger Dicke ſpiralförmig aufgewunden. Das
eine Ende desſelben iſt an der Seite des Cylinders, auf welcher ſich die Kurbel
befindet, iſolirt befeſtigt. Das andere Ende des Drahtes ſteht mit der vergoldeten
Meſſingaxe des Cylinders in leitender Verbindung. Der Cylinder kann ſammt dem
Drahte mit Hilfe der Kurbel um eine horizontale Axe gedreht werden. Der Meſſingſtab
s s iſt derart durch Federn auf dem Grundbrette des Apparates befeſtigt, daß
[208] das auf der Stange verſchiebbar angebrachte Rädchen gegen den Draht auf der
Serpentinwalze angedrückt wird. Das Rädchen ſelbſt verſieht man an ſeinem
Umfange mit einer Nuth, ſo daß deſſen Ränder den Neuſilberdraht ſicher umfaſſen.
Mit einer der Federn ſteht die Drahtklemme k in Verbindung, während die
Klemmſchraube r mit der Axe des Cylinders und ſomit auch mit dem nicht iſolirten
Ende des Neuſilberdrahtes leitend verbunden wird.


Verbindet man die Drahtklemmen mit einer Stromquelle, ſo wird der Strom
z. B. bei r eintreten, den Neuſilberdraht bis zu jener Stelle durchlaufen, an welcher
das Rädchen anliegt, dann durch dieſes, den Meſſingſtab s s, die eine Feder und
die Klemme k wieder zur Stromquelle zurückkehren. Dreht man nun die Serpentin-
walze in der einen oder andern Richtung, ſo wird das Rädchen, da es den Spiral-
windungen des Neuſilberdrahtes folgen muß, auf dem Stabe s s nach links oder
nach rechts verſchoben. Da aber der Strom bis an jene Stelle den Neuſilberdraht
durchfließt, an welcher das Rädchen anliegt, ſo muß durch Verſchiebung desſelben,
alſo durch Drehung der Walze die Länge des in den Stromkreis eingeſchalteten
Neuſilberdrahtes verlängert oder verkürzt werden. Der Apparat geſtattet daher in
bequemer Weiſe den größeren oder kleineren Widerſtand einzuſchalten.


Figure 119. Fig. 120.

Rheoſtat.


Um die Handhabung des Apparates zu erleichtern, verſieht man den Meſſing-
ſtab s s mit einer Theilung, auf welcher man die Zahl der eingeſchalteten Win-
dungen ableſen kann. Sollen auch Bruchtheile einer Windung beſtimmbar ſein, ſo
wird der eine Rand der Walze (in der Zeichnung der rechte) mit einer Theilung
verſehen; ferner iſt an dem oberen Ende des Lagerſtänders eine Marke angebracht,
oder bei feineren Apparaten ein Nonius, welcher die Ableſung beliebiger Bruchtheile
einer Drahtwindung ermöglicht.


Dieſer Rheoſtat jedoch leidet an verſchiedenen Fehlern, welche ihn zu keinem ſehr
empfehlenswerthen Inſtrumente machen. Die vielen Contactſtellen (zwiſchen Rädchen
und Draht, Rädchen und Meſſingſtange ꝛc.) ſind beſtändige Fehlerquellen, welche
dadurch noch ſtörender werden, daß ſie ganz unberechenbar ſind; eine geringe Ver-
ſchiedenheit in der Innigkeit des Contactes an einer der Uebergangsſtellen ändert
aber den Widerſtand oft ganz erheblich.


Ein genaues Arbeiten geſtattet der Rheochord von Poggendorff; Fig. 121
zeigt denſelben in jener Form, welche ihm Wiedemann gegeben hat. Die beiden
Platindrähte a und b ſind auf zwei Kupferklötzchen d c gelegt und durch darauf
geſchraubte Platten feſtgehalten; bei e und f paſſiren die Drähte ebenſolche Kupfer-
lager und ſind mit ihren Enden an Seidenſchnüren befeſtigt, welche über die Rollen
[209]g laufen und Gewichte tragen. Letztere dienen dazu, um die Drähte immer in gleicher
Weiſe geſpannt zu erhalten. Zwiſchen beiden Lagerpaaren befindet ſich ein Käſtchen k
aus Eiſenblech, welches an jenen Flächen, die den Lagern zugewandt ſind, mit
Glasplatten verſchloſſen iſt. Die Drähte werden durch enge Oeffnungen, welche
eben nur erſtere paſſiren laſſen, durch die Glasplatten und ſomit auch durch das
Käſtchen geführt. Letzteres iſt mit Queckſilber gefüllt. Die Einſchaltung des Rheo-
chordes in einen Stromkreis wird durch die an den Lagern d c befeſtigten Klemm-
ſchrauben ermöglicht.


Figure 120. Fig. 121.

Reochord.


Figure 121. Fig. 122.

Widerſtandskaſten von Siemens.


Der Strom tritt alsdann durch eine Klemmſchraube ein, durchfließt den dazu ge-
hörigen Draht bis zum Käſtchen, geht durch das in demſelben befindliche Queckſilber zum
zweiten Draht und verläßt durch dieſen und die zweite Klemmſchraube den Apparat.
Es iſt leicht einzuſehen, daß durch Verſchieben des Queckſilberkäſtchens längs der
beiden Drähte beliebige Drahtlängen eingeſchaltet werden können. Um dieſe meſſen
zu können, trägt das Grundbrett des Rheochordes eine auf der Metallplatte h i
eingravirte Theilung und das Käſtchen eine Marke. Da aber die Drähte ſchwer
ihrer ganzen Länge nach in vollkommen gleicher Stärke zu erhalten ſind, muß man
für genaue Meſſungen die Drähte durch Vergleichung mit einem Normalmaße aichen.


Sowohl der früher beſchriebene Rheoſtat als auch der Rheochord von
Poggendorff geſtatten jedoch nur verhältnißmäßig kleine Widerſtände in einen
Urbanitzky: Elektricität. 14
[210] Stromkreis einzuſchalten. Bedarf man größerer Widerſtände, ſo muß man ſich daher
anderer Apparate bedienen.


Ein ſolcher iſt z. B. der Stöpſelrheoſtat oder Widerſtandskaſten von
Siemens, welcher in Fig. 122 in perſpectiviſcher Anſicht abgebildet iſt, während
Fig. 123 ſchematiſch die Anordnung zweier Widerſtandsſpulen darſtellt. Die Draht-
enden einer Spule von ganz genau beſtimmtem Widerſtande werden mit je einem
ſtarken Meſſingſtücke m m verbunden, wobei letztere nur durch einen ſchmalen
Zwiſchenraum voneinander getrennt ſind. Die gegeneinandergekehrten Flächen je
zweier ſolcher Meſſingſtücke ſind halbcylindriſch ausgebohrt. Tritt nun der Strom
in eines dieſer Stücke ein, ſo kann er zum nächſten erſt dann gelangen, wann er
die Drahtſpule durchlaufen hat. Der Strom gelangt jedoch unmittelbar von einem
Metallſtücke zum nächſten, ſobald man den koniſchen Meſſingſtöpſel S in die cylindriſche
Ausbohrung der Meſſingplatten hineinſteckt. Im Schema (Fig. 123) müßte alſo
der Strom die beiden verſchieden großen Widerſtandsſpulen durchlaufen, um vom

Figure 122. Fig. 123.

Stöpſelrheoſtat.


erſten zum dritten Meſſingſtücke zu gelan-
gen. Wird die eine oder die andere cylin-
driſche Bohrung „geſtöpſelt“, ſo geht der
Strom nur durch eine der beiden Spiralen.


Im Widerſtandskaſten (Fig. 122)
iſt nun eine ganze Reihe ſolcher Spulen
von immer größerem Widerſtande an-
gebracht; die Widerſtände der einzelnen
Spulen ſind genau beſtimmt und die
Spulen ſelbſt nach ganzen Siemens-Ein-
heiten in nachſtehender Weiſe angeordnet:


  • 1. Reihe: 1 . 2 . 2 . 5
  • 2. Reihe: 5000 . 2000 . 1000 . 1000
    • 1. Reihe: 10 . 10 . 20 . 50
    • 2. Reihe: 500 . 200 . 100 . 100

Die Zuleitungsdrähte werden an
den erſten Meſſingſtücken durch Schrauben
befeſtigt. Man erkennt aus obigem
Schema leicht, daß mit Hilfe dieſes Wider-
ſtandskaſtens beliebige Widerſtände von 1 bis zu 10000 Siemens-Einheiten in einen
Stromkreis eingeſchaltet werden können. Um Bruchtheile einer Siemens-Einheit zu
meſſen, combinirt man entweder den Widerſtandskaſten mit einem Rheochord oder
verſieht ihn ſelbſt auch noch mit Spulen von 0·1, 0·2, 0·2 und 0·5 Siemens-
Einheiten Widerſtand.


Beim Gebrauche dieſes Apparates hat man nur darauf zu achten, daß die
Bohrungen der Meſſingſtücke m m und ebenſo die Stöpſel ſtets blank erhalten
werden, und daß beim Einſetzen der Stöpſel dieſe feſt in den Oeffnungen ſitzen.


Um den Widerſtand eines Leiters beſtimmen zu können, bedarf man außer
den bekannten Vergleichswiderſtänden (Widerſtandskaſten, Rheochord ꝛc.) auch noch
einer Buſſole. Es ſind deren zu dieſem Zwecke mehrere von verſchiedener Con-
ſtruction im Gebrauch. Eine derſelben, nämlich die Tangentenbuſſole, welche
in Fig. 124 abgebildet iſt, wollen wir jetzt kennen lernen.


In einem mit Stellſchrauben s verſehenen Dreifuße iſt ein an ſeiner unterſten
Stelle aufgeſchnittener Kupferring r vertical befeſtigt und läßt ſich in einer coniſchen
[211] Bohrung des Dreifußes um eine verticale Axe drehen; die Schraube S dient zur
Feſtſtellung des Ringes, ſobald dieſer die gewünſchte Lage eingenommen hat. Jedes
Ende des aufgeſchnittenen Ringes trägt unten eine Klemmſchraube (k1 k2) zur
Aufnahme der Leitungsdrähte. Auf der vom Ringe iſolirten Metallſäule m iſt eine
durch einen Glasdeckel geſchloſſene Büchſe b aufgeſetzt, welche die Magnetnadel
enthält. Letztere iſt an einem Coconfaden f aufgehängt, welcher in einer vertical
auf dem Glasdeckel befeſtigten Röhre herabhängt. In der halben Höhe der Büchſe
iſt eine Kreistheilung angebracht,
deren Mittelpunkt mit dem
Mittelpunkte des Kupferringes
zuſammenfällt. Die Magnet-
nadel beſteht aus einem kurzen
Magnetſtäbchen, welches auf
beiden Seiten durch Glasfäden
verlängert iſt, ſo daß die Enden
dieſer gerade auf die Kreisthei-
lung einſpielen.


Beim Gebrauche der Tan-
gentenbuſſole ſtellt man zunächſt
den Kupferring mit ſeiner Ebene
in den magnetiſchen Meridian
und erkennt, daß dieſe Stellung
erreicht iſt, an dem Einſpielen
der Nadel auf Null; die Thei-
lung iſt eben in der Art aus-
geführt, daß der Nullpunkt in
der Ebene des Ringes liegt.
Verbindet man alsdann die
Klemmſchrauben k1 und k2 mit
der Stromquelle, ſo wird der
Strom im Kupferringe die Nadel
umfließen und von ihrer Ruhe-
lage ablenken. Der Erdmagnetis-
mus hingegen ſtrebt ſie wieder
in ihre Ruhelage zurückzuführen;
folglich kommt die Nadel zur
Ruhe, wenn der Strom und
der Erdmagnetismus ſich das
Gleichgewicht halten. Ferner iſt

Figure 123. Fig. 124.

Tangentenbuſſole.


auch leicht einzuſehen, daß der Ausſchlag der Nadel ein größerer ſein wird, wenn
ein ſtärkerer Strom den Ring durchfließt,*) und daß bei gleich ſtarken Strömen
auch die Nadelausſchläge gleich groß ſind.


Wir ſind nun im Stande, den Widerſtand eines beliebigen Metalldrahtes zu
meſſen. Man bildet einen Stromkreis aus einem conſtanten Elemente, dem Kupfer-
ringe der Buſſole und dem zu meſſenden Drahte. Sobald der Strom dieſen Kreis
14*
[212] durchfließt, wird die Nadel der Buſſole bis zu einem beſtimmten Grade abgelenkt
werden, den man ſich notirt. Dann entfernt man den zu prüfenden Draht und
ſetzt an deſſen Stelle einen der früher beſchriebenen Rheoſtaten. Durch dieſen wird
ſo lange Widerſtand in den Stromkreis eingeſchaltet, bis die Magnetnadel wieder
denſelben Ausſchlag wie früher zeigt. Es bedarf wohl keiner weiteren Erklärung,
daß der durch den Rheoſtaten eingeſchaltete Widerſtand dann gleich ſein muß dem
Widerſtande des zu prüfenden Drahtes. Der für dieſen durch den Rheoſtaten
ſubſtituirte Widerſtand iſt aber bereits bekannt und folglich kennt man dann
auch den Widerſtand des zu prüfenden Drahtes. Dieſe Methode der Wider-
ſtandsbeſtimmung nennt man die Subſtitutionsmethode.


Die Subſtitutionsmethode leidet jedoch an verſchiedenen Uebelſtänden;
zwiſchen der erſten und der zweiten Meſſung vergeht immer eine gewiſſe Zeit,
während welcher ſich die elektromotoriſche Kraft und der innere Widerſtand des
Elementes geändert haben können. Man zieht daher die Methode mit der Wheat-
ſtone’ſchen Brücke
oder Schleife vor, da dieſe von jenen Uebelſtänden frei iſt.


Wir haben bei Beſprechung der Wheatſtone’ſchen Brücke (Seite 203) er-
fahren, daß der Verbindungsdraht b d ſtromlos iſt, wenn die Widerſtände der
übrigen vier Drähte in folgendem Verhältniſſe zueinander ſtehen:

Fig. 125 ſtellt uns nun die Anwendung der Brücke zur Widerſtands-
meſſung vor. Die Klemmſchrauben a b c d ſind an den Ecken eines Rhombus
befeſtigt, die Klemmſchrauben e f g h an zwei in einer Ecke zuſammenſtoßenden
Seiten. Die Drähte a b und b c zwiſchen den gleich bezeichneten Schrauben ſind
einander genau gleich und beſitzen vollkommen gleiche Widerſtände. Ebenſo ſind
die Drahtſtücke a e, f d, d g und h c einander gleich und von gleichem Widerſtande.
Der Verbindungsdraht d B b wird alſo dann ſtromlos ſein, wenn die Widerſtände
der Drähte a b und b c ſich geradeſo zueinander verhalten, wie ſämmtliche Wider-
ſtände zwiſchen a und d zu ſämmtlichen Widerſtänden zwiſchen d und c.


Zur Erkennung des elektriſchen Zuſtandes im Verbindungsdrahte zwiſchen
d und b iſt in dieſem eine Buſſole B eingeſchaltet. Zwiſchen e und f wird der
auf ſeinen Widerſtand zu unterſuchende Draht W, zwiſchen g und h irgend ein
Rheoſtat R eingeſchaltet. Die Klemmen a und c verbindet man mit der Strom-
quelle E. Soll in dieſer Stromverzweigung der Verbindungsdraht d B b ſtromlos
ſein, ſo muß alſo nachſtehende Proportion beſtehen:

Nun beſitzen aber die Drähte a b und b c gleich große Widerſtände; folglich
müſſen auch, wenn durch d B b kein Strom geht, die Summen der Widerſtände
zwiſchen a d und d c einander gleich ſein. Da ferner die Widerſtände der Draht-
ſtücke a e, f d, d g und h c untereinander gleich ſind, muß alſo der Widerſtand
des zu prüfenden Drahtes W gleich ſein dem durch den Rheoſtaten R zwiſchen
g h eingeſchalteten Widerſtande. Um den Widerſtand eines Drahtes zu meſſen, hat
man daher nur die Wheatſtone’ſche Brücke in obiger Art anzuordnen und dann
durch den Rheoſtaten ſo lange Widerſtände einzuſchalten, bis die Buſſole keinen
Ausſchlag mehr erkennen läßt.


[213]

Da bei dieſer Methode die Meſſung in einer Operation ausgeführt wird
und etwaige Schwankungen der Stromſtärke der Batterie die proportionale Strom-
vertheilung in der Brücke nicht beeinfluſſen können, iſt ſie von den Fehlern des
vorhin angegebenen Verfahrens frei und giebt daher auch verläßlichere Reſultate.


Zur Beſtimmung des Widerſtandes in Flüſſigkeiten können obige Methoden
nicht direct benutzt werden; die Flüſſigkeiten werden nämlich, wie wir ſchon früher
erfahren haben, durch den elektriſchen Strom zerſetzt. Hierbei ſammeln ſich gas-
förmige Zerſetzungsproducte an den in die Flüſſigkeit getauchten Platten an und
entwickeln dort eine elektromotoriſche Kraft, welche jener des durch die Flüſſigkeit
geſandten Stromes entgegengeſetzt iſt. Somit wird die Stromſtärke nicht nur durch
den Widerſtand der Flüſſigkeit, ſondern auch noch durch die elektromotoriſche Gegen-
kraft geſchwächt. Es iſt deshalb nicht geſtattet, den Widerſtand einer Flüſſigkeit in
der Art zu meſſen, daß man in einem beſtimmten Stromkreiſe an Stelle der
Flüſſigkeit ſo lange Draht-
widerſtände einſchaltet, bis
wieder die urſprüngliche
Stromſtärke hergeſtellt iſt.


Horsford hat jedoch
den ſtörenden Einfluß der
elektromotoriſchen Gegenkraft
durch ein ſehr einfaches Mittel
zu beſeitigen gelehrt. In den
Schließungsbogen einer Bat-
terie wird nebſt dem Gal-
vanometer und einem Rheo-
ſtaten die Flüſſigkeit ein-
geſchaltet. Zum Einſchalten
der letzteren kann man ſich
eines rechteckigen Troges be-
dienen, in welchen zwei
Metallplatten, die den Quer-
ſchnitt des Troges ausfüllen,
parallel zueinander eingeſenkt
werden. Die von den Metall-

Figure 124. Fig. 125.

Widerſtandsmeſſung mittelſt der Wheatſtone’ſchen Brücke.


platten oder Elektroden ausgehenden Drähte führen dann zur Batterie oder den
übrigen in den Stromkreis geſchalteten Apparaten und der Strom muß die Flüſſig-
keitsſchicht zwiſchen beiden Platten durchfließen. Um nun die Störung der elektro-
motoriſchen Gegenkraft bei der Widerſtandsmeſſung zu beſeitigen, ſenkt man zunächſt
die beiden Elektroden in einer beſtimmten Entfernung voneinander in die Flüſſig-
keit ein. Der Ausſchlag der Galvanometernadel wir dann beſtimmt werden durch
die Differenz der elektromotoriſchen Kräfte in der Batterie und in der zu unter-
ſuchenden Flüſſigkeit und den Widerſtänden des Schließungsbogens, des Rheoſtaten
und der Flüſſigkeitsſchicht zwiſchen beiden Elektroden. Nun rückt man die beiden
Elektroden um ein beſtimmtes Stück weiter auseinander; dadurch wird die Länge
der eingeſchalteten Flüſſigkeitsſäule vergrößert und ſomit auch der Widerſtand ver-
mehrt. Der Ausſchlag der Galvanometernadel muß daher verringert werden.
Schaltet man aber jetzt mit Hilfe des Rheoſtaten ſo lange Widerſtand aus, bis
wieder der urſprüngliche Nadelausſchlag und ſomit die urſprüngliche Stromſtärke
[214] hergeſtellt iſt, ſo muß der ausgeſchaltete Widerſtand gleich ſein jenem Wider-
ſtande, welchen die beim zweiten Verſuche eingeſchaltete Flüſſigkeitsſäule be-
ſitzt. Die elektromotoriſche Gegenkraft wurde nämlich in der Weiſe unſchädlich
gemacht, daß man ſie durch jedesmalige Herſtellung derſelben Stromſtärke immer
auf dieſelbe Größe brachte, alſo ungeändert ließ. Die ganze Veränderung im
Stromkreiſe beſteht daher darin, daß beim zweiten Verſuche eine Schicht der zu
unterſuchenden Flüſſigkeit an Stelle eines bekannten Drahtwiderſtandes (vom Rheo-
ſtaten) geſetzt wird; im Uebrigen aber blieb Alles unverändert und daher muß in
der That dieſer Drahtwiderſtand an Größe dem Widerſtande der neueingeſchalteten
Flüſſigkeitsſchicht gleich ſein.


Im Obigen haben wir erfahren, wie der Widerſtand in einem galvaniſchen
Stromkreiſe gemeſſen werden kann; unſere nächſte Aufgabe beſteht nun darin, die
Methoden zur Beſtimmung der elektromotoriſchen Kraft kennen zu lernen. Wie
wir wiſſen, verſteht man darunter jene Kraft, welche die beiden Elektricitäten im
Stromkreiſe in Bewegung ſetzt. Dieſe Kraft iſt, wie wir gleichfalls ſchon erfahren
haben, unabhängig von der Größe jener Körper, welche zur Bildung des gal-
vaniſchen Elementes verwendet werden, und hängt nur von deren Natur ab.


Um die elektromotoriſche Kraft irgend eines Elementes zu beſtimmen, kann
man in der Weiſe verfahren, daß man an den Polen des ungeſchloſſenen Elementes
die Differenz der dort herrſchenden Potentiale mit Hilfe eines Elektrometers mißt.
Hierzu wird z. B. das Quadranten-Elektrometer von Thomſon (Seite 77) gute
Dienſte leiſten. Außer durch dieſe directe Beſtimmung der elektromotoriſchen
Kraft kann man dieſe auch dadurch kennen lernen, daß man die Stromſtärke
und den Widerſtand des Elementes mißt und aus den hierbei erhaltenen Werthen
die elektromotoriſche Kraft durch Benutzung des Ohm’ſchen Geſetzes berechnet.
Zur Beſtimmung der Stromſtärke werden verſchiedene Inſtrumente benutzt; eines
derſelben, nämlich die Tangentenbuſſole, haben wir bereits kennen gelernt, andere
ſollen uns ſpäter noch beſchäftigen.


Gleichwie bei der Meſſung des Widerſtandes, bedarf es auch bei jener der
elektromotoriſchen Kraft einer Einheit. Als ſolche wurde in Deutſchland bisher die
elektromotoriſche Kraft eines Daniell-Elementes betrachtet. Vergleicht man die elektro-
motoriſche Kraft unter dieſer Vorausſetzung mit der eines Bunſen’ſchen Ele-
mentes, ſo findet man für dieſes die elektromotoriſche Kraft = 1·, d. h. alſo,
17 Daniell beſitzen dieſelbe Kraft wie 10 Bunſen.


Auf dem Gelehrtencongreſſe, der gelegentlich der Ausſtellung für Elektricität
in Paris (im Jahre 1881) abgehalten wurde, hat man ſich jedoch dahin geeinigt,
andere Einheiten allgemein anzunehmen; es wurde daſelbſt die Einführung des
ſogenannten abſoluten oder mechaniſchen Maßſyſtemes beſchloſſen. Man ver-
ſteht unter abſoluten Meſſungen in der Phyſik überhaupt jene Meſſungen, durch
welche Gewicht, Zeit und Länge beſtimmt werden, und in der Art haben auch wir
das Wort „abſolut“ aufzufaſſen. Wir ſind bekanntlich nicht im Stande, elektriſche
Größen direct miteinander zu vergleichen, wie dies z. B. bei den Dimenſionen
der Körper der Fall iſt, ſondern wir müſſen uns vielmehr damit behelfen, die
verſchiedenen Wirkungen des Stromes zu vergleichen. Als ſolche lernten wir bereits
die Ablenkung einer Magnetnadel kennen und werden ſpäter die chemiſche Wirkung
geeignet finden. Bei der Meſſung der elektriſchen Größen nach abſolutem Maße
ſetzen wir die elektriſchen Größen in mechaniſche um und meſſen dann dieſe nach
mechaniſchem Maße; dies iſt der Grund für die Bezeichnung „mechaniſches Maßſyſtem“.


[215]

Meſſungen von Größen, die nicht ſelbſt mechaniſcher Natur ſind, nach ab-
ſolutem Maße begegnen uns hier nicht zum erſtenmale. Wir lernten vielmehr
ſchon früher bei der Meſſung der magnetiſchen Intenſität (S. 52) und auch bei
jener der Elektricität (S. 76) Maßeinheiten kennen, welche auf mechaniſche Größen
zurückgeführt ſind. Gauß und Weber ſind die Forſcher, welche ſie angaben; Erſterer
für die magnetiſche Intenſität und Letzterer, auf dieſer Grundlage weiterbauend, für
die Elektricität.


Wir haben den galvaniſchen Strom als ein Gegeneinanderbewegen gleich
großer, aber entgegengeſetzter Elektricitäten kennen gelernt. Hierbei fließen durch
jeden Querſchnitt eines Leiters in gleichen Zeiten gleiche Mengen der beiden Elek-
tricitäten gegeneinander. Geht nun durch einen Querſchnitt in der Zeiteinheit
die Einheit der Elektricität durch, ſo muß der hierdurch bewirkte Strom auch
die Einheit der Stromſtärke nach abſolutem Maße ſein. Die Einheit der Elek-
tricitäten im mechaniſchen Maße bekommt man aber in der Weiſe, daß man die
Kraft, mit welcher ſich gleichnamige Elektricitäten abſtoßen oder ungleichnamige
anziehen, durch die Einheiten von Gewicht, Länge und Zeit beſtimmt.


Je nachdem ſich die Elektricitäten mit größerer oder geringerer Geſchwindigkeit
gegeneinander bewegen, muß auch die Stromſtärke kleiner oder größer werden.
Ebenſo muß ſich auch die elektromotoriſche Kraft, welche die Elektricitäten in Bewegung
ſetzt, ändern, und als Maß für ſie wird jedenfalls die in Bewegung geſetzte Menge
ebenſo wie die Geſchwindigkeit gelten müſſen. Als Einheit nach abſolutem Maße
haben wir daher jene elektromotoriſche Kraft zu betrachten, welche der Einheit der
elektriſchen Menge die Einheit der Geſchwindigkeit ertheilt. Iſt aber die abſolute
Einheit der Stromſtärke und ebenſo die der [elektromotoriſchen] Kraft bekannt, ſo
läßt ſich mit Hilfe des Ohm’ſchen Geſetzes auch leicht die abſolute Einheit des
Widerſtandes beſtimmen; nach dem Ohm’ſchen Geſetze iſt nämlich

Als Normaleinheit des Längenmaßes gilt bekanntlich das Normalmeter oder
deſſen Unterabtheilung, das Centimeter, als Gewichtseinheit das Gramm und als
Zeiteinheit die Secunde.


Die abſoluten Maße müſſen daher in Centimeter-Gramm-Secunden ausgedrückt
werden, was man abgekürzt gewöhnlich nur durch die Anfangsbuchſtaben C. G. S.
bezeichnet.


Auf Grundlage der abſoluten Einheiten wurden dann für die Praxis ge-
eignete Einheiten aufgeſtellt und mit den Namen berühmter Forſcher bezeichnet. In
der Potentialtheorie (S. 88) lernten wir die Einwirkung eines elektriſchen Körpers
auf ein unendlich kleines elektriſches Theilchen kennen; ein ſolches bildet nun die
Einheit der Elektricitätsmenge und heißt ein Coulomb. Nun läßt ſich auch die
Einheit des Potentiales leicht beſtimmen. In der Mechanik verſteht man nämlich
unter der Einheit der Arbeit jene Arbeit, welche durch die Einheit der Kraft ge-
leiſtet wird bei einer Bewegung des durch die Kraft angegriffenen Körpers um
einen Centimeter. Sonach beſitzt ein Leiter das Potential 1, wenn durch die Einheit
der Arbeit 1 Coulomb aus der Unendlichkeit zu ihm herangebracht wird. Die ſo
erhaltene Größe für die Einheit des Potentiales iſt jedoch ſehr klein und würde
daher in der Praxis ſehr unangenehm zu gebrauchen ſein. Der Gelehrtencongreß
in Paris einigte ſich daher dahin, unter Einheit des Potentials dasjenige zu verſtehen,
[216] welches 10 Millionen Arbeitseinheiten erfordert, um 1 Coulomb aus der Unendlichkeit
heranzubringen. Dieſer Einheit wurde der Name Volt gegeben.


Unter der elektromotoriſchen Kraft eines Elementes verſtehen wir die Differenz
der Potentiale an den Polen des ungeſchloſſenen Elementes. Wir können daher die
elektromotoriſche Kraft eines Elementes, deſſen Potentialdifferenz gleich iſt 1 Volt,
als Einheit betrachten und nennen die Einheit der elektromotoriſchen Kraft 1 Volt.
Wir hatten früher die elektromotoriſche Kraft nach Daniell gemeſſen; vergleichen wir
dieſe mit dem Volt, ſo ergiebt ſich, daß 1 Daniell gleich iſt 1·12 Volts; das
Bunſenelement beſitzt eine elektromototoriſche Kraft von 1·95 Volts.


Die Stromſtärke definirten wir als jene Menge der Elektricität, welche in
der Zeiteinheit (alſo Secunde) jeden Querſchnitt eines Leiters durchfließt. Die Mengen-
Einheit bildet das Coulomb; folglich iſt als Einheit der Stromſtärke jene Strom-
ſtärke zu verſtehen, bei welcher durch jeden Querſchnitt des Stromkreiſes in
1 Secunde 1 Coulomb paſſirt. Die ſo beſtimmte Einheit der Stromſtärke heißt
1 Ampère.


Nach dem Ohm’ſchen Geſetze iſt

Denken wir uns nun in einem Stromkreiſe den Widerſtand ſo regulirt, daß
bei einer elektromotoriſchen Kraft von 1 Volt auch die Stromſtärke gleich wird
1 Ampère, ſo können wir dieſe Größe des Widerſtandes dann als Einheit desſelben
betrachten. Sie wurde zu Ehren des Entdeckers des Ohm’ſchen Geſetzes das Ohm
genannt. Volt, Ampère und Ohm ſtehen daher in einem Zuſammenhange, der
nach dem Ohm’ſchen Geſetze in nachſtehender Art ausgedrückt wird:

Dabei iſt das Ohm, wenn wir es mit unſerer früheren Widerſtandseinheit ver-
gleichen, gleich 1·0493 Siemens-Einheiten. Zur Meſſung der Stromſtärke haben wir
bis jetzt die Ausſchläge einer Magnetnadel, alſo ein willkürliches Maß benutzt. Wir
werden ſpäterhin bei Beſprechung der Wirkungen galvaniſcher Ströme Gelegenheit
finden, die Stromſtärke nach einer andern Methode zu beſtimmen. Bevor wir uns
dieſem Gegenſtande zuwenden, wollen wir aber noch einige Meßinſtrumente kennen lernen.


Meſſung der Stromſtärke. Man kann ſich ſehr einfacher Inſtrumente
bedienen, wenn nur der Nachweis eines Stromes, ſeiner Richtung und beiläufigen
Stärke, nicht aber eine genaue Meſſung verlangt wird. Solche Inſtrumente nennt
man, zum Unterſchiede von den eigentlichen Meßapparaten, den Galvanometern,
Stromanzeiger oder Galvanoſkope. Hierher gehört z. B. der Batterieprüfer,
Fig. 126. Er beſteht aus einem Holzrähmchen, um welches einige Windungen eines
ziemlich ſtarken, überſponnenen Drahtes geführt ſind. Die Enden desſelben führen
zu zwei Klemmſchrauben. An der oberen und mittleren Innenfläche des Holzrahmens
ſind Meſſingplättchen befeſtigt, in deren Vertiefungen ſich die Magnetnadel durch
Vermittlung einer verticalen Stahlaxe dreht. Die Schwingungsebene der Magnet-
nadel ſteht ſomit ſenkrecht auf der Ebene der Drahtwindungen. An der Unterſeite
des Holzrahmens ſind zwei Pappſtücke angebracht, welche eine Kreistheilung tragen
und derart umgeſchlagen werden können, daß ſie das Holzrähmchen ſammt der
Nadel umhüllen. Der Batterieprüfer kann dann bequem in die Taſche geſteckt werden.


[217]

Verbindet man die beiden Klemmſchrauben mit den Polen eines Elementes
oder ſchaltet man den Batterieprüfer überhaupt in einen Leiterkreis ein, ſo fließt
der Strom, wenn einer vorhanden iſt, durch die Drahtwindungen und wird durch
die Ablenkung der Nadel erkennbar. Um bequem die Richtung des Stromes er-
ſehen zu können, ſind die beiden Nadelhälften ungleich gefärbt.


Empfindlicher als das eben geſchilderte Inſtrument iſt das Vertical-
Galvanoſkop
. Es iſt daher auch bei ſtabiler Aufſtellung zu ſtändiger Verwendung,
z. B. in Telegraphenämtern, geeignet. Die Magnetnadel n' s' (Fig. 127) ſchwingt
in den Hohlräumen der bei-
den Drahtſpulen R R. Die
Windungsebene der Drähte
und die Schwingungsebene
der Magnetnadel ſtehen wieder
aufeinander ſenkrecht. Die
Drehungsaxe der Nadel iſt
jedoch horizontal, ſo daß alſo
dieſe in einer verticalen Ebene
ſchwingen muß. Die Axe iſt
nach vorne verlängert, ragt
alſo über die Spulen hinaus
und trägt an ihrem vorderen
Ende eine zweite Magnet-
nadel. Dieſe iſt zur erſten
oder inneren Magnetnadel
parallel befeſtigt, jedoch mit
ihren Polen verkehrt geſtellt.
Befindet ſich alſo z. B. der
Nordpol der inneren Nadel
oben, ſo ſteht dieſem der
Südpol der äußeren Nadel
gegenüber.


Die Anordnung zweier
gleicher Magnetnadeln in
der Weiſe, daß ſie ihre ent-
gegengeſetzten Pole einander
zukehren, nennt man ein
aſtatiſches Nadelpaar.

Figure 125. Fig. 126.

Vatterieprüfer.


Figure 126. Fig. 127.

Vertical-Galvanoſkop.


Man verfolgt hierbei einen doppelten Zweck: Erſtens wird durch eine derartige
Combination zweier gleich ſtarker Magnetnadeln die Einwirkung des Erdmagnetis-
mus ganz oder doch zum größten Theile aufgehoben. Zweitens reſultirt daraus
eine größere Empfindlichkeit gegen elektriſche Ströme. Sind beide Nadeln gleich
ſtark magnetiſch, ſo wird der Erdmagnetismus die eine Nadel nach der einen
Richtung gerade ſo ſtark zu drehen ſuchen wie die zweite Nadel nach der ent-
gegengeſetzten Richtung; dieſe beiden gleich ſtarken aber entgegengeſetzt gerichteten
Kräfte müſſen ſich daher gegenſeitig aufheben und das Nadelpaar iſt daher vom
Erdmagnetismus unabhängig.


Führt man um ein aſtatiſches Nadelpaar Drahtwindungen in der Weiſe
herum, daß die eine Nadel innerhalb, die andere Nadel aber außerhalb der Draht-
[218] windungen zu liegen kommt, ſo muß ein den Draht durchfließender Strom die
beiden Nadeln im ſelben Sinne zu drehen ſuchen, alſo kräftiger wirken als auf eine
Nadel. Würden nämlich beide Nadeln ihren Nordpol z. B. oben beſitzen, ſo müßte
der Strom die hinter ihm liegende Nadel nach der einen Richtung, die vor ihm
liegende Nadel nach der entgegengeſetzten Richtung ablenken. Da nun aber die beiden
Nadeln ſowohl entgegengeſetzte Pole einander zukehren, als auch entgegengeſetzte
Stellungen zum elektriſchen Strome einnehmen, ſo müſſen ſich die Wirkungen dieſes
auf die beiden Nadeln addiren und ſomit das Nadelpaar nach einer und derſelben
Richtung zu drehen ſuchen.


Es gelingt jedoch ſelten, zwei Nadeln vollſtändig gleich zu machen. Das
Nadelpaar wird ſich daher ſo verhalten, wie eine einzige Magnetnadel, deren
Magnetismus gleich iſt der Differenz der Magnetismen beider Nadeln. Hierdurch

Figure 127. Fig. 128.

Multiplicator.


wird auch der Einfluß des Erdmagnetismus beſtimmt werden. Um dieſe Unvoll-
kommenheit der Aſtaſie zu beſeitigen, wendet man folgendes Mittel an. An der
oberen Fläche des Käſtchens, in welchem das ganze Galvanoſkop eingeſchloſſen iſt,
bringt man einen kurzen Stahlmagnet N S an. Mit Hilfe des Knopfes K nähert man
durch Drehung den einen oder andern Magnetpol mehr oder weniger den oberen
Polen des Nadelpaares und compenſirt in dieſer Art die Einwirkung des Erdmag-
netismus.


Um den Nadeln in der Ruhelage ſtets eine verticale Stellung zu ſichern,
wird der eine Nadelarm ein klein wenig ſchwerer gemacht. Die Vorderwand des
Käſtchens iſt mit einer Glastafel verſehen, um den Ausſchlag der Nadeln auf der
hinter der Tafel angebrachten Kreistheilung beobachten zu können. Das Inſtrument
wird durch Vermittlung zweier Drahtklemmen, welche mit den Spulendrähten in
Verbindung ſtehen, in den Stromkreis eingeſchaltet.


[219]

Beſteht die Aufgabe darin, verläßliche Meſſungen auszuführen, ſo reicht
jedoch auch das Vertical-Galvanometer nicht mehr aus. Hierzu muß man ſich viel-
mehr eines Multiplicators bedienen. Dieſer muß auch dann in Anwendung
kommen, wenn es ſich um die Nachweiſung ſehr ſchwacher Ströme handelt. Ein
ſehr ſchwacher Strom iſt nämlich nicht mehr im Stande, eine Magnetnadel ab-
zulenken, wenn er nur in einer Drahtwindung um die Nadel herumgeführt wird.
Die Wirkung des Stromes wird jedoch vermehrt, multiplicirt, wenn der Strom
in vielen Drahtwindungen die Nadel umkreiſen muß. Streng genommen, gehört
auch ſchon das früher beſchriebene Vertical-Galvanoſkop zu den Multiplicatoren.


Ein zu Meſſungen geeigneter Multiplicator iſt in Fig. 128 abgebildet; das
Rähmchen für die Drahtwindungen und das aſtatiſche Nadelpaar ſind getrennt gezeichnet.
Das Rähmchen beſteht aus zwei verticalen Holzbrettchen, welche mit je einem horizontalen
Schlitze s s verſehen ſind. Das horizontale Stück f iſt hohl und bildet eine flache
Büchſe, deren offene Schmalſeiten in der Höhe der Schlitze s s an den Vertical-
brettchen befeſtigt ſind. Das mittlere verticale Brettchen u t iſt gleichfalls hohl;
das horizontale hohle Brettchen iſt an der Fläche, auf welcher das verticale Brett-
chen u t aufſitzt, gleichfalls ausgeſchnitten, ſo daß alſo die Hohlräume beider
Brettchen (u t und f) miteinander in Verbindung ſtehen. Es hat dies den Zweck,
die andere Nadel n' s' des aſtatiſchen Paares in die Spule einſenken zu können,
da ſie in dem Hohlraume des horizontalen Brettchens f ſchwingen ſoll. Die beiden
Zwiſchenräume, welche durch die drei verticalen Brettchen gebildet werden, dienen
zur Aufnahme der Drahtwindungen.


Das Rähmchen ſammt den Drahtwindungen wird auf eine horizontale
Metallſcheibe befeſtigt; dieſe kann ſich auf der Grundplatte, die durch drei Stell-
ſchrauben ſtets in eine horizontale Lage gebracht wird, um einen verticalen Zapfen
drehen. Zur Hemmung dieſer Bewegung dient die Druckſchraube S. Die
Drähte ſind auf dem Rähmchen gewöhnlich in zwei Partien aufgewickelt, von welchen
die Enden der einen 100 Windungen mit zwei Klemmſchrauben, die Enden der
übrigen (etwa) 10.000 Windungen mit zwei anderen der bei p o angebrachten
Klemmſchrauben in Verbindung ſtehen. Oben auf dem Rähmchen iſt eine Papier-
ſcheibe mit Kreistheilung befeſtigt.


An derſelben Platte, auf welcher die Drahtſpulen mit ihrem Rahmen auf-
ruhen, iſt der Metallbügel E F G angeſchraubt. Er dient zur Aufhängung der
Nadel. An ſeinem oberen Theile befindet ſich der drehbare Knopf K, welcher in
ſeinem Inneren eine Schraubenmutter eingeſchnitten hat. An der dazugehörigen
Schraube hängt der Coconfaden, welcher die Nadel trägt. Dreht man daher
den Knopf K in dem einen oder andern Sinne, ſo wird dadurch das Nadelpaar
etwas gehoben oder geſenkt. Das Inſtrument iſt zu ſeinem Schutze mit einer
Glasglocke bedeckt, die nur oben eine Oeffnung beſitzt, um den Knepf K durch-
zulaſſen.


Die Zahl der Windungen, welche man dem Multiplicator giebt, hängt
ganz von dem Zwecke ab, für welchen er beſtimmt iſt. Für die Anwendung des-
ſelben in einem Stromkreiſe mit geringem Widerſtande genügt eine geringere Anzahl
von Windungen, während man bei hohem Widerſtande ein Galvanometer mit
vielen Windungen benutzen muß. Um nun den Gebrauch eines ſolchen Inſtrumentes
nicht gar zu ſehr einzuſchränken, theilt man die Drahtwindungen in einzelne Partien
und führt die Drahtenden einer jeden Partie zu geſonderten Klemmſchrauben. Man
hat hierdurch die Möglichkeit gegeben, durch Einſchaltung einer oder mehrerer
[220] Partien in den Stromkreis und durch Parallel- oder Hintereinanderſchaltung den
Multiplicator immer dem Widerſtande des Stromkreiſes anzupaſſen.


Die größte Genauigkeit der Meſſung erreicht man durch Anwendung der
Spiegelableſung. Bevor wir uns jedoch der Betrachtung eines mit dieſer ausgerüſteten
Inſtrumentes zuwenden, wollen wir der Spiegelableſung ſelbſt eine kleine Betrach-
tung widmen. s s (Fig. 129) ſtellt uns einen kleinen Planſpiegel vor, der ſich in
der Ebene des Papiers um eine auf dieſe ſenkrechte Axe drehen kann. Fällt auf
dieſen Spiegel ein Lichtſtrahl in der Richtung Q O auf, ſo wird er in die Richtung
O P reflectirt. Iſt m m ein Maßſtab, z. B. ein in Centimeter und Millimeter
getheiltes Meter, und F ein Fernrohr, ſo wird ein durch dieſes auf den Spiegel
blickendes Auge den bei Q befindlichen Theilſtrich des Maßſtabes ſehen, vorausgeſetzt,
daß letzterer hinlänglich hell beleuchtet iſt. Wir denken uns hierbei das Fernrohr
etwas oberhalb des Meters angebracht. Die Zeichnung läßt erkennen, daß der
durch den Spiegel in das Fernrohr reflectirte Theilſtrich der Scala deſto weiter
gegen das Ende derſelben liegen muß, je weiter ſich der Spiegel dreht. Man erſieht

Figure 128. Fig. 129.

Spiegel-Ableſung.


aber auch, daß ſchon eine ſehr geringe
Drehung des Spiegels genügt, um ſehr
große Strecken der Theilung zu durch-
laufen, und daß dieſe um ſo größer
werden, je weiter die Scala mit dem
Fernrohre von dem Spiegel entfernt iſt.


Denken wir uns nun den Spiegel
s s an den ſenkrecht auf ſeiner Ebene
ſtehenden Magnet N S befeſtigt, ſo muß
der Spiegel jede Drehung des Magnetes
mitmachen und wird auch die geringſten
Abweichungen des letzteren von ſeiner
Ruhelage ſo genau als man wünſcht er-
kennbar machen. Hiervon iſt nun bei den
Spiegel-Galvanometern Anwendung gemacht. Das urſprünglich von Weber
conſtruirte Spiegel-Galvanometer iſt in Fig. 130 abgebildet.


Das kupferne Gehäuſe c c iſt durch den Aufſatz i auf der Grundplatte des
Inſtrumentes befeſtigt und vorne und rückwärts durch Glasplatten verſchloſſen. Ueber
das Gehäuſe werden mit Hilfe einer dünnen Meſſinghülſe die Drahtwindungen
geſchoben. Sie ſind in mehrere Partien getheilt und die Enden jeder derſelben
beſitzen zwiſchen f f' voneinander iſolirte Klemmſchrauben. Der Zweck dieſer An-
ordnung iſt, wie beim vorhin geſchilderten Inſtrumente, der, die einzelnen Draht-
gruppen in verſchiedener Zahl und Schaltung in den Stromkreis einſchalten zu können.
Innerhalb des Kupfergehäuſes iſt die Magnetnadel N an einem Coconfaden auf-
gehängt; dieſer geht durch die Röhre r r und iſt am oberen Ende derſelben auf
eine um eine horizontale Axe drehbare Schraube aufgewunden. Die Drehung der
Schraube ermöglicht das Heben oder Senken der Magnetnadel.


In dem vierſeitigen Käſtchen k k, welches über der Kupferhülſe befeſtigt iſt,
befindet ſich ein kleiner Spiegel. Dieſer iſt mit ſeiner Ebene ſenkrecht auf die
Längsaxe der Magnetnadel angeordnet und mit dieſer unverrückbar verbunden. Das
Gehäuſe k k iſt an der vorderen und rückwärtigen Fläche durch Spiegelſcheiben
verſchloſſen. Der Gebrauch des Inſtrumentes iſt nach dem Vorhergehenden wohl
ohneweiters verſtändlich.


[221]

Das Spiegel-Galvanometer iſt von Gelehrten und Conſtructeuren vielfach
abgeändert worden, ohne jedoch das Princip desſelben zu ändern. In dieſem Sinne
erhielt es durch Wiedemann eine verbeſſerte Form. Dieſer läßt das Spiegelchen
aus Stahl herſtellen und magnetiſirt es dann ſo, daß deſſen horizontaler Durch-

Figure 129. Fig. 130.

Spiegel-Galvanometer nach Weber.


Figure 130. Fig. 131.

Galvanometer von Siemens \& Halske.


meſſer die Verbindungslinie vom Nord- und Südpol bildet. Spiegelchen und Magnet
ſind ſomit in einem Stücke vereinigt. Der Stahlſpiegel iſt in dem Hohlraume eines
maſſiven Kupfercylinders aufgehängt und über dieſen laſſen ſich von beiden Stirn-
ſeiten her die Drahtſpiralen ſchieben. Die Verſchiebbarkeit der Spiralen in der
Richtung zum oder vom Magnete hat den Vortheil, daß hierdurch das Galvano-
meter für verſchiedene Stromſtärken verwendet werden kann.


[222]

Zu dieſen Inſtrumenten gehört auch das aperiodiſche Galvanometer von
Siemens \& Halske (Fig. 131). Der Magnet M desſelben hat eine ganz eigen-
artige Form. Er wird aus einem hohlen, unten offenen und oben durch eine
Halbkugel geſchloſſenen Stahlcylinder gefertigt, den man ſeiner Länge nach ſpaltet
und dann ſo magnetiſirt, daß Nord- und Südpol n s am offenen Ende des Cylinders
entſtehen. Der Glockenmagnet — ſo nennt man dieſe Form — hat den Vortheil,
daß ohne Verringerung des magnetiſchen Momentes das Trägheitsmoment ver-
kleinert wird.


Der Magnet hängt in die cylindriſche Bohrung einer maſſiven Kupferkugel K
und iſt durch ein Aluminiumſtäbchen mit dem Spiegel S verbunden, der ſeinerſeits
wieder von einem Coconfaden (in der Röhre r) getragen wird. Das Gehäuſe g
für den Spiegel iſt durch zwei ebene Glasplatten geſchloſſen. R R ſind die Draht-
ſpiralen und k die Klemmen. Der Dreifuß F, auf welchem das Inſtrument auf-
gebaut iſt, beſitzt Stellſchrauben zur Horizontalſtellung.


Figure 131. Fig. 132.

Galvanometer von Deprez.


Bei dieſem, ſowie auch bei den früher beſchriebenen Galvanometern wurde
angegeben, daß der Magnet in einem mehr oder weniger maſſiven Kupfergehäuſe
ſchwingt. Um den Zweck dieſer Einrichtung zu verſtehen, müſſen wir hier ſchon
vorgreifend eine Erklärung einfügen, die eigentlich an eine ſpätere Stelle gehört.
Man beobachtete nämlich, daß in einem geſchloſſenen Leiter elektriſche Ströme her-
vorgerufen werden, wenn ſich ein Magnet in ſeiner Nähe bewegt. Dieſe Ströme
üben nun, wie wir weiter unten genauer erkennen werden, je nach ihrer Richtung
eine abſtoßende oder anziehende Kraft auf die Magnetpole aus; ſie ziehen an,
wenn ſich der Magnet entfernt, und ſtoßen ab, wenn er ſich nähert. Hierdurch wird
bewirkt, daß der Magnet, aus ſeiner Ruhelage abgelenkt, ſehr raſch zu ſchwingen
aufhört und wieder eine fixe Stellung einnimmt. Man ſpricht daher von einer
Dämpfung des Magnetes und verſteht darunter die Verringerung ſeiner Schwin-
gungen. Die Dämpfung gelingt deſto beſſer, je weniger Widerſtand der Leiter den
elektriſchen Strömen entgegenſetzt; dies iſt auch die Urſache, warum man den
Magnet mit einer dicken Kupferhülle umgiebt.


Dienen die oben beſchriebenen Inſtrumente zur ſicheren Meſſung auch der
ſchwächſten Ströme, ſo ſind ſie hingegen zur raſchen und directen Meſſung ſo
[223] kräftiger Ströme, wie ſie die elektrotechniſche Induſtrie heutzutage verwendet,
ungeeignet. Hierzu verwendbare Apparate haben unter Anderen z. B. Deprez oder
Ayrton und Perry conſtruirt.


Das Galvanometer für ſtarke Ströme von Deprez iſt in den Fig. 132 und
133 in der Totalanſicht und in ſeinen Beſtandtheilen abgebildet. Auf dem Grund-
brette iſt ein hufeiſenförmiger Stahlmagnet H befeſtigt, der mit ſeinen Schenkeln
den Rahmen R einſchließt. Um dieſen iſt einerſeits ein Kupferband geſchlungen,
andererſeits beſitzt er eine beſtimmte Anzahl von Drahtwindungen D. Die Klemm-
ſchrauben K ſtehen mit erſterem, die Klemmen k mit letzteren in Verbindung. Der
Zweck dieſes zweifachen Stromkreiſes iſt derſelbe wie bei den vorhin behandelten
Galvanometern. Innerhalb des Rahmens befindet ſich eine Stahlplatte S, die
durch eine Reihe von Einſchnitten in Lamellen getheilt iſt; ſie kann ſich um eine
horizontale Axe auf zwei Schneiden drehen, deren eine bei A (Fig. 133) zu ſehen
iſt. Die Lamellen werden durch
die Influenz des Hufeiſenmag-
netes gleichfalls magnetiſch und
müſſen deshalb, ſobald ſie ein
elektriſcher Strom umkreiſt, aus
ihrer Ruhelage abgelenkt werden.
Iſt das Galvanometer ſtromlos,
ſo ſorgt das kleine Gewicht G
für die Zurückführung der Stahl-
platte in ihre Ruhelage. Die
Stahlplatte überträgt ihre Bewe-
gung durch die Rollen r r und
die Schnur B auf den Zeiger Z,
der auf einer Kreistheilung T
ſpielt.


Zur bequemen Benutzung
wird das Inſtrument nach
Ampères geaicht, d. h. durch
Verſuche beſtimmt, wie ſich die
Theilſtriche zu den Ampères ver-
halten.


Figure 132. Fig. 133.

Galvanometer von Deprez.


Das Ammeter (Ampèremeter) von Ayrton und Perry geſtattet eine directe
Ableſung in Ampères. Eine ſehr leichte Magnetnadel C (Fig. 134) kann ſich in
dem durch die Armaturen N und S des Stahlmagnetes A B gebildeten magnetiſchen
Felde bewegen. Die beiden Drahtſpiralen D D1 ſind aus je zehndrähtigen Kabeln
gebildet und ſo angeordnet, daß die Nadelausſchläge den Stromſtärken direct pro-
portional ſind. Die Drähte ſtehen mit einem Pachytrop, d. h. einer Vorrichtung
in Verbindung, welche durch eine einfache Drehung geſtattet, die ſechzig Draht-
windungen des Inſtrumentes entweder hintereinander oder nebeneinander zu ſchalten.
Man ſieht den Pachytrop (die Walze mit den Contactfedern) in Fig. 135, welche
die perſpectiviſche Anſicht des Ammeters giebt, hinter den Klemmſchrauben P und
P S. Man erkennt hieraus auch den mit der Magnetnadel verbundenen Zeiger
und die dazu gehörige Theilung.


Das Inſtrument iſt ſehr empfindlich und hat überdies noch den Vortheil,
daß es leicht jederzeit graduirt werden kann.


[224]

Sowohl bei dem Inſtrumente von Deprez als auch bei jenem von Ayrton
und Perry iſt der Einfluß des Erdmagnetismus dadurch auf ein Minimum gebracht,
daß die Nadel in einem kräftigen magnetiſchen Felde ſchwingt.


Ayrton und Perry haben ein ihrem Ammeter ganz ähnlich gebautes Volt-
meter
conſtruirt. Der Unterſchied zwiſchen dieſem und dem Ammeter beſteht darin,
daß das Voltmeter mit Windungen von 400 Ohms Widerſtand verſehen iſt; es
mißt die Potentialdifferenz zwiſchen zwei Punkten eines Stromkreiſes in Volts.


Wir wollen hiermit vorläufig die Schilderung von Meßinſtrumenten ab-
ſchließen, umſomehr als wir ohnehin noch an anderer Stelle auf ſolche zurück-
kommen müſſen, und nun im Nachſtehenden einige Hilfsapparate zur Ausführung
von Meſſungen betrachten.


Man kommt häufig in die Lage, einen Strom raſch unterbrechen oder
ſchließen zu müſſen. Hierbei wäre es ſehr mißlich, dieſe Operationen in der Art
auszuführen, daß man die Drähte aus den Klemmen entfernt oder ſie in letztere

Figure 133. Fig. 134.


Figure 134. Fig. 135.

Ammeter von Ayrton \& Perry.


befeſtigt. Man bedient ſich daher der Stromunterbrecher oder Interruptoren.
Einen ſolchen Stromunterbrecher einfachſter Art lernten wir bereits am Siemens’ſchen
Widerſtandskaſten kennen. Zwei durch einen ſchmalen Spalt voneinander getrennte
Meſſingſtücke, die an den einander zugewandten Flächen cylindriſch angebohrt ſind
und an den abſtehenden Enden Klemmſchrauben zur Aufnahme der Leitungsdrähte
tragen, bilden mit dem dazu gehörigen Stöpſel einen ſolchen Unterbrecher. (Siehe
Fig. 123, S. 210.)


In phyſikaliſchen Laboratorien wird zu demſelben Zwecke häufig der ſo-
genannte Schlüſſel von Dubois benutzt. Auf einem Brettchen aus Ebonit
(Hartgummi) ſind zwei mit Klemmſchrauben verſehene Meſſingprismen, a und b,
Fig. 136, befeſtigt. An dem Prisma a ſitzt das mit einem Elfenbeingriff aus-
gerüſtete Meſſingſtück c, welches, wie der punktirte Theil der Zeichnung erkennen
läßt, in verticaler Ebene drehbar iſt. a und b werden mit den Drähten des
Stromkreiſes verbunden; iſt dann das Stück c zugeklappt, ſo geht der Strom von
a durch die Drehaxe in das Stück c und von dieſem durch b in den Stromkreis
[225] zurück. Klappt man das Meſſingſtück c auf, ſo iſt der Stromkreis unterbrochen.
Die Schraubenzwinge Z dient zur Befeſtigung des Unterbrechers an dem Arbeitstiſch.


Ebenſo häufig als den Strom öffnen und ſchließen zu können, bedarf man
einer bequemen Vorrichtung zum Umkehren der Stromrichtung. Apparate, die dazu
dienen, nennt man Stromwechsler oder Wender, Gyrotrope oder Com-
mutatoren
. Dieſe ſind um ſo nothwendiger, als man ſonſt ſeinen Zweck nur auf
die ſehr umſtändliche Weiſe erreichen könnte, daß man die Drähte ausſpannt,
verwechſelt und neuerdings einſpannt. Der Commutator verlangt an Stelle dieſer
drei Operationen nur eine Drehung.


Figure 135. Fig. 136.

Schlüſſel von Dubois.


Figure 136. Fig. 137.

Gyrotrop nach Poyl.


Als ſolcher iſt in vielen Fällen Pohl’s Gyrotrop vortheilhaft zu verwenden.
In dem Brette (Fig. 137) ſind ſechs ſchälchenartige Vertiefungen 1 .... 6 aus-
gebohrt, die zur Aufnahme von Queckſilber beſtimmt ſind. Die Näpfchen 5 und 2,
ſowie auch 3 und 6 ſind durch Kupferſtreifen, deren Enden in das Queckſilber
eintauchen, miteinander verbunden. In die Näpfchen 1 und 4 tauchen Kupferſpitzen m n,
die oben mit Hülſen verſehen ſind; in letztere iſt ein ſie verbindender Glasſtab
eingekittet. Außer den Spitzen m und n trägt noch jede Hülſe zwei Metallbügel
(a b und c d). Die Handhabung des Gyrotrops iſt folgende: In die Queckſilber-
näpfchen 1 und 4 werden die Batteriedrähte eingehängt, in die Schälchen 2 und 3
oder 5 und 6 die Drahtenden des Stromkreiſes S; ſind, wie in unſerer Abbildung,
die Näpfchen 2 und 3 mit dem Stromkreiſe in Verbindung und iſt der Bügel
nach links umgelegt, ſo gelangt der von der Batterie ausgehende Strom in das
Näpfchen 1, durch die Spitze m und den Anſatz a in das Näpfchen 2, durchläuft
Urbanitzky: Elektricität. 15
[226] den Stromkreis S von vorne nach rückwärts, paſſirt das Näpfchen 3, die Metalltheile
c und n und kehrt durch das Näpfchen 4 wieder zur Batterie zurück. Will man
nun den Strom wenden, ſo braucht man nur den Bügel nach rechts umzulegen,
ſo daß die Anſätze b und d in die Näpfchen 5 und 6 eintauchen, während die
Anſätze a und c aus den Näpfchen 2 und 3 herausgehoben werden. Jetzt nimmt
der Strom folgenden Weg: Von der Batterie geht er durch das Schälchen 1, die
Spitze m und den Anſatz b in das Näpfchen 6; von dieſem durch den Kupfer-
ſtreifen in das Schälchen 3, durchläuft den Stromkreis von rückwärts nach vorne,
gelangt dann in das Näpfchen 2, durch den zweiten (von unten iſolirten) Kupfer-
ſtreifen in das Schälchen 5 und durch die Zinke d und die Spitze n wieder zur

Figure 137. Fig. 138.

Commutator nach Ruhmkorff.


Batterie zurück. Der Strom geht alſo jetzt in umgekehrter Richtung durch den
Schließungsbogen wie bei der erſten Lage des Bügels.


Denſelben Zweck, aber in anderer Weiſe, erreicht Ruhmkorff durch den
von ihm conſtruirten Commutator (Fig. 138). Auf dem Grundbarette ſind zwei
Metallſtänder befeſtigt, welche zur Aufnahme der drehbaren Walze W mit Lagern
verſehen ſind. Mit dieſen Ständern ſtehen die Klemmſchrauben c und d in me-
talliſcher Verbindung. Die Walze W iſt aus einem iſolirenden Materiale, wie z. B.
Ebonit oder Bein, gefertigt und an diametral liegenden Seiten ihres Umfanges
mit halbcylindriſchen Kupferwülſten ausgerüſtet. Die Art der Befeſtigung der
Kupferwülſte und der Axen an der Walze iſt aus dem getrennt von der Figur
gezeichneten Längsſchnitte zu erſehen. Die Axe beſteht aus den beiden voneinander
iſolirten Stücken e und g. Die Kupferwülſte ſind durch Schrauben mit der Walze
verbunden. Zwei dieſer Metallſchrauben, und zwar die einander diagonal gegen-
[227] überliegenden s1 und s2, reichen an je ein Stück der metalliſchen Rotationsaxe
heran, während die anderen beiden Schrauben nur in die iſolirende Maſſe der
Walze eindringen. Die Schraube s1 verbindet alſo den Kupferwulſt k leitend mit
dem Axenſtücke e und die Schraube s2 den Kupferwulſt k2 leitend mit dem Axen-
ſtücke g.


Die Drahtklemmen a und b ſind auf die Kupferfedern f1 und f2 aufgeſetzt;
letztere ſchleifen auf dem Umfange der Walze. Wird dieſe ſo gedreht, daß ſich die
beiden Kupferwülſte in einer horizontalen Ebene einander gegenüberſtehen, ſo liegt
je eine Feder auf einem Kupferwulſt auf und der Strom kann, wie wir gleich
ſehen werden, den Commutator in der einen oder der andern Richtung durchlaufen.
Steht die durch die beiden Metallwülſte gelegte Ebene vertical, ſo liegen beide
Federn auf der iſolirenden Walze ſelbſt auf und verhindern dadurch den Strom
am Durchgange durch die Walze. Dieſer Commutator kann daher auch als Strom-
unterbrecher dienen. (Bei Pohl’s Gyrotrop muß zu demſelben Zwecke der ganze
Bügel aus den Näpfchen herausgehoben werden.)


Steht die Feder f1 mit dem Kupferwulſte k1 und folglich die Feder f2 mit
dem Kupferwulſte k2 in metalliſchem Contact, ſo nimmt der Strom folgenden
Verlauf: Er tritt bei a in den Commutator ein, geht durch den Kupferwulſt k1
und die Schraube s1 auf das Axenſtück e, von dieſem durch den Lagerſtänder in
die Klemmſchraube c, durchläuft den Stromkreis in der Richtung von links
nach rechts, gelangt durch die Klemme d und den Lagerſtänder in das Axenſtück g,
von dieſem durch die Schraube s2 und den Kupferwulſt k2 zur Schleiffeder f2
und kehrt durch die mit ihr in leitender Verbindung ſtehende Klemmſchraube b
zur Batterie zurück.


Dreht man jetzt die Walze um 180 Grade, ſo daß alſo der Kupferwulſt k1
mit der Schleiffeder f2 und der Kupferwulſt k2 mit der Feder f1 in Berührung
kommt, ſo durchkreiſt der Strom den Schließungsbogen in entgegengeſetzter
Richtung; er ſchlägt nämlich folgenden Weg ein: Aus der Batterie gelangt er
zunächſt wieder zur Klemme a und in die Feder f1; dieſe liegt nun aber an dem
Kupferwulſte k2 an, weshalb der Strom von hier aus durch die Schraube s2,
das Axenſtück g und die Klemmſchraube d in den Schließungsbogen gelangen muß,
der jetzt in der Richtung von rechts nach links, alſo umgekehrt wie vorhin, durch-
laufen wird. Der Strom fließt dann durch die Klemme c, das Axenſtück e, die
Schraube s1 und den Kupferwulſt k1 zur Feder f2 und kehrt durch die Klemm-
ſchraube b wieder zur Batterie zurück.


Wir wollen es uns an obigen Beiſpielen genügen laſſen und jetzt, nachdem
wir die Entſtehung und die Geſetze des galvaniſchen Stromes kennen gelernt haben,
unſere Aufmerkſamkeit den Wirkungen des galvaniſchen Stromes zuwenden; dieſe
zerfallen in zwei große Gruppen, nämlich; Wirkungen innerhalb des Stromkreiſes
und Wirkungen außerhalb desſelben.


Die Wirkungen des galvaniſchen Stromes im Schließungsbogen.

Wärmewirkung. Kurze Zeit nach der Entdeckung des galvaniſchen Stromes
wurde bereits beobachtet, daß ein vom Strome durchfloſſener Draht ſich unter
Umſtänden ganz bedeutend erwärmt. Davy (1778—1829) wußte bereits, daß die
Erhitzung fühlbarer wird, je ſtärker der Strom und je größer der Widerſtand des
Drahtes iſt.


15*
[228]

Genauere Unterſuchungen wurden jedoch erſt von Joule (1841) durchgeführt.
Um überhaupt zu zeigen, daß ein vom Strome durchfloſſener Leiter erwärmt wird,
bediente er ſich des in Fig. 139 abgebildeten Apparates. Das Thermometer S iſt
an ſeinem unteren Ende nicht wie die gewöhnlichen Thermometer mit einer Kugel
verſehen, ſondern das Queckſilber befindet ſich in einem ſchlangenförmig gebogenen
Capillarrohre G. In das untere Ende p1 des Capillarrohres iſt ein Platindraht
eingeſchmolzen, der nach innen in das Queckſilber hineinragt, nach außen mit der
Klemmſchraube k1 in Verbindung ſteht. Ebenſo iſt bei p2, alſo an jener Stelle,
wo das Schlangenrohr in die gerade Thermometerröhre übergeht, ein Platindraht
eingeſchmolzen, welcher zur Klemme k2 führt.


Verbindet man nun die Klemmen k1 und k2 mit den Poldrähten einer
galvaniſchen Batterie, ſo muß der Strom den Queckſilberfaden im Schlangenrohre G
durchlaufen. Das Queckſilber wird hierbei erwärmt, dehnt ſich aus und zeigt durch

Figure 138. Fig. 139.

Apparat von Joule.


Steigen der Säule in S den Grad ſeiner Erwärmung
an. Joule wies die durch den Strom bewirkte Er-
wärmung eines Drahtes auch in der Weiſe nach, daß
er dieſen um das Gefäß eines ſehr empfindlichen Ther-
mometers wand und dieſes in Waſſer einſenkte. Bei Ein-
ſchaltung des Drahtes in einen Stromkreis zeigte abermals
das Steigen des Queckſilbers im Thermometer die Er-
wärmung des Drahtes an. Derſelbe Forſcher fand auch,
daß die durch einen galvaniſchen Strom von beſtimmter
Stärke in einem Leiter erzeugte Wärmemenge direct
proportional dem Widerſtande dieſes Leiters iſt, gleichviel
welche Dimenſionen er ſonſt auch haben mag. *)


Ferner bewogen theoretiſche Erwägungen Joule
zu der Annahme, daß die in gleichen Zeiten in einem
beſtimmten Drahte entwickelten Wärmemengen bei ver-
ſchiedenen Stromſtärken den Quadraten derſelben propor-
tional ſein müſſen. Verſuche, die er und Andere dann
ausführten, beſtätigten auch in der That die Richtigkeit
dieſer Ausnahme. Somit lautet das nach Joule be-
nannte Geſetz:


Die in einer beſtimmten Zeit entwickelte Wärmemenge iſt dem
Leitungswiderſtande des Drahtes und dem Quadrate der Strom-
ſtärke direct proportional
.


Sowohl die von Becquerel als auch die von Lenz ausgeführten Verſuche
beſtätigten das Joule’ſche Geſetz. Der Apparat, welchen Lenz zu ſeinen Verſuchen
[229] benutzte, iſt in Fig. 140 abgebildet. Im Grundbrette O N iſt der Glasſtöpſel S
derart befeſtigt, daß die Flaſche G H mit dem Halſe nach abwärts auf den Stöpſel
geſchoben werden kann. Stöpſel und Innenrand der Flaſche ſind gut abgeſchliffen,
ſo daß ein luft- und waſſerdichter Verſchluß herſtellbar iſt. Durch zwei Bohrungen
des Glasſtöpſels ſind Platindrähte geführt und gleichfalls dicht eingekittet. Die in
die Flaſche ragenden Enden tragen je ein Platinklötzchen. An letzteres iſt ein ſpiralig
gewundener Platindraht befeſtigt, der hinreichend ſtark ſein muß, um ſich durch
ſeine eigene Feſtigkeit aufrecht zu erhalten. Nach außen ſind die beiden Platin-
drähte mit zwei Klemmſchrauben in leitende Verbindung gebracht.


Der nach oben gekehrte Boden der Glasflaſche iſt durchbohrt und durch
dieſe Bohrung wird mit Hilfe eines Korkſtöpſels ein ſehr empfindliches Thermo-
meter eingeſetzt. Die Flaſche ſelbſt füllt man mit Alkohol, da das Waſſer die
Elektricität doch zu gut leitet, als daß Nebenſchließungen vollkommen vermieden
werden könnten. Bei den Beobachtungen wurde dann der Apparat in einen Strom-
kreis eingeſchaltet, der auch noch eine Tan-
gentenbuſſole und einen Rheoſtaten enthielt,
um die Stromſtärke ſtets entſprechend reguliren
zu können.


Das Joule’ſche Geſetz erwies ſich jedoch
nicht nur giltig für feſte Leiter, ſondern auch
für Flüſſigkeiten. Es gilt ſomit nicht nur für
den aus Drähten gebildeten äußeren Schließungs-
bogen, ſondern für den ganzen Stromkreis.
Dieſes Verhalten geſtattet aber, aus dem Joule-
ſchen Geſetze eine ſehr intereſſante Folgerung zu
ziehen. Da nämlich einerſeits der Zinkverbrauch
in einem galvaniſchen Element proportional iſt der
Zeit und der Stromſtärke, andererſeits bei
gleichbleibender elektromotoriſcher Kraft die
Wärmemenge dieſen beiden, ſo folgt daraus,
daß die erzeugte Wärmemenge proportional ſein
muß der Menge des verbrauchten Zinkes.


Figure 139. Fig. 140.

Apparat von Lenz.


Favre, welcher dieſes Verhalten einem eingehenden Studium unterwarf,
erweiterte obigen Satz noch dahin, daß er ſagt: Die im ganzen Stromkreiſe erzeugte
Wärmemenge iſt gleich jener, welche bei der Ueberführung des Zinkes in Zink-
vitrol durch den chemiſchen Proceß erzeugt wird. Beim Verbrauche von 33 Kilo-
gramm Zink im Elemente erhielt Favre 18.160 Wärmeeinheiten oder Calorien. *)
Nun ergab ſich aber für die Wärmemengen, die bei der Auflöſung des Zinkes in
Schwefelſäure, alſo der Bildung von ſchwefelſaurem Zinkoxyd (Zinkvitriol) erzeugt
werden, folgendes Reſultat:

[230]

Bei der Auflöſung des Zinkes in der Schwefelſäure wird jedoch gleichzeitig
1 Gramm Waſſerſtoffgas entwickelt, wozu eine Wärmemenge von 34.462 Calorien
verbraucht wird; dieſe muß daher von obiger Wärmemenge in Abzug gebracht
werden. Es ergeben ſich daher für die durch den chemiſchen Proceß erzeugte
Wärmemenge


  • 52.743
  • — 34.462
  • 18.281 Calorien.

Zieht man die unvermeidlichen Beobachtungsfehler mit in Betracht, ſo zeigt
dieſer Werth mit dem vorhin angegebenen hinlängliche Uebereinſtimmung, um die
Richtigkeit des von Favre aufgeſtellten Satzes zu beſtätigen.


Die durch den chemiſchen Proceß entwickelten Wärmemengen müſſen ſich bei
den conſtanten Ketten aber auch ſo verhalten, wie ihre elektromotoriſchen Kräfte.
Dies können wir bei der Vergleichung eines Daniell- und eines Grove-Elementes
aus nachſtehenden Zahlen erſehen. Durch die Ueberführung des Zinkes in eine
Löſung von Zinkvitriol werden 52.743 Calorien erzeugt. Im Daniell’ſchen
Elemente wird nun für jedes Aequivalent *) gelöſten Zinkes ein Aequivalent Kupfer
metalliſch ausgeſchieden; zu dieſer Ausſcheidung oder Reduction des Kupfers aus
dem Kupfervitriol werden 29.645 Calorien verbraucht; wir erhalten daher im
Daniell-Element:
52.743 — 29.645 = 23.098 Calorien.


Im Elemente von Grove wird entſprechend der aufgelöſten Zinkmenge
Salpeterſäure zu Unterſalpeterſäure reducirt; zu dieſer Reduction ſind 6900 Calorien
erforderlich und daher bekommen wir für die Wärmemenge im Grove-Element
52.743 — 6900 = 45.843 Calorien.


Das Verhältniß der bei gleichem Zinkverbrauche und in gleicher Zeit im
Daniell- und im Grove-Element erzeugten Wärmemengen iſt ſonach
oder beiläufig gleich 1·9. Dieſe Zahl ſtimmt aber mit dem Verhältniſſe der elektro-
motoriſchen Kräfte beider Elemente überein.


Die in einem beſtimmten Elemente erzeugte geſammte Wärmemenge iſt, wie
wir gehört haben, proportional der Menge des verbrauchten Zinkes und iſt nach
Helmholtz gleich jener Wärmemenge, welche durch den chemiſchen Proceß in der
Kette frei wird. Iſt alſo das Element kurz geſchloſſen, ſo hat die Elektricität
keinerlei Arbeit zu leiſten. Die beiden Elektricitäten gleichen ſich immer in dem-
ſelben Maße aus, als ſie entſtehen. Da aber eine Kraft oder Energie (in unſerem
Falle die elektriſche) nie vernichtet, ſondern nur umgewandelt werden kann und
wir auch in der That die Erwärmung des Stromkreiſes beobachten, während
ſonſt keine anderweitige Energie auftritt, hingegen aber die elektriſche verſchwindet,
ſo muß die Erregung der Wärme eben jene Arbeit ſein, welche der galvaniſche
Strom leiſtet. Hieraus hat man ſich auch zu erklären, warum die Umwandlung
von Elektricität in Wärme nach dem Joule’ſchen Geſetze erfolgen muß, und dies
[231] waren eben auch die früher (Seite 228) angedeuteten theoretiſchen Erwägungen,
welche Joule veranlaßten, das nachträglich experimentell beſtimmte Geſetz im Vor-
hinein auszuſprechen. Es muß an dieſer Stelle bemerkt werden, daß die eben be-
ſprochenen Sätze wohl ſehr zu Gunſten der chemiſchen Theorie der Erregung gal-
vaniſcher Ströme ſprechen.


Bei gleicher Stromſtärke iſt die in einem Stromkreis erzeugte, geſammte
Wärmemenge dem geſammten Widerſtande des Stromkreiſes proportional. Iſt
daher der Stromkreis aus Theilen zuſammengeſetzt, deren Widerſtände verſchieden
groß ſind, ſo wird auch die in den einzelnen Theilen, ſelbſt wenn dieſe gleich groß
ſind, erzeugte Wärmemenge verſchieden groß ſein.


Durch die Wärmeentwicklung in den einzelnen Theilen eines Stromkreiſes
wird natürlich auch deren Temperatur erhöht. Wovon wird nun die Temperatur
eines Leiterſtückes abhängen? Die Temperatur irgend eines Körpers hängt über-
haupt ab von der Größe der in ihm in gleichen Zeiten erzeugten oder mitge-
theilten Wärmemenge und jener Menge, die er an ſeine Umgebung abgiebt. Der
Körper erreicht eine conſtante Temperatur, ſobald Wärmezufuhr und Wärmeabgabe
ſich das Gleichgewicht halten. Wovon die Menge der erzeugten Wärme abhängt,
iſt uns bereits durch das Geſetz von Joule bekannt. Die Abgabe der Wärme an
die Umgebung hängt aber ab von der Oberfläche und dem Ausſtrahlungsvermögen
des Körpers, ſowie auch von der Temperaturdifferenz zwiſchen Körper und Um-
gebung und endlich von der Natur der Umgebung ſelbſt. Die Wärmemenge,
welche ein Körper in einer beſtimmten Zeit an ſeine Umgebung abgiebt, wird
deſto größer, je größer ſeine Oberfläche, ſein Emiſſionsvermögen iſt und je höher
ſeine Temperatur über jene der Umgebung ſteht. In welcher Weiſe die Wärme-
abgabe durch die Natur der Umgebung beeinflußt wird, werden wir ſpäter noch
erfahren.


Da nun die Temperatur eines Leiterſtückes, alſo z. B. eines Drahtes, von
der Wechſelwirkung zwiſchen Wärmeerzeugung und Wärmeabgabe abhängt, ſo wird
der Draht eine deſto höhere Temperatur erhalten, je größer die Stromſtärke und
ſein Widerſtand und je kleiner ſein Emiſſionsvermögen und ſeine Oberfläche iſt. Werden
dieſe Bedingungen günſtig gewählt, ſo kann der Draht von dunkler Rothgluth
zu heller Weißgluth und endlich auch zum Schmelzen gebracht werden. Man
bringt daher einen dünnen Draht ſehr leicht zum Glühen, da einerſeits ſein Wider-
ſtand des geringen Querſchnittes wegen ein hoher und andererſeits die wärme-
abgebende Oberfläche von ſehr geringer Größe iſt.


Das Glühen von Drähten durch den galvaniſchen Strom kann leicht in
der Weiſe gezeigt werden, daß man die Poldrähte einer Batterie durch einen
nicht zu langen, dünnen Platin- oder Eiſendraht verbindet. Da unter ſonſt gleichen
Umſtänden die Wärmeentwicklung in einem Leiterſtücke zunimmt, wenn der
Widerſtand wächſt, man aber nur in dem Platindrahte Wärmeentwicklung wünſcht,
müſſen daher die Batteriedrähte hinlänglich ſtark genommen und auch der Wider-
ſtand in der Batterie möglichſt vermindert werden. Letzteres wird bekanntlich da-
durch erreicht, daß man großplattige Elemente verwendet oder, wenn ſolche nicht
zur Verfügung ſtehen, kleinplattige parallel ſchaltet. Nur dann gelingt es, die in
der Batterie erzeugte Elektricität möglichſt vollkommen nur in dem Platindrahte
in Wärme umzuſetzen. Die im gegebenen Stromkreiſe erzeugte Geſammtwärmemenge iſt
nämlich proportional dem in der Batterie verbrauchten Zinke; in den einzelnen
Theilen des Stromkreiſes iſt aber die Stromſtärke, wie wir früher geſehen haben,
[232] überall die gleiche. Folglich hängen die in den einzelnen Theilen des Stromkreiſes
erzeugten Wärmemengen nur von dem Widerſtande dieſer Theile ab. Will man
alſo nur in einem dieſer Theile eine kräftige Wärmeentwicklung haben, ſo muß
dieſer Theil einen großen Widerſtand beſitzen, während die Widerſtände aller
übrigen Theile des Stromkreiſes möglichſt klein gemacht werden müſſen.


Bei Beſprechung des Leitungswiderſtandes verſchiedener Körper haben wir
erfahren, das der Widerſtand eines Körpers auch von ſeiner Natur abhängt;
wir nannten den hiervon abhängigen Widerſtand den ſpecifiſchen. Da nun die Er-
wärmung von Körpern durch den galvaniſchen Strom unter ſonſt gleichen Um-
ſtänden vom Widerſtande überhaupt abhängt, muß ſie auch verſchiedene Grade
erreichen, wenn Drähte gleicher Dimenſionen, aber aus verſchiedenem Materiale,
verwendet werden. Daß dies auch in der That der Fall iſt, kann man in der
Weiſe zeigen, daß man aus lauter gleich langen und gleich ſtarken Stücken von
Platin- und Silberdraht (Pt und Ag) eine Kette derart zuſammenſetzt, daß von
Glied zu Glied das Metall gewechſelt wird (Fig. 141). Die beiden Enden werden
mit Klemmſchrauben K K verbunden, welche zur Aufnahme der Batteriedrähte
beſtimmt ſind. Da nun der ſpecifiſche Leitungswiderſtand des Platins ein größerer

Figure 140. Fig. 141.

Leiterkette.


iſt, als jener des Silbers, ſo werden die Platinſtücke ſtärker erhitzt werden, als
die Silberdrähte. Wird nun die Stromſtärke paſſend gewählt, ſo glühen die Platin-
drähte, während die Silberdrähte dunkel bleiben.


Die Wirkung galvaniſcher Ströme, Drähte zum Glühen oder Glühen und
Leuchten zu bringen, wird ſchon ſeit einiger Zeit in der Elektrotechnik benutzt.
Sie erhielt aber erhöhte Bedeutung durch die in den letzten Jahren erzielte Ver-
vollkommnung der Glühlichter. Bei Beſchreibung und Beſprechung dieſer (im zweiten
Theile dieſes Buches) werden wir auch ſehen, in welcher Weiſe man auf obige
Geſetze Rückſicht nahm.


Weiter oben wurde erwähnt, daß auf das Glühen der Drähte auch das
umgebende Medium Einfluß ausübt. Dieſe Erſcheinung beobachtete Grove in
folgender Weiſe. Er brachte einen Platindraht in der Luft zum Glühen und
ſtülpte dann über dieſen ein Gefäß, welches mit Waſſerſtoffgas gefüllt war; der
Draht hörte ſofort zu glühen auf. Dieſes Experiment kann auch in der Form
ausgeführt werden, daß man zwei genau gleiche Platindrähte in Gasröhren ein-
ſchmilzt, deren eine mit Luft, deren andere mit Waſſerſtoff oder auch mit einem
Kohlenwaſſerſtoffe (Hauptbeſtandtheile unſeres Leuchtgaſes) gefüllt iſt. In dieſen
Röhren wird dann der Platindraht, welcher in die mit Luf gefüllte Röhre ein-
[233] geſchmolzen iſt, ſchon bei einer Stromſtärke glühend werden, bei welcher der
Platindraht im Waſſerſtoffgaſe noch dunkel bleibt.


Außer der Erwärmung, die der galvaniſche Strom im ganzen Stromkreiſe
hervorbringt, macht ſich unter gewiſſen Umſtänden noch eine andere Wirkung auf
die Temperatur beſtimmter Stellen eines Stromkreiſes geltend. Diesbezügliche
Beobachtungen wurden zuerſt von Peltier gemacht.


Erwärmt man einen Stab, der zur Hälfte aus Wismuth W zur Hälfte
aus Antimon A (Fig. 142) beſteht, an jener Stelle, an welcher die beiden Metalle
zuſammengelöthet ſind, und verbindet die beiden freien Enden des Stabes durch
einen Draht, ſo circulirt durch das ganze Syſtem ein elektriſcher Strom; hierbei
bewegt ſich die poſitive Elektricität an der erwärmten Löthſtelle vom Wismuth
zum Antimon. Wird hingegen die Löthſtelle unter die Temperatur der Umgebung
abgekühlt, ſo entſteht ein Strom von entgegengeſetzter Richtung.


Figure 141. Fig. 142.

Peltier’s Verſuch.


Sendet man jedoch umgekehrt durch einen ſolchen Doppelſtab einen elek-
triſchen Strom, und zwar in der Richtung vom Wismuth zum Antimon, ſo wird
die Löthſtelle unter die Temperatur der Umgebung abgekühlt. Geht der Strom
aber in der Richtung vom Antimon zum Wismuth, ſo wird die Löthſtelle er-
wärmt.


Dieſe Erſcheinung zeigt ſich jedoch nicht nur an der Berührungsſtelle von
Wismuth und Antimon, ſondern bei allen Metallcombinationen, die überhaup
thermoelektriſch wirkſam ſind. Hierbei wird die Temperatur der Löthſtelle abgekühlt,
wenn der durch die Metallcombination geſandte Strom dieſelbe Richtung hat,
wie jener Thermoſtrom, der durch Erhitzen derſelben Löthſtelle entſtünde; die
Löthſtelle wird erwärmt, wenn ſie ein Strom paſſirt, der gleiche Richtung
hat mit jenem Thermoſtrome, der durch Abkühlung der Löthſtelle erregt würde.


Um dieſe Erſcheinungen zu zeigen, kann man den Verſuch in der durch
Fig. 142 angedeuteten Weiſe anordnen. Die freien Enden des Wismuth-Antimon-
ſtabes W A ſind durch Drähte mit den mittleren Näpfchen des Pohl’ſchen Gyro-
trops G verbunden. Die Drähte, die von den beiden vorderen Näpfchen des
Gyrotrops ausgehen, führen zu der Buſſole B und die beiden rückwärtigen Drähte
[234] zum Elemente E. Die beiden Verbindungsdrähte zwiſchen jenen Queckſilbernäpf-
chen, welche an den Enden der beiden Diagonalen liegen, ſind entfernt. Legt man
bei dieſer Anordnung den Bügel nach rückwärts um, ſo geht der Strom des
Elementes zum Umſchalter, dann durch den Wismuth-Antimonſtab, wieder zum
Umſchalter und von dort zum Elemente. Legt man jedoch den Bügel nach vorne
um (wie es die Figur darſtellt), ſo iſt hierdurch folgender geſchloſſener Stromkreis
hergeſtellt: Wismuth-Antimonſtab, Umſchalter, Buſſole, Umſchalter und abermals
Wismuth-Antimonſtab. Hierbei iſt der zuerſt angegebene Stromkreis unter-
brochen, wenn der letztere geſchloſſen iſt und umgekehrt. Läßt man nun bei der
erſten Stellung des Bügels den Strom des Elementes durch den Stab in der
Richtung vom Wismuth zum Antimon gehen, ſo wird die Löthſtelle unter die
Temperatur der Umgebung abgekühlt. Hierdurch wird in dem Stabe eine thermo-
elektriſche Differenz hervorgerufen; legt man nun den Bügel raſch nach vorne
um, ſo geht ein thermoelektriſcher Strom durch den zuletzt angegebenen Strom-

Figure 142. Fig. 143.

Peltier’s Kreuz.


kreis. Seine Exiſtenz und Richtung
erſieht man aus dem Ausſchlage der
Galvanometernadel. Die Abkühlung
der Löthſtelle durch einen in der
Richtung vom Wismuth zum Antimon
durchgeſandten Strom wird ſomit in
unſerem Verſuche durch den in Folge
der Abkühlung der Löthſtelle hervor-
gerufenen Thermoſtrom nachgewieſen.
In gleicher Weiſe kann auch die Er-
wärmung der Löthſtelle gezeigt werden,
wenn man den Strom des Elementes
in umgekehrter Richtung, alſo vom
Antimon zum Wismuth, durch den
Stab gehen läßt.


Auch im Peltier’ſchen Kreuz
(Fig. 143) wird die Erwärmung, be-
ziehungsweiſe Abkühlung durch einen
hindurch geſandten Strom in der
Weiſe gezeigt, daß man den in Folge der Temperaturdifferenz hervorgerufenen
Thermoſtrom durch eine raſch eingeſchaltete Buſſole beobachtet. Die beiden Stäbe
A und W aus Antimon und Wismuth werden in Form eines Kreuzes überein-
andergelegt und an ihrer Berührungsfläche zuſammengelöthet. Läßt man dann
den Strom eines Daniell-Elementes D durch Verbindung ſeiner Pole mit den
Stabenden a und b das Kreuz durchfließen, ſo daß der Strom vom Wismuth
zum Antimon geht (von D nach b, e, a und wieder D), ſo wird die Löthſtelle
e abgekühlt. Unterbricht man dann dieſen Stromkreis, ſo circulirt durch den die
Buſſole B enthaltenden Stromkreis d, e, c, B und d ein Thermoſtrom.


Die Erwärmung oder Abkühlung einer Löthſtelle in Folge eines durch ſie
geſandten galvaniſchen Stromes kann jedoch auch direct gezeigt werden, indem
man den Wismuth-Antimonſtab mit ſeiner Löthſtelle in die Kugel des Rieß’ſchen
Luftthermometers (ſiehe Seite 139) einſchließt. Wird die Löthſtelle abgekühlt, ſo
zieht ſich die Sperrflüſſigkeit in der Röhre gegen die Kugel zurück, wird die Löth-
ſtelle erwärmt, ſo tritt die umgekehrte Bewegung ein. Man muß bei dieſen Ex-
[235] perimenten nur darauf achten, daß der durch den Stab geſandte galvaniſche Strom
nicht zu ſtark iſt, weil ſonſt (nach dem Joule’ſchen Geſetze) eine Erwärmung ein-
tritt, wenn man in Folge des hier in Rede ſtehenden Verhaltens eines ſolchen
Doppelſtabes eine Abkühlung erwarten muß. Die Erwärmung wird zwar auch
dann nicht ſo ſtark ſein, als man nach dem Joule’ſchen Geſetze erwarten müßte,
wenn der Leiter nicht ein Doppelſtab wäre, ſondern aus einem homogenen Materiale
vom ſelben Widerſtande beſtünde, weil nur die Differenz beider Wirkungen ſicht-
bar würde, aber die überzeugende Klarheit des Experimentes ginge immerhin ver-
loren.


In überzeugender Weiſe wurde die Kälteerzeugung durch den galvaniſchen
Strom von Lenz demonſtrirt. Er löthete einen Wismuth- und einen Antimonſtab
in der Weiſe zuſammen, wie es in Fig. 142 dargeſtellt iſt, und bohrte in die
Löthſtelle eine kleine Vertiefung. Die Doppelſtange wurde dann in ſchmelzenden
Schnee gelegt und die Vertiefung mit Waſſer gefüllt. Als die Stange die Tem-
peratur von O Graden angenommen hatte, ließ Lenz den Strom eines Grove-
Elementes in der Richtung vom Wismuth zum Antimon durchgehen. Fünf Minuten
darauf zeigte ſich das Waſſer in der Vertiefung der Löthſtelle nicht nur voll-
kommen gefroren, ſondern ergab durch Meſſung ſogar eine Temperatur von
— 4·4°C.


Lichtwirkungen des galvaniſchen Stromes. Unterbricht man den
Schließungsbogen einer galvaniſchen Batterie an irgend einer Stelle, ſo leuchtet
an dieſer ein heller Funke auf ähnlich jenem, welchen wir bei der Beſprechung
der Lichtwirkungen durch Entladung einer Kleiſt’ſchen Flaſche kennen gelernt haben.
Man kann das Auftreten galvaniſcher Funken ſehr gut in der Weiſe zeigen, daß
man den einen Poldraht einer galvaniſchen Batterie mit einer Feile verbindet und
über dieſe mit dem andern Poldraht hinfährt. Der Funke iſt um ſo leichter zu
erhalten, je leichter die Metalle an der Unterbrechungsſtelle verdampfen oder ver-
brennen; letzteres tritt ein, wenn man mit dem einen Poldraht die mit dem
andern Poldraht verbundene Eiſenfeile ſtreicht, erſteres, wenn der eine Poldraht
in Queckſilber taucht und der andere aus dieſem herausgezogen wird. Die Farbe
des Funkens hängt von der Natur der Metalle ab, welche ſich an der Unter-
brechungsſtelle befinden. Der galvaniſche Funke wird jedoch nicht beobachtet, wenn
man den Stromkreis ſchließt. *) Dieſer Umſtand zeigt, daß ſein Entſtehen nicht
derſelben Urſache zuzuſchreiben iſt, als welche wir das Auftreten eines elektriſchen
Funkens bei Entladungsſchlägen einer Kleiſt’ſchen Flaſche kennen gelernt haben.
Der galvaniſche Funke iſt vielmehr eine Art galvaniſchen Glühens. Wir haben
erfahren, daß unter ſonſt gleichen Umſtänden ein vom Strome durchfloſſener Draht
deſto intenſiver glüht, je geringer ſein Querſchnitt wird. Eine ſolche Verringerung
des Querſchnittes tritt aber immer ein, wenn der Stromkreis einer galvaniſchen
Batterie unterbrochen wird. Man verringert hierbei den Querſchnitt immer mehr,
da immer weniger Stellen ſich leitend berühren und ſchließlich gerathen die wenigen
ſich noch berührenden Theilchen zum Glühen, Verbrennen oder Verdampfen; die
verbrennenden oder verdampfenden Theilchen bilden dann den galvaniſchen Funken.
In dieſer Weiſe iſt es auch erklärlich, daß beim Schließen eines Stromkreiſes
kein Funke ſichtbar wird.


[236]

Dieſes Verhalten galvaniſcher Batterien iſt jedoch kein ansnahmsloſes. Auch
ſie können in der Schlagweite auftretende Funken geben wie eine Kleiſt’ſche Flaſche,
wenn nur die Dichtigkeit der Elektricitäten an der Unterbrechungsſtelle des Schließungs-
bogens eine hinreichende Größe erlangt. Dies kann aber durch Anwendung ſehr
vielelementiger Batterien erreicht werden. So erhielt Croſſe Funken an der
Unterbrechungsſtelle einer Batterie von 1626 Kupfer-Zink-Elementen. Gaſſiot ſah
tagelang Funken überſpringen an der Unterbrechungsſtelle einer ähnlichen Batterie
von 3520 Elementen; die den Schließungsbogen unterbrechende Luftſtrecke war
hierbei 0·25 Millimeter lang.


Continuirliche Funken können jedoch noch in anderer Weiſe, und zwar ohne
Anwendung ſo großer Batterien wie die vorhin erwähnten, erhalten werden, indem
man die Enden des Schließungsbogens einer kräftigen Batterie miteinander zur
Berührung bringt, dann wieder trennt und nach Eintreten des Unterbrechungs-
funkens die beiden Enden in geringer Entfernung voneinander erhält. Der gal-
vaniſche Strom geht dann continuirlich durch die Unterbrechungsſtelle und erzeugt
jene brillante Lichterſcheinung, die unter den Namen des Davy’ſchen Lichtbogens
oder Voltabogens bekannt iſt. Der erſte, welcher dieſe Erſcheinung beobachtete,
dürfte wohl Davy geweſen und als Zeitpunkt der erſten Beobachtung (nach Syl-
vanus Thomſon) das Jahr 1802 anzunehmen ſein. Davy verſah die Polenden
einer Batterie von 2000 Elementen mit Kohlenſtäbchen und brachte dieſe nach vor-
hergegangener Berührung wieder voneinander; es enſtand ein Lichtbogen von
hellſtem Glanze. Derſelbe dauerte fort, auch wenn die Stäbchen bis zu 10 Centi-
meter voneinander entfernt wurden. Um den Lichtbogen zu erzeugen, iſt jedoch
nicht die Anwendung einer ſo großen Batterie erforderlich; er entſteht vielmehr
ſchon bei Benutzung von 20 bis 30 Grove’ſchen oder Bunſen’ſchen Elementen.


Die Länge des Bogens, alſo die Diſtanz, bis auf welche die Kohlen von-
einander entfernt werden können, hängt bei Anwendung desſelben Stromes auch
von der Umgebung des Bogens weſentlich ab. Der von Wiedemann zur Unter-
ſuchung dieſer Verhältniſſe angegebene Apparat iſt in Fig. 144 abgebildet. Er
beſteht aus einer dreifach tubulirten Glasglocke G, welche auf den Teller T einer
Luftpumpe luftdicht aufgeſetzt werden kann. In den oben angebrachten Tubulus
iſt ein Hahn H gekittet, durch welchen der Innenraum der Glocke in oder außer
Verbindung mit der äußeren Luft geſetzt werden kann; der Hahn kann auch zur
Einleitung verſchiedener Gaſe dienen. Durch die beiden ſeitlichen Tubuli ſind
Metallſtäbe a und b geführt, welche an den einander zugekehrten Enden im Innern
der Glocke mit Metallklemmen zur Aufnahme der Kohlenſtifte oder anderer Körper
verſehen ſind. Der Stab a geht durch eine Stopfbüchſe S und trägt eine Theilung,
um die Entfernung beider Spitzen voneinander meſſen zu können. Verdünnt man
mit Hilfe einer Luftpumpe die Luft in der Glocke, ſo können unter ſonſt gleich
bleibenden Umſtänden die beiden Spitzen ohne den Bogen zu unterbrechen weiter
voneinander entfernt werden, als wenn die Glocke mit Luft unter dem gewöhnlichen
Atmoſphärendrucke gefüllt iſt. Davy verdünnte z. B. die Luft bis auf einen Druck
von 6 Millimeter Queckſilberſäule (gegen 760 des gewöhnlichen Luftdruckes)
und vergrößerte dadurch unter Anwendung ſeiner 2000elementigen Batterie den
Lichtbogen von 11 bis zu 18 Centimeter.


Auf die Größe des Lichtbogens übt auch die Anzahl der ſtromliefernden
Elemente Einfluß aus; der Bogen wird länger, wenn die Zahl der Elemente
vermehrt wird. Deprez fand, daß hierbei der Lichtbogen ſchneller wächſt als die
[237] Zahl der Elemente, daß dieſer Zuwachs ſtärker iſt für kleine Bogen als für große,
daß ein längerer Lichtbogen erhalten wird, wenn bei verticaler Anordnung der
Kohlen ſich der poſitive Pol oben [befindet], als wenn der negative dieſe Stelle
einnimmt.


Einen ſehr erheblichen Einfluß auf die Größe des Voltabogens äußert auch
das Material, aus welchem die Elektroden gefertigt werden. Man beobachtet näm-
lich, daß, je leichter flüchtig dieſes iſt, deſto leichter auch der Bogen entſteht.
Schwer iſt er herzuſtellen zwiſchen Platinelektroden, weniger ſchwierig zwiſchen
Elektroden aus leicht flüchtigen Metallen, wie z. B. Zink, am längſten wird er
aber bei Anwendung von Kohlen, die mit leicht flüchtigen Salzlöſungen getränkt
ſind. So erhielt Caſſelmann mit 44 Bunſen-Elementen einen 4·5 Millimeter

Figure 143. Fig. 144.

Voltabogen.


langen Bogen, wenn er rohe Kohlenſpitzen anwandte, erreichte aber die doppelte
Länge, wenn die Kohlen mit Kalilauge getränkt waren.


Dieſes Verhalten weiſt ſchon darauf hin, daß durch den Bogen eine Ver-
flüchtigung der Elektroden bewirkt werden muß. Wird der Bogen in freier Luft
erzeugt, ſo rührt die Abnahme der Elektroden zum Theile von der Verbrennung
her; dieſe iſt aber nicht ausreichend für die Größe der Abnahme. Es tritt die Ab-
nahme vielmehr auch dann ein, wenn der Bogen in einem mit Stickſtoff gefüllten
Raume glüht. Man kann überdies das Verhalten der Elektroden wägend ver-
folgen; dabei zeigt ſich dann, daß die poſitive Elektrode bedeutend raſcher abnimmt
als die negative, ja dieſe ſogar häufig an Gewicht zunimmt, wenn der Verſuch
im luftleeren oder mit Stickſtoff gefüllten Raume ausgeführt wurde. Es muß
folglich durch den Lichtbogen ein Transport glühender Theilchen von der poſitiven
zur negativen Elektrode bewirkt werden.


Erzeugt man mit Hilfe einer Sammellinſe ein Bild des Lichtbogens, wie
ſolches Fig. 145 zeigt, ſo erſieht man aus demſelben, daß die beiden Kohlen kurze
[238] Zeit nach Entſtehen des Bogens ein voneinander verſchiedenes Ausſehen gewinnen.
Die poſitive Kohlenelektrode höhlt ſich kraterförmig aus und bildet eine kleine
Sonne, welche an 65 Procent der ganzen Lichtmenge nach Richtungen ausſtrahlt,
die der Wölbung des Kraters entſprechen. Die negative Elektrode bleibt nahezu
ſpitz und ſendet daher ihre Lichtſtrahlen nach allen Richtungen. Auf beiden Kohlen
erſcheinen mitunter glänzende Kügelchen g, die von den mineraliſchen Verunreinigungen
der Kohlen herrühren, daher fehlen, wenn letztere aus reinem Kohlenſtoff beſtehen.


Da ein Fortführen glühender Theilchen größtentheils nur von der
poſitiven Elektrode aus ſtattfindet, iſt es begreiflich, daß für die Länge des Bogens
auch der Hauptſache nach nur die poſitive Elektrode maßgebend iſt. Verſuche haben

Figure 144. Fig. 145.

Bild des Voltabogens.


in der That gezeigt, daß der Bogen allerdings
leicht vergrößert werden kann, wenn man die po-
ſitive Elektrode aus leicht zu verflüchtigendem
Materiale macht, daß hingegen die Anwendung
dieſes Materiales auch zur Anfertigung der negativen
Elektrode den Bogen kaum merkbar vergrößert.
Wird aber die poſitive Elektrode aus ſchwer flüch-
tigem, die negative aus leicht flüchtigem Materiale
gefertigt, ſo entſteht der Bogen zwiſchen beiden
nahezu ebenſo ſchwierig, als wenn beide Elektroden
aus dem ſchwer flüchtigen Materiale beſtünden.


Daß auch von der negativen Elektrode,
wenngleich in verhältnißmäßig unbedeutender Menge,
Theilchen abgeriſſen und fortgeſchleudert werden,
hat Breda ſowohl durch Anwendung zweier ver-
ſchiedener Metalle ſichtbar gemacht, als auch durch
Wägungen bewieſen.


Der Voltabogen iſt ſomit ein Strom glühen-
der Elektrodentheilchen, die zumeiſt in der Richtung
von der poſitiven zur negativen Elektrode gehen.


Die außerordentliche Lichtſtärke des Lichtbogens
und die Verflüchtigung ſelbſt der am ſchwerſten
flüchtigen Metalle durch denſelben zeigt, daß ſeine
Temperatur eine ſehr hohe, vielleicht die höchſte iſt,
die wir zu erzeugen im Stande ſind. Nicht nur
Metalle, wie Eiſen, Zink, Kupfer u. ſ. w. ver-
brennen im Voltabogen mit lebhaftem Glanze,
ſondern ſogar die Kohle wird zum Theil verflüchtigt. Bei Anwendung von
Kohlenſpitzen im luftleeren Raume fand Deprez den Kohlendampf an der Innen-
fläche der Glasglocke kryſtalliniſch condenſirt. Kleine Kohlenſtücke wurden durch
den Lichtbogen aneinandergeſchweißt.


Läßt man den Bogen einige Zeit zwiſchen Kohlenſpitzen übergehen und
unterbricht dann den Strom, ſo erſcheint die poſitive Elektrode weißglühend,
während die negative Kohle kaum rothglühend iſt. Erzeugt man den Bogen zwiſchen
Queckſilber und einem Metalldrahte und bildet letzterer den poſitiven Pol, ſo glüht
ein größeres Stück desſelben lebhaft; dient aber das Queckſilber als poſitiver Pol,
ſo bleibt der Draht dunkel, während das Queckſilber ſich ſtark erhitzt und ver-
dampft. Dieſe Verſuche lehren, daß die Wärmeentwicklung an den beiden Elektroden
[239] eine verſchieden große iſt; die poſitive Elektrode zeigt nämlich eine bedeutend höhere
Temperatur als die negative. Roſetti hat bei Anwendung einer Bunſen’ſchen
Batterie von 160 Elementen und einer Duboscq’ſchen Lampe die Temperatur
zwiſchen beiden Kohlenſpitzen zu 2500 bis 3900° C. gefunden. Hierbei hatte die
poſitive Kohle 2400 bis 3900 und die negative 2138 bis 2530° C. Der mit acht bis
zehn Bunſen’ſchen Elementen und einer Lampe von Reynier erzeugte Bogen erreichte
an der poſitiven Kohle eine Temperatur von 2406 bis 2734° C. Wenn trotzdem
als ein Vorzug des elektriſchen Lichtes vor den übrigen Beleuchtungsarten auch
der angegeben wird, daß die übermäßige Erhitzung der Locale vermieden erſcheint,
ſo ſteht dies keineswegs mit den eben gemachten Zahlenangaben im Widerſpruche,
denn die wärmeausſtrahlende Fläche des elektriſchen Lichtes iſt im Verhältniſſe zu
der anderer Lichter ſo klein, daß die Geſammtwärmemenge des erſteren hinter jener
der letzteren weit zurückbleibt. Siemens fand, daß ein elektriſches Licht von
4000 Kerzen Helligkeit 142·5 Wärmeeinheiten per Minute erzeugt. Will man
dieſelbe Lichtmenge durch Gasflammen erhalten, ſo bedarf man 200 Argandbrenner,
welche 15.000 Wärmeeinheiten erzeugen. Das elektriſche Licht bringt alſo ungefähr
nur 1 Procent der Wärme hervor, welche durch eine gleich helle Gasbeleuchtung
hervorgerufen würde.


Mit der Erzeugung hoher Temperaturen iſt natürlich auch eine außer-
gewöhnlich ſtarke Lichtentwicklung verbunden. Dieſe iſt unter ſonſt gleichen Bedin-
gungen abhängig von der Länge des Bogens und nimmt zu, wenn letzterer von
1 auf 5 Millimeter verlängert wird, von 547 auf 1140 Kerzen Lichtſtärke.
Wichtig für die praktiſche Anwendung des elektriſchen Lichtes iſt die Richtung, in
welcher die Lichtſtrahlen ausgehen; während bei Anwendung vertical übereinander
angeordneter Kohlen die obere zur poſitiven Elektrode gemacht, der größte Theil des
Lichtes von der oberen Kohle ausgeht und wegen der früher erwähnten Krater-
bildung nach einer begrenzten Anzahl von Richtungen aber größtentheils nach
unten geſendet wird, ſtrahlt der Bogen die Hauptmenge des Lichtes nach oben aus,
wenn man die untere Kohle zur poſitiven Elektrode macht. Ueberhaupt geht bei
jeder beliebigen Stellung der beiden Elektroden ſtets die Hauptmaſſe des Lichtes
in der Richtung von der poſitiven nach der negativen Elektrode zu aus. Es iſt
begreiflich, daß dieſer Umſtand bei der Aufſtellung elektriſcher Lampen wohl be-
achtet werden muß.


Foucault und Fizeau maßen die Lichtſtärke und gelangten hierbei zu
nachſtehendem Reſultate: Nimmt man die Lichtintenſität der Sonne als Einheit
an, ſo iſt jene des elektriſchen Lichtes gleich 0·5, des Drummond’ſchen Kalklichtes =
0·0066 und des Mondes = 0·000003. Dieſe Zahlen geben nur einen annähernden
Begriff von dem Verhältniſſe der Lichtſtärken der vier benannten Lichtquellen. Auf
Genauigkeit können ſie umſoweniger Anſpruch erheben, als die Methode der
Vergleichung keine einwurfsfreie war. Zur Vergleichung der Intenſitäten des elek-
triſchen und des Sonnenlichtes wurden nämlich durch gleich große Oeffnung
Strahlenbüſchel beider Lichtquellen nach erfolgter Concentrirung durch Sammel-
linſen auf eine Daguerre’ſche Platte wirken gelaſſen und dabei beobachteten die
beiden Forſcher die Zeiten, welche die beiden Strahlenbüſchel brauchten, um auf
der Platte denſelben Eindruck hervorzurufen. Die Zeiten wurden dann umgekehrt
proportional den Lichtintenſitäten geſetzt. Dies iſt aber nur eine Vergleichung der
chemiſch wirkſamen Strahlen, und da das elektriſche Licht an dieſen relativ reicher
iſt als das Sonnenlicht, iſt die Aufſtellung obiger Proportionalität nicht zuläſſig.


[240]

Der relative Reichthum des elektriſchen Lichtes an chemiſch wirkſamen Strahlen,
als welche namentlich die violetten gelten, wurde auf ſpectralanalytiſchem Wege
nachgewieſen. Bekanntlich beſteht das Sonnenlicht, welches wir als weißes Licht
bezeichnen, aus Lichtſtrahlen aller Farben und bewirkt eben nur die Geſammtheit
aller dieſer Strahlen den Eindruck des weißen Lichtes. Das Auge kann die farbigen
Beſtandtheile desſelben nicht voneinander getrennt ſehen, wohl aber kann man
irgend einen Lichtſtrahl in ſeine farbigen Beſtandtheile auflöſen, wenn man ihn
durch einen Glaskeil (Prisma) gehen läßt. Dieſes zeigt dann durch Ausbreitung
der Farben nebeneinander deutlich, welche Lichtſtrahlen eine Lichtquelle ausſendet
und welche nicht. Dieſe Methode der Unterſuchung einer Lichtquelle nennt man
eben Spectralanalyſe. Bringt man verſchiedene Körper in Dampfform zum Glühen
und unterſucht dann ſpectralanalytiſch die Lichtſtrahlen, welche dieſe Dämpfe aus-
ſenden, ſo giebt jeder Körper ein anderes für ihn charakteriſtiſches Farbenbild oder
Spectrum. Unterſucht man in dieſer Weiſe das elektriſche Licht, ſo erhält man das
für die chemiſche Beſchaffenheit der Elektroden charakteriſtiſche Spectrum und dies
iſt neuerdings eine Beſtätigung dafür, daß der Voltabogen im Weſentlichen eine
Glüherſcheinung iſt.


Bringt man die Elektroden, nachdem ſie ſich berührt haben, auseinander, ſo
tritt zunächſt der Oeffnungsfunke auf. Durch fortwährende Verringerung der ſich
berührenden Flächen wird, wie oben auseinandergeſetzt wurde, der Querſchnitt des
Schließungsbogens an der Unterbrechungsſtelle ſchließlich ſo weit verringert, daß
die ſich noch berührenden Elektrodentheilchen in Gluth gerathen und durch den
Strom abgeriſſen werden. Entfernt man nun die beiden Elektroden ein klein
wenig voneinander, ſo bilden dieſe mitgeriſſenen glühenden Elektrodentheilchen eine
Brücke zwiſchen beiden Elektroden, und der Strom kann durch dieſen, wenngleich
ſchlechten Leiter immerhin durchgehen. Das Abreißen der Theilchen, einmal durch
den Unterbrechungsfunken eingeleitet, dauert dann fort und erhält ſich um ſo leichter,
je leichter die Elektrodentheilchen abgeriſſen werden können oder, mit anderen Worten,
man kann die Elektroden, um ſo weiter voneinander entfernen, ohne den Strom zu
unterbrechen, je leichter flüchtig das Materiale der Elektroden iſt. Ueberſchreitet
man jedoch eine gewiſſe Entfernung, ſo vermögen die Elektrodentheilchen nicht mehr
von der einen bis zur andern Elektrode zu fliegen und der Strom wird unter-
brochen; dann erliſcht der Bogen und kann erſt nach vorhergegangener Berührung
beider Elektroden wieder hervorgerufen werden. Wird der Strom durch Oeffnung
des Schließungsbogens an einer andern Stelle unterbrochen, ſo wird der Lichtbogen
zwiſchen den beiden Elektroden natürlich auch erlöſchen und nach wiedererfolgter
Schließung erſt dann neuerdings wieder hergeſtellt werden können, wenn man die
Elektroden abermals zur Berührung bringt. Eine Ausnahme von dieſem Verhalten
tritt nur dann ein, wenn die Unterbrechung des Stromes äußerſt kurze Zeit dauert,
weil dann die Elektroden noch in voller Gluth ſind und glühende Theilchen aus-
ſenden. Le Roux fand, daß die Zeitdauer, welche hierbei nicht überſchritten
werden darf, 1/25 einer Secunde beträgt.


Man erſieht überdies auch daraus, daß der Strom nicht aufhört, wenn der
Lichtbogen gebildet iſt, daß dieſer den Strom leiten muß, ja der Widerſtand des
Lichtbogens ſcheint überhaupt kein ſehr bedeutender zu ſein. Die Angaben, welche
von verſchiedenen Seiten über die Größe des Widerſtandes gemacht wurden,
weichen ſehr beträchtlich voneinander ab; es hat dies ſeinen Grund in einem Ver-
halten des Lichtbogens, das wir nachher noch kennen lernen werden. Siemens ver-
[241] anſchlagt den Widerſtand auf 1 Siemenseinheit, Schellen auf 30 bis 40, Hagenbach
fand 4·75, Uppenborn bei gewöhnlichen Lichtern 2 und bei kleinen Bogenlichtern
gleich 4 Siemenseinheiten. Verſuche, welche Edlund bei verſchiedener Länge des
Voltabogens anſtellte, ergaben nachſtehende Reſultate:


  • Für eine Bogenlänge von 2 Millimeter, den Widerſtand zu 7·8
  • „ „ „ „ 1·6 „ „ „ „ 7·6
  • „ „ „ „ 1·2 „ „ „ „ 7·3
  • „ „ „ „ 0·8 „ „ „ „ 7·1
  • „ „ „ „ 0·4 „ „ „ „ 6·9

Dieſe Verſuche zeigen, daß der Widerſtand nicht direct von der Länge des
Lichtbogens abhängt, daß vielmehr noch eine andere Urſache vorhanden ſein muß,
welche die bei den Verſuchen beobachtete Stromſchwächung herbeiführt. Man fand
dieſe Urſache in der Wirkung einer elektromotoriſchen Kraft, welche im Lichtbogen
durch dieſen ſelbſt hervorgerufen wird und welche der elektromotoriſchen Kraft des
galvaniſchen Stromes, der den Lichtbogen bildet, entgegenwirkt. Das Auftreten
dieſer elektromotoriſchen Gegenkraft, welche nicht als ſolche, ſondern als Widerſtand
gemeſſen wurde, iſt eben eine jener Urſachen, welche zur Angabe ſo ſehr voneinander
verſchiedener Werthe für den Widerſtand des Voltabogens führte, wie ſie oben
mitgetheilt wurden.


Edlund hat das Auftreten der elektromotoriſchen Gegenkraft direct nach-
gewieſen durch Benutzung des bereits erwähnten Umſtandes, daß der Lichtbogen
nach Unterbrechung des ihn erzeugenden Stromes nicht ſofort erliſcht. Edlund
brachte nämlich an den beiden Kohlen eine Nebenſchließung an, in welche eine
Buſſole eingeſchaltet war. Die Nebenſchließung wurde dann im ſelben Momente her-
geſtellt, in welchem man den den Lichtbogen erzeugenden Strom unterbrach. Kräftige
Ausſchläge der Magnetnadel verrathen dann den durch den Lichtbogen hervor-
gerufenen Gegenſtrom.


Die chemiſchen Wirkungen des galvaniſchen Stromes. Schon wiederholt
hatten wir im Laufe unſerer Betrachtungen Gelegenheit, chemiſcher Wirkungen der
Elektricität zu gedenken. Die Zerlegung gasförmiger Verbindungen in einfache
Gaſe oder umgekehrt die Bildung gasförmiger Verbindungen aus einfachen Gaſen,
die Ausſcheidung von Jod aus ſeiner Verbindung mit Kalium, ja ſelbſt das
Niederſchlagen von Kupfer aus der Löſung ſeines ſchwefelſauren Salzes — alle
dieſe chemiſchen Wirkungen iſt ſchon der elektriſche Funke einer Elektriſirmaſchine im
Stande hervorzurufen. Am auffälligſten und kräftigſten treten aber die genannten
Erſcheinungen hervor, wenn die Elektricität in der Form zur Anwendung gelangt,
in welcher ſie von galvaniſchen Batterien (oder ſpäter zu beſchreibenden elektriſchen
Maſchinen) geliefert wird. Deshalb ſoll ihnen auch an dieſer Stelle größere Auf-
merkſamkeit geſchenkt werden.


Carlisle tauchte einſt (1800) einen Kupferdraht, der von einem Pole ſeiner
Voltaſäule ausging, in einen Tropfen Waſſer, welcher auf der Schlußplatte des
andern Poles ſich befand. Im Waſſertropfen entwickelten ſich Gasbläschen und
der Tropfen ſelbſt wurde immer kleiner. Dieſer Verſuch wurde dann in der Weiſe
wiederholt, daß Carlisle die zwei Meſſingdrähte, welche von den Polen einer
Säule ausgingen, in eine mit Waſſer gefüllte und oben verſchloſſene Röhre führte.
Nun entwickelten ſich an jenem Drahte, welcher mit dem negativen Pole der Säule
in Verbindung ſtand, Gasbläschen, während das Waſſer in der Röhre ſank. Am
Urbanitzky: Elektricität. 16
[242] poſitiven Poldrahte hingegen zeigte ſich keine Gasentwicklung, dafür verlor aber
das Meſſing ſeinen Glanz, wurde ſchwarz und zerfiel ſchließlich. Das Gas, welches
ſich während dieſer Zeit in der Röhre angeſammelt hatte, erwies ſich bei weiterer
Prüfung als reines Waſſerſtoffgas. Die Unterſuchung des ſchwarz gewordenen und
ſchließlich zerfallenen Drahtes ergab, daß bei dieſem die beiden Beſtandtheile des
Meſſings, nämlich Kupfer und Zink, ſich oxydirt, d. h. mit Sauerſtoff verbun-
den hatten.


Um nun auch den Sauerſtoff gasförmig zu erhalten, wurden Drähte aus
Platin, alſo aus einem Metall benutzt, welches durch den Sauerſtoff nicht oxydirt
wird. Jetzt entwickelten ſich an beiden Drähten Gasblaſen. Sie wurden nun ge-

Figure 145. Fig. 146.

Waſſerzerſetzungs-Apparat.


trennt aufgefangen, indem man über jeden Draht
ein Glasrohr ſtülpte, und dabei zeigte ſich, daß
an jenem Drahte, an welchem ſich Waſſerſtoff
ausſchied, doppelt ſo viel Gas entſtand, als an
dem, an welchem der Sauerſtoff frei wurde. Da
nun das Waſſer genau aus zwei Volumen Waſſer-
ſtoff und einem Volumen Sauerſtoff beſteht und
in eben dieſem Verhältniſſe die beiden Gaſe
durch den Strom aus dem Waſſer ausgeſchieden
werden, ſo ergiebt ſich daraus, daß der gal-
vaniſche Strom das Waſſer in ſeine beiden
Beſtandtheile zerlegt. Hierbei erfolgt die Zer-
legung jederzeit in der Art, daß ſich der Waſſer-
ſtoff an dem mit dem negativen Pole in Ver-
bindung ſtehenden Drahtende ausſcheidet und der
Sauerſtoff an dem poſitiven Drahtende.


Um die Zerſetzung des Waſſers durch den
galvaniſchen Strom bequem ausführen zu können,
bedient man ſich verſchiedener Apparate. Einer
derſelben iſt in Fig. 146 abgebildet. Das trichter-
förmige Glasgefäß A A iſt unten durch einen
Pfropf verſchloſſen, durch welchen iſolirt zwei
Drähte geführt ſind. Die einen Enden dieſer
Drähte ſtehen mit den Klemmen K K in Ver-
bindung, die anderen Enden tragen die Platin-
bleche p p. Ueber dieſe ſtülpt man die beiden
Glasröhren B B, welche durch die am Stative C
befeſtigten Klemmen in ihrer Lage erhalten werden. Die Röhren ſind nach Volum-
theilen getheilt und oben mit Glashähnen verſehen. Setzt man bei letzteren durch
Vermittlung zweier Kautſchukſtückchen das Glasrohr a an, ſo kann bei geöffneten
Hähnen das Waſſer leicht in die Röhren geſaugt werden. Da chemiſch reines Waſſer
dem Durchgange des galvaniſchen Stromes einen ſo bedeutenden Widerſtand ent-
gegenſetzt, daß man es eigentlich als Nichtleiter zu betrachten hat, verſetzt man es
zum Behufe der Waſſerzerſetzung mit Schwefelſäure. Dieſe, auch in noch ſo geringer
Menge zugemiſcht, verringert den Widerſtand des Waſſers gleich ganz erheblich.


Um eine bequeme und überſichtliche Ausdrucksweiſe zu gewinnen, hat Faraday
eine Reihe von Benennungen vorgeſchlagen, die auch ſeither allgemein gebraucht
werden. Man nennt jene Drähte, welche den Strom in das Waſſer einführen,
[243] beziehungsweiſe aus demſelben ableiten, Elektroden, und zwar poſitive Elektrode
oder Anode jenen Draht, an welchem ſich der Sauerſtoff abſcheidet, negative
Elektrode oder Kathode jenen, an welchem ſich der Waſſerſtoff entwickelt, oder
allgemein bezeichnet man als Anode jenen Draht, durch welchen der poſitive Strom
in die Flüſſigkeit eintritt und als Kathode jenen Draht, durch welchen er die
Flüſſigkeit verläßt. Den Zerſetzungsproceß ſelbſt nennt man Elektrolyſe und den
Körper, welcher zerſetzt wird, einen Elektrolyten. Die Zerſetzungsproducte heißen
Jonen, und zwar jenes, welches ſich an der Kathode ausſcheidet, poſitives Jon
oder Kathion und das, welches ſich an der Anode ausſcheidet, negatives Jon
oder Anion.


Vollkommen reines Waſſer zu elektrolyſiren, iſt äußerſt ſchwierig, weil der
galvaniſche Strom durch dieſes kaum hindurchzubringen iſt. Einige Tropfen Schwefel-
ſäure genügen jedoch, um dieſe Schwierigkeit zu beſeitigen, immerhin müſſen aber
zur Waſſerzerſetzung mindeſtens zwei Elemente in Verwendung kommen; ein Element
kann dieſelbe wegen der hierbei auftretenden Polariſation der Elektroden, einer
ſpäter zu erklärenden Erſcheinung, nicht bewirken. Beobachtet man aber dieſe Um-
ſtände, ſo gelingt die Zerlegung des Waſſers ſehr leicht und erfolgt immer in der
Weiſe, daß für je ein Volumen Sauerſtoff nahezu genau zwei Volumen Waſſerſtoff
ausgeſchieden werden. Der Sauerſtoff entwickelt ſich an der Anode, bildet daher
das negative Jon oder Kathion und der Waſſerſtoff das Anion.


Die Umſtände, welche die Genauigkeit des Volumverhältniſſes, in dem die
beiden Gaſe ausgeſchieden werden, beeinträchtigen, ſind theils im Verhalten des
Waſſers zu den Gaſen, theils im Verhalten der Schwefelſäure während der Elek-
trolyſe zu ſuchen. Das Waſſer beſitzt nämlich ein größeres Abſorptionsvermögen
für den Sauerſtoff als für das Waſſerſtoffgas; es wird daher mehr Sauerſtoff
löſen als Waſſerſtoff und dadurch das genaue Verhältniß der Volumina zueinander
ſtören. Iſt das Waſſer ſtark mit Schwefelſäure angeſäuert, ſo erleidet der Sauer-
ſtoff noch eine weitere Verminderung ſeines Volumens dadurch, daß er zum Theile
in eine andere Modification übergeht, die man mit dem Namen Ozon bezeichnet.
In dieſer Form tritt der Sauerſtoff immer auf, wenn durch die Luft hindurch
elektriſche Entladungen ſtattfinden. Das Ozon bildet ſich daher auch beim Ueber-
ſchlagen von Funken aus dem Conductor einer Elektriſirmaſchine oder beim Ent-
laden von Kleiſt’ſchen Flaſchen u. ſ. w. Elektriſirt man Sauerſtoff oder Luft in
einer etwa durch Queckſilber abgeſchloſſenen Röhre, ſo beobachtet man eine Volums-
verminderung des Gaſes; es tritt, wie man ſich auszudrücken pflegt, eine Contraction
ein. Der gewöhnliche Sauerſtoff geht gewiſſermaßen in einen concentrirten Zuſtand
über, bei gleichzeitiger Steigerung ſeiner chemiſchen Kraft. Sobald daher im Waſſer-
zerſetzungs-Apparate Ozonbildung eintritt, muß auch das Volumen des ausgeſchiedenen
Sauerſtoffes vermindert werden.


Der Sauerſtoff kann aber noch eine weitere Verminderung erfahren. Nach
Verſuchen von Meidinger und Schönbein tritt bei der Elektrolyſe des Waſſers ſtets
auch eine höhere Oxydationsſtufe des Waſſerſtoffes, nämlich Waſſerſtoffſuper-
oxyd
*) auf, ſobald ſich Ozon bildet. Dies muß daher natürlich eine weitere Ver-
16*
[244] minderung des Sauerſtoffes zur Folge haben. Nach Meidinger kann bei ſehr
hohem Schwefelſäuregehalt der Verluſt an Sauerſtoff durch Bildung von Waſſer-
ſtoffſuperoxyd bis zu 0·6 Procent ſteigen.


Säuert man jedoch das zur Elektrolyſe benutzte Waſſer nur ſchwach an, ſo
findet die Ausſcheidung von Sauerſtoff und Waſſerſtoff faſt genau im Verhältniſſe
von 1 zu 2 ſtatt. Vielfältig ausgeführte Experimente haben gezeigt, daß die Menge
des zerſetzten Waſſers, oder was dasſelbe iſt, die Größe des geſammten Gas-
volumens ſtets mit der Stärke des zur Elektrolyſe angewandten Stromes zu- oder
abnimmt. Man fand deshalb in der Zerſetzung des Waſſers durch den galvaniſchen
Strom ein Mittel, deſſen Stärke zu meſſen. Solche elektrolytiſche Apparate, welche
zur Meſſung von Stromſtärken Verwendung finden, nennt man Voltameter. Bei
dieſen hat es natürlich keinen Zweck, die beiden Gaſe getrennt aufzufangen, es

Figure 146. Fig. 147.

Voltameter.


genügt vielmehr zur Anſamm-
lung beider eine Röhre. In
dieſer ſammelt ſich dann das
Knallgas, ſo heißt nämlich das
Gemenge von 1 Volumen Sauer-
ſtoff mit 2 Volumen Waſſer-
ſtoff, an und wird gemeſſen.
Ein derartiges Voltameter iſt
in Fig. 147 abgebildet. Eine
Glasflaſche mit weitem Halſe iſt
durch einen Kautſchukpfropfen
oder einen eingeſchliffenen Glas-
ſtöpſel verſchloſſen, durch welchen
zwei außen mit Drahtklemmen
verſehene Drähte führen; dieſe
enden in zwei Platinſtreifen als
Elektroden. Der Stöpſel iſt in
der Mitte durchbohrt, um das
Gasentbindungsrohr aufzuneh-
men. Letzteres mündet dann
unter Waſſer in die graduirte
Meßröhre. Sobald die beiden
Klemmſchrauben mit den Batteriedrähten in Verbindung geſetzt werden, beginnt
die Zerſetzung des Waſſers in der Flaſche und die in Form vieler Bläschen auf-
ſteigenden Gaſe gelangen durch das Gasentbindungsrohr in die Meßröhre.


Das Waſſer iſt jedoch nicht der einzige Körper, der durch den galvaniſchen
Strom in ſeine Beſtandtheile zerlegt wird; der Strom zerſetzt vielmehr alle
flüſſigen, geſchmolzenen oder gelöſten Verbindungen, wenn dieſe nur überhaupt den
Strom leiten. Zunächſt können die Oxyde, welche mit dem Waſſer bezüglich der
Art ihrer Zuſammenſetzung große Aehnlichkeit haben, in Sauerſtoff und den zweiten
Beſtandtheil zerlegt werden. So haben wir in der Geſchichte der Elektricität bereits
gehört, daß es Davy gelungen ſei, auf elektrolytiſchem Wege Kalium und Natrium
aus den betreffenden Oxyden darzuſtellen. Davy erhitzte z. B. Kaliumoxyd in
einem Platinlöffel zum Schmelzen, benutzte letzteren als Anode und ſteckte in das
geſchmolzene Kaliumoxyd einen Platindraht als Kathode. Es entwickelte ſich Sauer-
ſtoff an der Anode und an der Kathode wurde metalliſches Kalium ausgeſchieden,
[245] was aber allerdings ſofort verbrannte. Jedoch gelang es Davy, auch Kalium in der
Weiſe zu erhalten, daß er ſchwach angefeuchtetes Kaliumoxyd zwiſchen beide Elektroden
brachte. In bequemer Weiſe läßt ſich das Kalium aus ſeinem Oxyde auf elektro-
lytiſchen Wege darſtellen nach dem von Seebeck angegebenen Verfahren. Hiernach
legt man auf eine als Anode dienende Platinplatte ein Stück feſten Kaliumoxydes,
höhlt dieſes aus und füllt die Höhlung mit Queckſilber; in dieſes wird dann ein
Platindraht als Kathode eingeſenkt. Sobald der Strom geſchloſſen iſt, beginnt die
Ausſcheidung des Kaliums an der in das Queckſilber getauchten Kathode. Das
metalliſche Kalium löſt ſich dann in dem Queckſilber auf und bildet mit dieſem
ein ſogenanntes Amalgam. Das Kalium kann dann aus dieſem Amalgam durch
Deſtillation abgeſchieden werden. In gleicher Weiſe wird auch das Natrium aus
dem Natriumoxyde auf elektrolytiſchem Wege gewonnen. Ferner laſſen ſich auf
dieſem Wege auch die alkaliſchen Erden, d. h. die Verbindungen des Calciums,
Baryums, Strontiums, elektrolyſiren und die reinen Metalle aus ihnen abſcheiden.


Die Oxyde der ſchweren Metalle können nur dann durch den galvaniſchen
Strom zerlegt werden, wenn man ſie leitend machen kann. Dies gelang z. B.
Faraday beim Bleioxyd, indem er dieſes zum Schmelzen brachte und
dann durch das geſchmolzene Bleioxyd den Strom leitete. Dieſes zerfiel
hierbei in Blei und Sauerſtoff; letzterer entwich an der Anode, erſteres
ſchied ſich an der Kathode aus.


Einen den Oxyden ganz ähnlichen chemiſchen Bau beſitzen die
Haloidverbindungen, d. h. die Chlor-, Jod- und Bromſalze. Daher
werden auch dieſe durch den elektriſchen Strom in ihre beiden Be-
ſtandtheile zerlegt, ſobald ſie in flüſſiger Form zur Anwendung ge-
langen. Auch bei dieſen ſcheidet ſich wieder der metalliſche Beſtandtheil
an der Kathode, das Chlor, Jod oder Brom an der Anode aus. Da
aber die letzteren und namentlich das Chlor die Metalle leicht an-
greifen, muß man, um reine Reſultate zu erhalten, wenigſtens die
Anode aus Kohle machen. Kalium, Natrium und Calcium gewinnt
man aus ihren Haloidſalzen am beſten in der Weiſe, daß man letztere

Figure 147. Fig. 148.

Elektroden.


in einen Tiegel aus Kohle ſchmilzt, dieſen als Anode benutzt und in das geſchmolzene
Haloidſalz einen Eiſendraht als Kathode einführt. Man zieht dann den Draht von
Zeit zu Zeit heraus, um das abgeſchiedene Metall abzuſtreifen.


Für die Darſtellung des Magneſiums auf elektrolytiſchem Wege hat Bunſen
nachſtehendes Verfahren angegeben. Ein Porzellantiegel wird durch eine nicht ganz
bis auf den Boden reichende Scheidewand in zwei Zellen getheilt und mit einem
Porzellandeckel verſehen, welcher zwei Oeffnungen beſitzt; dieſe ſind ſo angebracht,
daß über jede Zelle eine derſelben zu ſtehen kommt. Sie dienen zur Aufnahme der
Elektroden, deren Form aus der Fig. 148 zu erſehen iſt und deren Material aus
Bunſen’ſcher Kohle beſteht. Die mit Einſchnitten verſehene Elektrode dient als
Kathode und die Einſchnitte haben eben den Zweck, das metalliſch ausgeſchiedene
Magneſium, welches ſpecifiſch leichter iſt, als das geſchmolzene Chlormagneſium,
daher an die Oberfläche ſteigen und verbrennen würde, aufzuſammeln. Man be-
nutzt zur Elektrolyſe 10 bis 12 hintereinander geſchaltele Bunſen’ſche Elemente
und erhält dann auch größere Partien metalliſchen Magneſiums.


In ähnlicher Weiſe laſſen ſich auch die Chlorverbindungen ſchwerer Metalle
elektrolyſiren und auch bei dieſen wird wieder das Metall an der Kathode, das
Chlor an der Anode ausgeſchieden.


[246]

Es iſt jedoch nicht nöthig, daß man die bisher betrachteten binären, d. h.
nur aus zwei Theilen beſtehenden Körper ſtets in den geſchmolzenen Zuſtand über-
führt, um ſie durch Elektrolyſe zu zerſetzen; man kann vielmehr auch ihre Löſungen in
Waſſer hierzu benutzen. Zinnchlorür, Chlorblei, Manganchlorid ꝛc. können in ihren
wäſſerigen Löſungen durch den galvaniſchen Strom zerlegt werden. Ebenſo zerfallen
concentrirte Löſungen von Chlor-, Brom- oder Jodwaſſerſtoff in ihre beiden Be-
ſtandtheile. Auch aus den wäſſerigen Löſungen der Metalloxydhydrate kann bei
Anwendung beſtimmter Vorſichten das Metall abgeſchieden werden; aus Kalilauge
das Kalium, indem man auf das als Kathode dienende Queckſilber Kalilauge
gießt, in welche ein Platindraht als Anode eingeführt wird. Das an der Kathode
ſich ausſcheidende Kalium verbindet ſich ſofort mit dem Queckſilber zu Kalium-
amalgam, aus welchem man das Kalium durch Deſtillation erhält. Würde man

Figure 148. Fig. 149.

Daniell’ſcher Zerſetzungs-Apparat.


aber blos beliebige Elektroden,
z. B. aus Platin, in die Kali-
lauge einführen, ſo würde die
Elektrolyſe kein metalliſches
Kalium ergeben. Bei dieſem
Verfahren wird zwar auch das
Kaliumoxyd in Kalium und
Sauerſtoff ſo zerlegt, daß ſich
der Sauerſtoff an der Anode,
das Kalium an der Kathode
ausſcheidet, aber das Kalium
kommt hier ſofort mit Waſſer
in Berührung, welches es bekannt-
lich ſchon bei gewöhnlicher Tem-
peratur zerſetzt. Hierbei bildet
ſich wieder Kaliumoxyd, das ſich
im Waſſer löſt, und Waſſerſtoff,
welcher entweicht. Es wird daher,
wenn die Elektrolyſe in der an-
gegebenen Weiſe ausgeführt wird,
an der Kathode Waſſerſtoff und
an der Anode Sauerſtoff ent-
weichen, gerade ſo wie bei der
Zerſetzung des Waſſers. Dieſes Reſultat iſt aber nicht durch die Elektrolyſe, ſon-
dern durch eine ſecundäre Wirkung hervorgebracht worden.


Es giebt ſehr viele auch complicirter zuſammengeſetzte Verbindungen, welche
ſich in wäſſeriger Löſung durch den galvaniſchen Strom zerſetzen laſſen, ohne daß
hierbei das Waſſer eine andere Rolle als die des Löſungsmittels ſpielen würde.
Häufig wirken jedoch die durch die Elektrolyſe ausgeſchiedenen Körper aufeinander
ein und können ſo leicht den eigentlich elektrolytiſchen Vorgang verbergen. Um
dies zu vermeiden, trachtet man, die Producte an der Anode und jene an der
Kathode voneinander getrennt zu erhalten. Dieſer Zweck wurde durch eine Reihe
von Apparaten, conſtruirt von verſchiedenen Experimentatoren, zu erreichen geſucht.
Wir berſchreiben im Nachſtehenden zwei dieſer Apparate.


Daniell benutzte bei den von ihm ausgeführten Verſuchen den in Fig. 149
abgebildeten Apparat. Auf das U-förmig gebogene Glasrohr k ſind die beiden
[247] cylindriſchen Glasgefäße a d und e h durch ſorgfältig ausgeführte Schliffe luft-
und waſſerdicht aufgeſetzt. Oben werden die Glascylinder durch gut ſchließende
Stöpſel verſchloſſen, welche mit je einer Röhre zur Ableitung etwa entſtehender
gasförmiger Producte verſehen ſind. Die beiden Elektroden beſtehen aus Platin-
blechen o und p, von welchen aus Drähte durch ſeitliche Oeffnungen der Cylinder
zu den Queckſilbernäpfchen s und t führen, in welche die Poldrähte der galvaniſchen
Batterie eingehängt werden.


Beim Gebrauche dieſes Apparates wird zunächſt das U-förmige Rohr mit
der zu elektrolyſirenden Flüſſigkeit gefüllt, dann auf ſeinen offenen Seiten durch
thieriſche Blaſen zugebunden und durch die Schliffe mit den Cylindern vereinigt;
ſchließlich füllt man die Cylinder ebenfalls mit Flüſſigkeit. Die Producte, welche
durch die Elektrolyſe in der Anode und Kathode abgeſchieden werden, ſind alſo

Figure 149. Fig. 150.

Wiedemann’s Apparat.


durch jene Flüſſigkeitsſchichte voneinander getrennt, welche durch das U-Rohr und
die beiden Membranen eingeſchloſſen iſt. Dieſe Trennung der Zerſetzungsproducte
iſt jedoch keine ganz vollſtändige, da einerſeits eine Miſchung derſelben durch
Endosmoſe, andererſeits durch eine eigenthümliche Wirkung des elektriſchen Stromes,
die wir ſpäter noch kennen lernen werden, eintritt. Die Endosmoſe findet bekanntlich
ſtatt, wenn zwei verſchiedenartige Löſungen durch eine thieriſche Membran von-
einander getrennt ſind. Von dieſer Erſcheinung verſchieden iſt die Ueberführung
von Flüſſigkeit durch den galvaniſchen Strom in der Richtung vom poſitiven zum
negativen Pole.


Die Vermeidung dieſer Fehler ſucht Wiedemann durch den in Fig. 150
abgebildeten Apparat zu erreichen. Auf dem Grundbrette ſtehen zwei Glascylinder a
und a1, welche oben durch die Glasplatten b und b1 verſchloſſen ſind. Jede der
Glasplatten iſt zweimal durchbohrt; durch die eine Bohrung werden die Drähte l l1
eingeführt, welche die Elektroden c c1 tragen und durch die zweite Bohrung ragen
[248] die Röhren d d1 in die Cylinder hinein. f iſt ein Kautſchukſtück, welches einerſeits
die beiden Röhren d d1 miteinander verbindet, andererſeits an den Hahn g be-
feſtigt iſt, welcher durch den Träger h gehalten wird. Man füllt die beiden
Cylinder mit der zu elektrolyſirenden Flüſſigkeit und ſaugt dann bei geöffnetem
Hahne die letztere durch die beiden Röhren d d1 bis g, worauf der Hahn ge-
ſchloſſen wird. Hierdurch iſt die Verbindung zwiſchen den Flüſſigkeiten in den
Cylindern a a1 hergeſtellt. Der Strom ſcheidet dann die Zerſetzungsproducte ge-
trennt voneinander ab. Iſt der Verſuch beendigt, ſo öffnet man den Hahn g,
wodurch man das Zurückfließen der Flüſſigkeit aus dem gabelförmigen Theile der
Röhren in die Cylinder bewirkt. Die Zerſetzungsproducte können dann getrennt
voneinander unterſucht werden.


Die Zerſetzung der ſchwefelſauren oder ſalpeterſauren Metalloxyde erfolgt in
der Weiſe, daß an der Kathode das reine Metall niedergeſchlagen wird, während
an der Anode Sauerſtoff entweicht. Das Entweichen von Sauerſtoff iſt jedoch
nur eine ſecundäre Erſcheinung und in Wirklichkeit wird durch den galvaniſchen
Strom das Salz auch hier in die zwei Theile Säure und Metall geſpalten.
Betrachten wir z. B. das Verhalten des ſchwefelſauren Kupferoxydes (Kupfer-
vitriols) bei der Elektrolyſe. Der Kupfervitriol kann als eine Schwefelſäure
betrachtet werden, in welcher der Waſſerſtoff durch Kupfer erſetzt iſt. Die Schwefel-
ſäure beſteht nämlich aus
2 Waſſerſtoff + 1 Schwefel + 4 Sauerſtoff
und der Kupfervitriol aus
1 Kupfer + 1 Schwefel + 4 Sauerſtoff.


Durch die Elektrolyſe wird aus dem Kupfervitriol ausgeſchieden, an der
Kathode:
1 Kupfer
Anode:
1 Schwefel + 4 Sauerſtoff.


Die Verbindung 1 Schwefel + 4 Sauerſtoff beſteht jedoch nicht für ſich,
ſondern verbindet ſich mit Waſſer in nachſtehender Weiſe:
1 Schwefel + 4 Sauerſtoff mit 2 Waſſerſtoff + 1 Sauerſtoff
iſt gleich
2 Waſſerſtoff + 1 Schwefel + 4 Sauerſtoff (d. i. Schwefelſäure) und 1 Sauerſtoff,
welcher in Form von Gasblaſen an der Anode entweicht; daher ſcheiden ſich alſo
bei der Elektrolyſe aus an der
Kathode:
1 Kupfer
Anode:
1 Schwefelſäure und 1 Sauerſtoff.


Bisher haben wir immer gefunden, daß ſich bei der Elektrolyſe der Salze
das Metall als ſolches an der Kathode abſcheidet; unterwerfen wir nun das
ſchwefelſaure Kalium der Einwirkung des galvaniſchen Stromes, ſo erhalten wir
ſcheinbar ein anderes Reſultat. In der Flüſſigkeit an der Anode finden wir
nämlich Schwefelſäure, während ſich gleichzeitig Sauerſtoff entwickelt, und in der
Flüſſigkeit bei der Kathode iſt Kalilauge entſtanden, während ſich Waſſerſtoff ent-
wickelt. Die Elektrolyſe des ſchwefelſauren Kaliums ſcheint alſo ein abweichendes
Reſultat zu ergeben. Doch iſt auch dieſes Verhalten nur ein ſcheinbares, durch
ſecundäre Proceſſe bedingtes; das ſchwefelſaure Kalium hat die Zuſammenſetzung:
2 Kalium + 1 Schwefel + 4 Sauerſtoff.


[249]

Es zerfällt durch die Elektrolyſe in
2 Kalium und 1 Schwefel + 4 Sauerſtoff.


Das Kalium ſcheidet ſich an der Kathode aus, findet aber dort Waſſer vor
und zerſetzt ſich mit dieſem in folgender Weiſe:
2 Kalium mit 2 Waſſerſtoff + 1 Sauerſtoff
geben
2 Kalium + 1 Sauerſtoff, d. i. Kaliumoxyd,
und
2 Waſſerſtoff, welche gasförmig an der Kathode entweichen.


1 Schwefel + 4 Sauerſtoff treffen gleichfalls mit Waſſer zuſammen und
verbinden ſich in der früher angegebenen Weiſe zu


2 Waſſerſtoff + 1 Schwefel + 4 Sauerſtoff = Schwefelſäure, während
1 Sauerſtoff an der Anode entweicht.


In ähnlicher Weiſe geht auch die Zerſetzung der übrigen ſchwefelſauren und
ſalpeterſauren Verbindungen vor ſich; es würde zu weit führen, an dieſer Stelle
ſie alle einzeln zu betrachten. Welchen Körper man aber auch der Einwirkung des
galvaniſchen Stromes unterwerfen mag, immer erfolgt ſeine Zerſetzung propor-
tional der Stromſtärke. Wir haben nun noch zu unterſuchen, was geſchieht, wenn
man verſchieden zuſammengeſetzte Körper in einen Stromkreis ſchaltet.


Faraday unterſuchte dieſe Verhältniſſe unter Anwendung von concentrirten
Waſſerſtoffſäuren, wobei nicht das Waſſer, ſondern nur die Säuren zerſetzt wurden.
Es wurde alſo bei der Chlorwaſſerſtoffſäure (Salzſäure) das Chlor an der Anode,
der Waſſerſtoff an der Kathode ausgeſchieden. Die Entwicklung von Chlorgas an
der Anode war allerdings nur gering, weil das Chlor in größerer Menge vom
Waſſer aufgelöſt wird. Es zeigte ſich aber bei Miteinſchaltung eines Volta-
meters in den Stromkreis, daß immer für dieſelbe Knallgasmenge dasſelbe Waſſer-
ſtoffvolumen entſteht. Dasſelbe Verhalten wurde ſpäter auch für gelöſte Salze von
Daniell, Buff und Andern nachgewieſen. So wird z. B. eine Löſung von Kupfer-
vitriol in Kupfer und Schwefelſäure zerlegt. Die näheren Beſtandtheile des
Kupfervitriols und deren Atomgewichte ſind:


  • 1 Kupfer . . . . . . . 63
  • 1 Schwefel . . . . . . 32
  • 4 Sauerſtoff . . . . . . 64
  • Kupfervitriol . . . . . . 159

Die Zuſammenſetzung des Waſſers iſt:


  • 2 Waſſerſtoff . . . . . . 2
  • 1 Sauerſtoff . . . . . . 16
  • Waſſer . . . . . . . . 18

Zerlegt man die Kupfervitriollöſung durch den galvaniſchen Strom, ſo
werden in derſelben Zeit, in welcher dieſer 1 Gramm Knallgas entwickelt,
3·522 Gramm Kupfer abgeſchieden. Nach Faraday’s Geſetz muß daher die Pro-
portion beſtehen:
[250] was auch wirklich der Fall iſt. Die Proportionalität zwiſchen den durch Elektrolyſe
abgeſchiedenen Gewichtsmengen der Jonen und den Atomgewichten beſteht auch bei
allen übrigen Elektrolyten und ſonach lautet das von Faraday aufgeſtellte, allgemein
giltige, elektrolytiſche Grundgeſetz:


Die durch Elektrolyſe abgeſchiedene Menge der Jonen eines und
desſelben Körpers iſt proportional der Stromſtärke; die Elektrolyſe
verſchiedener Stoffe durch denſelben Strom erfolgte proportional den
Atomgewichten
.


Dieſes Geſetz iſt auch für die Praxis von Wichtigkeit, da mit Hilfe des-
ſelben die Menge des Metalles berechnet werden kann, welche ein Strom von
beſtimmter Stärke in einer gegebenen Zeit aus einer Salzlöſung zu fällen im
Stande iſt. Es iſt dazu nur nöthig, die Zuſammenſetzung der Salzlöſung und
die Stromſtärke, gemeſſen durch ein Voltameter, alſo in chemiſchem Maße zu
kennen.


Kehren wir nochmals zu dem früher angeführten Beiſpiel der Zerſetzung
des Kupfervitriols durch den galvaniſchen Strom zurück und verfolgen die dabei
eintretenden Vorgänge genauer. Beſtehen die beiden in die Löſung eingetauchten
Elektroden aus vollkommen gleichen Platinblechen, ſo werden dieſe, an und für
ſich mit der Flüſſigkeit in Berührung gebracht, keinerlei Einwirkung ausüben.
Sendet man aber durch ihre Vermittlung einen Strom durch die Flüſſigkeit, ſo
wird letztere in ihre Beſtandtheile zerlegt, und zwar in der Art, daß ſich das
Kupfer an der negativen, die Schwefelſäure an der poſitiven Elektrode ausſcheidet.
Hierbei überzieht das Kupfer die Kathode, während die Schwefelſäure die Anode
unverändert läßt. Nun tauchen aber zwei voneinander verſchiedene Metalle, nämlich
die verkupferte und die blanke Platinplatte, in die Kupfervitriollöſung. Die Be-
rührung verſchiedener Metalle mit einer Flüſſigkeit hat aber, wie wir früher
erfahren haben, eine elektromotoriſche Differenz zur Folge. Es muß deshalb ein
Strom auftreten, deſſen Richtung durch die Natur der abgeſchiedenen Jonen be-
ſtimmt wird. Man hat dieſe Erſcheinung mit dem Namen Polariſation bezeichnet,
oder man ſagt auch, die Elektroden werden polariſirt. Bei allen in dieſer Richtung
angeſtellten Verſuchen ergab ſich die Richtung des Polariſationsſtromes als ent-
gegengeſetzt jener des polariſirenden, d. h. des anfänglich durch die Löſung ge-
ſandten Stromes. Der Polariſationsſtrom iſt alſo ein Gegenſtrom und muß daher
den polariſirenden Strom ſchwächen.


Die Polariſation tritt nicht blos dann ein, wenn an einer der Elektroden
ein Metall abgeſchieden wird, ſondern auch ſchon bei der gewöhnlichen Waſſer-
zerſetzung. Bei dieſer wird an der Kathode Waſſerſtoff, an der Anode Sauerſtoff
ausgeſchieden; die beiden Gaſe überziehen die Platinelektroden und machen ſie
elektromotoriſch wirkſam. Unter ſonſt gleichen Umſtänden wird der Polariſations-
ſtrom deſto ſtärker werden, je vollſtändiger die Platinbleche von den Gaſen über-
zogen ſind. Er wird deshalb vom Beginne der Elektrolyſe an ſo lange zunehmen,
bis die Elektroden vollſtändig überzogen ſind und dann eine conſtante Stärke
beibehalten, da die weitere Gasentwicklung keinen Einfluß mehr ausüben kann;
ebenſo lange wird auch die Stromſtärke der Batterie (des polariſirenden Stromes)
abnehmen. Iſt die elektromotoriſche Kraft des polariſirenden Stromes geringer als
jene des Polariſationsſtromes, ſo kann dieſer natürlich nie ſein Maximum erreichen,
weil dann ein Strom in entgegengeſetzter Richtung als der polariſirende Strom
fließen müßte, und dieſer dann die Polariſation ſelbſt aufheben würde.


[251]

Wir haben früher bei Beſprechung der Geſetze des galvaniſchen Stromes
für die Stromſtärke den Ausdruck gefunden:

Aus obiger Auseinanderſetzung erſehen wir aber ſofort, daß dieſer Ausdruck
nur inſolange richtig ſein kann, als keine Flüſſigkeiten in den Stromkreis ein-
geſchaltet ſind; iſt letzteres der Fall, ſo muß hingegen der Ausdruck für die Strom-
ſtärke folgendermaßen lauten:

Der Nachweis für das Auftreten von Polariſationsſtrömen wird in ein-
fachſter Weiſe auf die Art geführt, daß man unter Mitwirkung eines Commu-
tators ein Voltameter und eine Buſſole in den Stromkreis einer Batterie ein-
ſchaltet. Man ſtellt dann den Commutator zunächſt ſo, daß der Batterieſtrom
Buſſole und Voltameter durchfließt; hierdurch werden die beiden Elektroden des
Voltameters polariſirt. Hierauf bringt man den Commutator in die zweite Stellung,
wodurch die Batterie aus dem die Buſſole und das Voltameter enthaltenden Strom-
kreiſe ausgeſchaltet wird und erſieht dann aus dem Ausſchlage der Magnetnadel,
daß nun abermals ein Strom (der Polariſationsſtrom) vorhanden iſt, und daß dieſer
Strom die entgegengeſetzte Richtung beſitzt wie der polariſirende oder Batterieſtrom.


Die erſte Beobachtung eines Polariſationsſtromes dürfte wohl wahrſchein-
lich von Ritter (1803) herrühren. Die Erſcheinung wurde ſpäter eingehender
ſtudirt und führte ſchließlich zur Conſtruction der polariſirten oder Secundär-
elemente
, deren praktiſch verwerthbare Form man mit dem, allerdings nicht ſehr
treffenden, Namen Accumulator bezeichnet hat. In ein ſolches Element wird
der Strom einer Batterie eingeleitet und dadurch die Polariſation hervorgerufen —
das Element wird geladen. Wird nun das geladene Element geſchloſſen, ſo
circulirt durch den Schließungsbogen der Polariſationsſtrom. Da aber jeder Strom
bei ſeinem Durchgange durch die Flüſſigkeit dieſe zerſetzt, ſo muß auch dieſer Polari-
ſationsſtrom die Flüſſigkeit zerſetzen. Der Polariſationsſtrom hat aber die ent-
gegengeſetzte Richtung wie der Ladungsſtrom, muß alſo auch die Zerſetzungsproducte
an entgegengeſetzten Elektroden ausſcheiden. Es wird dort der Waſſerſtoff enwickelt
werden, wo früher Sauerſtoff auftrat und umgekehrt. Somit wird die Urſache
des Polariſationsſtromes nach und nach beſeitigt, die elektromotoriſche Kraft des
geladenen Elementes nimmt ab und mit ihr auch die Stärke des Polariſations-
ſtromes. Dieſelbe wird gleich Null, wenn durch die zerſetzende Wirkung des
Polariſationsſtromes ſelbſt der Waſſerſtoff an der einen und der Sauerſtoff an der
andern Elektrode aufgezehrt ſind; das Secundärelement iſt dann entladen,
d. h. es befindet ſich wieder in dem urſprünglichen Zuſtande.


Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß man die Secundärelemente auch zu Batterien
verbinden kann, in derſelben Weiſe wie die galvaniſchen Elemente. Man erhält
dann von ſolchen Batterien eine gewiſſe Zeit hindurch Ströme von beſonderer
Stärke. Hierüber, ſowie auch über praktiſch verwendbare Formen wird im zweiten
Theile dieſes Werkes berichtet werden.


Die Erklärung der Vorgänge bei der Elektrolyſe wurde zwar von
verſchiedener Seite verſucht, jedoch konnte man hierbei nie über mehr oder minder
[252] befriedigende Hypotheſen hinauskommen, was bei dem Umſtande, daß uns das
Weſen der Elektricität ſelbſt unbekannt iſt, nicht wundern darf. Grotthuß erklärte
die Elektrolyſe (1805) in nachſtehender Weiſe: Die Beſtandtheile der Elektrolyten
ſind entgegengeſetzt elektriſch, alſo iſt z. B. beim Waſſer der Sauerſtoff negativ,
der Waſſerſtoff poſitiv elektriſch. Im natürlichen Zuſtande nehmen die Waſſer-
moleküle alle möglichen Lagen ein. Nun werden in dasſelbe die beiden Elektroden
eingeſenkt und der Strom durchgeſandt. Sobald die Elektricitäten an den Elektroden
hinlängliche Dichtigkeit erreicht haben, machen ſich ihre Anziehungs-, beziehungsweiſe
Abſtoßungskräfte in der Weiſe geltend, daß ſie alle Waſſermoleküle mit dem
poſitiven Waſſerſtoff gegen die negative Elektrode, mit dem negativen Sauerſtoff
gegen die poſitive Elektrode richten. Die poſitive Elektrode übt alſo auf alle
(negativ elektriſchen) Sauerſtofftheilchen eine anziehende, auf alle (poſitiv elektriſchen)
Waſſerſtofftheilchen eine abſtoßende Wirkung aus. Umgekehrt verhält ſich die
Wirkung der negativen Elektrode. Beide Elektroden wirken aber dahin, die Sauer-
ſtofftheilchen von den Waſſerſtofftheilchen zu trennen. Es wird dies zunächſt an
den Elektroden ſelbſt gelingen, da hier die Kräfte am ſtärkſten wirken. Der Sauer-
ſtoff der der poſitiven Elektrode zunächſt liegenden Moleküle wird alſo von der
Anode angezogen und feſtgehalten, der Waſſerſtoff aber gegen die negative Elektrode
hin abgeſtoßen. Er verbindet ſich mit dem Sauerſtoffe der zunächſt gelegenen Waſſer-
moleküle, aus welchen dann der früher darin geweſene Waſſerſtoff verdrängt wird;
der in der zweiten Molekülreihe verdrängte Waſſerſtoff gelangt dann zur dritten
Molekülreihe und verbindet ſich in dieſer mit dem Sauerſtoff abermals zu Waſſer.
Dieſer Proceß ſetzt ſich durch ſämmtliche zwiſchen beiden Elektroden befindlichen
Waſſermoleküle fort, bis endlich an der der Kathode zunächſt liegenden Schichte
der Waſſerſtoff keinen Sauerſtoff mehr findet, mit dem er ſich zu Waſſer verbinden
könnte. Das Ergebniß des ganzen Proceſſes iſt daher, daß Sauerſtoff an der
poſitiven und Waſſerſtoff an der negativen Elektrode ausgeſchieden wird, während
zwiſchen beiden Elektroden das Waſſer unzerſetzt bleibt.


Nach Beendigung dieſes Proceſſes ſind die Waſſermoleküle mit ihren Waſſer-
ſtofftheilchen gegen die poſitive und mit ihren Sauerſtofftheilchen gegen die negative
Elektrode gerichtet, nehmen alſo eine Lage an, welche der den Anziehungs- und
Abſtoßungskräften beider Elektroden entſprechenden entgegengeſetzt iſt. Dieſe Kräfte
werden daher eine abermalige Drehung der Waſſermoleküle bewirken und nun ſpielt
ſich der vorhin geſchilderte Vorgang neuerdings ab. Nachſtehende ſchematiſche Dar-
ſtellung, in welcher O Sauerſtoff und H2 Waſſerſtoff bedeutet, zeigt die aufeinander-
folgenden Vorgänge überſichtlich.


[253]

In der Reihe 1 ſind die Waſſermoleküle gerichtet, in der Reihe 2 an der
Anode Sauerſtoff, an der Kathode Waſſerſtoff abgeſchieden und die übrigen Waſſer-
ſtoff- und Sauerſtofftheilchen zu neuen Waſſermolekülen vereinigt, in der Reihe 3
die Waſſermoleküle neuerdings gerichtet und in 4 abermals zerlegt.


Dieſe Erklärung der Elektrolyſe befindet ſich allerdings in Uebereinſtimmung
mit der Thatſache, daß nur an den beiden Elektroden Jonen abgeſchieden werden,
und läßt auch erkennen, in welchem Verhältniſſe Anion und Kathion zueinander
ſtehen, bleibt aber doch die Aufhellung gewiſſer Umſtände, auf die hier einzugehen
nicht der Ort iſt, ſchuldig. Aus dieſem Grunde neigt man ſich gegenwärtig mehr
der von Clauſius aufgeſtellten Hypotheſe zu. Auch Clauſius nimmt einen elektri-
ſchen Zuſtand der Moleküle jedes Elektrolyten an, ſchreibt aber dem galvaniſchen
Strome weder die richtende noch die zerſetzende Kraft zu. Er erinnert daran, daß
man ſich den flüſſigen Aggregatzuſtand überhaupt als einen ſolchen vorſtellt, in
welchem nicht nur die Moleküle, ſondern auch die dieſe zuſammenſetzenden Atome
in ſteter Bewegung, im ſteten Austauſche untereinander begriffen ſind. Die Atome
der Flüſſigkeitsmoleküle halten ſich nur mit geringer Kraft zuſammen und die
Moleküle ſind in einem fortwährenden Bildungs- und Zerſetzungsproceſſe begriffen.
Die Wirkung des galvaniſchen Stromes beſteht hiernach darin, daß dieſe unregel-
mäßigen Bewegungen der Atome geregelt, die poſitiven Jonen von der negativen
Elektrode und die negativen Jonen von der poſitiven Elektrode angezogen und
dadurch aus der Flüſſigkeit ausgeſchieden werden.


Es erübrigt uns noch, einiger Wirkungen des galvaniſchen Stromes von
minderer Bedeutung zu gedenken, bevor wir dieſen Abſchnitt abſchließen. Wenn
man in eine enge Röhre, in welche zwei Platindrähte eingeſchmolzen ſind, etwas
Flüſſigkeit bringt und die Röhre ein klein wenig neigt, während ein galvaniſcher
Strom durch die Flüſſigkeit geht, ſo wird dieſe, wenn der poſitive Strom auf-
wärts fließt, von letzterem in der Regel in derſelben Richtung bewegt, alſo etwas
gehoben. Dabei iſt die Steighöhe proportional der Stromſtärke und dem Quer-
ſchnitte der Röhre. Dieſe durch den Strom bewirkte Flüſſigkeitsbewegung wird
jedoch kaum ſichtbar, wenn die Flüſſigkeit ein guter Leiter iſt, alſo z. B. die
Löſung eines Salzes.


Eine ähnliche Erſcheinung, die elektriſche Endosmoſe, zeigt ſich auch,
wenn bei der Elektrolyſe poröſe Scheidewände benutzt werden, wie dies im Apparate
von Daniell der Fall iſt. Es tritt dann eine Bewegung der Flüſſigkeit von der
Anode durch die poröſe Scheidewand zur Kathode ein. Dieſe Erſcheinung fällt
mit der vorhin geſchilderten zuſammen, wenn man die poröſe Scheidewand als
lauter enge aneinander liegende capillare Röhren auffaßt.


Im Gegenſatze zu dieſen Erſcheinungen, die wahrſcheinlich doch mehr elektri-
ſcher Natur ſein dürften, übt jedoch der galvaniſche Strom auch rein mechaniſche
Wirkungen
aus. Kupferdrähte, welche lange Zeit als Stromleiter in Verwendung
geſtanden, werden brüchig. Dufour leitete durch einen Kupferdraht 19 Tage lang
den Strom eines Bunſen’ſchen Elementes; der Draht riß dann ſchon bei einer
Belaſtung von 5·34 Kilogramm, während er vorher erſt bei einer Belaſtung von
6·29 Kilogramm riß. Eiſendraht ergab jedoch das entgegengeſetzte Reſultat.
Edlund fand, daß ein Draht beim Durchfließen eines galvaniſchen Stromes länger
wird, als er vermöge der dadurch bewirkten Erwärmung werden ſollte. Wird der
Strom unterbrochen, ſo nimmt der Draht nach und nach wieder ſeine urſprüngliche
Länge an. Das Tönen von Eiſenſtäben beim Oeffnen und Schließen eines durch
[254] ſie geſandten Stroines iſt wohl auch einer mechaniſchen Wirkung zuzuſchreiben;
allerdings dürfte aber bei der zuletzt erwähnten Erſcheinung auch der Umſtand
von Einfluß ſein, daß das Tönen nur bei den magnetiſchen Metallen eintritt.


Die Wirkungen des galvaniſchen Stromes außerhalb des Schließungsbogens.

Verhalten galvaniſcher Ströme gegeneinander; Elektrodynamik.
Werfen wir nochmals einen Blick auf die Geſchichte der Elektricität und des
Magnetismus zurück, ſo finden wir dort die Angabe, daß es Oerſted gelang,
die Einwirkung galvaniſcher Ströme auf eine Magnetnadel zu entdecken. Nicht nur
Oerſted, ſondern überhaupt die Phyſiker ſeiner Zeit ſuchten, veranlaßt durch die
vielen gegenſeitigen Beziehungen zwiſchen den elektriſchen und magnetiſchen Kräften,
einen thatſächlichen Zuſammenhang zwiſchen Elektricität und Magnetismus her-

Figure 150. Fig. 151.

Ampère’ſches Geſtell.


Figure 151. Fig. 152.

Ampère’ſches Gehänge.


zuſtellen. Auch Ampère war beſtrebt, dieſen aufzufinden; wirken galvaniſcher Strom
und Magnetnadel aufeinander ein, ſo muß auch der Erdmagnetismus auf einen
beweglichen, vom Strome durchfloſſenen Leiter eine Wirkung ausüben. Dieſe Ge-
dankenfolge führte Ampère ſchließlich zu der Ueberzeugung, daß auch galvaniſche
Ströme aufeinander nicht ohne Einfluß bleiben können. Wie wir wiſſen, gelang
es ihm auch, dieſe Ueberzeugung endlich durch das Experiment als richtig zu
erweiſen.


Um die Einwirkung galvaṅiſcher Ströme aufeinander unterſuchen zu können,
conſtruirte Ampère einen Apparat, der nach ſeinem Erfinder das Ampère’ſche
Geſtelle
genannt wird. Eine gegenwärtig häufig angewandte Form dieſes Ap-
parates iſt in Fig. 151 abgebildet. Von den beiden Drahtklemmen + und —
führen Metallſtreifen zunächſt zu dem Stromwender D und von hier einerſeits zu
den Klemmen der Säule B, andererſeits zur Säule T. Die Säule B trägt zwei
concentriſche Rinnen zur Aufnahme von Queckſilber. Ueber dieſe ragt der Stab c
empor, der an ſeinem oberen Ende ein kleines Schälchen oder eine Vertiefung.
[255] gleichfalls zur Aufnahme von Queckſilber beſtimmt, beſitzt. Eine Klemmſchraube
der Säule B ſteht mit dem Queckſilber der inneren, die andere mit dem der
äußeren Rinne in leitender Verbindung.


Wird an dieſem Geſtelle ein Drahtring derart aufgehängt, daß er mit einer
an ihm befeſtigten Stahlſpitze im Schälchen des Stabes c aufruht, während ſeine
Enden x und y in je eine Queckſilberrinne tauchen, ſo kann durch den Ring ein
Strom geleitet werden; der Ring ſelbſt kann ſich hierbei um die Stahlſpitze im
Kreiſe herum drehen. Mit einem derartigen leichtbeweglichen Apparate können dann
die dynamiſchen Erſcheinungen beobachtet werden. Kreiſt ein Strom durch den
Drahtring, ſo wird dieſer meiſtens in Bewegung verſetzt in der Art, daß der
Ring immer ein und dieſelbe beſtimmte Lage einzunehmen ſtrebt; er ſtellt ſich
nämlich mit ſeiner Ebene ſenkrecht auf den magnetiſchen Meridian, ſo daß jene
Seite des Stromkreiſes, in welcher
der Strom aufſteigt, nach Weſten,
die des abſteigenden Stromes nach
Oſten gewandt iſt.


Die Wirkung des Erd-
magnetismus — denn eine ſolche iſt
das Einſtellen eines vom galvaniſchen
Strome durchfloſſenen leichtbeweg-
lichen Leiters — kommt ſicherer zur
Geltung, wenn man an Stelle
eines einfachen einen mehrfachen
Leiterkreis, in welchem die einzelnen
Windungen zueinander parallel ſind,
anwendet. Ein derartiges Ampère-
ſches Gehänge iſt in Fig. 152 ab-
gebildet.


Da wir aber die Wirkungen
zweier ſtromdurchfloſſener Leiter auf-
einander kennen lernen wollen,
könnte die richtende Kraft des Erd-
magnetismus die Reinheit der Ver-
ſuche trüben. Man beſeitigt dieſe

Figure 152. Fig. 153.

Ampère’ſches Geſtelle.


Schwierigkeit durch Anwendung aſtatiſcher Gehänge, wie ein ſolches in
Fig. 153 abgebildet iſt. Hierbei iſt der Draht zweimal in Form eines Rechteckes
gebogen in der Weiſe, daß der Strom das eine Rechteck in entgegengeſetzter
Richtung durchlaufen muß als das andere. Der Erdmagnetismus wirkt nun auf
beide in ſtarrer Verbindung miteinander ſtehende Rechtecke gleich kräftig ein, ſucht
aber das eine nach der einen, das andere nach der entgegengeſetzten Richtung zu
drehen; folglich müſſen ſich die beiden gleich großen, aber entgegengeſetzt gerichteten
Kräfte in ihrer Wirkung auf das Gehänge gerade ſo neutraliſiren, wie wir dies
bei den aſtatiſchen Magnetnadeln erfuhren. Das Gehänge taucht mit ſeinen beiden
Drahtenden, welche mit Spitzen verſehen ſind, in die Queckſilbernäpfchen a und b
des Geſtelles. Die Stromzuführung erfolgt durch die Queckſilbernäpfchen A B und
die mit dieſen leitend verbundenen Träger; den Stromlauf zeigen die Pfeile an.
Nähert man dieſem aſtatiſchen Gehänge einen in Form eines Rechteckes gebogenen
gleichfalls ſtromdurchfloſſenen Draht derart, daß die verticalen Drahttheile zu-
[256] einander parallel ſind, ſo ziehen ſich die beiden Ströme an, wenn ſie gleichgerichtet
ſind (wie in der Figur), oder ſie ſtoßen ſich ab, wenn ſie eine entgegengeſetzte
Richtung beſitzen. Die Anziehung, beziehungsweiſe Abſtoßung zeigt ſich dann durch
Drehung des aſtatiſchen Gehänges zu dem Drahtrechtecke hin oder von dieſem weg.


Die Anziehung, welche parallele Ströme aufeinander ausüben, kann auch
durch den von Roget angegebenen Stromunterbrecher gezeigt werden. Eine ſchlaffe
Spiralfeder F (Fig. 154) iſt an dem Arme A des Trägers T mit einem Ende
befeſtigt; das andere Ende taucht mit ſeiner Spitze in das Queckſilber des Ge-

Figure 153. Fig. 154.

Roget’s Interruptor.


Figure 154. Fig. 155.

Kreuzende Ströme.


fäßes G. Die Klemmſchrauben K1 und K2 ſind mit dem Träger T einerſeits und
dem Queckſilber andererſeits leitend verbunden. Schaltet man dieſe Vorrichtung in
einen Stromkreis ein, ſo geht der Strom von K1 durch T1 über A zur Spirale F,
durchläuft dieſe, gelangt dann in das Queckſilber, von wo aus er zur Klemme K2
fließt und den Apparat verläßt. Hierbei bilden die einzelnen Windungen der
Spirale lauter parallele Stromkreiſe, in welchen die Ströme in gleicher Richtung
verlaufen, weshalb ſich die Drahtwindungen anziehen, d. h. die Spirale ſich zu-
ſammenziehen muß. Dadurch wird aber das freie Ende der Spirale gehoben, kommt
außer Berührung mit dem Queckſilber und unterbricht den Strom; im ſelben Momente
hört auch die Anziehungskraft zwiſchen den einzelnen Windungen zu wirken auf,
[257] die Spirale geht wieder auseinander, taucht mit ihrem unteren Ende abermals in
das Queckſilber und ſtellt den Stromkreis her u. ſ. w.


Aber nicht nur parallele, auch gekreuzte Ströme, alſo ſolche, die nicht in
einer Ebene liegen, wie dies Fig. 155 veranſchaulicht, üben Einfluß aufeinander
aus. Das bewegliche aſtatiſche Gehänge iſt auf der Säule B (vergl. auch
Fig. 151) aufgehängt, der kreuzende Stromkreis auf dem Träger E befeſtigt. Die
Zuleitung des Stromes zu dem letzterwähnten Stromkreiſe erfolgt durch den
Träger E, auf welchen eine mit Klemmſchraube verſehene Röhre aufgeſetzt iſt,
während die Rückleitung durch einen in der Röhre iſolirt eingeſetzten Stab erfolgt.
Das Stück x y des aſtatiſchen Gehänges beſteht aus iſolirendem Materiale. Der
Verlauf der Ströme in beiden Stromkreiſen iſt durch die Pfeile erſichtlich gemacht.
Iſt die Richtung der Ströme derart, daß beide von der Kreuzungſtelle (dem
Scheitel des Winkels) wegfließen, wie dies die Figur darſtellt, oder daß
beide Ströme gegen den Scheitel
des Winkels hinfließen, ſo ziehen
ſie ſich an; ſie ſuchen ſich in der
Weiſe parallel zu ſtellen, daß
in beiden Stromkreiſen die Rich-
tung des Stromes dieſelbe iſt.
Fließt jedoch in einem Drahte
der Strom zum Scheitel des
Winkels, im zweiten Kreiſe von
dieſem weg oder umgekehrt, ſo
ſtoßen ſich die beiden Strom-
kreiſe ab.


Die Zuſammenfaſſung der
bisher betrachteten Einwirkungen
zweier Ströme aufeinander er-
giebt alſo nachſtehendes Geſetz:


Parallele gleich ge-
richtete Ströme ziehen ein-
ander an, parallele
entgegengeſetzt gerichtete
Ströme ſtoßen einander

Figure 155. Fig. 156.


Figure 156. Fig. 157.

Abſtoßung hintereinander liegender Stromtheile.


ab; gekreuzte Ströme ziehen einander an, wenn ſie beide zum Kreu-
zungspunkte hin oder von dieſem weglaufen, ſie ſtoßen ſich ab, wenn
der eine hin- und der andere wegfließt
.


Ströme, von welchen der eine gegen den Scheitel des Winkels fließt (A B,
Fig. 156), während der andere C D von ihm wegfließt, ſtoßen ſich ab; der Winkel
kann hierbei eine beliebige Größe haben. Laſſen wir ihn immer ſtumpfer werden,
ſo geht er ſchließlich in einen Winkel von 180 Grad über, d. h. die Schenkel
bilden eine gerade Linie A' B' D. Wir haben dann einen Leiter, in welchem der
Strom von A' nach D fließt, und ſomit ergiebt ſich die intereſſante Folgerung, daß
ſich auch die aufeinanderfolgenden Theile eines und desſelben Stromes abſtoßen
müſſen. In der That läßt ſich dieſes Verhalten experimentell nachweiſen. In Fig. 157
bildet C eine hölzerne durch eine Scheidewand in zwei Theile getheilte Wanne,
die mit Queckſilber gefüllt iſt. Die Klemmen B B ſtehen mit dem Queckſilber je
einer Abtheilung in Verbindung und dienen zur Stromzuführung. Auf dem Queck-
Urbanitzky: Elektricität. 17
[258] ſilber ſchwimmt der Drahtbügel F. Der Strom tritt bei B in das Queckſilber
der einen Abtheilung ein, geht durch den Bügel zum Queckſilber der zweiten Ab-
theilung und verläßt die Wanne durch die zweite Klemmſchraube. Bei D und E
ſtoßen die Leiter, nämlich das Queckſilber und je ein Schenkel des Bügels, zu-
ſammen. Sobald der Strom circulirt, wird die Abſtoßung in der Art ſichtbar,
daß ſich der Bügel in der Richtung von den Klemmſchrauben weg bewegt.


Die Einwirkung zweier ſich kreuzender Ströme kann auch zur Hervorrufung
einer continuirlichen Bewegung benutzt werden. Die Drähte S und A B (Fig. 158)
werden von Strömen durchfloſſen, deren Richtungen durch Pfeile bezeichnet ſind.
Unterſuchen wir, welche Wirkung das Stück A C auf S ausüben muß, ſo bemerken
wir, daß die Ströme in A C und S gegeneinander laufen; ſomit wird A C den
Leiter S anziehen, und zwar in der Richtung o c. Betrachten wir die Strom-
richtungen in S und C B, ſo beobachten wir, daß der Strom in S gegen o, der
Strom in C B von o wegfließt; die beiden Ströme müſſen ſich daher abſtoßen,
und zwar in der Richtung o b. Iſt daher der Leiter S verſchiebbar, ſo wird das

Figure 157. Fig. 158.

Begrenzter und unbegrenzter Strom.


Figure 158. Fig. 159.

Rotations-Apparat.


Reſultat der Einwirkungen von A C und C B auf S die Verſchiebung von S in
der Richtung der Reſultirenden o R ſein. Iſt nun der Draht A B kreisförmig
gebogen, ſo wird der Leiter S gegen die Stromrichtung im kreisförmigen Leiter
rotiren müſſen, ſobald S um eine Axe, die durch den Mittelpunkt des Kreiſes geht,
drehbar iſt; unter dieſer Bedingung üben nämlich in jeder Stellung von S ein
vorhergehendes (A C) und ein nachfolgendes Stromelement (C B) die früher erörterte
Einwirkung aus.


Auf dieſem Principe beruhend, iſt der in Fig. 159 dargeſtellte Rotations-
Apparat conſtruirt worden. Der Träger T beſitzt an ſeinem oberen Ende ein
Schälchen zur Aufnahme von Queckſilber, in welches der Leiter L L, mittelſt einer
Spitze leicht drehbar eingehängt wird. Das untere Ende des Trägers iſt durch
einen Metallſtreifen mit der Klemmſchraube k verbunden. Die freien Enden von
L L, tauchen in Queckſilber, welches ſich in der kreisförmigen Rinne R befindet.
Um dieſe herum iſt umſponnener Kupferdraht in mehreren Lagen gewunden und
mit den Klemmſchrauben K und K1 verbunden; von der Klemme k1 führt ein Blech-
ſtreifen in das Queckſilber. Verbindet man die Klemmen k k1 mit den Polen einer
[259] Batterie, ſo geht der Strom von der Klemme k durch T in das Queckſilber-
näpfchen, fließt durch L und L1 in die Queckſilberrinne und von dieſer durch die
Klemme k1 zur Batterie zurück. Läßt man dann durch die um die Rinne gelegten
Kupferdrähte einen Strom in der durch die Pfeile angedeuteten Richtung fließen, ſo
muß nach der vorhergehenden Betrachtung der Leiter L L1 derart rotiren, daß L1
aus der Zeichenfläche heraus, L hinter die Zeichenfläche zurücktritt.


Eine durch Anziehung und Abſtoßung paralleler Ströme bewirkte Rotation
tritt bei der in Fig. 160 dargeſtellten Anordnung ein. Hierbei iſt der äußere
Stromkreis unbeweglich befeſtigt; der innere ſchwebt auf einer Spitze, welche in
das am oberen Ende des Trägers angebrachte Queckſilbernäpfchen taucht. Die freien
Enden des inneren Stromkreiſes tauchen bei H in Queckſilber, welches ſich in der
dort befeſtigten Queckſilberrinne befindet. Dieſe Rinne iſt jedoch durch eine Scheide-
wand in zwei Hälften getheilt. Die Draht-
enden des inneren Kreiſes ſind ſo geſtellt,
daß immer das eine Ende ſich in der einen
Hälfte befindet, wenn das andere in die
zweite Hälfte taucht. Sendet man durch beide
Ringe Ströme in der Richtung, welche die
beigeſetzten Pfeile anzeigen, ſo müſſen ſich
beide Stromkreiſe anziehen, da beide von
Strömen gleicher Richtung durchfloſſen wer-
den. Sind ſie ſich durch die Anziehung ſo
nahe als möglich gekommen, was offenbar
dann der Fall ſein wird, wenn die beiden
Ringebenen in eine Ebene zuſammenfallen, ſo
ſchleifen die Drahtenden über die Scheidewand
in der Queckſilberrinne; hierdurch wird aber
die Stromrichtung im inneren Stromkreiſe
umgekehrt, und nun müſſen ſich die beiden
Stromkreiſe abſtoßen, d. h. der innere Ring
ſetzt ſeine Drehung fort, bis ſeine rechte
Seite auf die linke Seite des äußeren Ringes
gekommen iſt. Nun würde, weil ſich jetzt
abermals parallele Ströme gleicher Richtung

Figure 159. Fig. 160.

Rotation paralleler Ströme.


gegenüberſtehen, Ruhe eintreten, wenn nicht im ſelben Momente durch Ueberſchleifen
der Drahtenden über die Scheidewand die Stromrichtung im inneren Stromkreiſe
abermals umgekehrt würde. Somit muß der innere Drahtring ſich beſtändig drehen
(Fig. 160).


Weber hat das Verhalten zweier elektriſcher Ströme gegeneinander mit Hilfe
des Elektrodynamometers meſſend verfolgt und iſt dabei zu dem Geſetze gelangt,
daß die Anziehung und Abſtoßung der Ströme proportional dem
Producte der beiden Stromintenſitäten und dem Producte der auf-
einander wirkenden Stromlängen und umgekehrt proportional dem
Quadrate der Entfernung erfolgt
.


Das Elektrodynamometer beſteht im Weſentlichen aus zwei Drahtrollen, deren
eine feſtſteht, indes die andere an zwei Leitungsdrähten hängt, ſich alſo um dieſe
drehen kann. Zur genauen Beſtimmung der Ablenkung der beweglichen Spule bedient
man ſich einer Spiegelableſung, wie wir ſolche ſchon wiederholt kennen gelernt haben.
17*
[260] Die beiden Drahtrollen haben, wenn ſie von Strömen gleicher Richtung durch-
floſſen werden, das Beſtreben, ſich parallel zu ſtellen. (Aehnlich wie in Fig. 160.)
Dieſe Conſtruction eines Meßinſtrumentes hat zwei Vortheile, die namentlich für
die Praxis von Bedeutung ſind. Erſtens iſt das Drehungsmoment, welches auf die
bewegliche Spule ausgeübt wird, proportional dem Quadrate der Stromintenſität,
alſo einem Ausdrucke, dem auch das Arbeitsäquivalent des Stromes proportional
iſt; das will anders ausgedrückt ſagen: Zwei Ströme können Arbeiten erzeugen,
deren Größen ſich wie die Quadrate der Stromſtärken verhalten. Die Bedeutung
dieſes Verhaltens für die Praxis iſt wohl einleuchtend. Zweitens ſind die Angaben
eines Elektrodynamometers unabhängig von der Stromrichtung; wir meinen ſo:
Geht durch die beiden Spiralen ein Strom von beſtimmter Stärke und Richtung,
ſo wird die bewegliche Spule eine beſtimmte Drehung ausführen; wechſelt man

Figure 160. Fig. 161.


Figure 161. Fig. 162.

Lichtbogen-Pferdeſtärkemeſſer.


nun die Richtung des beide Spulen durchlaufenden Stromes, ſo behält die beweg-
liche Spule ihre Ablenkung unverändert bei, da letztere nur eine Function der
Stromſtärke, aber nicht der Stromrichtung iſt. War nämlich zuerſt die Strom-
richtung in den beiden Spulen zueinander parallel, ſo muß ſie es auch nach
der Umkehr des Stromes ſein, weil dieſer in beiden Spulen ſeine Richtung gewech-
ſelt hat.


Wir werden ſpäter ſehen, daß in der Praxis nicht ſelten auch Ströme zur
Verwendung kommen, deren Richtung fortwährend wechſelt. Zur Meſſung ſolcher
Ströme erweiſt ſich daher das Elektrodynamometer ſehr vortheilhaft; dies veran-
laßte auch mehrfach zur Conſtruction ſolcher Meßinſtrumente.


Eines dieſer Inſtrumente iſt der Lichtbogen-Pferdeſtärkemeſſer(arc-
horse-power-measurer),
ein von Ayrton und Perry zu Meſſungen angewandtes
Inſtrument. Es iſt in Fig. 161 ſchematiſch gezeichnet und in Fig. 162 in perſpec-
tiviſcher Anſicht dargeſtellt. Die feſtſtehende Spirale B beſteht aus einem Kabel von
[261] 10 Litzen, die mittelſt des Pachytropen A (wie auf Seite 223 und in Fig. 135)
neben- oder hintereinander geſchaltet werden können. C iſt die bewegliche Spule
und S eine Spiralfeder zum Zurückziehen der Spule in ihre Ruhelage. Die beweg-
liche Spule C beſitzt einen Widerſtand von 400 Ohms, und wird in eine Neben-
ſchließung zwiſchen den Polklemmen der Lampe oder überhaupt zu dem zu meſſenden
Theile einer Stromleitung eingeſchaltet. Der Strom, welcher dieſe Spule durchkreiſt,
muß ſomit der Potentialdifferenz jener Punkte proportional ſein, an welchen der
Nebenſchluß angebracht wird. Durch die feſtſtehende Spule läßt man hingegen den
Hauptſtrom gehen. Somit iſt nach dem früher angegebenen Geſetze die Ablenkung
proportional der Potentialdifferenz,
mal der Stromſtärke im Lichtbogen
oder überhaupt in dem eingeſchalteten
Theile der Stromleitung. Das Inſtru-
ment geſtattet vermöge ſeiner Einrich-
tung die im Lichtbogen aufgewandte
Stromarbeit direct in Pferdeſtärken zu
meſſen.


Das von der Firma Siemens
und Halske zur Meſſung ſtarker
Ströme conſtruirte Dynamometer iſt
in Fig. 163 abgebildet. Der beweg-
liche Stromkreis W W beſteht nur
aus einer Windung ſtarken Drahtes,
während die feſtſtehende Spule A A
zwei Windungsgruppen zu 5 und 50
Windungen beſitzt. Der beweglichen
Spule wird der Strom mit Hilfe
zweier Queckſilbernäpfchen, in welche
die Enden der Spule tauchen, zugeführt.
Sie iſt unter Vermittlung der Spiral-
feder F aufgehängt und trägt den nach
oben gerichteten Zeiger Z, welcher auf
der Kreistheilung T ſpielt. Die Draht-
enden der feſten Spule ſind mit den
Klemmſchrauben 1, 2 und 3 und den
Queckſilbernäpfchen ſo verbunden, daß
man den Strom ſowohl durch die
wenigen Windungen der feſtſtehenden

Figure 162. Fig. 163.

Tynamometer von Siemens.


und durch die bewegliche Spule leiten kann, als auch durch die vielen Windungen
der feſten und durch die bewegliche Spule. Es ermöglicht das die Anpaſſung des
Inſtrumentes an verſchieden ſtarke Ströme. Da der bewegliche Stromkreis nur
eine Windung, der feſtſtehende viele enthält, iſt die Wirkung des Erdmagnetismus
auf die Stellung der beweglichen Spule faſt gleich Null. Es hat daher die
Stellung des Inſtrumentes auf deſſen Angaben keinen Einfluß.


Die Ablenkung des beweglichen Stromkreiſes wird durch die Torſion der
Feder, welche man dieſer mit Hilfe des oben angebrachten Knopfes ertheilt, com-
penſirt; die Größe des Winkels, um welchen man die Feder drehen muß, bildet
dann ein Maß für das Quadrat der Stromſtärke. Zur Meſſung nach den gebräuch-
[262] lichen Einheiten wird das Inſtrument geaicht, indem man z. B. in den Strom-
kreis gleichzeitig ein Kupfervoltameter einſchaltet und aus der abgeſchiedenen Kupfer-
menge die Stromſtärke in Ampères berechnet. Da die Bewegung der Spule pro-
portional dem Quadrate der Stromſtärke erfolgt, ſo giebt die Quadratwurzel aus
der Anzeige des Dynamometers ebenfalls die Stromſtärke an. Das Verhältniß
dieſer zur Stromſtärke, welche durch das Voltameter beſtimmt wurde, bildet dann
den Reductionsfactor, d. h. jene Zahl, durch welche man die Angaben des Dyna-
mometers auf Ampères reducirt. Man nennt dieſe Zahl auch die Conſtante des
Apparates, weil ſie, einmal beſtimmt, zur Umrechnung ſämmtlicher Anzeigen des
Inſtrumentes dienen kann.


Wir hatten bereits wiederholt Gelegenheit, auf eine Wirkung der Erde hin-
zuweiſen, welche ſich in der Weiſe äußert, daß durch ſie ſtromdurchfloſſenen und
freibeweglichen Leitern eine beſtimmte Stellung im Raume ertheilt wird. Ein um

Figure 163. Fig. 164.

Wirkung des Erdſtromes.


eine verticale Axe drehbarer Kreisſtrom ſtellt ſich mit ſeiner Ebene ſenkrecht auf
den magnetiſchen Meridian, alſo ſenkrecht auf die Richtung der Declinationsnadel.
(Seite 255). Bei Dynamometern, deren bewegliche Spule aus vielen Drahtwindungen
gebildet iſt, die alſo eine ſehr kräftige Einwirkung durch die Erde erfahren, iſt es
daher bei Strommeſſungen geboten, auf dieſen Umſtand in der Art Rückſicht zu
nehmen, daß man die Spule mit ihrer Ebene ſenkrecht auf den magnetiſchen Me-
ridian ſtellt. Der Einfluß der Erde auf die Stellung ſtromumfloſſener Ebenen läßt
ſich durch die Annahme elektriſcher Strömungen in der Erde erklären, welche ſo
verlaufen, daß ihre reſultirende Wirkung einem von Oſt nach Weſt fließenden
Strome gleichkommt. Die Beziehungen, welche zwiſchen elektriſchen Strömen und
dem Magnetismus beſtehen, reichen dann auch, wie wir ſpäter ſehen werden, zur
Erklärung der erdmagnetiſchen Wirkungen aus.


Betrachten wir zunächſt mit Hilfe der Fig. 164 die Wirkung der Erd-
ſtröme
auf ſtromumfloſſene verticale Ebenen. a b c d ſtellt den um eine verticale
Axe drehbaren verticalen Stromkreis, W O die Reſultirende der ſämmtlichen Erd-
[263] ſtröme dar, die wir kurzweg den Erdſtrom nennen wollen. Da jeder derartige
Stromkreis im Verhältniſſe zum Erdſtromkreiſe verſchwindend klein iſt, kann der
Unterſchied der Entfernungen der Ströme a b und d c von O W nicht in Betracht
kommen. Ferner ſind die Ströme in a b und d c gleich ſtark und entgegengeſetzt
gerichtet: folglich iſt die Wirkung des Erdſtromes auf die horizontalen Ströme a b
und c d gleich Null. Anders verhält es ſich aber mit den beiden verticalen
Strömen a d und b c. Dieſe beiden ſtehen zu dem Erdſtrome in derſelben Be-
ziehung wie der „begrenzte“ Strom S zu dem „unbegrenzten“ Strome A B in
Fig. 158, Seite 258. Der Kreuzungspunkt für die Ströme in b c und in O W
liegt bei F. Der Strom c b fließt zum Kreuzungspunkte, der Strom G Fvom
Kreuzungspunkte weg, folglich ſtoßen ſich die beiden Ströme in der Richtung G b
ab. Die Ströme c b und F O fließen beide zum Kreuzungspunkte F, ziehen ſich
daher in der Richtung b O an; dieſe beiden Kräfte ſetzen ſich zu der Reſultiren-
den R1 zuſammen, welche den Leiter c b in der Richtung b R1 zu bewegen ſucht.
Die Ströme in a d und O W haben ihren Kreuzungspunkt in E. Da die
Ströme a d und E W vom Kreuzungspunkte wegfließen, ziehen ſie ſich in der
Richtung a W an, und weil der Strom a d vom Kreuzungspunkte wegfließt, der
Strom G E aber zu ihm hinfließt, ſo ſtoßen dieſe beiden ſich in der Richtung G a
ab. Die aus dieſen Kräften Reſultirende R ſucht daher den Leiter a d in der
Richtung a R zu bewegen.


Der Stromkreis a b c d kann ſich aber nur um die verticale Axe G H
drehen, nicht aber ſeitlich verſchieben, und die Reſultirenden R und R1 ſuchen ihn
nach verſchiedenen Richtungen zu verſchieben, d. h. um G H zu drehen. Eine
Drehung des Stromkreiſes muß daher, einen einzigen Fall ausgenommen, ſtets
erfolgen. Dieſer Fall iſt aber offenbar jene Stellung des Stromkreiſes, in welcher
der aufſteigende Strom weſtlich und der abſteigende Strom öſtlich von der Axe G H
verläuft, weil nur in dieſer Stellung von a b c d die beiden Kräfte in gleicher
Stärke wirken, und die Richtungen beider Kräfte zwar entgegengeſetzte, aber in
eine und dieſelbe Linie fallende ſind. Da ſich alſo ein verticaler, um eine verticale
Axe beweglicher Stromkreis immer ſenkrecht auf den magnetiſchen Meridian, und
zwar ſo ſtellt, daß ſich der aufſteigende Strom im Weſten, der abſteigende im
Oſten befindet, ſo iſt dieſes Verhalten gerade ſo, als ob ein Erdſtrom in der
magnetiſchen Oſt-Weſtrichtung kreiſen würde.


Wir haben nun noch die Lage des Erdſtromes, dieſen gewiſſermaßen als
reſultirenden Strom ſämmtlicher Strömungen auf der Erde gedacht, zu beſtimmen.
Wir werden dieſe finden, wenn wir einen Stromkreis vollkommen frei beweglich
aufhängen, oder weil uns bereits die Wirkung auf einen um eine verticale Axe
drehbaren Stromkreis bekannt iſt, wenn wir ihm freie Beweglichkeit um eine
horizontale Axe ermöglichen. Der von Ampère zu dieſem Experimente angegebene
Apparat iſt in Fig. 165 abgebildet. Er beſteht aus der Drahtfigur a b c d e f g,
welche um die horizontale Axe f g drehbar iſt. Das ſchwarz gezeichnete Stück a f
und das ebenſo gezeichnete Stück an der Kreuzungsſtelle der Drähte c d und f g
beſtehen aus einem iſolirenden Materiale. Die Stromzuleitung erfolgt durch die
Träger T T1 und die mit dieſen in Verbindung ſtehenden Queckſilbernäpfchen. Die
Holzraute h r dient nur zur Verſteifung des Drahträhmchens. Die einzelnen Theile
des letzteren ſind in Bezug auf ihr Gewicht derart angeordnet, daß der Schwer-
punkt in die Axe f g fällt, ſomit die ganze Drahtfigur in jeder Lage ſich im
Gleichgewichte befindet.


[264]

Der Apparat wird ſo aufgeſtellt, daß die Axe f g auf den magnetiſchen
Meridian ſenkrecht ſteht. Läßt man dann durch Einhängen der Batteriedrähte in
die Queckſilbernäpfchen einen Strom in der durch die Pfeile angedeuteten Richtung
T1 a b c d e f g T durch den Drahtrahmen fließen, ſo ſtellt ſich dieſer mit ſeiner
Ebene ſenkrecht auf die Richtung der Inclinationsnadel. Hierbei nimmt jene Seite
des Rahmens die tiefere Lage ein, in welcher der Strom von Oſt nach Weſt
fließt (alſo in der Figur c b). Letzteres hat darin ſeinen Grund, daß bei der Auf-
ſtellung des Apparates mit der Axe ſenkrecht auf den magnetiſchen Meridian die
Seiten c b und d e in die Richtung Oſt-Weſt kommen; die Ströme in dieſen
beiden Seiten verlaufen daher parallel zum Erdſtrome. Es gelten ſomit die
Geſetze für parallele Ströme, und da der Erdſtrom von Oſt nach Weſt fließt,
muß auch die Seite c b, in welcher der Batterieſtrom gleichfalls dieſe Richtung
beſitzt, angezogen, die Seite d e mit entgegengeſetzt gerichtetem Strome abgeſtoßen

Figure 164. Fig. 165.

Wirkung des Erdſtromes.


werden. Die Ströme in b e und c d kommen, da ſie entgegengeſetzt gerichtet ſind
und der Rahmen ſich nur um die Axe f g drehen kann, nicht zur Geltung.


Aus der Stellung des Rahmens ſenkrecht zur Inclinationsnadel folgt, daß
der Erdſtrom, von unſeren Breiten aus gerechnet, ſüdlich verlaufen muß. Soll
dieſer Erdſtrom wirklich vorhanden ſein, ſo muß von dieſem als unbegrenzten
Strome auch jene Wirkung auf begrenzte Ströme ausgeübt werden, welche wir
bereits kennen lernten (Seite 258, Fig. 158 und 159). In der That rotirt der
Leiter L L1 in Fig. 159 auch dann, wenn man um die Queckſilberrinne keinen
Strom leitet. Die Rotation wird dann aber durch Einwirkung des Erdſtromes
auf den horizontalen Leitertheil und nicht auf die verticalen Ströme hervorgebracht.
Die Wirkung auf den horizontalen Theil wird aus der ſchematiſchen Zeichnung
Fig. 166 klar werden. a b ſtellt den horizontalen, um o drehbaren Theil des
Stromkreiſes, A B den Erdſtrom dar. In dieſer Stellung gilt für den von o nach
b fließenden Strom die Betrachtung, die für S in Fig. 158 angeſtellt wurde.
[265] Somit muß ſich o b gegen A bewegen. Dies kann jedoch vermöge der Anordnung
des Apparates nur durch Drehung von a b um o erfolgen, wodurch a b in die
Lage a1 b1 kommt. In dieſer Lage iſt a1 b1 parallel zu A B; in o b1 iſt die
Stromrichtung jener von A B entgegengeſetzt, alſo muß o b1 abgeſtoßen werden.
Die Stromrichtung in o a1 iſt gleich jener in A B, folglich muß o a1 angezogen
werden. Das Reſultat dieſer beiden Wirkungen iſt die Drehung von b1 a1 wieder
in die Stellung a b, in welcher der Leiter nach der früheren Betrachtung aber-
mals nicht verharren kann. Der Leiter a b muß daher durch den Erdſtrom in
beſtändige Rotation um o verſetzt werden.


Auf die verticalen Ströme in L L1 (Fig. 159) kann der Erdſtrom nicht
wirken, da er in Bezug auf die kleine Drahtfigur in gerader Linie fließt. Er würde
daher L und L1, da in beiden der Strom gleiche Richtung hat, nach einer und
derſelben Seite zu verſchieben trachten; dieſem Impuls kann aber der Leiter ver-
möge ſeiner Aufhängung auf der Säule T nicht nachgeben und ſomit kann der
Erdſtrom nur auf die horizontalen Stromtheile einwirken.


Man hat namentlich in jüngſter Zeit
der Beobachtung und dem Studium der
Erdſtröme erhöhte Aufmerkſamkeit zu Theil
werden laſſen. Es iſt keineswegs ausſchließ-
lich das wiſſenſchaftliche Intereſſe, welches
dazu anregt, ſondern es muß auch dem
praktiſchen Elektrotechniker daran gelegen ſein,
genaue Kenntniß dieſer Naturerſcheinung und
ihrer Geſetze zu erlangen. Den Erdſtrömen
ſind nämlich nicht blos die Störungen der
erdmagnetiſchen Wirkungen zuzuſchreiben, ſon-
dern ſie ſind häufig auch die Urſache größerer
oder kleinerer, länger oder kürzer andauernder
Störungen im Betriebe der Telegraphen-
Apparate. In richtiger Erkenntniß und

Figure 165. Fig. 166.

Wirkung des Erdſtromes.


Würdigung dieſer Umſtände hat daher namentlich der Berliner elektrotechniſche Ver-
ein wiederholt eingehende Studien veranlaßt; dieſe ſind auch in der That ſchon
von Erfolgen gekrönt worden. Wenngleich das vorliegende Material noch viel
zu gering iſt, allgemein giltige Geſetze aufzuſtellen, ſo iſt man doch immerhin
bereits jetzt im Stande, gewiſſe Beziehungen zwiſchen den Erdſtromſchwankungen
und anderen kosmiſchen Erſcheinungen zu erkennen.


Starke Schwankungen der Erdſtröme, häufiges Auftreten der Polarlichter,
Störungen der erdmagnetiſchen Wirkungen und die Vorgänge auf der Sonnen-
oberfläche ſtehen in inniger Beziehung zueinander. Weiß man dieſe auch noch nicht
in feſte Regeln zu faſſen, ſo kann man doch ſchon annähernd die Zeiten angeben,
zu welchen beſonders mächtige Erdſtröme zu gewärtigen ſind. Als ſolche ergaben
ſich die beiläufig alle eilf Jahre periodiſch wiederkehrenden Phaſen auf der Sonnen-
oberfläche. Daß zwiſchen den Störungen der erdmagnetiſchen Kräfte ſowohl in Bezug
auf ihre Richtung als auch auf ihre Intenſität und den Schwankungen der Erd-
ſtröme ein ganz beſtimmter Zuſammenhang beſteht, erhellt aus den ſchon ſeit einer
Reihe von Jahren auf der Sternwarte zu Greenwich regelmäßig angeſtellten Be-
obachtungen. Es unterliegt auch keinem Zweifel, daß die Störungen, welche an
den erdmagnetiſchen Inſtrumenten und jene, welche an den Galvanometern der
[266] Telegraphenleitungen beobachtet werden, derſelben Urſache zuzuſchreiben ſind, daß
der Unterſchied nur in der geringeren oder größeren Stärke liegt.


Um der Art, auf welche die Erdſtröme entſtehen, näher zu kommen, muß
man auf die elektriſchen Vorgänge auf der Erde und in ihrer Atmoſphäre eingehen.
Die elektriſchen Zuſtände in den oberen Schichten der Luft einerſeits und der Erde
andererſeits gleichen ſich in den verſchiedenen Breiten in verſchiedener Weiſe aus.
In den Polargegenden übernehmen jene Glühlichtſäulen, welche wir mit dem Namen
Nordlicht bezeichnen, die Vermittlerrolle, während in den Aequatorialgegenden der
Ausgleich faſt ausſchließlich durch Gewitter ſtattfindet. Auch in den mittleren Breiten
ſpielen letztere die Hauptrolle; unter beſonderen kosmiſchen Verhältniſſen iſt jedoch
auch Nordlicht zu beobachten. Den unmittelbaren Einfluß, welchen dieſe Aus-
gleichungen auf die Erdſtröme ausüben, werden wir bald kennen lernen. Zunächſt
haben wir den Zuſammenhang zwiſchen den Vorgängen auf der Sonne und den
elektriſchen Erſcheinungen auf der Erde zu betrachten.


Profeſſor Förſter giebt hierüber in einem im Berliner elektrotechniſchen Ver-
eine gehaltenen Vortrage nachſtehende Aufſchlüſſe: Es iſt durch die zahlreichen und
immer genauer gewordenen magnetiſchen Beobachtungen der letzten drei bis vier
Jahrzehnte erwieſen, daß der jedesmalige Grad der Flecken- und Fackelbildung*)
auf der Sonnenoberfläche und die entſprechende Häufigkeit und Ausdehnung der
Entwicklung von Säulen und Wolken glühender Gaſe in der Umgebung des
Sonnenkörpers mit gewiſſen Schwankungen der Richtung und der Intenſität der
erdmagnetiſchen Kräfte in einem engen Zuſammenhange ſteht. Nicht nur die in dem
letzten halben Jahrhundert ungefähr alle eilf Jahre wiederkehrende ungewöhnliche
Steigerung der Flecken- und Fackelbildung ſpiegelt ſich in der Steigerung dieſer
erdmagnetiſchen Erſcheinungen genau wieder, ſondern auch alle plötzlicheren und
ſchneller verlaufenden Veränderungen der betreffenden Zuſtände des Sonnenkörpers
finden ihr Abbild in gewiſſen erdmagnetiſchen Erſcheinungen. Es iſt ebenſo erwieſen,
daß, wenngleich in denjenigen beiden Polarzonen, in denen die häufigſten Polarlicht-
Erſcheinungen vorkommen, die eilfjährige Sonnenfleckperiode keinen ſehr deut-
lichen Einfluß auf die Häufigkeit jener elektriſchen Phänomene zu haben ſcheint, doch
auch in dieſen Zonen eine jährliche Periodicität der Polarlichter beſteht, welche
nach ihrer Beſonderheit unverkennbar auf andere Einflüſſe der Sonne als ihre
bloßen Licht- und Wärmeſtrahlungen hinweiſt. Sodann iſt aber die Häufigkeit
des Auftretens von Polarlichtern außerhalb jener die Magnetpole umgebenden Zonen
in dem allerdeutlichſten Zuſammenhange mit der eilfjährigen Sonnenfleckperiode.
Palarlichter, welche von beiden Polen aus ſich bis nahe an den Aequator erſtrecken
und Glühlichtſäulen zum Beiſpiele noch über dem nördlichen Indien bilden, kommen
ausſchließlich in denjenigen Jahren vor, in welchen ſich auch die Oberfläche und
die Umgebung des Sonnenkörpers in ungewöhnlicher Erregung zu befinden ſcheinen.


[267]

Eine Nordlichtſtörung von großer Intenſität trat zum Beiſpiele in der Zeit
vom 11. bis 14. Auguſt 1880 ein. Der Leitung der deutſchen Telegraphen-Ver-
waltung iſt es zu verdanken, daß hierüber ein weite Gebiete umfaſſender Bericht
bekannt gemacht wurde. Auf die Einzelheiten desſelben einzugehen, würde jedoch zu
weit führen, weshalb nur die Hauptreſultate namhaft gemacht werden ſollen. Im
Allgemeinen, heißt es in dem angezogenen Berichte, ergiebt ſich aus den geſam-
melten Notizen, daß die Störungen ſich in der Form fremder Ströme, ſogenannter
Erdſtröme, in den ober- und unterirdiſchen Leitungen zeigten, von verſchiedener, zu-
und abnehmender Intenſität, von verſchiedener Dauer und, was vielleicht das Be-
deutendſte iſt, weil es auf ein Auf- und Abwallen ſchließen läßt, von häufig
wechſelnder Richtung. Die Reduction der verſchiedenen Zeitangaben auf denſelben
Meridian läßt die Gleichzeitigkeit der Störungen an verſchiedenen Orten nur ganz
im Allgemeinen annehmen; nur um die Berliner Mittagsſtunde am 12. Auguſt
ſcheint ein ziemlich weit und gleichmäßig verbreitetes Maximum in den Erſcheinungen
ſtattgefunden zu haben, während andere Phaſen und Perioden der Störungen nur
local begrenzt aufgetreten ſind. Es iſt verſchiedentlich feſtgeſtellt worden, daß die
Störungen in einzelnen Ländern die in der Richtung von Oſten nach Weſten
geführten Leitungen, in anderen die ſich von Norden nach Süden erſtreckenden vor-
zugsweiſe betroffen haben, und daß die langen zur Verbindung entfernt voneinander
liegender Orte dienenden Leitungen mehr zu leiden hatten, als diejenigen, bei welchen
die Erdplatten einander näherſtanden. Sind die beobachteten fremden Ströme als
die Ausgleichung zwiſchen verſchiedenen elektriſchen Zuſtänden in der Erde mittelſt
der Erdplatten und der vorhandenen Telegraphenleitungen anzuſehen, dann geht
hieraus hervor, daß derartige Verſchiedenheiten nur in größeren Entfernungen in
dem Maße hervortreten, um wirkungsvolle Erſcheinungen zu geben.


Aus den vom geheimen Oberpoſtrath Ludewig gemachten Zuſammenſtellungen
und ähnlichen Beobachtungen aus den Jahren 1859 und 1871 ergiebt ſich, daß
derartige Störungen ſich nur in längeren Zeiträumen in gleicher Stärke zu wieder-
holen ſcheinen. Ein gewiſſer regelmäßiger Turnus in der Wiederkehr derſelben läßt
ſich jedoch vorläufig noch nicht mit Sicherheit angeben, da hierzu noch ein zu
wenig erhebliches Material vorliegt. Hingegen beſitzt doch ſchon die genauere Um-
grenzung des geographiſchen Verbreitungsgebietes und die Erfahrung einen gewiſſen
Werth, daß ſich beiſpielsweiſe in Italien, Oeſterreich und zum Theile in der Schweiz
ziemlich inmitten des großen allgemeinen Störungsbezirkes ein von Störungen ver-
ſchontes, nicht unbeträchtliches neutrales Gebiet befunden hat.


Die Erdſtröme können mitunter eine ſehr beträchtliche Intenſität erreichen. Dies
wurde zum Beiſpiele an der Leitung Gothenburg-Nyſtad beobachtet, welche beiläufig zu
drei Viertel ihrer Länge aus Landleitung und einem Viertel aus Kabel beſteht. Die
Leitung zeigte ſich während der Hauptſtörungsperiode (1880) in Nyſtad bald poſitiv,
bald negativ geladen und erzeugte an den Apparaten einen Ausſchlag, welcher den
durch einen galvaniſchen Strom von 200 Leclanché-Elementen hervorgebrachten
Ausſchlag überſtieg. Wurde die Leitung abwechſelnd mit der Erdklemmſchraube ver-
bunden und wieder von derſelben getrennt, dann wurden ſtark leuchtende
Funken
beobachtet und der Leitungsdraht wurde hierbei in der Weiſe erhitzt, daß
die umgelegte Guttapercha anfing zu ſchmelzen.


Nach allen dieſen Beobachtungen und nach den Aufzeichnungen und Erörte-
rungen des ſchwediſchen Phyſikers Wijkander kann man kaum mehr darüber im
Zweifel ſein, daß locale über kleinere Gebiete ſich ausdehnende Schwankungen des
[268] Erdſtromes Influencirungen und Entladungen bei localen Gewittern ihr Auftreten
verdanken. Mit ebenſo großer Wahrſcheinlichkeit kann man aber auch behaupten,
daß die über größere Flächen der Erde verbreiteten elektriſchen Spannungen und
Ausgleichungen, welche in den Polarlichtern hervortreten, unter Umſtänden noch
mächtigeren und weiter verbreiteten elektriſchen Ab- und Zuſtrömungen, wie ſie
beſonders in den längeren Telegraphenleitungen beobachtet werden können, den
Urſprung geben.


Ueber die Einflüſſe eines Gewitters auf die Erdſtröme erſtattete Fröhlich
im Berliner elektrotechniſchen Vereine Bericht. Zu den Verſuchen ſtand die mittlere
Ader des Kabels zur Verfügung, welches Berlin und Dresden verbindet. Das
Gewitter entlud ſich über und in der Nähe von Berlin. Die Schwankungen des
Erdſtromes wurden durch einen Regiſtrirapparat in Form einer Curve dargeſtellt.
Der Verlauf dieſer während des Gewitters aufgenommenen Erdſtromcurve zeigt
im Vergleiche mit einer früher erhaltenen keine weſentlichen Verſchiedenheiten; auf-
fallend ſind jedoch die durch den Apparat markirten zahlreichen und ſehr kräftigen
Inductionsſchläge, an welchen ſich die Entwicklung des Gewitters verfolgen läßt.
Dieſe Inductionsſchläge fallen offenbar mit atmoſphäriſchen Entladungen zuſammen;
denn bei einer Anzahl derſelben hat der den Apparat überwachende Beamte zugleich

Figure 166. Fig. 167.

Solenoid.


einen Blitz beobachtet. Das Hauptergebniß dieſer Beobachtung ſcheint darin zu
liegen, daß während des Gewitters der Erdſtrom ſeinen Charakter und ſeine Stärke
nicht weſentlich verändert und daß ſich der ganze Einfluß des Gewitters in In-
ductionsſchlägen äußert, welche von atmoſphäriſchen Entladungen herrühren.


Kehren wir nochmals zur Einwirkung des Erdmagnetismus auf freibeweg-
liche ſtromumfloſſene Ebenen zurück. Wir haben gehört, daß dieſe unter der Ein-
wirkung jener Kraft immer in eine und dieſelbe Stellung geführt und darin feſt-
gehalten werden. Dieſe Erſcheinung iſt um ſo leichter herbeizuführen, wenn man
an Stelle einer Windung einen aus mehreren zueinander parallelen Windungen
hergeſtellten Stromkreis anwendet. Giebt man hierbei dieſem Stromkreiſe die in
Fig. 167 dargeſtellte oder eine ähnliche Form, ſo nennt man ihn ſchlechtweg ein
Solenoid. Ampère verſtand unter einem Solenoide allerdings die Aufeinander-
ſchichtung vieler unendlich kleiner Kreisſtröme derſelben Richtung und in der Art,
daß ihre Ebenen ſämmtlich auf der ihre Mittelpunkte verbindenden Linie ſenkrecht
ſtehen; da aber dies praktiſch nicht ausführbar und auch das Verhalten eines
Stromkreiſes von der in der Figur dargeſtellten Form nur ein quantitativ ver-
ſchiedenes iſt, kann die Bezeichnung Solenoid auch hierfür beibehalten werden.


Die in Fig. 167 dargeſtellte Form kann in der That als Syſtem paralleler
Kreisſtröme aufgefaßt werden; jede Windung iſt nahezu ein voller Kreis und durch
[269] ein kleines Verbindungsſtück mit dem nächſten Kreis verbunden. Die Längen dieſer
Verbindungsſtücke zwiſchen ſämmtlichen Kreiſen ſummirt, geben offenbar die Länge
des geraden Drahtes A B. In welcher Weiſe der Strom in dieſem Leiterſyſteme
circulirt, iſt in der Figur durch Pfeile angedeutet. Hieraus iſt auch zu erſehen,
daß der Strom im geraden Drahte A B in entgegengeſetzter Richtung verlauft wie
in den Drahttheilen, die als Verbindungsſtücke zwiſchen den aufeinanderfolgenden
Stromkreiſen gedacht werden. Die Wirkungen dieſer Ströme müſſen ſich daher nach
außen hin aufheben und ſomit kommen wirklich nur die Kreisſtröme in Betracht.


Hängt man ein derartiges Solenoid oder, wie man es mitunter auch nennt,
einen elektrodynamiſchen Cylinder ſo auf, daß er ſich um eine verticale Axe
drehen kann (z. B. durch Einhängen in die Queckſilbernäpfchen des Ampère’ſchen
Geſtelles), ſo ſtellt ſich das Solenoid mit ſeiner Längsrichtung parallel zur De-
clinationsnadel. Ein Solenoid erſetzt alſo gleichſam einen Magnetſtab, indem es
jenes Ende gegen Süden wendet, auf welchem der Kreisſtrom in der Richtung
der Bewegung eines Uhrzeigers fließt, während auf dem gegen Norden gerichteten
Ende der Strom ſich gegen die Uhrzeigerbewegung bewegt. Man ſpricht daher auch
von Polen eines Solenoides und bezeichnet das gegen Süden gewandte Ende als
Südpol, das gegen Norden gerichtete mit dem Namen Nordpol.


Wird die Drehungsaxe eines Solenoides in gleicher Weiſe angeordnet, wie
die des Stromkreiſes in Fig. 165, ſo ſtellt ſich das Solenoid mit ſeiner Längs-
richtung parallel zur Inclinationsnadel. Leitet man über oder unter einem Sole-
noide, welches parallel zur Declinationsnadel ſchwebt, einen gerade verlaufenden
Strom, ſo wird das Solenoid in gleicher Weiſe abgelenkt wie die Magnetnadel.
Die entgegengeſetzten Pole zweier Solenoide ziehen ſich an, die gleichnamigen ſtoßen
ſich ab. Man erſieht aus dieſem Verhalten, daß durch Solenoide dieſelben Wir-
kungen erzielt werden können, welche man durch Magnete hervorruft. Ja ſelbſt
einfache Stromkreiſe zeigen ein ganz gleiches Verhalten; ſie ſind eben auch Sole-
noide, aber Solenoide von ſehr geringer Länge. Umgekehrt kann jedoch auch das
Verhalten der Solenoide durch jene Geſetze erklärt werden, welche die Einwirkung
zweier Ströme aufeinander ausdrücken. Dieſe auffällige Uebereinſtimmung in den
Wirkungen, welche durch Magnete oder Solenoide hervorgebracht werden, führte zu


Ampère’s Theorie des Magnetismus. Solenoide wirken aufeinander,
jedoch nicht nur in derſelben Art, ſondern auch nach demſelben Geſetze. Auch bei
ihnen iſt die Wirkung dem Producte der Intenſitäten direct und dem Quadrate
der Entfernung umgekehrt proportional. Solenoid und Magnet wirken auch gegen-
ſeitig aufeinander geradeſo, als ob zwei Magnete oder zwei Solenoide zur Ver-
wendung gekommen wären. Alle dieſe Erſcheinungen veranlaßten daher Ampère, die
früher aufgeſtellte Hypotheſe von der Exiſtenz zweier magnetiſcher Fluida auf-
zugeben und im Magnetismus nichts Anderes als den Parallelismus elektriſcher
Ströme zu erblicken (1826). Natürlich konnte hierbei ein Magnetſtab oder eine
Magnetnadel nicht einfach als ein Solenoid betrachtet merden; dies würde ſchon
die Erklärung jener Erſcheinung unmöglich machen, welche wir bei der Theilung
eines Magnetes in mehrere oder viele Stücke kennen gelernt haben. Wie wir bereits
wiſſen, iſt jedes dieſer Stücke wieder ein vollkommener Magnet und beſitzt einen
Nord- und einen Südpol. Dies veranlaßte uns auch zu der Annahme kleiner oder
Molecularmagnete, die dann in ihrer Geſammtheit den Magnetſtab bilden. Schon
damals dachten wir uns das Magnetiſiren eines Körpers in der Weiſe, daß hier-
durch die Molecularmagnete, welche vorher in allen möglichen Lagen ſich befanden,
[270] alle gleichgerichtet, d. h. mit ihren Südpolen nach der einen und mit ihren Nord-
polen nach der entgegengeſetzten Seite gerichtet werden. Jetzt können wir dieſe Vor-
ſtellung von der Conſtitution der Magnete dahin erweitern, daß dieſe Molecular-
magnete ihren Magnetismus elektriſchen Strömen zu verdanken haben, welche ſie
umkreiſen, daß alſo jeder Elementarmagnet als ein Solenoid aufzufaſſen iſt. Sind
daher in einem Körper dieſe Molecularmagnete oder Solenoide in allen möglichen
Stellungen zueinander angeordnet, dann iſt der Körper unmagnetiſch, weil die
nach den verſchiedenſten Richtungen laufenden Ströme ſich in ihren Wirkungen nach
außen gegenſeitig aufheben; ſind jedoch die gleichnamigen Pole ſämmtlicher Sole-
noide oder Molecularmagnete je nach der einen oder der entgegengeſetzten Seite
gekehrt, dann iſt der Körper ein Magnet, weil ſich die einzelnen Elementarſtröme
in ihren Wirkungen nach außen gegenſeitig unterſtützen und verſtärken.


Mit Zugrundelegung der Ampère’ſchen Theorie laſſen ſich nun alle magne-
tiſchen Erſcheinungen in einfacher Weiſe erklären. Es iſt begreiflich, daß ein Magnet,
in noch ſo kleine Stücke zerbrochen, immer wieder vollkommene Magnete liefert und
nicht gewöhnliche Stahlſtücke, weil ſelbſt noch die kleinſten Stücke, die man durch
Zerbrechen erhalten kann, aus vielen Molecularmagneten zuſammengeſetzt ſind, und
letztere immer noch gleichgerichtet bleiben. Es muß auch jeder Theilmagnet an jener
Seite ſeinen Nordpol, beziehungsweiſe Südpol beſitzen, der vor der Theilung des
urſprünglichen Magnetes dem erſten oder zweiten der genannten Pole zugewandt
war, weil durch die Theilung die Richtung der Ströme in den Molecularmagneten
keine Aenderung erfuhr. Auch die Erſcheinung, daß z. B. bei einem cylindriſchen
Magnetſtabe nicht nur an den beiden Endflächen, ſondern auch an den Cylinder-
flächen wirkſamer Magnetismus vorhanden iſt, läßt ſich ungezwungen erklären.
Der Magnetſtab beſteht aus einem Bündel von Solenoiden, die alle mit ihren
gleichnamigen Polen nach der einen, beziehungsweiſe andern Endfläche gerichtet
ſind. Es kommen alſo nebeneinander die gleichnamigen Pole der Solenoide zu
ſtehen; dieſe ſtoßen ſich aber gegenſeitig ab. Es können folglich die Solenoide
nicht in vollkommen parallelen Lagen nebeneinander verlaufen, ſondern ſie müſſen
vielmehr gegen die Pole zu divergiren. Sie werden alſo in ähnlichen Lagen ſich
befinden wie die Stäbe eines in ſeiner Mitte feſt zuſammengeſchnürten Bündels,
nämlich in der Mitte, alſo der Indifferenzzone des Magnetes parallel nebenein-
ander liegen und von hier aus gegen die beiden Enden oder Pole zu ſich immer
weiter voneinander entfernen. Würde man nun aus einem ſolchen Bündel von
Stäben einen Cylinder ſchneiden in der Art, daß deſſen Durchmeſſer gleich iſt dem
Durchmeſſer an der Stelle der Zuſammenſchnürung, ſo iſt klar, daß die Enden
der einzelnen Stäbe nicht mehr alle auf die Ebenen des Cylinders zu liegen
kommen können, ſondern zum Theile auf deſſen Mantelfläche fallen müſſen. Ebenſo
müſſen auch die Pole der Solenoide in einem Magnete zum Theil auf deſſen
Mantelfläche fallen, daher zeigt der Magnet auch in der Richtung gegen die
Indifferenzzone zu noch freien Magnetismus.


Wir haben bisher noch nicht in Betracht gezogen, welche Richtung die
molecularen Kreisſtröme an dem einen oder dem andern der beiden Magnetpole
haben müſſen, oder umgekehrt dieſe angegeben und dann unterſucht, ob ſich die
magnetiſchen Erſcheinungen übereinſtimmend hiermit erklären laſſen. Nach der Am-
père’ſchen Theorie kreiſt am Südende jedes Solenoides ein Strom in der Rich-
tung der Uhrzeigerbewegung, am Nordpole hingegen in entgegengeſetzter Richtung.
Hierbei wird die Richtung immer in der Weiſe beſtimmt, daß man ſich den frag-
[271] lichen Pol gegen den Beſchauer gekehrt denkt. Daß die Stromrichtung am
Nordpole eines Solenoides die entgegengeſetzte ſein muß als am Südpole, ergiebt
ſich ſchon daraus, daß ein Strom das Solenoid vom Anfange bis zum Ende
durch alle Spiralwindungen hindurch continuirlich und ohne umzukehren durch-
lauft. Betrachtet man daher eine ſolche Spirale einmal von der einen und dann
von der entgegengeſetzten Stirnſeite, ſo muß offenbar das Rechts und Links ver-
tauſcht werden, alſo die im erſten Falle von rechts nach links gerichtete Bewegung
im zweiten Falle von links nach rechts gerichtet ſein. Der Zeiger einer Uhr bewegt
ſich im unteren Theile ſeiner Bahn bekanntlich von rechts nach links; denken wir
uns nun das Gehäuſe ſammt dem Werke durchſichtig und betrachten den Zeiger
von der Rückſeite aus durch dieſe hindurch, ſo wird ſich der Zeiger offenbar von
links nach rechts bewegen. Ebenſo verhält es ſich bei dem Solenoide in Fig. 168.
Iſt deſſen ebene Fläche bei S dem Beſchauer zugewandt, befindet alſo dieſer ſich
in S, ſo kreiſt auf dieſer Fläche der Strom in der Bewegungsrichtung des Uhr-
zeigers; das Solenoid hat an dieſer Seite ſeinen Südpol. Befindet ſich hingegen der
Beſchauer bei N, ſo kreiſt der Strom auf der dort Letzterem zugewandten Ebene gegen
die Richtung der Uhrzeigerbewegung; dort befindet ſich der Nordpol des Solenoides.


Dieſe an und für ſich einfachen
Verhältniſſe wurden abſichtlich ſo aus-
führlich betont, weil es nur zu häufig
vorkommt, daß ſie, als ſelbſtverſtänd-
lich vorausgeſetzt, zu wenig beachtet
und dann bei complicirteren Anwen-
dungen nicht hinlänglich ſicher gehand-
habt werden. Nach dieſer Abſchweifung
wollen wir unſere bereits begonnenen
Betrachtungen wieder fortſetzen.


Die Declinationsnadel ſtellt ſich
gleichwie auch ein Solenoid (in ähn-

Figure 167. Fig. 168.

Solenoid.


licher Aufhängung) mit dem Südpole gegen Süden. Folglich fließt an der Weſtſeite
dieſes Poles der Strom von unten nach oben und an der Oſtſeite umgekehrt. Da
wir jeden Magnetismus, alſo auch den Erdmagnetismus durch elektriſche Ströme
erklären, wird der Erdſtrom es ſein, welcher die angegebene Stellung des Magnetes
oder Solenoides bewirkt. Der Erdſtrom umfließt, wie wir bereits wiſſen, die
Erde von Oſt nach Weſt. Dieſelbe Richtung beſitzt der Strom am Südpole des
Magnetes an ſeiner unteren, die entgegengeſetzte an ſeiner oberen Seite. Da die
Differenz der Entfernungen dieſer beiden Ströme von dem Erdſtrome nicht in
Betracht kommt, muß die Wirkung des Erdſtromes ſich alſo nur auf die verticalen
Stromtheile, den im Weſten auf- und im Oſten abſteigenden Strom beſchränken.
Somit haben wir es mit der Wirkung eines unbegrenzten (des Erdſtromes) auf
begrenzte Ströme (auf der Oſt- und Weſtſeite des Südpoles am Magnete) zu thun.
Daß dieſe aber zu einer weſt-öſtlichen Stellung der Stromkreiſe oder, was dasſelbe
beſagt, zu einer nord-ſüdlichen des Magnetes führen muß, erhellt aus den auf Seite 262
angeſtellten Betrachtungen. Die Stellung der Inclinationsnadel, dieſe als Solenoid
aufgefaßt, ergiebt ſich aus den auf Seite 264 gegebenen Auseinanderſetzungen; man
hat ſich nur an Stelle des einfachen Stromkreiſes in Fig. 165 ein Solenoid zu denken.


Auch die Anziehung ungleichnamiger und die Abſtoßung gleichnamiger Magnet-
pole findet durch die Ampère’ſche Theorie in der Wirkung zweier Ströme auf-
[272] einander ihre Erklärung. Die Magnete S N und S1 N1 (Fig. 169 A) kehren ihre
entgegengeſetzten Pole einander zu; folglich ſtießt der Strom am Nordpole N,
dieſen gegen den Beſchauer gewandt, gegen die Uhrzeigerbewegung, am Südpole S1
in der Uhrzeigerbewegung. Die Solenoidſtröme in S N und S1 N1 ſind einander
parallel und gleichgerichtet, müſſen daher einander anziehen. In Fig. 169 B ſtehen
ſich zwei Nordpole gegenüber; es fließt daher auf jedem dieſer Pole der Solenoid-
ſtrom gegen die Uhrzeigerbewegung. Die Ströme in S N und S1 N1 ſind einander
parallel, aber entgegengeſetzt gerichtet, müſſen ſich daher abſtoßen. Somit ſind auch
die magnetiſchen Anziehungs- und Abſtoßungserſcheinungen auf Anziehungs- und
Abſtoßungserſcheinungen zwiſchen gleich- und ungleichgerichteten Strömen zurück-
geführt.


Wechſelwirkungen zwiſchen galvaniſchen Strömen und Magneten.
Wir haben bereits erfahren, daß ein über oder unter einer Magnetnadel vorüber
geleiteter Strom die Nadel ablenkt. Die Richtung, nach welcher die Ablenkung
erfolgt, giebt uns die Ampère’ſche Schwimmerregel. Nach dieſer hat man ſich eine
menſchliche Figur in der Richtung des Stromes derart ſchwimmend zu denken,
daß ſie ihr Geſicht der Nadel zukehrt. Dann erfolgt die Ablenkung der Nadel in

Figure 168. Fig. 169

A.


Figure 169. Fig. 169

B.


Wechſelwirkungen zwiſchen Solenoiden.


der Weiſe, daß der Nordpol in der Richtung der linken Hand abgeſtoßen wird.
In Fig. 170 iſt aus einem Metallſtreifen ein Stromkreis gebildet, der in der
Richtung A B C D E vom poſitiven Strome durchfloſſen wird und der mit einer
Ebene parallel zum magnetiſchen Meridian geſtellt wurde. N S und n s ſind kleine,
um verticale Axen bewegliche Magnete. Der Magnet N S muß bei dieſer Anord-
nung nach der Schwimmerregel durch den Strom in die Lage N1 S1 gebracht
werden. Um die Ablenkungsrichtung für den Magnet n s zu bekommen, hat man
ſich die menſchliche Figur mit dem Rücken auf dem Metallſtreifen D E ſo liegend
zu denken, daß der Kopf gegen E, die Füße gegen D gerichtet ſind. Der linke
Arm wird dann nach der linken Seite der Zeichnung zeigen, alſo muß die Nadel
die Stellung n1 s1 annehmen.


Die Ablenkungsrichtung der Nadel läßt ſich aber auch in der Weiſe beſtimmen,
daß man ſich die Magnete durch Solenoide ſubſtituirt denkt. Das Syſtem paral-
leler Ströme im Solenoide wird dann durch den Stromkreis A B C D E gerichtet.
Letzterer wird erſteres ſich parallel zu ſtellen ſuchen, und zwar derart parallel, daß
die Ströme im Solenoide gleiche Richtung haben mit jenem im Metallbügel. Dies
iſt aber dann der Fall, wie aus den bei N und S1, beziehungsweiſe n und s1, ein-
gezeichneten Richtungen der Solenoidſtröme erſichtlich, wenn die Magnete die
[273] punktirt gezeichneten Stellungen einnehmen. In dieſen Stellungen kreiſen, die Ab-
bildung von der rechten Seite betrachtet, ſämmtliche Ströme in der Uhrzeiger-
richtung.


Die Wirkung des Stromes B C auf das Solenoid N S ſetzt ſich zuſammen
aus der Wirkung von B C auf die verticalen und aus der Wirkung auf die
horizontalen Stromtheile des Solenoides. Die erſte Wirkung wird erklärt durch
das wiederholt beſprochene Verhalten begrenzter Ströme (die verticalen Strom-
theile gegen einen unbegrenzten Strom (B C). Bei der zweiten Wirkung haben
wir das Verhalten des Stromes B C ſowohl gegen die unteren als auch gegen
die oberen horizontalen Stromtheile des Solenoides in Betracht zu ziehen. Hier heben
ſich die Wirkungen dieſer beiden
(oberen und unteren) entgegen-
geſetzten Stromtheile in Betracht
zu dem Strome B C nicht mehr
gegenſeitig auf, wie dies bei dieſen
Stromtheilen in Bezug auf den
Erdſtrom der Fall iſt, denn
hier iſt der Unterſchied in den
Entfernungen beider Stromtheile
vom Strome B C nicht mehr zu
vernachläſſigen. Die Magnete
oder Solenoide müſſen ſich daher
mit ihren Stromkreiſen in der
Art parallel zu dem Strom-
kreiſe A B C D E ſtellen, daß
jene horizontalen Stromtheile,
welche dem Stromkreiſe A B C D
näher liegen, gleiche Richtung
haben mit dem Strome im
Metallbügel. In Fig. 170 muß
ſich daher der Magnet N S ſo
ſtellen, daß der obere horizontale
Stromtheil in der Richtung von
B nach C (der Stromrichtung
des Bügels) fließt, weil die obere
Fläche des Magnetes dem Bügel
näher liegt als die untere. Aus

Figure 170. Fig. 170.

Ablenkung der Magnetnadel durch den Strom.


denſelben Gründen muß beim Magnete n s der untere horizontale Stromtheil
in der Richtung von D nach C fließen.


Würden wir oberhalb B C einen Magnet anbringen (was der Deutlichkeit
halber in der Figur nicht ausgeführt wurde), ſo würde ſich der Magnet gleichfalls
zu N1 S1 parallel ſtellen, aber ober S1 würde der Nordpol zu ſtehen kommen,
da nur in dieſem Falle der untere (d. h. näher an B C gelegene) horizontale
Stromtheil gleiche Richtung mit dem Strome in B C hätte. Dieſelbe Drehung
ergiebt auch die Schwimmerregel. Nach dieſer müßte die menſchliche Figur in der-
ſelben Richtung ſchwimmen wie die gezeichnete, aber ſie müßte, um den Magnet
zu ſehen, am Rücken liegen. Daraus iſt zu erſehen, daß die linke Hand in die
Richtung nach S1 zeigen, alſo der Nordpol gleichfalls ober S1 kommen muß.


Urbanitzky: Elektricität. 18
[274]

Gleichwie der Strom auf einen Magnet einwirkt, übt auch umgekehrt der
Magnet Einfluß auf ſtromdurchfloſſene Leiter und kann dieſe bei paſſender Anord-
nung in continuirliche Rotation verſetzen. Eine derartige Anordnung zeigt ſchema-
tiſch Fig. 171. Der Leiter S S1, in deſſen verticalen Theilen der Strom von oben
nach unten fließt, rotirt um den Nordpol N des Magnetes in der Richtung der
Uhrzeigerbewegung (angedeutet durch den gefiederten Pfeil). Wieſo dieſe Rotation
zu Stande kommt, bedarf eigentlich keiner weiteren Erklärung; es iſt eben wieder
die Wirkung eines unbegrenzten Stromes (A B) auf einen begrenzten (S), durch
welche das Drehpaar R R1 zu Stande kommt. In Bezug auf die Wirkung von
A B auf S vergleiche man, um einzuſehen, wieſo die Reſultirende R zu Stande

Figure 171. Fig. 171.

Wirkung eines Magnetpoles auf einen
beweglichen Strom.


Figure 172. Fig. 172.

Rotation eines Stromes um
einen Magnet.


kommt, die Fig. 171 mit Fig. 158 auf Seite 258. In beiden Figuren ſind
analoge Theile mit gleichen Buchſtaben bezeichnet.


Die praktiſche Ausführung des Apparates iſt in Fig. 172 dargeſtellt. In
der Mitte eines mit Stellſchrauben behufs Horizontalſtellung verſehenen Dreifußes
iſt der Metallſtab T befeſtigt. Dieſen umgiebt ein Bündel paralleler mit ihren
Nordpolen nach oben gerichteter Magnetſtäbe N S. Der Träger T iſt oben mit
einem Queckſilbernäpfchen verſehen, in welchem ſich mittelſt Spitze der Stromkreis
a b c d drehen kann. Der horizontale Theil a b desſelben iſt nicht geſchloſſen,
ſondern endet in zwei Spitzen, die in eine mit Queckſilber gefüllte Rinne tauchen.
Der Strom wird durch die Klemmſchraube k eingeleitet, ſteigt durch T nach
oben, fließt durch d a und c b in das Queckſilber und von dieſem durch das
Geſtelle zur Klemmſchraube k1. Die Rotation des Leiters erfolgt nach der in der
[275] ſchematiſchen Figur (171) angegebenen Weiſe durch Einwirkung des Nordpoles
auf die beiden abſteigenden Stromäſte. Allerdings muß auch der Südpol S auf
dieſe einwirken, aber da dieſer bedeutend weiter entfernt iſt als der Nordpol, ſo
kommt nur die Wirkung des letzteren zur Geltung. Man erhält dasſelbe Reſultat,
wenn man an Stelle des Magnetbündels N S das Solenoid N1 S1 in den Rota-
tions-Apparat einſetzt.


Man kann aber auch den Strom unbeweglich machen und Magnete ſo an-
ordnen, daß dieſe ſich drehen können. Es iſt einleuchtend, daß hierbei der eigent-
liche Vorgang nicht geändert wird, denn Strom und Magnet ſtoßen ſich bei
beſtimmten Stellungen zueinander gegenſeitig ab und es giebt dann natürlich
immer jener von beiden der Abſtoßungskraft nach (oder bewegt ſich), welcher eben
beweglich iſt. Ein derartiger Rotations-Apparat, in welchem Magnete durch einen
Strom zur Rotation gebracht werden, iſt in Fig. 173 abgebildet. a iſt ein mit
einem Queckſilberſchälchen verſehener
Träger, der mit der Klemmſchraube p
in leitender Verbindung ſteht. Die
Magnete n s und n' s' ſind durch
ein horizontales Querſtück mit-
einander verbunden und hängen an
dem Stabe b, der unten mit einer
Spitze in das früher erwähnte
Queckſilbernäpfchen taucht, oben
ſelbſt wieder ein ſolches Näpfchen
beſitzt, in welches die Schraube S
hineinragt. Vom horizontalen Ver-
bindungsſtücke beider Magnete geht
ein Draht aus, der bis in das
Queckſilber reicht, welches ſich in
der Rinne r befindet. Dieſe ſteht
in leitender Verbindung mit dem
Träger T und der Klemmſchraube p1.
Der poſitive Strom tritt bei p in
den Apparat, geht durch a, dann
in das Queckſilber bei r und von

Figure 173. Fig. 173.

Rotation von Magneten.


hier durch T zur zweiten Klemme p1. Die Magnete drehen ſich um die Axe a b
in der durch den gefiederten Pfeil angedeuteten Richtung.


Obwohl noch durch verſchiedene andere Anordnung bei gegenſeitiger
Einwirkung von ſtromdurchfloſſenen Leitern und Magneten Bewegungen oder auch
Rotationen erhalten werden können, wollen wir uns doch mit obigen Beiſpielen
begnügen und nun unſere Aufmerkſamkeit dem Elektromagnetismus zuwenden.
Die Entdeckung desſelben ſchreibt man gewöhnlich Seebeck zu, doch liegen hier-
über keine beſtimmten Angaben vor. Hingegen wurde von Arago (1820) eine
Erſcheinung beobachtet, die elektromagnetiſchen Wirkungen zuzuſchreiben iſt. Arago
ſah nämlich, daß Eiſenfeilſpäne, welche in der Nähe eines Kupferdrahtes lagen,
dieſen röhrenförmig umhüllten, ſobald durch den Draht ein galvaniſcher Strom
geſandt wurde. Der ſtromdurchfloſſene Kupferdraht wirkte jedoch nicht in der Art,
daß er einzelne Eiſenfeilſpäne anzog, ſondern er brachte dieſelben nur in eine
beſtimmte Lage. Die ſo gerichteten Feilſpäne zogen ſich einander an und um-
18*
[276] hüllten dann den Kupferdraht, ſo daß man dieſe Hülle aus Feilſpänen mit dem
Kupferdrahte aufheben konnte; in der Längsrichtung ließ ſich jedoch die Hülle dem
Drahte entlang leicht verſchieben. Der Strom im Kupferdrahte hatte eben jeden
Feilſpan in einen Magnet verwandelt und dieſe kleinen Magnetchen zogen ſich
mit ihren entgegengeſetzten Polen an, während ſie gleichzeitig durch den Strom
in eine beſtimmte Stellung, nämlich mit ihrer Längsaxe ſenkrecht auf die Strom-
richtung gebracht wurden. Die ganze Erſcheinung verſchwand jedesmal, ſobald der
Strom im Kupferdrahte unterbrochen wurde. Arago fand auch, daß Eiſennadeln
magnetiſch wurden, wenn man ſie in eine Glasröhre gab, um welche ein Strom
in einem ſpiralig um die Röhre gewundenen Draht circulirte; der Magnetismus
verſchwand, ſobald der Strom in der Spirale unterbrochen wurde, er blieb aber
auch noch nach dem Aufhören des Stromes, wenn an Stelle der Eiſennadeln
ſolche aus Stahl zur Verwendung kamen.


Der Vorgang bei dieſen Erſcheinungen war, wenn wir die Ampère’ſche
Theorie annehmen, der, daß der elektriſche Strom im Kupferdrahte die Mole-
cularſtröme im Eiſen alle gleichrichtete. Dieſe Auslegung der Erzeugung von
Magneten rührt jedoch nicht mehr von Ampère her, denn dieſer nahm an, daß
durch die Einwirkung des elektriſchen Stromes im Kupferdrahte erſt im Eiſen die
Molecularſtröme ſelbſt erregt und nicht nur die bereits vorhandenen gleich ge-
richtet
werden; letztere Annahme dürfte wahrſcheinlich zuerſt von Weber gemacht
worden ſein.


Die magnetiſirende Kraft des Stromes kommt in auffälliger Weiſe zur
Geltung, wenn man den ſtromdurchfloſſenen Leitungsdraht in Spiralform um
einen Eiſenſtab herumführt. Es iſt dies auch aus der Theorie leicht einzuſehen.
Durch Anwendung einer Drahtſpirale oder eines Solenoides kann nämlich der
Strom auf den zu magnetiſirenden Körper in Form vieler enge nebeneinander-
liegender und nahezu geſchloſſener Kreisſtröme einwirken. Die Wirkung beſteht,
wie wir wiſſen, in der Parallel- und Gleichrichtung der Molecularſtröme, iſt
alſo gerade ſo wie die Wirkung eines Kreisſtromes auf einen zweiten. Der Eiſen-
ſtab behält hierbei ſo lange ſeinen Magnetismus, als der magnetiſirende Strom
dauert. Will man die Lage der Magnetpole beſtimmen, ſo hat man ſich nach der
Schwimmerregel die menſchliche Figur in der Weiſe mit dem poſitiven Strome
ſchwimmend vorzuſtellen, daß ſie ihr Geſicht dem Stabe zugewandt hat; der Nord-
pol befindet ſich dann linker, der Südpol rechter Hand. Dies ſtimmt auch damit
überein, daß am Nordpole der magnetiſirende Strom gegen die Uhrzeiger-
bewegung am Südpole im Sinne dieſer Bewegung kreiſt. Wird die Richtung des
magnetiſirenden Stromes umgekehrt, ſo werden natürlich auch die Pole des
Eiſenſtabes verwechſelt. Beſteht der Stab aus Schmiedeeiſen, ſo verſchwindet mit
dem Aufhören des Stromes auch der ganze Magnetismus; es wurde alſo nur
temporärer Magnetismus erzeugt. Dieſe Magnete ſind es auch, welche man
vorwiegend als Elektromagnete bezeichnet. Beſteht hingegen der Stab aus Stahl,
ſo verſchwindet nach dem Unterbrechen des Stromes der Magnetismus nur zum
Theile, der Stab bleibt magnetiſch und heißt daher ein permanenter Magnet.
Stahlſtäbe erhalten alſo durch die Einwirkung galvaniſcher Ströme ſowohl tem-
porären als auch permanenten (oder remanenten) Magnetismus.


Da man mit Hilfe des elektriſchen Stromes in ſehr bequemer Weiſe Magnete
von großer Kraft erzeugen kann, wird dieſes Verfahren an Stelle jener mit
Zuhilfenahme von Stahlmagneten, welche wir in der Lehre vom Magnetismus
[277] kennen gelernt haben, jetzt gewöhnlich angewendet. Man verfährt hierbei in der
von Elias angegebenen Weiſe. Man wickelt aus überſponnenem Kupferdrahte
einen kurzen und dicken Hohlcylinder, in deſſen Innerem man den zu magneti-
ſirenden Stahlſtab einigemale hin und her bewegt, während ein kräftiger Strom
die Drahtſpirale durchfließt; dann hält man den Stahlſtab in der Mitte des
Cylinders feſt und unterbricht den Strom. Hufeiſenmagnete laſſen ſich allerdings
beſſer durch Streichen an kräftigen Elektromagneten erzeugen. Als Stromquelle
für den magnetiſirenden Strom hat man eine großplattige Batterie anzuwenden,
um einen kleinen inneren Widerſtand zu erhalten, gleichwie auch der Widerſtand
der Magnetiſirungsſpirale ein geringer iſt.


Halten wir uns die Entſtehungsweiſe des Magnetismus in einem Stabe
vor Augen, ſo iſt leicht einzuſehen, daß die Magnetiſirung eine ſtärkere wird,
wenn die Zahl der ſtromdurchfloſſenen Drahtwindungen eine größere wird; es iſt
auch begreiflich, daß die Stärke des Magnetiſirungsſtromes Einfluß ausüben
muß. In der That gelangten auch Jacobi und Lenz auf experimentellem Wege
zur Aufſtellung des Geſetzes:


Das elektromagnetiſche Moment, das in einem und demſelben
Stabe erregt wird, iſt direct proportional der Anzahl der Windungen
und der Stromſtärke
; es iſt unabhängig von der Weite der Windungen.


Dieſes Verhalten der Magnetiſirungsſpirale gab auch die Veranlaſſung dazu,
das Product aus der Anzahl der Drahtwindungen und der Stromſtärke als
magnetiſirende Kraft der Spirale zu bezeichnen. Sehr eingehende Verſuche,
welche von Müller angeſtellt wurden, ließen erkennen, daß das obige Geſetz
nur ſo lange gilt, als die Durchmeſſer der Stäbe nicht zu klein werden. Ferner
kann auch das magnetiſche Moment eines Stabes nicht fort und fort beliebig
geſteigert werden durch Erhöhung der magnetiſirenden Kraft; der Magnetismus
eines beſtimmten Stabes erreicht vielmehr bei Anwendung einer gewiſſen magne-
tiſirenden Kraft ein Maximum, über welches hinaus keine weitere Steigerung
mehr möglich iſt. Bei ſehr dünnen Stäben wächſt auch das magnetiſche Moment
raſcher als die magnetiſirende Kraft. In Bezug auf den Einfluß der Stabdicke
wurde von Dub angegeben, daß der Elektromagnetismus eines Stabes der
Quadratwurzel des Durchmeſſers proportional ſei. Müller hält dies nur ſo lange
für richtig, als der Magnetismus der Stromſtärke proportional geſetzt werden
kann. Iſt dies aber nicht der Fall, dann verhalten ſich die magnetiſchen Momente
wie die Quadratwurzeln aus den dritten Potenzen der Stabdurchmeſſer.


Natürlich iſt auch die Länge eines Stabes von Einfluß auf das Maximum
des Magnetismus, welchen ein Stab erhalten kann; er nimmt zu, wenn die Länge
zunimmt. Die Beſchaffenheit der Eiſenſorte, aus welcher der Stab gebildet iſt, macht
ſich namentlich in dem Verhältniſſe zwiſchen temporärem und remanentem Magnetis-
mus geltend. Weiches (kohlenſtoffarmes) Eiſen wird ſtark temporär magnetiſch und
beinahe gar nicht remanent, während man Stahlſtäben (kohlenſtoffreichem Eiſen)
ſehr kräftigen remanenten Magnetismus ertheilen kann. Der remanente Magnetismus
nimmt im Allgemeinen mit dem Kohlenſtoffgehalte des Eiſens zu.


Da das Magnetiſchwerden eines Eiſenſtabes in der Gleichrichtung der
Molecularſtröme beſteht, müſſen wir das Verſchwinden des Magnetismus als ein
Rückkehren der Molecularſtröme in ihre früheren Lagen auffaſſen. Beim weichen
Eiſen erfolgen dieſe Bewegungen ſehr leicht, und da kann es auch vorkommen,
daß beim Rückſchnellen in die urſprüngliche Lage ſogar gewiſſermaßen ein Hinüber-
[278] ſchwingen über dieſelbe eintritt, d. h. daß das Eiſenſtück umgekehrten rema-
nenten Magnetismus zeigt. Dieſe Erſcheinung wurde namentlich bei plötzlicher
Unterbrechung des magnetiſirenden Stromes von A. v. Waltenhofen beobachtet.


Aus dieſer Erklärung des Magnetiſirens und Entmagnetiſirens iſt auch leicht
einzuſehen, warum der remanente Magnetismus mit der Zeit abnimmt; die Mole-
cularſtröme kehren eben langſam, nach und nach wieder in ihre urſprünglichen
Stellungen zurück. Wird eine Eiſenmaſſe in raſcher Folge abwechſelnd magnetiſirt
und entmagnetiſirt oder alternirend in dem einen und in dem entgegengeſetzten
Sinne magnetiſirt, ſo müſſen die Bewegungen der Molecularſtröme ſehr raſch
erfolgen; dies bildet dann die Urſache, warum derartige Eiſenſtücke ſich erwärmen;
eine Erſcheinung, die ſich bei den elektriſchen Maſchinen oft in ſehr unliebſamer
Weiſe geltend macht.


Die Elektromagnete finden in der Elektrotechnik eine ebenſo vielfältige als
mannigfache Verwendung; dementſprechend ſind auch die Formen, welche man ihnen
giebt, verſchieden, je nach dem Zwecke, dem ſie dienen ſollen. Sehr häufig handelt
es ſich um eine kräftige Anziehung des Ankers, was, wie wir aus der Lehre vom
Magnetismus wiſſen, namentlich durch Hufeiſenmagnete erreicht wird. Fig. 174
ſtellt einen derartigen Hufeiſen-Elektromagnet dar. Zwei cylindriſche Eiſenſtücke

Figure 174. Fig. 174.


Figure 175. Fig. 175.

Elektromagnet.


ſind auf einer Eiſenlamelle parallel zueinander befeſtigt und mit je einer Draht-
ſpule verſehen. Die Richtungen der Drahtwindungen auf den beiden Spulen ſind
einander entgegengeſetzt, ſo daß alſo Nord- und Südpol nebeneinander zu ſtehen
kommen. Um mit geringen Drahtmengen ſtarke Wirkungen zu erzielen, bewickelt
Thomſon die Eiſenkerne in koniſcher Form (Fig. 175). Comacho umwindet
einen dünnen Eiſenſtab mit Draht, ſchiebt ein Eiſenrohr darüber, umwindet dieſes
abermals mit Draht, ſchiebt neuerdings einen Eiſencylinder darüber u. ſ. w. Ein
derartiger Magnet ſoll vier- bis fünfmal ſtärker ſein als ein gewöhnlicher.


Fig. 176 ſtellt einen ſogenannten Glockenmagnet dar, eine Form des Mag-
netes, welche ihr von Romershauſen gegeben wurde. Der Eiſenkern iſt wie bei
den gewöhnlichen Magneten mit Drahtwindungen umgeben, aber über dieſe iſt ein
Eiſencylinder geſchoben, der mit der Grundplatte in Verbindung ſteht. Die Draht-
ſpiralen wirken nach innen auf den Eiſenkern entgegengeſetzt magnetiſirend wie nach
außen auf den Eiſencylinder, ſo daß gewiſſermaßen die beiden Hälften eines ſtab-
förmigen Magnetes ineinander geſtülpt erſcheinen. Es kommen dadurch die beiden
Pole, der eine am oberen Ende des Cylinders, der andere am oberen Ende des
Eiſenkernes, in eine Ebene und ſehr nahe aneinander zu liegen. Dieſer Magnet
iſt daher im Stande, einen Anker mit bedeutend größerer Kraft feſtzuhalten wie
ein gewöhnlicher Elektromagnet.


[279]

Bei der praktiſchen Verwendung von Elektromagneten verlangt man von
dieſen häufig, daß ſie im Stande ſind, beim Unterbrechen des ſie erregenden Stromes
den Magnetismus raſch und möglichſt vollſtändig zu verlieren. In dieſem Falle
verfertigt man den Eiſenkern nicht aus einem Stücke, ſondern ſetzt ihn aus Eiſen-
drähten, die man in ein Bündel vereinigt, zuſammen und ſorgt dafür, daß die
einzelnen Drähte untereinander magnetiſch iſolirt ſind. Ein ſolches Drahtbündel
erlangt jedoch eine geringere magnetiſche Kraft wie ein maſſiver Kern, der den-
ſelben Durchmeſſer beſitzt wie das Bündel.


Wir wollen noch einiger Erſcheinungen gedenken, welche beim Magnetiſiren
von Eiſenſtäben eintreten. Page machte im Jahre 1838 die Beobachtung, daß
beim Magnetiſiren eines Eiſenſtabes mittelſt einer ſtromdurchfloſſenen Spirale erſterer
zum Tönen gebracht wird, und Marrian wies nach, daß dieſer Ton mit dem
Longitudinaltone*) des Stabes übereinſtimmt. Zehn Jahre ſpäter unterwarf Wert-
heim
dieſe Erſcheinung einem eingehenden Studium. In den Stromkreis, welchen
er zur Magnetiſirung anwandte, ſchaltete er einen automatiſchen Stromunterbrecher
ein und fand hierbei, daß die Tonhöhe von der Zahl der Unterbrechungen unab-
hängig iſt; ebenſo unabhängig fand er ſie von der Dicke des Eiſenſtabes. Johann
Philipp Reis
ließ die Stromunterbrechungen durch die Schwin-
gungen eines Tones ſelbſt bewirken; er erhielt hierbei von dem
Eiſenſtabe einen Ton, deſſen Höhe gleich jener des den Strom
unterbrechenden Tones war. Hierauf gründete er ſein Telephon und
zeigte es bereits im Jahre 1861 im phyſikaliſchen Vereine zu Frank-
furt vor. Poggendorff erhielt ein beſonders ſtarkes galvaniſches
Tönen
, wenn er über die vertical ſtehende Magnetiſirungsſpirale
einen der Länge nach aufgeſchlitzten Cylinder aus Eiſenblech ſchob,
deſſen Ränder ſich berührten.


Schon Wertheim hatte beobachtet, daß ein Eiſenſtab durch
Magnetiſirung verlängert wird. Später (1874) ſtellte Alfred
Mayer Unterſuchungen hierüber an. Er beobachtete ſowohl an

Figure 176. Fig. 176.

Glockenmagnet.


Eiſen- wie auch an Stahlſtäben eine bei der erſten Magnetiſirung plötzlich ein-
tretende Verlängerung; während jedoch nach der Unterbrechung des Magnetiſirungs-
ſtromes der Eiſenſtab ſeine urſprüngliche Länge nach und nach nahezu wieder
annahm, trat beim Stahlſtabe eine abermalige Verlängerung ein. Wiederholte
Magnetiſirungen bewirken beim Eiſenſtabe neuerliche Verlängerungen, beim Stahl-
ſtabe aber Verkürzungen. Das jedesmalige Unterbrechen des Stromes hat bei
beiden Stäben die Umkehrung der zuletzt angegebenen Wirkungen zur Folge. Immer-
hin iſt die Verkürzung bei Stromunterbrechung nicht ſo groß, wie die durch
Schließung des Stromes bewirkte Verlängerung; ſomit erſcheinen die Längen
beider Stäbe dauernd, wenn auch äußerſt geringfügig vergrößert.


Diamagnetismus. Es wurde bereits (Seite 38) erwähnt, daß bei An-
wendung ſehr ſtarker Magnete dieſe nicht nur auf Eiſen, ſondern beinahe auf alle
Körper einwirken; die magnetiſirende Wirkung des galvaniſchen Stromes giebt uns
nun ein Mittel an die Hand, derartige kräftige Magnete herzuſtellen. Wir nannten
jene Körper paramagnetiſch, welche von beiden Polen eines Magnetes angezogen
werden, hingegen diamagnetiſch diejenigen, welche beide Pole zurückſtoßen.
[280]Faraday wies nach (1845), daß faſt alle Körper ſich in die eine oder die
andere Gruppe einreihen laſſen. Allerdings hatte man ſchon ziemlich lange vorher
andere Subſtanzen wie das Eiſen auf ihr magnetiſches Verhalten unterſucht, ſchrieb
aber, wenn ſich eine Einwirkung zeigte, dieſe dem Eiſengehalte der Körper zu.
Selbſt die Beobachtungen Brugmann’s (1778) fanden keine weitere Beachtung.
Brugmann unterſuchte verſchiedene Körper, welche er in einem Papierſchiffchen oder
auf Waſſer oder Queckſilber ſchwimmend zwiſchen die Pole eines Magnetes brachte.
Die meiſten wurden allerdings von den Polen ſeines kräftigen Magnetes angezogen,
aber immerhin zeigten ſich einige ganz indifferent, während ſich metalliſches Wis-

Figure 177. Fig. 177.

Elektromagnet.


muth ganz unzweideutig von beiden
Polen abwandte.


Um verläßliche Reſultate zu
erhalten, hat man im Allgemeinen
ſehr kräftige Magnete zu verwenden.
Wüllner giebt an, daß Magnete,
deren Eiſenkerne je 400 Millimeter
lang ſind und dabei eine Dicke von
25 Millimeter beſitzen, ausreichen.
Um die Wirkung des Magnetes auf
den zu unterſuchenden Körper zu
concentriren, d. h. dieſen in ein
möglichſt kräftiges magnetiſches Feld
zu bringen, werden die geraden
Endflächen der Elektromagnetſchen-
keln mit zweckmäßig geformten An-
ſätzen aus weichem Eiſen, ſo-
genannten Halbankern, verſehen. Die
zu unterſuchenden Körper ſelbſt
müſſen, da die Wirkung meiſt eine
ſehr ſchwache iſt, möglichſt leicht
beweglich angebracht werden. Dies
wird erreicht, indem man ſie an
ungedrehten Seiden- oder Cocon-
fäden aufhängt.


Fig. 177 zeigt einen zu der-
artigen magnetiſchen Unterſuchungen
geeigneten Apparat. Auf dem eiſernen
Querſtücke P ſind die beiden Magnet-
ſchenkel N und S vertical befeſtigt. Sie tragen auf ihren oberen Endflächen Auf-
ſätze aus weichem Eiſen, in welchen ſich die zugeſpitzten Eiſencylinder e e1 verſchieben,
beziehungsweiſe durch die Schrauben s s1 in beſtimmter Lage feſtſtellen laſſen. Das
verticale oben mit Klemmſchraube verſehene Rohr R dient zur Aufnahme eines ver-
ſtellbaren Tiſchchens zum Auflegen der zu unterſuchenden Körper, der Träger T
geſtattet, Körper frei beweglich aufzuhängen. Der Apparat wird, um die Einwir-
kung eines Luftzuges auf den aufgehängten Körper auszuſchließen, häufig noch mit
einem Glaskaſten verſehen. Man befeſtigt zu dieſem Ende nahe an den Polflächen eine
hölzerne Platte in der Weiſe, daß die Pole durch dieſelbe hindurchragen und ſetzt
darauf den Glaskaſten. Die Halbanker und der zu unterſuchende Körper ſind ſomit
[281] vollkommen geſchützt. Die Aufhängevorrichtung wird dann in der Weiſe umgeſtaltet,
daß man auf die obere in der Mitte durchbohrte Glasfläche eine Glasröhre auf-
ſetzt und dieſe oben mit einer Stellſchraube zum Heben und Senken des an ihr
befeſtigten und durch die Röhre herabhängenden Fadens verſieht.


Bringt man zwiſchen die Polſpitzen dieſes Apparates leicht bewegliche kleine
Stäbchen, ſo unterliegen ſie einer kräftigen magnetiſchen Einwirkung. Ein Eiſen-
ſtäbchen, welches bekanntlich von beiden Magnetpolen angezogen wird, ſtellt ſich
mit ſeiner Längsrichtung ſo, daß dieſe mit der Verbindungslinie beider Polſpitzen
zuſammenfällt. Faraday bezeichnete dieſe Lage als axiale. Läßt man jedoch ein
Stäbchen aus Wismuth zwiſchen die Pole hängen, ſo wird dieſes von beiden
abgeſtoßen und dreht ſich ſtets auf dem kürzeſten Wege in eine Lage, bei welcher
ſeine Längsrichtung ſenkrecht ſteht auf die Verbindungslinie der Magnetpole; es
ſtellt ſich äquatorial.


Die Abſtoßung des Wismuths durch den Magnet kann auch direct gezeigt
werden, indem man das Stäbchen äquatorial aufhängt, jedoch näher an dem einen
als dem andern Pole; dann wird ſich, ſobald der Magnet in Thätigkeit geſetzt
iſt, das Stäbchen von dem ihm näher gelegenen Pole etwas wegbewegen. Wismuth
in Form einer Kugel oder eines Würfels kann ſich natürlich nicht äquatorial
ſtellen, bleibt daher, wenn es ſich genau in der Mitte der Verbindungslinie beider
Magnetpole befindet, ruhig hängen. Hängt man es jedoch ſeitlich von dieſer Ver-
bindungslinie auf, ſo wird es von beiden Polen gleich ſtark abgeſtoßen. Es ver-
hält ſich alſo gerade entgegengeſetzt wie Eiſen.


Bei in ähnlicher Weiſe durchgeführten Unterſuchungen fand Faraday para-
magnetiſch oder magnetiſch:


Eiſen, Nickel, Kobalt, Platin, Mangan, Chrom u. ſ. w.


Diamagnetismus hingegen bei:


Wismuth, Antimon, Zink, Zinn, Cadmium, Queckſilber, Blei, Silber,
Kupfer, Gold, Arſen, Uran u. ſ. w., dann bei: Phosphor, Schwefel, Jod.


Auch die Oxyde und Salze wurden auf ihr magnetiſches Verhalten unter-
ſucht und fanden ſich hierbei jene des Eiſens, Nickels und Kobalts alle para-
magnetiſch mit alleiniger Ausnahme von gelbem Blutlaugenſalz (Ferrocyankalium),
welches Diamagnetismus erkennen läßt.


Faraday dehnte ſeine Unterſuchungen auch auf Flüſſigkeiten aus und füllte
ſie zu dieſem Zwecke in Röhrchen aus ſehr dünnem Glaſe, deren magnetiſches
Verhalten vorher unterſucht wurde. Plücker geſtaltete die Halbanker auf der oberen
Seite flach und legte darauf Glimmerplatten oder Uhrgläſer zur Aufnahme der
Flüſſigkeiten. Es bildeten ſich bei den paramagnetiſchen Flüſſigkeiten zwei Berge,
über je einem Magnetpole einer (Fig. 178), bei diamagnetiſchen entſtand jedoch
nur ein Berg in der Mitte zwiſchen beiden Polen (Fig. 179). Hierbei ergab ſich
das Waſſer ziemlich ſtark diamagnetiſch, hingegen ſind concentrirte Löſungen mag-
netiſcher Verbindungen auch wieder magnetiſch.


Auffallend iſt die Erſcheinung, daß das Verhalten der Körper durch Ver-
änderung des ſie umgebenden Mediums verändert wird. Magnetiſche Körper, von
noch ſtärker magnetiſchen umgeben, zeigen ſich diamagnetiſch und ebenſo diamagne-
tiſche Körper, von ſtärker diamagnetiſchen eingehüllt, paramagnetiſch. Eine dia-
magnetiſche Flüſſigkeit wurde z. B. in eine Glasröhre eingeſchloſſen und zwiſchen die
beiden Magnetpole gebracht; ſie ſtellte ſich natürlich äquatorial. Dann brachte
man in das magnetiſche Feld ein mit Waſſer gefülltes Gefäß derart, daß das
[282] Röhrchen mit der Flüſſigkeit ganz unter Waſſer kam; jetzt ſtellte ſich das Röhr-
chen axial.


Auch Gaſe und Dämpfe wurden auf ihr magnetiſches Verhalten unterſucht.
Faraday ließ zwiſchen beiden Magnetpolen Gasſäulen, welchen ein klein wenig
Salzſäure beigemiſcht war, aufſteigen und brachte oberhalb der Pole ſowohl in
axialer als auch in äquatorialer Richtung Auffangröhren an; es wurde auch dafür
Sorge getragen, daß dieſe Röhren Ammoniakgas enthielten. Trafen dann die mit
der zu unterſuchenden Gasſäule aufſteigenden Salzſäureſpuren mit dem Ammoniak
zuſammen, ſo entſtand der bekannte weiße Dampf von Salmiak. Wurde dieſer in
einer äquatorial aufgeſtellten Fangröhre ſichtbar, ſo wurde das zu unterſuchende
Gas jedenfalls in äquatorialer Richtung abgelenkt, war alſo diamagnetiſch. Das
Auftreten des Salmiakdampfes in einer axial aufgeſtellten Röhre zeigte hingegen
Paramagnetismus an. Gaſe wurden auch in der Weiſe unterſucht, daß man
Seifenblaſen oder dünne Glasballons mit ihnen füllte. In der Luft zeigten ſich
die meiſten Gaſe diamagnetiſch, Sauerſtoff hingegen paramagnetiſch. Sauerſtoff, in
einer dünnen Glaskugel eingeſchloſſen, wird ſtark angezogen, Waſſerſtoff (gleichfalls
ſtark) abgeſtoßen.


Auch auf die meiſten Flammen macht ſich eine magnetiſche Einwirkung
geltend, wenn man ſie zwiſchen den beiden Polen eines kräftigen Magnetes brennen
läßt. Bringt man z. B. eine brennende Stearinkerze derart in das magnetiſche Feld,

Figure 178. Fig. 178.


Figure 179. Fig. 179.

Magnetiſches Verhalten von Flüſſigkeiten.


daß ihr Docht in die Verbindungslinie beider Magnetpole fällt, ſo nimmt die
Flamme eine ſichelförmige Geſtalt an und ſtellt ſich mit ihrer Ebene äquatorial.


Setzt man einen Eiſenſtab der Einwirkung eines Magnetes aus, ſo wird er
angezogen. Wir haben uns dieſe Erſcheinung in der Weiſe erklärt, daß der Magnet
in der ihm zunächſt liegenden Stelle des Eiſenſtabes entgegengeſetzten Magnetismus
erzeugt; die entgegengeſetzten Magnetismen im Eiſen und im Magnet führen dann
zur Anziehung. Der Wismuthſtab wird jedoch von beiden Polen eines Magnetes
zurückgeſtoßen, zeigt alſo ein dem Eiſenſtabe entgegengeſetztes Verhalten, folglich
können wir dieſes auch durch den entgegengeſetzten Vorgang erklären. Nähert man
einen Wismuthſtab oder überhaupt einen diamagnetiſchen Körper dem Pole eines
Magnetes, ſo erregt letzterer in erſterem gleichnamigen Magnetismus und dieſe
Einwirkung muß natürlich zur Abſtoßung führen. Daß in der That im Wismuth-
ſtäbchen eine diamagnetiſche Polarität, d. h. Magnetismus in der angegebenen
Vertheilung erregt wird, iſt durch mannigfache Verſuche nachgewieſen worden. Weber
conſtruirte ein eigenes Inſtrument, das Diamagnetometer, und maß mit deſſen
Hilfe ſogar auch das magnetiſche Moment des Wismuths; er fand es 1 ½ Millionen
Mal kleiner als das eines Eiſenſtückes von gleicher Maſſe. Durch das Erregen
polarer Zuſtände auch in diamagnetiſchen Körpern erklärt ſich das magnetiſche
Verhalten in verſchiedenen Medien. Iſt z. B. das Medium diamagnetiſch und auch
der zu prüfende Körper diamagnetiſch, ſo werden jedem Magnetpole gegenüber
ſowohl im Medium als auch im Körper gleiche Polaritäten hervorgerufen. Die
[283] Magnetpole ſuchen daher beide abzuſtoßen und äquatorial zu ſtellen; außerdem
ſucht aber auch das Medium entſprechend ſeiner Polarität den Körper abzuſtoßen
und der Körper müßte ſich in Bezug auf die Polvertheilung im Medium zu dieſem
äquatorial, d. h. in Bezug auf den Magnet axial ſtellen. Der Körper würde
dann in dieſem diamagnetiſchen Medium paramagnetiſch erſcheinen, obwohl er zu
den diamagnetiſchen zählt. Ob dies eintritt oder nicht, hängt aber ſelbſtverſtändlich
nur von der Größe der magnetiſchen Kräfte ab, die im Medium und im Körper
geweckt werden. Zeigen Körper und Medium gleichen Magnetismus und
iſt das Medium ſtärker para- oder diamagnetiſch als der Körper, ſo zeigt ſich der
Körper in dieſem Medium entgegengeſetzt magnetiſch als in einem Medium, welches
ſchwächer para- oder diamagnetiſch iſt wie der Körper.


Kugeln aus magnetiſchen Körpern können zwiſchen den Polen eines Magnetes
keine beſtimmte Lage einnehmen, da ſie eben nach allen Richtungen hin regelmäßig
geſtaltet ſind und ihre Maſſe gleichmäßig vertheilt haben. Dreht man jedoch aus

Figure 180. Fig. 180.

Elektromagnet nach Ruhmkorff.


gewiſſen Kryſtallen Kugeln, ſo ſtellen ſie ſich mit ihrer optiſchen Axe axial oder
[äquatorial]. Faraday, welcher dieſe Erſcheinung einer Eigenthümlichkeit der betref-
fenden Kryſtalle zuſchreibt, nennt ſie Magnetkryſtallkraft.


Der Magnetismus zeigt auch noch eine andere intereſſante Beziehung zur
Optik; Faraday entdeckte (1847) nämlich, daß ein kräftiger Magnet im Stande
iſt, die Polariſationsebene durchſichtiger Medien zu drehen. Die Drehung der
Poſariſationsebene
*) kann bequem mit dem in Fig. 180 abgebildeten Appa-
[284] rate gezeigt werden. Dieſe Anordnung des Apparates rührt von Ruhmkorff her.
Die Elektromagnetſchenkel N S ſind hierbei horizontal und mit ihren beiden Polen
einander gegenübergeſtellt. Die Eiſenkerne der Magnetſchenkel ſind der Länge nach
durchbohrt. Die eiſerne Grundplatte, welche die beiden Kerne verbindet, ſetzt ſich
aus drei Stücken zuſammen. Auf dem horizontalen Stücke H derſelben laſſen ſich
*)
[285] die beiden rechtwinkelig gebogenen Eiſen E E1 verſchieben, wodurch die beiden
Pole in verſchiedene Entfernung voneinander gebracht werden können. Der Com-
mutator C geſtattet durch Umkehrung des Stromes die Pole zu wechſeln.


Will man die Drehung der Polariſationsebene beobachten, ſo ſteckt man in
die Bohrung des Eiſenkernes bei n den polariſirenden Nicol und in die Bohrung
bei n1 den analyſirenden, mit einer Kreistheilung ausgerüſteten Nicol. Auf das
Tiſchchen t wird der die Polariſationsebene drehende Körper und vor dem Nicol
n die Lichtquelle L gebracht; dann werden die beiden Nicols ſo geſtellt, daß das
Geſichtsfeld dunkel iſt. Wird nun der den Elektromagnet erregende Strom ge-
ſchloſſen, ſo erſcheint das Geſichtsfeld abermals aufgehellt. Aus der Größe der
Drehung des Analyſeurs zur Wiederherſtellung der Dunkelheit erſieht man dann
die Größe der Drehung der Polariſationsebene durch den Magnet. Die Größe der
Drehung iſt nach Wiedemann proportional der Stromſtärke und der Länge der
Flüſſigkeitsſäule. Man fand auch, daß optiſch inactive Körper durch den Elektro-
magnetismus circular polariſirend werden, und daß ſie dann die Polariſations-
ebene in der Richtung der Ampère’ſchen Ströme drehen.


4. Die Induction.


Arten der Induction.

Man unterſcheidet zwei Hauptarten der Erregung elektriſcher Ströme durch
Induction; die eine erfolgt durch Magnete, die andere durch elektriſche Ströme
ſelbſt. Bevor wir uns jedoch hiermit befaſſen, wollen wir erſt die Einwirkung
ſtromdurchfloſſener Spiralen auf Eiſenſtäbe
kennen lernen. Umgiebt man einen
Eiſenſtab mit einem ſpiralig gewundenen Draht und läßt durch dieſen einen elek-
triſchen Strom circuliren, ſo wird der Eiſenſtab ein Magnet, d. h. die kreis-
förmigen Molecularſtröme im Stabe werden den Strömen in der Spirale gleich-
gerichtet. Dies tritt jedoch nicht nur dann ein, wenn der Eiſenſtab ſich im Innern
des Solenoids befindet, ſondern auch bei Annäherung des Stabes an die Spirale.
In Fig. 181 ſtellt A ein Solenoid dar, welches der Strom in der Richtung der
Pfeile durchfließt, und N S einen Eiſenſtab. Da die Ströme im Solenoide auf
deſſen vorderer Seite von unten nach oben gerichtet ſind, müſſen auch die Mole-
cularſtröme im Stabe dieſe Richtung erhalten. Es wird daher bei N ein Nord-
und bei S ein Südpol entſtehen müſſen. Nun wiſſen wir aber, daß ſich parallele
und gleichgerichtete Ströme anziehen, folglich müſſen auch das Solenoid und der
Eiſenſtab ſich anziehen. Es wird ſich daher, wenn das Solenoid feſtſteht und der
Eiſenſtab beweglich iſt, letzterer gegen erſteres bewegen. Je näher der Stab dem
Solenoide kommt, deſto mehr Kreisſtröme machen ihre Wirkung auf ihn geltend;
es muß daher auch der Magnetismus, vorausgeſetzt, daß der Sättigungspunkt
noch nicht erreicht iſt, fortwährend zunehmen. Die Stärke des im Stabe erregten
Magnetismus wird ferner auch von der Stromſtärke und der Zahl der Windungen
im Solenoide abhängen. Gleichzeitig mit der Zunahme des Magnetismus durch
Annäherung des Stabes an die Spirale nimmt aber auch die Entfernung beider
voneinander ab. Die Kraft, mit welcher der Eiſenſtab von der Spirale an- und
in dieſe hineingezogen wird, kann daher nicht einfach der Stromſtärke proportional
ſein. Dub und Hankel haben auch in der That nachgewieſen, daß dieſe Kraft dem
Quadrate der Stromſtärke proportional iſt.


[286]

Aus Obigem iſt zu erſehen, daß die Bewegung des Eiſenkernes in Folge der
auf ihn ausgeübten Anziehungskraft des Solenoides eine ungleichförmige iſt. Sie
wird zunächſt bei Annäherung an das Solenoid beſchleunigt, nimmt dann wieder
ab und endlich kommt der Stab in Ruhe, indem er eine beſtimmte Stellung ein-
nimmt. Dieſe hat er offenbar dann erreicht, wenn Mitte des Stabes und Mitte
des Solenoides zuſammenfallen, wie in Fig. 182. Denn, da das Solenoid ſich
wie ein Magnet verhält, der bei n ſeinen Nord-, bei s ſeinen Südpol hat, ſo
kann man die ganze Bewegungserſcheinung auch als Folge der Einwirkung zweier
Magnete aufeinander auffaſſen. Bei dieſem ziehen ſich aber die ungleichnamigen
Pole an, während ſich die gleichnamigen abſtoßen; Gleichgewicht wird dann ein-
treten, wenn ſich die Anziehungs- und Abſtoßungskräfte das Gleichgewicht halten.
In der Stellung Fig. 181 wird jedenfalls der Nordmagnetismus im Stabe bei
N viel kräftiger ſein als der Südmagnetismus bei S, weil S viel weiter von der
Spirale entfernt iſt; folglich muß die Anziehung zwiſchen N und s die Abſtoßung
zwiſchen s und S überwiegen, alſo der Stab ſich gegen die Spirale bewegen. Das
Ueberwiegen des Nordmagnetismus im Stabe über deſſen Südmagnetismus muß
aber ſo lange andauern, als das Nordende von dem Solenoide kräftiger beeinflußt
wird als das Südende, alſo erſteres dem Solenoide näher ſteht. Die Kräfte

Figure 181. Fig. 181.


Figure 182. Fig. 182.

Wirkung eines Solenoides auf einen Eiſenkern.


werden ſich daher erſt dann das Gleichgewicht halten, wenn Nord- und Südende
des Stabes ſich in gleichen Entfernungen von dem Nord- und Südende des
Solenoides befinden, d. h. wenn die Mitte des Stabes mit der Mitte des Sole-
noides zuſammenfällt.


Die Kraft, mit welcher ein Eiſenkern in ein Solenoid hineingezogen wird,
kann bei entſprechender Anordnung eine ſehr bedeutende ſein; ein vertical geſtelltes
Solenoid iſt im Stande, den Eiſenſtab frei ſchwebend zu erhalten. Verſuche hier-
über verdanken wir A. v. Waltenhofen; aus dieſen ergab ſich namentlich die Härte
des Stahl- oder Eiſenſtabes als einflußreich. Waltenhofen fand, daß im Solenoide
dann der geringſte Stromaufwand nöthig iſt, wenn der Stab aus möglichſt weichem
Eiſen gebildet iſt; auch ſtellte er durch Verſuche feſt, daß verhältnißmäßig dünn-
wandige weite Eiſenröhren kräftiger angezogen werden, als gleich lange, maſſive
Stäbe von gleichem Gewichte.


Letzteres gilt jedoch nur innerhalb gewiſſer Grenzen. Iſt nämlich der Stab
ſehr dünn oder der Strom ſehr ſtark, ſo erfährt das ganze Verhalten eine Verände-
rung. Die Urſache hiervon iſt darin zu ſuchen, daß bei jeder Art Erregung von
Magnetismus die Magnetiſirung bis zu einer beſtimmten Tiefe in den Stahl- oder
Eiſenkörper eindringt. Bei einer dünnwandigen Eiſenröhre wird daher die magne-
tiſche Sättigung raſcher eintreten als bei einem maſſiven Stabe. Folglich muß auch
[287] die Eiſenröhre kräftiger vom Solenoide angezogen werden als ein maſſiver Stab.
Erlangt jedoch der magnetiſirende Strom eine bedeutende Stärke oder iſt der
Eiſenſtab verhältnißmäßig dünn, ſo wird auch dieſer vom Magnetismus raſch
durchdrungen. Dann wird der Eiſenſtab kräftiger magnetiſirt, weil er vermöge der
dickeren Eiſenſchichte mehr Magnetismus anzunehmen vermag als die dünnwandige
Eiſenröhre, die bald bei ihrem magnetiſchen Sättigungspunkte angelangt iſt. Hier-
mit erklärt ſich alſo, daß bei bedeutender Stromſtärke die Anziehungskraft eines
Solenoides auf einen maſſiven Eiſenkern eine größere iſt als auf eine dünnwan-
dige Röhre.


Dieſes Verhalten läßt ſich in einfacher Weiſe mit Hilfe der Inductionswage
nachweiſen. An den beiden Enden eines Wagebalkens ſind die beiden Eiſenkerne,
der maſſive und der hohle, aufgehängt. Unter jedem dieſer Eiſenkerne befindet ſich
eine Drahtſpirale; letztere ſind untereinander vollkommen gleich und werden von
einem und demſelben Strome durchfloſſen. So lange der Strom ſchwach iſt, werden
die beiden Kerne gleich ſtark angezogen und die
Wage befindet ſich im Gleichgewichte, oder der hohle
Kern wird ſtärker angezogen und die Wage neigt
ſich nach dieſer Seite. Ob das erſte oder zweite Ver-
halten eintritt, hängt von dem Verhältniſſe der
Stromſtärke zur Wanddicke des hohlen Kernes ab.
Wird jedoch der Strom bedeutend verſtärkt, ſo findet
zwiſchen dem maſſiven Kerne und der dazu gehörigen
Spirale eine kräftigere Anziehung ſtatt, als zwiſchen
dem hohlen Kerne und ſeiner Spirale; die Wage
neigt ſich daher auf Seite des maſſiven Kernes nach
abwärts.


Von der Anziehungskraft, welche ein Solenoid
auf einen Eiſenkern ausübt, wird in der Elektrotechnik
häufig Anwendung gemacht. Hierbei tritt nicht ſelten
der Umſtand ſtörend auf, daß dieſe Kraft eine mit der
Stellung des Eiſenkernes zum Solenoide ſtets ſich ver-
ändernde iſt. Man dachte daher daran, eine derartige

Figure 183. Fig. 183.

Křižik’s Eiſenkerne.


Anordnung zu treffen, daß eine gleichmäßige Wirkung erzielt wird. Wie geſagt
wurde, hängt die Größe der Anziehungskraft bei gleichbleibender Stromſtärke auch
von der Zahl der Windungen des Solenoides und von der Vertheilung der
Eiſenmaſſe des Kernes ab. Dies giebt Mittel an die Hand, die Gleichförmigkeit
der Anziehung zu erreichen. Man ordnet entweder die Solenoidwindungen derart
an, daß ſie in größter Zahl auf den Eiſenkern wirken, wenn dieſer vermöge ſeiner
Stellung zum Solenoide von dieſem am ſchwächſten angezogen wird, oder man
vertheilt die Maſſen im Eiſenkerne ſo, daß bei geringſter Anziehungskraft des
Solenoides die größte Eiſenmaſſe unter Einwirkung des Stromes kommt.


Im erſten Falle wird die ungünſtige Stellung durch eine größere Anzahl
von wirkſamen Kreisſtrömen compenſirt und im zweiten Falle tritt bei ungünſtiger
Stellung eine größere magnetiſche Maſſe in Action; in beiden Fällen wird eine
gleichförmige Bewegung des Eiſenkernes erzielt.


Den erſten Weg ſchlug Gaiffe ein, indem er das Solenoid nicht cylindriſch,
ſondern koniſch aufbaute; den zweiten Weg zeigte Fr. Křižik durch Anwendung
von Eiſenkernen, wie ſie in Fig. 183 dargeſtellt ſind. Durch dieſe Anordnung
[288] erreicht man eine gleichförmige Bewegung des Stabes für einen Weg, der nahezu
der halben Stablänge gleichkommt. Wir werden im zweiten Theile dieſes Werkes
noch Gelegenheit haben, den praktiſchen Werth der koniſchen Spule und des koni-
ſchen Eiſenkernes näher kennen zu lernen und wollen jetzt unſere Aufmerkſamkeit der
Induction zuwenden.


Man unterſcheidet der Hauptſache nach zweierlei Arten der Induction, nämlich
die elektriſche und die Magneto-Induction; die erſtere nennt man auch Volta-
Induction
oder Induction ſchlechtweg.


Die elektriſche Induction wurde von Faraday (1831) in folgender Weiſe
entdeckt: Faraday wand einen langen Kupferdraht ſpiralförmig um einen großen,
hölzernen Cylinder; zwiſchen die Windungen dieſes Drahtes, jedoch von ihnen
iſolirt, wurde ein zweiter Draht in gleicher Weiſe aufgewunden. Die Enden des
erſten Drahtes ſtanden mit den Polen einer kräftigen Batterie, jene des zweiten
Drahtes mit einem Galvanometer in Verbindung. So oft nun der Strom im erſten,
nennen wir ihn den primären Draht, geſchloſſen oder geöffnet wurde, entſtand im
zweiten oder ſecundären Drahte gleichfalls ein Strom, der durch den Ausſchlag
der Galvanometernadel ſein Auftreten kundgab. Hierbei ſchlug die Nadel beim
Schließen der primären Spirale nach der entgegengeſetzten Seite aus wie beim
Unterbrechen derſelben. Faraday begnügte ſich jedoch mit dieſer Anzeige eines In-
ductionsſtromes nicht, ſondern wies ihn auch durch andere Wirkungen nach. Der
Inductionsſtrom, welcher beim Schließen des primären Stromkreiſes oder beim
Oeffnen desſelben entſtand, wurde in einem ſpiralig gewundenen Drahte um Stahl-
nadeln geführt; dieſe wurden dann magnetiſch und die Lage der Magnetpole war
die entgegengeſetzte, wenn der Schließungsſtrom zur Magnetiſirung verwendet wurde,
als wenn man ſich des Oeffnungsſtromes hierzu bediente. Dieſe Verſuche lehren,
daß in einem Leiter Inductionsſtröme entſtehen, wenn in einem benachbarten Leiter
ein Strom geſchloſſen oder unterbrochen wird, und daß die Richtung dieſer Ströme
einander entgegengeſetzt iſt.


Inductionsſtröme entſtehen aber auch dann, wenn man einen ſtromdurch-
floſſenen Leiter einem zweiten Leiter nähert oder von ihm entfernt. In Fig. 184
bedeutet P die primäre, ſtromdurchfloſſene Spule, S die ſecundäre oder Inductions-
ſpule, E das ſtromliefernde Element und G ein Galvanometer, mit welchem die
ſecundäre Spirale verbunden iſt. So oft die Spule P in die Spule S eingetaucht
oder aus ihr herausgezogen wird, zeigt das Galvanometer einen Strom in der
Inductionsſpirale an. Die Richtung der Inductionsſtröme iſt bei den entgegen-
geſetzten Bewegungen der inducirenden Spule P ebenfalls eine entgegengeſetzte. Der
Inductionsſtrom, welcher beim Eintauchen, alſo gegenſeitigem Annähern der Spule P
an S entſteht, hat eine entgegengeſetzte Richtung wie der inducirende Batterieſtrom,
der beim Entfernen der Spule P von S entſtehende Inductionsſtrom iſt dem
inducirenden Strome gleichgerichtet.


Es giebt alſo folgende vier Arten elektriſcher Induction: 1. Ein Inductions-
ſtrom entſteht in einem Leiter, wenn man in der Nähe des letzteren einen Strom
ſchließt; die Richtung des Inductionsſtromes iſt jener des inducirenden entgegengeſetzt.
2. Ein gleich gerichteter Inductionsſtrom entſteht, wenn man einen Strom unterbricht.
3. Werden ein Strom und ein Leiter einander genähert, ſo entſteht im letzteren ein
Inductionsſtrom entgegengeſetzter Richtung, und 4. werden dieſe beiden voneinander
entfernt, ſo entſteht im Leiter ein Strom gleicher Richtung. Die erregenden Ströme
nennt man inducirende oder Hauptſtröme, die erregten Inductions- oder Nebenſtröme.


[289]

Wie ſchon wiederholt gezeigt, kann man ſich ſtets ein Solenoid durch einen
Magnet erſetzt denken. Es lag daher die Vermuthung nahe, daß auch der Magne-
tismus im Stande ſein müſſe, in ähnlicher Weiſe Inductionsſtröme hervorzurufen,
wie dies von galvaniſchen Strömen gezeigt wurde. Faraday ſtellte die diesbezüg-
lichen Verſuche zunächſt in nachſtehender Weiſe an. Ein Eiſenring wurde zur
Hälfte mit einem Leitungsdrahte nach Art der Elektromagnete umwickelt; die beiden
Drahtenden führten zu den Polen einer galvaniſchen Batterie. Die Enden eines
zweiten Drahtes, der in gleicher Weiſe um die gegenüberliegende Ringhälfte ge-
wunden wurde, ſtanden mit einem Galvanometer in Verbindung. Sobald bei
dieſer Vorrichtung der Batterieſtrom geſchloſſen wurde, mußte der Eiſenring natür-
lich in einen Elektromagnet verwandelt werden, deſſen Magnetismus mit dem
Unterbrechen des Stromes wieder verſchwand. Es zeigte ſich nun, daß ſowohl bei
jeder Erregung als auch bei jedem Verſchwinden des Magnetismus in der zweiten
mit dem Galvanometer verbundenen Spirale ein Inductionsſtrom auftrat. Ueber-

Figure 184. Fig. 184.

Elektro-Induction.


dies waren die in dieſer Weiſe erhaltenen Inductionsſtröme viel kräftiger als jene,
welche durch galvaniſche Ströme inducirt wurden.


Magnetelektriſche Inductionsſtröme können auch bei Anwendung gewöhnlicher
Elektromagnete erhalten werden. Man verſieht zu dieſem Behufe den Anker mit
einer Inductionsſpirale. In gleicher Weiſe können auch permanente Magnete
benutzt werden. Setzt man den Anker auf, ſo wird dieſer bekanntlich in einen
Magnet verwandelt, und reißt man ihn ab, ſo verliert er wieder ſeinen Magnetis-
mus. Im erſten ſowie auch im zweiten Falle treten dann in der Inductionsſpirale
Ströme auf.


Die Richtung der Magneto-Inductionsſtröme iſt analog jener der Volta-In-
ductionsſtröme. Der entſtehende Magnetismus erregt einen Inductionsſtrom, deſſen
Richtung jener der Molecularſtröme im Magnete entgegengeſetzt iſt, der vergehende
Magnetismus bewirkt Inductionsſtröme von derſelben Richtung, wie ſie die Mole-
cularſtröme beſitzen.


Gleichwie das Bewegen eines Stromes gegen oder von einem Leiter In-
ductionsſtröme in dieſem hervorruft, können auch durch Annähern oder Entfernen
Urbanitzky: Elektricität. 19
[290] eines Magnetes Ströme in einem Leiter inducirt werden. Sind der Leiter und
der Magnet gegeneinander in Bewegung, ſo entſteht im erſteren ein Strom von
entgegengeſetzter Richtung jener der Molecularſtröme, bewegen ſich beide vonein-
ander, ſo reſultirt ein Inductionsſtrom gleicher Richtung.


Somit unterſcheiden wir bei der Magneto-Induction ebenſo wie bei der Volta-
Induction vier Arten derſelben: 1. Entſtehender Magnetismus inducirt in einem
benachbarten Leiter Ströme von entgegengeſetzter Richtung, als jene iſt, welche die
Elementarſtröme des Magnetes beſitzen. 2. Vergehender Magnetismus inducirt den
Molecularſtrömen gleichgerichtete Inductionsſtröme. 3. Bewegen ſich ein Magnet
und ein Leiter gegeneinander, ſo entſteht im letzteren ein den Elementarſtrömen ent-
gegengeſetzt gerichteter Inductionsſtrom. 4. Entfernen ſich Magnet und Leiter von-
einander, ſo entſteht ein Inductionsſtrom, der dieſelbe Richtung beſitzt, wie die
Molecularſtröme.


Die magnetelektriſchen Erſcheinungen, welche wir mit Hilfe der Ampère’ſchen
Theorie erklärt haben, können jedoch auch noch in einer andern Weiſe erläutert
werden, nämlich durch die magnetiſchen Kraftlinien. Dieſen von Faraday
eingeführten Begriff lernten wir bereits an einer früheren Stelle (Seite 90) kennen.
Auch die Darſtellung und Fixirung dieſer Kraftlinien oder magnetiſchen Curven
wurde bereits in den Abbildungen Fig. 14 (Seite 38) und 20 (Seite 44) vor-
geführt. Es iſt dieſen Abbildungen auch die Erklärung beigegeben, warum ſich die
Eiſenfeilſpäne oder kleinen Magnetchen in ſolche Curven anordnen; dem wollen
wir jetzt nur noch einige Angaben beifügen, die für die Magneto-Induction von
Wichtigkeit ſind. Dieſe ſelbſt iſt aber, wie wohl jetzt ſchon vorgreifend erwähnt
werden darf, die Grundlage ſämmtlicher elektriſcher Maſchinen.


In Fig. 20 (Seite 44), wo die einander zugewandten Flächen der Magnet-
pole Ebenen ſind, verlaufen die Kraftlinien zwiſchen dieſen beiden faſt ganz parallel
und geradlinig. Dieſes Verhalten erfährt jedoch eine weſentliche Veränderung, wenn
zwiſchen beide Pole Eiſenmaſſen gebracht werden. Die hierbei auftretenden Erſchei-
nungen wurden in jüngſter Zeit namentlich von dem Wiener Phyſiker J. Stefan
einem eingehenden Studium unterworfen. Die Fig. 185 und 186 (nach Zeich-
nungen von A. Bréguet) mögen uns das Verſtändniß der über dieſe Verſuche
veröffentlichten Abhandlungen erleichtern. A und B ſtellen die Magnetpole dar,
zwiſchen welche die Eiſenmaſſe, eine Röhre aus Schmiedeiſen, gebracht wird. Die
Kraftlinien wurden mit Zuhilfenahme von Eiſenfeilſpänen ſichtbar gemacht, und
danach die Zeichnung angefertigt. Der erſte Blick auf die Figur läßt ſchon die
Aenderung erkennen, welche der Eiſenkörper im Verlaufe der Kraftlinien hervor-
gebracht hat. Dieſe gehen nicht mehr nahezu geradlinig von Polfläche zu Polfläche
und über dieſen ſind ſie auch nicht mehr bogenförmig gewölbt; die Figur gewährt
vielmehr den Anblick, als ob zwei der Abbildungen von Seite 44 nebeneinander
ſich befänden. Während bei Fig. 20 in dem Raume zwiſchen beiden Polflächen die
Kraftlinien ſehr dicht nebeneinander verlaufen, iſt dieſer Raum, ſoweit er von der
Eiſenröhre begrenzt wird, ganz leer. Hier zeigen ſich gar keine Kraftlinien; man
bezeichnet dieſe Wirkung als magnetiſche Schirmwirkung des Eiſens, weil
das Eiſen wie ein Schirm das Eindringen von Kraftlinien in den von ihm ein-
geſchloſſenen Raum verhindert.


Beſitzt der in ein magnetiſches Feld gebrachte Eiſenkörper die Form einer
ſehr kurzen Röhre, iſt er alſo mehr ringförmig geſtaltet, ſo kommt die Schirm-
wirkung nicht ſo vollkommen zur Geltung. Die Kraftlinien dringen vielmehr in den
[291] vom Eiſenringe umſchloſſenen Raum zum Theile ein, indem ſie die Ränder des
Ringes überſetzen und ſich dann gegen die Innenſeite des Ringes zurückkrümmen.
Die magnetiſchen Kraftlinien gewinnen dann die in Fig. 186 dargeſtellten Formen.


Die Schirmwirkung des Eiſencylinders, heißt es in der früher erwähnten
Abhandlung von Stefan, läßt ſich auch durch Inductionsverſuche darlegen, mit
einem Drahte, welcher in einigen Windungen um die Wand des Cylinders herum
geführt iſt, ſo daß von jeder Windung ein Theil in der inneren Höhlung, der
andere aber außerhalb des Cylinders liegt. Bewegt man dieſe Windungen längs
der Peripherie des ruhenden Eiſencylinders, ſo erhält man einen Inductionsſtrom,
deſſen Richtung und Intenſität von der anfänglichen Stellung und der Endlage
der Windungen abhängig iſt. Bei einer Bewegung aus der äquatorialen in die
axiale Lage geht der außerhalb des Cylinders liegende Theil jeder Windung durch
ein Feld, in welchem die Kraftlinien condenſirt ſind; der andere Theil der Windung
aber geht durch ein Feld von ſehr geringer Intenſität. Da die eine Hälfte der
Windungen mehr Kraftlinien ſchneidet als die andere, ſo entſteht in denſelben ein

Figure 185. Fig. 185.


Figure 186. Fig. 186.

Magnetiſche Kraftlinien.


Strom, deſſen Intenſität durch die Differenz der geſchnittenen Kraftlinien be-
ſtimmt iſt.


Man erhält denſelben Strom, wenn man mit den Windungen zugleich den
Eiſencylinder bewegt, ſo daß er ſich um ſeine Axe dreht, wie dies bei der Gramme-
ſchen Maſchine
der Fall iſt. Durch die Drehung des Eiſencylinders um ſeine
Axe wird die Vertheilung der Kraftlinien im Felde nicht geändert, inſoweit wenigſtens,
als von den Störungen, welche der remanente Magnetismus des Eiſens verur-
ſacht, abgeſehen wird. Es iſt dies leicht begreiflich, da die Eiſenmaſſen um die Axe
des Cylinders herum vollkommen gleichmäßig vertheilt ſind. Es läßt ſich überdies
auch noch experimentell zeigen, indem man den Eiſencylinder in Rotation verſetzt,
während man die Drahtwindungen feſthält. Es zeigt ſich dann nämlich, daß kein
Strom oder nur ein ſehr ſchwacher, den Veränderungen des remanenten Magne-
tismus entſprechender Strom auftritt.


Schon dieſes eine Beiſpiel der Gramme’ſchen Maſchine zeigt uns, daß es
für die Conſtruction von elektriſchen Maſchinen wichtig iſt, die Vertheilung und
den Verlauf der magnetiſchen Kraftlinien zu kennen. Von der Zahl der Linien
und von dem Winkel, unter welchem ſie von dem bewegten Leiter durchſchnitten
werden, hängt die Intenſität des daraus reſultirenden Inductionsſtromes ab. Es
19*
[292] verlohnt ſich daher wohl der Mühe, ſich über die Beſchaffenheit des magnetiſchen
Feldes durch Herſtellung der magnetiſchen Curven Rechenſchaft zu geben.


Den Arten der Induction, welche wir bisher kennen lernten, ſind noch einige
andere, wenngleich von minderer Bedeutung, anzureihen; ferner muß auch bemerkt
werden, daß nicht nur dann Ströme in benachbarten Leitern inducirt werden,
wenn ein Strom geſchloſſen oder unterbrochen, Magnetismus erregt oder zum
Verſchwinden gebracht wird, ſondern auch dann, wenn ſich die Stärke des Stromes
oder Magnetismus ändert. Da ein Strom inducirend auf benachbarte Leiter wirkt,
kann es auch nicht Wunder nehmen, wenn der Strom in ſeinem eigenen Kreiſe
Inductionswirkungen hervorruft; die einzelnen Theile eines Stromkreiſes liegen ja,
namentlich wenn er die Form einer Spirale bildet, nahe aneinander. Dieſe durch
Oeffnen und Schließen des Stromes im eigenen Stromkreiſe inducirten Ströme
nennt man nach Faraday Extraſtröme, Extracurrents oder Gegenſtröme.
Sie wurden zuerſt von Jenkin und Maſſon beobachtet und dann von Faraday
genauer ſtudirt.


Wir haben bereits erfahren, daß ein Funke ſichtbar wird, wenn man den
Schließungsbogen einer Batterie unterbricht; es iſt dies der ſogenannte Oeffnungs-

Figure 187. Fig. 187.

Der Extraſtrom.


funke. Er iſt jedoch auch bei Anwendung kräftiger
Batterien ziemlich ſchwach, wenn der Schließungsbogen
aus kurzen, dicken Drähten beſteht, er wird jedoch
trotz der damit verbundenen Schwächung des Stromes
(durch den größeren Widerſtand) bedeutend verſtärkt,
ſobald der Schließungsbogen eine größere Länge gewinnt
oder gar eine Spirale in denſelben eingeſchaltet iſt. Die
Urſache dieſer Erſcheinung liegt eben darin, daß bei der
Unterbrechung des Stromes in ſeinem eigenen Strom-
kreiſe ein Extraſtrom inducirt wird, der dieſelbe Rich-
tung
beſitzt wie der primäre Strom, alſo dieſen ver-
ſtärken und einen kräftigen Funken erzeugen muß. Die
Wirkung kann noch weiter erhöht werden, wenn man
in die Spirale, welche in den Schließungsbogen geſchaltet iſt, einen Eiſenkern oder
ein Bündel von Eiſendrähten ſteckt. Dieſe werden durch den primären Strom
magnetiſch und verlieren beim Unterbrechen desſelben ihren Magnetismus; das
Verſchwinden des Magnetismus unterſtützt dann die Inductionswirkung.


Das Auftreten der Extraſtröme kann in verſchiedener Weiſe gezeigt werden.
Man ſchaltet z. B. in den Stromkreis einer Batterie eine Spirale und eine Unter-
brechungsvorrichtung und verbindet die Spirale überdies noch leitend mit den zwei
Metallhandhaben c c Fig. 187. So lange der Stromkreis geſchloſſen iſt, circulirt
der Batterieſtrom in der Spirale; wird er nun unterbrochen, während eine Perſon
eine der Handhaben in je einer Hand hält, ſo verſpürt ſie eine heftige Erſchütte-
rung, herrührend von dem in der Spirale inducirten Extraſtrome, der durch den
menſchlichen Leib hindurch ſich ausgleicht.


Das Auftreten des Extraſtromes kann auch durch zweckmäßige Einſchaltung
eines Galvanometers nachgewieſen werden. In Fig. 188 führen Leitungsdrähte
von der Batterie B zu der Inductionsſpule S; bei a und b zweigen Drähte ab,
welche zum Galvanometer G führen. Iſt der Stromkreis geſchloſſen, ſo fließt der
Strom von der Batterie nach a, theilt ſich dort in zwei Zweige, deren einer in
das Galvanometer, deren zweiter in die Spule S geht. Der aus letzterer heraus-
[293] kommende Strom vereinigt ſich bei b mit jenem Zweigſtrome, der durch das
Galvanometer fließt, und beide kehren zuſammen wieder zur Batterie zurück. Dieſer
Stromlauf iſt durch die (voll gezeichneten) Pfeile angedeutet. Der Zweigſtrom,
welcher durch das Galvanometer geht, würde in dieſem einen Nadelausſchlag von
beſtimmter Richtung und Größe bewirken. Dies verhindert man jedoch in der Weiſe,
daß man auf jener Seite der Nadel, nach welcher hin ſie ausſchlagen will, einen
Stift ſteckt; der Zweigſtrom kann nun die Nadel nicht ablenken, ſondern nur gegen
dieſen Stift andrücken. Unterbricht man jetzt den Batterieſtrom, ſo wird die Spirale
S von einem Extraſtrome gleicher Richtung durchfloſſen; dies zeigt die Galvano-
meternadel durch einen Ausſchlag in der entgegengeſetzten Richtung wie beim Durch-
fließen des Batterieſtromes an. Daß der entgegengeſetzte Nadelausſchlag dieſelbe
Stromrichtung in der Spirale anzeigt, ergiebt ſich aus der Zeichnung durch die
punktirt gezeichneten Pfeile; der Strom kommt jetzt eben von der linken Seite in
das Galvanometer, während er vorher von der rechten kam.


Figure 188. Fig. 188.

Nachweis der Extraſtröme.


Ein Extraſtrom entſteht auch, wenn der Stromkreis geſchloſſen wird; die
Richtung desſelben iſt aber jener des primären Stromes entgegengeſetzt. Dies hat
zur Folge, daß der Extraſtrom den primären Strom anfänglich ſchwächen muß,
ſo daß alſo letzterer erſt nach und nach ſeine volle Stärke erhält. Auch der beim
Schließen eines Stromkreiſes auftretende Extraſtrom läßt ſich durch die in Fig. 188
dargeſtellte Anordnung demonſtriren. Man ſchließt zunächſt den Stromkreis und
wartet, bis die Magnetnadel einen conſtanten Ausſchlag zeigt; dann bringt man
ihr zur Seite einen Stift derart an, daß ſie beim Unterbrechen des Stromes nicht
mehr in ihre Ruhelage zurückkehren kann. Schließt man dann den Stromkreis
neuerdings, ſo ſchlägt die Nadel noch ſtärker nach der Richtung aus, in welche
ſie durch den Batterieſtrom abgelenkt wurde. Dieſer verſtärkte Ausſchlag in der-
ſelben Richtung zeigt offenbar das Hinzukommen eines die Spirale S in entgegen-
geſetzter Richtung durchfließenden Extraſtromes an. Es fließt nämlich der Batterie-
ſtrom von rechts gegen a, der Extraſtrom aus der Spule alſo von links gegen
a; von hier fließen beide in der gleichen Richtung durch das Galvanometer nach
b und müſſen ſich daher in ihrer Wirkung auf die Nadel ſummiren.


[294]

Die abſchwächende Wirkung, welche der beim Schließen eines Stromkreiſes
entſtehende Extraſtrom auf den primären Strom ausübt, macht ſich auch bei prak-
tiſchen Anwendungen unangenehm bemerkbar. Sie bewirkt, daß die volle Strom-
ſtärke nicht ſofort nach Schluß des Stromkreiſes eintritt, ſondern erſt nach einer
beſtimmten Zeit. Bei langen Leitungen kann die Verzögerung 0·166 bis 0·2 Se-
cunden betragen, was zur Folge hat, daß man z. B. auf große Entfernungen
hin längerer Zeit zur telegraphiſchen Correſpondenz bedarf als auf kurzen Strecken.
Dieſe Verzögerung iſt auch die Urſache, warum magnetelektriſche Motoren nicht
über eine gewiſſe, von ihrer Conſtruction abhängige Schnelligkeit hinaus in Be-
wegung geſetzt werden können.


Inductionsſtröme können nicht nur durch ihre Wirkung auf die Magnetnadel
nachgewieſen werden, ſondern man kann durch ſie auch andere Wirkungen, wie wir
ſie beim galvaniſchen Strom kennen gelernt haben, hervorrufen; allerdings darf
man hierbei nicht vergeſſen, daß die Inductionsſtröme immer ihre Richtung wechſeln
und muß daher auch dem entſprechende Anordnungen treffen. Dies iſt namentlich
dann nothwendig, wenn man z. B. elektrolytiſche Wirkungen durch Inductions-
ſtröme hervorrufen will. Die in vielen Fällen übereinſtimmende Wirkung der galva-
niſchen und der Inductionsſtröme führte bald zu der Vermuthung, daß auch In-

Figure 189. Fig. 189.

Inductionsſtröme höherer Ordnung.


ductionsſtröme im Stande ſein müſſen, auf benachbarte Leiter neuerdings inducirend
zu wirken. Dieſe Vermuthung wurde auch wirklich durch Verſuche beſtätigt. Henry
hat dies nachgewieſen durch Anwendung mehrerer parallel zueinander geſtellter
Spulen I, II, III, IV, Fig. 189. Die einzelnen Spiralen beſtanden hierbei aus
bandartigen Kupferſtreifen und wurden in der durch die Figur angedeuteten Weiſe
aneinander gebracht. Das Entſtehenlaſſen oder Unterbrechen eines Stromes in
Spule I rief in Spule II einen Inductionsſtrom hervor, der auch durch Spule
III fließen mußte, da dieſe mit II in leitender Verbindung ſtand. Die Drahtenden
der Spule IV waren mit metalliſchen Handhaben e f verſehen, und das Anfaſſen
derſelben mit den Händen hatte Erſchütterungen des Körpers zur Folge, die von
Inductionsſtrömen in der Spule IV herrührten; man nennt ſolche durch Induc-
tionsſtröme hervorgerufene Inductionsſtröme im Allgemeinen Inductionsſtröme
höherer Ordnung;
der Inductionsſtrom, den wir im obigen Beiſpiele durch
ſeine phyſiologiſche Wirkung nachwieſen, iſt ein Inductionsſtrom zweiter Ordnung.


Die Ströme höherer Ordnung können natürlich keine einfachen Ströme ſein,
da das Entſtehen und das Vergehen des inducirenden Stromes je einen Induc-
tionsſtrom hervorruft; hierbei hat der zweite Inductionsſtrom die entgegengeſetzte
Richtung des erſten. Das Auftreten eines Stromes in der Spule I von beſtimmter
Richtung, bezeichnen wir ſie mit +, erregt in II einen Strom entgegengeſetzter
[295] Richtung, alſo —; dieſer Inductionsſtrom fließt durch Spule III und inducirt
hierdurch in IV zwei Inductionsſtröme zweiter Ordnung, nämlich einen entgegen-
geſetzt gerichteten (+) beim Entſtehen und einen gleichgerichteten (—) beim Ver-
gehen. Würde man dieſe Ströme in eine fünfte Spirale leiten, ſo könnte dieſe in
einer ſechſten abermals Inductionsſtröme hervorrufen, und da jeder dieſer Induc-
tionsſtröme zweiter Ordnung wieder zwei Inductionsſtröme dritter Ordnung
erregen muß, ſo entſtehen vier Inductionsſtröme dritter Ordnung u. ſ. w. In
dieſer Weiſe könnten noch durch entſprechende Vermehrung der Spulen Inductions-
ſtröme vierter und fünfter Ordnung erhalten und durch ihre phyſiologiſche Wir-
kung nachgewieſen werden.


Da der Erdmagnetismus bewegliche Stromkreiſe richtet, müſſen umgekehrt
auch Inductionsſtröme durch den Erdmagnetismus erhalten werden können,
wenn man geſchloſſene Leiter entſprechend bewegt. Auch dieſe Art der Induction
wurde zuerſt von Faraday beobachtet. Er verband die Enden einer Spirale mit
einem Galvanometer und hielt die Spirale derart, daß ihre Ebene auf die Rich-
tung der Inclinationsnadel ſenkrecht ſtand; als dieſe Spirale dann um 180°
gedreht wurde, zeigte die Ablenkung der Nadel im Galvanometer den durch den
Erdmagnetismus in der Spirale
inducirten Strom an. Die Wir-
kung wird ſowohl durch Ver-
mehrung der Drahtwindungen in
der Spirale als auch insbeſondere
dadurch geſteigert, daß man in
den Hohlraum der Spirale einen
Eiſenkern bringt. Wir wollen
verſchiedene andere Verſuche zum
Nachweiſe der Erdinduction un-
erwähnt laſſen, und nur noch

Figure 190. Fig. 190.

Rotationsmagnetismus.


mittheilen, daß z. B. eine Siemens’ſche dynamo-elektriſche Maſchine von den durch
den Erdmagnetismus inducirten Strömen in Gang geſetzt werden kann.


Eine Reihe intereſſanter Inductionserſcheinungen wurde ſchon in den Jahren
1824 und 1825, alſo geraume Zeit vor der eigentlichen Entdeckung der Induction
durch Faraday, von Arago beobachtet und mit dem gemeinſamen Namen Rota-
tionsmagnetismus
bezeichnet, aber nicht als Wirkungen der Induction erkannt.
Die richtige Erkenntniß und den Nachweis hierfür verdanken wir abermals Faraday.
Arago beobachtete, daß eine Magnetnadel, die aus ihrer Gleichgewichtslage heraus-
gebracht wird, verſchieden lange hin- und herſchwingt, bis ſie wieder zur Ruhe
gelangt, wenn man in ihre unmittelbare Nähe verſchiedene Körper bringt. Es kann
z. B. die Zahl der Schwingungen von 300 auf 4 gebracht werden, wenn man
die Magnetnadel oberhalb einer Kupferplatte ſtatt in freier Luft ſchwingen läßt.
Die Kupferplatte bewirkt alſo eine Dämpfung der Schwingungen einer Magnet-
nadel. Die Anwendung dieſer Erſcheinung bei Galvanometern haben wir bereits
kennen gelernt (Seite 222).


Arago zeigte auch ein gewiſſermaßen umgekehrtes Experiment; er ließ nämlich
unterhalb einer ruhenden Magnetnadel eine Kupferſcheibe in raſche Rotation ver-
ſetzen und erreichte damit eine Ablenkung der Nadel im Sinne der Rotation oder
ſogar auch eine Rotation der Nadel im ſelben Sinne. Zur Ausführung dieſes
Experimentes kann der in Fig. 190 abgebildete Apparat dienen. Die in einem
[296] Glaskaſten eingeſchloſſene Kupferſcheibe K wird durch einen Schnurlauf und die
Riemenſcheibe R in raſche Rotation verſetzt. Oberhalb der horizontalen Glasplatte
des Kaſtens iſt auf einer Spitze möglichſt leicht drehbar die Magnetnadel n s
angebracht. Iſt die Nadel hinlänglich leicht beweglich, ſo wird ſie nicht nur aus
ihrer Ruhelage abgelenkt, ſondern rotirt in derſelben Richtung wie die Kupfer-
ſcheibe. Die Wirkung kann bedeutend abgeſchwächt werden, wenn an Stelle einer
vollen Kupferſcheibe eine mehrfach durchbrochene zur Anwendung gelangt; ſie wird
auch geändert, wenn man ſtatt einer Scheibe aus Kupfer ſolche aus anderen
Materialien benutzt. Die Rotationsgeſchwindigkeit der Nadel nimmt zu mit der
Rotationsgeſchwindigkeit der Scheibe und mit der Verringerung der Entfernung

Figure 191. Fig. 191.

Foucault’s Apparat.


der Nadel von der Scheibe. Bei gleicher Rotationsgeſchwindigkeit und gleichem
Abſtande der Scheibe von der Nadel ſteht deren Rotationsgeſchwindigkeit bei An-
wendung verſchiedener Metallſcheiben gleicher Dicke nahezu in demſelben Verhält-
niſſe, wie die ſpecifiſchen Leitungsfähigkeiten der Metalle.


Es wirken jedoch nicht nur ruhendes Metall auf bewegten Magnet und
bewegtes Metall auf ruhenden Magnet, ſondern der ruhende Magnet wirkt auch
auf das bewegte Metall und der bewegte Magnet auf ruhendes Metall. Erſteres
kann man ſchon dadurch zeigen, daß man ein Kupferſtück, etwa eine Kupfermünze,
zwiſchen den Polen eines ſehr kräftigen Magnetes ſchwingen läßt; unter der Ein-
wirkung des Magnetes hören dann die Schwingungen bedeutend früher auf, wie
ohne derſelben.


[297]

In ſehr anſchaulicher Weiſe kann die Wirkung feſtſtehender Magnete auf
bewegte Metallmaſſen durch den in Fig. 191 abgebildeten Foucaulit’ſchen Apparat
gezeigt werden. Der Elektromagnet E iſt an ſeinen Polen N S mit derartig
geformten Halbankern n s verſehen, daß die um die horizontale Axe A X beweg-
liche Kupferſcheibe C mit geringem Spielraume durchrotiren kann. Die Rotation
erfolgt in der äquatorialen Ebene und wird durch die Kurbel K und eine entſprechende
Zahnradüberſetzung bewirkt. Iſt die Bewegung durch einige raſche Drehungen der
Kurbel eingeleitet, ſo dauert ſie noch einige Zeit fort, wenn der Elektromagnet
nicht erregt iſt, ſie hört aber faſt momentan auf, wenn man den Elektromagnet
in Thätigkeit ſetzt. Verſucht man nun die Scheibe abermals in Rotation zu ver-
ſetzen, ſo verſpürt man hierbei einen ſo bedeutenden Widerſtand, als ob die Kupfer-
ſcheibe zwiſchen beiden Halbankern eingeklemmt wäre. Gleichzeitig erwärmt ſich die
Scheibe, und zwar häufig ſo ſtark, daß man die Temperaturerhöhung ſogar ſchon
durch Berühren mit der Hand fühlen kann.


Sämmtliche hier betrachteten Erſcheinungen des Rotations-Magnetismus rühren
daher, daß durch Magnete in den Leitern Ströme inducirt werden. Dieſe indu-

Figure 192. Fig. 192.

Unipolare Induction.


cirten Ströme wirken dann auf den Magnet. So werden z. B. die Schwingungen
einer Magnetnadel durch eine Kupferſcheibe gedämpft, weil durch die Bewegung
der Nadel in der Scheibe Ströme inducirt werden, die vermöge ihrer Richtung
die Nadel ſtets in entgegengeſetzter Richtung zu drehen ſuchen. Rotirt hingegen die
Kupferſcheibe, ſo entſtehen in jenen Theilen derſelben, welche ſich von der Nadel
weg bewegen, Ströme, die anziehend, und in jenen Theilen, welche ſich heran
bewegen, Ströme, die abſtoßend auf die Nadel wirken; folglich muß ſich dieſe in
der Rotationsvorrichtung der Kupferſcheibe drehen.


Schließlich haben wir noch einer Art der Induction, nämlich der unipolaren
Induction
zu gedenken. Bei allen früher beſprochenen Magneto-Inductions-
erſcheinungen kamen Inductionsſtröme dadurch zu Stande, daß der Magnetismus
eine Veränderung erfuhr, ſei es durch Veränderung der Entfernung oder ſei es
durch Stärker- oder Schwächerwerden, Entſtehen oder Vergehen desſelben. Nun
kommen aber auch Inductionserſcheinungen dann zu Stande, wenn dies nicht der
Fall iſt, ſondern der Magnet in der Nähe eines Leiters überhaupt nur eine
Bewegung macht. Solche Inductionserſcheinungen wurden von Faraday, Weber
und Plücker durch verſchiedene Experimente gezeigt.


[298]

Einen zu ſolchen Verſuchen tauglichen Apparat, der von Plücker conſtruirt
wurde, beſchreibt Wiedemann. Dieſer Apparat bietet eigentlich die Umkehr des Ver-
ſuches mit dem in Fig. 173 auf Seite 275 abgebildeten Apparate. Auf der horizon-
tale Axe b c (Fig. 192) iſt die Kupferſcheibe a befeſtigt, welche die beiden Magnet-
ſtäbe n s trägt. Bei k befindet ſich auf derſelben Axe eine kleine Schnurſcheibe,
über welche der die Rotation bewirkende Schnurlauf geführt iſt. Mit den Klemm-
ſchrauben g f ſtehen Metallfedern in Verbindung, welche auf den kleinen Metall-
ſcheiben c und b ſchleifen. Von der mittleren Klemmſchraube h führt eine Schleif-
feder auf den Rand der Kupferſcheibe a. Setzt man dieſen Apparat in raſche
Rotation und verbindet die Klemmſchrauben f und h oder g und h mit einem
Galvanometer, ſo zeigt der Ausſchlag der Magnetnadel nach der einen oder andern
Richtung einen Inductionsſtrom der einen oder entgegengeſetzten Richtung an. Die
Verbindung der Schrauben f und g mit dem Galvanometer bringt keine Bewegung
der Nadel hervor. (Würde man in Fig. 173 den Strom durch die ganze Axe a S
fließen laſſen, ſo könnte man auch keine Rotation der Magnete erhalten.)


Geſetze der Induction.

Die Geſetze der Induction, und zwar der Magneto-Induction wurden zuerſt
von Lenz einem eingehenden Studium unterworfen. Er unterſuchte zunächſt, welchen
Einfluß die Zahl der Windungen auf die Induction ausübt, indem er einen iſolirten
Kupferdraht in 2, 4, 8 u. ſ. w. Windungen um einen Eiſenſtab wand, welchen
er als Anker eines kräftigen Magnetes benutzte. Die Enden des Kupferdrahtes
ſtanden mit einem Galvanometer in Verbindung, welches beim Abreißen des Ankers
ſtets den Strom anzeigte, welcher durch das hierdurch bewirkte Verſchwinden des
Magnetismus entſtand. Aus zahlreichen derartigen Verſuchen ergab ſich, daß die
in der Spirale erregten Inductionsſtröme der Windungszahl der Spirale propor-
tional ſind. Dieſe Proportionalität gilt auch für die elektromotoriſche Kraft, wenn
der Widerſtand in dem ganzen Stromkreiſe unverändert bleibt.


Bei Inductionsverſuchen mit Spiralen verſchiedener Durchmeſſer ſtellte ſich
heraus, daß die elektromotoriſche Kraft der Magnetinduction von der Weite der Win-
dungen unabhängig iſt. Die Unabhängigkeit der elektromotoriſchen Kraft ergab ſich
bei ähnlichen Verſuchen auch für die Verſchiedenheit der Durchmeſſer und der Stoffe
des Drahtes, welcher zur Anfertigung der Spirale benutzt wird. Es iſt bemerkens-
werth, daß die Unabhängigkeit vom Stoffe auch dann noch Giltigkeit beſitzt, wenn
an Stelle von Drähten Flüſſigkeiten zur Anwendung gelangen. Man kann dies
in der Weiſe zeigen, daß man die Flüſſigkeit, z. B. eine Löſung von Zinkvitriol,
in einen dünnen Kautſchukſchlauch füllt und dieſen in Form einer Spirale den
Inductionswirkungen ausſetzt. Die Verbindung einer ſolchen Flüſſigkeits-Spirale
mit dem Galvanometer bewirkt man durch Drähte, welche an den beiden Enden
des Schlauches eingeſchnürt werden. Dieſe Verſuche ſetzen natürlich voraus, daß
bei der Vergleichung verſchiedener Spiralenmateriale der Widerſtand des ge-
ſammten
Stromkreiſes ſtets derſelbe bleibt.


Die durch Magneto-Induction in Spiralen erzeugte elektromotoriſche Kraft
hängt alſo nur von der Windungszahl der Spiralen und der Stärke des ver-
ſchwindenden Magnetismus ab; letzterem iſt ſie proportional, wie dies Verſuche
von Lenz und Jacobi dargethan haben.


[299]

Weber führte unter Benutzung des Dynamometers einige Meſſungen von
Inductionsſtrömen aus, welche bei Bewegung geſchloſſener Leiter in der Nähe von
Magnetpolen entſtehen, und fand, daß die in jedem Momente erzeugten Inductions-
ſtröme der momentanen Geſchwindigkeit der Bewegung proportional ſeien. Aehn-
liche Verſuche mit Bewegung von geſchloſſenen Leitern gegen ſtromdurchfloſſene
ergaben für die Volta-Induction dasſelbe Geſetz, wie für die Magneto-Induction. Bei
der Volta-Induction iſt die elektromotoriſche Kraft der Inductionsſtröme proportional
dem Producte der Stromſtärke und der Windungszahl der inducirenden Spirale,
bei der Magneto-Induction dem magnetiſchen Momente des inducirenden Magnetes.


Wie ſchon einmal angegeben, iſt es bei Beurtheilung der Stärke von Induc-
tionsſtrömen nothwendig, die Widerſtände ſowohl in der ſecundären, alſo inducirten
Spirale, als auch in den übrigen den Stromkreis dieſer Spirale bildenden Theilen
wohl zu beachten. Es ergiebt ſich dann, daß die Stromſtärke mit der Leitungs-
fähigkeit des Drahtes, welchen man zur Anfertigung der ſecundären Spirale be-
nutzte, zunimmt. Iſt der außerhalb der ſecundären Spirale befindliche Widerſtand
groß, ſo wächſt die Stärke des Inductionsſtromes mit der Zahl der Spiral-
windungen; es iſt dies jedoch nicht mehr der Fall, wenn der äußere Widerſtand
ein geringer wird. Wird der Inductionsſtrom daher zu Zwecken gebraucht, die
hohe Spannungen verlangen, ſo verfertigt man auch die ſecundäre Spirale aus
vielen Windungen eines dünnen Drahtes. Bedarf man jedoch keiner hohen
Spannungen, wie dies namentlich bei Maſchinen der Fall iſt, die elektrochemiſche
Arbeiten leiſten ſollen, ſo giebt man auch der ſecundären Spule (dem Anker) nur
wenige Windungen eines ſtarken Drahtes.


Ferner iſt die Stromſtärke verſchieden beim Oeffnungs- und Schließungs-
ſtrome. Beim Schließen eines Stromes tritt nämlich, wie wir bereits erfahren
haben, ein Extraſtrom entgegengeſetzter Richtung im primären Stromkreiſe ſelbſt
auf. Dies hat zur Folge, daß der Strom einige Zeit braucht, um ſeine volle
Stärke zu erlangen; die Zeitdauer des Stromes wird alſo verlängert, die elektro-
motoriſche Kraft wächſt langſamer an, iſt daher auf ein größeres Zeitintervall
vertheilt. Folglich muß auch die Stromſtärke des Inductionsſtromes geringer werden.
Beim Oeffnen oder Unterbrechen des inducirenden Stromes tritt allerdings auch
ein Extraſtrom auf, dieſer kann aber nicht zur Wirkung kommen, da eben der
Stromkreis unterbrochen iſt. Die Entwicklung des Inductionsſtromes iſt daher
auf eine viel kürzere Zeit zuſammengedrängt und folglich muß auch die Stärke
des Inductionsſtromes eine größere ſein. Sie zeigt ſich in der That durch Hervor-
rufung ſtärkerer Zuckungen oder ſtärkerer Funken.


Die Zeitdauer der Inductionsſtröme kommt auch bei den Wärmewirkungen
zur Geltung. Die in gleichen Zeiten von verſchiedenen Strömen entwickelten Wärme-
mengen ſind den Quadraten der Stromſtärken proportional. (Seite 228.) Folglich
iſt die Wärmewirkung eines gewiſſen Stromes in einer beſtimmten Zeit dem
Producte aus dieſer Zeit und der Stromſtärke während dieſer Zeit proportional.
Die Wärmemenge muß ſich daher bei gleicher elektromotoriſcher Kraft und gleichem
Widerſtande ändern, wenn ſich die Dauer des Inductionsſtromes ändert. Nimmt
man an, daß die Intenſität der Inductionsſtröme während ihres Verlaufes con-
ſtant iſt, ſo muß ein Inductionsſtrom von doppelt ſo langer Dauer die halbe
Intenſität beſitzen; das Maß für die entwickelte Wärmemenge iſt aber das Product
aus dem Quadrate der Intenſität und der Zeit, alſo . Es
[300] iſt alſo die Wärmeentwicklung umgekehrt proportional der Zeitdauer. Dieſe Ver-
hältniſſe erfahren allerdings eine Aenderung, wenn die Intenſität des Inductions-
ſtromes während ſeines Verlaufes nicht als conſtant angeſehen werden kann, aber
immerhin wird die Wärmewirkung ſtets größer ſein, je kürzere Zeit die Ströme
andauern.


Ein ähnliches Reſultat, nämlich die Abhängigkeit von der Zeitdauer, ergiebt
ſich auch für die elektrodynamiſchen Wirkungen und ebenſo für die magnetiſirenden
Wirkungen der Inductionsſtröme.


Sehr merkbar wird die Dauer der Inductionsſtröme bei ihren phyſiologiſchen
Wirkungen. Der conſtante Strom einer Batterie läßt ſolche nur dann erkennen,
wenn ſehr kräftige vielelementige Batterien zur Verwendung kommen. Schwächere
conſtante Ströme können nur an beſonders empfindlichen Stellen gefühlt werden.
Unſer Nervenſyſtem iſt jedoch ſehr empfindlich für raſche Veränderung ſeines
elektriſchen Zuſtandes. Es bringt daher auch der Oeffnungsſtrom wegen ſeines
viel raſcheren Verlaufes bedeutend kräftigere Wirkungen, ſtärkere Erſchütterungen
hervor, als der Schließungsſtrom. Die Verſchiedenheit der Zeitdauer der Inductions-
ſtröme bei Einſchiebung von maſſiven Eiſenkernen oder Eiſendrahtbündeln in die
Inductionsſpirale erklärt auch die Verſchiedenheit der phyſiologiſchen Wirkung.
Durch die Einſchiebung geſchloſſener Metallmaſſen wird die Dauer der Inductions-
ſtröme verlängert, bei Einſchiebung von aus einzelnen Eiſendrähten zuſammen-
geſetzten Bündeln verkürzt; daher iſt auch im letzteren Falle die phyſiologiſche
Wirkung eine kräftigere. Daß dem wirklich ſo ſei, zeigte Magnus durch nach-
ſtehenden Verſuch: Die Einſchiebung eines Eiſendrahtbündels in eine Inductions-
ſpirale ergab eine kräftige phyſiologiſche Wirkung, die jedoch ſofort verſchwand,
wenn die einzelnen Eiſendrähte durch Eingießen eines leicht flüſſigen Metalles zu
einer compacten Maſſe vereinigt wurden. Letztere Wirkung wurde auch in der Weiſe
erzielt, daß man das Drahtbündel mit einer Metallröhre umgab; die phyſio-
logiſche Wirkung trat jedoch wieder auf, wenn dieſe Röhre der Länge nach aufgeſchlitzt
wurde.


Anders verhält es ſich jedoch bei den chemiſchen oder elektromagnetiſchen
Wirkungen; hier hat die Zeitdauer keinen Einfluß. Dieſe können daher nicht wie
bei den conſtanten Strömen zur Strommeſſung benutzt werden. Betrachten wir
zunächſt die Wirkung der Inductionsſtröme auf eine Magnetnadel. Wegen des
ungemein raſchen Verlaufes der Inductionsſtröme kann deren Wirkung auf die
Magnetnadel entweder als ein momentaner Stoß oder doch als eine Reihe von
ſo ſchnell aufeinanderfolgenden Stößen aufgefaßt werden, daß jeder derſelben die
Nadel noch vor Rückkehr in ihre Ruhelage trifft. Dauert daher in einem und
demſelben Stromkreiſe der Inductionsſtrom einmal doppelt ſo lange wie das
anderemal, ſo wird trotzdem die Magnetnadel in beiden Fällen denſelben Aus-
ſchlag geben. Die Intenſität des Stromes iſt zwar im erſten Falle nur halb ſo
groß wie im zweiten Falle, aber die Magnetnadel erhält im erſten Falle gewiſſer-
maßen zwei Stöße mit halber Kraft und im zweiten Falle einen Stoß mit doppelter
Kraft. Die beiden Stöße im erſten Falle folgen aber ſo raſch aufeinander, daß
die Geſchwindigkeit, welche hierdurch der Nadel ertheilt wird, dieſelbe bleibt, wie
bei dem einen, aber doppelt ſo ſtarken Stoße. Die Magnetnadel zeigt daher die
Summe der Ströme oder den Summenſtrom und nicht den Theilſtrom an.


Dasſelbe gilt natürlich auch von den chemiſchen Wirkungen; dieſelben geben
ja auch für galvaniſche Ströme nur dann ein Maß, wenn man vorausſetzen darf,
[301] daß der Strom während der Dauer des Verſuches conſtant bleibt. Die chemiſchen
Wirkungen ſind dem Producte der Stromſtärke mit der Zeitdauer proportional,
folglich muß auch bei Inductionsſtrömen die Verlängerung der Inductionsdauer
eine Veränderung der chemiſchen Wirkung hervorrufen.


Inductionsapparate.

In den vorſtehenden Capiteln haben wir erfahren, daß durch die Induction
zwar ſehr kräftige, aber raſch verlaufende Ströme erhalten werden können. Will
man mit dieſen experimentiren, ſo muß man daran denken, ſolche Inductionsſtröme
in raſcher Folge und auf bequeme Weiſe zu erregen. Die zu dieſem Zwecke ge-
eigneten Apparate nennt man Inductionsapparate und unterſcheidet im Weſent-
lichen zwei Arten derſelben; dieſe ſind: die magnetelektriſchen und die elektromagneti-
ſchen. Erſtere beruhen im Principe darauf, daß man mit Eiſenkernen verſehene
Spiralen möglichſt ſchnell an kräftigen Magnetpolen vorbei bewegt; letztere beſtehen
aus einer mit Eiſenkern verſehenen primären Spirale, über welche die ſecundäre
Spirale gewunden iſt. Durch die primäre Spirale leitet man einen galvaniſchen
Strom und ſorgt dafür, daß dieſer in raſch aufeinanderfolgenden Zeitpauſen
unterbrochen und geſchloſſen wird. Wir wollen hier nur die wichtigſten Inductions-
apparate der letzten Art kennen lernen, da uns die der erſten Art in dem Ab-
ſchnitte über elektriſche Maſchinen ohnehin eingehend beſchäftigen müſſen.


Die erſten elektromagnetiſchen Inductionsapparate dürften wohl von Maſſon
und Bréguet angefertigt worden ſein; ſie wurden ſpäter zur Hervorbringung
phyſiologiſcher Erſcheinungen vielfach umgeformt. Einen derartigen Apparat, nämlich
den ſogenannten Schlitten-Apparat von Du Bois-Reymond, zeigt Fig. 193.
Auf einer hohlen Holzſpule A iſt feiner, gut umſponnener Kupferdraht von meh-
reren 100 Meter Länge aufgewunden und mit ſeinen Enden zu den Klemmen K K1
geführt. Es iſt dies die ſecundäre oder jene Spule, in welcher Ströme inducirt
werden. Sie iſt auf dem Holzſchlitten S befeſtigt und läßt ſich mit dieſem in
horizontaler Richtung verſchieben. In die Höhlung derſelben ragt je nach deren
Stellung mehr oder weniger tief die primäre Spule B oder jene Spule, welche
inducirt, hinein. Sie beſteht gleichfalls aus vielen Windungen iſolirten Kupfer-
drahtes und beſitzt in der Regel in ihrem Inneren ein Bündel Eiſendrähte zur
Verſtärkung der Inductionswirkung. Sobald nun der Strom in der Spule B
hergeſtellt oder unterbrochen wird, entſteht in A ein Inductionsſtrom. Man hat
es durch Verſchieben der Spule A in der Hand, die inducirende Wirkung zu ver-
ſtärken oder abzuſchwächen.


Um eine raſche Aufeinanderfolge des Stromſchließens und Oeffnens zu er-
zielen, iſt an dem Apparate ein ſogenannter Neef’ſcher oder richtiger Wagner’ſcher
Hammer angebracht. (Neef beſchrieb nämlich den von Wagner conſtruirten Hammer.)
Er beſteht aus dem Elektromagnete E, deſſen Polen gegenüber der kleine Anker a
von einer Feder f getragen ſchwebt. Die Feder f hat das Beſtreben, den Anker a
ſo weit vom Elektromagnete abzuziehen, daß das bei p angebrachte Platinplättchen
gegen die Schraube s angedrückt wird. Das eine Ende des die Elektromagnet-
ſchenkel umgebenden Drahtes iſt mit der Klemmſchraube k3, das andere mit der
Klemmſchraube k2 verbunden; von k3 führt ein Leitungsdraht über n zu den
Drahtwindungen auf der Spule B. Das andere Drahtende dieſer Spule iſt mit
der Klemme k1 verbunden.


[302]

Der Stromlauf in der primären Spule iſt ſonach folgender: Der Strom
tritt durch die Klemme k in die Meſſingſäule t, gelangt durch die Feder f und
das Platinplättchen p in die Schraube s, von welcher er durch die Klemmſchraube k1
in die primäre Spule B fließt; aus dieſer herauskommend geht er über n und k3
in die Drahtwindungen des Elektromagnetes E und verläßt durch die Klemm-
ſchraube k2 den Apparat. Iſt in dieſer Weiſe der Strom geſchloſſen, ſo wird das
Hufeiſen E magnetiſch und zieht den Anker a an; dadurch kommt das Platin-
plättchen außer Contact mit dem Stifte s und ſomit wird der Strom in der
primären Spirale unterbrochen. Nun läßt aber der Elektromagnet, der hierdurch
ſeine Kraft verloren, ſofort wieder den Anker a aus und das Plättchen p gelangt
durch die Wirkung der Feder abermals in Berührung mit dem Stifte s. Der
Strom in der primären Spirale iſt abermals hergeſtellt und ruft dieſelben Wir-
kungen hervor wie zuvor.


Figure 193. Fig. 193.

Schlitten-Apparat von Du Bois-Reymond.


Der Wagner’ſche Hammer bewirkt alſo ein fortwährendes raſch aufeinander-
folgendes Oeffnen und Schließen des Stromes, wodurch in der ſecundären Spirale A
Inductionsſtröme ſtets wechſelnder Richtung in raſcher Folge auftreten müſſen.
Leitet man dieſe durch Drähte, welche von den Klemmſchrauben K K1 ausgehen,
zu den Handhaben h h1 und faßt dieſe an, ſo kann man die Inductionsſtröme
auf den menſchlichen Körper wirken laſſen.


Die Inductionsapparate erfuhren, um ſie verſchiedenen Anforderungen an-
zupaſſen, mannigfache Veränderungen. Stöhrer und namentlich Ruhmkorff
brachten es in der Anfertigung ſolcher Apparate zu hoher Vollendung. Ein der-
artiges, ſogenanntes großes Inductorium, wie es Ruhmkorff verfertigte, iſt in
Fig. 194 abgebildet. Der kleine Apparat links ſtellt den Unterbrecher, der große
Apparat das eigentliche Inductorium dar. Den Kern der Inductionsrolle bildet
ein Bündel Eiſendrähte, die einzeln gefirnißt ſind; über dieſes Bündel iſt eine
Röhre aus Pappe geſchoben und auf derſelben der primäre Draht in etwa 300 Win-
dungen aufgewunden. Er iſt aus Kupfer, 2 bis 2½ Millimeter dick und mit Seide
gut überſponnen.


[303]

Die inducirende Spule iſt von einem Cylinder aus Glas oder Hartgummi
umſchloſſen, auf welchen der ſecundäre Draht aufgewickelt iſt. Er beſteht gleichfalls aus
Kupfer, hat einen Durchmeſſer von nicht mehr als ¼ Millimeter Durmeſſer und
umſchließt die primäre Spirale in beiläufig 30.000 Windungen. Hierbei muß auf
eine äußerſt ſorgfältige Iſolirung der Drahtwindungen voneinander geſehen werden,
da ſonſt die hochgeſpannten Inductionsſtröme direct von einer Windung zur andern
überſpringen. Der Draht iſt deshalb ſorgfältig mit Seide überſponnen und dann
noch mit Firniß überzogen. Iſt eine Lage ſolchen Drahtes voll, ſo wird neuerdings
die ganze Lage mit Firniß, Wachs oder dergleichen, auch wohl mit Wachspapier
oder einer dünnen Platte aus Guttapercha überzogen und dann erſt die nächſte
Lage in gleicher Weiſe daraufgewunden. Die Enden der ſecundären Spirale führen
zu den Metallknöpfen a und b, welche mit den Klemmſchrauben E E1 verbunden
ſind. Dieſe ſelbſt werden durch zwei Glasſäulen getragen. Die Stirnſeiten der
Inductionsrollen ſind durch ſtarke Glasplatten g g1 geſchützt. Dieſe beſitzen in der
Mitte je einen kreisförmigen Ausſchnitt, durch welchen die primäre Spirale mit
ihrem Eiſendrahtbündel herausragt. Bei den kleineren Apparaten bleibt letzteres
an einer Seite frei, da es als Magnet auch gleich für eine Art Wagner’ſchen
Hammers benutzt wird. Bei dem großen in Fig. 194 abgebildeten Apparate iſt
jedoch auch dieſe Fläche durch eine Platte aus Hartgummi oder dergleichen
bedeckt.


Das Oeffnen und Schließen des inducirenden Stromes beſorgt ein ſelbſt-
ſtändiger nach Vorſchlägen Poggendorff’s von Foucault conſtruirter Unterbrecher.
Hinter dem Elektromagnete e desſelben iſt eine vertical geſtellte Feder f angebracht,
welche nach oben durch den Stab s verlängert iſt. Auf dieſem Stabe läßt ſich
eine Meſſingkugel verſchieben und in beliebiger Höhe feſtſtellen. Wird dieſe Feder
durch einen Stoß in Vibration geſetzt, ſo ſchwingt ſie langſamer oder ſchneller, je
nachdem die Kugel höher oder tiefer geſtellt wird. An jener Stelle, an welcher
der Stab s auf der Feder f aufſitzt, iſt ein Meſſingſtab horizontal befeſtigt. Dieſer
trägt an ſeinem vorderen Ende ein Stück weiches Eiſen, den Anker des Elektro-
magnetes. An der rückwärtigen Hälfte des Stabes ſind zwei verticale Metallſpitzen
angebracht, welche in die Glasgefäße A und B tauchen. Der Boden beider Gläschen
iſt metalliſch und aus demſelben ragen den von oben hereinkommenden Metall-
ſpitzen zwei Anſchlagſtifte entgegen; ſie haben den Hub des Hebels beim Schwingen
der Feder zu begrenzen. Der Elektromagnet des Foucault’ſchen Unterbrechers wird
nicht durch den inducirenden, ſondern durch einen ſeparaten Strom erregt, der
durch den (vorderen) Commutator zugeleitet wird. Der Strom für die inducirende
Spule findet durch den rückwärtigen Commutator ſeine Zuleitung.


Das Oeffnen und Schließen des Stromes durch den Unterbrecher wird nicht
an einem Platincontacte in freier Luft bewirkt, ſondern mit Queckſilber und in
einer ſchlecht leitenden Flüſſigkeit. Hierzu dienen eben die beiden Gläschen A und B;
in dieſe kommt Queckſilber bis zu einer beſtimmten Höhe und dieſes wird dann mit
einer Schichte Alkohol bedeckt. Man hat dieſe Form der Stromunterbrechung gewählt,
weil hierdurch, der ſchlechten Leitungsfähigkeit der Flüſſigkeit wegen, der Strom
raſcher unterbrochen wird wie in Luft, wo ein ſtarker Oeffnungsfunke auftritt, der
den Stromübergang noch einige Zeit erhält.


Die Wirkungsweiſe des ganzen Apparates läßt ſich mit Zuhilfenahme der
ſchematiſchen Zeichnung Fig. 195 erläutern; bei dieſer ſind, ſoweit als möglich,
für gleiche Theile gleiche Buchſtaben benutzt wie in Fig. 194.


[304]

Den Strom für den Unterbrecher liefert das Element E; hierbei iſt der
Stromlauf folgender: Vom Elemente E zur Klemme k des Commutators, durch
dieſen in die Drahtwindungen des Elektromagnetes e, welcher mit der Feder f
durch einen Draht leitend verbunden iſt, dann durch den Hebel bis in jene Metall-
ſpitze, die in das Gefäß A taucht, durch das Queckſilber dieſes Gefäßes und den
metalliſchen Boden desſelben zur Klemme k1 und endlich von hier durch den Com-
mutator nach E zurück. Die Höhe der Queckſilbergefäße und des horizontalen, die
Metallſpitzen und den Anker tragenden Hebels ſind regulirbar; ſie werden derart
geſtellt, daß im Ruhezuſtande des Apparates die Metallſpitzen die Queckſilberober-
flächen berühren. Sobald der Strom von E den eben angegebenen (in der Figur
punktirt gezeichneten) Weg durchfließt, wird der Elektromagnet e erregt und zieht
daher ſeinen Anker an; es ſenkt ſich alſo der Hebelarm f e und folglich muß

Figure 194. Fig. 194.

Großes Inductorium nach Ruhmkorff.


der Hebelarm f A ſteigen, d. h. die Metallſpitze in A wird gehoben und kommt
außer Berührung mit dem Queckſilber. Dadurch wird der Strom unterbrochen,
der Anker vom Elektromagnete wieder losgelaſſen und der Hebel ſchnellt wieder
in die erſte Lage zurück, wodurch die Spitze in A neuerdings mit dem Queckſilber
in Berührung kommt und alſo den Strom wieder ſchließt. Es wird alſo in ſolcher
Weiſe eine ſchwingende Bewegung des Hebels erzeugt.


Bei B trägt der Hebel eine zweite Metallſpitze, die offenbar gleichzeitig mit
der Spitze in A in und außer Berührung mit dem Queckſilber kommen muß.
Dieſer Theil des Unterbrechers iſt aber in den Kreis des inducirenden Stromes
eingeſchaltet, folglich muß auch der inducirende Strom gleichzeitig mit dem Strome
von E abwechſelnd geöffnet und geſchloſſen werden. Nehmen wir zunächſt an, die
Metallſpitze bei B tauche in das Queckſilber ein, dann nimmt der inducirende
Strom folgenden (mit Strichpunkt gezeichneten) Weg: Von der Batterie G zur
Klemme K, durch den Commutator und einen Kupferſtreifen zur Klemme 2, durch
[305] den Verbindungsdraht in die Klemmen II, durchläuft die primäre Spirale P,
gelangt zu den Klemmen III und 3, von hier zur Feder f, geht durch den Hebel
und den Metallſtift in das Queckſilber bei B und gelangt von hier durch den
Commutator und die Klemmſchraube K1 zur Batterie G zurück. Daraus iſt
erſichtlich, daß der Strom in der primären Spirale ſo oft unterbrochen ſein muß,
als der Metallſtift und das Queckſilber bei B außer Berührung ſind, und ſo oft
geſchloſſen wird, als der Stift eintaucht.


Der inducirende Stromkreis wird jedoch nicht einfach geöffnet durch Unter-
brechung der Verbindung zwiſchen Batterie und Spirale, ſondern es wird gleichzeitig
gewiſſermaßen ein zweiter Stromweg dargeboten. Die primären Spirale ſteht nämlich,
wir werden gleich ſehen wie, mit einem Condenſator C, der in dem maſſiven
Fußbrette des Inductoriums angebracht iſt, in Verbindung. Dieſer Condenſator

Figure 195. Fig. 195.

Stromführung im Ruhmkorff’ſchen Inductorium.


iſt dem Principe nach eine Franklin’ſche Tafel, nur benutzt man zu ſeiner An-
fertigung nicht Glastafeln, ſondern Glimmer oder Wachstaffet. Die eine Belegung
ſteht mit dem einen, die andere mit dem andern Ende der primären Spirale in
Verbindung.


Der Zweck dieſes zuerſt von Fizeau angewandten Condenſators iſt, die
Unterbrechung des Stromes noch ſchneller zu bewerkſtelligen. An der Unterbrechungs-
ſtelle des Stromkreiſes herrſcht nämlich Elektricität ſehr großer Dichtigkeit, wodurch
der Oeffnungsfunke verſtärkt und ſo die thatſächliche Unterbrechung des Strom-
kreiſes verlangſamt wird. Stehen jedoch die Enden des Stromkreiſes mit dem
Condenſator in Verbindung, ſo fließen die im Drahte inducirten Extraſtröme auf
die Belegungen ab und halten ſich dort gegenſeitig feſt, bis der Stromkreis wieder
hergeſtellt wird; dann entladet ſich der Condenſator und trägt ſo zur Verſtärkung
des Schließungsfunkens bei. Die Verbindung der primären Spirale P mit dem
Condenſator C iſt aus der Figur leicht zu erſehen; ſie iſt durch die geſtrichelten
Urbanitzky: Elektricität. 20
[306] Linien dargeſtellt. Der bei der Unterbrechung des primären Stromkreiſes auf-
tretende Extraſtrom verläuft daher aus der Spirale einerſeits durch die Klemmen
III 3 und 4 IV zum Condenſator und andererſeits von den Klemmen II und
2 zur Commutatorklemme K durch die Batterie G, die Klemme K1, den Kupfer-
ſtreifen nach 1 und I und abermals zum Condenſator.


Da bei einem ſolchen oder ähnlichen Inductionsapparate der Draht von
einem Ende der Spirale bis zum andern und wieder zurück gewunden wird, ſo
ſind zwei übereinanderliegende Windungen durch bedeutende Drahtlängen von-
einander getrennt. Die Dichtigkeit der inducirten Ströme nimmt aber von der
Mitte gegen die Enden eines ſolchen Drahtes zu bedeutend zu; folglich tritt ein
Ausgleich der Dichtigkeiten durch die Iſolirung hindurch deſto leichter ein, je größer
die Zahl der Windungen iſt. Es kann dann vorkommen, daß auch eine ſehr ſorg-
fältige Iſolirung nicht mehr ausreicht. Um dieſen Uebelſtand zu vermeiden, ſchlug
daher Poggendorff vor, die ſecundäre Spirale nicht aus einem einzigen Drahte
anzufertigen, ſondern aus mehreren Spulen zuſammenzuſetzen. Dieſer Vorſchlag iſt
auch von Stöhrer ausgeführt worden; die primäre Spule wurde hierbei vertical
geſtellt und über dieſe ſchob man die einzelnen ſecundären Spulen der Reihe nach.
Die Enden derſelben wurden dann durch Metallbügel miteinander verbunden.


Der größte Inductionsapparat, den man bis jetzt conſtruirt hat, iſt wohl
jener, welchen Spottiswood im Jahre 1881 auf der Pariſer elektriſchen Ausſtellung
vorführte. Dieſer Apparat wurde von Apps conſtruirt und beſitzt eine Inductions-
ſpule, deren Draht 450 Kilometer lang iſt. Wird durch die primäre Spirale der
Strom von 30 Grove-Elementen geleitet, ſo erhält man durch die ſecundäre Spirale
Funken in der Länge von über 1 Meter, eine Leiſtung, welche alle bisher con-
ſtruirten derartigen Apparate beiweitem nicht erreichen.


Die Wirkungen der Inductionsſtröme.

Verbindet man die Enden einer Inductionsſpirale durch einen ununter-
brochenen guten Leiter, ſo findet im ganzen Stromkreiſe einfach ein Hin- und Her-
gehen der inducirten Ströme ſtatt. Werden die Drahtenden direct an ein Galvano-
meter angehalten, ſo zeigt dieſes doppelſeitige Ablenkung; auf Jodkaliumkleiſter-
papier wird an der Berührungsſtelle jedes Drahtes Jod ausgeſchieden und im
Voltameter entwickelt ſich an beiden Elektroden Knallgas. Alle dieſe Erſcheinungen
ſind Folgen der ſtets wechſelnden Richtung der Inductionsſtröme.


Wird jedoch die Verbindung der beiden Drahtenden einer Inductionsſpirale
nicht durch einen ununterbrochenen Leiter hergeſtellt, dann treten Erſcheinungen auf,
die jenen ähnlich ſind, welche man mit Elektriſirmaſchinen herbeiführen kann. Es
werden nämlich auch in der ungeſchloſſenen Inductionsſpirale die beiden Elektrici-
täten voneinander getrennt und gegen die Drahtenden getrieben; dann können
auch jene [Erſcheinungen] auftreten, welche bei der Spannungslektricität beobachtet
werden. So wurden zuerſt von Maſſan und Breguet gezeigt und bald darauf
von Sinſteden experimentell nachtzewieſen. Wir werden uns im Nachſtehenden
nur mit jenen beſchäftigen, welche wir noch nicht bei Beſprechung der Elektriſir-
maſchine, Kleiſt’ſchen Flaſche und Influenzmaſchine kennen gelernt haben.


Die Inductionsapparate geſtatten ganz ebenſolche elektriſche Funken und
durch dieſe ſolche Wirkungen hervorzurufen wie jene. welche mit Reibungs- oder
[307] Influenzmaſchinen erhalten werden. Man verbindet zu dieſem Ende die Klemmſchrauben
der ſecundären Spirale mit gegeneinander geſtellten Metallſpitzen oder noch beſſer
mit einer Metallſpitze und einer ihr gegenübergeſtellten Metallplatte; es geht dann,
bei einer der Größe des Apparates entſprechenden Entfernung beider voneinander,
ein conſtanter Funkenſtrom über, ſo lange das Inductorium in Thätigkeit iſt.
Dieſer Funkenſtrom beſteht aus zackigen, baumartig ſich verzweigenden Lichtblitzen,
welche die Stellung, die ſie beim Ueberſchlagen von der Spitze auf die Platte ein-
nehmen, häufig wechſeln, ſo lange die Entfernung der Spitze von der Platte noch
eine verhältnißmäßig große iſt. Wird die Entfernung verringert, ſo tritt die Aus-
gleichung der Elektricitäten in Form eines hell leuchtenden Funkenſtrahles ein, der
beiläufig dasſelbe Ausſehen hat, wie der in Fig. 75, Seite 144 abgebildete.


Bringt man die Drahtenden der Inductionsſpule noch näher aneinander, ſo
erſcheinen ſie durch eine intenſiv leuchtende Feuerlinie verbunden. Dieſe iſt jedoch
umgeben von einer nicht ſehr hellen, leicht beweglichen Lichtwolke, der ſogenannten
Aureole. Letztere läßt ſich von
der Hauptentladung, dem Fun-
ken, ſchon durch Anblaſen trennen.
Sie wird dann in ähnlicher Weiſe
abgelenkt, wie eine Flamme durch
das Löthrohr. Noch auffälliger
zeigte Perrot die Trennung der
Aureole vom Funken durch einen
Verſuch, den Fig. 196 verſinn-
lichen ſoll. In ein aufgebogenes
Glasrohr ſind bei a und b
Drähte eingeſchmolzen, deren
Enden ſich bei D D1 gegenüber-
ſtehen. Der von a ausgehende
Draht iſt mit dem einen Pole
des Inductoriums verbunden,
der von b ausgehende Draht
ſteht bei c mit dem zweiten
Poldrahte in Verbindung. Von

Figure 196. Fig. 196.

Trennung der Aureole vom Funken.


c geht noch ein dritter Draht c A aus, deſſen Ende der engen Mündung des
Glasrohres gegenübergeſtellt wird. Durch das Rohr ſelbſt treibt man in der
Richtung des Pfeiles einen Luftſtrom. Wird hierauf der Inductionsapparat in
Thätigkeit geſetzt, ſo geht der glänzende Funke zwiſchen D und D1 über, während
die Aureole bei A erſcheint.


Berührt man ein Elektroſkop einen Augenblick mit einem Ende der Induc-
tionsſpirale, ſo zeigt erſteres einmal poſitive, einmal negative Ladung an, was der
fortwährend wechſelnden Richtung der Inductionsſtröme wegen wohl erklärlich iſt.
Läßt man hingegen Funken überſchlagen, ſo erhält man durch das Elektroſkop ganz
beſtimmte Anzeigen. Aus den bisher mitgetheilten Erſcheinungen iſt bereits zu
erkennen, daß die Inductionsſtröme im ununterbrochenen Stromkreiſe ein anderes
Verhalten zeigen, als im unterbrochenen. Die Anzeigen des Elektroſkopes zuſammen-
gehalten mit den übrigen Erſcheinungen lehren, daß dieſes verſchiedene Verhalten
durch verſchiedene Arten der Entladung bewirkt wird. Im geſchloſſenen Strom-
kreiſe gehen ſtets abwechſelnd beiderlei Inductionsſtröme hin und her, beim unter-
20*
[308] brochenen Stromkreiſe wird die Dichtigkeit an den Drahtenden ſo groß, daß die
Ausgleichung der Elektricitäten in Form eines Funkens eintritt. Die Anzeige des
Elektroſkopes läßt hierbei erkennen, daß dieſe Wirkung vom Oeffnungsſtrome
herrührt, da jenes Drahtende poſitiv elektriſch erſcheint, von welchem bei ununter-
brochenem Stromkreiſe der Strom zum zweiten Drahte übergegangen wäre. Ein in
den durch eine Funkenſtrecke unterbrochenen Stromkreis geſchaltetes Galvanometer
giebt einen einſeitigen Ausſchlag, im Voltameter wird an einer Elektrode nur
Waſſerſtoff, an der andern nur Sauerſtoff ausgeſchieden. Somit kommt bei unter-
brochenem Stromkreiſe offenbar nur eine Art Inductionsſtröme zu Stande und
dies ſind die Oeffnungsſtröme. Die Urſache dieſer Erſcheinung iſt leicht zu erkennen,
wenn man ſich an die Conſtruction des Inductionsapparates erinnert. Der Fou-
cault’ſche Unterbrecher mit der Unterbrechung des Stromkreiſes in Alkohol und der
Condenſator, dieſe Mittel einer möglichſt raſchen und vollkommenen Unterbrechung
des Stromes, ſind es, welche die geſammte elektromotoriſche Kraft des Oeffnungs-
ſtromes in einen möglichſt kurzen Zeitraum zuſammendrängen und daher auch die
Erregung großer elektriſcher Dichtigkeiten an den Drahtenden bewirken.


Der Funke zwiſchen den Drahtenden der Inductionsſpule iſt eine dem Ent-
ladungsſchlage der Batterien analoge Erſcheinung. Doch findet in dieſem nicht die
geſammte Ausgleichung der Elektricitäten ſtatt, ſondern neben dem Funken tritt
auch noch die Aureole auf. Wir erſehen ſchon aus dem Bisherigen und namentlich
aus dem Verſuche von Perrot, daß Funke und Aureole zwei weſentlich verſchiedene
Entladungsarten ſind. Eine genauere Beobachtung ergiebt noch weitere Unter-
ſchiede. Die Farbe des Funkens hängt von der Natur der Elektroden ab; ſie iſt
z. B. weiß bei Anwendung von Eiſenſpitzen, grün bei Kupfer, blau bei
Silber u. ſ. w. Die Farbe der Aureole wird durch die Natur des Mediums
beſtimmt, in welchem der Funke überſchlägt, und iſt nicht immer in der ganzen
Ausdehnung der Aureole dieſelbe. In der Luft oder in Stickſtoff iſt der der poſi-
tiven Spitze zunächſt befindliche Theil roth, der an der negativen Elektrode korn-
blumenblau, in Kohlenſäure oder Kohlenoxyd erſcheint der erſtere grün, der letztere
lavendelblau, in Waſſerſtoff wird die ganze Aureole purpurroth u. ſ. w. Häufig
beobachtet man zunächſt der negativen Elektrode einen lichtloſen Zwiſchenraum, den
ſogenannten dunklen Raum.


Betrachtet man die Entladung mit Hilfe eines raſch rotirenden Spiegels, ſo
erſcheint in dieſem der eigentliche Funke als Lichtlinie, die Aureole hingegen als
ein Band, alſo verbreitert; ſie iſt in der Richtung der Rotation verſchoben, ſo
daß das Funkenbild ſie an einer Seite begrenzt. Daraus folgt, daß die Aus
gleichung beider Elektricitäten mit dem Funken beginnt und erſt nach dieſem die
Aureole gebildet wird. Die raſche, momentane Bewegung der Elektricitäten im
Funken und die langſamere in der Aureole gehen auch aus folgendem Experimente
hervor. Trennt man Funke und Aureole voneinander, ſo iſt der Funke ſeiner kurzen
Dauer wegen nicht im Stande, Papier, mit Alkohol getränkte Baumwolle oder
Aehnliches zu entzünden, während in der Aureole dieſe Körper zu brennen
beginnen.


Schaltet man in den Schließungsbogen einer Flaſchenbatterie ein Galvano-
meter ein, ſo wird der Ausſchlag der Nadel, welchen ein Entladungsſchlag bewirkt,
durch die Größe der Widerſtände im Schließungsbogen nicht beeinflußt. Wohl aber
macht ſich der Einfluß des Widerſtandes auf den Nadelausſchlag eines in den
Stromkreis einer Inductionsrolle einſchalteten Galvanometers geltend. Der Aus-
[309] ſchlag nimmt zu mit der Abnahme der Schlagweite und gleichzeitig hiermit ent-
wickelt ſich die Aureole kräftiger.


Aus allen dieſen Verſuchen und Beobachtungen ergiebt ſich daher, daß der
eigentliche Funke als momentaner Ausgleich entgegengeſetzter Elektricitäten auf-
zufaſſen iſt und ſein Leuchten im Glühen abgeriſſener Elektrodentheilchen beſteht.
Dieſer Funke iſt daher zu identificiren mit dem Funken, welchen eine Flaſchen-
batterie giebt. Die Aureole iſt hingegen ein Ausgleichen der beiden Elektricitäten
in ruhigerer Strömung und nach Art des galvaniſchen Stromes; das Leuchten
derſelben beruht auf dem Glühen von Gastheilchen. Durch das Ueberſchlagen des
Funkens wird das Medium, z. B. die Luft, verdünnt und durch dieſe verdünnte
Luft ſtrömen dann die beiden Elektricitäten, die Aureole bildend, gegeneinander.
Auf dieſe Erklärung weiſen das Zurückbleiben der Aureole gegenüber dem Funken
im Spiegelbilde, die Aenderung ihrer Farbe mit dem Medium, das Verhalten des
Galvanometers u. ſ. w. deutlich hin.


Die Trennung in Funke und Aureole hört auf, wenn man in den Schließungs-
bogen der Inductionsſpirale eine Kleiſt’ſche Flaſche einſchaltet. Die Elektricitäten
ſtrömen dann zunächſt auf die beiden Belegungen und von dieſen aus erfolgt die
Entladung in der uns bereits bekannten Weiſe. Die Funken ſind hierbei viel
intenſiver und verurſachen beim Ueberſpringen ein bedeutendes Geknatter. Die Farbe
derſelben iſt durch das Material der Elektroden und auch des umgebenden Me-
diums beſtimmt. Dieſem Verhalten verdankt der verſtärkte Funke eine wiſſenſchaftlich
hochwichtige Anwendung, nämlich zur ſpectralanalytiſchen Unterſuchung der Metalle.
Der verſtärkte Funke bringt die Metalle in Dampfform und die Metalldämpfe
werden durch ihn zum Glühen erhitzt. Die Farbe des Lichtes, welches dieſe Metall-
dämpfe ausſenden, hängt nur von der chemiſchen Beſchaffenheit der Metalle ab.
Unſer unbewaffnetes Auge iſt allerdings in der Regel nicht im Stande, dieſe
Farben ſo zu unterſcheiden, daß wir durch den bloßen Anblick des Funkens in den
Stand geſetzt werden, die Metalle, zwiſchen welchen er überſpringt, zu erkennen.
Newton lehrte uns jedoch, ein dreiſeitiges Glasprisma als verläßliches Mittel
zur Farbenanalyſe zu gebrauchen. Dieſer große Forſcher hat uns bewieſen, daß
das Sonnen- oder Tageslicht, alſo das weiße Licht, nur durch das Zuſammen-
wirken verſchiedenartigen Lichtes entſteht, und daß man das weiße Licht eben durch
jenes Prisma in ſeine farbigen Beſtandtheile zerlegen kann.


Ein in geeigneter Weiſe auf das Prisma geleiteter Sonnenſtrahl durch-
dringt dasſelbe nicht ungeändert, ſondern kommt vielmehr als ein farbenprächtiges
Strahlenbüſchel wieder heraus; das weiße Licht wurde in ſeine farbigen Beſtand-
theile zerlegt. Fängt man dieſes Büſchel auf einem Schirme auf, ſo entſteht dort
ein vielfarbiges Band, in welchem die Farben gerade ſo aufeinanderfolgen wie im
Regenbogen. Dieſes farbige Band nennt man nach Newton das Spectrum (Ge-
ſpenſt der Sonne). Auch unſere irdiſchen Lichtquellen geben ein ähnliches Spectrum;
anders verhalten ſich aber glühende Dämpfe oder Gaſe. Bei dieſen iſt das Spectrum
nicht mehr eine ununterbrochene Reihenfolge der Farben vom Roth bis zum Violett,
ſondern das farbige Band iſt durch dunkle Zwiſchenräume mannigfach unterbrochen.
Ja, dieſe ſind ſo häufig und ſo breit, daß das Spectrum gar nicht mehr das
Anſehen eines farbigen Bandes hat, ſondern nur mehr aus einer größeren oder
geringeren Anzahl paralleler Lichtſtreifen beſteht, die in verſchiedenen Entfernungen
voneinander ſich befinden. Die Farbe dieſer Streifen entſpricht jener, welche an
derſelben Stelle vorhanden wäre, wenn Sonnenlicht das Spectrum gebildet hätte.


[310]

Es iſt hier nicht der Ort, auf dieſe Erſcheinungen näher einzugehen; es
genügt hier der Hinweis auf die Wichtigkeit dieſes Verhaltens. Zahlreiche Unter-
ſuchungen haben nämlich dargethan, daß jeder Körper, wenn er in Dampf- oder
Gasform zum Leuchten gebracht wird, ein ihm ganz allein eigenthümliches Spectrum
zeigt. Dies und gewiſſe hierzu in naher Beziehung ſtehende Verhältniſſe geſtatten
uns, nicht nur die chemiſche Zuſammenſetzung der uns zur Hand befindlichen

Figure 197. Fig. 197.

Geißler’ſche
Speckralröhre.


Körper zu beſtimmen, ſondern auch mit voller Sicherheit
jene weit entfernter Körper zu ermitteln. So lehrte uns die
Spectralanalyſe, daß ein großer Theil der auf der Erde vor-
handenen Körper auch in der Sonne ſich befinde.


Zur Kenntniß der Metallſpectra verhalf uns der verſtärkte
Funke des Inductionsapparates, da es nur durch dieſen oder
den Voltabogen gelingt, feſte Metalle in glühende Metalldämpfe
zu verwandeln. Die Inductionsſtröme dienen auch dazu, Gaſe
zum Glühen zu bringen, wodurch uns das Studium der Spectra
dieſer in bequemer Weiſe ermöglicht wird. Man bedient ſich
hierzu der Geißler’ſchen Röhren; es ſind dies Glasröhren
oder Gefäße von mannigfachen Formen, in welche gewöhnlich
an zwei Stellen Metalldrähte eingeſchmolzen ſind. Durch dieſe
Metalldrähte oder Elektroden werden die elektriſchen Ströme
eingeleitet und bringen das im Innern befindliche, mehr oder
weniger ſtark verdünnte Gas zum Glühen und Leuchten. Derlei
Röhren wurden zuerſt von Grove gebraucht, hierauf benutzte
ſie Plücker zu ſeinen eingehenden Studien über Gasſpectra,
und dann wurden ſie in großer Vollendung von Dr. H. Geißler
verfertigt.


Die Fig. 197 und 198 ſtellen zwei derartige Geißler’ſche
Röhren dar, die eine von gleichmäßig cylindriſcher Form, die
andere mit einem thermometerartig verengten Theile in der
Mitte. Dieſe Form eignet ſich beſonders für ſpectralanalytiſche
Zwecke, da die Gasſäule in dem engen Röhrenquerſchnitte an
Leuchtkraft bedeutend gewinnt und daher auch im Stande iſt,
ein lichtkräftiges, deutliches Spectrum zu liefern. Die gewöhn-
lichen, käuflichen Röhren ſind vollkommen geſchloſſen und mit
Gaſen oder Dämpfen gefüllt, welche auf einen Druck von
2 bis 6 Millimeter verdünnt wurden; die Gaſe zeigen nämlich
bei dieſer Verdünnung, ſobald elektriſche Ströme ſie durchſetzen,
die für ſie charakteriſtiſchen Lichterſcheinungen am beſten.


Beabſichtigt man, den Verlauf der Erſcheinungen zu
ſtudiren, ſo verſieht man die Röhren mit Glashähnen, welche
geſtatten, eine Verbindung mit der Luftpumpe beliebig herſtellen
oder unterbrechen zu können, oder andererſeits ermöglichen, verſchiedene Gaſe in
die Röhre einzuführen. Wie die Abbildungen zeigen, enden die in das Glas
eingeſchmolzenen Drähte (gewöhnlich aus Platin) nach außen in kleinen Oeſen;
dieſe dienen zur Verbindung mit den Drahtenden der Inductionsſpule.


Leitet man die Inductionsſtröme durch eine Röhre (ohne engen Theil), welche
mit Luft unter dem Atmoſphärendrucke gefüllt iſt, ſo geht zunächſt, vorausgeſetzt,
daß die Kraft des Inductoriums ausreicht, ein continuirlicher Funkenſtrom über.
[311] Hierbei iſt die Aureole höchſtens ſchwach angedeutet, gewöhnlich aber gar nicht
ſichtbar. Wird hierauf die Luft in der Röhre verdünnt, ſo nimmt der eigentliche
Funke ſtetig an Stärke ab, während ſich die Aureole immer kräftiger entwickelt.
Die Erſcheinungen nehmen dann bei fortſchreitender Verdünnung ganz denſelben
Verlauf, welcher bei den Wirkungen elektriſcher Entladungen auf Seite 145 u. f.
geſchildert wurde. Der Funke verſchwindet ganz und an deſſen Stelle entwickelt
ſich, von der poſitiven Elektrode oder Anode ausgehend, immer
kräftiger das poſitive Büſchellicht und an der negativen Elektrode
oder Kathode das Glimmlicht. Beide ſind voneinander durch den
dunklen Raum getrennt (Fig. 197).


Wurde die Röhre urſprünglich mit Stickſtoff gefüllt, ſo
zeigt das Büſchellicht eine ziegelrothe, das Glimmlicht eine korn-
blumenblaue Farbe. Die Intenſitäten des Lichtes ſind an ver-
ſchiedenen Stellen verſchieden. Am hellſten leuchtet das Gas im
engen Theile, weshalb auch dieſer, wie bereits bemerkt, zu
ſpectralanalytiſchen Beobachtungen benutzt wird. Auch das
Glimmlicht iſt nicht ſeiner ganzen Ausdehnung nach gleich hell,
ſondern zeigt ſich, wie auch die Zeichnung erkennen läßt, aus
verſchieden hellen Hüllen zuſammengeſetzt. Das poſitive Büſchel-
licht geht ſtets, wie auch die Röhre und die Elektrode geſtaltet
ſein mögen, nur von einem Punkte aus, folgt allen beliebig ge-
wählten Krümmungen der Röhre und iſt immer dem Glimm-
lichte zugewandt. Das Glimmlicht hingegen entwickelt ſich bei
fortſchreitender Verdünnung des Gaſes, von immer wachſenden
Flächen der Elektrode aus und überzieht dieſe ſchließlich ganz.
Es breitet ſich in normalen Richtungen um die Oberfläche
der Elektrode aus und kümmert ſich nicht um das poſitive
Büſchellicht.


Dieſe Erſcheinungen entwickeln ſich jedoch nicht immer in
der geſchilderten einfachen Weiſe, ſondern hängen vielmehr von
vielerlei Umſtänden ab. Die Stärke des angewandten Stromes,
die Art und Größe eines in denſelben Stromkreis geſchalteten
Widerſtandes, die Form der Röhre und der Elektroden, die Natur
und der Verdünnungsgrad des Gaſes u. ſ. w. können auffällige
Modification bewirken. Sie ſind zwar wichtig, wenn man einen
tieferen Einblick in das uns noch immer räthſelhafte Weſen der
Elektricität gewinnen will, können aber hier doch nur oberflächlich
erwähnt werden. Zu dieſen Erſcheinungen zählt z. B. die
Schichtung des elektriſchen Lichtes.


Nicht immer bildet ſich das poſitive Licht in Form eines
ununterbrochenen Büſchels aus, ſondern häufig zeigt ſich das

Figure 198. Fig. 198.

Geißler’ſche Röhre.


Büſchellicht durch dunkle Stellen in mehr oder weniger, breitere oder ſchmälere,
regelmäßige oder unregelmäßige, leuchtende Schichten zertheilt. Dieſe Erſcheinung
tritt namentlich dann immer auf, wenn keine einfachen, reinen Gaſe, ſondern
zuſammengeſetzte oder auch Gasgemenge ſich in den Röhren befinden. Fig. 198
ſtellt eine mit Kohlenſäure (Kohlendioxyd) gefüllte Röhre dar, in welcher der Druck
etwa 2 bis 3 Millimeter beträgt. Das grün gefärbte Büſchellicht zeigt ſich in
viele regelmäßige Lichtſcheibchen zerlegt, die derart gekrümmt ſind, daß ſie ihre hohle
[312] Fläche der Anode zukehren. Das Glimmlicht iſt lavendelblau und beſteht aus
verſchieden hell leuchtenden Hüllen. In Röhren, welche Kohlenſtoffverbindungen
enthalten, zeigt ſich an der Anode häufig ein hellleuchtender Stern, von dem aus
das geſchichtete Lichtbüſchel ſeinen Ausgang nimmt. Dieſer Stern dürfte ſein
Entſtehen wahrſcheinlich der Ablagerung von Kohlentheilchen zu verdanken haben,
welche durch den elektriſchen Strom zur hellen Weißgluth erhitzt werden.


Obwohl ſchon eine bedeutende Anzahl von Forſchern die Schichtung des
elektriſchen Lichtes zum Gegenſtande eingehender Studien gemacht hat, müſſen wir
doch geſtehen, daß über die Urſache dieſer Erſcheinung leider auch heute noch keine
ſicheren Erklärungen zu geben ſind. Was wir darüber wiſſen, beſchränkt ſich auf
die Kenntniß einer Reihe von Umſtänden, welche das Auftreten der Schichtung
fördern oder verhindern, ihre Form ändern, und in verſchiedenen Muthmaßungen
über die Urſachen.


Der Erſte, welcher die Schichtung des elektriſchen Lichtes beobachtet und auch
genau beſchrieben hat, war Abria im Jahre 1843*). Quet erhielt geſchichtetes
Licht, indem er die Luft aus einem elektriſchen Ei auspumpte und dafür Dämpfe
von Terpentinöl, Alkohol oder Holzgeiſt einſtrömen ließ. Faye erzeugte ſich
Schichten durch Anwendung von Metalldämpfen. Er benutzte hierbei gleichfalls ein
elektriſches Ei mit 2 Elektroden, welche vertical übereinander angeordnet waren;
außerdem ragten aber in der Richtung eines horizontalen Durchmeſſers noch zwei
Metallſtäbchen in das Ei hinein. Die beiden nach innen gekehrten Enden waren
durch ein ſehr dünnwandiges Eiſenſchälchen miteinander verbunden. In das Schälchen
brachte dann Faye kleine Stücke eines Metalles, [füllte] das Ei mit Sauerſtoff und
evacuirte, ſo weit es ſeine Pumpe geſtattete. Dann verband er die beiden Stäbchen,
welche das Schälchen trugen, mit den Polen einer kräftigen Voltaſäule und brachte
dadurch das Schälchen zum Glühen und das darauf befindliche Metall zum
Verdampfen.


Durch die Metalldämpfe wurden dann die Ströme eines Ruhmkorff’ſchen
Inductoriums geſandt. Auf dieſe Art wurden die Dämpfe von Zink, Antimon,
Queckſilber, Cadmium, Wismuth, Arſen und Schwefel unterſucht. Beim Verdampfen
des Zinkes verwandelte ſich das rothe Büſchellicht (herrührend von Stickſtoffreſten)
augenblicklich in eine Maſſe von blauen Schichten, die ſich in der Form von blauen
Flügeln nach rechts und links von der Anode aus entwickelten; Antimon gab lila,
Queckſilber fahlgrüne, Cadmium dunkelgrüne Schichten, Natrium gelbe u. ſ. w.
Reitlinger erhielt geſchichtetes Licht unter Anwendung von verſchiedenen Gaſen.
Er beobachtete bei Waſſerſtoffgas ſogar in dem capillaren Theile einer Geißler’ſchen
Röhre Schichten und nannte dieſe aus abwechſelnd leuchtenden und dunklen Punkten
gebildete Erſcheinung die Perlſchichtung.


De la Rive fand, daß man die Spannkraft eines Gaſes deſto mehr ver-
ringern muß, als es dem Durchgange der Elektricität mehr Widerſtand leiſtet. Bei
ſeinen Verſuchen brachte er Waſſerſtoff bei einem Drucke von 18 Millimeter zum
Leuchten, und zwar in Form eines roſigen Fadens im Durchmeſſer von 3 bis
4 Millimeter und zuſammengeſetzt aus kreisrunden Schichten, deren jede ungefähr
¼ Millimeter dick war. Wurde der Gasdruck auf 2 Millimeter vermindert, ſo
erreichten die Schichten eine Dicke von 5 Millimeter. Bei einem Drucke unter
[313] 2 Millimeter wurden die Schichten, die früher eine lebhafte wirbelnde Bewegung
zeigten, ruhig und ſtabil. Die Arbeiten Morren’s gaben folgende Reſultate: Der
elektriſche Funke geht durch ein von fremden Gaſen freies Queckſilbervacuum durch,
indem er ungeſchichtetes grünes Licht giebt; das Spectrum iſt jenes des Queck-
ſilbers. Bei Gaſen, in welchen das Licht geſchichtet iſt, nimmt der Abſtand zwiſchen
den Schichten immer in dem Maße zu, als der Druck abnimmt. Die Schichtung
des elektriſchen Lichtes wurde ferner unterſucht von Gaſſiot, A. v. Waltenhofen,
Poggendorff, Holtz, Wüllner und Anderen. Eine experimentelle Unterſuchung des
Verfaſſers vorliegenden Werkes, welche gemeinſchaftlich mit Reitlinger durch-
geführt wurde, verfolgte die Ausbildung der Schichten bei abnehmendem Gasdrucke
meſſend und ergab nachſtehendes Geſetz: So lange die chemiſche Beſchaffenheit der
leuchtenden Gasſäule und die übrigen Umſtände mit Ausnahme der Dichte als
unverändert angenommen werden dürfen, nimmt die Zahl
der Schichten im Verhältniſſe der Verdünnung ab, oder
mit anderen Worten, das Intervall vom Mittelpunkte einer
hellen Schichte bis zu dem der nächſten wächſt pro-
portional der Verdünnung.


Reitlinger gelangte ſchließlich zu nachſtehender An-
ſicht über die Urſache der Schichtung: Die elektriſche
Entladung übt Impulſe aus, durch welche die leichter
beweglichen Stoffe in Schwingungen verſetzt werden, an
deren Knotenlinien ſich die ſchwerer beweglichen Stoffe
anſammeln. Von den ſo geſchichteten Stoffen werden ſodann
die ſchlechter leitenden durch den hindurchgehenden Strom
mehr erwärmt und dadurch zum Glühen und Leuchten
gebracht, während die beſſer leitenden weniger erwärmt
werden und daher dunkel erſcheinen.


Wir haben ſchon wiederholt darauf hingewieſen,
daß die Inductionsſtröme mehr nach Art der galvaniſchen
Ströme verlaufen, wenn die Entladung nicht in Geſtalt
eines Funkenſtrahles, ſondern in Form einer Lichthülle
oder Wolke, wie z. B. in der der Aureole ſtattfindet.
Dieſelbe Art der Entladung haben wir auch in den
Geißler’ſchen Röhren vor uns. In dieſen ſtellen daher

Figure 199. Fig. 199.

Rotations-Apparat für
elektriſches Licht.


die Gaſe während des Durchganges der Ströme ſtromdurchfloſſene, äußerſt leicht
bewegliche Leiter vor. Wir haben auch bereits Bewegungen ähnlicher Leiter kennen
gelernt, welche durch die Wirkung von Magneten veranlaßt werden. Es wird uns
daher nicht Wunder nehmen, daß auch eine magnetiſche Einwirkung auf
elektriſches Licht
herbeigeführt werden kann.


Schon Davy hat beobachtet, daß der elektriſche Lichtbogen (das elektriſche
Licht zwiſchen Kohlenſpitzen) nach der Ampère’ſchen Regel abgelenkt wird, wenn
ein Magnet auf denſelben einwirkt. Die Einwirkung des Magnetes auf das durch
Inductionsſtröme in gasverdünnten Räumen hervorgerufene Licht wurde zuerſt von
A. de la Rive gelegentlich einer Unterſuchung über den Urſprung des Nordlichtes
beobachtet. Dieſes Experiment läßt ſich ſehr hübſch mit Hilfe des in Fig. 199
abgebildeten Apparates zeigen. In das elektriſche Ei E ragt von unten ein Stab S
aus weichem Eiſen hinein, über welchen eine mit dem unteren Rande des Eies
verſchmolzene Glasröhre geſtülpt iſt. Der Stab iſt nach unten verlängert und
[314] von einer Drahtſpule D umgeben, deren Drahtenden zu den Klemmen k k1 führen.
Die beiden Elektroden des Eies befinden ſich bei e und e1; e iſt ein gerader
Platindraht, e1 umſchließt die den Eiſenſtab umhüllende Glasröhre in Geſtalt
eines Ringes. Die Luft im Ei iſt bis auf einige Millimeter Druck verdünnt.
Verbindet man die beiden Elektroden mit den Polen eines Inductoriums, ſo ent-
ſteht die bereits bekannte Lichterſcheinung. Setzt man nun aber die Klemmen k k1
mit den Polen einer Batterie in Verbindung, ſo wird der Eiſenſtab S zum Magnete
und ſofort beginnt die Lichterſcheinung um dieſen zu rotiren, geradeſo wie wir es
bei feſten Leitern geſehen haben.


Der Verlauf der Erſcheinung iſt leicht einzuſehen: der erſte Inductionsfunke
geht in Form des Lichtſchwalles von einer Elektrode zu der andern über und
wird durch die Wirkung des Magnetes abgelenkt. Der darauf folgende Inductions-

Figure 200. Fig. 200.

Plücker’ſche Fläche.


funke findet dann in der Strombahn des erſten Funkens eine beſſere Leitung, als
in allen übrigen Richtungen im Ei, ſchlägt daher dieſen Weg ein und wird
neuerdings abgelenkt u. ſ. w. Die einzelnen Entladungsfunken folgen aber ſo raſch
aufeinander, daß die ganze Erſcheinung den Eindruck eines um den Magnet
rotirenden Lichtſchwalles macht. Die Richtung, in welcher die Rotation erfolgt, er-
giebt ſich in gleicher Weiſe wie bei der Rotation feſter Leiter um einen Magnet.


Die Einwirkung des Magnetes auf elektriſche Entladungen in gasverdünnten
Räumen haben namentlich Plücker und auch Hittorf einem eingehenden Studium
unterworfen. Hierbei ſtellte ſich für das Büſchel- und Glimmlicht ein verſchieden-
artiges Verhalten heraus. Bringt man eine Geißler’ſche Röhre, in welcher das
Glimmlicht gut entwickelt iſt (wie es z. B. die Fig. 197 und 198 zeigen), ſo
zwiſchen die Pole eines Magnetes, daß die negative Elektrode die Verbindungs-
linie der Pole ſenkrecht ſchneidet, ſo wird das ganze Glimmlicht, welches früher
die Elektrode ringsum gleichförmig umgab, in eine durch die Polſpitzen und die
[315] Elektrode gehende, alſo axiale, Ebene zuſammengedrängt, wie dies Fig. 200 ver-
ſinnlichen ſoll. In dieſer Lichtfläche, die nach ihrem Entdecker die Plücker’ſche Fläche
genannt wird, ordnen ſich alſo die leuchtenden Theilchen geradeſo an, wie Eiſen-
feilſpäne; ſie verhalten ſich alſo wie paramagnetiſche Körper. Das gewiſſermaßen
entgegengeſetzte Verhalten zeigt das poſitive Büſchellicht; dieſes wird, ob geſchichtet
oder ungeſchichtet, ſobald es zwiſchen die Pole eines Magnetes kommt, in äqua-
torialer Richtung abgelenkt, d. h. das Büſchellicht, welches ohne Einwirkung
des Magnetes die Mitte der Röhre einnimmt, wird durch die ſymmetriſche Ein-
wirkung zweier entgegengeſetzter Magnetpole in äquatorialer Richtung an die eine
oder die entgegengeſetzte Röhrenwand angedrückt. Ob es in der einen oder andern
Richtung innerhalb der äquatorialen Ebene abgelenkt wird, hängt natürlich von
der Richtung des Stromes in der Röhre und der Stellung der Magnetpole ab.


Legt man die Röhre in horizontaler Richtung auf die mit flachen Halb-
ankern N S (Fig. 201) verſehenen Magnetpole, ſo zeigt das Büſchellicht eine
doppelte Krümmung, nämlich über dem Südpole nach vorne und über dem Nord-
pole nach rückwärts an die Glaswand gedrängt. Dieſe Ablenkung ergiebt ſich

Figure 201. Fig. 201.

Ablenkung des Büſchellichtes durch den Magnet.


einfach aus der Ampère’ſchen Schwimmerregel. Man hat ſich nämlich die menſch-
liche Figur von + nach —, das Geſicht nach abwärts, dem Nordpole zugekehrt,
zu denken; dann wird ein beweglicher Magnet nach links abgelenkt. In unſerem
Falle iſt aber nicht der Magnet, ſondern der Strom beweglich, folglich weicht
dieſer nach der entgegengeſetzten Seite, alſo nach rechts aus: das Büſchellicht muß
daher über dem Nordpole an die rückwärtige (d. h. rechte) Glaswand gedrängt
werden. Das Umgekehrte gilt natürlich für den Südpol.


Dem Verfaſſer vorliegenden Werkes gelang es, in Gemeinſchaft mit Reitlinger
bei einer gewiſſen Anordnung des Verſuches*) an der Kathode gleichzeitig das
Glimmlicht in die Plücker’ſche Fläche und das Büſchellicht in eine darauf ſenkrechte
Ebene zu bringen. Dieſe Erſcheinung, welche ſpäter von Puluj Dreifächerfläche
genannt wurde, iſt in Fig. 202 dargeſtellt. Hinter der Röhre bei S hat man ſich
hierbei den Südpol, vorne bei N den Nordpol des Magnetes vorzuſtellen. Dann
ſtellt die durch S N und die negative Elektrode e gehende Fläche das in die
Plücker’ſche Fläche gebrachte Glimmlicht und die darauf ſenkrechte gleichfalls durch e
gehende Fläche B das abgelenkte poſitive Lichtbüſchel dar. Die Stellung dieſer
[316] poſitiven Lichtfläche vor oder hinter der Plücker’ſchen hängt von der Stellung der
Magnetpole ab und wird wieder durch die Ampère’ſche Regel beſtimmt.


Die Einwirkung des Magnetes auf elektriſch leuchtende Gaſe iſt jedoch nicht
auf dieſe Erſcheinungen allein beſchränkt. Sie macht ſich vielmehr auch auf die
Schichtung des Lichtes geltend. Gaſſiot hat beobachtet, daß der Magnet im
Stande iſt, in einer Röhre, welche kein geſchichtetes Licht zeigt, ſolches zu ent-
wickeln. Wendet man einen Elektromagnet an, ſo tritt bei Erregung desſelben ein
förmliches Herausquillen von Schichten aus der poſitiven Elektrode der Röhre ein,
und die ganze geſchichtete Lichtſäule zeigt dabei die uns bereits bekannte Ablenkung.
Aehnliche Beobachtungen haben auch Plücker und Rieß gemacht. Nach Wüllner
kommen durch Annäherung eines Magnetes an eine Röhre mit geſchichtetem Lichte

Figure 202. Fig. 202.

Dreifächerfläche.


neue Schichten, von der poſitiven Elektrode
ausgehend, hinzu.


Reitlinger und Verfaſſer dieſes con-
ſtatirten, daß die Vermehrung der Schichten
mit der Annäherung der Magnetpole an die
Röhre in regelmäßiger und zählbarer Weiſe
vor ſich geht, alſo mit der Stärke der ma-
gnetiſchen Kraft auf das innigſte verknüpft
iſt. Wir machten derartige Verſuche, z. B. mit
einer ſogenannten Trichterröhre, d. h. einer
cylindriſchen Glasröhre, welche durch einige
mit der Röhrenwand verſchmolzene Glas-
trichterchen der Länge nach in mehrere Kam-
mern getheilt iſt. Wurde dieſe Röhre ſo
zwiſchen die kegelförmigen Halbanker eines
Elektromagnetes geſtellt, daß die Verbin-
dungslinie der Kegelſpitzen durch die negative
Elektrode ging, ſo wurden die Schichten durch
den Magnet in der unterſten, d. h. der un-
mittelbar zwiſchen den Magnetpolen befind-
lichen, Kammer von 2 bis 3 auf 20 bis 30,
in der nächſten von 5 auf 15 und in der
letzten, d. h. von den Magnetpolen am
weiteſten entfernten, von 4 auf 7 vermehrt.
Ein kleiner, aus drei Lamellen beſtehender
Hufeiſenmagnet vermehrte die Zahl der Schichten durchſchnittlich um drei, zeigte
aber auf das Glimmlicht keine Einwirkung. Daraus folgt alſo, daß zur Vermehrung
der Schichten viel geringere Kräfte ausreichen als zur Bildung der magnetiſchen
Glimmlichtfläche.


Ueber die Urſache der Schichtenvermehrung durch den Magnet bildeten wir
uns folgende Anſicht: Der Magnet verdichtet die von ihm an das Glas gedrängte
Gasſäule und bewirkt in Folge des geringeren Durchmeſſers ein helleres Leuchten
derſelben; die Vermehrung der Schichten iſt dann einfach Folge der Verdichtung
nach dem früher mitgetheilten Geſetze über die Zahl der Schichten bei verſchiedener
Dichte des Gaſes.


Die bisher betrachteten elektriſchen Lichterſcheinungen beziehen ſich alle auf
elektriſche Entladungen durch Räume, in welchen das Gas nicht unter 1
[317] 2 Millimeter Druck verdünnt iſt. Beträgt der Druck des eingeſchloſſenen Gaſes jedoch
nur mehr Bruchtheile von Millimetern, dann treten Erſcheinungen anderer Art auf,
welche Crookes veranlaßten, für die leuchtende Materie in dieſen Röhren einen
vierten, gewiſſermaßen übergaſigen Aggregatzuſtand anzunehmen, den er mit dem
Namen ſtrahlende Materie belegte. Crookes begnügte ſich jedoch nicht damit,
zur Erklärung der diesbezüglichen Experimente einen neuen Aggregatzuſtand an-
zunehmen, ſondern glaubte überdies noch hierin den Uebergang von Stoff in Kraft
erblicken zu müſſen. Obwohl die Experimente von Crookes nicht neue, ſondern
blos in elegante Formen gebrachte, bereits bekannte (oder doch wenigſtens in wiſſen-
ſchaftlichen Zeitſchriften veröffentlichte) waren, erregten ſie doch durch die neue, in
das „Schattenreich zwiſchen dem Bekannten und Unbekannten“ hineinſpielende Aus-
legung bedeutendes Aufſehen.


Es iſt glücklicherweiſe mehreren Forſchern in kurzer Zeit gelungen, durch
exact durchgeführte Experimente und in nüchterner Art daraus gezogene Schlüſſe
den allzu kühnen Flug der Phantaſie zu hemmen. Um daher fernerhin auch nicht
mehr durch den Namen, mit welchem dieſe Erſcheinungen belegt wurden, irregeführt
zu werden, wollen wir künftighin die von J. Puluj vorgeſchlagene Bezeichnung
ſtrahlende Elektrodenmaterie*) annehmen.


Wir haben die Entwicklung der Lichterſcheinungen in Geißler’ſchen Röhren
bis zu jenem Stadium verfolgt, in welchem das poſitive Büſchellicht, beziehungs-
weiſe die Schichten und das negative Glimmlicht kräftig entwickelt ſind. Dieſe
Erſcheinung bietet eine Röhre noch dar, wenn der Druck des eingeſchloſſenen Gaſes
0·8 bis etwa 0·5 Millimeter (Queckſilberſäule) beträgt. Wird die Verdünnung
des Gaſes unter ½ Millimeter fortgeſetzt, ſo vermindert ſich im Büſchellicht
die Zahl der Schichten immer mehr, ſie gehen dann in einige wenige häufig un-
regelmäßig geformte Ballen über, die ſtabil auf ihrem Platze beharren und bei
immer weiter getriebener Verdünnung endlich ganz verſchwinden. Das Glimmlicht
dehnt ſich gleichzeitig immer weiter aus und die dunkle Hülle um die negative
Elektrode herum nimmt an Größe fortwährend zu. Sie erreicht endlich die Wand
der Glasröhre und nun erſcheint das Glimmlicht durch einen dunklen Raum von
der Kathode förmlich getrennt und erfüllt den ganzen übrigen Raum der Röhre.
Das geſammte Licht in der Röhre iſt bedeutend lichtſchwächer geworden, wogegen
meiſt an den Glaswänden lebhaftes Phosphoreſcenzlicht entwickelt wird.


Dieſer an der Kathode gebildete zweite dunkle Raum iſt gewöhnlich ſcharf
abgegrenzt; er war ſchon Hittorf bekannt und wurde auch von dieſem Forſcher
bereits beſchrieben.


Betrachtet man eine Röhre, durch die einige Zeit Inductionsſtröme hindurch-
gegangen ſind, ſo bemerkt man an deren Innenwänden Metallſpiegel, die nament-
lich in der unmittelbaren Umgebung der Kathode gut ausgebildet ſind. Es be-
wirken dies von der Elektrode übergeführte Theilchen, die übrigens mehr oder
weniger deutlich ſo weit ſichtbar ſind, als ſich das Glimmlicht erſtreckte. Die
Metalltheilchen werden von der Elektrode abgeriſſen und mit ſehr bedeutender
Geſchwindigkeit von derſelben in normalen Richtungen fortgeſchleudert. Sie ſind
mit ſtatiſcher negativer Elektricität geladen und vermitteln durch dieſes convective
Mitführen der Elektricität die Stromleitung. Da jede Röhre, auch wenn ſie noch
[318] ſo ſorgfältig ausgepumpt iſt, immer noch eine ſehr große Anzahl von Gasmole-
külen einſchließt, ſo müſſen natürlich auch letztere an dieſer convectiven Stromleitung
Antheil nehmen.


Puluj erklärt nun den dunklen Raum und das Kathodenlicht in folgender
Weiſe. Die mit ſtatiſcher negativer Elektricität geladenen Theilchen werden von
der Kathode fortgeſchleudert und bewegen ſich mit bedeutender Geſchwindigkeit in
normalen Richtungen von ihr weg. Hierdurch werden die Gastheilchen von der
Kathode mehr oder weniger weit zurückgedrängt. An der Grenze, an welcher die
Elektrodentheilchen mit den Gastheilchen zuſammentreffen, tritt dann eine Diffuſion
beider ein und die Elektrodentheilchen lagern ſich ſchließlich an den Glaswänden ab.
Bei den heftigen Zuſammenſtößen zwiſchen den viel ſchneller ſich bewegenden Elek-
trodentheilchen mit den Gastheilchen wird die fortſchreitende Bewegung zum
größten Theil in Licht und Wärme umgewandelt. Folglich muß dort die Licht-
und Wärmewirkung am bedeutendſten ſein und dann mit der Entfernung von

Figure 203. Fig. 203.

Dunkler Raum und Kathodenlicht.


der Kathode abnehmen. Die
relative Dunkelheit des der
Kathode zunächſt befindlichen
Raumes rührt daher, daß die
Elektrodentheilchen bedeutend
raſcher ſich bewegen als die
Gastheilchen, Da nun in der
ganzen Röhre derſelbe Druck
herrſchen muß, ſo müſſen im
dunklen Raume ſich weniger
Theilchen befinden als in den
daran grenzenden hellen, da
nur auf dieſe Art die Zahl
der Stöße vermindert werden
kann.*)


Auch das Wachſen des
dunklen Raumes zunächſt der
Kathode mit der fortſchreiten-
den Verdünnung erklärt ſich in einfacher Weiſe. Nimmt die Verdünnung zu, ſo muß
man, um elektriſche Entladungen hindurchzubringen, auch höhere Spannungen der
Ströme anwenden. Dadurch wird aber den von der Elektrode fortgeſchleuderten
Theilchen eine noch größere Geſchwindigkeit gegeben; dies und die gleichzeitige Abnahme
der Gastheilchen muß daher offenbar bewirken, daß letztere noch weiter zurück-
gedrängt werden.


Fig. 203 möge dazu dienen, von den eben beſprochenen Erſcheinungen eine
beiläufige Vorſtellung zu vermitteln. Die beiden kleinen Elektroden an den Enden
der Röhre ſtehen mit dem poſitiven Pole P, die mittlere Elektrode, welche aus
einer Platte von der Größe des Röhrenquerſchnittes gebildet iſt, ſteht mit dem
negativen Pole N eines Inductoriums in Verbindung. Rechts und links von der
Kathode breitet ſich der dunkle Raum aus und an dieſen ſchließen ſich in ſcharfer
Abgrenzung die Kathodenſtrahlen.


[319]

Bemerkenswerth ſind auch die Fluoreſcenz- und Phosphoreſcenz-
erſcheinungen
, welche immer auftreten, wenn elektriſche Entladungen durch
Geißler’ſche Röhren geſandt werden. Schon ziemlich lange Zeit bekannt, wurden
ſie dann von Hittorf, Reitlinger und dem Verfaſſer des vorliegenden Werkes einem
eingehenderen Studium unterworfen. Bei Röhren, in welchen keine hohe Verdün-
nung herrſchte, aber das Glimmlicht gut ausgebildet war, beobachteten wir nicht
ſelten eine ſchöne grüne Fluoreſcenz des das Glimmlicht umgebenden Raumes.
Dieſe zeigte ſich nicht ſcharf begrenzt, ſondern gegen den dunklen Raum hin lang-
ſam an Helligkeit abnehmend. Jenſeits des dunklen Raumes, wo bereits Büſchel-
licht ſichtbar war, zeigte ſich keine Fluoreſcenz, entſprechend der geringen Helligkeit
des Büſchellichtes gegenüber dem heller leuchtenden Glimmlichte. Andererſeits ſahen
wir aber in Röhren, wo der höheren Verdünnung wegen das Kathodenlicht ſchon
eine ſehr geringe Helligkeit zeigte, an den die Kathode umgebenden Flächen
ſehr helles grünes Licht. Dabei erſcheint dieſes Licht auffällig an den bereits
oben erwähnten metalliſchen Beſchlag der Röhrenwand gebunden und iſt ſcharf
begrenzt. Dieſes grüne Licht gehorcht auch inſoferne der Einwirkung eines
Magnetes, als es durch dieſen in zwei helle grüne Linien gebracht wird, welche
dem Durchſchnitte der Plücker’ſchen Fläche mit der Wand der Glasröhre entſprechen.


Figure 204. Fig. 204.

Zur Erklärung des Phosphoreſcenz.


Dieſes Verhalten und eine Reihe anderweitiger Verſuche beſtimmte uns,
dieſes Licht als ein von dem gewöhnlich auftretenden Fluoreſcenzlichte verſchiedenes,
und zwar durch Phosphoreſcenz hervorgebrachtes Licht aufzufaſſen.*) Hierzu be-
ſtimmte uns namentlich der Umſtand, daß dieſes Licht an jene Stellen gebunden
iſt, an welchen ſich Elektrodentheilchen abgeſetzt haben, die alſo von der ſtrahlenden
Elektrodenmaterie getroffen wurden. Hierbei iſt es nicht nothwendig, daß direct
auftreffende Lichtſtrahlen vorhanden ſind, ſondern die Erſcheinung kann von Theil-
chen, die durch die Stromwirkung in Bewegung geſetzt werden, herrühren.


Für dieſe Anſicht ſprechen auch zwei von Puluj ausgeführte Experimente.
In Fig. 204 beſteht die negative Elektrode aus einer Scheibe, die poſitive aus
einem gewöhnlichen Drahte. Die Verdünnung in der Röhre iſt ſo weit getrieben,
daß innerhalb kein Licht mehr zu ſehen iſt. Die Entladung geht dann längs der
Glaswand, alſo in Form eines hohlen Cylinders, vor ſich. Bringt man nun dieſe
[320] Röhre zwiſchen die Pole N S eines Magnetes, ſo erſcheint ein ovaler Phosphore-
ſcenzring, offenbar entſprechend dem Schnitte des vorerwähnten Hohlcylinders
mit der Röhrenwand: der Magnet hat eben dieſen Cylinder abgelenkt und ge-
wiſſermaßen zum Schnitte mit der Glasfläche gebracht.


Bei dem zweiten Experimente ſtellte Puluj in den Weg der ſtrahlenden
Elektrodenmaterie eine kreisförmige Aluminiumplatte, in welcher ein kreisförmiger
durch eine Quarzplatte verdeckter Ausſchnitt angebracht war. Wäre die Anſicht
Hittorf’s u. A., daß Gastheilchen Licht von hoher Brechbarkeit ausſtrahlen und
dadurch das Phosphoreſcenzlicht erregen, richtig, ſo müßte auf der Röhrenwand

Figure 205. Fig. 205.

Phosphoreſcenzlampe.


ein phosphoreſcirendes Kreuz auf dunklem
Grunde entſtehen, da der Quarz das Licht
durchlaſſen, das Aluminium ſelbes aber zurück-
halten müßte. Das Experiment ergab aber
ein negatives Reſultat und ſomit dürfte
man die Erregung der Phosphoreſcenz in den
Röhren der directen Einwirkung materieller
Theilchen zuzuſchreiben haben.


Puluj hat die Phosphoreſcenzerſchei-
nungen, welche in Röhren mit ſtark ver-
dünnten Gaſen auftreten, dazu benutzt, eine
kleine Lampe zu conſtruiren (Fig. 205). Als
Elektroden dienen ein rechteckiges und ein
ſchälchenartig geformtes Aluminiumblech.
Oberhalb dieſer Elektroden iſt ein Draht
eingeſchmolzen, welcher ein rechteckiges Glim-
merblatt S trägt. Dieſes iſt ſchief gegen die
Verticale geſtellt und mit grün phosphore-
ſcirendem Schwefelcalcium überſtrichen. Leitet
man in die Lampe den Inductionsſtrom in
der Weiſe, daß das Schälchen zur Kathode,
das Aluminiumblättchen zur Anode wird, ſo
erglüht der Schirm S in hellem grünen
Lichte. Die Leuchtkraft iſt ſtark genug, um
ein mittelgroßes Zimmer mäßig zu beleuchten.
Da die elektriſchen Entladungen intermittirend
ſind, iſt es natürlich auch das Licht. Die
Unterbrechungen des Stromes und ſomit auch
des Lichtes folgen aber ſo raſch aufeinander, daß das Auge ein continuirliches
Leuchten wahrnimmt.


Die Intermittenz des Lichtes kann durch verſchiedene hübſche Experimente
ſichtbar gemacht werden. Das Einfachſte iſt wohl das, die Hand mit ausgebreiteten
Fingern vor der Lampe raſch hin und her zu bewegen; die Hand ſcheint dann nicht
fünf, ſondern bedeutend mehr Finger zu beſitzen. Da wir die Finger nur dann
ſehen können, wenn ſie beleuchtet ſind, die Beleuchtung aber nur aus raſch auf-
einanderfolgenden Lichtblitzen beſteht, ſo erſcheinen auch in unſerem Auge raſch
aufeinanderfolgende Bilder der Hand. Da aber jeder Lichteindruck im Auge eine
beſtimmte Zeit haftet, ſo ſieht das Auge noch das erſte Bild der Hand, wenn
ſchon das zweite auf der Netzhaut entworfen wird. Folglich ſieht man die ruhende
[321] Hand immer, weil die raſche Intermittenz des Lichtes nicht wahrgenommen werden
kann, die bewegte Hand aber mit vielen Fingern, weil eben wegen der raſchen Intermittenz
des Lichtes das zweite Bild ſchon entſteht, wenn das erſte noch auf der Netzhaut
vorhanden iſt und wegen der Bewegung nicht genau an derſelben Stelle, ſondern
etwas verſchoben auftreten muß. Somit hat man nur unbedeutend verſchoben
zwei Bilder der Hand vor ſich, die eben den Eindruck einer Hand mit vielen
Fingern gewähren.


Puluj conſtruirte auch einen Apparat, mit welchem nicht nur gezeigt werden
kann, daß einmal durch Beſtrahlung leuchtend gemachte Körper durch Erwärmen
neuerdings Licht ausſenden, ſondern der auch
erkennen läßt, mit welcher Geſchwindigkeit ſich
die Wärme in einem Blättchen fortpflanzt.
In Fig. 206, welche dieſen Apparat darſtellt,
iſt bei A ein Aluminiumblättchen eingeſchmol-
zen, bei S ein Schälchen aus demſelben
Materiale und bei B hängt ein Glimmer-
blättchen vertical in das Glasgefäß hinein.
Dieſes Glimmerblatt iſt auf der der Elektrode
A zugewandten Seite mit Kreide überzogen,
auf der dem Schälchen S zugekehrten Seite
blank; das ganze Gefäß wurde möglichſt
luftleer gemacht.


Verbindet man zunächſt beide Elektroden
in der Art mit einem Inductorium, daß die
ebene Elektrode A zur Kathode wird, ſo trifft
die ſtrahlende Elektrodenmaterie direct die
mit Kreide überzogene Glimmerfläche; dieſe
leuchtet dann im lebhaften Roth-Orange.
Das Licht hält auch nach Unterbrechung des
Stromes noch eine Zeit lang an. Schließt
man hierauf den Strom neuerdings, aber in
der Art, daß das Schälchen S zur Kathode
wird, ſo entſteht im Brennpunkte desſelben
auf dem Glimmerblättchen ein orangerother
Fleck; dieſer breitet ſich nach und nach in
radialen Richtungen aus, während der cen-
trale Theil zu leuchten aufhört. Es entſteht

Figure 206. Fig. 206.

Phosphoreſcenzlampe zur Demonſtration der
Wärmeleitung.


alſo ein leuchtender Ring, der ſich ſtetig erweitert wie die durch einen in’s Waſſer
geworfenen Stein erregte Welle.


Wird nach vorhergegangener Unterbrechung des Stromes neuerdings das
Schälchen zur Kathode gemacht, ſo entſteht kein Phosphoreſcenzfleck mehr. Er
tritt hingegen neuerdings auf und nimmt abermals den eben angegebenen Ent-
wicklungsgang, wenn vorher das Blättchen A wieder auf kurze Zeit zur Kathode
gemacht wurde.


Die Erklärung dieſer Erſcheinungen iſt eine ſehr einfache. Das Leuchten des
ganzen Schirmes, wenn A die Kathode bildet, iſt die uns nun ſchon bekannte
Phosphoreſcenzerregung durch die ſtrahlende Elektrodenmaterie. Die Wirkung des
Schälchens S als Kathode, alſo die Erregung des ſich ausbreitenden Phosphore-
Urbanitzky: Elektricität. 21
[322] ſcenzfleckes, iſt jedoch nur eine indirecte. Das Schälchen concentrirt die Strahlen
in den Brennpunkt und erwärmt dort das Glimmerblättchen mit ſeiner auf der
entgegengeſetzten Seite befindlichen Kreideſchichte. An dieſer Stelle wird nun durch
die Erwärmung die Phosphoreſcenz neuerdings erregt. Nun pflanzt ſich die
Erwärmung nach allen Richtungen hin gleichförmig fort und bewirkt dadurch auch
ein Fortſchreiten der Phosphoreſcenz. Dieſe Wirkung hält aber nur eine beſtimmte
Zeit lang an, muß alſo dort, wo ſie ſich zuerſt geltend machte, nämlich im
Brennpunkte, auch zuerſt wieder erlöſchen. Folglich muß der orangerothe Fleck in
der Mitte dunkel werden und dann als Ring auseinanderfließen.


Figure 207. Fig. 207.

Phosphoreſcenz durch reflectirte Theilchen.


Auch die Eigenſchaft der ſtrahlenden
Elektrodenmaterie, ſich geradlinig fort-
zupflanzen
, hat ſchon vor Crookes Hittorf
beobachtet und beſchrieben. Letzterer theilt auch
mit, daß jeder flüſſige oder feſte Körper,
vor die Kathode gebracht, auf der gegenüber-
liegenden fluoreſcirenden Wand einen Schatten
hervorruft, und daß daher auch die Rich-
tung des Kathodenlichtes unabhängig iſt von
jener des poſitiven Lichtes. Die gerade Fort-
pflanzung des Lichtes ergiebt ſich auch aus
der Form des Phosphoreſcenzlichtes. Letzteres
wird nämlich häufig gewiſſermaßen in der
Form von Projectionen der Kathode auf der
Glaswand ſichtbar. Reitlinger und Verfaſſer
vorliegenden Werkes beobachteten nämlich
wiederholt, daß das Phosphoreſcenzlicht in
einer cylindriſchen Röhre um die aus einem
geraden Drahte beſtehende Kathode herum
ſich aus lauter, mehr oder weniger deut-
lichen Streifen zuſammenſetzt, die ſich als
langgezogene Schraubenlinien, um die Elektrode
als Axe gedacht, darſtellen. Dieſe Schrauben-
linien ſind offenbar das Abbild der mechani-
ſchen Veränderungen an der Drahtoberfläche,
welche dieſe beim Ziehen des Drahtes erlitt.
Dieſe Anſicht beſtätigte ich durch folgenden
Verſuch: Aus unechtem Blattſilber wurden
etwa 2 Millimeter breite Streifen geſchnitten und derart der Länge nach aneinander-
geklebt, daß ſie eine beiläufig 20 Centimeter lange und 2 Millimeter breite
Elektrode bildeten; hierbei waren die aufeinanderfolgenden Stücke abwechſelnd
der Länge und der Breite nach aus dem ganzen Blattſilberblatte geſchnitten. Dieſe
Elektrode wurde dann leicht beweglich in eine cylindriſche Glasröhre gehängt und
letztere ſo weit ausgepumpt, bis die Phosphoreſcenz der ganzen Länge dieſer leicht
beweglichen Elektrode entlang an den Röhrenwänden ausgebildet war. Das hierbei
erwartete Reſultat trat auch wirklich ein. Gegenüber den der Länge nach aus dem
Silberblatte geſchnittenen Elektrodentheilen zeigte ſich die Phosphoreſcenz an der
Röhrenwand in verticalen Streifen, gegenüber den in der Querrichtung ge-
ſchnittenen Theilen in horizontalen. Hiermit war alſo bewieſen, daß die Form
[323] der Phosphoreſcenz von der mechaniſchen Verſchiedenheit an der Elektrodenoberfläche
beſtimmt wird.


Auch Puluj beobachtete die ſchraubenförmigen Phosphoreſcenzlinien und be-
ſtätigte obige Auslegung ihrer Urſache gleichfalls experimentell. Ein etwa 4 Centi-
meter langer Draht wurde 20mal um ſeine Axe gedreht und dann als Kathode
benutzt. Es ergab ſich eine Phosphoreſcenz, beſtehend aus kreisförmigen, dunklen
und hellen Linien, deren Ebenen auf die Elektrode ſenkrecht ſtanden.


Soll Puluj’s Anſicht, daß die ſtrahlende Elektrodenmaterie aus materiellen
Theilchen beſteht, richtig ſein, ſo müſſen dieſe offenbar auch durch Wände,
welche ſich ihrem Fluge in den Weg ſtellen, reflectirt werden können. Dieſe
reflectirten Theilchen müſſen dann ihre Reflexion durch Phosphoreſcenz an jenen
Orten verrathen, an welchen ſie nach der Reflexion auftreffen. In der That iſt
Puluj der experimentelle Nachweis einer ſolchen Reflexion gelungen. Er bediente
ſich hierzu des in Fig. 207
abgebildeten Apparates. Die
Elektroden ſind in Form
kreisrunder Bleche in den
röhrenförmigen Theil des
Glasgefäßes bei A und K
eingeſchmolzen. K dient als
Kathode, A als Anode und
gleichzeitig als Schirm. Die
ſtrahlende Elektrodenmaterie
kann daher nur durch den
ringförmigen Raum um A
herum in die Kugel eintreten.
Sie erzeugt dort einen hell-
grün leuchtenden Phosphore-
ſcenzring. Bei D, alſo inner-
halb des Schattens von A,
iſt ein kleiner Diamantſplitter

Figure 208. Fig. 208.

Schattenbildung durch ſtrahlende Elektrodenmaterie.


angeklebt und dieſer leuchtet in einem ſanften blauen Lichte, deſſen Erregung offen-
bar reflectirten Theilchen ſtrahlender Elektrodenmaterie zu danken iſt.


In ſchöner Weiſe zeigte Crookes die Bildung des Schattens. In dem Glas-
gefäße, Fig. 208, bildet ein Metallſcheibchen a die Kathode, das Kreuz bei b die
Anode. Dieſes Kreuz iſt mit dem eingeſchmolzenen Drahte durch ein Charnier
verbunden, ſo daß es durch Schütteln der Röhre zum Umkippen gebracht werden
kann; es bildet ſtehend (wie es in der Figur gezeichnet iſt) gleichzeitig den ſchatten-
werfenden Gegenſtand. Verbindet man P und N mit den Polen eines Induc-
toriums, ſo erſcheint ein dunkles Kreuz c d auf hell phosphoreſcirendem Hinter-
grunde. Bringt man einige Zeit darauf das Kreuz zum Umkippen, ſo ſieht man
an Stelle des dunklen Kreuzes auf hellem Hintergrunde ein helles Kreuz auf
dunklem Hintergrunde. Crookes erklärt dies dadurch, daß er ſagt: das Glas iſt
durch das fortwährende Bombardement von Molekülen ſtrahlender Materie un-
empfindlich geworden, „es iſt müde der ihm aufgezwungenen Phosphoreſcenz“ und
deshalb leuchtet nach dem Umkippen der Kreuzes die früher beſchattete Fläche.
Puluj hat jedoch experimentell bewieſen, daß keine derartige „phyſiologiſche“ Urſache
die Erſcheinung veranlaßt, ſondern daß vielmehr die außerhalb des Schattens liegen-
21*
[324] den Glasflächen ſich nach und nach mit Metalltheilchen beſchlagen und dadurch
ihre Phosphoreſcenzfähigkeit abſchwächen, während die im Schatten liegenden
Flächen vor dieſer Metallablagerung bewahrt bleiben.


Die ſtrahlende Elektrodenmaterie iſt auch im Stande, noch in anderer Art
als durch Phosphoreſcenz Lichtwirkungen hervorzurufen. Doch ſind auch ſolche
Wärme- und Lichtwirkungen bereits von Hittorf mitgetheilt worden. Er beobachtete,
daß der poſitive Platindraht in einer Entfernung von der Kathode, die beiläufig
1 bis 2 Millimeter betrug, zu einer Kugel zuſammenſchmolz. Auf eine größere
Entfernung konnte dieſe Wirkung wegen Anwendung drahtförmiger Elektroden
nicht erhalten werden, da ſich die elektriſchen Theilchen abſtoßen und dadurch zer-
ſtreuen. Crookes baute dieſer Zerſtreuung durch Anwendung gekrümmter Metall-

Figure 209. Fig. 209.

Glühlicht durch ſtrahlende
Elektrodenmaterie.


blättchen vor und auf dieſe Weiſe gelang es ihm,
Platin, Iridium und Glas zu ſchmelzen.


Puluj verwerthete dieſe Erſcheinung zur
Conſtruction einer Lampe. Die negative Elektrode
K in dieſer Lampe (Fig. 209) bildet ein Alu-
miniumſchälchen von 21 Millimeter Halbmeſſer, dem
in einer Entfernung von 36 Millimeter ein kleiner
Kegel aus Papierkohle gegenübergeſtellt iſt. Letzterer
ſitzt auf einem dicken Platindraht, der mit ſeinem
unteren Ende an einen Glasſtab angeſchmolzen iſt.
Bei A trägt dieſer die ſcheibenförmige Anode. Die
von dem Schälchen in normalen Richtungen aus-
gehenden Strahlen vereinigen ſich auf der Spitze
des Kohlenkegels und bringen dieſe zu intenſiver
Weißgluth. Der Vereinigungspunkt der Strahlen
liegt jedoch nicht in der Entfernung des Krüm-
mungshalbmeſſers der Schale, ſondern darüber
hinaus; es rührt dies daher, daß ſich die Kathoden-
ſtrahlen gegenſeitig abſtoßen und dadurch aus ihren
zur Innenfläche der Schale normalen Richtungen
abgelenkt werden.


Das Evacuiren des Glasgefäßes muß unter
gleichzeitigem Glühen der Kohle vorgenommen werden,
da ſonſt dieſe ziemlich bedeutende Gasmengen zurück-
hält, die dann aus der Kohle ausſtrömen, wenn man die Lampe in Thätigkeit ſetzen
will. Die ſchönſte Weißgluth der Kohle erhielt Puluj bei einem Drucke von 0·04
Millimeter.


Bei höherer Verdünnung nimmt die Gluth der Kohle ab und die Phos-
phoreſcenz der Glaswand zu. Dies kann bei fortgeſetztem Evacuiren ſo weit
geſteigert werden, daß die Kohle ganz dunkel bleibt, und die Entladung dann
längs der Glaswände erfolgt.


Wir haben im Obigen eine Reihe von Erſcheinungen kennen gelernt, die
dann auftreten, wenn man durch gasverdünnte Räume elektriſche Entladungen
ſendet, und auch erfahren, in welcher Weiſe hierauf durch Magnete eingewirkt
werden kann. Es taucht nunmehr die Frage auf, ob nicht auch andere Körper,
Leiter oder Nichtleiter irgend welche Wirkungen auf elektriſch leuchtende Gasmaſſen
auszuüben im Stande ſind.


[325]

Die Beantwortung dieſer Frage verſuchten Reitlinger und Verfaſſer vor-
liegenden Werkes durch eine ausgedehnte Reihe eingehender experimenteller Unter-
ſuchungen*). Wir fanden hierbei eine intereſſante Erſcheinung, die wir als Elektro-
repulſion
bezeichneten. Man hatte bereits früher verſucht, die Hand oder einen
Leiter der elektriſch leuchtenden Gasſäule einer Geißler’ſchen Röhre zu nähern
und dabei eine ſehr deutliche Anziehung zwiſchen Säule und Leiter beobachtet. Die
Erſcheinung wurde in der Weiſe erklärt, daß man annahm, die poſitiv elektriſche
Gasſäule influenzire an der berührten Stelle negative Elektricität und dieſe ziehe
dann das poſitive Lichtbüſchel an. Wir fanden hingegen bei einer derartigen Unter-
ſuchung einer größeren Anzahl von Röhren, daß bei einigen nicht die erwartete
Anziehung des Büſchellichtes, ſondern im Gegentheile eine Abſtoßung eintrat. Ob-
wohl nach der Bezeichnung ihres Verfertigers Geißler die eine der Röhren, in
welcher wir zuerſt die Abſtoßung beobachteten, Brom, die andere Zinnchlorid ent-
halten ſollte, ergab uns doch eine ſpectroſkopiſche Unterſuchung für beide Röhren
dasſelbe Spectrum, nämlich jenes des Kohlenſtoffes (beziehungsweiſe einer Ver-
bindung desſelben). Die Gleichheit der Spectra iſt dadurch zu erklären, daß die
urſprünglich in die Röhren eingefüllten Stoffe von der Elektrode abſorbirt oder
an die Glaswand niedergeſchlagen worden ſind und als Träger der Lichterſcheinung
in beiden Röhren Gaſe in ſtarker Verdünnung, herrührend von Verunreinigungen,
fungiren.


Um die Elektrorepulſion zu ſtudiren, wurden verſchiedene Röhrenformen be-
nutzt und in dieſelben Luft, Sauerſtoff, Waſſerſtoff, Stickſtoff, Kohlenſäure und
Leuchtgas gebracht; eine Geißler’ſche Queckſilberluftpumpe diente dazu, verſchiedene
Verdünnungsgrade herzuſtellen. Sämmtliche Gaſe zeigten, durch den Inductions-
ſtrom zum Leuchten gebracht, bei einem Drucke von 2 bis 8 Millimeter die
gewöhnliche Anziehung. Wurde jedoch die Verdünnung weiter fortgeſetzt, ſo ergab
ſich bei allen Gaſen die Abſtoßung zwiſchen der leuchtenden Gasſäule und einem
ihr genäherten guten Leiter. Hierbei wurde beobachtet, daß das Auftreten einer
gewiſſen Art ſtabiler Schichten für die Abſtoßung ungünſtig iſt, und daß das
negative Licht im Allgemeinen weder Anziehung noch Abſtoßung erkennen läßt.


Die Fortſetzung der Verdünnung bis zu 0·2 Millimeter Druck und darunter
beſtätigte durch das hierbei beobachtete Verhalten die früher ausgeſprochene Anſicht,
daß in den urſprünglich unterſuchten, zugeſchmolzenen Röhren die bei ihrer Her-
ſtellung eingeführten Dämpfe bereits abſorbirt oder niedergeſchlagen ſeien. Die
Gaſe im Innern der Röhre können auch zum Leuchten gebracht werden, wenn man
nur eine Elektrode mit einem Pole des Inductoriums verband, den andern Pol
desſelben aber zur Erde ableitete. Bei dieſer Anordnung trat bei einem Drucke von
6 bis 8 Millimeter ſehr deutliche Anziehung auf. Wird die Verdünnung fort-
geſetzt, ſo gelangt man bei allen Gaſen zu einem neutralen Punkte, bei welchem
weder Anziehung noch Abſtoßung zu beobachten iſt, und ſchließlich tritt bei allen
Gaſen die Abſtoßung nicht minder deutlich wie früher die Anziehung auf. Es
wurden Fälle beobachtet, wo die Abſtoßung bei einer Entfernung von 3 bis 6 Centi-
meter des Leiters von der Röhre eintrat.


Die Abſtoßung nimmt zu mit der fortſchreitenden Verdünnung und iſt am
ſtärkſten bei circa 0·2 Millimeter Druck. Bei der früher angegebenen einſeitigen
[326] Verbindungsweiſe der Röhre mit dem Inductorium, dem, wie wir es der Kürze
wegen nannten, ungeſchloſſenen Strome, wurden in der Röhre ſtets Glimmlicht
und Büſchellicht beobachtet, gleichgiltig in welcher Richtung der Batterieſtrom die
primäre Spirale des Inductoriums durchfloß; die Röhre gewährte daher den
Anblick der alternirenden Entladung. Zu dieſen Verſuchen dienten gewöhnlich
4½ Centimeter dicke und 20 Centimeter lange Röhren; hier zeigte ſich die Ab-
ſtoßung auch ſchon dann, wenn der Leiter auf 10 bis 20 Centimeter der Röhre
genähert wurde.


Figure 210. Fig. 210.

Die Glimmlichtkugel.


Einen beachtenswerthen Anblick bietet die Licht-
erſcheinung, wenn der Druck auf 0·3 Millimeter für
Waſſerſtoff oder 0·1 Millimeter für Kohlenſtoff ge-
ſunken iſt. An der mit dem poſitiven Pole des Induc-
toriums verbundenen Elektrode (+), Fig. 210, iſt
eine ſchwache Andeutung des Glimmlichtes (in Kohlen-
ſäure blau) ſichtbar, während die Elektrode (—), die
mit ihrem außerhalb der Röhre befindlichen Theile frei
in die Luft taucht, ſich zunächſt von einer enge an den
Draht anſchließenden dünnen grünen Lichthülle um-
ſchloſſen zeigt, um welche ſich bläuliches Glimmlicht
ausbreitet. Am poſitiven Ende der Röhre (bei b) ſetzt
ſich aber nicht das grüne Büſchellicht ſofort an der
Elektrode an, ſondern dieſer zunächſt iſt eine blaue
vollkommen frei ſchwebende Lichtkugel, die von dem
grünen Büſchellichte und der Elektrode durch je einen
dunklen Raum getrennt iſt. In der Mitte der Röhre
theilt ſich das von beiden Seiten kommende Büſchel-
licht gabelförmig und findet zum Theile in jenen
ſeitlichen Anſatzröhren ſeine Fortſetzung, welche zur
Luftpumpe einerſeits und dem Gaſometer, welcher das
zu benutzende Gas enthält, andererſeits führt.


Obſchon die Anwendung des Inductions-
apparates die Continuität der Lichterſcheinung aus-
ſchließt, macht doch die Glimmlichtkugel auf das
Auge des Beobachters den Eindruck, als würde ſie
fortdauernd ruhig inmitten der Röhre ſchweben. Dieſe
Erſcheinung läßt keine andere Erklärung zu, als daß
die Glimmlicht ausſtrahlenden Gastheilchen, die ſich
in der Nähe des freien Röhrenendes befinden, ſolche
Kraftwirkungen wechſelſeitig aufeinander ausüben, daß
ſie dadurch eine kugelförmige Anordnung anſtreben. Es iſt nicht gerade unwahr-
ſcheinlich, daß dabei die Theilchen als negativ elektriſch zu betrachten ſind. Liegt in
dieſer Glimmlichtkugel vielleicht eine Nachahmung der Kugelblitze im Kleinen vor?


Gleichzeitig war die durch einen genäherten Leiter hervorgerufene Abſtoßung
ſehr ſtark und wirkte ſchon bei einer Annäherung des Leiters (einer Meſſingkugel
in Fig. 211) auf 10 bis 20 Centimeter. Das Büſchellicht floh hierbei ſo weit
zurück, als es die Röhrenwand überhaupt geſtattete.


Die Aehnlichkeit dieſer Lichterſcheinungen mit Kometen, welche einen gut-
entwickelten Schweif zurückſenden (ſiehe Fig. 212, Henry’s Komet von Jahre 1873),
[327] mußte um ſo eher auffallen, als das Spectrum, welches das Eigenlicht der
Kometenſchweife zeigt, auch die ſogenannten Kohlenſtofflinien erkennen läßt, wie
dies Vogel u. A. wiederholt nachgewieſen haben. Ferner iſt es eine durch Newton,
Olbers, Beſſel, Faye, Plana
u. A. zweifellos feſtgeſtellte Thatſache, daß
die Kometenſchweife entweder eine wirkliche oder ſcheinbare Abſtoßung durch die
Sonne erleiden. So ſicher jedoch dieſe Abſtoßung iſt, ſo unſicher iſt die Erklärung
des Urſprunges dieſer Kraft. Olbers behauptete bereits, daß ſie eine elektriſche
ſei, und die von Faye gegebenen Erklärungen, nach welchen dieſe Kraft ſich im
Quadrate der Entfernung vermindert und proportional iſt den wirkenden Ober-
flächen, vertragen ſich ſehr gut mit der Annahme einer elektriſchen Kraft.


Bis zu der in Rede ſtehenden Experimentalunterſuchung kannte man aber
keine andere elektriſche Abſtoßung, als die zweier ſtatiſcher Elektricitäten. Auf
dieſe hat Zöllner ſeine Theorie einer elektriſchen Abſtoßung zwiſchen der Sonne

Figure 211. Fig. 211.

Die Elektrorepulſion.


Figure 212. Fig. 212.

Henry’s Komet (1873).


und dem Schweife der Kometen gegründet. Allein Zenker hat auf das bei allen
unſeren Experimenten gleichzeitige Entſtehen beider ſtatiſchen Elektricitäten hin-
gewieſen und gezeigt, daß daher die Wirkung einer ſolchen Repulſivkraft der Sonne
auf einen von ihr ſo weit entfernten Himmelskörper unmöglich ſei. Es müſſen
bei zwei in ſo großer Entfernung voneinander befindlichen Körpern die beiden
gleichzeitig auftretenden Elektricitäten ihre entgegengeſetzten Wirkungen gegenſeitig
aufheben, und deshalb kann keine polare Wirkung ſtatthaben.


Faye glaubte daher annehmen zu ſollen, die Repulſivkraft ſei von glühen-
den Flächen hervorgerufen und ſuchte dieſe Annahme durch Experimente zu ſtützen.
Er brachte dem Büſchellicht ein durch den galvaniſchen Strom zum Glühen ge-
brachtes Platinblech in die Nähe und beobachtete, daß dieſes einen der Oberfläche
des Bleches entſprechend geformten dunklen Raum in das Büſchellicht einſchnitt.
Dieſem Verſuche wurde jedoch von den Phyſikern die Beweiskraft abgeſtritten,
nicht weil die Wirkung zu ſchwach war, ſondern der Zweideutigkeit des Verſuches
wegen, der die Möglichkeit einer elektriſchen ſtatt einer thermiſchen Abſtoßung nicht
[328] ausſchloß. Da auch nicht erhitzte Leiter die Abſtoßung bewirken, und zwar in viel
höherem Grade als bei dem von Faye angeſtellten Verſuche, während Nichtleiter
gar keinen Einfluß üben, und da ferner das Laden des genäherten Leiters mit
ſtatiſcher Elektricität der einen oder andern Art auch die Wirkung gar nicht
ändert, mußten Reitlinger und Verfaſſer vorliegenden Werkes zu der Anſicht
kommen, daß die Urſache der Abſtoßung auch bei Faye’s Verſuchen nicht im
Glühen des Platinbleches, ſondern in deſſen Leitungsfähigkeit begründet iſt. Dies
veranlaßte uns auch, die Vermuthung auszuſprechen, daß die zwiſchen der Sonne,
die ja zweifellos ein Leiter iſt, und dem Kometenſchweife wirkſame Abſtoßungskraft
ein Abbild im Kleinen in der von uns beobachteten Elektrorepulſion gefunden habe.


Wir wurden in unſerer Anſicht beſtärkt, als es uns gelang, die Abſtoßung
auch dann zu erhalten, wenn die Glaszwiſchenwand zwiſchen der Lichtſäule und
dem genäherten Leiter beſeitigt war. Dadurch wurde der Einwand, daß eine be-
ſtimmte elektriſche Vertheilung oder Kathodenbildung an der Glaswand die Urſache
der Abſtoßung ſei, unmöglich gemacht. Wir benutzten nämlich cylindriſche Röhren
mit eben ſolchen ſeitlichen Anſätzen, in welchen eine Meſſingkugel vollſtändig
iſolirt oder mit einem außerhalb der Röhre befindlichen größeren, von der Erde
gleichfalls iſolirten Leiter in Verbindung war und erhielten in beiden Fällen im
Weſentlichen dieſelben Reſultate. Mit dieſen differirten auch nicht ähnliche in einem
elektriſchen Ei ausgeführte Verſuche. Zu Gunſten dieſer neuen Abſtoßungstheorie,
der Kometenſchweife ſpricht auch der Umſtand, daß die Abſtoßung erſt bei höherer
Verdünnung eintritt, denn es unterliegt keinem Zweifel, daß die Gaſe, welche den
Schweif der Kometen erfüllen, gleichfalls in ſehr verdünntem Zuſtande ſich befinden.


In rein theoretiſcher Beziehung waren es die Experimente von Crookes
oder eigentlich die daraus gezogenen Folgerungen, welche das allgemeine Intereſſe
für die elektriſchen Erſcheinungen in gasverdünnten Räumen in erhöhtem Grade
wachriefen; in praktiſcher Beziehung wird dieſes Intereſſe dauernd erhalten durch
die täglich ſich mehrenden Anwendungen der Glühlichtlampen. Bei letzteren befindet
ſich ein ſtromdurchfloſſener Leiter in einem nicht ganz iſolirenden Medium. Es
müſſen daher in Folge der im Leiter herrſchenden Potentialdifferenzen zwiſchen den
einzelnen Theilen des Leiters Seitenentladungen eintreten, und zwar um ſo eher,
je höher die Spannung der angewandten Ströme iſt.


Diesbezügliche Beobachtungen wurden auch in der That von J. Puluj ge-
macht und veröffentlicht.*) Bei Anwendung von Maſchinenſtrömen wechſelnder
Richtung (Wechſelſtrömen) von 200 bis 230 Volts Spannung zeigt ſich an den
Platindrähten, an welchen der hufeiſenförmige Kohlenbügel befeſtigt iſt, das uns
hinlänglich bekannte blaue Glimmlicht. Dieſes änderte ſich mit der fortſchreitenden
Verdünnung gerade ſo wie in den Geißler’ſchen Röhren. Bei 1 bis ½ Milli-
meter Queckſilberdruck erhielt Puluj Glimmlicht, welches die Drähte in einer Aus-
dehnung von 2 bis 3 Millimeter umfluthete, und bei ungefähr 0·07 Millimeter
zeigte ſich die ganze Glaskugel vom Glimmlichte erfüllt. Da Wechſelſtröme zur
Anwendung gelangten, mußte ſich das Glimmlicht natürlich ſtets an beiden Platin-
drähten zeigen. Der weißglühende Kohlenbügel ſelbſt ließ jedoch kein Glimmlicht
wahrnehmen. Die Verdünnung in den gebräuchlichen Glühlichtlampen erreicht ſelten
0·01 Millimeter Druck und daher kann das Glimmlicht auch gewöhnlich wahr-
genommen werden, wenn man den glühenden Kohlenfaden abblendet. Von dieſer
[329] Glimmlichtbildung rührt auch der bläuliche Schein vollkommen weißglühender
Glühlichter her und, wie Puluj vermuthet, auch der bläuliche Lichtton des Volta-
bogenlichtes.


Wie Wächter in ſeinen Abhandlungen über die materiellen Theilchen im
Funken, die Disgregation der Elektroden ꝛc. nachgewieſen und Puluj durch ſeine
Unterſuchungen über ſtrahlende Elektrodenmaterie gezeigt hat, werden durch den
elektriſchen Strom materielle Theilchen von dem Leiter oder der Elektrode ab-
geriſſen und fortgeführt. Eine ſolche mechaniſche Disgregation war daher auch am
Kohlenbügel einer Glühlichtlampe zu erwarten und wurde auch wirklich von
Puluj nachgewieſen. Seine Verſuche ergaben, daß eine Zerſtäubung zwar an der
ganzen Oberfläche des Kohlenbügels eintritt, in hervorragender Weiſe jedoch am
negativen Kohlenende, entgegen der ſehr verbreiteten Anſicht einer raſcheren Zer-
ſtäubung des poſitiven Endes, aber in Uebereinſtimmung mit allen vorhin be-
ſprochenen Erſcheinungen. Dieſe irrige Anſicht rührt wohl daher, daß im Voltabogen
die poſitive Kohle faſt doppelt ſo raſch verzehrt wird als die negative.


Figure 213. Fig. 213.

Kohlenbügel.


Figure 214. Fig. 214.

Kohlenbügel bei 80facher Vergrößerung.


Es ergeben ſich hieraus wichtige Fingerzeige für die Praxis. Es muß die
Zeitdauer der Verwendbarkeit eines Kohlenfadens deſto kürzer werden, durch je
höher geſpannte Ströme er zum Glühen gebracht wird, oder je größer ſein
Leitungswiderſtand iſt. Ferner ſind hochgeſpannte Ströme zum Betriebe von Glüh-
lichtern auch deshalb unökonomiſch, weil hierdurch die Bildung des blauen Glimm-
lichtes befördert wird; die geſammte elektriſche Energie, welche zur Erregung des
letzteren verwendet wird, kann höchſtens zur Erwärmung der Glaskugel beitragen,
geht aber für den Lichteffect verloren.


Um den Kohlenbügel dichter und widerſtandsfähiger zu machen, wird zu-
weilen die verkohlte Faſer in der Atmoſphäre eines Kohlenwaſſerſtoffes durch elektriſche
Ströme zum Glühen erhitzt. Es zerſetzt ſich hierbei der Kohlenwaſſerſtoff und die
aus letzterem abgeſchiedene Kohle ſchlägt ſich auf der Kohlenfaſer nieder. Dieſe
erhält hierdurch einen Ueberzug von harter, metalliſch glänzender Kohle. Den
Fortgang der Erſcheinungen bei fortgeſetzter „Carboniſirung“ beſchreibt Puluj in
nachſtehender Weiſe:


Die Kohlenwaſſerſtoff-Atmoſphäre erwärmt ſich bis zu einem ſo hohen Grade,
daß die Zerſetzung in Folge der geſteigerten Temperatur auch in größeren Ent-
[330] fernungen vom Kohlenfaden ſtattfindet und ſchwarze Rauchwolken ſich bilden, die
Ruß abſetzen. Außer dieſer durch große Wärme erzeugten Zerſetzung der Gas-
moleküle findet noch eine andere Trennung derſelben ſtatt. Die elektriſchen Ent-
ladungen zwiſchen den einzelnen Theilen des Kohlenfadens verurſachen einen elektro-
lytiſchen Proceß, wobei der Kohlenſtoff des Kohlenwaſſerſtoffgaſes in der
Richtung der Stromlinien ſich niederſchlägt, kleine haardünne Nadeln aufbauend,
welche anſcheinend über die ganze Oberfläche des Kohlenfadens normal zu deſſen
Längsrichtung ſehr regelmäßig vertheilt ſind. Fig. 213 ſtellt den behaarten Kohlen-
bügel in natürlicher Größe dar, während in Fig. 214 eine 80malige Vergröße-
rung desſelben abgebildet iſt. Die Nadeln ſind in beiden Zeichnungen nur in
einer Ebene dargeſtellt. Es muß vor Allem auffallen, daß das Ausſehen dieſer
Nadeln nicht graphitartig (wie bei dem auf dem Faden gebildeten Kohlenüberzug),
ſondern rußig iſt, und daß dieſelben nicht geradlinig, wie ſie auf den erſten Blick
dem bloßen Auge erſcheinen, ſondern, analog den zickzackförmigen Büſcheln der
Entladungen hochgeſpannter Ströme, vielfach gewunden und geknickt und an den
Enden mit ſchwammigen Knöpfchen verſehen ſind.


5. Chieriſche Elektricität.


Bei der Erzählung der Entdeckung des Galvanismus gedachten wir der
Experimente, welche Galvani mit Froſchpräparaten ausführte. Glaubte dieſer die
hierbei beobachteten Erſcheinungen einer dem thieriſchen Körper eigenthümlichen
Elektricitätserregung zuſchreiben zu ſollen, ſo war hingegen Volta der Anſicht, daß
der Froſchſchenkel nur der Indicator der durch Berührung von Metallen hervor-
gerufenen elektriſchen Differenzen ſei. Zwar zeigte noch Galvani, daß Zuckungen auch
dann zu beobachten ſind, wenn man Metalle von dem Verſuche vollkommen aus-
ſchließt, aber trotzdem errang Volta’s Auslegung zunächſt den Sieg. Die Wir-
kungen, die Letzterer durch ſeine metalliſchen Combinationen und namentlich nach
der Conſtruction der nach ihm benannten Säule mit dieſer erhalten konnte, waren
eben weitaus kräftigere und auffälligere. Galvani beobachtete auch Zuckungen, wenn
er die Füße eines Froſches in ein und die Wirbelſäule in ein zweites daneben
geſtelltes Glasgefäß mit Salzlöſung tauchte und die beiden Löſungen noch durch
einen feuchten Baumwoll- oder Asbeſtſtreifen verband. Ebenſo wurde durch Ver-
ſuche, welche A. v. Humboldt ausſtellte, die Elektricitätsentwicklung im Froſch-
präparate unzweifelhaft bewieſen. Die allgemeine Aufmerkſamkeit war aber damals
durch die Entdeckungen Volta’s zu ſehr in Anſpruch genommen, um darauf zu
achten. Eine gründliche Bearbeitung erfuhren dieſe Erſcheinungen erſt durch Du
Bois-Reymond
.


Bevor wir uns der Betrachtung der Erregung von Elektricität in anima-
liſchen Körpern zuwenden, wollen wir die Hauptwirkungen elektriſcher Ströme auf
das Nervenſyſtem kennen lernen. Schließt man den Stromkreis einer vielplattigen
Batterie, etwa einer nicht zu großen Voltaſäule, durch den menſchlichen Körper,
ſo verſpürt dieſer im Momente der Schließung einen Schlag; dieſelbe Wirkung
tritt ein, wenn der Stromkreis unterbrochen wird. So lange der Strom durch
den Körper circulirt, iſt aber kaum eine Wirkung fühlbar. In ähnlicher Weiſe
verhält ſich der Froſchſchenkel: er geräth in Zuckungen beim Schließen oder Oeffnen
des Stromkreiſes oder auch bei ſtarken, raſch verlaufenden Schwankungen in der
[331] Stromſtärke, bleibt aber bei gleichmäßigem Durchfließen des Stromes vollkommen
in Ruhe. Du Bois-Reymond ſprach das Geſetz der elektriſchen Nervenerregung
in nachſtehender Weiſe aus:


Nicht der abſolute Werth der Stromdichtigkeit in jedem Augenblicke iſt es,
auf den der Bewegungsnerv mit Zuckung antwortet, ſondern die Veränderung
dieſes Werthes von einem Augenblicke zum andern, und zwar iſt die Anregung
zur Bewegung, welche dieſen Veränderungen folgt, um ſo bedeutender, ſe ſchneller
ſie bei gleicher Größe vor ſich gingen oder je größer ſie in der Zeiteinheit waren.


Erinnern wir uns deſſen, was über die Wirkung des Entladungsſchlages
einer Kleiſt’ſchen Flaſche geſagt wurde, ſo können wir uns jetzt die kräftige phyſio-
logiſche Wirkung derſelben, trotz der geringen, den menſchlichen Körper durch-
fließenden Elektricitätsmenge leicht erklären: ſie liegt eben in dem außerordentlich
raſchen Verlauf der Entladung. Auch bei den Inductionsſtrömen iſt die raſche
Ausgleichung der beiden Elektricitäten die Urſache lebhafter Nervenerregung.


Wenngleich elektriſche Ströme auf Bewegungsnerven nur beim Oeffnen,
Schließen oder Schwanken des Stromes deutlich wahrnehmbare Wirkungen hervor-
rufen, ſo bleibt doch der conſtant fließende Strom auf die Empfindungsnerven
nicht ohne Einfluß. Schon Volta theilte mit, daß er ein eigenthümliches und an-
dauerndes Gefühl verſpürte, wenn er den Strom einer 100elementigen Zink-
Silberſäule durch ſeinen Leib gehen ließ. Ebenſo andauernd äußert ſich auch die
Wirkung des galvaniſchen Stromes auf den Geſchmacksſinn. Werden die Draht-
enden einer größeren Batterie in die Ohren eingeführt, ſo vernimmt man ein
fortwährendes Geräuſch. Immerhin ſind aber auch die Wirkungen auf die Empfin-
dungsnerven beim Oeffnen und Schließen oder bei Schwankungen des Stromes
heftiger als bei gleichmäßig verlaufendem Strome.


Wie bereits erwähnt, tritt ein elektriſcher Strom dann auf, wenn Nerv und
Muskel in je ein mit Salzlöſung gefülltes Gefäß getaucht werden und beide
Löſungen noch überdies durch feuchte Baumwolle miteinander in Verbindung
ſtehen. Nobili ſchaltete zur Prüfung der Empfindlichkeit eines Froſchſchenkels
in dem beide Löſungen verbindenden Schließungsbogen einen Multiplicator
ein. Der Froſchſchenkel zeigte im Momente des Schließens durch Zuckung den
Strom an, die Multiplicatornadel blieb aber ruhig; folglich iſt letztere unempfind-
licher als der Froſchſchenkel. Die Empfindlichkeit des Froſchſchenkels für Strom-
ſchwankungen iſt ſo groß, daß man ihn zu den empfindlichſten Elektroſkopen rechnen
muß. Er verräth ſogar jene minimalen Schwankungen, welche in den Draht-
ſpiralen eines gewöhnlichen Bell’ſchen Telephons beim Anſprechen des letzteren
entſtehen. Die Stromſchwankungen im Telephon ſind gewiſſermaßen ein Spiegelbild
der Schallſchwingungen. Würde man die Schallſchwingungen ebenſo wie die
Stromſchwankungen durch Curven darſtellen, ſo müßte jeder ſteil abfallenden oder
anſteigenden Schallcurve eine ebenſolche Stromcurve entſprechen. Verbindet man
daher die Drahtenden eines Telephons mit den freigelegten Hüftnerven eines
Froſches, ſo daß man jedoch den dazugehörigen Muskel nicht abtrennt, ſo wird
letzterer beim Anſprechen des Telephons jedesmal zucken, ſo oft den Schallwellen
ſteil verlaufende Curven entſprechen. E. du Bois-Reymond führt dieſes Experiment
in der Weiſe aus, daß er einmal in das Telephon das Wort „zuck’“ hineinruft,
wodurch der Muskel, der ſteilen Curven in dieſem Klange wegen, ſich heftig
zuſammenzieht, ein andermal „lieg’“, wobei der Muskel ganz ruhig bleibt, weil
dieſer Klang ohne ſteile Curven verläuft.


[332]

Kehren wir wieder zu Nobili’s Verſuchen zurück; der unempfindliche Multi-
plicator wurde durch einen empfindlichen erſetzt und dieſer zeigte auch immer den
Strom durch Ausſchläge der Nadel von 10 bis zu 30 Graden an. Die Richtung
des Ausſchlages war immer dieſelbe, d. h. ſie verrieth ſtets einen Strom, der von den
Muskeln zu den Nerven oder von den Füßen zum Kopfe des Froſches gerichtet
iſt. Dieſer Strom, der ſogenannte Froſchſtrom, iſt nicht von nur augenblicklicher
Dauer, ſondern kann, wenn gegen Austrocknen des Präparates Vorſorge getroffen
wird, geraume Zeit erhalten werden. Man kann auch die Ströme in der Art
verſtärken, daß man mehrere Fröſche ſo in einen Stromkreis anordnet, wie man
galvaniſche Elemente zu einer Batterie verbindet. Merkwürdig iſt, daß der Froſch-
ſtrom ſtundenlang andauern, alſo auf den Multiplicator wirken kann, während
die Zuckungen kaum ¼ Stunde lang hervorgerufen werden können.


Weitere eingehende Unterſuchungen des Muskelſtromes, ſowie die Auffindung
eines Geſetzes danken wir Du Bois-Reymond. Letzterer bediente ſich zu ſeinen
Verſuchen eines ſehr empfindlichen Multiplicators (mit 4600 Windungen) und
verband die Drahtenden desſelben mit je einer Platinplatte; jede derſelben tauchte

Figure 215. Fig. 215.

Der Muskelſtrom.


in ein Gefäß mit concentrirter
Kochſalzlöſung. Wurde nur die
Demonſtrirung des Froſchſtromes
beabſichtigt, ſo genügte es, die beiden
Kochſalzlöſungen in den Glasgefäßen
durch den thieriſchen Körpertheil zu
verbinden. Da jedoch die Einwirkung
der concentrirten Salzlöſung auf
die thieriſchen Theile die Reinheit
der Verſuche beeinfluſſen kann, hat
Du Bois-Reymond zu genaueren
Unterſuchungen eine andere Ver-
bindungsweiſe der Salzlöſungen an-
gewandt.


Die Gläſer, welche die Salzlöſungen enthielten, wurden nämlich an je
einer ihrer Innenflächen mit gut gefirnißten Holzklötzchen k k1 (Fig. 215) ver-
ſehen und auf dieſe kamen über den Rand der Gläſer hinausragende Löſchpapier-
bäuſche p p1. Auf die Papierbäuſche kam dann an jenen Stellen, auf welche der
thieriſche Theil gelegt werden ſollte, ein Stückchen Schweinsblaſe, die man vorher
in Eiweiß vollkommen aufgeweicht hatte. Auf dieſe Eiweißhäutchen endlich wurde
der thieriſche Theil gebracht und ſo jede directe Berührung desſelben mit der
Kochſalzlöſung vermieden.


Bevor man jedoch zu den Verſuchen ſelbſt ſchreitet, verbindet man die beiden
Papierbäuſche durch einen dritten quer darüber gelegten Bauſch, um ſich zu über-
zeugen, daß auf beiden in die Salzlöſungen getauchten Platinblechen keine ver-
ſchiedenen Polariſationszuſtände herrſchen, oder wenn dies der Fall iſt, um dieſe
vorher auszugleichen.


Iſt dies geſchehen, alſo hat ſich die Nadel wieder auf den Nullpunkt ein-
geſtellt, dann kann der Schließungsbauſch entfernt werden, und hierauf legt man
den zu prüfenden Muskel auf die vorher mit den Eiweißhäutchen bedeckten Zuleitungs-
bäuſchchen. Es erfolgt ſofort ein heftiger Ausſchlag der Galvanometernadel, der
aber, wenn man den Muskel in ſeiner Lage beläßt, in eine bedeutend ſchwächere
[333] conſtante Ablenkung übergeht. Entfernt man den Muskel und ſchließt hierauf
den Stromkreis durch Auflegen eines dritten Bauſches, ſo ſchlägt die Nadel
nach der entgegengeſetzten Seite aus. Dieſer Ausſchlag rührt von der durch den
Muskelſtrom bewirkten Polariſation der Platinbleche her.


Die Richtung des Muskelſtromes hängt von der Art ab, in welcher der
Muskel mit den Bäuſchchen in Berührung gebracht wird. Wird der Muskel ſo
aufgelegt, daß ein Bäuſchchen von dem ſehnigen Ende, das andere von der
Außenſeite des rothen Muskelfleiſches berührt wird, ſo geht der Strom in der
Richtung vom Ende zur Außenfläche. Stellt man durch einen ſcharfen Quer-
ſchnitt eine künſtliche Endfläche dar und legt dann den Muskel ſo auf, daß die
Querfläche den einen, die Oberfläche den andern Bauſch berührt, ſo iſt der bei
dieſer Anordnung ſtets auftretende Strom vom Querſchnitte zur Oberfläche gerichtet.
Auch eine künſtlich hergeſtellte Längsfläche durch Zerreißen des Muskels in der
Faſerrichtung verhält ſich wie eine natürliche Oberfläche. Es verhält ſich alſo
der natürliche oder künſtliche Längsſchnitt eines Muskels poſitiv gegen den natür-
lichen oder künſtlichen Querſchnitt. Dieſes Geſetz hat nach Du Bois-Reymond
für das ganze Thierreich Giltigkeit.


Figure 216. Fig. 216.

Secundäre Zuckungen.


In Bezug auf die Dauer und den [Verlauf] des Muskelſtromes haben
Matteucci’s Unterſuchungen ergeben, daß in den erſten 10 Minuten nach der
Abtrennung des Muskels vom Thierleibe (oder der Tödtung des Thieres) der
Strom bedeutend abnimmt, ſich dann aber 5 bis 6 Stunden erhält; bewahrt
man den Muskel in Waſſer auf, ſo kann man mitunter ſelbſt noch nach Ablauf
eines Tages ſchwache Ströme nachweiſen. Mit Eintritt der Todesſtarre iſt auch
der Muskelſtrom zu Ende. Ueberhaupt verläuft nach Du Bois-Reymond die
elektromotoriſche Kraft des Muskels parallel mit ſeiner Erregbarkeit.


Eine ſehr intereſſante Erſcheinung, welche zuerſt von Matteucci beobachtet,
aber nicht richtig erklärt wurde, iſt die der ſecundären Zuckungen. Du Bois-
Reymond zeigte, daß letztere auf der Eigenſchaft des im ruhenden Muskel oder
Nerv circulirenden Stromes beruhen, nach welcher deſſen Intenſität immer dann
einen raſchen Abfall zeigt, wenn Nerv oder Muskel erregt werden. Man kann
dies experimentell in nachſtehender Weiſe zeigen. Der eine Schenkel eines Froſches
wird ſo präparirt, daß der Nerv N1 (Figur 216) von ſeiner Austrittsſtelle aus
der Wirbelſäule an bloßliegt, bis zu dem ebenfalls freipräparirten großen Waden-
muskel, mit welchem er im Zuſammenhange erhalten wird. Am Präparat II iſt
der Nerv N2 gleichfalls bloßgelegt, aber der Unterſchenkel U und die Pfote Pf
[334] daran gelaſſen. Hierauf wird Präparat I ſo an II gelegt, daß der Nerv von II
den Muskel von I an zwei verſchiedenen Stellen, nämlich an dem rothen Muskel-
fleiſche bei F und am Sehnenſpiegel bei S, berührt. Durch dieſe Lage bildet das
Nervenſtück bei N einen Schließungsbogen für den Muskelſtrom in F S.


Erregt man jetzt den Nerv N1 in irgend einer Weiſe, z. B. durch einen
Schnitt, ſo zuckt nicht nur der Muskel F S, ſondern auch der Unterſchenkel U,
obwohl dieſer mit dem erſterwähnten Muskel oder deſſen Nerven in gar keinem
anatomiſchen Zuſammenhange ſteht. Die Erklärung für dieſe Erſcheinung iſt fol-
gende: Das Präparat II fungirt als höchſt empfindliches Elektroſkop für den
Muskelſtrom in F S. Dieſer hat aber durch die in Folge der Nervenerregung
bewirkte Zuckung oder Zuſammenziehung des Muskels eine plötzliche Abnahme
ſeiner Intenſität erlitten; durch das Nervenſtück N2, in welchem dieſe Strom-
ſchwankung (Schwankung des Muskelſtromes in F S) ſich gleichfalls geltend machte,
gelangte dann dieſe Stromſchwankung in Form einer Zuckung von U Pf zur Anzeige.


Legt man den Nerv N1 über die Drahtenden E E1 einer Inductionsſpirale
und ſetzt dieſe in Thätigkeit, ſo wird der Nerv N1 nicht wie früher durch einen
Schnitt in denſelben nur einmal, ſondern in raſcher Folge ſehr oft erregt. Der
Muskel F S muß hierdurch in den Zuſtand dauernder Zuſammenziehung verſetzt,
oder, wie man ſich auch ausdrückt, „tetaniſirt“ werden. Die Inductionsſtröme
folgen nämlich ſo raſch aufeinander, daß der Muskel keine Zeit hat, zwiſchen den
einzelnen Strömen aus dem Zuſtande der Zuſammenziehung in den gewöhnlichen
Zuſtand zurückzukehren. Da jede Zuckung im Präparate I auch eine ſolche im
Präparate II bewirkt, ſo braucht wohl kaum bemerkt zu werden, daß auch der
Tetanus im Präparate I einen Tetanus im Präparate II zur Folge hat.


Wird das Präparat II in entſprechender Weiſe durch ein Galvanometer
erſetzt, ſo kann man auch direct nachweiſen, daß die ſecundäre Zuckung im vor-
ſtehenden Verſuche von einer plötzlichen Abnahme des Muskelſtromes herrührt,
während durch unſer Experiment eigentlich nur eine Stromſchwankung (un-
beſtimmt welcher Richtung) nachgewieſen wurde. Du Bois-Reymond wies die
Abnahme des Muskelſtromes auch bei willkürlicher Contraction der Muskeln im
Arme eines lebenden Menſchen nach.


Schließlich ſei noch bemerkt, daß an den Nerven friſch getödteter Thiere
ſich ganz dieſelben Stromerſcheinungen nachweiſen laſſen, wie an den Muskeln.
Zur Nachweiſung des Nervenſtromes überhaupt wird der friſch präparirte Nerv
auf eines der Löſchpapierbäuſchchen mit einem künſtlichen Querſchnitte auf das
andere mit der natürlichen Längsfläche gelegt.


Weit zurück reichen die Nachrichten über Thiere, welchen die merkwürdige
Kraft innewohnt, elektriſche Schläge auszutheilen; freilich erkannte man damals
noch nicht die elektriſche Natur derſelben. Die Thiere, beziehungsweiſe ihre elek-
triſchen Organe, wurden aber bereits zu Heilzwecken benutzt. Der nächſt Hippo-
krates berühmteſte Arzt des Alterthums, Claudius Galenos, welcher im zweiten
Jahrhunderte nach Chriſti lebte, verglich bereits die Wirkung des Zitterrochens
mit der eines Magnetes. Jahrhunderte lang benutzen ſchon die Abyſſinier den
Zitteraal als Heilmittel gegen Nervenkrankheiten. Gegenwärtig kennen wir haupt-
ſächlich drei elektriſche Fiſche, nämlich den Zitterwels, den Zitteraal und den
Zitterrochen.


Der Zitterwels oder Raaſch der Araber erreicht eine Länge von 30 bis 50
Centimeter und wurde von Forskal im Nil und von Adanſon im Senegal auf-
[335] gefunden. Nach Brehm beſteht das elektriſche Organ des Raaſch aus einem
zwiſchen der ganzen Körperhaut und den Muskeln liegenden dünnen, einer Fett-
ſchicht ähnlichen Gewebe, welches aus ſechs oder mehr übereinanderliegenden Häuten
beſteht und zwiſchen ihnen einen Raum für eine gallertartige Maſſe giebt, auch von
einer beſonderen Schlag- und Hohlader und einem vielfach verzweigten Nerv
geſpeiſt und geleitet wird. Man ſchreibt dieſem Zellengewebe heilende Eigenſchaften
zu, verbrennt es auf Kohlen und läßt auf den Kranken das Gas ausſtrömen,
welches beim Verbrennen ſich entwickelt. Der Zitterwels ertheilt, mit der Hand
berührt, Schläge von verſchiedener Stärke; es ſteht übrigens ganz im Belieben
des Thieres, Schläge auszutheilen oder nicht.


Die kräftigſten elektriſchen Schläge iſt der Zitteraal im Stande zu ertheilen.
Der Zitteraal wurde von Alexander v. Humboldt und dann von C. Sachs
beſchrieben. Humboldt ſtellte auch auf ſeiner amerikaniſchen Reiſe gemeinſchaftlich
mit Bonpland ſehr viele Verſuche an. Der Zitteraal kann eine Länge von zwei
Meter und ein Gewicht von 15 bis 20 Kilogramm erreichen. Die Haut des
Thieres (oben olivengrün, unten orangeroth) iſt beſtändig mit einem Schleime
überzogen, welcher, wie Volta gezeigt hat, die Elektricität zwanzig- bis dreißigmal
beſſer leitet, als reines Waſſer. Etwa vier Fünfttheile der Leibeslänge, ſchreibt
Brehm, werden von den elektriſchen Organen eingenommen. Dieſe, ihrer vier an
der Zahl, liegen an den Bauchſeiten des Fiſches und reichen von dem hinteren
Ende der Leibeshöhle bis zur Schwanzſpitze, wiegen daher ein volles Drittheil
des Geſammtgewichtes. Sie bilden eine hell röthlichgelbe, weiche, durchſcheinende,
gallertartige Maſſe und beſtehen aus Längsbündeln, welche ihrerſeits aus einer
großen Anzahl häutiger, nahe aneinanderliegender, faſt wagrechter Plättchen zu-
ſammengeſetzt und durch Längshäute in Zellen getheilt ſind.


Bajon, erzählte Brehm, berührte einen Zitteraal mit dem Finger, ohne
etwas zu empfinden, bekam aber kleine Schläge, wenn er den Finger auf den
Rücken legte. Als derſelbe Fiſch beim Wechſeln des Waſſers auf den Boden ge-
fallen war und kein Neger ihn aufheben wollte, ergriff er ihn ſelbſt beim Schwanze,
bekam aber einen ſo fürchterlichen Schlag, daß er faſt umfiel und ſein Kopf eine
Zeitlang eingenommen war.


Nach Humboldt’s Verſuchen hat der Zitteraal jeden Theil des Leibes in ſeiner
Gewalt, man braucht daher nicht zwei Stellen des Fiſchkörpers zu berühren und
ſo gewiſſermaßen eine Kette zu bilden, ſondern es genügt die Berührung an einer
Stelle und durch eine iſolirt aufgeſtellte Perſon. Gegenſeitig können ſich die Zitter-
aale nichts anhaben, wie dies durch Verſuche von Humboldt und Sachs bewieſen
wurde. Der Schlag eines Zitteraales kann ſo kräftig ſein, daß er auch über kleine
Luftzwiſchenräume ſich fortpflanzt, d. h. an dieſer Stelle einen elektriſchen Funken
erzeugt. Bei Uritucu mußte man ſogar einmal einer Straße eine andere Richtung
geben, weil die Zitteraale in einem Fluſſe ſich ſo vermehrt hatten, daß alle Jahre
eine Menge Maulthiere, welche mit ihrer Laſt durch den Fluß zu waten hatten,
umkamen.


Der Zitterrochen wurde zuerſt von Redi genauer unterſucht und dann von
Réaumur, Bancroft, Humboldt, Geoffroy u. A. Das elektriſche Organ
des Zitterrochen nimmt den Raum ein, der ſich zwiſchen Kopf und Kiemen und
den Bruſtfloſſen befindet. Es beſteht, Fig. 217, aus kleinen, wie Bienenzellen neben-
einanderſtehenden, häutigen, durch Querſcheidewände voneinander getrennten, von
Nerven belebten Zellen. Die Wirkung der Schläge iſt zwar bedeutend ſchwächer
[336] als beim Zitteraale, aber immer noch ſchmerzhaft genug; ſie iſt am heftigſten unter
Waſſer und um ſo fühlbarer, je größer die Fläche iſt, welche berührt wurde. Das
Thier ertheilt die Schläge ganz willkürlich und läßt ſich durch Reizung be-
wegen, viele nacheinander auszutheilen. Der Fiſch erreicht bei anderhalb Meter Länge

Figure 217. Fig. 217.

Elektriſches Organ des Zitterrochen.


eine Breite von beiläufig einem Meter und
ein Gewicht von 25 bis 30 Kilogramm.


Ueber die Wirkſamkeit der elektriſchen
Organe der drei elektriſchen Fiſche ſtehen
ſich zwei Anſichten ſchroff gegenüber. Du
Bois-Reymond
hält das elektriſche Organ
für einen Apparat ähnlich unſeren gal-
vaniſchen Batterien und glaubt, daß die
darin verlaufenden Nerven nur einen in-
directen Einfluß ausüben; ſie ſollen eben
blos die Vollſtreckung des Willens bewirken,
wenn das Thier einen Schlag ertheilen will.
Die Erregung elektriſcher Ströme ſoll im
Organ ſelbſt ſtattfinden, gleichwie auch der
Muskelſtrom im Muskel entſteht.


Der franzöſiſche Phyſiologe Ranvier
hält hingegen das elektriſche Organ für einen
ſecundären Apparat, geradezu für einen ſolchen
nach Art der Secundärbatterien. Elektriſche
Ströme ſollen im Gehirne erregt werden
und dann in den elektriſchen Apparat über-
ſtrömen, wo ſie chemiſche Veränderungen
hervorrufen. Dieſe Ladungsoperation werde
ausgeführt, wenn ſich das Thier im Ruhe-
zuſtande befindet. Will dasſelbe einen Schlag
austheilen, ſo ſchaltet es vermöge der eigen-
thümlichen Nervenverzweigung die während
der Ladezeit in Parallelſchaltung befindlichen
Secundärelemente auf Spannung um (d. h. ſtellt eine Verbindung derſelben
hintereinander her) und bewirkt in dieſer Art die Entladung. Wir können uns hier
auf die Einwürfe, die gegen die eine oder die andere der beiden Theorien gemacht
wurden, umſoweniger einlaſſen, als zur Aufklärung dieſer ſehr intereſſanten Vor-
gänge noch ſehr viel zu prüfen und zu erforſchen bleibt.


[[337]]

Zweite Abtheilung.


22
[[338]][[339]]
[figure]

Die moderne Elektrotechnik.


I. Die Elektricitäts-Generatoren.


Wir erinnern uns aus der Geſchichte der Elektricität, daß bereits Thales
von Milet im ſiebenten Jahrhunderte v. Chr. die Eigenſchaft des Bern-
ſteines kannte, durch Reiben zur Anziehung kleiner, leichter Körperchen
befähigt zu werden. Wenngleich die Urſache dieſer Erſcheinung damals
noch nicht bekannt war, ſo bleibt doch immerhin der Bernſtein das
erſte Mittel, mit deſſen Hilfe Elektricität erregt wurde. Wir erinnern uns auch
daran, daß der Magdeburger Bürgermeiſter Otto von Guericke mehr als zwei
Jahrtauſende darnach durch ſeinen Schwefelkugel-Apparat die erſte Anregung zur
Conſtruction von Elektriſirmaſchinen gab, die im Laufe der Zeit ſo weit vervoll-
kommt wurden, daß ſie eine ergiebigere Elektricitätsquelle darſtellten. Die Elektriſir-
maſchinen ſind Elektricitäts-Generatoren, in welchen Elektricität durch Reibung
erregt wird.


Ein näheres Studium der elektriſchen Entladungen, der hierbei auftretenden
Erſcheinungen und des Verhaltens der Leiter und Iſolatoren führte dann zum
Baue der Influenzmaſchinen, d. h. zur Erfindung von Elektricitäts-Generatoren, mittelſt
welcher Elektricität durch Influenz erregt wird. Beiderlei Elektricitäts-Generatoren
ſind jedoch, von einigen ſpeciellen Fällen abgeſehen, nicht im Stande, die techniſche
Verwendung der Elektricität im ausgedehnten Maßſtabe zu ermöglichen. Die Ur-
ſachen hiervon ſind in der unverläßlichen, von der Witterung abhängigen Function
und hauptſächlich in der geringen Ergiebigkeit zu ſuchen. Wir wiſſen, daß beiderlei
Maſchinen zwar die Erregung hoher elektriſcher Spannungen ermöglichen, aber
äußerſt geringe Elektricitätsmengen produciren.


Im Jahre 1800 beſchenkte endlich Volta die Welt mit der nach ihm be-
nannten Säule. Hiermit war eine dritte Art Elektricitäts-Generatoren, nämlich der
galvaniſche Generator, gegeben. Sein Verhalten und ſeine Eigenſchaften
wurden im erſten Theile dieſes Werkes eingehend gewürdigt und zeigten uns, daß
mit dieſem Generator Elektricität faſt in beliebiger Menge und von hinreichender
22*
[340] Spannung erhalten werden kann. Dieſe Umſtände erklären es auch, warum erſt
von da ab die techniſchen Verwerthungen der Elektricität beginnen, ſich dann aber
außerordentlich raſch ausbreiten und ganz unentbehrlich machen. Doch beſitzen auch
die galvaniſchen Elektricitäts-Generatoren Nachtheile, welche deren Anwendung nur
innerhalb beſtimmter Grenzen techniſch verwendbar machen. Ihr Hauptnachtheil
iſt der verhältnißmäßig hohe Preis, für welchen ſie Elektricität liefern. Man kann
ſie daher nur dort vortheilhaft verwenden, wo eben nur der galvaniſche Strom
im Stande iſt, die gewünſchte Arbeit zu leiſten, oder wo das hiermit erzielte
Reſultat ſo wichtig iſt, daß der Preis, um welchen es erzielt wird, gar nicht in
Betracht kommt. Eine ſolche Verwerthung iſt z. B. durch die elektriſche Telegraphie
gegeben. Der leichte und ſichere Gedankenaustauſch zwiſchen Perſonen, die auf dem
ganzen Erdballe zerſtreut ſind, iſt einerſeits von ſo unſchätzbarem Werthe und
andererſeits weder durch optiſche noch akuſtiſche Signale auch nur in annähernd
befriedigender Weiſe zu erſetzen, daß hierbei der Preis des elektriſchen Stromes
gar nicht in Betracht kommen kann. Ebenſo iſt ausſchließlich der elektriſche Strom
im Stande, gewiſſe chemiſche Arbeiten in der gewünſchten Form zu leiſten. Die
Koſten der Erregung elektriſcher Ströme kommen ſelbſt bei der Erzeugung elektri-
ſchen Lichtes ſo lange nicht in Betracht, als die Aufſtellung eines großen, intenſiven
Lichtes in Folge irgend welcher Umſtände außergewöhnliche Vortheile mit ſich
bringen kann, wie z. B. bei unaufſchiebbaren nächtlichen Arbeiten im Freien u. ſ. w.
Jedoch, ſo unſchätzbar die Dienſte, welche der galvaniſche Strom in ſolchen und
ähnlichen Fällen zu leiſten im Stande iſt, auch ſein mögen, immerhin muß ſeine
Anwendung auf verhältnißmäßig eng begrenzte Gebiete und Ausnahmsfälle be-
ſchränkt bleiben.


Da es bei den galvaniſchen Batterien im Weſentlichen darauf hinauskommt,
Elektricität durch Umwandlung des Zinkes in ein verhältnißmäßig werthloſes Zink-
ſalz zu erregen, das Zink ſelbſt aber durch Verbrennung der Kohle dargeſtellt
wird, verſuchte man die durch Verbrennung der Kohle freiwerdende Wärme direct
zur Erregung elektriſcher Ströme zu verwenden und ſo den mit Arbeitsverluſt
verbundenen Zwiſchenproceß (der Zinkgewinnung) zu umgehen. Auf dieſem Wege
gelangte man, wie uns bereits bekannt, zur Conſtruction eines vierten Elektricitäts-
Generators, nämlich der Thermoſäule. Doch leider haben ſich die hieran ge-
knüpften Hoffnungen einer billigeren Gewinnung elektriſcher Ströme bis heute noch
nicht erfüllt, und daher iſt die techniſche Verwerthung der Thermo-Elemente gegen-
wärtig noch eine äußerſt beſchränkte.


Der rapide Aufſchwung jedoch, den die Elektrotechnik in der jüngſten Zeit
gewonnen hat, iſt der Anwendung der Induction zur Erzeugung elektriſcher
Ströme zu verdanken. Hierin hat man ein Mittel gefunden, Elektricität in be-
liebiger Menge und von beliebiger Spannung zu einem Preiſe zu erzeugen, der
eine ausgedehnte Anwendung dieſer Naturkraft zuläßt. Die Elektricitäts-Generatoren,
welche auf dem Principe der Induction beruhen, ſollen uns daher zunächſt be-
ſchäftigen.


1. Geſchichte der elektriſchen Maſchinen.


Den Ausgangspunkt für die Entwicklung der Maſchinen bildet die Entdeckung
der Induction durch Faraday im Jahre 1831. Bereits im Juli 1832 wurde
die Induction zur Conſtruction einer Maſchine benützt. Die Beſchreibung der-
[341] ſelben war in einem an Faraday gerichteten und mit P. M. unterzeichneten Briefe
enthalten und wurde im „Philoſophical Magazine“ vom 2. Auguſt 1832 ver-
öffentlicht.*) Dieſe Maſchine beſtand im Weſentlichen aus ſechs auf einer Scheibe
befeſtigten Hufeiſenmagneten, welche mit erſterer ſo in Rotation geſetzt werden
konnten, daß ſich die Magnetpole an ſechs mit Eiſenkernen verſehenen Spulen
vorbeibewegten.


Dieſe Maſchine wurde jedoch nie öffentlich in Thätigkeit geſetzt. Der Erſte,
welchem dies gelang, war Pixii am 3. September 1832. Fig. 218 möge uns
zur Erläuterung des Princips dieſer Maſchine dienen. Ein kräftiger Stahlmagnet
N S rotirt um ſeine Längsaxe unterhalb der mit Drahtwindungen umgebenen,
feſtſtehenden Eiſenkerne a b. Es werden alſo die Magnetpole S und N fort-
während den Eiſenkernen a und b genähert und von ihnen wieder entfernt, in
der Art, daß bei jeder ganzen Umdrehung des Magnetes die Richtung der Be-
wegung in Bezug auf die feſtſtehenden Eiſen-
kerne zweimal wechſelt, und zwar in den
Momenten, in welchen die Magnetpole den
Eiſenkernen gerade gegenüberſtehen. Dieſe
Stellung muß zweimal eintreten, nämlich
wenn S und b, N und a ſich gegenüberſtehen
und wenn S und a, N und b in dieſe Lage
kommen.


Betrachten wir nun die Wirkung des
Magnetpoles S auf den Eiſenkern b, wenn
erſterer ſich dem letzteren nähert. Wie bekannt,
wird hierdurch das Eiſenſtück b derart magne-
tiſch, daß das dem ſüdpolaren Magnetpole S
nächſtliegende Ende einen Nordpol bekommt.
Das Entſtehen des Magnetismus im Eiſen-
ſtücke b inducirt in der ihn umgebenden
Drahtſpirale einen Strom; die Richtung des-
ſelben iſt leicht zu beſtimmen:


Am Südpole des Hufeiſenmagnetes
haben die Ampère’ſchen Ströme die Richtung

Figure 218. Fig. 218.

Maſchine von Pixii.


der Bewegung eines Uhrzeigers, am Eiſenſtücke b, dieſes mit ſeiner unteren Fläche
gegen den Beſchauer gewandt, eine der Uhrzeigerbewegung entgegengeſetzte Richtung.
Der durch entſtehenden Magnetismus in der Spirale inducirte Strom muß eine der
letzterwähnten entgegengeſetzte Richtung haben, folglich im Sinne der Uhrzeigerbewegung
verlaufen. Die Richtungen dieſer Ströme ſind in der Figur durch Pfeile angegeben.


Dem Eiſenkerne a nähert ſich während des eben betrachteten Vorganges auf
der anderen Seite der Nordpol des Hufeiſenmagnetes. Auf letzterem iſt die Rich-
tung der Ampère’ſchen Ströme entgegengeſetzt der Bewegung des Uhrzeigers, folg-
lich die Richtung der Ströme in a der Uhrzeigerbewegung gleichgerichtet und endlich
die Richtung des Stromes in der Spirale bei a eine der Uhrzeigerbewegung
entgegengeſetzte.


Die inducirten Ströme haben alſo in der Spirale bei b die Richtung der
Uhrzeigerbewegung, bei a eine dieſer Richtung entgegengeſetzte. Sind jedoch beide
[342] Spiralen aus einem Drahte, und zwar ſo gewunden, wie es die Figur zeigt, ſo wird
dieſer Draht nur von Strömen einer Richtung durchfloſſen, wie dies aus der Figur
leicht zu erſehen iſt, wenn man die Stromrichtungen durch alle Windungen verfolgt.


Bei fortgeſetzter Drehung des Hufeiſenmagnetes nähern ſich deſſen Pole den
Eiſenſtäben a und b ſo lange, bis S und N den Stäben b und a gegenüberſtehen.
Von dieſem Momente an entfernen ſich S von b und N von a oder, was dasſelbe
bedeutet, S nähert ſich dem Stabe a und N dem Stabe b. Verfolgt man nun in
gleicher Weiſe wie in dem zuerſt betrachteten Stadium der Drehung die Einwirkung
des Hufeiſenmagnetes auf die Eiſenſtäbe a und b, ſowie deren Spiralen, ſo gelangt
man zu dem Reſultate, daß jetzt den geſammten Draht p p' ein Strom durchfließt,
deſſen Richtung entgegengeſetzt iſt jener, welche ſich aus der früheren Betrachtung
ergab. Es wurde bereits früher angegeben, daß bei fortgeſetzter Drehung des Huf-

Figure 219. Fig. 219.

Commutator.


eiſenmagnetes im ſelben Sinne bei einer vollen
Umdrehung des Magnetes ein Annähern ſeiner
Pole an die Eiſenſtücke a und b und ein Ent-
fernen von letzteren zweimal ſtattfindet. Es muß
deshalb auch die Richtung der in der Spirale
inducirten Ströme zweimal bei jeder Umdrehung
wechſeln.


Will man die in der Maſchine erzeugten
Ströme außerhalb derſelben verwenden, ſo wird
der fortwährende Wechſel ihrer Richtung für
viele Zwecke ſtörend ſein. Um dieſen Uebelſtand
zu beſeitigen, hat deshalb Pixii ſeine Maſchine
mit einem Stromwender oder Commutator ver-
ſehen. Dieſem fällt die Aufgabe zu, die Ableitung
der in der Maſchine erzeugten Ströme ſtets ſo zu
reguliren, daß ſie in immer gleicher Richtung den
äußeren Stromkreis durchfließen.


Ein ſolcher Commutator iſt in Fig. 219
ſchematiſch dargeſtellt. Auf der Rotationsaxe A
des Hufeiſenmagnetes iſt ein Cylinder aus iſo-
lirendem Materiale aufgeſetzt, deſſen Außenſeite
mit Metall, alſo einem guten Leiter, bekleidet wird.
Dieſer Metallmantel beſteht jedoch nicht aus einem Stücke, ſondern iſt durch eine
iſolirende Zwiſchenſchicht in zwei Theile M1 und M2 getheilt. Zwei auf dem Um-
fange ſchleifende Metallfedern F1F2 leiten die in der Spirale S inducirten Ströme
in den Commutator, zwei ſolche Federn f1f2 dienen dazu, die Ströme in den
äußeren Stromkreis zu führen. Da die Commutatorſcheibe an der Axe des rotirenden
Hufeiſenmagnetes feſtſitzt, muß ſie auch ſeine Umdrehungen mitmachen, indeß die
vier Schleiffedern über den Umfang der Scheibe gleiten. Die Figur läßt erkennen,
daß hierbei jene Federn (F1F2), welche die in der Spirale inducirten Ströme
zum Commutator leiten, während der ganzen Umdrehung auf einem und demſelben
Theile des Metallmantels ſchleifen, indes für die Federn, welche die Ableitung
der Ströme in den äußeren Stromkreis zu beſorgen haben, verſchiedene Stadien zu
unterſcheiden ſind. Ein Blick auf die Figur lehrt, daß die letztgenannten Federn
untereinander abwechſelnd einmal auf dem oberen und darauf auf dem unteren Theile
des Metallmantels ſchleifen müſſen und zwiſchen dieſem Wechſel den kurzen verti-
[343] calen Iſolationsſtreifen (in der Figur ſchwarz gezeichnet) zu paſſiren haben. Sind
die Federn richtig geſtellt, ſo werden ſie gerade in jenem Augenblicke die iſolirende
Schicht paſſiren, alſo die mit ihnen in Berührung ſtehenden Metalltheile wechſeln,
in welchen die Stromrichtung in der Inductionsſpirale wechſelt. Dieſe wechſelt nun,
wie früher gezeigt wurde, bei einer vollen Umdrehung des Hufeiſenmagnetes zweimal,
und ebenſo gelangt jede der Federn f1 und f2 bei einer vollen Umdrehung der
Commutatorſcheibe zweimal auf iſolirende Zwiſchenſchichten.


Es wechſeln alſo ſtets gleichzeitig die Stromrichtung in der Inductionsſpirale
und die Metallſtücke des Commutators, mit welchem die Ableitungsfedern f1
und f2 in Berührung ſtehen. Daraus iſt leicht einzuſehen, daß dieſer immer gleich-
zeitig eintretende doppelte Wechſel eine un-
veränderte Richtung der Ströme in dem
äußeren Stromkreiſe s zur Folge haben muß.


Fig. 220 giebt in perſpectiviſcher An-
ſicht ein Bild der Geſammtanordnung der
von Pixii conſtruirten Maſchine. Zwei verti-
cale Säulen ſind oben durch eine Traverſe
verbunden, welche die mit Eiſenkernen ver-
ſehenen Inductionsſpulen trägt. Unter dieſen
wird ein aus mehreren Lamellen zuſammen-
geſetzter, kräftiger Hufeiſenmagnet mit Hilfe
zweier Zahnräder und einer Kurbel um eine
verticale Axe in Drehung verſetzt. An letzterer
iſt der vorbeſchriebene Commutator angebracht,
an deſſen Umfange die Strom zu- und ab-
leitenden Federn ſchleifen. Die Maſchine litt an
dem Uebelſtande, daß bei ihr die ſchwere
Eiſenmaſſe des Magnetes in Drehung verſetzt
werden mußte, was namentlich bei Maſchinen
größerer Dimenſionen erhebliche Schwierig-
keiten verurſachen müßte.


Im ſelben Jahre, als Pixii ſeine
Maſchine conſtruirte, übergab auch Ritchie
die Beſchreibung einer ſolchen der königlichen

Figure 220. Fig. 220.

Maſchine von Pixii.


Geſellſchaft in London (22. März 1833), und ebenfalls im Jahre 1833 wurde die
Maſchine von Saxton ausgeſtellt. Veröffentlicht wurde die Beſchreibung der
letzteren erſt im Jahre 1836, gleichzeitig mit jener einer Maſchine von Clarke.
Dieſe Maſchinen beſaßen jedoch nichts weſentlich Neues. Es wurde der per-
manente Hufeiſenmagnet feſtgeſetzt und vor ſeinen Polen, beziehungsweiſe zwiſchen
ſeinen Polen ließ man die Inductionsſpulen rotiren. Die Reſultate, welche mit dieſen
Maſchinen erzielt wurden, waren daher auch noch ſehr wenig befriedigend.


Bedeutend günſtigere Reſultate gaben die größeren Maſchinen von Stöhrer
(1843), welcher mehrere, ſehr große und kräftige zuſammengeſetzte Magnete anwandte
und dicht über deren Polen ein Syſtem von Spulen raſch rotiren ließ. In der
durch Fig. 221 dargeſtellten Maſchine rotiren ſechs Drahtſpulen über den Polen
dreier magnetiſcher Magazine. Hierbei iſt die Drahtführung in den Spulen eine
derartige, daß bei jeder Annäherung der Spulen an die Magnetpole in allen
Spiralen Ströme einer Richtung entſtehen und zuſammen einen Summationsſtrom
[344] geben. Ebenſo entſtehen beim Entfernen der Spulen von den Magnetpolen ſich
zu einem Geſammtſtrome ſummirende Entfernungsſtröme. Die Richtung der ſum-
mirten Näherungsſtröme iſt natürlich entgegengeſetzt der Richtung der ſummirten
Entfernungsſtröme. Sie werden in Ströme einer Richtung durch Anwendung des
Commutators a d gebracht.


Die den früher conſtruirten Maſchinen überlegene Wirkung, welche Stöhrer
durch Vermehrung der Magnete und Spulen erzielt hatte, war die Veranlaſſung,
daß man auf dieſem Wege fortfuhr, eine weitere Vervollkommnung der Maſchinen
anzuſtreben. Zunächſt waren es Nollet (1849) und Shephard (1856), welche
eine bedeutend größere Anzahl von Spulen und Magneten zur Conſtruction ihrer
Maſchinen benützten. Der durch Van Malderen modificirten Maſchine des Letzteren,
welche unter dem Namen Alliance-Maſchine bekannt wurde, gelang es auch

Figure 221. Fig. 221.

Maſchine von Stöhrer.


bereits, zur praktiſchen An-
wendung im größeren Maß-
ſtabe zu gelangen; ſie behauptet
ſich hierin auch gegenwärtig
noch in einzelnen Fällen und
wird daher bei Betrachtung
der jetzt gebräuchlichen Ma-
ſchinen beſchrieben werden.


Einen ganz anderen
Weg zur Vervollkommnung
der Maſchinen ſchlug Dr.
Werner Siemens ein.
Geleitet von dem Gedanken,
daß die inducirende Wirkung
der Magnete nur dann voll-
kommen ausgenützt werden
kann, wenn man die Induc-
tionsſpulen den Magnetpolen
möglichſt nahe bringt und ſo
gegen die Spulen anordnet,
daß ein möglichſt großer Theil
derſelben der inducirenden
Wirkung ausgeſetzt iſt, gelangte er im Jahre 1857 zur Conſtruction der Cylinder-
Armatur
. Dieſe beſteht in ihrer einfachſten Form aus einem eiſernen Cylinder, der
an zwei einander gegenüberliegenden Längsſeiten derart ausgeſchnitten iſt, daß der
Querſchnitt des Cylinders die Form eines doppelten T annimmt (Fig. 222 a). Die
volle Geſtalt des Cylinders wird dadurch wieder hergeſtellt, daß man die an den Seiten
gebildeten Nuthen mit zur Axe des Cylinders parallelen Windungen eines iſolirenden
Kupferdrahtes ausfüllt (Fig. 222 b). Die parallel nebeneinander aufgeſtellten
Hufeiſenmagnete (Fig. 222 c) ſind an ihren Polen N S kreisförmig ausgeſchnitten
und bilden ſo einen cylindriſchen Hohlraum, in welchem ſich die Cylinder-Armatur mit
geringem Spielraume drehen kann. Durch dieſe Anordnung wird die Drahtſpirale
der ſtärkſten magnetiſchen Einwirkung ausgeſetzt und erfährt hierdurch die kräftigſte
Induction. Durch dieſe Conſtruction erzielte Siemens bereits bei kleineren Dimen-
ſionen ſtärkere Ströme, als bei den früher erwähnten Maſchinen erhalten werden
konnten.


[345]

Fig. 223 ſtellt eine ſolche kleine Siemens-Maſchine dar. A ſind die vertical
geſtellten Stahlmagnete, zwiſchen deren kreisförmig ausgeſchnittenen Polen bei E der
Cylinder mit Hilfe des Rades B in raſche Rotation geſetzt werden kann. x y ſind
die Drähte, durch welche die Inductionsſtröme in den äußeren Stromkreis geleitet
werden. Die Maſchine beſitzt
nicht nur den bereits angegebenen
Vorzug, daß die Drahtwindun-
gen einer kräftigen inducirenden
Wirkung ausgeſetzt werden, ſon-
dern auch den, daß die Dauer
der Stromunterbrechung (der
Zeitraum von einer bis zur
nächſten Induction) ſehr verkürzt
erſcheint. Die Maſchine wurde
noch weiter vervollkommnet und
ſteht zum Theile heute noch,
z. B. bei den Siemens’ſchen
Läute-Inductoren, in Ver-
wendung.


Wir wollen hier eines
Vorſchlages gedenken, der ſchon
im Jahre 1851 von Sinſteden
gemacht wurde und die Erregung
kräftiger Inductionsſtröme be-
zweckte, aber längere Zeit hin-
durch keine weitere Beachtung
fand. Sinſteden beſchrieb nämlich
in Poggendorff’s Annalen eine
der Clarke’ſchen ähnliche Maſchine
und bemerkte hierzu, daß die
Ströme, welche durch Einwir-
kung permanenter Stahlmagnete
auf bewegte Drahtſpulen in dieſen
inducirt werden, zur Erregung
von Elektromagneten benützt,
ſolche von bedeutend größerer
Kraft geben, als ſie die perma-
nenten Magnete beſitzen. Läßt
man dann neuerdings vor dieſen
kräftigen Elektromagneten Induc-
tionsſpiralen ſich bewegen, ſo
erhält man Inductionsſtröme von
geſteigerter Kraft. Dieſes Ver-

Figure 222. Fig. 222.

Cylinder-Armatur.


Figure 223. Fig. 223.

Siemens’ſche Maſchine.


halten gewähre daher ein Mittel, mit einem einzigen permanenten Magnete durch
mehrmalige Wiederholung des eben angegebenen Verfahrens ſehr kräftige Induc-
tionsſtröme zu erhalten.


Bedeutend ſpäter, nämlich im Jahre 1864, nahm Wilde dieſe Idee wieder
auf und conſtruirte die in Fig. 224 abgebildete Maſchine. Dieſe beſteht, wie der
[346] erſte Blick auf die Zeichnung lehrt, aus zwei übereinander geſtellten Siemens’ſchen
Maſchinen I und II. Die permanenten Magnete M M der Maſchine I erregen
durch ihre Halbanker c c in der Cylinder-Armatur n Ströme, welche durch die
Klemmen a und b in die Drahtwindungen der Elektromagnete E E der Ma-
ſchine II geleitet werden. Zwiſchen den Halbankern K K dieſer Magnete rotirt
abermals eine Cylinder-Armatur m.


Figure 224. Fig. 224.

Maſchine von Wilde.


Die Wirkungen, die
mit dieſer Maſchine erzielt
wurden, übertrafen alle bis-
her erhaltenen Reſultate um
ein Bedeutendes. Die praktiſche
Verwerthung ließ daher auch
nicht lange auf ſich warten.
Elkington benützte die Ma-
ſchine in ſeiner galvanoplaſti-
ſchen Fabrik zu Birmingham
zur Darſtellung galvanoplaſti-
ſcher Niederſchläge, andere ge-
brauchten ſie zur Erzeugung
elektriſchen Lichtes in photo-
graphiſchen Ateliers oder zur
Darſtellung von Ozon für
Bleichzwecke u. ſ. w. Wilde’s
Maſchine zeigt jedoch einen be-
deutenden Uebelſtand, der um
ſo ſtörender auftrat, je länger
die Maſchine in Gang war;
dieſer beſtand nämlich in der
ſtarken Erhitzung der Eiſen-
maſſen, welche eine erhebliche
Stromſchwächung bewirkte und
ſo die Erregung gleich ſtark
bleibender Ströme unmöglich
machte.


Eine mächtige Förde-
rung wurde der Entwicklung
der elektriſchen Maſchinen
durch die Entdeckung des
dynamiſchen Principes
von Dr. Werner Siemens einerſeits und durch die Conſtruction der Ring-
Armatur
von Pacinotti andererſeits zu Theil. Hierdurch erhielten die Maſchinen
überhaupt jene Leiſtungsfähigkeit, durch welche ſie heute zu ſo hoher Bedeutung
gelangt ſind.


Beſchäftigen wir uns zunächſt mit dem dynamiſchen Principe. Wie es bei
großen Entdeckungen ſo häufig der Fall iſt, ging es auch hier: Siemens hatte
Vorläufer, die ſeine epochemachende Entdeckung zwar nicht in der klaren und un-
zweideutigen Weiſe öffentlich ausſprachen, wie es Siemens that und wie es zur
Feſtſtellung einer Priorität ſtrenge gefordert werden muß, die aber immerhin
[347] darauf Anſpruch erheben können, in der Geſchichte der Erfindungen genannt zu
werden.


Darnach haben wir zuerſt den Dänen Soren Hjorth zu nennen. Die
Zeitſchrift „La lumière électrique“ (T. VII und VIII) theilt diesbezüglich ein
am 14. October 1854 genommenes Patent mit, in welchem Hjorth eine Maſchine
beſchreibt, bei welcher permanente Magnete auf die rotirende Armatur inducirend
wirken und die hierdurch erhaltenen Inductionsſtröme dazu benützt werden, Elektro-
magnete zu erregen, welche gleichfalls auf dieſelbe Armatur inducirend einwirken. In
einem im darauffolgenden Jahre (1855) genommenen Patente erklärt Hjorth die
Wirkungsweiſe ſeiner verbeſſerten Maſchine in nachſtehender Weiſe: Die perma-
nenten Magnete wirken auf die Armaturen, welche hintereinander zwiſchen den
Polen durchgehen, indem ſie einen Strom in den Spulen der Armaturen induciren;
dieſer Strom fließt, nachdem er durch die Commutatoren gleichgerichtet iſt, um
die Elektromagnete, erregt dieſe und wirkt auf die Armaturen: durch dieſe gegen-
ſeitige Wirkung der Elektromagnete und der Armaturen erhält man eine wachſende
Kraft, durch welche elektriſche Ströme erregt werden, die an Intenſität und
Quantität jene weit übertreffen, welche man bisher durch irgend ein beliebiges
Mittel erhalten konnte. Der Beſchreibung der Maſchine fügt Hjorth noch die
Bemerkung bei: Die permanenten Magnete können ebenſo wie die Elektromagnete
umwunden ſein, was den Vortheil mit ſich bringt, die Permanenz ihres Magnetis-
mus beſſer zu ſichern.


Da man unter dem dynamiſchen Principe die Erregung ſtarker elektriſcher
Ströme nicht unter Anwendung permanenter Magnete, ſondern ausſchließlich mit
Hilfe des ſchwachen im Eiſen zurückgebliebenen remanenten Magnetismus durch
Rotation, alſo Arbeitsaufwand, verſteht, ſo wird man aus den citirten Patent-
beſchreibungen erſehen, daß Hjorth der Entdeckung des dynamiſchen Princips zwar
ſehr nahe kam, ſelbe aber doch nicht für ſich in Anſpruch nehmen kann, weil eben
permanente Magnete noch einen weſentlichen Beſtandtheil ſeiner Maſchine bilden,
was namentlich aus der der Patentbeſchreibung beigefügten Zeichnung erſichtlich
iſt. Fig. 225 iſt die der oben citirten Zeitſchrift entlehnte Skizze. A A ſtellen die
permanenten Magnete, B B die Elektromagnete und C C die Inductionsſpulen,
welche zwiſchen den Magnetpolen in Rotation geſetzt werden, dar.


Gegen die Zuerkennung der Priorität an Soren Hjorth ſpricht auch noch
ein anderer Umſtand. In der Wiſſenſchaft gilt, wie Siemens in einem an den
Verein deutſcher Ingenieure gerichteten Briefe ganz richtig bemerkt, der allgemein
angenommene, von Arago beantragte und von der franzöſiſchen Akademie adoptirte
Grundſatz, daß ein Prioritätsrecht Demjenigen zuſteht, der einen neuen Gedanken
zuerſt in klarer, verſtändlicher Weiſe durch den Druck oder Mittheilung an eine
Akademie oder Geſellſchaft, welche ihre Verhandlungen publicirt, veröffentlicht hat.
Es iſt klar, daß die Beſchreibung der Maſchine von Hjorth in einem Patent-
geſuche dieſer Anforderung nicht entſpricht.


Ebenſo verhält es ſich mit den Prioritätsanſprüchen, welche man für Varley
geltend zu machen ſuchte. Dieſe Anſprüche gründen ſich auf eine proviſoriſche
Specification vom 24. December 1866, welche im engliſchen Patentamte nieder-
gelegt wurde. Sie wurde beiläufig ein Jahr nach der durch Siemens erfolgten
Veröffentlichung des dynamiſchen Princips erſt bekannt. Varley’s Maſchine beſtand
aus hufeiſenförmigen Elektromagneten, zwiſchen deren Schenkel ſich Elektromagnete
drehen. Die Drähte der letzteren ſind unter Vermittlung eines Commutators mit
[348] den erſterwähnten Elektromagneten verbunden. Die fixen Elektromagnete hatten
Kerne aus weichem Eiſen. Die Erfinder (Varley und ſein Vater) ſagten, man
müſſe zuerſt in den Drähten dieſer Elektromagnete einen Strom durch eine leichte
Magnetiſirung der Eiſenkerne erregen, um den erſten zum Ingangſetzen der Maſchine
nothwendigen Inductionsſtrom zu erhalten.


Die Priorität der Entdeckung des dynamiſchen Princips wurde ferner für
Ch. Wheatſtone reclamirt. Allerdings wurden die Maſchinen von Siemens und
von Wheatſtone in derſelben Sitzung der Royal Society (am 14. Februar 1867)
vorgezeigt und durch Vorträge erläutert. Siemens hatte jedoch ſchon am 17. Januar
1867 eine Abhandlung unter dem Titel: „Ueber die Umwandlung von Arbeits-
kraft in elektriſchen Strom ohne Anwendung permanenter Magnete“ der Berliner
Akademie überreicht. Siemens weiſt in dieſer Abhandlung darauf hin, daß die
Bewegung ſtromdurchfloſſener Theile eines und desſelben Stromkreiſes voneinander
oder gegeneinander eine Verſtärkung oder Schwächung des Stromes zur Folge
hat, je nachdem die Bewegung im Sinne der von den Strömen ausgeübten In-
ductionswirkungen oder im entgegengeſetzten Sinne ſtattfindet. Dieſe Wirkung wird
verſtärkt, wenn jene Theile des Stromkreiſes um Eiſenkerne geführt ſind, d. h. wenn

Figure 225. Fig. 225.

Maſchine von Hjorth.


Elektromagnete die bewegten Theile ſind. Solche Fälle treten bei den elektriſchen
Maſchinen ein. Wird eine derartige Maſchine durch Einleiten eines Stromes in
Bewegung geſetzt,*) ſo werden durch die Bewegung der ſtromdurchfloſſenen Theile
gegeneinander Ströme inducirt, welche eine dem treibenden Batterieſtrome ent-
gegengeſetzte Richtung beſitzen. Dieſe Ströme ſchwächen natürlich den Batterieſtrom
und daher kommt es auch, daß elektromagnetiſche Motoren nicht mit gutem Erfolge
durch galvaniſche Batterien betrieben werden können.


Wird hingegen die Maſchine durch mechaniſche Kraft gezwungen, ſich in
umgekehrter Richtung zu bewegen, ſo müſſen offenbar jetzt die bei Annäherung
und Entfernung der Maſchinentheile inducirten Ströme dieſelbe Richtung wie der
Batterieſtrom beſitzen, ſie müſſen alſo dieſen verſtärken. Es wirkt dann ein ver-
ſtärkter Strom auf die Magnete, daher ein kräftigerer Magnetismus auf die In-
[349] ductionsſpulen, folglich muß die Stärke der von der Maſchine gelieferten Induc-
tionsſtröme wachſen, dann abermals die magnetiſche Kraft erhöhen u. ſ. w. Man
wird dann die galvaniſche Batterie ganz ausſchalten können und doch Inductions-
ſtröme bedeutender Stärke von der Maſchine erhalten, ſo lange die Rotation
andauert. Mit Beendigung dieſer verſchwindet aber auch der Magnetismus der
Elektromagnete.


„Der geringe Grad von Magnetismus,“ heißt es dann in der genannten
Abhandlung, „welcher auch im weichen Eiſen ſtets zurückbleibt, genügt aber, um

Figure 226. Fig. 226.

Dr. Werner Siemens.


bei wieder eintretender Drehung das progreſſive Anwachſen des Stromes im
Schließungskreiſe von neuem einzuleiten. Es bedarf daher nur eines einmaligen
kurzen Stromes einer Kette durch die Windungen des feſten Elektromagnetes, um
den Apparat für alle Zeit leiſtungsfähig zu machen.“


Siemens erklärt dann, daß dieſes Verhalten zwar bei jeder elektromagnetiſchen
Maſchine eintritt, wenn dieſe auf Anziehung und Abſtoßung von Elektromagneten
gegründet iſt, deren Windungen Theile eines und desſelben Stromkreiſes ſind,
daß aber zur Herſtellung von Maſchinen großer Leiſtungsfähigkeit gewiſſe Regeln
zu beachten ſind. Auch dieſe wurden in der erſten Abhandlung bereits klar aus-
einandergeſetzt, und hierauf fährt Siemens fort:


[350]

„Mit Hilfe einer derartig eingerichteten Maſchine kann man, wenn die Ver-
hältniſſe der einzelnen Theile richtig beſtimmt ſind und der Commutator richtig
eingeſtellt iſt, bei hinreichend ſchneller Drehung in geſchloſſenen Leitungskreiſen von
geringem unweſentlichen Widerſtande Ströme von ſolcher Stärke erzeugen, daß die
Umwindungsdrähte der Elektromagnete durch ſie in kurzer Zeit bis zu einer Tem-
peratur erwärmt werden, bei welcher die Umſpinnung derſelben verkohlt.“


Auch die hohe Bedeutung der Entdeckung wurde von Siemens ſofort er-
kannt, wie aus nachſtehenden Schlußworten erhellt: „Der Technik ſind gegenwärtig
die Mittel gegeben, elektriſche Ströme von unbegrenzter Stärke auf billige und
bequeme Weiſe überall zu erzeugen, wo Arbeitskraft disponibel iſt. Dieſe Thatſache
wird auf mehreren Gebieten derſelben von weſentlicher Bedeutung werden.“


Die Priorität der Entdeckung des dynamiſchen Princips iſt ſomit unzweifel-
haft Werner Siemens zuzuſchreiben. Ernſt Werner Siemens wurde zu
Lenthe bei Hannover am 13. December 1816 geboren, beſuchte die Artillerie-
und Ingenieurſchule zu Berlin und wurde im Jahre 1838 Artillerie-Officier. Früh-
zeitig wandte er dem Studium der mathematiſch-phyſikaliſchen Fächer und der

Figure 227. Fig. 227.

Dynamoelektriſche Maſchine von Siemens.


Chemie beſondere Aufmerk-
ſamkeit zu. In Folge ein-
gehender Studien der elektro-
magnetiſchen Telegraphie,
welchen er ſich in der Artillerie-
werkſtätte zu Berlin widmete,
wurde er im Jahre 1847
der Commiſſion zur Ein-
führung der elektriſchen Tele-
graphie in Preußen zugetheilt.
Durch ihn wurden im Jahre
1848 die erſten unterſeeiſchen
Minen mit elektriſcher Zün-
dung im Kieler Hafen gelegt,
und ebenſo die unterirdiſchen
Telegraphen-Leitungen von
Berlin nach Aachen und Frankfurt. Im Jahre 1848 trat Siemens aus der
Armee aus und gründete mit dem Mechaniker Halske in Berlin eine Telegraphen-
bau-Anſtalt, die ſich, wie bekannt, in kurzer Zeit zu einem Fabriks-Etabliſſement
erſten Ranges erhob. W. Siemens wurde gelegentlich des Jubiläums der Berliner
Univerſität zum Dr. phil. und im Jahre 1872 zum ordentlichen Mitgliede der
Berliner Akademie ernannt.


Die Zahl ſeiner wiſſenſchaftlichen und praktiſchen Erfindungen und Entdeckungen
iſt eine außerordentlich große. Schon im Jahre 1841 nahm er ein Patent auf
galvaniſche Verſilberung und Vergoldung; weitere Arbeiten ſind: das elektriſche
Chronoſkop, über die Flaſchenladung ſubmariner Kabel, Aufſuchung der Fehler
und Beſchädigungen unzugänglicher Telegraphenleitungen, das Syſtem ſelbſtthätiger
Zeiger- und Typendrucktelegraphen, die Herſtellung reconſtruirbarer Widerſtandsmaße,
des elektromagnetiſchen Gegenſprechers, der elektriſchen Magnet-Inductoren, Waſſer-
ſtandszeiger, des Abſtimmungstelegraphen, des Selenphotometers, Herſtellung von
Meßinſtrumenten, Verbeſſerungen an Apparaten zur elektriſchen Beleuchtung, Kraft-
übertragung u. ſ. w. Die Aufzählung aller Arbeiten, die Siemens ſelbſt geliefert
[351] hat oder die der Firma Siemens und Halske zu verdanken ſind, würde uns hier
zu weit führen.


Fig. 227 ſtellt die
dynamiſche Maſchine von
Siemens in einfachſter Form
dar. An die verticale Eiſen-
platte P ſind zwei horizon-
tale ebenſolche Platten an-
geſchraubt und mit einigen
Lagen eines überſponnenen
Kupferdrahtes umwunden;
letztere bilden ſomit die
Schenkel E E eines hufeiſen-
förmigen Elektromagnetes,
deſſen oberer Pol bei N ſicht-
bar iſt. Zwiſchen den halb-
cylindriſch ausgehöhlten Polen
dieſes Elektromagnetes be-
findet ſich die Cylinder-
Armatur n. Dieſelbe kann um
die horizontale Axe A in raſche
Rotation verſetzt werden. Das
eine Ende der Armaturwin-
dungen iſt mit der Axe A,
das andere mit einem auf der
Axe iſolirt aufgeſetzten Metall-
cylinder leitend verbunden.
Auf der Axe ſchleift die mit
der Klemmſchraube b verbun-
dene Metallfeder 2, auf dem
iſolirten Metallcylinder die
mit a in Verbindung ſtehende
Feder 1. Die Drähte c und d
verbinden die beiden Klemm-
ſchrauben mit den Draht-
windungen des Elektromagne-
tes und vereinigen hierdurch
die Drahtwindungen der
Armatur mit jenen der Elek-
tromagnete zu einem ununter-
brochenen Stromkreis.


Zur Erklärung der
Wirkungsweiſe der Siemens-
ſchen dynamoelektriſchen Ma-
ſchine möge Fig. 228 dienen.

Figure 228. Fig. 228.

Cylinder-Armatur von Siemens.


Die halbcylindriſch ausgehöhlten Pole N N und S der Elektromagnetſchenkel E E
ſind, um die Cylinder-Armatur ſichtbar zu machen, nur punktirt gezeichnet. Die
Cylinder-Armatur ſelbſt beſitzt der Deutlichkeit wegen nur eine Drahtwindung und
[352] läßt die Verbindungsweiſe der letzteren mit der Axe A X, beziehungsweiſe dem
iſolirt aufgeſetzten Metallcylinder M deutlich erkennen. In dieſer (Fig. 228) ſowie
auch in der vorhergehenden Figur (227) iſt keine Vorrichtung gezeichnet, um
den in der Armatur erregten Strömen wechſelnder Richtung ein und dieſelbe
Richtung zu geben, bevor ſie in die Drähte c d gelangen. Auch dies iſt der Ueber-
ſichtlichkeit wegen geſchehen.


Rotirt die Armatur in der Richtung des Pfeilers bei X um die Axe A X,
ſo nähert ſich s s der oberen Platte N N des Elektromagnetes E und n n der
unteren Platte S derſelben. Hat man durch die Drahtwindungen des Elektro-
magnetes für kurze Zeit einen Batterieſtrom geleitet, ſo bleibt im Elektromagnete
remanenter Magnetismus zurück, nehmen wir an, in der oberen Platte Nord-
magnetismus, in der unteren Südmagnetismus. Dieſer remanente Magnetismus
wirkt dann auf die Eiſenmaſſe der Armatur und muß in dem Cylinderabſchnitte s s
Südmagnetismus, in dem Cylinderabſchnitte n n Nordmagnetismus nach den uns
bekannten Geſetzen erregen. Nun wiſſen wir aber, daß entſtehender Magnetismus
in benachbarten Leitern Ströme erregt, deren Richtung entgegengeſetzt iſt jener,
welche die Ampère’ſchen Ströme beſitzen, die wir uns im Magnete denken können.
Blicken wir in der Richtung der Bewegung der Armatur auf dieſe, ſo haben hier
in s s die Ampère’ſchen Ströme die Richtung der Uhrzeigerbewegung. Sie ver-
laufen alſo, wenn wir uns eine Taſchenuhr mit ihrem Zifferblatte gegen B ge-
wandt vorſtellen, an der oberen Kante von s s in der Richtung von rückwärts
nach vorne, folglich muß der Inductionsſtrom in der Drahtwindung auf deren
oberen Hälfte von vorne nach rückwärts verlaufen. Am unteren Theile der
Uhr bewegt ſich der Zeiger von vorne nach rückwärts, folglich der Strom in
dem unteren (gedeckten) Theile der Drahtwindung von rückwärts nach vorne.
Dieſe Stromrichtungen ſind in der Zeichnung durch beigeſetzte Pfeile erſichtlich
gemacht.


Dasſelbe Reſultat erhalten wir bei Betrachtung der Einwirkung des bei n n
entſtehenden Nordmagnetismus auf die Drahtwindung. Bei n n haben die Ampère-
ſchen Ströme eine Richtung, welche der Uhrzeigerbewegung entgegengeſetzt iſt. (Wir
haben uns nun die Uhr mit ihrer rückwärtigen Fläche auf n n gelegt zu denken.)
Es verläuft daher der Inductionsſtrom im Sinne der Uhrzeigerbewegung, wie
dies auch die Pfeile anzeigen.


Der remanente Magnetismus in N N und S erregt alſo einen ſchwachen
Magnetismus in s s, n n und durch dieſen wird in der Drahtwindung oder in
Wirklichkeit in den Drahtwindungen der Armatur ein Inductionsſtrom von be-
ſtimmter Richtung hervorgerufen. Dieſer gelangt in Folge der durch die Federn 1
und 2 hergeſtellten Verbindung in die Drahtwindungen des Elektromagnetes E E
und regt dieſen an. Bei N N und S wirkt nunmehr nicht nur der remanente
Magnetismus, ſondern auch noch der durch den ſchwachen Inductionsſtrom erregte
Elektromagnetismus, d. h. die Kraft des Elektromagnetes E E iſt verſtärkt worden.
Dem entſpricht natürlich auch eine verſtärkte Wirkung auf die Armatur, in welcher
nun Inductionsſtröme von erhöhter Stärke auftreten müſſen. Da dieſe neuerdings
in die Drahtwindungen der Elektromagnetſchenkel gelangen, ſo wird die Kraft des
Magnetes abermals erhöht u. ſ. w. Die Wechſelwirkung zwiſchen Magnet und
Armatur hat ein progreſſives Anwachſen des Stromes bis zu einer Stärke zur
Folge, deren Höhe von der Conſtruction der Maſchine und der Rotations-
geſchwindigkeit abhängt.


[353]

Wir haben bis jetzt die Wirkungsweiſe der Maſchine immer nur für eine
beſtimmte Lage des Cylinders während ſeiner Rotation betrachtet, haben daher
noch die übrigen Stadien zu erörtern. Das oben Geſagte hat offenbar ſo lange
Geltung, als s s unter der Einwirkung von N N und n n unter jener von S
ſteht. Bei Fortſetzung der Drehung gelangen dann s s ebenſowohl als n n in den
Zwiſchenraum zwiſchen N N und S, d. h. in eine Lage, in welcher ſich die
magnetiſirende Wirkung von S und N nicht geltend machen kann, alſo der Cylinder
unmagnetiſch wird. Hierauf folgt jenes Stadium, bei welchem n n in die Stellung
kommt, die früher s s eingenommen hat, und s s in jene Stellung, die früher n n
eingenommen hat. Es muß alſo jenes Cylinderſtück, welches in der erſten Stellung
Nordmagnetismus erhielt, jetzt Südmagnetismus erhalten; jenes, welches früher
Südmagnetismus zeigte, jetzt Nordmagnetismus bekommen.


Mit dem Eiſencylinder dreht ſich auch die Drahtwindung (oder in Wirklich-
keit drehen ſich die Drahtwindungen) und daher wird der früher gedeckt geweſene,
mit dem Metallcylinder M in Verbindung ſtehende Theil jetzt ſichtbar werden oder
nach oben gelangen und der zur Axe A X führende Theil nach unten kommen,
wie dies in dem getrennt gezeichneten Theile der Fig. 228 zu erkennen iſt. Die
Inductionsvorgänge ſind bei dieſer Stellung des Cylinders natürlich genau die-
ſelben wie in der erſten Stellung, da der Cylinder vollkommen ſymmetriſch gebaut
iſt. Der einzige Unterſchied beider Stellungen beſteht darin, daß jetzt die mit dem
Metallcylinder M in Verbindung ſtehenden Drahtlagen nach oben gekommen ſind.
Dies hat zur Folge, daß im erſten Falle der Inductionsſtrom von M über 1
nach d und von c über 2 nach a fließt, während er im letzterwähnten Stadium
der Cylinderdrehung den umgekehrten Weg einſchlagen muß, nämlich von a über 2
nach c und von d über 1 nach M.


Es ergiebt ſich daher aus der Betrachtung einer vollen Umdrehung der
Cylinderarmatur, daß, wenn wir die zuerſt behandelte Stellung als Beginn der
Bewegung auffaſſen, zunächſt in den Drahtwindungen der Armatur Ströme einer
Richtung inducirt werden, hierauf eine Stellung folgt, in welcher die Drähte
ſtromlos ſind, dann abermals Ströme inducirt werden, aber von der entgegen-
geſetzten
Richtung, dann neuerdings die Stromerregung unterbrochen wird und
ſchließlich wieder Inductionsſtröme der erſten Richtung auftreten.


Soll daher die Maſchine als dynamoelektriſche fungiren, alſo der Elektro-
magnet nicht durch eine eigene Stromquelle, ſondern durch den in der Armatur
ſelbſt erzeugten Strom erregt werden, ſo muß mit der Maſchine offenbar ein
Commutator verbunden ſein, durch deſſen Vermittlung die Inductionsſtröme ſtets
in einer und derſelben Richtung durch die Drahtwindungen des Elektromagnetes
geſandt werden, da nur unter dieſer Bedingung der Magnetismus eine progreſſive
Steigerung erfahren kann.


Es muß noch die Frage beantwortet werden, wieſo es kommt, daß der
Magnetismus zunimmt, trotzdem die Maſchine keinen continuirlichen, ſondern
nur einzeln aufeinanderfolgende Ströme durch die Drahtwindungen des Elektro-
magnetes ſendet und, wie wir wiſſen, der Magnetismus eines weichen Eiſens ver-
ſchwindet, ſobald der ihn erregende Strom unterbrochen wird. Würde der in den
Eiſenplatten des Elektromagnetes erregte Magnetismus mit dem Aufhören des
Stromes momentan erlöſchen, ſo wäre die früher geſchilderte Wirkungsweiſe der
Maſchine allerdings unmöglich. Nun verſchwindet aber der in einem Eiſen erregte
Magnetismus in Folge der Trägheit der Eiſenmoleküle thatſächlich nicht momentan
Urbanitzky: Elektricität. 23
[354] und überdies iſt durch geringen Zwiſchenraum zwiſchen den beiden Polen des
Magnetes und durch die raſche Rotation des Cylinders die Unterbrechungsdauer
ſo ſehr verkürzt, daß der Elektromagnet die ihm von einem Inductionsſtrome er-
theilte Kraft noch nicht verloren hat, bis der darauffolgende Inductionsſtrom durch
ſeine Drahtwindungen kreiſt.


So vortheilhaft dieſes Verhalten des Eiſens für die Wirkungsfähigkeit der
Elektromagnete iſt, ſo nachtheilig wird es im Eiſen des rotirenden Cylinders.
Dieſer muß, wie bereits gezeigt wurde, ſeine Polarität fortwährend wechſeln, und
dies giebt Veranlaſſung zu oft ſehr bedeutender Erhitzung.


Nach einer an die Royal Society am 14. März 1867 gerichteten Mittheilung
Ladd’s erhielt dieſer im Jahre 1864 eine Maſchine von Wilde und beſtrebte
ſich, dieſe zu verbeſſern. Hierbei machte ſein Aſſiſtent Tisley die Bemerkung: „Man
könne die Armatur mit doppelten Windungen verſehen und dann den in einem
Theile dieſer Windungen erzeugten Strom zur Erregung der Elektromagnete be-

Figure 229. Fig. 229.

Maſchine von Ladd.


nützen, den in dem anderen
Theile erzeugten Strom hin-
gegen im äußeren Strom-
kreis verwenden.“ Die praktiſche
Ausführung dieſer Idee unter-
blieb jedoch, bis Ladd, durch
die Publicationen von Siemens
und Wheatſtone neuerdings
darauf aufmerkſam gemacht,
die in Fig. 229 dargeſtellte
Maſchine conſtruirte und mit
ihr bei der Pariſer Aus-
ſtellung im Mai 1867 großes
Aufſehen erregte.


Ladd hatte in dem Pa-
tente, welches er auf dieſe
Maſchine nahm, auch bereits
mitgetheilt, daß die urſprüng-
liche Erregung von Magnetismus durch einen Batterieſtrom unnöthig ſei, daß
vielmehr der in jedem Eiſen vorhandene, wenn auch noch ſo geringe natürliche
Magnetismus ausreiche, um die Maſchine wirkſam zu machen, ſobald die Armaturen
in Rotation verſetzt werden.


Ladd’s Maſchine beſteht aus zwei Elektromagneten und zwei Siemens’ſchen
Cylinderarmaturen. Die beiden Elektromagnete B und D ſind aus flachen Eiſen-
platten gebildet, die an ihren von Drahtwindungen freien Enden (A A) mit halb-
cylindriſch ausgehöhlten Halbankern verſehen ſind. (Die Halbanker des Magnetes
B ſind in der Figur mit den Buchſtaben C C und C' C' bezeichnet.) Die beiden
Cylinderarmaturen tragen bei m und n Commutatoren zur Gleichrichtung der
Ströme. Die Federn F und F' führen zu je zwei Klemmſchrauben. Die Rotation
der Cylinder wird durch eine gemeinſame Transmiſſion bewirkt.


Die Federn F, welche auf der kleineren Cylinderarmatur ſchleifen, ſtehen durch
die dazugehörigen Klemmſchrauben mit den Drahtwindungen der Elektromagnete
B D derart in Verbindung, daß dieſe mit den Drahtwindungen der kleinen Cylinder-
armatur einen geſchloſſenen Stromkreis bilden. Hierbei ſind die Drahtwindungen
[355] der Elektromagnete derart angeordnet, daß ſich bei jeder Cylinderarmatur zwei
entgegengeſetzte Pole gegenüberſtehen. Die rechtsſeitige Hälfte der Ladd’ſchen Maſchine
iſt alſo einfach eine Siemens’ſche dynamoelektriſche Maſchine. Die Ströme, welche
in der linksſeitigen Armatur inducirt werden, finden durch die Federn und Klemm-
ſchrauben bei F' ihre Ableitung in den äußeren Stromkreis und können dort zu
irgend welchen Zwecken, z. B. zur Erregung von Licht (bei H), verwendet werden.


Sobald die Maſchine in Bewegung geſetzt wird, inducirt der remanente
Magnetismus in den beiden Armaturen ſchwache Inductionsſtröme. Die in der
kleinen Armatur n erregten Ströme werden gleichgerichtet und in die Drahtwindungen
der Elektromagnete geleitet, wo ſie den Magnetismus derſelben verſtärken. Hierauf
tritt durch die Wechſelwirkung zwiſchen Armatur und Magnet die uns bereits be-
kannte progreſſive Steigerung der Stromſtärke ein. Während die in der rechts-
ſeitigen Armatur erregten Ströme ausſchließlich für die Elektromagnete verwendet
werden, dienen die in der linksſeitigen Armatur hervorgerufenen Ströme zur Arbeits-
leiſtung im äußeren Stromkreiſe.


Auch die von Tisley ausgeſprochene Idee, nur eine Cylinderarmatur anzu-
wenden, dieſe aber mit zwei voneinander getrennten Drahtlagen zu verſehen, wurde
von Ruhmkorff und Gaiffe ausgeführt. Ferner wurden auch von der Firma
Siemens und Halske Maſchinen mit mehreren Armaturen gebaut, z. B. eine
mit drei wagrechten Elektromagneten und ſechs Cylinderarmaturen. Dieſe Maſchinen
gaben zwar gute Reſultate, litten aber alle an dem Uebelſtande ſtarker Erhitzung.


Obgleich nicht geleugnet werden kann, daß die Entdeckung des dynamiſchen
Principes einen hochwichtigen und weſentlichen Fortſchritt in der Maſchinencon-
ſtruction bedeutet, ſo iſt es auch durch dieſen noch nicht gelungen, der Maſchine
jene außerordentliche Bedeutung zu geben, welche ſie ſich gegenwärtig errungen
hat. Dazu brachten es erſt Pacinotti und Gramme durch Erfindung der Ring-
armatur. Die Priorität dieſer Erfindung gebührt Erſterem, das Verdienſt, ſie in
der Praxis zur allgemeinen Anerkennung gebracht zu haben, Letzterem. Pacinotti
veröffentlichte ſeine Erfindung im Jahre 1863 im „Nuovo Cimento“, fand aber
damals keine Beachtung.


Dr. Antonio Pacinotti conſtruirte ſeine erſte elektromagnetiſche Maſchine
ſchon im Jahre 1860 für das technologiſche Muſeum der Univerſität Piſa. Die
Abbildung dieſer Maſchine in Fig. 230 iſt der Zeitſchrift „La lumière électrique“
entlehnt, welche ſie nach dem in Paris im Jahre 1881 ausgeſtellten Modell an-
fertigen ließ. Die Maſchine wurde zunächſt als Motor conſtruirt und beſteht aus
zwei feſtſtehenden Elektromagneten E E', die mit je einem halbmondförmigen Anker
A A' verſehen ſind. Zwiſchen dieſen beiden Ankern kann ſich ein eiſerner Ring
drehen, der durch die Meſſingſtäbe B B' an einer verticalen Axe befeſtigt iſt. Der
eiſerne Ring iſt durch aufgeſetzte Holzkeile in eine Anzahl gleichgroßer Stücke
getheilt und die hierdurch gebildeten Zwiſchenräume ſind durch Spulen aus über-
ſponnenem Kupferdrahte ausgefüllt. Am unteren Theile der verticalen Ringaxe iſt
ein Commutator angebracht, auf deſſen Umfange an den Enden eines auf die
Verbindungslinie der beiden Elektromagnete ſenkrechten Durchmeſſers zwei Rollen G
gleiten, die durch die Federn L an den Commutator angedrückt werden. Der
Commutator beſteht aus zwei Reihen von übereinander angebrachten und voneinander
iſolirten Blechſtücken, welche auf der Mantelfläche eines auf die Rotationsaxe auf-
geſetzten Cylinders angeordnet ſind. Die Metallblättchen beider Reihen ſind zueinander
alternirend aufgeſtellt (wie die Felder einer Farbe eines Schachbrettes). Die Ver-
23*
[356] bindung des Commutators mit den Spulen iſt in nachſtehender Weiſe hergeſtellt: Das
Ende der Drahtwindungen einer Spule (auf dem Eiſenringe) und der Anfang der
Windungen der nächſten Spule führen zu einem der Metallblättchen, z. B. der
oberen Reihe. Das Drahtende der letzteren Spule und der Anfang der dritten
Spule führen zu dem, dem erſterwähnten Metallblättchen nächſten Metallblättchen
der unteren Reihe, das Drahtende der dritten Spule und der Anfang der vierten
Spule führen zu dem nächſtliegenden Blättchen der oberen Reihe u. ſ. w.


Figure 230. Fig. 230.

Maſchine von Pacinotti.


Verbindet man die Klemmſchrauben 1 und 2 mit den Polen einer Batterie,
ſo gelangt der Strom in die Drahtwindungen des Elektromagnetes E, durch den
Verbindungsdraht in jene von E', geht, aus dieſen herauskommend, in die auf
der Rückſeite befindliche Contactrolle, in das mit ihr in Berührung ſtehende Metall-
blättchen des Commutators und gelangt von dieſem durch zwei Drähte in die
zwei mit dem Metallblättchen verbundenen Spiralen des Ringes. Somit wird der
Strom hier in zwei Theile getheilt. Der eine Theil des Stromes fließt durch die
eine Spirale, nennen wir ſie die rechte, und gelangt durch das Drahtende dieſer
Spirale in das nächſtliegende Metallblättchen des Commutators; dieſes ſteht durch
einen Draht mit der nächſten nach rechts zu liegenden Spirale des Ringes in
[357] Verbindung und deshalb fließt der rechtsſeitige Theilſtrom auch durch die nächſte
Spirale, von dieſer in Folge derſelben Verbindungsart wieder zur nächſten und
durchfließt auf dieſe Art nacheinander in der Richtung nach rechts herum die auf-
einanderfolgenden Spiralen, bis er zu jener Spirale kommt, deren Drahtende mit
dem Metallblättchen des Commutators in Verbindung ſteht, auf welchem die
vordere Gleitrolle G eben aufruht. Der rechtsſeitige Theilſtrom geht dann durch
dieſe in die Klemmſchrauben 3 und 2 und von hier wieder zur Batterie zurück.
Der zweite, alſo linksſeitige Theilſtrom durchfließt in ganz gleicher Weiſe alle
Spiralen des Ringes in der Richtung nach links herum und gelangt endlich auch
zur Gleitrolle G, wo er ſich mit dem rechtsſeitigen Theilſtrome wieder vereinigt.


Der Eiſenring wird alſo von zwei Strömen umfloſſen und durch dieſe
magnetiſirt. Da man ſämmtliche rechtsſeitige Spiralen auf dem Ringe wegen ihrer
ununterbrochen leitenden Verbindung untereinander als eine Spirale auffaſſen
kann und ebenſo auch die linksſeitigen Spiralen, ſo muß der Eiſenring gewiſſer-
maßen in zwei halbkreisförmig gebogene Magnete verwandelt werden, die ihre
gleichnamigen Pole einander zukehren. Der Eiſenring erhält alſo thatſächlich ent-
gegengeſetzte magnetiſche Polaritäten an den Enden ſeines Durchmeſſers, welcher
auf der Verbindungslinie der Elektromagnetpole A A' ſenkrecht ſteht.


Die Pole A und A' der Elektromagnete wirken nun anziehend, beziehungs-
weiſe abſtoßend auf den polariſirten Eiſenring und werden ihn dementſprechend
um ſeine verticale Axe drehen. Dadurch kommen aber, da ſich der Commu-
tator mitdreht, nächſtfolgende Metallblättchen mit den Gleitrollen in Contact.
Folglich tritt der Strom nicht mehr in jene beiden Spiralen des Ringes ein, in
welche er anfänglich eintrat, ſondern in die im Sinne der Ringdrehung benach-
barten Spulen, die eben durch die Drehung genau in die Stellung der vor-
benannten Spulen gekommen ſind. Von dieſen jetzt mit der Gleitrolle in Verbindung
ſtehenden Spulen fließt der Strom genau wieder in derſelben Weiſe durch ſämmt-
liche Spulen des Ringes wie vorhin. Der Eiſenring muß daher wieder genau an
derſelben Stelle in Bezug auf die Magnetpole A A' polaren Magnetismus erhalten,
daher abermals zu einer Drehung im ſelben Sinne wie das erſtemal veranlaßt
werden.


Das Reſultat dieſer Vorgänge iſt daher, daß der Magnetismus (Nord- und
Südmagnetismus) im Ringe continuirlich wandern muß, und zwar in einer der
Drehungsrichtung des Ringes entgegengeſetzten Richtung. Der Ring mit den
Spulen muß aber, wegen der Einwirkung der Magnetpole A A' auf den Magnetis-
mus des Ringes, in raſche Rotation kommen.


Pacinotti hat jedoch die Maſchine nicht nur als Motor conſtruirt, ſondern
ganz klar erkannt und auch ausgeſprochen, daß ſie als Elektricitätsgenerator ver-
wendet werden könne. Es geht dies aus nachſtehenden Worten ſeiner Beſchreibung
hervor: „Würde man die Elektromagnete E E' durch einen permanenten Magnet
erſetzen und den Transverſalmagnet (d. h. den Ring) rotiren laſſen, ſo hätte man
in der That eine magnetelektriſche Maſchine, welche einen continuirlichen, ſtets in
derſelben Richtung fließenden Inductionsſtrom liefern würde.“ Pacinotti hat auch
dieſen Verſuch wirklich ausgeführt und durch die Ablenkung einer Magnetnadel
conſtatirt, daß dann die Maſchine einen ununterbrochenen Strom von einer und
derſelben Richtung liefert, ohne daß hierzu beſondere Einrichtungen nöthig geweſen
wären, um Ströme von entgegengeſetzter Richtung in gleichgerichtete umzu-
wandeln.


[358]

Es iſt daher unzweifelhaft, daß Pacinotti die Ehre gebührt, die Ring-
armatur erfunden und praktiſch verwendet zu haben. Hierdurch waren nun die
Uebelſtände beſeitigt, an welchen die früheren Maſchinen in Folge des fortwähren-
den raſchen Wechſels der magnetiſchen Polaritäten litten. In der Ringarmatur
tritt eben, wie wir geſehen haben, kein Wechſel der magnetiſchen Polaritäten, ſon-
dern nur ein continuirliches Fortbewegen derſelben in einer der Drehungsrichtung
entgegengeſetzten Richtung ein.


Auf der Pariſer Ausſtellung vom Jahre 1867 war ein von dem Innsbrucker
Mechaniker J. Kravogl erfundener Motor ausgeſtellt, der in ſeinen Grundzügen
mit Pacinotti’s Maſchine gewiſſe Aehnlichkeiten zeigte. Kravogl’s Motor beſtand
nämlich aus einem hohlen Eiſenringe, in deſſen cylindriſcher und kreisförmig ge-
bogener Höhlung gewiſſermaßen ein Pacinotti’ſcher Ring angebracht war; aus
letzterem waren jedoch beiläufig zwei Dritttheile des Eiſenkernes entfernt. Dieſer Ring
ſammt dem ihn umgebenden hohlen Ring oder Ringmantel war mit einer hori-
zontalen Drehaxe verſehen. Das übrig gebliebene Drittel des Kernes beſtand aus
einem zur Hälfte hohlen und hier mit Blei ausgegoſſenen Eiſencylinder, der jedoch
im Innern des Mantels, beziehungsweiſe der Spulen nicht feſtſtand, ſondern durch
Gleitrollen möglichſt leicht beweglich gemacht wurde. Der Strom einer Batterie
wurde durch beſondere Vorrichtungen immer derart in den Ring geleitet, daß er
nur durch ein Ringſegment fließen konnte. Hierdurch wurde der bewegliche Eiſen-
kern, der vor Einleitung des Stromes vermöge ſeiner Schwere die tiefſte Stelle
des Mantels eingenommen hatte, gehoben, d. h. in das durchſtrömte Ringſegment
hineingezogen und mußte nun durch ſein Gewicht die Spulen ſo zu drehen
ſuchen, daß er wieder die tiefſte Stelle einnahm. Dies hatte dann die Einſchal-
tung eines folgenden Ringſegmentes in den Stromkreis und ſomit eine neuer-
liche Drehung zur Folge. Es trat alſo auch hier eine continuirliche Rotation
ein, bei welcher der Magnetismus im Mantel entgegen der Rotation desſelben
wandert.


Kravogl beabſichtigte bei der Conſtruction ſeiner Maſchine nicht einen
Elektricitätsgenerator, ſondern einen durch Elektricität in Bewegung geſetzten Motor
herzuſtellen.


Profeſſor Pfaundler in Innsbruck dachte jedoch kurze Zeit nach der
Entdeckung des dynamiſchen Principes durch Siemens daran, die Maſchine im
umgekehrten Sinne zu benützen, d. h. unter Aufwand von Arbeit elektriſche Ströme
zu erzeugen und gleichzeitig das dynamiſche Princip hierbei in Anwendung zu
bringen. Im Jahre 1870 gelangte Pfaundler auch wirklich zur Ausführung dieſes
Verſuches und erhielt dabei durch Drehen eines Kravogl’ſchen Motors mit der
Hand und ohne Anwendung einer Batterie einen continuirlichen Strom etwa in
der Stärke eines Bunſen-Elementes.*)


Jedoch weder Pacinotti noch Kravogl gelang es, allgemeines Intereſſe für
ihre Maſchinen zu erwecken oder ſelbe in praktiſche Verwendung zu bringen. Dies
iſt erſt Gramme durch die Erfindung ſeiner Ringarmatur gelungen. Der Belgier
Zénobe Theophile Gramme war bei der „Compagnie l’Alliance“ als Modell-
ſchreiner beſchäftigt und beſaß ſchon zu dieſer Zeit mehrere Patente auf Lichtregulatoren.
Er kam, unbekannt mit den Arbeiten Pacinotti’s und Kravogl’s, zunächſt auf die
[359] Idee, in der Weiſe continuirliche Ströme einer Richtung zu erregen, daß er einen
inducirenden Magnet in einem hohlen und mit Drahtſpiralen umgebenen Eiſen-
ringe, der an einem Geſtelle befeſtigt war, ſich bewegen ließ. Erſt in ſpäterer Zeit
bediente er ſich der Anordnung, welche Pacinotti dem Ringe gegeben hatte, und
im Jahre 1871 baute er die erſte Maſchine unter Anwendung des Gramme’ſchen
Ringes und des dynamiſchen Principes, alſo eine Maſchine für continuirliche
dynamoelektriſche Ströme. Gramme hatte das Glück, finanzielle Unterſtützung zu
finden, und ſo folgte auf ſeine erſte für Handbetrieb eingerichtete dynamoelektriſche

Figure 231. Fig. 231.

Z. Th. Gramme.


Ringmaſchine im Jahre 1872 bereits eine große auf denſelben Principien beruhende
Maſchine.


Im Jahre 1872 wurde vom Ingenieur F. v. Hefner-Altenek der Firma
Siemens und Halske die Trommelmaſchine conſtruirt, bei welcher der Gramme’ſche
Ring durch einen mit Draht in der Richtung ſeiner Axe bewickelten geraden
Cylinder (die Trommel) erſetzt iſt. Die Pacinotti-Gramme’ſche Ringmaſchine und
die Hefner-Altenek’ſche Trommelmaſchine wurden zum Vorbilde der vielen gegen-
wärtig conſtruirten dynamoelektriſchen Maſchinen, die ſich ſehr häufig nur durch
ganz unweſentliche Aeußerlichkeiten von ihren Vorbildern unterſcheiden.


[360]

2. Die elektriſchen Maſchinen.


Die Alliance-Maſchine. Das Geſtelle dieſer Maſchine beſitzt zwei zuein-
ander parallel befeſtigte Ringe, welche durch acht horizontale Stäbe miteinander
verbunden ſind (Fig. 232). Auf dieſen ſind in ſtrahlenförmiger Anordnung die
permanenten Stahlmagnete angebracht. Letztere beſtehen aus 5 bis 6 einen Centi-
meter ſtarken Hufeiſenlamellen, die durch Schrauben untereinander verbunden ſind;
ein ſolches magnetiſches Magazin wiegt beiläufig 20 Kilogramm. Auf der Axe
der Maſchine, welche durch die Mittelpunkte der beiden Kreiſe des Geſtelles geht,
iſt eine Reihe von Meſſingſcheiben ſenkrecht zur Axe aufgeſetzt. Ihre gewöhnliche

Figure 232. Fig. 232.

Alliance-Maſchine.


Anzahl iſt vier bis ſechs. Jede
derſelben trägt 16 mit Eiſen-
kernen verſehene Inductions-
ſpulen, entſprechend den 16
in einer Kreisfläche liegenden
Magnetpolen. Da bei dieſen
Nord- und Südpol in hori-
zontaler Richtung ſtets ab-
wechſelnd geſtellt ſind, ſo muß
in den Eiſenkernen der vorbei-
rotirenden Spulen ein ſtarker
Magnetismus erregt werden,
der dann in den Drahtſpiralen
kräftige Ströme inducirt. Da
ferner Nord- und Südpol
auch im Kreiſe herum beſtän-
dig abwechſeln, ſo müſſen
auch die in den Spiralen
erregten Ströme bei jeder
vollen Umdrehung der Axe
entſprechend der Anzahl der
Pole 16mal ihre Richtung
wechſeln. Weil die Maſchinen
mit 400 Touren per Minute
laufen, ſo wechſelt die Stromrichtung beiläufig 100mal in der Secunde.


Die Drahtwindungen der einzelnen Spulen ſind alle untereinander verbunden
und das eine Ende des Geſammtdrahtes ſteht mit der Rotationsaxe, das andere
mit einem auf dieſer iſolirt aufgeſetzten Metallcylinder in Verbindung. Die Ab-
leitung der Ströme in den äußeren Stromkreis wird durch zwei Metallfedern
bewerkſtelligt, deren eine auf der Rotationsaxe, deren andere auf dem Metallcylinder
ſchleift.


Die Maſchinen erhalten in der Regel 4 bis 6 Meſſingſcheiben mit je 16,
alſo im Ganzen 64 bis 96 Drahtſpulen und 32 bis 48 Magnete. Wird zum
Betriebe eine Dampfmaſchine von 5 Pferdekräften benützt, ſo kann durch die von
der Alliance-Maſchine gelieferten Ströme im Voltabogen eine Lichtſtärke von 150
bis 200 Carcel’ſchen Brennern erreicht werden. (Das Licht eines Carcelbrenners
iſt 7mal ſo ſtark als jenes einer Normal-Paraffin-Kerze.)


[361]

Die Alliance-Maſchinen zeichnen ſich dadurch aus, daß ihr Magnetismus
unabhängig iſt von der Schnelligkeit der Rotation, daß bei Anwendung zur Be-
leuchtung die beiden Kohlen gleich ſchnell abbrennen, und daher der Lichtpunkt in
einer und derſelben Höhe erhalten bleibt, ohne hiefür beſondere Einrichtungen der
Lampe zu erfordern. Der ſtete Richtungswechſel der Ströme verhindert ferner auch
ein Polariſiren der Eiſentheile in der Lampe und erleichtert dadurch eine regel-
mäßige Function derſelben. Sie kamen daher namentlich auf franzöſiſchen Leucht-
thürmen vielfach in praktiſche Verwendung.


Trotz ihrer befriedigenden Leiſtung denkt man heute doch nicht mehr daran,
Alliance-Maſchinen zu bauen. Die Urſache hiervon liegt in verſchiedenen Umſtänden.
Die Conſtruction iſt eine complicirte, giebt daher vielerlei Gelegenheit zur Störung
eines regelmäßigen Betriebes und macht die Maſchinenanlage zu einer ſehr koſt-
ſpieligen. Die erzielbare Stärke der Ströme iſt verhältnißmäßig eng begrenzt, da
aus conſtructiven Rückſichten und im Hinblicke auf den Preis mit der Vermehrung
der Magnete nicht ſehr weit gegangen werden kann. Die Kraft der Stahlmagnete
nimmt in weit geringerem Grade zu als deren Maſſe und ferner kann auch nicht
auf einer beſtimmten Polfläche eine große Anzahl von Stahlmagneten vereinigt
werden, ohne daß ſich dieſe gegenſeitig ſchwächen. Um mit ſolchen Maſchinen
kräftige Ströme zu erhalten, müßte man ihnen bedeutende Dimenſionen geben,
wodurch ſie ſehr koſtſpielig würden.


Auch die Waſchine von de Wéritens iſt unter Anwendung permanenter
Magnete conſtruirt (Fig. 233). Letztere ſind gleichfalls aus hufeiſenförmigen Stahl-
lamellen zuſammengeſetzt und acht an der Zahl in zwei ringförmigen Ständern ge-
lagert. Bezüglich der Pole iſt die Anordnung ſo getroffen, daß Nord- und Südpol
im Kreiſe herum ſtändig abwechſeln.


Die Armatur iſt aus einem achtſpeichigen Rade gebildet, deſſen Radkranz mit
16 Drahtſpiralen verſehen iſt. Die Conſtruction der Armatur iſt, wie Fig. 234
zeigt, eine ganz eigenartige. Die Eiſenkerne der Spulen ſind aus einer großen
Anzahl aufeinandergefügter Eiſenbleche gebildet und auf dem Radkranze ſo befeſtigt,
daß alle zuſammen einen den Radkranz umgebenden Eiſenring darſtellen. Jeder
Kern iſt an ſeinen Enden durch Anſätze abgeſchloſſen, welche gleichfalls aus auf-
einandergelegten Eiſenblechen geformt ſind. Je einer dieſer Anſätze iſt mit dem ihm
benachbarten durch ein Kupferſtück vereinigt.


Die Drahtſpiralen ſind auf ſämmtlichen in der angegebenen Weiſe gebildeten
Eiſenrahmen im ſelben Sinne aufgewunden und derart untereinander verbunden,
daß ſie alle zuſammen eine große Spirale bilden. Die Magnetpole ſind mit keil-
förmigen Polanſätzen verſehen, damit die Spulen bei ihrer Rotation möglichſt nahe
an die Pole herantreten können. Auf der Axe der Armatur ſitzen, von dieſer und
voneinander iſolirt, zwei Metallringe auf, die mit je einem der Drahtenden der
Geſammtſpirale verbunden ſind. Die Ableitung der Ströme aus der Maſchine
erfolgt durch zwei auf den Metallringen ſchleifende Federn. Läßt man die Armatur
rotiren, ſo gleiten die Spulen mit ihren Eiſenkernen in unmittelbarer Nähe an den
Magnetpolen vorbei. Die Eiſenkerne erhalten dadurch einen kräftigen Magnetismus,
durch welchen in den ſie umgebenden Drahtwindungen Ströme inducirt werden;
die directe Einwirkung der Magnetpole auf die Drähte verſtärkt noch dieſe Wir-
kung. Da die Spulen abwechſelnd an Nord- und Südpolen vorbeikommen und
die Maſchine keinen Commutator beſitzt, müſſen die von ihr erzeugten Ströme
natürlich Wechſelſtröme ſein.


[362]

In der Conſtruction iſt die Maſchine von Méritens der Alliance-Maſchine

Figure 233. Fig. 233.


Figure 234. Fig. 234.

Maſchine von de Méritens.


überlegen, da man die einzelnen
Theile der Armatur, falls ſie
beſchädigt werden, ſehr leicht und
ohne die ganze Maſchine demon-
tiren zu müſſen, erneuern, be-
ziehungsweiſe ausbeſſern kann.
Doch iſt ſelbſtverſtändlich auch
dieſe Maſchine nicht frei von
jenen Uebelſtänden, welche die
Anwendung permanenter Mag-
nete mit ſich bringt.


Wir wollen uns nun
jenen Maſchinen zuwenden, die,
wie ſchon in der hiſtoriſchen
Einleitung gezeigt wurde, eigent-
lich den Ausgangspunkt des
gegenwärtigen Aufſchwunges der
elektrotechniſchen Großinduſtrie
bilden, nämlich den Maſchinen
von Gramme und jenen von
der Firma Siemens und Halske.


Die Maſchinen von
Gramme
ſollen uns zunächſt
beſchäftigen. Da der Gramme’ſche
Ring in mehr oder weniger
glücklich gewählten Modificatio-
nen den Hauptbeſtandtheil vie-
ler Maſchinen bildet, wollen
wir den Bau und die Wir-
kungsweiſe desſelben etwas ein-
gehender betrachten. A N B S
(Fig. 235) ſtellt einen ringför-
migen Magnet dar, welcher bei
N ſeinen Nordpol, bei S ſeinen
Südpol beſitzt. Auf den Ring
iſt eine Drahtſpirale gewunden,
welche ſich längs des erſteren
im Kreiſe herumbewegen läßt.
Es iſt nun zu unterſuchen, welchen
Inductionswirkungen die Spirale
in den verſchiedenen Stellungen
1 bis 8 während ihrer Bewe-
gung ausgeſetzt iſt. Aus dem
Anblicke der Figur iſt leicht ein-
zuſehen, daß die Spirale auf
dem Wege von A über N nach B, alſo in den Stellungen 1, 2, 3 und 4,
vorwiegend dem Einfluſſe des Nordpoles, auf ihrem Wege von B über S nach A,
[363] alſo in den Stellungen 5, 6, 7 und 8, hauptſächlich der Einwirkung des Süd-
poles im Ringmagnete ausgeſetzt iſt. Es iſt ferner leicht einzuſehen, daß die
Spirale in den Stellungen bei A ebenſo wie bei B, als von beiden Polen N
und S gleichweit entfernt, alſo gleich ſtark beeinflußt, Ströme inducirt erhalten
wird, die einander entgegengeſetzt gerichtet ſind, ſich alſo aufheben müſſen. Daraus
folgt, daß bei einem vollen Umlaufe der Spirale um den Ring im erſteren die
Richtung der inducirenden Ströme zweimal wechſeln muß, nämlich bei A und bei B.


Es bedarf keiner beſonderen Begründung, daß dieſe Betrachtung nicht nur
für eine, ſondern für jede Spirale gilt, welche in der angegebenen Weiſe
bewegt wird. Verſteht man daher unter den in der Figur mit 1, 2, 3 …
bezeichneten Spiralen nicht die zeitlich aufeinanderfolgenden Stellungen einer
Spirale, ſondern ebenſo viele gleichzeitig und in derſelben Richtung ſich bewegende
Spiralen, als früher Stel-
lungen
angenommen wurden,
ſo werden in den Spiralen
1, 2, 3 und 4 offenbar
Ströme der einen, in den
Spiralen 5, 6, 7 und 8 der
anderen Richtung inducirt
werden müſſen. Verbindet
man jetzt je ein Ende der
einen Spirale mit dem An-
fange der nächſten, wie dies
in der Figur durch punktirte
Linien angedeutet iſt, ſo bil-
den ſämmtliche Spiralen eine
einzige, um den ganzen Ring
continuirlich gewickelte Spi-
rale. Gleiche Intenſität der
Pole N und S, ſowie auch
gleiche Spulenanzahl in der
oberen und unteren Hälfte
des Ringes vorausgeſetzt,
treffen daher bei A und B
Ströme gleicher Stärke, aber

Figure 235. Fig. 235.

Gramme’ſcher Ring.


entgegengeſetzter Richtung zuſammen, und die Geſammtwirkung ſämmtlicher Induc-
tionen iſt gleich Null.


Läßt man jedoch die beiden Drahtenden bei A und ebenſo bei B nicht, wie die
punktirten Linien zeigen, einfach gegeneinanderſtoßen, ſondern verbindet je zwei dieſer
Enden mit je einem Ende eines dritten Drahtes, wie dies die Strichpunktlinie
verſinnlicht, ſo wird dieſer dritte Draht von einem Summationsſtrome einer be-
ſtimmten Richtung durchfloſſen ſein. Dieſer dritte Draht ſtellt den äußeren Strom-
kreis der Maſchine dar, und der ihn durchfließende Strom kann zu irgend einer
Arbeitsleiſtung, alſo zur Erzeugung von Licht, zur Kraftübertragung, zu elektro-
chemiſchen Arbeiten ꝛc. verwendet werden.


Das Summiren der Ströme zu einem den Leiter A E B in einer Richtung
durchfließenden Summationsſtrome dürfte durch nachſtehendes Gleichniß klarer werden.
Denkt man ſich die beiden Drahtſpiralen 1 und 8 durch mit Waſſer gefüllte Schlangen-
[364] rohre erſetzt, wie dies Fig. 236 zeigt, und an je einem Ende jedes Schlangen-
rohres einen Kolben in der Richtung der Pfeile auf das Waſſer wirkend, ſo wird
offenbar der Druck jedes Kolbens auf das Waſſer ſich bis A fortpflanzen; ſind
die Drücke bei C und D gleich ſtark, ſo werden ſie ſich wegen ihrer einander
entgegengeſetzten Richtung aufheben und das Waſſer erhält gar keine Bewegung.
Bringt man aber an der Vereinigungsſtelle bei A ein Zweigrohr A B an, ſo
wird aus beiden Schlangenrohren das Waſſer in der Richtung der Pfeile durch das
Rohr A B herausgetrieben. Dieſes Gleichniß iſt auch auf die Vereinigungsſtelle
bei B anwendbar. Nur müßte man hier an Stelle des Druckes auf das Waſſer
ein Anſaugen ſetzen. Hiermit erhielten wir für das Waſſer einen ganz ähnlichen
Kreislauf wie früher für den elektriſchen Strom.


Um die Wirkungsweiſe des Ringes ganz zu verſtehen, erübrigt nun noch
die Beſtimmung der Richtungen, welche die in den Spiralen inducirten Ströme
erhalten. Wir bekommen darüber Aufſchlüſſe durch Anwendung der Ampère’ſchen
Betrachtungsweiſe. Bewegen ſich die Spiralen in der Richtung des bei N gezeich-
neten großen Pfeiles, ſo ergiebt ſich zunächſt die Richtung des in der Spirale 1

Figure 236. Fig. 236.

Zur Erklärung
des Gramme’ſchen Ringes.


inducirten Stromes in folgender Weiſe: Die Spirale 1
nähert ſich dem Nordpole, auf welchem die Ampère’ſchen
Ströme in der Richtung entgegen der Bewegung eines
Uhrzeigers gedacht werden, wenn der Nordpol dem Be-
ſchauer zugewandt iſt. Da es ſich um die Wirkung des
Stückes A N des Ringmagnetes, auf welchem ſich die
Spirale 1 bewegt, handelt, iſt der Nordpol dann dem
Beſchauer zugekehrt, wann dieſer ſich bei C befindet. Die
der Uhrzeigerbewegung entgegengeſetzte Richtung der
Ampère’ſchen Ströme am Nordpole iſt in dieſem Falle
durch den ungefiederten Pfeil im Ringe angegeben. Da
nun in einer Spirale, welche ſich einem Magnetpole
nähert, ein Strom inducirt wird, der die entgegengeſetzte
Richtung beſitzt wie der Ampère’ſche Strom an dem in
Rede ſtehenden Magnetpole, ſo muß in unſerem Falle die Richtung des in der
Spirale 1 inducirten Stromes durch einen von der inneren Begrenzung des
Ringes zu deſſen äußeren Umfange weiſenden Pfeil bezeichnet werden. Dieſe
Betrachtung bleibt für die Spirale 2 dieſelbe und überhaupt für jede Spirale
auf dem Ringſtücke A N, unter der Vorausſetzung, daß dieſe Spiralen ſich in
der Richtung von A nach N bewegen.


Um die Richtung der in den Spiralen 3 und 4 inducirten Ströme zu
erfahren, muß ſich der Beſchauer in D aufſtellen, um den Nordpol des Ring-
ſtückes N B gegen ſich gewandt zu bekommen. Die der Uhrzeigerbewegung entgegen-
geſetzte Richtung der Ampère’ſchen Ströme iſt dann durch den bei N gezeichneten
gefiederten Pfeil angegeben. Da ſich die Spiralen 3 und 4 vom Nordpole ent-
fernen, erhalten ſie Ströme inducirt, deren Richtung mit jener der Ampère’ſchen
Ströme am genannten Pole übereinſtimmt. Die Ströme in den Spiralen zwiſchen
N und B ſind alſo wie jene zwiſchen A und N gleichfalls von der inneren zur
äußeren Peripherie des Ringes gerichtet.


Verfolgt man in ähnlicher Weiſe die Richtungen der Ampère’ſchen Ströme
am Südpole in ihrer inducirenden Wirkung auf die Spiralen 5, 6, 7 und 8,
ſo findet man, unter Beachtung des Umſtandes, daß am Südpole die Ampère’ſchen
[365] Ströme in der Richtung der Uhrzeigerbewegung kreiſen, die in den Spiralen
inducirten Ströme ſämmtlich vom äußeren zum inneren Umfange des Ringes
gerichtet.


Auch die Umkehrung der Stromrichtung in den Spiralen, welche A oder B
paſſiren, ergiebt ſich nach dieſer Betrachtungsweiſe ganz einfach. Eine in ihrer
Bewegung eben bei A angelangte Spirale iſt von N und S gleichweit entfernt
und erfährt deshalb von beiden gleich ſtarke Induction. Die frühere Bewegungs-
richtung der Spiralen um den Ring beibehaltend, nähert ſich die jetzt betrachtete
Spirale dem Nordpole und entfernt ſich vom Südpole. Will der Beobachter
beide Pole ſich zugekehrt erhalten, ſo muß er ſich bei B aufſtellen. Dann iſt für
den Südpol und für den Nordpol die Richtung der Ampère’ſchen Ströme durch
die ungefiederten Pfeile gegeben. Die Spirale in A entfernt ſich von S, muß alſo
einen Strom inducirt erhalten, welcher von der äußeren zur inneren Ring-
begrenzung gerichtet iſt; die Spirale nähert ſich aber auch dem Pole N, muß des-
halb einen Strom inducirt erhalten, der von der inneren zur äußeren Ring-
begrenzung gerichtet iſt. Die in A befindliche Spirale iſt daher zwei gleich ſtarken,
aber entgegengeſetzt wirkenden inducirenden Kräften ausgeſetzt und muß deshalb
ſtromlos ſein. Ueberſchreitet aber die Spirale den Punkt A, ſo gewinnt die
Einwirkung jenes Poles die Oberhand, welchem die Spirale ſich näher befindet.


Eine um den Ring in Bewegung befindliche Spirale wird alſo in A ſtrom-
los ſein, bei ihrem Wege nach N immer kräftiger werdende Inductionsſtröme,
hervorgerufen durch den Nordpol, erhalten, dieſe werden dann bei Fortſetzung
der Bewegung von N nach B an Intenſität wieder abnehmen, bis die Spirale
bei B abermals ſtromlos wird und nun im weiteren Verlaufe ihrer Bahn von B
nach S der immer ſtärker werdenden Induction des Südpoles entgegengeht; die
Einwirkung des letzteren erreicht ihren Höhepunkt bei S und nimmt dann bei
Fortbewegung der Spirale von S nach A abermals ab.


Kehren wir wieder zu der oben gemachten Annahme zurück, daß die
Zahlen 1, 2, 3 . . . . in der Figur nicht aufeinanderfolgende Stellungen einer
Spirale, ſondern eine Reihe von gleichzeitig in derſelben Richtung in Bewegung
befindlichen Spiralen bedeutet und verbinden wir die Enden der einzelnen
Spiralen in der oben gedachten Weiſe, ſo iſt folgendes Verhalten leicht
einzuſehen: Die Spiralen 1, 2, 3 und 4, oder allgemeiner, ſämmtliche
Spiralen auf dem Halbringe A N B bilden in Folge ihrer durch punktirt ge-
zeichnete Linien angedeuteten Verbindung eine einzige Spirale, welche von nur
einem Strome als Summationsſtrom ſämmtlicher in den Theilſpiralen inducirten
Ströme in der vorhin beſtimmten Richtung durchfloſſen wird. Dasſelbe gilt für
die Spiralen auf dem Halbringe A S B, nur iſt hierbei die Stromrichtung eine
entgegengeſetzte. Der Draht A E B geſtattet, die in den Spiralen des Ringes er-
zeugten Ströme nach außen zu leiten und zu verwenden, vorausgeſetzt, daß dieſer Draht
ſtets an der Vereinigungsſtelle jener Spiralenpaare angeſetzt wird, welche ſich
während ihrer Rotation gerade in der Linie A B, alſo in einer Linie befinden,
welche auf die Verbindungslinie der beiden Pole N und S des Ringmagnetes
ſenkrecht ſteht.


Bis hierher wurde die Wirkungsweiſe des Ringes betrachtet, ohne darauf
Rückſicht zu nehmen, wodurch der Ring bei N ſtets nordpolaren, bei S ſtets
ſüdpolaren Magnetismus erhält. Es wird dies bei der Gramme’ſchen Maſchine
dadurch bewirkt, daß entweder der Ring zwiſchen den Polen eines kräftigen
[366] permanenten oder eines Elektromagnetes angebracht iſt. Hierdurch wird jenem Theile
des Ringes, welcher dem Südpole des Magnetes am nächſten liegt, Nord-
magnetismus und jenem, welcher dem Nordpole am nächſten ſich befindet, Süd-
magnetismus ertheilt.


Da die Drahtſpiralen des Ringes ſehr nahe an den Polen des Magnetes
vorbeirotiren, müſſen ſie auch durch dieſe Ströme inducirt erhalten. Die Richtung
dieſer Ströme iſt nach der Ampère’ſchen Vorſtellungsweiſe leicht abzuleiten. So
ergiebt ſie ſich z. B. für die Spirale 3 (Fig. 237) als gleich jener Richtung,
welche der durch den Ringpol N in derſelben Spirale inducirte Strom hat.
(Vergleiche Fig. 235.) Man erſieht daraus, daß ſich die inducirenden Wirkungen
des Magnetpoles und des ihm gegenüberliegenden Ringpoles unterſtützen.


Wir haben vorläufig immer vorausgeſetzt, daß der Eiſenring zwiſchen den
Polen des Magnetes feſtſteht und nur die Drahtſpiralen ſich bewegen. Die praktiſche
Durchführung dieſer Anordnung würde jedoch auf erhebliche Schwierigkeiten ſtoßen.
Nun haben aber vielfache Verſuche gezeigt, daß ein zwiſchen zwei Polen eines

Figure 237. Fig. 237.

Zur Erklärung des Gramme’ſchen
Ringes.


Magnetes ſich drehender Ring aus weichem Eiſen
immer derart magnetiſch wird, daß gegenüber dem
Südpole des feſtſtehenden Magnetes im Ringe ein
Nordpol, dem Nordpole des feſtſtehenden Magnetes
gegenüber im Ringe ein Südpol entſteht. Der
rotirende Eiſenring verhält ſich alſo in Bezug auf die
Stellung ſeiner Pole zu den Polen des feſtſtehen-
den Magnetes gerade ſo wie ein feſtſtehender Ring.
Die Ringpole wechſeln daher zwar nicht ihre räum-
liche Lage, rücken aber im Ringe, entgegengeſetzt
der Drehungsrichtung desſelben, vor. Da aber der
im Ringe inducirte Magnetismus nicht augenblick-
lich entſteht und vergeht, ſo befinden ſich die Ring-
pole nicht genau den Polen des feſtſtehenden
Magnetes gegenüber, ſondern ſind gegen erſtere in
der Drehungsrichtung des Ringes etwas verſchoben.
Liegen deshalb die Pole des feſtſtehenden oder inducirenden Magnetes in einer
Verticalen, ſo ſchließt die Verbindungslinie der Ringpole mit der Verticalen einen
beſtimmten Winkel ein. Wie früher gezeigt wurde, müſſen die Punkte (A und B,
Fig. 235), an welchen der Ableitungsdraht mit den Drahtſpiralen in leitende Ver-
bindung geſetzt wird, in einer Linie liegen, die ſenkrecht auf der Verbindungslinie
der Ringpole ſteht. In unſerem Falle wird daher die Verbindungslinie der Strom-
ableitungspunkte mit der Horizontalen einen ſpitzen Winkel einſchließen müſſen.


Bei Berückſichtigung aller dieſer Verhältniſſe wird man die Drahtſpiralen
unmittelbar auf den Eiſenring wickeln und dieſen in Drehung verſetzen können,
ohne die obige Erklärung der Wirkungsweiſe des Gramme’ſchen Ringes ändern zu
müſſen.


Die praktiſche Ausführung der Ringarmatur iſt in Fig. 238 dargeſtellt. Der
Eiſenring ſelbſt iſt nicht aus einem maſſiven Stücke gebildet, ſondern durch ein Bündel
gut ausgeglühter Eiſendrähte erſetzt. Es findet dies darin ſeine Begründung, daß ein der-
artiger Ring raſcher Magnetismus annimmt und verliert wie ein maſſiver. Bei A B ſieht
man eine angefangene Drahtſpirale, hierauf folgen mehrere fertige Spiralen und der
obere Theil der Figur zeigt die vollendete Ringarmatur. Die Spiralen beſtehen
[367] aus Kupferdraht, der ſorgfältig überſponnen iſt, um die Windungen voneinander
und von den Eiſendrähten zu iſoliren. Die Zahl der Windungen und die Dicke
der Drähte richtet ſich nach dem Zwecke, zu welchem die Maſchine beſtimmt iſt.
Die Verbindung der Spiralen wird derart hergeſtellt, daß immer das Ende einer
Spirale und der Anfang der benachbarten auf einem in der Ebene des Ringes
radial angebrachten Kupferſtreifen R angelöthet werden. Die Kupferſtreifen ſind
dann um einen rechten Winkel umgebogen, durchſetzen den Ring und ragen auf der
anderen Seite desſelben hervor; die Zahl der Streifen iſt natürlich gleich der An-
zahl der Spiralen. Erſtere ſind voneinander durch Iſolirmittel getrennt und bilden
zuſammen einen Hohlcylinder, in deſſen Mitte die ſtählerne Rotationsaxe, von
den Kupferſtreifen gleichfalls iſolirt, befeſtigt iſt. Der Raum zwiſchen den Kupfer-
ſtreifen und den Drahtſpiralen wird durch einen Holzring ausgefüllt.


Zur Ableitung der im Ringe inducirten Ströme ſind zwei Drahtbürſten
am Geſtelle der Maſchine derart befeſtigt, daß ſie auf dem Mantel jenes Cylinders
ſchleifen, welcher durch die Kupferſtreifen R R gebildet wird. Die Lage dieſer
Ableitungsbürſten am Cylinder iſt die der
Enden des Ableitungsdrahtes (äußeren
Stromkreiſes), wie dies bei der Erklärung
des Principes der Gramme’ſchen Maſchine
bereits angegeben wurde.


Bei den erſten von Gramme ge-
bauten Maſchinen rotirte der Ring zwiſchen
den Polen eines permanenten Stahl-
magnetes in Hufeiſenform, und zwar in
der Ebene desſelben. Um den Magnet
möglichſt ſtark zu machen, ſetzte man ihn aus
mehreren hufeiſenförmigen Lamellen zuſam-
men. Ein für Schulen und Laboratorien
gebräuchliches Modell iſt in Fig. 239
abgebildet. Der Magnet iſt aus einer
größeren Anzahl von Stahlfedern zuſam-
mengeſetzt, welche in Hufeiſenform gebogen

Figure 238. Fig. 238.

Gramme’ſcher Ring.


ſind und durch die Klammern a b zuſammengehalten werden. Die Enden der
Stahllamellen ſtehen voneinander ein wenig ab und ſind mit maſſiven Polſchuhen
aus weichem Eiſen verſehen. Ein derartiger, nach den Angaben Jamin’s con-
ſtruirter, ſogenannter Blättermagnet beſitzt eine viel höhere Tragkraft, als Stahl-
magnete anderer Conſtruction. Der Gramme’ſche Ring wird innerhalb der ihn
faſt ganz umfaſſenden cylindriſch ausgehöhlten Polſchuhe mit Hilfe einiger
Zahnräder in raſche Rotation verſetzt. Die Ableitung der in den Drahtſpulen
inducirten Ströme erfolgt durch zwei Metallfedern, welche auf dem durch die
Kupferſtreifen gebildeten Stromſammler ſchleifen und mit Klemmſchrauben in
Verbindung ſtehen.


Die in der abgebildeten Geſtalt von Bréguet gebauten Maſchinen liefern
einen gleichgerichteten Strom in der Stärke von 8 Bunſen’ſchen Elementen.


Die zu induſtriellen Zwecken gebauten Maſchinen erhalten an Stelle der
permanenten Stahlmagnete viel kräftiger wirkende Elektromagnete, deren Erregung
unter Anwendung des dynamiſchen Principes erfolgt. Eine derartige Maſchine
iſt in Fig. 240 ſchematiſch und in Fig. 241 in perſpectiviſcher Anſicht dargeſtellt.


[368]

Aus der ſchematiſchen Zeichnung iſt nach dem bisher Geſagten die Strom-
führung leicht zu entnehmen. R ſtellt den auf der Axe A B befeſtigten Ring dar,
N A S und N1 B S1 ſind die beiden Elektromagnete, welche bei N N1 ihre Nord-
pole und bei S S1 ihre Südpole beſitzen. Die Stromführung iſt durch die
Pfeile angedeutet. Die eine Schleiffeder berührt den Kupferſtreifen 1, welcher mit
jenem Spulenpaare in Verbindung ſteht, von dem aus nach dem früher Geſagten
die Ableitung in den äußeren Stromkreis erfolgen muß. Die im Ringe R indu-
cirten Ströme gelangen daher von 1 in den Elektromagnet S1 B N1, dann in den
zweiten Magnet N A S und durch die Schleiffeder 2 zum Ringe zurück. Der

Figure 239. Fig. 239.

Gramme’ſche Maſchine für Handbetrieb.


Deutlichkeit halber iſt in der ſchematiſchen Zeichnung von einem äußeren Strom-
kreiſe (in welchem etwa Lampen eingeſchaltet ſind) abgeſehen worden. Die Maſchine
erſcheint daher „kurz“ geſchloſſen.


Die perſpectiviſche Anſicht in Fig. 241 zeigt das neue Modell einer
Lichtmaſchine. An zwei gußeiſernen verticalen Ständern ſind die Schenkel der
Elektromagnete horizontal befeſtigt. Je zwei gleichnamige Pole ſtoßen in
der verticalen Mittellinie der Maſchine zuſammen und ſind daſelbſt mit je
einem Polſchuhe verſehen. Dieſe umfaſſen den Ring an deſſen äußerem Umfange
derart, daß nur etwa ein Drittel unbedeckt bleibt; möglichſt viele Dahtwindungen der
Einwirkung der Induction auszuſetzen, iſt der Zweck dieſer Anordnung. Der
Ring ſitzt auf einer ſtählernen Axe, deren Lager an den verticalen Ständern
befeſtigt ſind. Auch die Oelgefäße zum Schmieren der Lager ſind an dieſen an-
gebracht. Die Riemenſcheibe (auf der linken Seite der Figur) dient zum Antriebe
[369] der Maſchine durch einen Motor. Das abgebildete Modell iſt für fünf Bogen-

Figure 240. Fig. 240.

Schema einer Gramme’ſchen [Maſchine].


Figure 241. Fig. 241.

Gramme’ſche Lichtmaſchine.


lampen beſtimmt; es hat eine Länge von 0·623 Meter, eine Höhe von 0·538 Meter
und ein Gewicht von 360 Kilogramm.


Urbanitzky: Elektricität. 24
[370]

In neueſter Zeit wurde von Gramme eine Maſchine mit Rückſicht darauf
conſtruirt, daß möglichſt am Gewichte der Maſchine und an dem zu ihrer Auf-
ſtellung erforderlichen Raume geſpart werde. Dieſe Maſchine iſt in Fig. 242 a
und b abgebildet. Auf der Axe A X iſt der wie bei den anderen Maſchinen
geformte Ring R aufgeſetzt. Hingegen ſind die Eiſenkerne E E der Elektromagnete
nicht aus ebenen, ſondern aus cylindriſch gebogenen Platten hergeſtellt und mit
Drahtwindungen D D verſehen. Jene Theile der Eiſenkerne, welche ſich dem Ringe
gegenüber befinden, ſind (bei s und n) ſo weit ausgehöhlt, daß der Ring ſich mit
geringem Spielraume vorbeibewegen kann.


Durch dieſe Anordnung gewinnt die Maſchine eine ſehr compacte Form,
nimmt wenig Raum ein und iſt in allen ihren Theilen gegen Beſchädigungen
geſchützt.


Für galvanoplaſtiſche Arbeiten conſtruirte Gramme zunächſt eine Maſchine
mit einer doppelten Ringarmatur und benützte die in der einen Armatur indu-
cirten Ströme zur Erregung der Elektromagnete, die in der zweiten Armatur

Figure 242. Fig. 242

a.


Figure 243. Fig. 242

b.


Gramme’ſche Maſchine.


hervorgerufenen im äußeren Strom- oder Arbeitskreiſe. Jeder Ring beſaß ſeinen
eigenen Stromſammler und zwei Elektromagnete, alſo hatte die ganze Maſchine
acht Elektromagnetſchenkeln. Sie wog 750 Kilogramm und war im Stande,
600 Gramm Silber aus einer Löſung in der Stunde abzuſcheiden, wenn zu ihrem
Betriebe eine Pferdekraft*) aufgewandt wurde.


Dieſe Conſtruction wurde aber ſpäter durch eine vortheilhaftere erſetzt.
Fig. 243 zeigt das neue Modell. Dieſe Maſchine beſitzt nur zwei Elektro-
magnete und in derſelben Anordnung wie bei der Lichtmaſchine. Die Windungen
um die Elektromagnetſchenkel ſind aber nicht aus Kupferdrähten, ſondern aus
Blechen hergeſtellt, deren Breite gleich iſt der ganzen Länge der Schenkel und die auf
dieſe in 20 bis 30 Lagen aufgerollt werden, wie eine Zeichnung auf eine Holzwalze.
Die Oberfläche der Bleche iſt blank, um die Wärmeausſtrahlung zu erleichtern
und dadurch ein Erhitzen der Maſchine hintanzuhalten. Die Spiralen der Ring-
armatur ſind gleichfalls nicht aus cylindriſchen Drähten, ſondern aus Kupferbändern
[371] gebildet, die aber ſtärker gehalten ſind, wie die Bleche der Elektromagnetwindungen,
weil ſie der in großer Stärke wirkenden Centrifugalkraft zu widerſtehen haben.


Als Iſolirung der einzelnen Windungsgruppen der Armatur wird kein beſonderes
Iſolirungsmaterial benützt, ſondern nur ſtets ein hinlänglich großer Zwiſchenraum
gelaſſen, in welchem dann die Luft die Iſolirung beſorgt.


Obige Ausführung der Armatur- und Elektromagnetwindungen hat darin
ſeine Begründung, daß es bei galvanoplaſtiſchen oder überhaupt elektrochemiſchen
Arbeiten mehr auf Quantität als auf Spannung der Elektricität ankommt. Es
müſſen deshalb auch die Widerſtände in der Maſchine möglichſt gering gemacht
werden.


Figure 244. Fig. 243.

Gramme’ſche Maſchine für Galvanoplaſtik.


Die Windungen der Elektromagnete und der Armatur ſind ſammt der Zer-
ſetzungszelle in einen einzigen Stromkreis geſchaltet, alſo das dynamiſche Princip
vollſtändig durchgeführt. Dies bewirkt gegenüber der früher angegebenen Maſchine
mit Doppelring folgende Vortheile: Die neue Maſchine beſitzt nur ein Gewicht
von 177·5 Kilogramm, kleinere Dimenſionen und erfordert zur gleichen Arbeits-
leiſtung (600 Gramm Silberabſcheidung in der Stunde) einen Kraftaufwand von
nur 50 Kilogramm-Meter oder zwei Drittel Pferdekraft. Ihrer einfacheren Conſtruction
halber und wegen des bedeutend geringeren Materialaufwandes kommt auch die
Herſtellung der Maſchine billiger.


Auch Maſchinen für Kraftübertragung wurden von Gramme conſtruirt.
Fig. 244 ſtellt ein Modell einer ſolchen dar. Bei dieſer iſt das das Geſtelle
bildende Sechseck aus einem Stücke gegoſſen und umhüllt die übrigen Maſchinen-
beſtandtheile faſt gänzlich, wodurch dieſe gegen Beſchädigungen ſehr gut geſchützt
24*
[372] ſind. Die Elektromagnete ſind in Form eines doppelten Kreuzes angeordnet und
umgeben mit vier Polſchuhen den Ring faſt an ſeinem ganzen Umfange. Hierbei
wechſelt die magnetiſche Polarität von Polſchuh zu Polſchuh, ſo daß alſo der Ring
vier Pole inducirt erhält. Die Betrachtung der Wirkungsweiſe dieſer oder ähn-
licher Maſchinen zu dem Zwecke, zu welchem ſie gebaut wurde, wird uns in einem
ſpäteren Capitel beſchäftigen.


Obwohl die Gramme’ſchen Maſchinen gegenwärtig zu den vorzüglichſten
zählen, ſind auch ſie nicht von allen Mängeln freizuſprechen. Dieſe ſind in der

Figure 245. Fig. 244.

Gramme’ſche Maſchine für Kraftübertragung.


Conſtruction des Ringes zu ſuchen. Der Kern desſelben beſteht aus Holz, welches
namentlich bei längerem Betriebe Urſache werden kann, daß ſich der feſte Zuſammen-
hang lockert. Die Drahtwindungen werden nicht vollſtändig, ſondern der Haupt-
ſache nach nur an der äußeren Begrenzungsfläche des Ringes ausgenützt, da ſie
nur dort der kräftigen Einwirkung der Magnetpole ausgeſetzt ſind. Dies bringt
auch noch einen anderen Nachtheil mit ſich. Wie wir wiſſen, wird jeder ſtromdurch-
floſſene Leiter in einem der Stromſtärke ꝛc. entſprechenden Grade durch den Strom
erwärmt. Die durch den Magnetismus der Elektromagnete nicht oder nur
in geringem Grade beeinflußten Windungen wirken daher dadurch ſchädlich, daß
ſie dazu beitragen, die Umwandlung des elektriſchen Stromes in Wärme zu
[373] begünſtigen. Dadurch ſetzen ſie ſowohl der Größe als auch der Tourenzahl
der Maſchine eine beſtimmte Grenze, welche nicht überſchritten werden kann, ohne
die Maſchine ſelbſt zu gefährden. Eine andere Wärmequelle bildet auch die fort-
währende Verſchiebung der magnetiſchen Polarität im Ringe. Macht z. B. eine
Maſchine 1000 Touren in der Minute, ſo wechſelt die Polarität im Ringe
ſtets nach Ablauf von 1/2000 Minute. Dieſer Zeitraum iſt aber zu kurz, als daß
das Eiſen den ihm ertheilten Magnetismus verlieren kann. Es muß daher ein
Theil des dem Eiſen inducirten entgegengeſetzten Magnetismus dazu verwendet
werden, den ihm früher eigenen Magnetismus zu zerſtören. Die Eiſenmoleküle
müſſen daher in beſtändiger Bewegung erhalten werden und hierin iſt abermals
eine Urſache zur Wärme-Entwicklung gegeben. Dieſer Uebelſtand wird allerdings
dadurch vermindert, daß Gramme den Eiſenring nicht aus einem Stücke, ſondern
aus einem Bündel gut ausgeglühter Eiſendrähte verfertigt, aber die gänzliche
Beſeitigung iſt auch hiermit nicht erreichbar.


Rotirt eine Kupfer-
platte in einem magnetiſchen
Felde, ſo erwärmt ſich die-
ſelbe. Eine ſolche Wärme-
Erregung tritt überhaupt
immer (in Folge des Auf-
tretens der Foucault’ſchen
Ströme) ein, wenn ſich
ein Leiter im magnetiſchen
Felde bewegt; ſie muß
daher auch bei der Gramme-
ſchen Maſchine zur Urſache
der Wärme-Entwicklung
werden. Die Wärme-Er-
regung iſt übrigens ein
Uebelſtand, der bei allen
Maſchinen in mehr oder
weniger hohem Grade
auftritt.


Figure 246. Fig. 245.

Flachring-Maſchine von Schuckert.


Man hat dieſe Uebelſtände in verſchiedener Weiſe zu beſeitigen geſucht.
Schuckert erreicht z. B. eine beſſere Ausnützung der Drahtwindungen des Ringes
in der Weiſe, daß er den Ring flach geſtaltet, ſo daß deſſen Querſchnitt ein Oblong
bildet. Bei der Flachringmaſchine von Schuckert (Fig. 245) iſt auch der Holz-
kern durch Metall erſetzt, wodurch die Feſtigkeit erhöht wird. Der Eiſenkern beſteht
aus magnetiſch voneinander iſolirten Blechſcheiben, um ein möglichſt raſches An-
nehmen und Verlieren des Magnetismus zu erleichtern. Ueber den Kern ſind die
einzelnen Spulen gewickelt, deren Enden wie beim Gramme’ſchen Ringe verbunden
ſind. Es muß der Stromſammler daher ebenſo viele Theile oder Sectoren haben
als der Ring Spulen trägt. Die Verbindung der Drahtenden mit den Theilen
des Stromſammlers iſt jedoch nicht durch Löthung, ſondern durch Verſchraubung
hergeſtellt. Es bringt dies den Vortheil mit ſich, daß bei einem größeren
Betriebe kein Reſerve-Anker (oder Reſerve-Armatur) nöthig iſt, da man jede einzelne
Spule leicht auswechſeln kann. Zu dieſem Ende iſt auch der Ring in die verticalen
Ständer derart gelagert, daß man ihn ohne Schwierigkeit herausnehmen kann.
[374] Wie die Figur deutlich zeigt, ſind nämlich die Lager nicht in geſchloſſenen, ſondern
nach einer Seite hin offenen Ausſchnitten der verticalen Ständer angebracht. Breite
Lager und gut angebrachte Schmiervorrichtungen für die Rotationsaxe tragen zum
ruhigen und ſicheren Gange der Maſchine bei.


Die Strominduction wird durch zwei Elektromagnete bewirkt, deren Schenkel
horizontal befeſtigt ſind und deren Verbindungen durch die verticalen Eiſenſtänder
der Maſchine gebildet werden. Je zwei einander zugekehrte, gleichnamige Magnet-
pole erzeugen ein nord- und ein ſüdmagnetiſches Feld, durch welches der Ring,
möglichſt nahe an die lappenförmigen Verbindungen der Pole herantretend, durch-
rotirt. Das radſchuhförmige Umfaſſen des Ringes durch die an die Magnete

Figure 247. Fig. 246.

Schuckert’ſche Maſchine für Galvanoplaſtik.


angeſetzten Pollappen führt faſt ſämmtlichen Draht der Inductionswirkung der
Magnete zu.


Schuckert läßt zwiſchen den Pollappen der oberen Elektromagnetſchenkel und
jenen der unteren einen ziemlich großen Zwiſchenraum, um dadurch dem Eiſenkerne
im Ringe Zeit zu laſſen, möglichſt vollſtändig einmal in der einen und hierauf in
der entgegengeſetzten Art magnetiſch zu werden. Das dynamiſche Princip iſt bei
den Schuckert’ſchen Maſchinen faſt immer vollſtändig durchgeführt. Die Wirkungs-
weiſe der Maſchine bedarf keiner näheren Erörterung, da ſie genau dieſelbe iſt
wie jene ihres Vorbildes, nämlich der Gramme’ſchen Maſchine.


Fig. 246 ſtellt eine von Schuckert für galvanoplaſtiſche Arbeiten gebaute
Maſchine dar. Bei dieſer fällt uns ſofort auf, daß an jedem Ende der Rotations-
axe ein Stromſammler angebracht iſt. Um den Zweck dieſer Anordnung einzuſehen,
müſſen wir die Arbeit in Betracht ziehen, welche die Maſchine zu leiſten hat. Der
von ihr gelieferte Strom ſoll in Zerſetzungszellen geleitet werden und dort elektro-
[375] lytiſche Arbeit verrichten. Wir erinnern uns im erſten Theile vorliegenden Werkes
gehört zu haben, daß hierbei in der Regel die Elektrodenplatten in der Zerſetzungs-
zelle polariſirt werden und hierdurch einen Gegenſtrom hervorrufen. Wir wiſſen
auch, daß bei dynamoelektriſchen Maſchinen das Ingangſetzen derſelben durch den
ſchwachen remanenten Magnetismus in den Eiſenkernen der Elektromagnete bewirkt
wird und daß die durch die Maſchine ſelbſt bewirkte ſtarke Magnetiſirung der
Elektromagnete verſchwindet, ſobald die Maſchine ſtilleſteht, bedeutend abnimmt,
wenn ſie langſam rotirt. Bleibt beim Abſtellen der Maſchine dieſe mit den Zer-
ſetzungsquellen in Verbindung, ſo wird der dem Maſchinenſtrome entgegengeſetzt
gerichtete Polariſationsſtrom immer in die Drahtwindungen der Maſchine fließen
und dem Eiſen einen dem anfänglichen entgegengeſetzt polaren remanenten Magnetis-
mus ertheilen. Bleibt die Maſchine nicht gänzlich ſtehen, ſondern wird nur ihre
Rotationsgeſchwindigkeit abſichtlich oder unabſichtlich verringert, ſo hängt es von der
Stärke der Polariſirung der Elektroden ab, ob der Polariſationsſtrom oder der
Maſchinenſtrom die magnetiſche Polarität in der Maſchine beſtimmt.


Wir ſehen alſo, daß in beiden Fällen die Magnetpole in der Maſchine
gewechſelt werden können, was offenbar auch einen Wechſel der Richtung des
Maſchinenſtromes bewirken muß. Die Folge davon würde ſein, daß die in der
Zerſetzungszelle durch den anfänglichen Strom geleiſtete Arbeit (z. B. Silber-
abſcheidung auf Gegenſtänden zum Zwecke der Verſilberung) durch den zweiten
wieder vernichtet würde. (An jenen Drahtenden, an welchen die zu verſilbernden
Gegenſtände eingehängt ſind, würde nämlich wegen des Polwechſels Säure ab-
geſchieden, wodurch das Silber neuerdings in Löſung käme.)


Das Eintreten eines ſolchen Polwechſels iſt es eben, was Schuckert durch
Anbringung zweier Stromſammler verhindert. Die Spiralen des Flachringes
ſind in zwei Gruppen getheilt, deren eine mit dem linksſeitigen, deren andere mit
dem rechtsſeitigen Stromſammler verbunden iſt. Dann werden die Ströme von
dem einen Stromſammler zur Magnetiſirung der Elektromagnete verwendet, die
des anderen in die Zerſetzungszellen geleitet. Dadurch ſind die Elektromagnete aus
dem Stromkreis der Zerſetzungszelle ausgeſchloſſen und können daher von dem
Polariſationsſtrome nicht beeinflußt werden. Wir werden ſpäter noch Gelegenheit
haben, andere Mittel zur Erreichung desſelben Zieles zu betrachten.


Im Uebrigen weicht der Bau der Maſchine von jenen, welche zur Beleuchtung
dienen ſollen, nicht ab. Hingegen iſt die Zahl der Drahtwindungen auf der Armatur
und auf den Elektromagneten eine bedeutend geringere und der Durchmeſſer der
Drähte ein größerer, entſprechend der Aufgabe der Maſchine: keine Spannungs-,
ſondern Quantitätsſtröme zu liefern.


Die Flachringmaſchine von Gülcher iſt ſpeciell den auch von dieſem
Erfinder conſtruirten Lampen angepaßt. Die Conſtruction und Schaltungsweiſe dieſer
entſprechend muß, wie wir ſpäter ſehen werden, die Lichtmaſchine derart disponirt
ſein, daß ſie im Stande iſt, Elektricität von geringer Spannung, aber großer
Quantität zu geben. Sonach mußte Gülcher den inneren Widerſtand ſeiner Maſchine
ſo weit als möglich zu verringern trachten. Die nachſtehende Beſchreibung der
Maſchine wird zeigen, in welcher Weiſe ihm dies gelungen iſt.


Fig. 247 giebt ein Schema und Fig. 248 eine perſpectiviſche Anſicht der
Maſchine. Die Elektromagnetſchenkel, 8 an der Zahl, haben eine flache Form und
ſind mit Drahtſeilen umwunden, da dicke Kupferdrähte ſich ſchwerer winden laſſen.
Die gleichnamigen einander gegenüberſtehenden Pole ſind durch

[figure]

förmige Pol-
[376] ſchuhe (2, 2, Fig. 247) miteinander verbunden, welche den zwiſchen den Magnet-
polen rotirenden Ring (1, 1) in der Art umgeben, daß auch deſſen Seitenflächen
einer kräftigen Induction unterliegen. Um den aufgewickelten Draht möglichſt aus-
zunützen und die Erwärmung zu vermindern, iſt der Querſchnitt des Ringes keil-
förmig geſtaltet. Die Anordnung der Spulen und der Bau des Ringes bewirken
überdies noch auf mechaniſchem Wege eine ausreichende Abkühlung. Wie die per-
ſpectiviſche Anſicht erkennen läßt, bilden die einzelnen Spulen mit den zwiſchengeſetzten
Keilen eine Reihe von Kammern, welche im Vereine mit den Polſchuhen der Magnete
einen förmlichen Ventilator darſtellen.


Die Polſchuhe ſind im Kreiſe herum abwechſelnd nord- und ſüdmagnetiſch,
wodurch die Maſchine vier magnetiſche Felder erhält. Im Ringe müſſen deshalb auch
vier Ströme inducirt werden, die, durch Parallelſchaltung vereinigt, nur einen Strom

Figure 248. Fig. 247.

Schema der Maſchine von Gülcher.


geben. Es iſt wohl klar, daß hierdurch der Widerſtand des Ringes bedeutend
vermindert wird, da die inducirten Ströme bei dieſer Anordnung nur einen kleinen
Theil der Armaturwindungen zu durchlaufen haben. Die Durchführung des dynami-
ſchen Principes läßt Fig. 247 erkennen. Von dem auf der Axe 3 aufgeſetzten
Stromſammler 4 fließt der Strom nach a und vertheilt ſich von hier aus in die
parallel geſchalteten Windungen der Elektromagnete E E. Bei b werden ſämmtliche
Stromzweige wieder vereinigt und der Geſammtſtrom fließt von der Klemme +
in den äußeren Stromkreis, aus welchem er durch die Klemme — wieder zum
Stromſammler zurückkehrt. Letzterer zeichnet ſich durch eine vortheilhafte Breite und
dadurch aus, daß er, wie auch jener der Maſchinen von Schuckert, leicht aus-
gewechſelt werden kann.


Bei der dynamoelektriſchen Waſchine von Fein, welche Fig. 249 im
Längsſchnitte darſtellt, wird eine beſſere Ausnützung der Armaturwindungen dadurch
[377] erreicht, daß die Polſchuhe der Elektromagnete den in centraler Richtung flach-
gedrückten Ring auch an ſeiner Innenfläche umſchließen. Der Kern des Ringes R
iſt aus dünnen, voneinander iſolirten Eiſenbändern gebildet und iſt ſammt ſeinen
Drahtſpiralen auf dem Meſſingſterne S S befeſtigt. Dieſer iſt auf der Rotations-
axe a a der Maſchine aufgekeilt. Die Drahtenden der einzelnen Spiralen führen
zu den Sectoren des Stromſammlers C, auf welchem die Bürſten B ſchleifen. Die
inducirenden Magnete M M' ſind in derſelben Weiſe gebaut und angeordnet wie
bei der Gramme’ſchen Maſchine. Ihre Polſchuhe A A ſind jedoch derart umgebogen,
daß ſie die Spiralwindungen der Armatur auch an deren Innenfläche umgeben.

Figure 249. Fig. 248.

Maſchine von Gülcher.


Die Vorgänge der Stromerregung verlaufen in gleicher Weiſe wie bei der Gramme-
ſchen Maſchine.


In anderer Weiſe ſuchte Heinrichs die Inductionswirkung der Magnete
auf den Ring zu verſtärken. Zu dieſem Behufe gab er dem Eiſenkerne ſeines Ringes
einen hufeiſenförmigen Querſchnitt in der Art, daß die Oeffnung des Hufeiſens
gegen die Rotationsaxe gerichtet iſt. Die Drahtſpiralen liegen daher nur auf drei
Seiten unmittelbar am Eiſenringe an, während ſie die vierte Seite (die offene
des Hufeiſens) frei überſpannen. Es wird hierdurch ein hohler Raum abgeſchloſſen,
der den ganzen Ring durchzieht. Wird letzterer in Drehung verſetzt, ſo entſteht in
deſſen hohlem Raume eine lebhafte Luftcirculation, die weſentlich zur Abkühlung
beiträgt. Die Polſchuhe der inducirenden Magnete ſchmiegen ſich der Ringform
an, ſind alſo in ihrem Querſchnitte gleichfalls hufeiſenförmig geſtaltet.


[378]

Sowohl in der Conſtruction des Ankers als auch in jener des Commutators
weicht die Flachringmaſchine von Bruſh von den bisher beſchriebenen ab. Der
Ring hat ſeiner äußeren Form nach eine gewiſſe Aehnlichkeit mit dem Pacinotti’ſchen

Figure 250. Fig. 249.

Maſchine von Fein.


Ringe, wie man dies aus Fig. 250 erſehen kann. Die horizontal gelegten Elektro-
magnetſchenkel tragen an ihren dem Ringe zugewandten Endflächen lappenförmige
Polſchuhe, ſo daß die inducirende Wirkung wie bei der Schuckert’ſchen Maſchine von

Figure 251. Fig. 250.

Maſchine von Bruſh.


beiden Seiten her auf den Ring ausgeübt wird. Je zwei einander gegenüberſtehende
Magnete beſitzen natürlich gleiche Polarität.


Der Ring ſelbſt beſteht aus einem maſſiven Eiſenkerne, der ſorgfältig ab-
gedreht iſt und durch einen tief eingeſchnittenen Canal von rechteckigem Querſchnitte
faſt in zwei parallele Hälften zerlegt wird. Senkrecht auf dieſen durch den ganzen
[379] Ring laufenden Canal iſt eine beſtimmte Anzahl radial geſtellter Ausſchnitte
gemacht, ſo daß der Ring eine zahnradartige Geſtalt erhält. In Fig. 251 iſt ein
Segment dieſes Ringes dargeſtellt. Die einzelnen Zähne ſind neuerdings durch
drei zum Umfange des Ringes parallel verlaufende Canäle durchſchnitten. In die
radialen Ausſchnitte zwiſchen den Eiſenzähnen werden die Inductionsſpulen gewunden.
Der Zweck der vielen Canaliſirungen des Ringes iſt einerſeits der, den Eiſenkern
leichter zu machen und die Eiſenmaſſen zu theilen, wodurch das Auftreten der
Foucault’ſchen Ströme vermindert wird, andererſeits iſt damit eine gute Ventilation
erzielt, die den Ring vor ſtarker Erwärmung ſchützt.


Die Zahl der radialen Ausſchnitte, beziehungsweiſe der in denſelben an-
gebrachten Drahtſpulen hängt von der Beſtimmung der Maſchine ab. Bei der
in Fig. 250 abgebildeten Sechzehn-Licht-Maſchine (d. h. Maſchine zur Speiſung
von 16 hintereinander in einen Stromkreis geſchalteten Voltabogenlampen) ſind acht
Spulen angebracht. Die Spulen ſind alle im ſelben Sinne gewickelt. Das innere
Drahtende jeder Spule iſt mit dem inneren Drahtende der ihr diametral gegen-

Figure 252. Fig. 251.

Ringſegment der Bruſh-Maſchine.


Figure 253. Fig. 252.

Commutatorring von Bruſh.


überliegenden Spule verbunden, während die äußeren Drahtenden zum Commutator
führen. Hier ſtehen ſie mit zwei einander ebenfalls diametral gegenüberliegenden
Segmenten des von allen übrigen Maſchinentheilen ſorgfältig iſolirten Commutators
in Verbindung; die Weiterleitung der Ströme beſorgen Schleiffedern.


Der Commutator der Bruſh-Maſchine iſt von jenem anderer Maſchinen
weſentlich verſchieden. Die bisher betrachteten Ringmaſchinen bedurften überhaupt
keines Commutators (d. h. Strom wenders), ſondern nur eines Stromſammlers,
da ſie in Folge ihrer Conſtruction ſofort gleichgerichtete Ströme gaben, was bei
der Bruſh-Maſchine nicht der Fall iſt; dieſe liefert vielmehr wegen der eigenartigen
Verbindung der Spulen untereinander zunächſt Wechſelſtröme. Der Commutator
beſteht aus ſo vielen auf der Rotationsaxe iſolirt aufgeſetzten Kupferringen, als
Spulenpaare am Ringe vorhanden ſind. Fig. 252 ſtellt ſchematiſch einen Schnitt
durch einen ſolchen Ring dar. Die drei Segmente S S und T des Ringes ſind
durch Luftzwiſchenräume voneinander iſolirt. Die Schleifſegmente S S dienen zur
Stromableitung, das von ihnen iſolirte ⅛ des Commutatorumfanges bedeckende
Segment T hat jedoch den Zweck, die Inductionsſpulen immer dann aus dem
[380] Stromkreiſe auszuſchalten, wenn ſie die neutrale Zone, alſo den Zwiſchenraum
zwiſchen beiden Polpaaren paſſiren. Eine derartige Stellung und ſomit Ausſchaltung
aus dem Stromkreiſe tritt bei jeder vollen Umdrehung der Armatur für jede Spule
zweimal ein; folglich wird jede Spule nur ¾ der Umlaufsdauer von Strömen
durchfloſſen. Dies bringt den Vortheil mit ſich, daß nicht der Influenzirung durch
die Elektromagnete unterworfene Spulen aus dem Stromkreiſe ausgeſchaltet werden
und daher in dieſen die Wärme-Erregung durch den Strom ausgeſchloſſen wird.
Je zwei ſolcher Ringe werden von zwei einander diametral gegenüberſtehenden
Bürſten berührt. Die Segmente der Ringe ſind mit den Segmenten ihrer Nach-
barringe verbunden. Wegen der zeitweiſen Ausſchaltung der Spulen aus dem
Stromkreis iſt es erforderlich, die Schleiffedern gut einzuſtellen, was durch con-
centriſches Verſchieben der Federnpaare und darauffolgendes Feſtſtellen erreicht
wird. Die Träger der Federn ſind aus gewelltem Kupferbleche hergeſtellt, damit
ſie beim Einſtellen der erſteren leichter nachgeben können.


Figure 254. Fig. 253.

Schaltung der Bruſh-Maſchine.


Die Schaltung in der Maſchine von Bruſh iſt aus Fig. 253 zu erſehen
und nach der von Richter in der „Elektrotechniſchen Zeitſchrift“ (Bd. III) ge-
gebenen Darſtellung folgende: Die Spule A1 und die ihr entgegengeſetzte A5 ſind
mit den Segmenten des erſten Commutatorringes verbunden; Spule A3 und A7
mit denen des zweiten; Spule A2 und A6 mit denen des dritten und Spule A4
und A8 mit denen des vierten. Die Ringe 1 und 2 bilden den erſten und die
Ringe 3 und 4 den zweiten Commutator. Die obere Bürſte des erſten und die
untere des zweiten Commutators führen zu den Schenkeln, die anderen zu der
Leitung. Hiernach iſt der Stromlauf, wenn die Spulen A1 und A5 ſich zwiſchen
den beiden Magnetpolen befinden, folgender: Von der Spule A1 ausgehend,
gelangt der Strom in den Commutator C1, von dieſem durch die Bürſte B1 der
Reihe nach in die Drahtwindungen der ſämmtlich hintereinander geſchalteten Elektro-
magnetſchenkel N2 N1 S1 S2, dann zur Bürſte B2 und in den Commutator C2, von
dieſem durch die Bürſte B3 in den äußeren Stromkreis und kehrt endlich durch
die Bürſte B4 und den Commutator C1 zu der mit der Spule A1 in Verbindung
ſtehenden Spule A5 in den Ring zurück.


[381]

Die Sechzehn-Licht-Maſchine macht bei Speiſung von 16 Lampen 770
Umdrehungen per Minute und verbraucht dabei an Betriebskraft 15½ Pferde-
kräfte; die elektromotoriſche Kraft iſt dann gleich 839 Volts und die Stromſtärke
10 Ampères. Natürlich wurden von Bruſh auch Maſchinen größerer Leiſtungsfähig-
keit gebaut, ſo z. B. eine, mit welcher man 40 Lampen in einem Stromkreiſe betreiben
kann. Dieſe erfordert einen Kraftaufwand von 35 Pferdekräften und entwickelt

Figure 255. Fig. 254.

Maſchine von Bürgin.


Figure 256. Fig. 255.

Maſchine von Bürgin.


einen Strom, deſſen elektromotoriſche Kraft 2200 Volts und deſſen Stromſtärke
10 Ampères beträgt.


Gewiſſermaßen in der Mitte zwiſchen den Ringmaſchinen und den nachher zu
beſprechenden Cylindermaſchinen, eine Combinirung beider bildend, ſteht die dynamo-
elektriſche Maſchine von Bürgin.
Fig. 254 ſtellt dieſelbe und einen aus
einer gleichen Maſchine herausgenommenen Anker dar, Fig. 255 iſt zum Theile
im Schnitt gezeichnet und läßt die innere Einrichtung der Maſchine beſſer über-
blicken.


[382]

Die Form und Anordnung der Elektromagnete iſt ähnlich jener der dynamo-
elektriſchen Maſchine von Siemens. Die Armatur hingegen bildet zwar in ihrer
Geſammtheit einen Cylinder, beſteht aber dem Weſen nach aus einer größeren
oder geringeren Anzahl von Gramme’ſchen Ringen. Das Geſtell iſt aus zwei
ſtarken Gußſtücken zuſammengeſetzt, welche gleichzeitig die Elektromagnetſchenkel
bilden. Dieſe ſind mit überſponnenen Kupferdrähten c c umwunden und gehen in
der Mitte in cylindriſch ausgehöhlte Polſtücke S und N über. Innerhalb dieſes
cylindriſchen Hohlraumes kann ſich der Armaturcylinder W um eine horizontale
Axe mit geringem Spielraume zwiſchen beiden Magnetpolen drehen.


Bei der in der Abbildung vorgeführten Maſchine iſt der Cylinder aus acht
Ringen zuſammengeſetzt. Die Ringe ſind durch die Speichen d an den Hülſen m
befeſtigt, welche auf der Axe D aufgekeilt ſind. Die Eiſenkerne der Ringe ſind
aus Eiſendrähten p gebildet, die über die Speichenenden geſpannt ſind; die Ringe
erhalten dadurch die Form eines Sechseckes. Um die Seiten der Sechsecke ſind
dann die Inductionsſpulen f ſo gewunden, daß der äußere Umfang jedes Ringes
der Kreisform ſo nahe als möglich kommt. Die einzelnen Ringe ſind auf der
Rotationsaxe derart befeſtigt, daß die Ecken der aufeinanderfolgenden Sechsecke in
einer langgezogenen Spirale liegen. (Siehe Fig. 254.) Die Zahl der Biegungen
des Ringes, ſowie auch die Zahl der Ringe kann natürlich nach Bedürfniß variirt
werden. Bei der durch die Abbildung dargeſtellten Maſchine ſind acht ſechsſeitige
Ringe, alſo 8 × 6 = 48 Spulen angebracht. Sämmtliche Spulen ſind im ſelben
Sinne gewickelt; das eine Drahtende jeder Spule des erſten Ringes führt zu
einem Segmente des Stromſammlers, die zweiten Enden dieſer Spulen ſind mit
den Anfängen der ihnen auf dem benachbarten Ringe nächſtgelegenen Spulen ver-
bunden, während gleichzeitig von dieſen Vereinigungspunkten aus Leitungen zu
Stromſammler-Segmenten abgehen. Die Schaltung der Spulen ſämmtlicher Ringe
iſt alſo gleich der Spulenſchaltung im Gramme’ſchen Ringe. Es ſind daher auch
die Vorgänge bei der Stromerregung dieſelben und brauchen hier nicht nochmals
erörtert zu werden. Die Ableitung der in der Armatur inducirten Ströme erfolgt
durch die Bürſten z, welche durch Federn an den Stromſammler leicht angedrückt
werden. Die Maſchinen von Bürgin liefern ſehr günſtige Reſultate und wird
namentlich die Solidität der Conſtruction gerühmt.


In der äußeren Form den Cylindermaſchinen ſehr ähnlich, muß die Maſchine
von Schwerd-Scharnweber
ihrer inneren Conſtruction wegen doch zu den Ring-
maſchinen gezählt werden. Selbe iſt in Fig. 256 in einer perſpectiviſchen Anſicht
und in Fig. 257 im Längsſchnitte dargeſtellt. Die Elektromagnetſchenkel ſind flach
geſtaltet und in horizontaler Lage angeordnet. Ihre Pole wölben ſich in Form
eines Halbcylinders über die Armatur und tragen an der Vorder- und Rückſeite
der Maſchine Anſätze m1 m2 aus weichem Eiſen, welche die Armaturwindungen
zum Theile an ihrer Innenſeite umfaſſen. Durch dieſe mantelartige Form der
Magnetpole wird die Inductionswirkung in ähnlicher Weiſe verſtärkt wie bei der
Maſchine von Fein.


Die Rotationsaxe A X beſitzt bei L1 L2 breite Lager, welche mit ausreichenden
Schmiervorrichtungen verſehen ſind. Bei S iſt ein Stück Rothguß auf die Axe
aufgekeilt, von welchem vier Speichen 1 ausgehen, an denen die Ringarmatur R R
befeſtigt iſt. Die Armatur ſelbſt unterſcheidet ſich vom Gramme’ſchen Ringe nur
durch die Breite, welche ihr das Ausſehen eines Cylinders giebt. Die Windungs-
weiſe der Spulen und die Verbindung der Drahtenden mit dem Stromſammler C
[383] iſt dieſelbe wie beim Gramme’ſchen Ringe. Wird die Maſchine zum Betriebe von
Glühlichtern benützt, ſo liegen die Windungen der Elektromagnete im Nebenſchluſſe,
während bei Betrieb von Bogenlichtern das dynamiſche Princip vollſtändig durch-
geführt iſt.


Figure 257. Fig. 256.

Maſchine von Schwerd-Scharnweber.


Figure 258. Fig. 257.

Maſchine von Schwerd-Scharnweber.


Die bisher beſchriebenen Maſchinen ſind durch die Anwendung des Pacinotti-
Gramme’ſchen Ringes charakteriſirt. Wir haben nun jene Maſchinen zu betrachten,
bei welchen an Stelle des Ringes die Trommelarmatur geſetzt iſt. Das Vorbild
dieſer Maſchinen bildet die Trommelmaſchine von Siemens und Halske.
Der charakteriſtiſche Beſtandtheil dieſer von Hefner von Alteneck conſtruirten
Maſchine iſt die nachher genauer zu betrachtende Trommelarmatur. Fig. 258 iſt
das Schema einer derartigen unter Benützung des dynamiſchen Principes conſtruirten
[384] Maſchine. Die Elektromagnete E und E1 haben bei S und N ihre Pole, welche
bogenförmig die Trommelarmatur umfaſſen. Sobald die Trommel in Drehung
verſetzt wird, entſtehen in deren Drahtwindungen elektriſche Ströme, welche in die
Spiralen der Elektromagnete geleitet, dieſe in kurzer Zeit bis zu ihrer größten
Stärke bringen.


Betrachten wir nun mit Hilfe des Schemas Fig. 259 die Inductionsvor-
gänge etwas näher, ſo bemerken wir, daß zur ſelben Zeit, in welcher ſich die eine
Hälfte der Drahtwindungen dem Südpole nähert, die andere Hälfte derſelben
Windungen dem Nordpole immer näher rückt; es werden alſo in der einen Hälfte
der Drahtwindungen Ströme der einen Richtung inducirt, in der anderen Hälfte
Ströme der entgegengeſetzten Richtung. Da aber jede Drahtwindung ſich bei O
zurückkrümmt und dann in der zweiten Hälfte entgegengeſetzt verläuft wie in der

Figure 259. Fig. 258.

Schema der Trommel-Maſchine.


Figure 260. Fig. 259.

Schema der Trommel.


erſten Hälfte, ſo muß die ganze Windung doch nur von Strömen einer Richtung.
die ſich in ihren Wirkungen addiren, durchfloſſen ſein. Es verhält ſich hier ähnlich
wie mit der Bewegung eines Uhrzeigers: derſelbe bewegt ſich unten von rechts
nach links, oben umgekehrt, und doch durchläuft er continuirlich in einer Richtung
ſeine Bahn.


Man bemerkt ferner, daß jede Windungshälfte bei jeder vollen Umdrehung
der Trommel ſich einmal dem Nord- und einmal dem Südpole nähert; es müſſen
deshalb bei einer vollen Umdrehung in jeder Umwindung nacheinander Ströme
von entgegengeſetzter Richtung inducirt werden. Im Schema (Fig. 259) ſind vier
derartige Drahtgruppen durch die Curven c 5 O 5' d, d 7 O 7' e, e 1' O 1 f und
f 4' O 4 g dargeſtellt. Bei N und S hat man ſich die Pole der Elektromagnete
zu denken, der mit Buchſtaben beſchriebene Kreis verſinnlicht die voneinander
iſolirten Theile des Collectors oder Stromſammlers; der Pfeil bei N zeigt die
[385] Rotationsrichtung des Cylinders, die übrigen Pfeile geben die Richtung der indu-
cirten Ströme an. Die über die Punkte 2 2', 3 3', 6 6' und 8 8' verlaufenden
Drahtgruppen ſind weggelaſſen, um die Deutlichkeit nicht zu beeinträchtigen. Wir
wollen nun die einzelnen Drahtwindungen und die in dieſen auftretenden
Inductionserſcheinungen der Reihe nach betrachten.


1. Jene Windungen, welche von 5' und 7' ausgehend nach O laufen,
nähern ſich dem Nordpole N; ſie erhalten Ströme inducirt von beſtimmter Richtung,
in der Zeichnung von rückwärts gegen den Collector zu.


2. Die Windungen, welche von 1 und 4 ausgehen, entfernen ſich vom
Nordpole, weshalb in jenen Ströme inducirt werden, die der Richtung nach den
vorigen entgegengeſetzt verlaufen; nun ſind aber auch die Seiten, oben und
unten, in Beziehung auf den Nordpol verwechſelt, wie aus der Zeichnung er-
ſichtlich iſt, daher haben die Ströme wieder die Richtung von rückwärts gegen den
Collector
.*)


3. In den Windungen, welche von 5 und 7 ausgehen, werden Ströme
inducirt, die ihrer Richtung nach den unter 1 erwähnten Strömen entgegengeſetzt
gerichtet ſind, weil ſie ſich dem Südpole nähern, während die unter 1 betrachteten
Windungen ſich dem Nordpole nähern. Die Stromrichtung wird alſo ſein: vom
Collector
nach rückwärts.


4. Die Windungen, die bei 1' und 4' beginnen, entfernen ſich vom
Südpole, erleiden deshalb entgegengeſetzte Inductionen wie die Drähte in 3, haben
aber räumlich die entgegengeſetzte Lage, und die Ströme bekommen daher durch
dieſe doppelte Umkehr wieder die Richtung der Ströme in 3, alſo die vom
Collector
nach rückwärts.


Es werden alſo Ströme mit der Richtung vom Collector in jenen Drähten
inducirt, welche von den Punkten 4' 1' 7 und 5 auslaufen, Ströme mit der Richtung
zum Collector in den von 5' 7' 1 und 4 ausgehenden Drähten. Es tritt daher zwiſchen
5' und 4', ferner zwiſchen 4 und 5 ein Stromwechſel für jede in dieſe Stellung
kommende Spule ein. Die Verbindungslinie + — zwiſchen dieſen beiden Punkten
ſteht ſenkrecht auf der Verbindungslinie der Magnetpole N S. Die Ableitung
der inducirten Ströme aus der Maſchine in den äußeren Stromkreis derart, daß
letzterer ſtets von Strömen einer Richtung durchfloſſen erſcheint, wird durch die
im Schema angegebene Anordnung des Collectors oder Stromſammlers bewirkt.
Von — ausgehend, kann man die Richtung der Ströme über c 5 O 5' d 7 O 7'
e 1' O 1 f 4' O 4 g
bis + verfolgen und erſieht daraus, daß alle dieſe Windungen
einen ununterbrochenen Stromkreis darſtellen.


Derſelbe Gang der Betrachtung läßt ſich auch für jene Drahtwindungen
durchführen, welche von den Punkten 5' 8' 2 und 3, ferner von den Punkten
Urbanitzky: Elektricität. 25
[386] 3' 2' 8 und 6 ausgehen. Es ergiebt ſich dann, daß die erſterwähnten Windungen
Ströme inducirt erhalten mit der Richtung zum Collector, die letzterwähnten mit
der Richtung vom Collector. Die Verbindung der einzelnen Windungen mit den
Collectortheilen in einer dex früheren analogen Weiſe giebt wieder einen geſchloſſenen
Stromkreis, der von — über c 3' O 3 b 2' O 2 a 8 O 8' h 6 O 6' g
nach + geht. In Fig. 260 iſt der Collector mit ſeinen Verbindungen, aber ohne
den mit der Cylinderaxe parallelen Drahtwindungen dargeſtellt und die einzelnen
Punkte ſind mit gleichen Buchſtaben und Zahlen bezeichnet wie in Fig. 259;
der zuletzt angegebene Stromkreis iſt punktirt gezeichnet.


Figure 261. Fig. 260.

Schema des Collectors.


Durch die eigenthümliche
Anordnung des Collectors wird
bewirkt, daß bei g und c Ströme
gleicher Richtung zuſammentreffen,
die ſich geradeſo wie im Gramme-
ſchen Ringe wieder vernichten
müßten, wenn an dieſen Stellen
nicht die Ableitungsdrähte +
und — in dem äußeren Strom-
kreis angebracht wären. Für
dieſe Ableitung, ſowie auch für
die Stellung der hierzu dienenden
Bürſten gilt dasſelbe, was bei
der Gramme’ſchen Maſchine be-
reits geſagt wurde.


Die einfachſte Form der
Trommelarmatur iſt in Fig. 261
dargeſtellt. Auf einer Stahlaxe
C C, welche in den Lagern F1 F2
drehbar iſt, ſitzt ein eiſerner
Cylinder s s1 n n1. Um den-
ſelben, und zwar in der Rich-
tung ſeiner Längsaxe, iſt iſolirter
Kupferdraht gewickelt, deſſen
Enden c c zu dem Commutator
p p1 führen. N N1 und S S1
ſtellen die Querſchnitte von
Magnetpolen dar. Die Magnetpole ſind bogenartig geformt, ſo daß ſie die Trommel
in mehr als zwei Drittel ihres Umfanges umhüllen; ſie wirken durch Influenz auf
den Eiſenkern und verwandeln dieſen in einen kräftigen Quermagnet. Die Magnet-
pole und der Eiſenkern bilden in dem Raume zwiſchen ſich zwei entgegengeſetzt
polariſirte, kräftige magnetiſche Felder. In dieſen rotiren die Drahtwindungen,
während der cylinderförmige Eiſenkern feſtgelegt iſt. Werden jedoch die Draht-
windungen auf dem Cylinder ſelbſt angebracht, ſo daß dieſer an der Rotation
der Spiralen theilzunehmen gezwungen iſt, ſo tritt im Eiſencylinder ein gegen
die Rotationsrichtung gerichtetes Wandern der Polaritäten geradeſo ein, wie
wir es am Gramme’ſchen Ringe beobachtet haben. In der Wirkungsweiſe der
Maſchine wird aber hierdurch nichts geändert. Obwohl die Feſtlegung der Eiſen-
trommel vortheilhaft erſcheint, wird hiervon doch meiſtens Abſtand genommen,
[387] da dies in der mechaniſchen Durchführung der Maſchine große Schwierigkeiten
verurſacht.


Die Trommelmaſchine wurde von der Firma Siemens \& Halske in
ſehr verſchiedenen Formen und Größen erzeugt. Eine derſelben, eingerichtet für

Figure 262. Fig. 261.

Die Cylinderarmatur.


Maſchinenbetrieb, iſt in Fig. 262 abgebildet. Die verticalen Ständer F F1 tragen
die Lager für die Rotationsaxe C C, auf welcher die Trommel befeſtigt iſt; dieſe
ſelbſt rotirt zwiſchen bogenförmigen Halbankern der Vförmigen Stahlmagnete

Figure 263. Fig. 262.

Trommelmaſchine von Siemens.


M M, welche ſo angeordnet ſind, daß ſie alle ihre Nordpole bei N N, ihre Süd-
pole bei S diamentral gegenüber haben. Hierdurch entſtehen magnetiſche Felder
von großer Intenſität, welche auf die rotirende Trommel eine kräftige Inductions-
wirkung ausüben. Bei p p1 iſt der Collector ſichtbar, durch welchen ſtets die
Ströme gleicher Richtung geſammelt werden und durch die Bürſten B B1 ihre
25*
[388] Ableitung in den äußeren Stromkreis L L1 finden. Auf dem entgegengeſetzten
Ende der Rotationsaxe iſt eine Riemenſcheibe angebracht, um die Maſchine be-
treiben zu können.


Aus Vorſtehendem läßt ſich leicht erkennen, daß bei der Trommelarmatur
die Ausnützung der Drahtwindungen zur Induction eine viel vollkommenere iſt
wie beim Gramme’ſchen Ringe, da bei der erſteren im Innenraume derſelben
keine Drahtwindungen vorkommen, wie dies bei dem Ringe der Fall iſt. Bei der
Trommelarmatur werden mit Ausnahme der Drahtſtücke an den beiden Stirn-
ſeiten des Cylinders alle Drähte vollſtändig ausgenützt.


Bei der praktiſchen Ausführung der Siemens’ſchen Maſchinen zur Beleuchtung,
Elektrochemie und Kraftübertragung werden natürlich an Stelle der Stahlmagnete
Elektromagnete angewandt und dieſe entweder ſtehend oder liegend, dem ſpeciellen

Figure 264. Fig. 263.

Siemens’ſche Lichtmaſchine.


Bedürfniſſe entſprechend, angeordnet. Hierbei wird auch in der Regel auf die etwas
complicirtere Stromführung verzichtet, der Draht auf der Trommel in viele
Partien getheilt, die dann keines Collectors bedürfen, ſondern in Gramme’ſcher
Weiſe zu den Sectoren eines Stromſammlers von der bei dieſen Maſchinen be-
nützten Art geleitet werden.


Eine derartige Maſchine für Beleuchtungszwecke iſt in Fig. 263 ab-
gebildet. Die Elektromagnete ſind hierbei flach gebaut und liegend angeordnet.
Die Pole beſtehen aus ſieben Eiſenlamellen, welche in Bogenform die Trommel
derart umfaſſen, daß ſtets mehr als zwei Drittel derſelben der Inductionswirkung
ausgeſetzt ſind. Die Anwendung des dynamiſchen Principes zeigt die Verfolgung
des Stromweges durch die Maſchine. Der in den Umwindungen der Trommel
inducirte Strom gelangt durch die rechts auf dem Stromſammler ſchleifende
Bürſte mittelſt eines Drahtbogens in die rechts unten liegende Spule des Elektro-
magnetes, durchläuft dieſe, geht dann in die obere Spule, von hier in die am
[389] Geſtelle rechts befindliche Klemme, in den äußeren Schließungsbogen (der hier
weggelaſſen iſt) zur Klemme links, von dort zu den links befindlichen Spulen des
Magnetes und endlich durch die links befindliche Schleiffeder wieder in die Trommel-
windungen.


Dieſe Maſchine wird in verſchiedenen Größen ausgeführt und beſitzt dann
natürlich auch eine verſchiedene Leiſtungsfähigkeit. Das mit D1 bezeichnete Modell
iſt z. B. im Stande, ein Licht von 12.000 Normalkerzen zu erzeugen, wenn es
500 Touren per Minute macht, wobei ein Kraftaufwand von ſieben Pferdekräften
erforderlich iſt. Die Maſchine hat eine Länge von 1·21, eine Breite von 0·86
und eine Höhe von 0·35 Meter und wiegt 500 Kilogramm.


Fig. 264 ſtellt eine Maſchine dar, wie ſie zur Reinmetallgewinnung
aus Löſungen der betreffenden Metallſalze angewandt wird. Wie ſchon früher er-
wähnt, bedarf man zu ſolchen Zwecken keiner hochgeſpannten Elektricität, ſondern

Figure 265. Fig. 264.

Siemens’ſche Maſchine zur Reinmetallgewinnung.


kommt hauptſächlich die Quantität derſelben in Betracht. Die Spiralen um
die Elektromagnete und um die Trommel werden daher hier großen Querſchnitt
beſitzen müſſen, hingegen wird eine geringe Anzahl von Windungen genügen.
(Bei Anwendung von Batterien würde man, wie wir bereits erfahren haben,
einige wenige, dafür aber großplattige Elemente anzuwenden haben.) In der That
erſieht man aus der Abbildung, daß jeder Elektromagnetſchenkel nur mit ſieben
Windungen verſehen iſt. Dieſelben ſind aber nicht mehr aus Draht, ſondern aus
Kupferſtangen hergeſtellt und beſitzen einen Querſchnitt von 13 Quadratcentimeter.
Die Windungen auf der Armatur ſind gleichfalls aus Kupferbarren hergeſtellt und
bedecken die Trommel nur in einer Lage. Sie ſind in der früher angegebenen Weiſe
durch paſſend geformte Kupferſtücke miteinander verbunden. Die Verbindungsſtellen
ſind nicht gelöthet, ſondern verſchraubt und die Iſolirungen zwiſchen den einzelnen
Windungen und den anderen Maſchinenbeſtandtheilen aus unverbrennlichem Asbeſt
hergeſtellt. Dieſe Ansführung geſtattet, die Leiſtungsfähigkeit der Maſchinen ſo hoch
zu ſteigern, daß ſogar die dicken Windungen heiß werden können, ohne hierdurch
[390] die Maſchine zu beſchädigen. Die Magnetpole ſind wie bei der vorbeſchriebenen
Maſchine aus ſieben bogenförmigen Lamellen gebildet.


Derartige Maſchinen ſtehen beiſpielsweiſe im königlichen Huttenwerke zu Oker
am Harz Tag und Nacht ſeit mehreren Jahren in Verwendung und ſchlagen jede
täglich fünf bis ſechs Centner Kupfer in den Zerſetzungszellen nieder, wozu ſie
eines Kraftaufwandes von acht bis zehn Pferdekräften bedürfen.


Ebenſo wie der Gramme’ſche Ring bildet auch die Siemens-Armatur den
typiſchen Beſtandtheil einer ganzen Reihe von mehr oder minder glücklich modifi-
cirten Maſchinen. Einige derſelben wollen wir im Nachſtehenden kennen lernen.
So ſtellt Fig. 265 eine dynamoelektriſche Maſchine von Ediſon dar, welche

Figure 266. Fig. 265.


Figure 267. Fig. 266.

Maſchinen von Ediſon.


dazu beſtimmt iſt, 60 Glühlichter zu je 16 Normalkerzen zu ſpeiſen. An dieſer
Maſchine fällt uns zunächſt die von allen anderen Maſchinen abweichende Form
der Magnete auf. Die beiden cylindriſchen Kerne derſelben ſind vertical geſtellt
und deren Polſchuhe aus einem maſſiven Eiſenblock gebildet, der cylindriſch aus-
gehöhlt iſt. In dieſem cylindriſchen Hohlraume dreht ſich eine Cylinderarmatur.


In Fig. 266 iſt eine ebenſolche Maſchine für 250 Lampen zu 16 Normal-
kerzen abgebildet und in Fig. 267 die große ſogenannte Tauſend-Licht-Maſchine,
wie ſie in Centralſtationen für elektriſche Beleuchtung zur Verwendung kommt.


Dieſe Tauſend-Licht-Maſchine oder Dampfdynamo, wie ſie Ediſon nennt,
umfaßt eine horizontale Dampfmaſchine von 125 Pferdekräften und die dynamo-
elektriſche Maſchine, welche beide auf einer Grundplatte befeſtigt ſind. Die inducirenden
[391]

Figure 268. Fig. 267.

Die Tauſend-Licht-Maſchine von Ediſon.


[392] Elektromagnete ſind aus acht cylinderförmigen, mit iſolirtem Drahte umwickelten
Schenkeln und zwei maſſiven Eiſengußſtücken, welche die Pole bilden, zuſammengeſetzt.
Letztere beſitzen eine cylindriſche Höhlung, in der ſich die Armatur dreht. Die Länge
der Elektromagnetſchenkel beträgt 2·4 Meter; ſie ſind horizontal befeſtigt und ihre
Umwindungen in den Stromkreis der Maſchine eingeſchaltet.


Die Armatur bildet ein, dem Principe nach, Siemens’ſcher Cylinder mit
Gramme’ſcher Verbindungsweiſe der Drahtenden. Die Windungen ſind parallel
zur Drehungsaxe des Cylinders angeordnet, aber nicht aus Drähten, ſondern aus
Kupferſtreifen von trapezartigem Querſchnitte hergeſtellt. Die Iſolirung der ein-
zelnen Streifen voneinander wird durch ein eigens präparirtes Löſchpapier
bewerkſtelligt. An den beiden Stirnſeiten des Cylinders ſind auf deſſen Axe von
dieſer und voneinander iſolirt ebenſoviele Kupferſcheiben angebracht, als Kupfer-
ſtreifen auf dem Umfange vorhanden ſind. Je zwei einander diametral gegenüber-
liegende Kupferſtreifen ſind mit ihren auf der einen Stirnſeite der Armatur
liegenden Enden mit einer Kupferſcheibe verbunden; das auf der entgegengeſetzten
Seite der Armatur befindliche Ende des einen Streifens iſt mit einer auf dieſer

Figure 269. Fig. 268.

Ediſon’s Armatur.


Seite befindlichen Kupferſcheibe verbunden, das Ende des zweiten Streifens (dem
erſten diametral gegenüber) mit einer zweiten Kupferſcheibe. Von dieſer geht dann
eine Verbindung zum dritten Streifen, von hier zu einer Scheibe auf der gegen-
überliegenden Seite der Armatur; dieſe Scheibe iſt dann mit dem dem dritten
Streifen diametral gegenüberliegenden Streifen verbunden, ſo daß alſo alle Kupfer-
ſtreifen, -Scheiben und -Verbindungen zuſammen eine ununterbrochene Reihe von
Windungen um den Cylinder bilden. Fig. 268 wird dieſe Anordnung verdeutlichen.
Auf der Axe A iſt zunächſt ein Holzcylinder B befeſtigt, welcher die den Kern
der Armatur bildenden Scheiben D aus weichem Eiſen trägt. S ſind die Kupfer-
ſtreifen, deren die große Maſchine 146 beſitzt, und L L1 die Kupferſcheiben. C iſt
der nach Gramme’ſcher Weiſe ausgeführte Stromſammler. Durch dieſe Anordnung
iſt der Widerſtand der Armatur und ſpeciell derjenige der unthätigen Partien an
den Stirnſeiten des Cylinders auf ein Minimum gebracht und die Verbindung
der einzelnen Windungen ohne Complication von Drähten erreicht. Die Streifen
ſind beiläufig 1·05 Meter lang und davon befindet ſich etwa 1 Meter unter
directer Einwirkung der Magnetpole.


Das Geſammtgewicht der Maſchine beträgt über 17 Tonnen, wovon bei-
läufig 10 Tonnen auf die Elektromagnete und 2·5 Tonnen auf die Armatur
[393] kommen. Sie kann 1000 Glühlichtlampen (Syſtem Ediſon) von je 16 Kerzen
Lichtſtärke oder 2000 ſolcher Lampen von je 8 Kerzen Lichtſtärke mit Strom ver-
ſehen. Die Welle des Motors iſt in der Verlängerung der Armaturwelle angebracht
und mit letzterer durch eine Kuppelung verbunden. Derartige Maſchinen ſtehen in
der Centralſtation in New-York in Verwendung, von welcher aus ein ganzer
Diſtrict zu Beleuchtungszwecken mit elektriſchen Strömen verſehen wird.


Ein Uebelſtand, der ſich namentlich häufig bei großen Maſchinen geltend
macht, beſteht in der ſtarken Funkenbildung am Stromſammler, wodurch dieſer ſehr
raſch abgenützt wird. Betrachten wir einmal die Vorgänge am Stromſammler
etwas genauer. Letzterer beſteht aus einer größeren oder geringeren Anzahl von
Metallſtreifen, welche mit den Drahtwindungen der Armatur in Verbindung ſtehen
und untereinander durch irgend ein Iſolirungsmaterial getrennt ſind. Die auf dem
Stromſammler ſchleifenden Bürſten paſſiren alſo abwechſelnd leitende und iſolirende
Streifen, d. h. ſie ſtehen mit den Armaturwindungen abwechſelnd in und außer
Verbindung. Dementſprechend könnte kein continuirlicher Strom im äußeren Strom-
kreiſe auftreten, ſondern in dieſem müßten lauter einzelne
raſch aufeinanderfolgende Ströme kreiſen. Um dieſe fort-
währenden Stromunterbrechungen hintanzuhalten, werden
daher die Schleifbürſten ſo angeordnet, daß ſie ſchon den
folgenden Metallſtreifen berühren, wenn ſie den vorher-
gehenden noch nicht verlaſſen haben. Hierdurch erreicht
man, daß der Strom nie vollſtändig unterbrochen wird.


Bei der Gramme’ſchen Anordnung des Strom-
ſammlers iſt nun der Vorgang an dieſem folgender: Die
Schleiffeder f, Fig. 269, berührt bereits den Metallſtreifen 2
des Stromſammlers, während ſie den Streifen 1 noch nicht
verlaſſen hat. Dadurch wird aber die zwiſchen dieſen
beiden Metallſtreifen liegende Spule S der Armatur kurz,
d. h. durch 1, 2 und f geſchloſſen. Iſt nun die Spannungs-
differenz zwiſchen den beiden Enden der Spule S eine
bedeutende, ſo wird der kurze Schluß ſchon hergeſtellt

Figure 270. Fig. 269.

Stromableitung vom Gramme-
ſchen Stromſammler.


werden, bevor die Streifen 1 und 2 durch f verbunden ſind, indem eine Selbſt-
entladung in Form eines Funkens eintritt.


Ediſon hat nun für ſeine großen Maſchinen eine Anordnung getroffen, durch
welche beide Uebelſtände, nämlich die Unterbrechung des Stromes und die Funken-
bildung, bedeutend vermindert werden. In Fig. 270 bezeichnen a1 a2 a3 die
iſolirenden, b1 b2 b3 die Metallſtreifen des Stromſammlers A. Die Metallſtreiſen
verlaufen nicht in ihrer ganzen Länge in gleicher Breite, ſondern je ein Stück
derſelben iſt, wie die Figur erkennen läßt, ſchmäler gehalten. Ueber die breiten
Theile der Metallſtreifen ſchliefen die Bürſten d d, über die ſchmalen Theile die
von letzteren getrennte Bürſte e. Auf derſelben Axe, auf welcher der Strom-
ſammler A befeſtigt iſt, befindet ſich auch der Stromunterbrecher B. Auf dieſem
ſind voneinander und von der Maſchine iſolirt die Metallſtreifen c1 c2 u. ſ. w.
angebracht. In ihrer Lage ſtimmen ſie genau mit der Lage der ſchmalen Stücke
b1 b2 … des Stromſammlers A überein.*) Ueber die Metallſtreifen des Strom-
[394] unterbrechers B ſchleifen die beiden voneinander getrennten Bürſten h1 h2. Die
Bürſte h1 iſt mit den Bürſten d d, h2 mit der Bürſte e verbunden. Die Bürſten
e, h und h2 ſind gegenüber den Bürſten d d etwas vorgeſchoben.


Iſt die Maſchine im Gange, alſo A und B in vollkommen gleicher Rota-
tion, ſo ſpielen ſich die Vorgänge bei der Stromableitung in folgender Weiſe ab:
So oft die Bürſten d d auf einem der Metallſtreifen b1 b2 … des Strom-
ſammlers A aufruhen, berühren die Bürſten e, h1 und h2 Iſolirungsſtreifen; die
letztgenannten Bürſten nehmen daher an der Stromableitung keinen Antheil, und
dieſe erfolgt in der gewöhnlichen Weiſe durch die Bürſten d d. Bevor jedoch die
Bürſten d d bei fortdauernder Drehung von A die Metallſtreifen b1 b2 . . ver-
laſſen, gelangt die Bürſte e mit dieſen in Berührung, während gleichzeitig die
Bürſten h1 h2 auf einen Metallſtreifen des Stromunterbrechers B gelangen. Der
Strom kann nun durch die Bürſte e, den Verbindungsdraht und die Bürſte h2

Figure 271. Fig. 270.

Ediſon’s Funkenbrecher.


in den Metallſtreifen auf B ge-
langen, von dem er dann durch
die Bürſte h1 und den zu dieſer
gehörigen Verbindungsdraht zu
den Bürſten d d kommt und von
hier aus in den äußeren Strom-
kreis abfließt. Dieſer Weg bleibt
dem Strome ſo lange offen, ſo
lange die Bürſten d d auf einem
iſolirenden Streifen ſchleifen. In
dem Momente, als ſie wieder
auf einen Metallſtreifen kommen,
wird dieſer Nebenſchluß dadurch
unterbrochen, daß die Bürſten
h1 h2 auf einen iſolirenden
Streifen kommen und hierdurch
die leitende Verbindung zwiſchen
h1 und h2 aufgehoben wird.


Durch dieſe von Ediſon
angegebene Anordnung wird alſo
bewirkt, daß einerſeits der
Maſchinenſtrom im äußeren Stromkreiſe nie unterbrochen wird, andererſeits nie
ein kurzer Schluß einer Spirale der Armatur eintreten kann. Es bedarf nach
Obigem keiner weiteren Erklärung, daß hierdurch auch die Funkenbildung auf ein
Minimum gebracht wird.


Die Maſchine von Meſton, Fig. 271, zeigt äußerlich allerdings eine
gewiſſe Aehnlichkeit mit der Maſchine von Siemens. Sie unterſcheidet ſich jedoch
von dieſer namentlich in der Conſtruction der Armatur. Der Eiſenkern derſelben
iſt folgendermaßen gebildet: 36 dünne Eiſenſcheiben ſind an ihrem kreisförmigen
Umfange ſo ausgeſchnitten, daß ſie die Form 16zähniger Räder erhalten; dieſelben
werden dann auf die Rotationsaxe mit Einſchaltung kleiner Zwiſchenſtücke neben-
einander aufgeſetzt, und zwar mit den Ecken ihrer Zähne in geraden, zur Rotations-
axe parallelen Linien. Dadurch bleibt zwiſchen je zwei Scheiben ein Zwiſchenraum,
in welchem die Luft circuliren kann. An der Oberfläche des auf dieſe Art gebildeten
Cylinders verlaufen dann parallel zu deſſen Axe 16 Rinnen von viereckigem
[395] Querſchnitte. In dieſe werden die Drahtwindungen gelegt, untereinander und mit
dem Stromſammler ſo verbunden, wie bei der Siemens’ſchen Maſchine. Die Sec-
toren des Stromſammlers ſind jedoch nicht in zur Axe parallelen, ſondern in
ſpiraligen Streifen angeordnet, die voneinander durch Luftſchichten iſolirt ſind.
Dieſe Form hat den Zweck, immer mehrere Sectoren gleichzeitig mit den Bürſten

Figure 272. Fig. 271.

Maſchine von Weſton.


in Contact zu bringen und dadurch die Stromableitung zu einer gleichförmigen
zu machen.


Die Elektromagnete beſtehen aus einzelnen gußeiſernen Stäben, die an den
beiden verticalen, vielfach durchbrochenen Ständern in horizontaler Lage befeſtigt

Figure 273. Fig. 272.

Die Weſton-Armatur.


ſind. Die einander zugekehrten Stabenden ſind durch ſchmiedeeiſerne Bögen ver-
bunden; nur die beiden äußerſten Paare tragen an Stelle der Bögen ellipſoidiſch
geſtaltete Eiſenſtücke, da nach Weſton’s Angaben dies die Regelmäßigkeit der Strom-
erregung begünſtigen ſoll.


Der eigenthümlich geformte Eiſenkern, die Zwiſchenräume zwiſchen den
Magnetſtäben und die durchbrochenen Ständer geben eine vorzügliche Ventilation,
[396] und die Erwärmung einzelner Theile der Maſchine iſt dadurch nahezu ganz aus-
geſchloſſen.


Figure 274. Fig. 273.

Neue Maſchine von Weſton.


Die Maſchine hat in neuerer Zeit mannigfache Aenderungen und Verbeſſe-
rungen erfahren. Der Eiſenkern der Armatur und eine davon getrennte Scheibe
[397] ſind in Fig. 272 abgebildet. Die Armatur iſt wie beim älteren Modell aus den
16zähnigen Eiſenſcheiben gebildet, die 36 an der Zahl auf die Rotationsaxe auf-
geſetzt werden. An den Stirnſeiten iſt der Cylinder durch abgerundete mehrfach
durchbohrte Eiſenplatten geſchloſſen. Der Cylinder iſt ſonach ſelbſt nach dem Auf-
winden des Drahtes hohl und ſein Innenraum durch eine große Anzahl von
Oeffnungen mit der äußeren Luft in Verbindung. Jede Scheibe beſitzt 16 Zähne
und bildet daher an ihrem Umfange 16 Oeffnungen; da 36 Scheiben den Cylinder
zuſammenſetzen, ſo befinden ſich an deſſen Oberfläche nicht weniger als 576 Oeff-
nungen, welche der Luft den Zutritt in das Innere des Cylinders ermöglichen.


Die Maſchine ſelbſt, in der ihr in neuerer Zeit gegebenen Geſtalt, iſt in
Fig. 273 abgebildet. Die Verbindungsweiſe der Drahtſpiralen untereinander und
mit den Segmenten des Stromſammlers iſt unverändert geblieben. Hingegen wurde
die Spiralanordnung der Kupferſtreifen des Stromſammlers aufgegeben, da hier-
durch die Gleichförmigkeit des Stromes denn doch nur auf Koſten der Strom-
intenſität erreicht werden konnte. Um die Funkenbildung ſo viel als möglich zu
unterdrücken, erhielt der Stromſammler eine bedeutend größere Anzahl von Metall-
ſtreifen, nämlich bis zu 140. Da nämlich jeder Streifen einer Vereinigungsſtelle
der Drähte zweier Spulen entſpricht, iſt durch dieſe Anordnung natürlich auch die
Anzahl der Windungsgruppen der Armatur vermehrt und folglich die Spannungs-
differenz an den beiden Enden jeder Spule vermindert. Die Befeſtigung des
Stromſammlers iſt eine derartige, daß durch ſie das Auswechſeln des Strom-
ſammlers im Beſchädigungsfalle leicht zu bewerkſtelligen iſt. Die Schleiffedern be-
ſtehen aus elaſtiſchen Kupferplatten, die durch Schlitze mehrfach geſpalten ſind.
Ihre Befeſtigung durch Bürſtenträger, welche auf einer drehbaren Scheibe angebracht
ſind, geſtattet, mit der Hand die Stromſtärke und die Stärke des magnetiſchen
Feldes zu reguliren, indem man die Bürſten mehr oder weniger nahe an die
günſtigſte Berührungsſtelle bringt.


Bei den großen Maſchinen dieſer Art liegen die Drahtwindungen der Elektro-
magnete nicht im Hauptſtromkreiſe, ſondern in einem Nebenſchluſſe zu den Spiralen
der Armatur. Eine ſolche Maſchine verſorgt 20 Bogenlampen mit Strom, macht
hierbei 900 Touren und beanſprucht einen Kraftaufwand von 14 Pferdekräften.


Bei Maſchinen, welche dazu beſtimmt ſind, eine größere Anzahl von Lampen
mit Strom zu verſorgen, die alſo auch einen höher geſpannten Strom liefern
müſſen, wendet Weſton eine beſondere Windungs- und Verbindungsart der Drähte
auf der Armatur an. Wir haben früher, bei Beſprechung der Maſchine von Ediſon,
die Wirkungsweiſe eines Stromſammlers nach Gramme’ſchem Muſter betrachtet
und dabei die unvortheilhaften Folgen eines kurzen Schluſſes der Armaturſpiralen
erkannt, welcher durch gleichzeitiges Berühren zweier aufeinanderfolgender Strom-
ſammler-Segmente durch die Bürſten entſteht. Die Vermeidung dieſes Uebelſtandes
iſt es eben, was Weſton mit der eigenartigen Drahtführung bezweckt.


Fig. 274 ſtellt die Anſicht und Fig. 275 den in der Richtung A A durch
die Armatur geführten Querſchnitt dar. Die Drahtlagen in den 16 Rinnen des
Eiſenkernes ſind in zwei Partien getheilt. Es iſt dies in den beiden Figuren dadurch
verſinnlicht, daß die eine Partie weiß, die andere ſchwarz gezeichnet iſt. Dementſprechend
iſt auch die Anzahl der Stromſammlerſtreifen E E auf das Doppelte gebracht. Die
Drahtführung iſt in nachſtehender Weiſe bewerkſtelligt: Zunächſt verſieht man eine
Rinne des Cylinders und die ihr diametral gegenüberliegende Rinne mit einer
Drahtlage. (In Fig. 275 ſchwarz gezeichnet und mit 1, 1 bezeichnet.) Die
[398] Drahtenden werden dann in die Höhe gezogen und vorläufig frei gelaſſen. Dann
verſieht man dieſelben Rinnen mit einer zweiten von der erſten völlig getrennten, aber
gleich ſtarken Drahtlage (2, 2 weiß); hierauf führt man denſelben Draht, nachdem

Figure 275. Fig. 274.


Figure 276. Fig. 275.


man zuvor Schlingen gebildet hat, von welchen aus Leitungen zu den Strom-
ſammler-Segmenten geführt werden, in die auf beiden Seiten des Cylinders nächſt-
folgenden Rinnen und bildet dort die untere Lage (3, 3 weiß). Nun nimmt man
den früher frei gelaſſenen, von der Lage 1, 1 kommenden Draht wieder auf und
ſtellt durch ihn die Lage 4, 4 her. In dieſer Weiſe wird der ganze Cylinder
[399] bewickelt und erhält dadurch zwei voneinander getrennte Drahtlagen, die elektriſch
vollkommen gleichwerthig ſind, ſowohl was ihre Länge, als auch was ihre Lage
zu den inducirenden Magneten anbelangt.


Man kann natürlich auch zuerſt die geſammten Rinnen des Cylinders mit
der unteren Drahtlage verſehen und dann auf dieſe die geſammte obere Drahtlage
anbringen. Es iſt dann nur zu beachten, daß immer das Ende der unteren Draht-
lage einer Rinne mit dem Anfange der oberen Drahtlage der nächſtfolgenden Rinne
verbunden werden muß und von hier aus eine Verbindung mit einem Strom-
ſammlerſtreifen herzuſtellen iſt. Aus Fig. 274 erſieht man, daß dann immer ab-
wechſelnd ſchwarze Drahtlagen C und weiße Drahtlagen B mit den aufeinander-
folgenden Streifen des Stromſammlers verbunden ſind; dieſe Verbindung wird
durch die Strahlſtücke D hergeſtellt.


Daß bei dieſer Anordnung und Verbindungsweiſe der einzelnen Windungs-
gruppen nie ein kurzer Schluß in der Weiſe entſtehen kann, wie wir es bei
Betrachtung der Fig. 269 geſehen
haben, zeigt die in gleicher Weiſe
gezeichnete Fig. 276. Es mögen
die Segmente 1 2 oder 2 3 oder
irgendwelche andere unmittelbar
aufeinanderfolgende Segmente des
Stromſammlers verbunden wer-
den, nie wird hierdurch ein kurzer
Schluß in ſolcher Weiſe herbei-
geführt wie beim Gramme’ſchen
Ringe. Zur Erreichung dieſes
Zieles iſt es natürlich nicht noth-
wendig, genau nach der oben
angegebenen Weiſe bei der Be-
wicklung des Eiſenkernes vor-
zugehen; es genügt vielmehr, an
dem Principe feſtzuhalten, daß
zwei unmittelbar aufeinander-
folgende Segmente des Strom-

Figure 277. Fig. 276.

Stromableitung vom Weſton’ſchen Stromſammler.


ſammlers nicht mit den Enden einer in ſich geſchloſſenen Gruppe in Verbindung
ſtehen dürfen. Sonach können auch die Drahtwindungen der geſammten Armatur
in mehr als zwei ſelbſtſtändige Stromkreiſe getheilt werden, was bei ſehr großen
Maſchinen und höheren Spannungen vortheilhaft erſcheinen kann; in der Regel
wird jedoch die Zweitheilung zur Erreichung des angeſtrebten Zweckes vollſtändig
genügen.


Bei der dynamoelektriſchen Maſchine von Lord Elphinſtone und
C. W. Vincent
wird die Herſtellung möglichſt kräftiger magnetiſcher Felder dadurch
zu erreichen geſucht, daß den Inductionsſpulen innen und außen Magnetpole gegen-
übergeſtellt werden. Fig. 277 giebt eine Anſicht, Fig. 278 den Längsſchnitt dieſer
Maſchine. Auf den beiden Seitenſtändern S S iſt die Stahlaxe A X unbeweglich
feſtgeſtellt. In der Mitte der Axe ſind ſechs Eiſenkerne E fächerartig befeſtigt und
mit Drahtwindungen verſehen. Die Drahtenden dieſer ſechs Elektromagnete werden
durch entſprechende Bohrungen in der Stahlaxe herausgeleitet. Die Windungen
ſind ſo angeordnet, daß bei Einleiten eines Stromes in dieſelben Nord- und
[400] Südpol im Kreiſe herum abwechſelnd aufeinanderfolgen. Den Polſchuhen dieſer
inneren Elektromagnete ſtehen ſechs Polſchuhe der außen angebrachten drei Elektro-
magnete M von V-förmiger Geſtalt gegenüber. Die Ströme in dieſen ſind ſo geführt,
daß ihren Polen ungleichnamige Pole der inneren Elektromagnete gegenüberſtehen.


Zwiſchen dieſem Doppelkranze von Elektromagneten bewegen ſich die Draht-
windungen, in welchen Ströme inducirt werden ſollen. Die Spulen ſind auf einem

Figure 278. Fig. 277.

Maſchine von Elphinſtone \& Vincent.


ſtarken Cylinder aus Papiermaché befeſtigt, welcher von den beiden Bronzerädern
R R getragen wird. Die Axenlager der beweglichen Trommel tragen einerſeits die
Riemenſcheibe r, andererſeits den Commutator C. Die Inductionsſpulen müſſen
ſich bei dieſer Anordnung mit geringem Spielraume zwiſchen den Polen der äußeren
und inneren Magnete durchbewegen und erfahren daher eine ſehr kräftige In-
ductionswirkung.


Die Anordnung der Inductionsſpulen ſelbſt iſt nachſtehende: Auf ſechs
Rahmen, deren Länge gleich iſt der Länge der Papiermaché-Trommel und deren
[401] Breite ein Sechſtel des Umfanges der letzteren ausmacht, werden iſolirte Drähte,
und zwar immer paarweiſe, aufgewunden, bis eine entſprechende Anzahl von
Windungen hergeſtellt iſt. Dieſe ſechs Drahtſpulen befeſtigt man dann auf der
Trommel, welche dadurch an ihrem ganzen Umfange mit einer erſten Drahtlage
bedeckt erſcheint. In gleicher Weiſe wird eine zweite und eine dritte Lage ſolcher
Spulen angefertigt und dann die zweite Lage auf der erſten ſo befeſtigt, daß ſie
gegen dieſe um ein Achtzehntel des Trommelumfanges verdreht erſcheint, d. h.
alſo, daß die Grenze zwiſchen zwei Spulen der erſten Lage von der Grenze zweier
Spulen der zweiten Lage um ein Drittel der Spulenbreite abſteht. Ebenſo wird
auch die dritte Spulenlage gegen die zweite angeordnet und auf der Trommel

Figure 279. Fig. 278.

Maſchine von Elphinſtone und Vincenti.


befeſtigt. Weder zur Befeſtigung noch zur Herſtellung der Spulen wird Eiſen,
ſondern überall Phosphorbronze verwendet. Die Drahtwindungen beſtehen natürlich
aus Kupferdrähten. Da in jeder Lage ſechs Spulen ſich befinden und jede Spule
zwei Doppelenden beſitzt, müſſen 72 Drahtenden (6 × 3 × 2 × 2) zum Com-
mutator geführt werden. Dieſer iſt aus 36 Lamellen gebildet, auf welchen ſechs
Bürſten (Fig. 277) ſchleifen, welche durch biegſame Kupferkabel mit einer ent-
ſprechenden Anzahl von Klemmſchrauben verbunden ſind.


In dieſer Anordnung giebt daher die Maſchine drei Stromkreiſe, die getrennt
gehalten oder entſprechend dem etwaigen Bedürfniſſe in einen Stromkreis vereinigt
werden können. Die Drahtenden der Elektromagnete ſind gleichfalls zu Klemm-
ſchrauben geführt, wodurch auch eine verſchiedenartige Schaltung dieſer ſowohl
untereinander als auch mit dem Stromkreiſe der Maſchine ermöglicht wird. Die
Urbanitzky: Elektricität. 26
[402] Maſchine erhält dadurch die Fähigkeit, ihre elektromotoriſche Kraft verſchiedenen
Verhältniſſen anzupaſſen.


Fig. 279 iſt ein Verſuch, die Stromführung und die Inductionsvorgänge
in der Elphinſtone-Maſchine ſchematiſch darzuſtellen. Die Beſchreibungen der
Maſchine in den deutſchen, franzöſiſchen und engliſchen Journalen ſind ſo knapp
gehalten, daß die Theorie nicht mit abſoluter Sicherheit gegeben werden kann.
Immerhin hat die hier vorgeführte Schaltung unter den überhaupt möglichen
Klarheit und Einfachheit für ſich und giebt doch wenigſtens ein Bild, wie die
Maſchine wirken kann.


Figure 280. Fig. 279.

Schema der Elphinſtone-Maſchine


In Fig. 279 iſt auch darauf Rückſicht genommen, daß bei den neueren
Maſchinen nicht mehr ſechs, ſondern nur zwei Bürſten zur Anwendung gelangen
und dementſprechend Verbindungen zwiſchen einzelnen Commutatortheilen hergeſtellt
werden mußten. Um die Figur nicht zu compliciren, ſind an Stelle der doppelten
nur einfache Windungen angenommen und dieſe nur durch einfache Curven dar-
geſtellt; dies hatte auch zur Folge, daß der Commutator nur 18 ſtatt 36 Theile
erhielt. Gleichfalls aus Rückſicht auf die Ueberſichtlichkeit der Darſtellung ſind die
magnetiſchen Felder, welche durch je einen inneren und einen ihm gegenüberſtehenden
äußeren Magnet gebildet werden, nur durch die außen angebrachten Segmente S N
angedeutet. Die fein gezogenen Bögen I ſtellen die erſte, die geſtrichelten Bögen II
[403] die zweite, gegen die erſte um ein Achtzehntel des Trommelumfanges verſchobene
Lage dar und endlich die ſtark gezognen Bögen III bilden die dritte abermals
um ein Achtzehntel verſchobene Lage.


In jeder Lage iſt das Ende der einen mit dem Anfange der nächſten Spule
verbunden und von dieſer Verbindungsſtelle eine Ableitung zu einem Segmente des
Commutators geführt. Die Verbindungen der Commutator-Segmente untereinander,
um an Stelle von ſechs Bürſten nur zwei verwenden zu können, ſind nur für die
Spulenlage III ausgeführt. Betrachten wir nun die Inductionsvorgänge in dieſer.
Von den ſechs Spulen derſelben befinden ſich gleichzeitig je drei unter der Ein-
wirkung gleichnamiger Magnetpole; je drei müſſen deshalb auch Ströme gleicher
Richtung inducirt erhalten. Es ſind dies die Spulen b d f und c e a. Für die
Spulen, welche den Nordpolen gegenüberſtehen (alſo die erſtgenannten), wurde die
Stromrichtung gegen die Uhrzeigerbewegung angenommen und durch Pfeile angedeutet;
folglich müſſen die Ströme in den Spulen c e a, welche Südpolen gegenüber ſich
befinden, entgegengeſetzt, alſo in der Richtung der Uhrzeigerbewegung verlaufen.
Verfolgt man die Richtung der Ströme in den einzelnen Spulen, ſo erkennt man,
daß zu den Commutator-Segmenten 1, 7 und 13 Ströme einer Richtung, zu den
Segmenten 4, 10 und 16 Ströme entgegengeſetzter Richtung laufen. Würde an
jeder dieſer ſechs Stellen eine Schleifbürſte angebracht, ſo könnten durch dieſe die
inducirten Ströme in drei geſonderte Stromkreiſe abgeleitet werden. Verbindet
man aber die Segmente 1, 7 und 13 untereinander und ebenſo die Segmente 4,
10 und 16, ſo kann man durch Anlegen von nur zwei Bürſten bei 1 und 10
ſämmtliche Ströme, welche in der Spulenlage III inducirt werden, in einen
Stromkreis ableiten. Die Verfolgung der Stromrichtungen in den einzelnen Spulen
dieſer Lage und in den Verbindungsdrähten zwiſchen den Commutator-Segmenten
zeigt nämlich, daß in 1 nur Ströme einer, in 10 nur Ströme der entgegengeſetzten
Richtung zuſammenlaufen. Verbindet man aber ſolche Stellen durch einen Schließungs-
bogen, ſo durchfließt dieſen ein Summationsſtrom einer Richtung. (Dieſer Vorgang
wurde bei Beſprechung des Gramme’ſchen Ringes ausführlich erörtert, S. 363.)


Schreitet die Drehung der Armatur fort, ſo kommen nach einer Achtzehntel-
Umdrehung die Spulen der Lage I genau in dieſelbe Stellung zu den Magnet-
polen, nach einem weiteren Achtzehntel die Spulen der Lage II, hierauf wieder
jene der Lage III u. ſ. w. Bei der Anwendung von ſechs Bürſten kämen in jenem
Momente, in welchem die Spulen der Lage I den Magnetpolen gegenüber gelangen,
einerſeits die Segmente 2, 8 und 14, andererſeits die Segmente 5, 11 und 17
unter die Bürſten. Werden jedoch nur zwei Bürſten angewendet, ſo kommt unter
die eine Bürſte das Segment 2, welches dann mit den Segmenten 8 und 14
verbunden ſein muß, und unter die andere Bürſte das Segment 11, von welchem
Drähte zu den Segmenten 5 und 17 führen müſſen. In gleicher Weiſe verhält
es ſich mit der Spulenlage II. Auf dieſe Art bekommt man alſo im äußeren
Stromkreiſe ſtets Ströme gleicher Richtung.


Wie wir ſpäter erfahren werden, trat mit der Erfindung der elektriſchen
Kerze durch Jablochkoff ein wichtiger Wendepunkt in der Entwicklung der elek-
triſchen Beleuchtung ein. Der rationelle Betrieb elektriſcher Kerzen erforderte aber
die Anwendung von Wechſelſtrömen; dies hat zur Folge, daß das Streben der
Maſchinenconſtructeure darauf gerichtet werden mußte, brauchbare Maſchinen zur
26*
[404] Erregung von Wechſelſtrömen zu ſchaffen. Aber auch ſpäter wurden und ſelbſt
gegenwärtig werden von verſchiedenen Firmen derartige Maſchinen gebaut, da ſie
gewiſſe Eigenſchaften beſitzen, welche ihre Anwendung bei verſchiedenen Beleuchtungs-
ſyſtemen wünſchenswerther erſcheinen laſſen, als die der Gleichſtrom-Maſchinen.
Wir wollen daher einige dieſer Wechſelſtrom-Maſchinen näher betrachten.


Die Wechſelſtrom-Maſchine von Gramme iſt in den Fig. 280 und 281
im Quer- und Längsſchnitte abgebildet. Auf einem gußeiſernen Sockel R ſind zwei
ebenfalls gußeiſerne Seitenſtänder D von nahezu kreisförmiger Geſtalt befeſtigt.
Acht Meſſingſtangen E und eine Eiſentraverſe U dienen dazu, die Feſtigkeit des

Figure 281. Fig. 280.

Gramme’ſche Wechſelſtrom-Maſchine (Querſchnitt).


Geſtelles zu erhöhen. An dieſem Geſtelle ſind die Drahtſpulen a b c d .... der
Armatur mit ihren aus einem oder mehreren Stücken beſtehenden Eiſenkernen
befeſtigt. Der ganze Spulencylinder iſt außen von einem Holzmantel S umgeben.
T iſt eine Stahlaxe, auf welcher mittelſt der gußeiſernen Muffen H und achtſeitiger
Platten die acht Elektromagnete angebracht ſind. Jeder derſelben iſt mit einem
Polſchuhe aus weichem Eiſen verſehen, der an der Außenfläche abgerundet iſt und
über den Elektromagnet hinausragt, ſo daß zwiſchen den Polſchuhen zweier
benachbarter Magnete nur ein kleiner Zwiſchenraum bleibt. Zwei dünne Scheiben
T, an den einzelnen Magneten befeſtigt, ſchützen dieſe gegen die Wirkung der
Centrifugalkraft. Ferner ſind auf der Rotationsaxe bei N zwei Scheiben iſolirt
[405] aufgeſetzt und auf dieſen ſchleifen die Bürſten P. Sie dienen dazu, um einen
Strom in die Elektromagnete zu leiten, den eine kleine Gramme’ſche Maſchine
für gleichgerichtete Ströme, irgend eine andere Elektricitätsquelle oder die Maſchine
ſelbſt liefert.


Die Elektromagnete ſind abwechſelnd nach rechts und nach links gewickelt
und alle in den Stromkreis der erregenden Elektricitätsquelle eingeſchaltet. Die
Wirkung eines durch alle Windungen kreiſenden Stromes wird alſo derart ſein,
daß, wenn ein Magnet den Drahtwindungen a b c d .... ſeinen Südpol zu-
wendet, die rechts und links benachbarten Magnete den Nordpol nach außen
kehren, oder mit anderen Worten, die im Kreiſe aufeinanderfolgenden Elektro-
magnete ſind abwechſelnd nord- und ſüdpolariſch.


Figure 282. Fig. 281.

Gramme’ſche Wechſelſtrom-Maſchine (Längsſchnitt).


Die in acht Gruppen zu je vier Spulen zuſammengeſtellten Drahtwindungen
der Armatur ſind nicht zu einer einzigen Drahtſpirale, wie im Gramme’ſchen Ringe,
verbunden, ſondern die Drähte jeder Spule führen zu eigenen auf dem Holzmantel
befeſtigten Klemmen e e1. Dadurch iſt die Möglichkeit gegeben, von der Maſchine
32 getrennte Stromkreiſe zu erhalten.


Die Wirkungsweiſe der Maſchine iſt nun leicht zu verſtehen. Da acht
Gruppen von Spulen in der Armatur und gleichfalls acht Elektromagnete auf der
Rotationsaxe angebracht ſind, ſo muß in jedem Momente der Drehung der letzteren
die Inductionswirkung auf die einzelnen Gruppen untereinander gleich ſtark ſein,
denn wenn z. B. einer Spulengruppe ein Magnet gerade gegenüberſteht, ſo muß
eben wegen der Gleichheit der Gruppen- und Magnetzahl auch jeder anderen
Gruppe ein Magnet gerade gegenüberſtehen. Die Stärke der inducirten Ströme
wird alſo jederzeit in allen Spulengruppen gleich ſein, aber die Richtung der
[406] Ströme muß in den einzelnen Gruppen wechſeln, da ihnen verſchiedene Magnetpole
gegenüber zu ſtehen kommen. Es werden in den Gruppen 1, 3, 5 und 7 Ströme
in der einen Richtung, in den Gruppen 2, 4, 6 und 8 Ströme in der entgegen-
geſetzten Richtung circuliren. Schreitet die Drehung der Elektromagnete fort, ſo
kommt zu jener Spulengruppe, wo früher ein Südpol war, ein Nordpol und
umgekehrt: es werden jetzt die Spulengruppen 2, 4, 6 und 8 Ströme in der
erſten Richtung und die Gruppen 1, 3, 5 und 7 Ströme in der zweiten Richtung
inducirt erhalten.


Iſt jede einzelne Spule durch einen Bogen geſchloſſen, ſo erhält man demnach
32 getrennte Stromkreiſe, und in jedem derfelben circulirt ein Strom wechſelnder
Richtung. Will man nur vier Stromkreiſe erhalten, ſo hat man die erſte, dritte,
fünfte und ſiebente Spule a für den einen Pol und die zweite, vierte, ſechſte und
achte Spule a für den zweiten Pol zu verbinden; ferner die erſte, dritte, fünfte
und ſiebente Spule b für den einen Pol des zweiten Stromkreiſes und die zweite,
vierte, ſechſte und achte Spule b für den andern Pol desſelben zu verbinden;
verfährt man in gleicher Weiſe mit den Spulen c und d, ſo erhält man die
gewünſchten vier Stromkreiſe.


Wenn nämlich, wie früher erwähnt, die Stellung der einzelnen Magnete
zu den entſprechenden Spulengruppen bei allen Paaren dieſelbe iſt, ſo muß auch
die Stellung der Magnete zu den einzelnen Spulen gleicher Bezeichnung dieſelbe
ſein, das heißt, wenn z. B. in einer Gruppe der Spule a ein Magnet gerade
gegenüberſteht, ſo muß auch in allen anderen Spulengruppen den Spulen a
ein Magnet gegenüberſtehen. Da aber die Magnete abwechſelnd ihre Nord- und
Südpole den Spulen zukehren, ſo muß auch in den im Kreiſe aufeinanderfolgenden
Spulen a abwechſelnd ein Strom in der einen und in der andern Richtung inducirt
werden. Es werden folglich in der erſten, dritten, fünften und ſiebenten Spule a
Ströme in der einen Richtung und in der zweiten, vierten, ſechſten und achten
Spule a Ströme in der entgegengeſetzten Richtung laufen. Die Spulen der geraden
Zahlen mit einem Pole, die Spulen der ungeraden Zahlen mit dem andern Pole
verbunden, und die beiden Pole durch einen Schließungsbogen vereinigt, geben
einen Stromkreis, in welchem für einen gegebenen Moment ein Strom von beſtimmter
Richtung läuft. Im nächſten Momente der Drehung kommen den Spulen die den
früher ihnen gegenübergeſtandenen Magnetpolen entgegengeſetzten Magnetpole gegen-
über, daher wird jetzt in der erſten, dritten, fünften und ſiebenten Spule ein Strom
circuliren, der die entgegengeſetzte Richtung des früheren, alſo die Richtung des
früher in der zweiten, vierten, ſechſten und achten Spule kreiſenden Stromes hat
und ebenſo wird ſich jetzt in den letztgenannten Spulen der Strom umgekehrt haben.
Im ganzen Schließungskreiſe muß deshalb ebenfalls die Stromrichtung die ent-
gegengeſetzte des früheren Stromes ſein. Dasſelbe gilt für die Spulen, welche mit
b bezeichnet ſind, dasſelbe für die mit c und dasſelbe für die mit d bezeichneten.
Man erhält daher vier getrennte Stromkreiſe, in deren jedem Wechſelſtröme circu-
liren; die Ströme in den ſo erhaltenen vier Stromkreiſen ſind gleich ſtark.


Die in den Fig. 280 und 281 abgebildete Maſchine ſpeiſt 16 Jablochkoff-
Kerzen zu je 100 Carcelbrenner Lichtſtärke und erfordert zu ihrem Betriebe einen
Kraftaufwand von 16 Pferdekräften. Sie koſtet incluſive einer kleinen Hilfsmaſchine
zum Anregen der Magnete 10.000 Frcs., iſt 0·89 Meter lang, 0·76 Meter
breit und 0·78 Meter hoch. Ihre Maximalgeſchwindigkeit beträgt 600 Touren
per Minute und ihr Geſammtgewicht 650 Kilogramm. Es werden derartige
[407] Maſchinen nicht nur von den angegebenen Dimenſionen gebaut, ſondern auch ſolche,
welche nur für vier oder ſechs Lichter beſtimmt ſind.


Die Erregung der Elektromagnete durch Ströme, welche von einer Erreger-
maſchine, die von der Wechſelſtrom-Maſchine vollſtändig unabhängig iſt, erzeugt werden,
führte mannigfache Uebelſtände mit ſich. Jede Schwankung dieſes Stromes machte
ſich in erhöhtem Maße in den von der Wechſelſtrom-Maſchine erzeugten Strömen
geltend und veranlaßte ein unruhiges Brennen der Kerzen. Gramme hat daher in
einer ſpäteren Conſtruction die Erreger-Maſchine mit der Wechſelſtrom-Maſchine zu
einem Ganzen vereinigt und dieſe neue Wechſelſtrom-Maſchine Auto-Excitatrice
benannt.


Figure 283. Fig. 282.

Auto-Excitatrice.


Dieſe in Fig. 282 abgebildete Maſchine ſtellt eine Combinirung der Gramme-
ſchen Maſchine für Gleichſtrom A mit der eben geſchilderten Wechſelſtrom-Maſchine
B dar. Die Wechſelſtrom-Maſchine iſt geradeſo gebaut, wie vorbeſchrieben. Die Maſchine
für Gleichſtrom weicht durch die Anordnung der erregenden Elektromagnete etwas
von den gewöhnlichen Ringmaſchinen ab. Von der Innenſeite des cylindriſch gebauten
Seitenſtänders A A ragen in radialer Richtung die Elektromagnete E hinein. An
zwei einander gegenüberliegenden Scheitelpunkten der durch die Elektromagnete
gebildeten Winkeln ſind die beiden Polſchuhe P P angebracht, welche je zwei Elektro-
magnete verbinden. Die Drahtwindungen in den Elektromagnetſchenkeln ſind ſo geführt,
das je zwei derſelben an den durch einen Polſchuh vereinigten Enden gleiche Pola-
rität erhalten. Innerhalb des cylindriſchen Raumes, welcher durch die Polſchuhe
[408] gebildet wird, rotirt ein Gramme’ſcher Ring R gewöhnlicher Conſtruction. Er
bewegt ſich alſo wie bei den früher beſchriebenen Maſchinen zwiſchen zwei diametral
einander gegenüberliegenden entgegengeſetzten Magnetpolen und erfährt daher auch
ganz dieſelben Inductionswirkungen. Der Ring iſt auf derſelben Axe aufgekeilt, auf
welcher die inducirenden Elektromagnete der Wechſelſtrom-Maſchine B befeſtigt ſind.
Die im Ringe R inducirten Ströme werden durch die Bürſten B1 B2 den Elektro-
magneten der Wechſelſtrom-Maſchine zugeführt.


Um die Ströme beider Maſchinen reguliren zu können, ſind die Bürſten der
Erregermaſchine nicht unmittelbar mit den Drahwindungen der Elektromagnetſchenkel
in der Wechſelſtrom-Maſchine verbunden, ſondern die Verbindung iſt eine derartige,
daß durch ſie ein bequemes Ein- oder Ausſchalten größerer oder geringerer Draht-
widerſtände ermöglicht wird.


Figure 284. Fig. 283.

Wechſelſtrom-Maſchine von Zipernowsky.


Auch in der Bewicklung der Wechſelſtrom-Maſchine iſt gegenüber dem älteren
Modelle inſoferne eine Abänderung eingetreten, indem an Stelle eines Drahtes
gleichzeitig zwei Drähte gewickelt werden. Dieſe Anordnung bezweckt, durch entſpre-
chende Schaltung ſowohl die Erzeugung von Intenſitätsſtrömen für kleinere Kerzen
als auch jene von Quantitätsſtrömen für größere Kerzen zu ermöglichen.


Die Auto-Excitatrice giebt nicht nur beſſere Reſultate als die ältere Wechſel-
ſtrom-Maſchine, ſondern ſtellt ſich überdies auch noch billiger im Preiſe. Eine derartige
Maſchine im Gewichte von 470 Kilogramm liefert Ströme für 24 Kerzen zu 20
bis 30 Carcelbrenner Lichtſtärke oder für 16 Kerzen zu 40 bis 50 Carcelbrenner
Lichtſtärke. Eine Maſchine, welche für 12 Kerzen zu je 20 bis 30 Carcelbrenner
Lichtſtärke die Ströme zu liefern im Stande iſt, wiegt 280 Kilogramm.


Der Gramme’ſchen Wechſelſtrom-Maſchine ſehr ähnlich iſt die von Zipernowsky
conſtruirte Wechſelſtrom-Maſchine der Firma Ganz und Comp. in Budapeſt.
Die inducirenden Elektromagnete beſitzen ebenfalls flache prismatiſche Eiſenkerne E,
Fig. 283, und ſind ihrer ſechs ſternförmig auf der Rotationsaxe befeſtigt, während
[409] die freien Enden Polſchuhe p tragen. In der Figur ſind in der oberen Hälfte die
Drahtwindungen an der ebenen Fläche eines Eiſenkernes gezeichnet, während in
der unteren Hälfte durch Wegnahme der vorderen Drahtlage der Eiſenkern E bloß-
gelegt iſt. Die zu beiden Seiten des durch die Elektromagnete gebildeten Sternrades
an die Magnete befeſtigten Metallſcheiben M M dienen zur Verſteifung; ſie ſind
vielfach durchbrochen, um einerſeits eine gute Ventilation der Maſchine zu ermög-
lichen, andererſeits um das Auftreten von Inductionsſtrömen (Foucault’ſchen Strömen)
hintanzuhalten.


Abweichend von dem Gramme’ſchen Vorbilde iſt die Conſtruction und
Anordnung der Armaturſpulen A A. Während Gramme dieſe mit ihren Ebenen
radial anordnet, ſind ſie bei der Maſchine von Ganz und Comp. concentriſch zu der
die Elektromagnete umhüllenden Trommel angebracht. Als Kerne der Inductions-
ſpulen werden gerippte zickzackförmige mit Holzſtücken ausgepolſterte Guß- oder
Schmiedeeiſen-Sectoren und zur Bewicklung wohl auch 0-förmig geſtanzte Kupferbleche
verwendet. Letztere ſind auf einer Seite aufgeſchnitten und werden dann in ent-
ſprechender Anzahl auf die Kerne aufgeſchoben. Hierauf verlöthet man die Enden
wechſelſeitig derart, daß alle Bleche zuſammen eine ge-
ſchloſſene Spirale bilden. In Fig. 284 iſt die Verbindung
zweier ſolcher Bleche ſkizzirt. Zur Iſolirung der einzelnen
Windungen voneinander wird Asbeſt oder Papier ver-
wendet. Die Spulen werden dann zu einer Trommel
zuſammengeſtellt und ihre Windungen alle hintereinander
oder parallel zueinander verbunden. Man kann ſie in
der einen oder []andern Schaltung in einen Strom-
kreis vereinigen oder deren mehrere anordnen. Die ſchützende
Verkleidung der Trommel wird durch dicke Papierplatten
bewirkt, die außen durch ſchmale Holzringe (Fig. 283)
zuſammengehalten werden. In die durch die Holzringe
auf dem Umfange der Trommel gebildeten Rinnen windet
man dünne, gut ausgeglühte Eiſendrähte, oder füllt ſie

Figure 285. Fig. 284.

Armaturſpirale.


durch dünne Eiſenringe aus. Hierdurch ſoll nicht nur die Feſtigkeit der Trommel
erhöht, ſondern auch die Inductionswirkung in den Spulen verſtärkt werden. Die
Befeſtigung der Trommel an die Lagerſtänder L vermitteln die Traverſen T, an
welche gleichzeitig auch die Armaturſpiralen angeſchraubt ſind.


Siemens erzeugt Wechſelſtröme, indem er flache Drahtſpulen ſich durch kräftige
magnetiſche Felder bewegen läßt. Die Wechſelſtrom-Maſchine von Siemens
und Halske
iſt in Fig. 285 ſammt ihrer kleinen Erregermaſchine abgebildet.


Auf der Grundplatte der Wechſelſtrom-Maſchine ſind zwei gußeiſerne Ständer
befeſtigt, die oben durch eine Stange zuſammengehalten werden. Jeder derſelben
trägt 12 Elektromagnete, deren Drahtwindungen ſo angeordnet ſind, daß jeder
einzelne die entgegengeſetzte Polarität beſitzt als der ihm gegenüberliegende und als
die ihm benachbarten, auf dem Ständer befeſtigten Elektromagnete, ſobald die
Drahtwindungen von einem Strome durchfloſſen ſind. Zwiſchen den Polen dieſer
Elektromagnete dreht ſich eine mit Drahtſpulen beſetzte Scheibe; die Kerne der
Drahtſpulen beſtehen aus Holz. Wird die Scheibe in Rotation verſetzt, ſo muß
jede Spule der Reihe nach an ſämmtlichen Magnetpolen vorbeigehen, d. h. ſie iſt
abwechſelnd der inducirenden Wirkung verſchieden polariſirter Magnete ausgeſetzt.
Es werden alſo in einer Spule Ströme inducirt, die ihre Richtung ebenſo raſch
[410] wechſeln, als die Spule den Weg von einem Magnetpole bis zu den benachbarten
zurücklegt. Beſitzt die Maſchine ebenſo viele Spulen als Elektromagnetpaare (je zwei
einander gegenüberſtehende Magnete als Paar betrachtet), ſo muß offenbar der
Stromwechſel immer in allen Spulen gleichzeitig eintreten. Die in den Spulen
inducirten Ströme werden zu einer Reihe von Metallringen geleitet, die auf der
Axe der maſchine aufgeſetzt ſind, und können von hier durch Schleiffedern nach
außen geführt werden. Die Elektromagnete empfangen ihren Strom von einer
kleinen Erregermaſchine der bereits früher beſchriebenen Conſtruction.


Die Wirkungsweiſe der Maſchine wird uns wieder eine ſchematiſche Zeichnung
(Fig. 286 A, B, C veranſchaulichen. S und N bezeichnen hierbei die ſchraffirten

Figure 286. Fig. 285.

Wechſelſtrom-Maſchine von Siemens und Halske.


Magnetpole, auf welchen überdies noch die Richtung der Ampère’ſchen Ströme
angegeben iſt. Es ſind ferner ſtets zwei benachbarte Spulen durch einige Windungen
angedeutet und deren Verbindung untereinander ſowie auch mit den Schleifringen
auf der Axe gezeichnet. Der Pfeil außerhalb der Figur giebt die Drehungsrichtung
der Spulen an.


In der Stellung A entfernt ſich die Spule I vom Südpol S1, muß alſo
durch dieſen einen Strom inducirt erhalten, der ſich in der Richtung des Uhrzeigers
bewegt; die Spule I nähert ſich aber gleichzeitig auch dem Nordpole N1, muß
deshalb auch von dieſem Pole einen Strom, in der Richtung der Uhrzeiger-
bewegung verlaufend, inducirt erhalten. Die Wirkungen der Pole N1 und S1 auf
die Spirale I verſtärken ſich alſo gegenſeitig. Spule II entfernt ſich vom Nordpole N1
[411] und nähert ſich dem Südpole S2, erhält daher Ströme inducirt, welche gegen
die Richtung
der Uhrzeigerbewegung verlaufen. Würden nun die beiden Spulen
I und II einfach miteinander verbunden, ſo müßten ſich, gleichſtarke Elektromagnete
und gleichartige Spulen vorausgeſetzt, die in den Spulen inducirten Ströme
gegenſeitig aufheben. Dies wird jedoch dadurch vermieden, daß, wie die Figur zeigt,
die Spule I nach rechts, die Spule II nach links gewunden iſt. Durch dieſe
Anordnung wird, wie durch Verfolgen der Pfeilrichtungen leicht einzuſehen iſt,
erreicht, daß die in den Spulen I und II inducirten Ströme von entgegengeſetzter
Richtung ſich zu einem Strome einer beſtimmten Richtung ſummiren, und daß
dieſer durch die Schleiffedern + — in den äußeren Stromkreis abgeleitet
werden kann.


Bei dieſer Betrachtung wurde nur ein Kreis von Magnetpolen berückſichtigt,
an welchen ſich die Spulen I und II vorbeibewegen. In Wirklichkeit iſt dies aber
nicht der Fall; die Spulen bewegen ſich vielmehr zwiſchen zwei Kreiſen von
Magneten, die ihre entgegengeſetzten Pole den ſich vorbeibewegenden Spulen zukehren.
So ſteht z. B. dem Südpole S1 ein Nordpol n1, dem Norpole N1 ein Südpol s1

Figure 287. Fig. 286.

Wechſelſtrom-Maſchine von Siemens und Halske.


u. ſ. w. gegenüber und je ein derartiges Polpaar wirkt auf die ſich zwiſchen
durch bewegenden Spulen. Es muß daher die Frage aufgeworfen werden, ob
dadurch die Inductionserſcheinungen in den Spulen nicht geändert werden. Dieſe
Frage beantwortet ſich durch den Anblick der Fig. 287. In dieſer ſind ein derartiges
Polpaar und die Spule I in derſelben Stellung wie in Fig. 286 A dargeſtellt,
d. h. die Spule bewegt ſich in der Richtung von dieſem Paare. Die Richtung der
Ampère’ſchen Ströme erhalten wir wie gewöhnlich am einfachſten dadurch, daß wir
uns auf den Polſchuhen S1 und n1 Uhrzeiger kreiſend denken; am Südpole bewegen
ſich die Ampère’ſchen Ströme in der Richtung der Uhrzeigerbewegung und am
Nordpole gegen dieſelbe. Da die beiden Magnete ihre Polflächen einander zukehren,
ſo muß die Bewegungsrichtung der Ampère’ſchen Ströme auf einem Pole zu der
entgegengeſetzten auf dem andern Pole parallel verlaufen, wie dies auch die Pfeile
anzeigen. Die Spule I entfernt ſich von dieſem Polpaare, muß daher einen Strom
inducirt erhalten, der mit den Ampère’ſchen Strömen gleiche Richtung hat.


Vergleicht man die Stromrichtung für die Spule I in der Fig. 287 mit
jener in der Fig. 286 A, ſo ſieht man, daß die Stromrichtungen übereinſtimmen.
Hieraus ergiebt ſich alſo, daß der dem Magnetpole S1 gegenüberſtehende Magnet-
pol n1 im ſelben Sinne wirkt wie der erſtere; da ferner ſämmtliche Polpaare
[412] untereinander vollkommen gleichartig ſind, ſo gilt dies für alle Paare und wir
können unſere Betrachtungen über die Inductionsvorgänge in der Maſchine fortſetzen,
ohne den zweiten Kreis der Elektromagnete zu berückſichtigen.


Setzen die Spulen I und II, welche in der Stellung 286 A eben die
Pole S1 und N1 verließen, ihre Drehung fort, ſo gelangen ſie dann in die Stellung
286 B. In dieſem Momente entfernt ſich die Spule I vom Südpole S1 in demſelben
Maße als ſie ſich dem Südpole S2 nähert. Es muß ſowohl die Bewegung der
Spule in Bezug auf den Pol S1 ſowie auch in Bezug auf den Pol S2 Inductions-
ſtröme in der Spule zur Folge haben. Aber während die Entfernung einen Strom
gleicher Richtung, alſo in unſerem Falle in der Richtung der Uhrzeigerbewegung
verurſacht, bewirkt die Annäherung einen Strom entgegengeſetzter Richtung, alſo
gegen die Richtung der Uhrzeigerbewegung. Sind die Pole S1 und S2 gleich
ſtark, ſo müſſen ſich deshalb ihre inducirenden Wirkungen auf die Spirale I aufheben.
Betrachten wir nun die Wirkung des Nordpoles N1 auf die Spule I. Den
Magnetismus dieſes Poles in ſeinem Mittelpunkte concentrirt gedacht, nähern ſich

Figure 288. Fig. 287.

Elektromagnetpaar.


die linksſeitigen Theile der Spule dem
Magnetpole, erhalten daher Ströme inducirt
in der Richtung von unten nach oben;
die rechtsſeitigen Theile der Spule entfernen
ſich von demſelben Pole, erhalten daher
gleichfalls Ströme inducirt in der Richtung
von unten nach oben. Die durch den
Nordpol N1 in der Spule I inducirten Ströme
ſind alſo ebenfalls gleich ſtark und gegen-
einander gerichtet und müſſen ſich in Folge
deſſen gleichfalls aufheben. Das Geſammt-
reſultat der inducirenden Wirkungen der Pole
S1, N1 und S2 auf die Spule I iſt daher
gleich Null, d. h. die Spule iſt in dieſer
Stellung ſtromlos. Die Betrachtung, in
ähnlicher Weiſe für die Spule II in der
Stellung 286 B durchgeführt, ergiebt, daß auch dieſe ſtromlos iſt.


Die Spulen gelangen nun in die Stellung 286 C. Eine Vergleichung dieſer
Stellung mit der Stellung in A lehrt, daß ohne Rückſicht auf die Polarität der
Magnete die Lage der Spulen zu denſelben die gleiche iſt, in Bezug auf die
Magnetpole haben aber die Spulen I und II ihre Rollen getauſcht, d. h. in der
Stellung C entfernt ſich die Spule I von einem Nordpole und die Spule II von
einem Südpole, während in der Stellung A das Umgekehrte der Fall iſt. Im
Uebrigen gilt für die Stellung C dieſelbe Betrachtungsweiſe wie für A. Es wird
deshalb auch in der Stellung C ein continuirlicher Strom die Windungen beider
Spulen durchlaufen, aber die Richtung dieſes Geſammtſtromes wird jener entgegen-
geſetzt
ſein, welche der Strom in A erhielt.


Wird die Drehung der Spulen weiter fortgeſetzt, ſo gelangen dieſe wieder
in eine Lage, welche jener in B gleich iſt; auf dieſe folgt eine gleich A, dann eine
gleich B u. ſ. w., ſo lange die Spulen ſich bewegen. Hierbei wechſelt die Strom-
richtung im äußeren Stromkreiſe fortwährend und zwiſchen jedem Wechſel iſt eine
Strompauſe. Was für die bisher betrachteten zwei Spulen gilt, muß für ſämmtliche
Spulen der Maſchine gelten, da, wie wir vorausgeſetzt haben, ebenſo viele Spulen
[413] vorhanden ſind, als Magnetpaare. Bei dieſer Anordnung müſſen, ſobald die Spule I
einem Nordpole gegenüberſteht, ſämmtliche Spulen mit ungeraden Nummern Nordpolen
gegenüberſtehen und ſämmtliche Spulen mit geraden Nummern Südpole decken.
Sind daher die Spulen mit ungeraden Nummern mit einem Gleitringe, ſämmtliche
Spulen mit geraden Nummern mit einem zweiten Gleitringe verbunden, ſo kann
durch zwei auf dieſen Ringen ſchleifende Federn ein Strom in den äußeren
Stromkreis geleitet werden, welcher die Summe der in ſämmtlichen Spulen gleich-
zeitig inducirten Ströme aufnimmt. In Folge der gleichen Anzahl von Spulen
und Elektromagnetpaaren wird auch die Stromrichtung in allen Spulen gleichzeitig
wechſeln, und zwar immer nach jener Zeit, welche eine Spule braucht, um von
einem Magnetpole zu dem ihm in der Drehrichtung zunächſtliegenden Pole zu
gelangen. Man erhält daher auch im äußeren Stromkreiſe Summenſtröme von
fortwährend wechſelnder Richtung, unterbrochen durch die bei jedem Stromwechſel
eintretende Strompauſe. Letztere iſt aber wegen der raſchen Bewegung der Spulen
von ſo kurzer Dauer, daß ſie im äußeren Stromkreiſe gar nicht bemerkt wird.


Die Firma Siemens und Halske baut auch Maſchinen für gleichgerichtete
Ströme
, welche der eben beſchriebenen Wechſelſtrom-Maſchine ſehr ähnlich ſind.
Es wurde daher auch von einer Abbildung derſelben abgeſehen. Ein ſchon bei
oberflächlichem Beſehen auffallender Unterſchied zwiſchen beiden Maſchinen beſteht
jedoch darin, daß bei der Gleichſtrom-Maſchine die Zahl der magnetiſchen Felder
nicht mehr gleich iſt der Spulenanzahl, wie dies bei der Wechſelſtrom-Maſchine
der Fall iſt. Beſitzt die Gleichſtrom-Maſchine z. B. zehn magnetiſche Felder,
ſo erhält die rotirende Scheibe nur acht Inductionsſpulen. Hieraus ergiebt ſich bereits,
daß bei dieſer Maſchine nicht mehr alle Spulen gleichzeitig ganz in die magnetiſchen
Felder eintreten können, ſondern vielmehr nur je zwei gleichzeitig in dieſe Lage
gelangen. Folglich können auch die Inductionswirkungen nicht in allen Spulen
gleichzeitig ihre größte Intenſität erreichen, ſondern dieſe muß in den aufeinander-
folgenden Spulen in nacheinanderfolgenden Zeiten eintreten.


Die Elektromagnete ſind bei der Gleichſtrom-Maſchine ebenſo angeordnet wie
bei der Wechſelſtrom-Maſchine, es beſitzt alſo jeder Magnetpol ſich gegenüber und
zu beiden Seiten entgegengeſetzte Pole. Auf welche Weiſe werden nun bei dieſer
Anordnung im äußeren Stromkreiſe Ströme ſtets gleichbleibender Richtung erzielt?
Die Drahtwindungen ſämmtlicher Spulen ſind untereinander ſo verbunden, daß ſie
alle zuſammen einen ununterbrochenen Stromkreis bilden. Hierbei iſt immer eine
Spule rechts und die nächſtfolgende links gewunden. Nähern ſich daher zwei
benachbarte (entgegengeſetzt gewundene) Spulen zweien benachbarten (entgegengeſetzten)
Magnetpolen, ſo müſſen ſich die in beiden Spulen auftretenden Stromimpulſe
offenbar addiren. Es wird nämlich in der einen Spule ein Strom der einen,
in der andern Spule ein Strom der entgegengeſetzten Richtung inducirt, welche
beide aber, weil auch die Spulen entgegengeſetzt gewunden ſind, gleichgerichtet erſcheinen
müſſen. Der in dieſen beiden Spulen inducirte Strom behält aber nicht dieſelbe
Richtung bei, wenn die Spulen ihre Rotation fortſetzen, weil dann die Spule,
welche ſich vorher einem Nordpole näherte, jetzt gegen einen Südpol in Bewegung
iſt und die zweite Spule einen Südpol verläßt und ſich einem Nordpole nähert;
die beiden Spulen nähern ſich entgegengeſetzten magnetiſchen Polaritäten wie früher,
folglich muß auch die Richtung der inducirten Ströme eine umgekehrte ſein. Die
Maſchine würde alſo abermals Wechſelſtröme erzeugen, wenn die inducirten Ströme nicht
vor ihrer Ableitung in den äußeren Stromkreis einen Commutator zu paſſiren hätten.


[414]

Auf der Rotationsaxe der Maſchine ſitzt ein Stromſammler von derſelben
Form wie ſie z. B. bei der Gramme’ſchen Maſchine angewandt wird. Dieſer
beſteht bei der von uns angenommenen Spulenzahl aus 40 voneinander und
von der Axe iſolirten Sectoren. Letztere ſind in acht Gruppen getheilt, ſo daß jede
Gruppe fünf Sectoren umfaßt; dabei iſt die Zuſammenfaſſung von je fünf
Sectoren in eine Gruppe in der Weiſe durchgeführt, daß zwiſchen je zwei dieſer
Sectoren ſtets ſieben Sectoren anderer Gruppen inzwiſchen liegen. An der Maſchine
iſt dieſe Gruppenverbindung durch acht auf die Axe iſolirt aufgeſetzte Metallringe
hergeſtellt, welche durch ſternförmig von ihnen ausgehende Anſätze mit den
betreffenden Sectoren ihrer Gruppe verbunden ſind.


Zur Erläuterung der etwas complicirten Anordnung möge uns das Schema
in Fig. 288 dienen. Die im Kreiſe angeordneten Rechtecke ſtellen die magnetiſchen
Felder wechſelnder Polarität (durch ſchwarz und weiß angedeutet) dar, die kleinen

Figure 289. Fig. 288.

Schema der Gleichſtrom-Maſchine von Siemens und Halske.


Kreisſcheiben die abwechſelnd
rechts und links gewundenen
Spiralen (wobei ſchwarz und
weiß die verſchiedene Windungs-
richtung anzeigt), der mit Ziffern
1 bis 8 ..... beſchriebene
Kreis den Stromſammler mit
ſeinen 40 Sectoren und endlich
die Linien zwiſchen den Kreis-
ſcheiben die Verbindungsdrähte
zwiſchen den Spulen. Die acht
Metallringe ſind weggelaſſen; die
Stellung der Spulen zu den
Magnetpolen und den Sectoren
entſpricht nur in Bezug auf die
Winkelſtellung den thatſächlichen
Verhältniſſen, iſt aber im Uebri-
gen eine der Deutlichkeit wegen
veränderte. Für eine der acht
Sectorengruppen ſind die fünf
Verbindungen durch die Linien 1 1
unter Hinweglaſſung des dazugehörigen Metallringes gezeichnet. In Wirklichkeit
ſteht jeder Verbindungsdraht zweier aufeinanderfolgender Spulen durch Vermittlung
eines Metallringes mit fünf Sectoren in Verbindung. Für die Verbindungsſtelle 2
der beiden nächſten Spulen müßten ſämmtliche mit 2 bezeichneten Sectoren mit
dem Punkte 2 der Spulenverbindungen durch ähnliche Linien verbunden werden
u. ſ. w. Man erſieht aus dieſem Schema deutlich, daß zwiſchen je zwei aufeinander-
folgenden Sectoren einer Gruppe ſieben Sectoren anderer Gruppen liegen.


Wir wollen nun die Wirkungsweiſe des Commutators (d. h. des Strom-
ſammlers im Vereine mit den Metallringen) mit Hilfe des Schemas Fig. 289
näher betrachten. Zur Erklärung dieſes Schemas möge zu dem bei Fig. 288
Geſagten noch hinzugefügt werden, daß die ſchwarzen Rechtecke nord- und die
weißen ſüdpolare Felder bezeichnen, daß die ſchwarzen Kreisſcheiben links- und die
weißen rechtsgewundene Spiralen vorſtellen und die Spulen ſammt den Sectoren
in der Richtung des oben gezeichneten Pfeiles (alſo in der Uhrzeigerrichtung) an
[415] den feſtſtehenden magnetiſchen Feldern vorbeirotiren. Wir erinnern uns ferner von
früher her, daß ein Inductionsſtrom einer Richtung reſultirt, wenn zwei aufeinander-
folgende, alſo entgegengeſetzt gewundene, Spiralen ſich zwei aufeinanderfolgenden, alſo
entgegengeſetzt polaren magnetiſchen Feldern nähern. Wir können dies im Hinblicke
auf unſer Schema auch ſo ausdrücken: es entſteht ein Strom einer Richtung, wenn
gleichfarbige Spulen ſich gleichfarbigen magnetiſchen Feldern nähern, ein Strom
entgegengeſetzter Richtung, wenn ungleich farbige Spulen ſich gegen die aufeinander-
folgenden magnetiſchen Felder bewegen. Nehmen wir, um mit beſtimmten Rich-
tungen rechnen zu können, an, daß durch das Annähern gleichfarbiger Spulen im
äußeren Stromkreiſe ein Strom in der Richtung der Uhrzeigerbewegung, durch das
Annähern ungleichfarbiger Spulen ein gegen die Uhrzeigerbewegung gerichteter Strom
erhalten wird. Die Ableitung der inducirten Ströme in den äußeren Stromkreis
erfolgt durch Bürſten, welche
bei + und — auf den Sec-
toren ſchleifen.


Bei der nachſtehenden
Betrachtung der Inductions-
wirkungen ſind immer nur jene
(wie wir bereits wiſſen, zwei)
Spulen berückſichtigt, die ein
Maximum der Induction
erfahren, d. h. mitten in die
magnetiſchen Felder gelangt
ſind. In unſerem Schema
tritt dieſer Fall zunächſt für
die Spulen a und e ein. Die
weiße Spule a nähert ſich
dem ſchwarzen Magnetfelde
N1, erhält daher einen Strom
inducirt, der gegen die Uhr-
zeigerbewegung verläuft; die
weiße Spule e nähert ſich
dem weißen Südpole S4,
erhält daher einen Strom in
der Richtung der Uhrzeiger-

Figure 290. Fig. 289.

Schema der Gleichſtrom-Maſchine von Siemens und Halske.


bewegung. Das Drahtende 3 der Spule a ſteht, wie wir wiſſen, mit allen mit 3
bezeichneten Sectoren in Verbindung; einer derſelben ſteht aber gerade unter der
Schleifbürſte —, folglich kann der in der Spule a inducirte Strom (mit der
Richtung gegen die Uhrzeigerbewegung) in den äußeren Stromkreis abfließen.
Das Drahtende 7 der Spule e ſteht in derſelben Weiſe mit ſämmtlichen Sectoren
der Zahl 7 in Verbindung, und einer derſelben befindet ſich unter der Schleif-
feder +, folglich kann der in der Spule e inducirte Strom (mit der Richtung
in der Uhrzeigerbewegung) gleichfalls in den äußeren Stromkreis abfließen.
Die Stromrichtung in und gegen die Uhrzeigerbewegung hat aber hier, wo ſich
die eine Spule einem Nord-, die andere einem Südpole nähert, offenbar keine
andere Bedeutung als das Inbewegungſetzen poſitiver, beziehungsweiſe negativer
Elektricität. Die Bewegung dieſer beiden Elektricitäten in einem und demſelben Leiter
gegeneinander bildet aber eben den elektriſchen Strom.


[416]

Wird die Drehung der Spulen mit dem Sectorencylinder fortgeſetzt, ſo
gelangen zunächſt die Spulen b und f vollkommen in die magnetiſchen Felder und
erfahren daher dieſe Spulen die kräftigſte Induction. Hierbei nähert ſich die ſchwarze
Spule b dem weißen Südpole S2, erhält daher einen Strom inducirt, der gegen
die Uhrzeigerbewegung gerichtet iſt; indeſſen iſt durch die Drehung ein mit 2
bezeichneter Sector unter die Schleifbürſte — gekommen, und dieſer ſteht wie alle
übrigen ebenſo bezeichneten Sectoren mit dem Drahtende 2 der Spule b in Ver-
bindung. Es wird daher wie im erſten Falle ein Strom mit der Richtung gegen
die Uhrzeigerbewegung von der Schleifbürſte — in den äußeren Stromkreis ab-
fließen. Wir erhalten alſo an der Schleifbürſte — abermals negative Elektricität.
Gleichzeitig gelangt die ſchwarze Spule f in das ſchwarze magnetiſche Feld N4,
erhält daher einen Strom inducirt, deſſen Richtung mit der Bewegungsrichtung
des Uhrzeigers übereinſtimmt. Unter die Schleiffeder + iſt jetzt einer der mit 6
bezeichneten Sectoren gelangt, der vermöge ſeiner Verbindung mit dem Spulen-
ende 6 die Ableitung des Stromes durch die Bürſte + ermöglicht. Auch dieſe
Spule giebt wie im erſten Falle an der Bürſte + poſitive Elektricität.


Im nächſten Momente der Drehung rückt dann die Spule c in das magne-
tiſche Feld N2 ein und die Spule g in S5. Weiß c und ſchwarz N2 giebt —,
weiß g und weiß S5 giebt +, während mit 1 und 5 bezeichnete Sectoren unter
die Schleifbürſten — und + kommen und wegen ihrer Verbindung mit den Draht-
enden 1 der Spule c und 5 der Spule g das Ableiten — Elektricität von der
Schleiffeder — und das Ableiten + Elektricität von der Schleiffeder + geſtatten.


Man mag nun die Drehung fortſetzen*) ſo lange man will, immer wird
ſich dasſelbe Reſultat ergeben, d. h. es wird immer bei der Schleiffeder + poſitive
und bei der Schleiffeder — negative Elektricität zur Ableitung kommen. Die
Maſchine liefert daher in Folge der Anordnung ihres Commutators gleich-
gerichtete
Ströme im äußeren Stromkreiſe. Schon ein Blick auf das Schema
deutet dies an, da dieſes durch die punktirte Linie 3 7 in zwei Theile zerlegt wird,
in deſſen einem ſtets ungleichfarbige Spulen ſich den magnetiſchen Feldern nähern,
während in der zweiten Hälfte ſtets Spulen und magnetiſche Felder gleicher Farbe
ſich nähern. Hierdurch zeigt die Maſchine eine ſehr intereſſante Analogie mit den
Vorgängen im Gramme’ſchen Ringe; im letzteren, wie auch in der erſteren erfolgt
die Stromerregung in zwei Hälften in parallel geſchalteten Zweigen. Während
beim Gramme’ſchen Ringe im Eiſenkerne die magnetiſchen Polaritäten im der
Rotation des Ringes entgegengeſetzten Sinne wandern, wandern hier die Maxima
der Stromimpulſe im Spulenkreiſe, und zwar ebenfalls entgegen der Richtung der
Rotation; dieſe Wanderung erfolgt aber bedeutend raſcher als die Rotation. Beim
Gramme’ſchen Ringe ſtehen hingegen die Stromzweige feſt, bei der Siemens’ſchen
Maſchine die magnetiſchen Felder.


Der vorliegenden Betrachtung lag eine Maſchine zu Grunde, welche bei
10 Elektromagnetpaaren acht Inductionsſpulen beſaß. Die Conſtruction derartiger
Maſchinen iſt jedoch keineswegs an dieſes Zahlenverhältniß gebunden, ſondern es
können vielmehr ſehr verſchiedene Verhältniſſe angenommen werden, nur darf die
[417] Anzahl der Spulen nicht gleich ſein jener der Elektromagnetpaare. Es können
z. B. auch weniger Elektromagnetpaare als Spulen ſein oder umgekehrt kann bei
der obigen Anzahl der Elektromagnetpaare die Anzahl der Spulen verdoppelt
werden. In dieſem Falle ordnet man die Spulen in zwei parallelen Ebenen ſo
an, daß die Spulen der einen Ebene jene der andern immer zur Hälfte decken.
Durch dieſe Anordnung erreicht man einen ruhigeren Gang der Maſchine und ver-
mindert durch den vieltheiligen Commutator die Funkenbildung.


Dieſe Conſtruction einer Gleichſtrommaſchine beſitzt gegenüber anderen gewiſſe
Vorzüge. Die Elektromagnete, welche die magnetiſchen Felder bilden, werden alle
direct durch einen continuirlichen, ihre Drahtwindungen durchfließenden Strom
erregt, während bei den Cylindermaſchinen ebenſo wie bei den Ringmaſchinen der
eine Pol jedes magnetiſchen Feldes nur durch Influenz, alſo im abgeſchwächten
Maße erregt wird. (Es ſind dies nämlich die im Eiſenringe, beziehungsweiſe
Cylinder gegen die Rotationsrichtung wandernden Magnetpole, die durch die ſtehenden
Elektromagnete inducirt werden.) Ferner enthalten die rotirenden Spulen der eben
beſchriebenen Maſchine kein Eiſen, und findet überhaupt in der ganzen Maſchine
an keiner Stelle ein Polwechſel ſtatt; wir wiſſen, daß durch häufigen Polwechſel
ein nicht unbeträchtlicher Theil der in der Maſchine aufgewandten Arbeit nicht nur
unnütz in Wärme umgewandelt wird, ſondern daß letztere ſogar ſchädlich wirken
kann. Das vielfache Theilen der Eiſenkerne durch zahlreiche Einſchnitte, durch An-
fertigen derſelben aus Blechen oder Drähten kann dieſen Arbeitsverluſt nicht beſeitigen,
ſondern nur vermindern.


Weitere Vortheile machen ſich beim Bau der Maſchine geltend. Die Draht-
windungen der einzelnen Spulen ſind äußerſt einfach und raſch herzuſtellen und
können auf der Drehbank ausgeführt werden, während die Wicklung der Spulen
auf dem Cylinder oder auf dem Ringe mit der Hand gemacht werden muß. Dies
erfordert nicht nur eine geſchickte und geübte Hand, ſondern bringt noch die Gefahr
mit ſich, daß eben wegen der ſchwierigeren Herſtellung der Windungen ſchon während
der Anfertigung der Spulen die Iſolirung der Drähte leicht verletzt werden kann.
Wegen der Einfachheit der Drahtwindungen iſt ferner auch eine durch irgend einen
Umſtand ſchadhaft gewordene Spule leichter auszuwechſeln oder zu repariren. Die
Erwärmung der Maſchine iſt im Verhältniſſe zur Stromſtärke wegen der früher
ſchon erwähnten Vermeidung jedes Polwechſels natürlich eine ſehr geringe.


Die Wechſelſtrom-Maſchine von Ferranti-Thomſon, welche das Product
gemeinſamer Arbeiten von Sir William Thomſon, Ziani de Ferranti und
Alfred Tompſon iſt, unterſcheidet ſich ſowohl dem äußeren Anblicke nach, als
auch in Bezug auf ihr Conſtructionsprincip nur unweſentlich von der Wechſelſtrom-
Maſchine der Firma Siemens \& Halske. Fig. 290 giebt eine Totalanſicht der
Maſchine, Fig. 291 zeigt die Armatur derſelben. Auf der Axe der letzteren
befinden ſich zwei Blöcke, die unter ſich und von der Axe iſolirt ſind; zwiſchen
dieſen iſt gleichfalls iſolirt ein Meſſingring. Auf der Peripherie des letzteren ſind
in regelmäßigen Intervallen die in einem abgerundeten Zickzack gewundenen Kupfer-
bänder der Armatur befeſtigt.


Die acht Windungen der Armatur ſind aus Kupferbändern von je 31 Milli-
meter Breite und 1·75 Millimeter Dicke verfertigt. Die Uebereinanderlagerung
dieſer Kupferbänder iſt derart hergeſtellt, daß alle Bänder dieſelbe Länge und
dieſelbe Lage erhalten, ſomit alle elektriſch gleichwerthig erſcheinen. Wir wollen
den Bau der Armatur an der ſchematiſchen Fig. 292 ſtudiren, in welcher der
Urbanitzky: Elektricität. 27
[418] Deutlichkeit wegen nur acht Schlingen und vier Bandlagen angenommen ſind. Das
erſte Kupferband I wird in den Schlingen a und b befeſtigt und dann ſo über
c und d weitergeführt, daß es oberhalb des zweiten Kupferbandes II, welches

Figure 291. Fig. 290.

Maſchine von Ferranti-Thomſon.


Figure 292. Fig. 291.

Armatur der Maſchine von Ferranti.


bei der Schlinge c beginnt und für dieſe (c), ſowie auch für die folgende Schleife d
die unterſte Windung bildet, fortläuft. Es werden alſo von der Schleife c an
die beiden Kupferbänder I und II gemeinſam bis zur Schleife e weitergeführt;
hier beginnt das Kupferband III, welches für die Schlingen e und f die unterſte
Lage bildet, indem es mit den Bändern I und II gemeinſam fortgeführt wird bis
[419] zur Schlinge g. Hier beginnt das vierte und in unſerem Schema letzte Kupfer-
band IV. Nun werden aus ſämmtlichen vier Kupferbändern die Schlingen g und h
gebildet, und dann endet bei der letztgenannten Schlinge das Band I bei 1. Die
übrigen drei Bänder ſetzen ihren Weg über die Windungen a und b fort; bei b
endet das zweite Band bei 2. In gleicher Weiſe vollenden die Bänder III und IV
ihren Lauf in den Punkten 3 und 4.


Jedes Kupferband iſt daher einmal durch ſämmtliche Schlingen geführt, und
zwar ſo, daß es in zwei Windungen die erſte, in den darauffolgenden zwei die
zweite, hierauf die dritte und ſchließlich die vierte Lage bildet und oberhalb ſeines

Figure 293. Fig. 292.

Schema der Ferranti-Armatur.


Anfangspunktes endet. Auf dieſe Weiſe iſt für alle Bänder die gleiche Länge und die
gleiche Lage bewerkſtelligt. Die einzelnen Kupferbänder I 1, II 2 .... ſind durch
zwiſchengelegte Kautſchukſtreifen oder ein anderes Iſolirungsmittel voneinander
iſolirt. Die Armatur beſitzt einen Durchmeſſer von 0·9 Meter und rotirt mit
einer Schnelligkeit von 1000 Touren in der Minute.


Auf der Axe ſind zu beiden Seiten der Armatur Sammelringe aufgeſetzt,
von welchen der eine mit dem vorerwähnten Meſſingkerne in leitender Verbindung
ſteht, indeß zu dem andern die Enden 1, 2, 3 und 4 der Kupferwindungen führen.
Vom Meſſingringe gehen bei I, II, III und IV die Bänder aus; die einzelnen
Verbindungen ſind alle durch maſſive Stücke (nicht durch Drähte) hergeſtellt. Die
Ableitung der in den Kupferbändern inducirten Ströme aus den zu beiden Seiten
27*
[420] der Armatur angebrachten Sammelringen erfolgt nicht wie gewöhnlich durch
Schleifbürſten oder Federn, ſondern durch maſſive Metallſtücke, welche die Ringe
bakenförmig beiläufig im halben Umfange umfaſſen und durch Spiralfedern an
ſelbe angedrückt werden. Von den Collectoren werden die Ströme ebenfalls wieder
durch dicke Kupferbarren innerhalb des Maſchinengeſtelles bis zu den Polklemmen
weitergeführt.


Die Figuren zeigen deutlich, daß zwiſchen dieſer Armatur und jener von
Siemens \& Halske kein principieller Unterſchied beſteht; es fällt dies namentlich
auf bei Vergleichung der Figuren 292 und 286. Auch die Inductionsvorgänge
ſpielen ſich in gleicher Weiſe ab. Für die Spule a in Fig. 292 ſind zwei auf-
einanderfolgende Magnetpole S N angedeutet und iſt in der Schlinge a des Kupfer-
bandes I 1 die Richtung der inducirten Ströme durch Pfeile bezeichnet. Natürlich
haben die in den übrigen Schlingen a der Kupferbänder II 2, III 3 und IV 4
inducirten Ströme dieſelben Richtungen. Vermöge der Zickzackführung der Bänder
und in Folge der wechſelweiſen Anordnung der aufeinanderfolgenden Magnetpole
werden, wie wir dies bei der Siemens’ſchen Maſchine genauer betrachtet haben,
in jedem gegebenen Momente der Drehung in ſämmtlichen Schleifen Inductions-
ſtröme erregt, die alle ſo gerichtet ſind, daß ſie die Armatur im ſelben Sinne
durchlaufen. Es muß daher der eine Sammelring, welcher mit den Bandenden
I, II, III und IV in Verbindung ſteht, in dieſem Momente von ſämmtlichen
Spulen Elektricität der einen Art, der zweite Sammelring, zu welchem die Enden
1, 2, 3 und 4 führen, Elektricität der andern Art erhalten. Hierauf tritt bei fort-
geſetzter Drehung eine Strompauſe und dann ein Geſammtſtrom entgegengeſetzter
Richtung auf u. ſ. w., wie an vorerwähnter Stelle angegeben wurde. Ferranti
bildet die Armaturwindungen ſämmtlich aus continuirlich die ganze Armatur durch-
laufenden Leitungen, während Siemens dieſe in einzelne gewiſſermaßen ſelbſtſtändige
Spulen auflöſt. In der That ſoll die Conſtructionsweiſe der Ferranti-Armatur
bereits vor längerer Zeit bei Siemens \& Halske verſucht worden ſein*). Ja, noch
mehr, dieſer Verſuch führte dann eben zu der Conſtruction der Siemens’ſchen
Wechſelſtrom-Maſchine, weil die Zerlegung in einzelne mechaniſch voneinander
getrennte Spulen vortheilhafter erſchien.


Der Armatur ſtehen auf jeder Seite 32 Elektromagnete gegenüber; die Pole
ſind ſo angeordnet, daß jedem Nordpole ein Südpol gegenüberſteht und auch im
Kreiſe herum die beiden Polaritäten ſtets wechſeln. Die Maſchine von Ferranti
unterſcheidet ſich alſo auch hierin nicht von jener der Firma Siemens \& Halske.
Hingegen iſt die techniſche Ausführung dieſes Principes wieder eine andere. Die
Eiſenkerne der Magnete ſind bei Ferranti’s Maſchine mit je einer Hälfte des
Geſtelles in einem Stücke gegoſſen. Die beiden Hälften ſind vollkommen ſymmetriſch
und werden durch ſechs kräftige horizontale Bolzen zuſammengehalten.


Die Windungen um die Elektromagnete ſind analog jenen der Armatur nicht
aus Kupferdrähten, ſondern aus ebenſolchen Barren hergeſtellt, die einen Querſchnitt
von 18 zu 22 Millimeter beſitzen. Auch die Führung der Windungen iſt eine
eigenartige. Es werden nämlich dieſe gerade ſo wie jene der Armatur nicht für
jede Spule getrennt, ſondern für alle gemeinſam ausgeführt. Fig. 293 giebt das
Windungsſchema für acht Elektromagnete und die erſten vier Windungslagen. Die
einzelnen Magnete N S, welche bei der Maſchine unmittelbar aneinander ſtehen,
[421] ſind hierin anseinandergerückt, um den Verlauf der Curven leichter verfolgen zu
können, und die einzelnen die Windungen darſtellenden Curven ſind aus demſelben
Grunde in verſchiedenen Linienarten ausgeführt. Bei der Herſtellung der Windungen
wird die erſte Kupferbarre I um den erſten Eiſenkern in der einen, um den zweiten
nach der entgegengeſetzten Richtung geſchlungen, um den dritten wieder in der erſten,
um den vierten abermals in der zweiten Art die Windung ausgeführt u. ſ. w.
bis zum letzten Eiſenkerne, wo die Barre bei 1 endet. Hierauf folgt die bei II
beginnende zweite Lage (in der Figur die feingezogene Linie), welche die zweite
Kupferbarre durch zur erſten Lage entgegengeſetzte Windungen bildet und bei 2
endet. Die dritte Lage wird durch die Kupferbarre III 3 gebildet (punktirte Linie)
und verläuft parallel mit der erſten Lage; die vierte Lage IV 4 endlich (Strich-
punktlinie) iſt wieder parallel zur dritten Lage u. ſ. w. Hierauf wird das Ende 1
der erſten Lage mit dem Ende 2
der zweiten Lage, der Anfang II
der zweiten Lage mit dem An-
fang III der dritten Lage und
das Ende 3 der dritten Lage
mit dem Ende 4 der vierten Lage
verbunden u. ſ. w., ſo daß
ſämmtliche Lagen einen ununter-
brochenen Stromkreis bilden,
der bei I beginnt und bei IV
endet. Die im Schema ausein-
andergezerrten Lagen werden in
Wirklichkeit natürlich ebenſo an-
einander und an die Eiſenkerne
angelegt, wie bei Elektromagneten,
deren Windungen in der gewöhn-
lichen Weiſe hergeſtellt ſind. Der
Anblick des Schemas lehrt, daß
dieſe Windungen, wenn ein Strom
durch ſie geſandt wird, gerade
ſo wirken müſſen, wie jene bei der
gewöhnlichen Bewicklung der
Elektromagnete.


Figure 294. Fig. 293.

Schema der Elektromagnete der Ferranti-Maſchine.


Aus der Verfolgung der die Kupferbarren darſtellenden Curven erſieht man
auch, daß die aufeinanderfolgenden Eiſenkerne abwechſelnd in der einen und in der
entgegengeſetzten Richtung vom erregenden Strome umkreiſt werden müſſen und
daß daher Nord- und Südpol im Kreiſe herum ſtets wechſeln wird. Die Elektro-
magnete ſelbſt erſcheinen hintereinander geſchaltet, da der Strom ſämmtliche Kupfer-
barren, es ſind deren neun, nacheinander durchlaufen muß. Um die einzelnen
Windungen zu iſoliren, ſind in jede Krümmung der Barren vier iſolirende Stifte
eingeſchaltet. Der Strom wird in die Windungen der Elektromagnete durch den
einen an der Maſchine, Fig. 290 links unten, ſichtbaren Ring eingeleitet, durch-
fließt alle Windungen der einen Serie von Magneten, gelangt dann durch ein
maſſives (in der Zeichnung nicht ſichtbares) Verbindungsſtück in die zweite Serie
der Elektromagnetwindungen und verläßt durch den zweiten (links unten befindlichen)
Ring die Maſchine.


[422]

Sie giebt bei einer Rotationsgeſchwindigkeit ihres Ankers von 1000 Touren
(per Minute) einen Strom von 2000 Ampères bei einer elektromotoriſchen Kraft
von 200 Volts. Die Maſchine iſt zum Betriebe von Glühlichtern gebaut, und
deshalb trachtete man eben ihre Widerſtände möglichſt gering zu machen; bei den
in Parallelſchaltung zu betreibenden Glühlichtern bedarf man eben Ströme von
relativ geringer Spannung, wie wir dies bereits bei der Maſchine von Ediſon
geſehen haben. Die Maſchine iſt ſehr ſolid gebaut, mit ausreichenden Schmier-
vorrichtungen verſehen und kann in kurzer Zeit demontirt werden. Ihr haftet
jedoch der Nachtheil an, daß beim Schadhaftwerden irgend eines Theiles die Maſchine
meiſtens ganz demontirt werden muß, da ſie ja eigentlich nur aus drei Theilen
beſteht, nämlich den beiden Hälften des Geſtelles, die mit ihren Elektromagnet-
windungen je ein zuſammenhängendes Ganzes darſtellen und der Armatur, die auch
ein gewiſſermaßen untheilbares Stück bildet. Entſteht in den Windungen der
Armatur oder der Elektromagnete z. B. ein Iſolationsfehler, ſo muß wegen der
eigenartigen zuſammenhängenden Art der Windungen die ganze Maſchine demontirt
und der ganze Theil, in welchem der Fehler auftrat, zerlegt werden. Bei der
Maſchine von Siemens hingegen löſt man die betreffende Spule von ihren
Verbindungen, reparirt ſie und ſetzt hernach dieſe oder eine neue ebenſo leicht
wieder ein.


Den Strom zur Erregung der Elektromagnete liefert eine von denſelben
Erfindern conſtruirte Gleichſtrom-Maſchine. Die Elektromagnete derſelben ſind ebenſo
gebaut, wie jene der eben beſchriebenen Lichtmaſchine und mit Kupferbarren umwunden,
die einen Querſchnitt von 37 zu 85 Millimeter haben. Die Armatur beſitzt nur
fünf Schlingen und iſt aus vier Kupferbändern von 37 Millimeter Breite gebildet,
die ſich je zweimal um die ganze Armatur herumſchlingen. Die Bänder ſind auf
Quantität (alſo parallel) verbunden und ſtehen durch iſolirte durch die Axe geführte
Leitungen mit einem eigenthümlich conſtruirten Commutator in Verbindung. Die
Armatur macht 300 bis 400 Touren pro Minute und giebt dann einen Strom
von 800 Ampères bei einer elektromotoriſchen Kraft von 10 Volts.


Ueber dieſe Wechſelſtrom-Maſchine und die zur Erregung ihrer Elektromagnete
dienende Gleichſtrom-Maſchine liegen gegenwärtig noch zu wenige Angaben vor, um
ein ſicheres Urtheil bezüglich der Leitungsfähigkeit fällen zu können. Hingegen
berichtet der „Engineering“ über eine Maſchine, welche ſich bei der elektriſchen
Ausſtellung im Aquarium zu London (1883) im Betriebe befand, Nachſtehendes:
Die Maſchine macht 1900 Umdrehungen in der Minute und wird durch zwei
Ledertreibriemen getrieben, welche mit einer Geſchwindigkeit von 6000 Fuß in der
Minute laufen. Trotz dieſer bedeutenden Geſchwindigkeit werden die 320 Swan-
Lampen, welche die Maſchine mit Strom verſorgen ſoll, nur unvollſtändig geſpeiſt;
ihr Licht erſcheint röther als das der Gasflammen. Meſſungen über den Arbeits-
verbrauch der Maſchine liegen nicht vor, aber der bloße Anblick lehrt bereits, daß
die 32 Pferdekräfte, welche die Lampen erfordern, beiweitem überſchritten werden,
da jeder Riemen, gering gerechnet, 50 Pferdekräfte übertragen kann und der Contraſt
zwiſchen dem Umfange der Transmiſſion und dem geringen hierdurch erzielten
Lichteffect zu ſehr in die Augen ſpringt. Auch wird die auffallend ſtarke Erwärmung
gerügt, indem der Berichterſtatter des „Engineering“ ſchreibt: Es iſt natürlich, daß
jede Dynamomaſchine einen beträchtlichen Windzug verurſacht, doch ſahen wir
kaum jemals eine, welche einen ſo heftigen und nur annähernd ſo heißen Luftſtrom
hervorbrachte wie dieſe.


[423]

Auch bei der Gleichſtrom-Maſchine von Gérard rotiren einzelne Spulen
an Magneten vorbei und erhalten hierdurch Ströme wechſelnder Richtung inducirt;
dieſe werden jedoch durch einen Commutator gleichgerichtet. Die äußere Umhüllung
der Maſchine (Fig. 294), welche ihr Geſtelle bildet, hat die Form eines Cylinders.
Dieſer iſt aus Eiſen gefertigt und trägt an ſeinen beiden Stirnſeiten gabelförmige,
gebogene Anſätze, auf welchen die aus Hartbronze gegoſſenen Lager für die Welle

Figure 295. Fig. 294.

Gleichſtrom-Maſchine von Gérard.


der Maſchine ruhen. Die Welle beſteht aus Stahl und iſt an einem Ende mit einer
Riemenſcheibe, am entgegengeſetzten Ende (in der Figur auf der Vorderſeite) mit
einem Commutator ausgerüſtet. Auf der Stahlwelle ſind in Form eines Kreuzes
vier Eiſenplatten angebracht, um welche die vier Inductionsſpulen gewickelt ſind.
(Zwei derſelben ſind in der Figur ſichtbar und mit I und IV bezeichnet.) Die auf
der Rotationsaxe aufgeſetzte Armatur beſteht alſo aus vier Spulen. Die Windungen
derſelben ſind untereinander verbunden und der Anfang der erſten ſowie auch das
[424] Ende der letzten Spule führen zu voneinander iſolirten Theilen des Commutators.
Dieſer beſteht aus zwei Theilen, von welchen jedoch jeder zweifach ausgeſchnitten
iſt, ſo daß er gewiſſermaßen einen mit zwei Zähnen verſehenen Ring bildet; die
Zähne des einen Theiles greifen dann in die Zahnlücken des andern Theiles ein,
wie dies in der Fig. 295 A ſeparat dargeſtellt iſt.


Die Maſchine beſitzt, entſprechend den vier Inductionsſpulen, auch vier
Elektromagnete N, N1, S und S1. Sie ſind an der Innenwandung der Trommel
ſo befeſtigt, daß ſie gleichfalls ein Kreuz bilden. Ihre gegen die Armatur gewandten
Enden tragen Polſchuhe, welche in der Weiſe ausgedreht ſind, daß ſie die Armatur
in Form eines möglichſt nahe herantretenden Cylinders umſchließen. Die Draht-

Figure 296. Fig. 295

A.


Gleichſtrom-Maſchine von Gérard.


windungen der Elektromagnete ſind untereinander verbunden und derart geführt,
daß bei Durchgang eines Stromes ein Nordpol ſtets zwei Südpole zur Seite hat
oder mit anderen Worten, daß ſich ſtets gleichnamige Pole gegenüberſtehen. Das
dynamiſche Princip iſt vollſtändig durchgeführt und erfolgt die Ableitung der
Ströme vom Commutator in die Elektromagnete, beziehungsweiſe in den äußeren
Stromkreis durch zwei Bürſten, welche unter einem rechten Winkel gegeneinander
geſtellt ſind.


Die Stromführung in Gérard’s Maſchine erkennen wir mit Hilfe der
Fig. 295 A. Hierin ſind die Elektromagnete durch je zwei Drahtwindungen bei
N, N1, S und S1 angedeutet, während die vier Spulen der Armatur mit den
Zahlen I, II, III und IV bezeichnet ſind. Die ſchraffirten Segmente 1 bis 4
[425] ſtellen den Commutator im Schnitte nach der Ebene x y, und b b1 die darauf
ſchleifenden Ableitungsbürſten vor. Um die Figur überſichtlicher zu machen,
wurde der Stromkreis der Elektromagnete durch voll gezogene, der Stromkreis der
Armatur durch Strichpunktlinien dargeſtellt. Die beigeſetzten Pfeile geben die
Stromrichtung an. Dieſe muß bei S, als einem Südpole, mit der Richtung der
Uhrzeigerbewegung übereinſtimmen, bei N derſelben entgegengeſetzt gerichtet ſein,
bei S1 wieder mit ihr übereinſtimmen und endlich bei N1 abermals gegen die
Uhrzeigerbewegung gerichtet ſein. (Hierbei iſt die Uhr ſtets mit ihrem Zifferblatte
gegen den Commutator zugewandt zu denken.)


In der Fig. 295 A iſt jener Moment der Drehung dargeſtellt, in welchem
die Spule I eben gegenüber dem Nordpole N1, die Spule II gegenüber dem
Südpole S, die Spule III dem Nordpole N und endlich die Spule IV dem
Pole S1 gegenüber angelangt iſt. Es werden daher in allen Spulen Ströme
inducirt, deren Richtung jener der Ampère’ſchen Ströme an den betreffenden Magnet-
polen entgegengeſetzt iſt, wie dies die in die Spulen I bis IV gezeichneten Pfeile
erkennen laſſen. Verfolgen wir nun den Verlauf der Ströme für den geſammten
inneren und äußeren Stromkreis der Maſchine, indem wir bei dem Segmente 1
des Commutators beginnen. Der in der Armatur inducirte Strom gelangt vom
Commutator-Segmente 1, an welches das eine Ende der Spule I befeſtigt iſt,
durch die Schleifbürſte b in die Windungen des Elektromagnetes S, von dieſem
in jene des Magnetes N, welcher in entgegengeſetzter Richtung umfloſſen wird,
hierauf in die Windungen des Magnetes S1, in welchen der Strom wieder in
derſelben Richtung kreiſt wie in S, und ſchließlich werden die Windungen des
vierten Elektromagnetes N1 wieder in derſelben Richtung durchfloſſen wie in N.
Der Strom gelangt dann in den äußeren Stromkreis und kehrt durch die Bürſte b1
zum Commutator zurück.


Das Commutator-Segment 2, auf welchem die Bürſte b1 ſchleift, iſt aber
mit dem Segmente 4 leitend verbunden, wodurch der Zuſammenhang des oben
angegebenen Stromkreiſes (Elektromagnete und äußerer Stromkreis) mit dem
Stromkreiſe der Armatur hergeſtellt iſt. In dieſer haben die Ströme nachſtehenden
Verlauf: Von dem Segmente 4 gelangen ſie in die Spule IV, durchlaufen dann
die Spule III, hierauf die Spule II und ſchließlich die Spule I, deren Drahtende,
wie bereits oben erwähnt wurde, an das Commutator-Segment 1 angeſchloſſen
iſt. Hiermit iſt der continuirliche Stromlauf durch alle drei Stromkreiſe, nämlich
jenen der Armatur, den der Elektromagnete und durch den äußeren Stromkreis
hergeſtellt. Wir erſehen daraus, daß ſämmtliche in den Armaturſpiralen inducirten
Ströme den äußeren Stromkreis in einer Richtung (in der gewählten Stellung
in der Richtung der Uhrzeigerbewegung) durchfließen.


Verfolgen wir nun den Stromverlauf, wenn die Armatur bei Fortſetzung
ihrer Rotation in der Richtung des gefiederten Pfeiles nacheinander in jene Stellun-
gen kommt, welche durch die Fig. 295 B, C und D angedeutet ſind. Auf die
Stellung 295 A, die uns jenen Drehungsmoment verſinnlichte, in welchem die
Spulen I bei N1, II bei S, III bei N und IV bei S1 angelangt waren, folgt
zunächſt die durch Fig. 295 B angezeigte Stellung. In dieſer ſind die Spulen I
bei S, II bei N, III bei S1 und IV bei N1 angekommen. In dieſer und in den
nachfolgenden Stellungen ſind ſämmtliche Windungen der Armatur und der Magnete
weggelaſſen und der von ihnen eingenommene Platz nur durch die entſprechenden
Ziffern, beziehungsweiſe Buchſtaben bezeichnet. Wir werden daher auch nicht mehr
[426] von den Stromrichtungen in den einzelneu Spiralen, ſondern nur mehr von jenen
in den einzelnen Stromkreiſen ſprechen.


In der Stellung 295 A nahmen die Ströme im Stromkreiſe der Elektro-
magnete die Richtung von S über N, S1 und N1; ihre Richtung ſtimmte alſo mit
jener der Uhrzeigerbewegung überein. Dasſelbe gilt von der Stromrichtung im
äußeren Stromkreiſe. Im Stromkreiſe der Armatur floſſen die Ströme von der
Spule IV über III und II nach I, alſo in der Richtung entgegengeſetzt der Uhr-
zeigerbewegung.


In der Stellung 295 B iſt die Spule I bei S angelangt; die Spule I,
die in der vorhergegangenen Stellung der Inductionswirkung eines nordmagnetiſchen
Feldes ausgeſetzt geweſen war, iſt nun der Einwirkung eines ſüdmagnetiſchen Feldes
unterworfen. Ebenſo iſt die Spule II aus einem ſüdmagnetiſchen in ein nord-
magnetiſches, die Spule III aus einem nordmagnetiſchen in ein ſüdmagnetiſches
und endlich die Spule IV aus einem ſüdmagnetiſchen in ein nordmagnetiſches Feld
gelangt. Folglich muß die Richtung der in dieſen Spulen inducirten Ströme überall
die umgekehrte ſein, und es muß daher auch der Stromverlauf im geſammten

Figure 297. Fig. 295.

Schema der Gleichſtrom-Maſchine von Gérard.


Stromkreiſe der Armatur in der Stellung B in entgegengeſetzter Richtung ſtatt-
finden wie in der Stellung A. In letzterer war aber die Richtung der Ströme
entgegengeſetzt der Richtung der Uhrzeigerbewegung, folglich müſſen in der Stellung B
die inducirten Ströme mit der Richtung der Uhrzeigerbewegung übereinſtimmen,
wie dies auch durch die eingeſetzten Pfeile angedeutet iſt. Die Ströme im Armatur-
kreiſe gehen alſo von der Spule I aus über II und III nach IV.


Trotzdem die inducirten Ströme in der Stellung B entgegengeſetzt verlaufen
wie in A, bleibt doch die Stromrichtung im Stromkreiſe der Elektromagnete und
im äußeren Stromkreiſe A unverändert. Dieſes Reſultat wird durch den Commutator
bewirkt. Gleichzeitig als die Spulen I unter S und IV unter N1 kamen, ſind auch
die Commutator-Segmente 1 unter der Schleifbürſte b1 und 4 unter der Schleif-
bürſte b angelangt. Daher iſt der Verlauf der Ströme in ſämmtlichen Stromkreiſen
folgender: Die in der Armatur inducirten Ströme kommen von der Spule IV in
das Commutator-Segment 4, gelangen dann durch die Schleiffeder in den Strom-
kreis der Elektromagnete, welchen ſie in der Richtung von S über N und S1 nach N1
durchlaufen, gehen dann durch den äußeren Stromkreis A, und zwar in der
Richtung der Uhrzeigerbewegung (alſo wie in der erſten Stellung) und kehren durch
[427] die Bürſte b1 wieder zum Commutator zurück. Von hier aus, nämlich vom
Segmente 1 beginnt wieder der Stromlauf der Armatur, der bei dem Segmente 4
oder der Bürſte b, alſo dem Anfangspunkte der eben angegebenen Stromkreiſe endet.


Auf die Stellung B folgt bei Fortſetzung der Armaturdrehung im ſelben
Sinne die Stellung C. In dieſer ſind die Spulen I bei N, II bei S1, III bei N1
und IV bei S angelangt. Die Spulen I und III ſtehen alſo wie in der Stellung A
wieder je einem Nordpole, die Spulen II und IV je einem Südpole gegenüber.
Die Stromrichtung im Armaturſtromkreiſe muß alſo in der Stellung C dieſelbe
ſein wie in der Stellung A, d. h. entgegengeſetzt jener der Uhrzeigerbewegung.
Hierauf kann der Umſtand, daß die Spule I in der Stellung C jenem Nordpole
gegenüberſteht, welchem in der Stellung A die Spule III gegenüberſtand, und
daß die Spule II in gleicher Weiſe mit der Spule IV die Lage gewechſelt hat,
keinen Einfluß ausüben, da beide Nordpole und ebenſo beide Südpole untereinander
gleichwerthig ſind. Hingegen hat ſich die Stellung des Commutators geändert und
dadurch geſtaltet ſich der Stromlauf in ſämmtlichen Stromkreiſen folgendermaßen:
Die in der Armatur inducirten Ströme gelangen auf das Commutator-Segment 1,
welches mit dem Segmente 3 in leitender Verbindung ſteht, fließen dann vom
letzteren durch die Schleiffeder b in den Stromkreis der Elektromagnete S, N, S1
und N1, durcheilen hierauf den äußeren Stromkreis A und kehren durch die Schleif-
feder b1 zum Commutator zurück, durch deſſen Segment 4 der Anſchluß an den
Armaturſtromkreis bewirkt wird.


Aus der Verfolgung des Stromverlaufes erſehen wir, daß auch für die
Stellung C die Stromrichtung im Kreiſe der Elektromagnete und im äußeren
Stromkreiſe dieſelbe bleibt wie in den Drehungsmomenten, welche in A und B
dargeſtellt ſind.


Fig. 295 D verſinnlicht das letzte Stadium der Drehung, welches wir bei
Verfolgung einer vollen Umdrehung der Armatur zu betrachten haben, da nach
dieſem Stadium jenes in 295 A wiederkehrt. In dieſem letzten Stadium ſind die
Spulen I bei S1, II bei N1, III bei S und IV bei N angelangt, d. h. die
Armatur nimmt jetzt die Gegenſtellung von der in B innegehabten Stellung ein.
Die Spulen I und III ſtehen nämlich wieder Südpolen, die Spulen II und IV
Nordpolen gegenüber, die Spulen haben nur die gleichnamigen Pole untereinander
getauſcht. Die Stromrichtung im Armaturſtromkreiſe muß alſo wieder dieſelbe ſein
wie in der Stellung B, d. h. identiſch mit jener der Uhrzeigerbewegung. Die
Stellung des Commutators hat ſich in der Weiſe geändert, daß jetzt das Segment 2
unter die Bürſte b und das Segment 3 unter die Bürſte b1 gekommen iſt.
Hiernach ergiebt ſich der Verlauf der Ströme in ſämmtlichen [Stromkreisen] folgender-
maßen: Die in den Spulen der Armatur inducirten Ströme fließen auf das
Segment 4 des Commutators, von wo aus ſie wegen deſſen Verbindung mit dem
Segmente 2 auf letzteres übergehen und nun durch die Schleiffeder b in den Strom-
kreis der Elektromagnete gelangen. Dieſen durchfließen die Ströme in der Richtung
von S über N und S1 nach N1, gelangen dann in den äußeren Stromkreis A und
kehren durch die Bürſte b1 zum Commutator zurück. Der Anſchluß an die
Armaturwindungen iſt dadurch gegeben, daß das Segment 3, auf welchem die
Bürſte b1 ſchleift, mit dem Segmente 1 in leitender Verbindung ſteht. Hier ſetzt
aber der im Segmente 4 endende Stromkreis der Armatur an.


Die Stromrichtung im äußeren Stromkreiſe und im Stromkreiſe der Elektro-
magnete iſt alſo auch in dem durch das Schema 295 D dargeſtellten Drehungs-
[428] momente nicht geändert worden. Es durchfließen daher bei continuirlicher Rotation
der Armatur ſtets Ströme gleicher Richtung den äußeren Stromkreis, trotzdem die
einzelnen Spulen bei jeder Vierteldrehung abwechſelnd nord- und ſüdmagnetiſche
Felder paſſiren.


Gérard’s Gleichſtrom-Maſchine, welche in verſchiedenen Größen ausgeführt
wird, giebt recht gute Reſultate. Das kleinſte oder Schulmodell (Nr. 00) wird

Figure 298. Fig. 296.

Wechſelſtrom-Maſchine von Gérard.


durch die Hand betrieben und giebt einen Strom gleich zwei Bunſen’ſchen Elementen.
Das für den Gebrauch in Laboratorien beſtimmte Modell (Nr. 0), welches gleich-
falls mit der Hand betrieben wird, zeigt die Fig. 294. Die Maſchine iſt zu dieſem
Behufe auf einem Grundbrette aufgeſchraubt, welches auch einen Ständer mit zwei
Riemenſcheiben trägt, die durch ihre Treibriemen die Armatur in ſehr raſche Um-
drehung verſetzen, ſobald das mit Handhabe verſehene Rad gedreht wird. Dieſe
Maſchine koſtet 100 fl. ö. W. und iſt im Stande, einen Strom zu liefern, der
beiläufig dem von zehn Bunſen’ſchen Elementen erregten an Stärke gleichkommt.
[429] Dasſelbe Modell wird auch mit entſprechend geänderter Form des Geſtelles für
Fußbetrieb hergeſtellt. Um endlich auch noch eine Gleichſtrom-Maſchine für Maſchinen-
betrieb zu erwähnen, möge angegeben werden, daß das mit Nr. 2 bezeichnete
Modell dazu beſtimmt iſt, fünf Bogenlampen zu je 50 bis 60 Carcelbrenner
Lichtſtärke zu betreiben.


Die Wechſelſtrom-Maſchine von Gérard (oder der „Société anonyme
d’électricité“
) iſt in Fig. 296 abgebildet und zeigt, wie der Anblick lehrt, große
Aehnlichkeit mit der Wechſelſtrom-Maſchine von Siemens und Halske. Hingegen
haben die Armaturſpulen mit den Elektromogneten ihre Stellung getauſcht. Während
bei der Maſchine von Siemens und Halske die Armatur rotirt und die Elektro-
magnete feſtgelegt ſind, iſt bei der Maſchine von Gérard das Umgekehrte
der Fall.


Auf der Rotationsaxe der Maſchine iſt eine mehrfach durchbrochene ſtarke
Kreisſcheibe aufgeſetzt, die an ihrer Peripherie die Elektromagnete trägt. Die Draht-
windungen der letzteren ſind ebenſo angeordnet wie bei der Maſchine von Siemens,
d. h. alſo derart, daß ein die Windungen durchfließender Strom die im Kreiſe
aufeinanderfolgenden Pole abwechſelnd nord- und ſüdmagnetiſch macht. Den Strom zur
Erregung der Elektromagnete muß eine eigene Erreger-Maſchine liefern. Inner-
halb der Ständer, welche die Lager für die Rotationswelle tragen, ſind zwei
kreisförmige Ständer auf der Fundamentplatte verſchraubt. Jeder dieſer Ständer
beſteht aus zwei halbkreisförmigen Ringen, die an ihren Zuſammenſtoß-Enden durch
Flanſchen und Schrauben vereinigt ſind. Außerdem werden die Ringe beider
Seitenſtänder noch durch eine Anzahl horizontaler Traverſen zuſammengehalten.
Die Armaturſpulen, zu deren Befeſtigung die Kreisſtänder dienen, haben einen
länglich-ovalen Querſchnitt, und die Drahtenden jeder Spule werden getrennt
voneinander weitergeführt; ſie führen zu einem oberhalb der Maſchine angebrachten
Brette mit Klemmſchrauben. Dieſe Anordnung hat den Zweck, die einzelnen Spulen
untereinander je nach Bedürfniß in der einen oder andern Art ſchalten zu können.
Man kann alſo die Zahl der voneinander unabhängigen Stromkreiſe innerhalb
der Spulenanzahl beliebig variiren und kann die Spulen auf Spannung oder
auch auf Quantität verbinden. Die Maſchine kann daher für verſchiedene Zwecke
Verwendung finden.


Die Wirkungsweiſe der Maſchine iſt principiell von jener der Firma Siemens
und Halske nicht verſchieden. Derartige Maſchinen werden für 12, 24, 48 und 96
Bogenlichter conſtruirt.


Die Abbildung in Fig. 297 ſtellt endlich noch eine große Wechſelſtrom-
Maſchine desſelben Conſtructeurs dar, welche mit einer Corliß-Dampfmaſchine von
250 Pferdekräften direct gekuppelt iſt. Auch bei dieſer ſind die Armaturſpiralen
auf zwei [feſtgelegten] Radkränzen angebracht, während zwiſchen beiden das die
Elektromagnete tragende Rad gewiſſermaßen das Schwungrad der Dampfmaſchine
rotirt. Dieſe Maſchine iſt zum Betriebe von 1000 Bogenlampen (die Conſtruction
dieſer wird ſpäter beſprochen werden) oder 3000 Incandescenzlampen beſtimmt.


Dieſe Maſchine wird an Größe noch übertroffen von Gordon’s Wechſel-
ſtrom-Maſchine,
die von der Telegraph Construction and Maintenance
Company
in Greenwich gebaut wurde. Gleichwie bei der Wechſelſtrom-Maſchine
von Gérard iſt auch bei dieſer Maſchine die Armatur feſtgeſetzt, während die
Elektromagnete in Rotation geſetzt werden. Fig. 298 ſtellt dieſe Maſchine zur
Hälfte im Querſchnitte und zur Hälfte in der Seitenanſicht dar.


[430]

Die Rotationswelle W dreht ſich in zwei Lagern aus Phosphorbronze und
trägt in ihrer Mitte zwei ſchmiedeeiſerne Scheiben A von 2·67 Meter Durchmeſſer.

Figure 299. Fig. 297.

Wechſelſtrom-Maſchine von Gérard.


An jede derſelben iſt ein flacher Kegel B aus ſtarkem Bleche angenietet, der mit
ſeiner Spitze an den Naben N befeſtigt iſt. Letztere ſind auf der Rotationswelle
[431] aufgekeilt und werden durch eine zwiſchen ihnen angebrachte Eiſenſcheibe in richtiger
Entfernung voneinander gehalten. Der Zweck dieſer Blechkegel beſteht darin, die
Scheiben A zu verſteifen. In den Räumen zwiſchen den Naben und den Axenlagern
iſt je ein Ring E auf der Rotationswelle befeſtigt, der mit einer eingedrehten Nuth
verſehen iſt. Dieſe füllt ein Ring aus Vulcanit aus, auf welchen die Contactringe C
aufgeſetzt ſind. Letztere ſind aus Phosphorbronze verfertigt und dienen mit den
darauf ſchleifenden Kupferbürſten zur Zuleitung des Stromes, welcher die Elektro-

Figure 300. Fig. 298.

Gordon’s Wechſelſtrom-Maſchine.


magnete zu erregen beſtimmt iſt. Es werden hierzu zwei Bürgin-Maſchinen verwendet.
Jede der Scheiben A trägt an ihrem Umfange 32 Elektromagnete, deren Windungen
von den Strömen ſo durchfloſſen werden, daß Nord- und Südpol im Kreiſe herum
beſtändig wechſeln; die Magnete ſind hierbei hintereinander geſchaltet.


Zu beiden Seiten des Armaturrades A ſind an maſſiven gußeiſernen Ständern
ſtarke Eiſenringe R angebracht, die durch horizontale Bolzen H in ihrer Stellung
unverrückbar feſtgehalten werden. Die Ringſtänder oder Böcke ſind unten auf eine
rahmenförmige Grundplatte geſchraubt; dieſe Form der letzteren erlaubt, die Rotations-
axe möglichſt tief zu legen. An der Innenſeite jedes gußeiſernen Ringes ſind 64
[432] Inductionsſpulen F befeſtigt, welche durch Holzplatten vom Ringe iſolirt ſind; die
Maſchine beſitzt alſo im Ganzen 128 Inductionsſpulen.


Die Spulen ſind in zwei voneinander getrennten Stromkreiſen gruppirt, was
an der Maſchine dadurch gekennzeichnet wird, daß man die Spulen abwechſelnd
roth und blau überſtreicht. Die Eiſenkerne der Spulen beſitzen Keilform; darüber
iſt iſolirter Kupferdraht gewickelt, deſſen Durchmeſſer wie jener der Elektromagnet-
windungen 4·7 Millimeter Durchmeſſer beträgt. Die einzelnen Spulen ſind mit
Hilfe von Verlängerungen ihres Kernes an die Eiſenringe befeſtigt, von welchen
ſie die bereits erwähnten Holzſcheiben iſoliren. Die Spulen ſind an jener Seite,
welche ſie den rotirenden Magneten zukehren, durch mehrfach geſchlitzte Neuſilber-
bleche gedeckt und geſchützt. An dieſen rotiren die Elektromagnete in einer Entfernung
von nur drei Millimeter vorbei.


Die Iſolirung der zu den Umwindungen benützten Kupferdrähte beſteht
aus einem zweifachen Baumwollüberzuge; jede fertig gewickelte Spule wird
in Schellackfirniß getaucht und hierauf bei höherer Temperatur getrocknet. Schließlich
erhält ſie noch einen Anſtrich mit Asbeſtfarbe, um das Abblättern zu vermeiden.


Das Gewicht der rotirenden Scheiben mit ihren Elektromagneten beträgt
7000 Kilogramm, das der ganzen Maſchine 18.000 Kilogramm. Aus der perſpec-
tiviſchen Anſicht dieſer Maſchine, Fig. 299, erſieht man, daß die, die Inductions-
ſpulen tragenden Ringe aus mehreren Stücken zuſammengeſetzt ſind. Das kleine
mittlere Stück am oberen Theile des Ringes, welches zwiſchen den beiden ſeitlichen
an der unteren Seite zuſammengeſchraubten Ringſegmenten eingeſetzt iſt, läßt ſich
leicht entfernen. Es bietet dieſe Anordnung die Möglichkeit dar, etwa an den
Magneten entſtandene Schäden oder Fehler leicht beſeitigen zu können.


Der „Engineering“ theilt die bei einem Verſuche mit dieſer Maſchine erhaltenen
Verſuchsreſultate mit. Hiernach wurde die den Strom für die Elektromagnete
liefernde dynamoelektriſche Maſchine durch eine fünfpferdige Dampfmaſchine angetrieben
und gab einen Strom von 25 Ampère. Für die große Dampfmaſchine, welche
die Wechſelſtrom-Maſchine in Bewegung ſetzte, ergab die Meſſung 170 Pferdeſtärken,
alſo für beide Maſchinen zuſammen einen Geſammtkraftaufwand von 175 Pferde-
kräften. Die Wechſelſtrom-Maſchine lieferte hierbei einen Strom, deſſen elektro-
magnetiſche Kraft 103 Volt betrug; dieſer ſpeiſte 1400 Swan-Lampen zu
je zwei Lampen hintereinander in zwei Stromreihen geſchaltet. Die Leuchtkraft einer
Lampe wurde per 22—23 Kerzen beſtimmt und ihr Widerſtand zu 30 Ohm.
(Der Geſammtwiderſtand der Maſchine betrug 0·0985 Ohm und jener der Leitung
0·006 Ohm.) Hieraus ergiebt ſich ein Strom von 1030 Ampère. Für jede
Pferdekraft wurden in den Lampen 180 Kerzen erzeugt. Das Verhältniß der im
Cylinder der Dampfmaſchine gemeſſenen und der durch die Wechſelſtrom-Maſchine
geleiſteten elektriſchen Arbeit war gleich 0·816.


Die Dampf-Lichtmaſchine von Ganz und Comp. wurde von Mechwart
und Zipernowsky conſtruirt. Erregermaſchine, Lichtmaſchine und Dampfmaſchine
ſind hierbei ſo innig miteinander verbunden, daß alle drei zuſammen nur eine
Maſchine darſtellen. Am Schwungrade der Dampfmaſchine ſind alle rotirenden
Theile befeſtigt und es kommt weder irgend eine Art Riemen- oder Seiltransmiſſion
noch eine Kuppelung vor. Die Fig 300 und 301 ſtellen die Dampflicht-Maſchine in
perſpectiviſcher Anſicht und im Schnitte dar.


Die beweglichen Theile der Maſchine ſind die Elektromagnete der Wechſelſtrom-
Maſchine und der Gramme’ſche Ring der Erregermaſchine. Am Umfange des
[433] Schwungrades B B der Dampfmaſchine ſind nämlich 36 Elektromagnete m befeſtigt,
die mit ihren flachen Polſchuhen knapp an den Inductionsſpulen r r, gleichfalls

Figure 301. Fig. 299.

Gordon’s Wechſelſtrom-Maſchine.


36 an der Zahl, vorbeirotiren. Letztere ſind an der Innenſeite der feſtſtehenden
Trommel A A befeſtigt. Die Trommel iſt wie bei den kleineren Maſchinen derſelben
Urbanitzky: Elektricität. 28
[434] Firma außen mit Eiſendraht umwickelt und wird von einem ſoliden eiſernen
Gerippe getragen. Die Stromführung in den Drahtwindungen der Elektromagnete
iſt derart, daß die magnetiſchen Polaritäten im Kreiſe herum ſtets wechſeln. Es
müſſen daher auch in den Inductionsſpulen der Trommel Wechſelſtröme erzeugt
werden.


Figure 302. Fig. 300.

Dampf-Lichtmaſchine von Ganz \& Comp.


Die Erregermaſchine beſteht aus dem Gramme’ſchen Ringe R R, der, wie
bereits erwähnt, gleichfalls auf dem Schwungrade der Dampfmaſchine befeſtigt iſt,
und den inducirenden Elektromagneten P, welche von innen und außen an den
Ring herantreten. Die Elektromagnete, 12 innerhalb und 12 außerhalb des
Ringes, ſind an der feſtſtehenden Trommel befeſtigt, und bezüglich ihrer Polarität
im Kreiſe herum paarweiſe abwechſelnd nord- und ſüdmagnetiſch. (Die Polſchuhe
verbinden nämlich je zwei nebeneinander befindliche, in gleicher Weiſe vom Strome
durchfloſſene Spulen.) Die Erregermaſchine nimmt ſomit den mittleren Theil der
[435] ganzen Lichtmaſchine ein. Die im Gramme’ſchen Ringe inducirten Ströme werden
vom Commutator C durch Bürſten abgeleitet und durch weitere zwei Bürſten und

Figure 303. Fig. 301

Dampf-Lichtmaſchine von Ganz \& Comp.


die auf der Maſchinenaxe iſolirt aufgeſetzten Schleifringe S S1 den Elektromagneten
der Wechſelſtrom-Maſchine zugeführt.


Der mittlere Durchmeſſer des Gramme’ſchen Ringes der Erreger-Maſchine
beträgt 1·5 Meter, der lichte Durchmeſſer der fixen Trommel, welche die Inductions-
ſpulen der Wechſelſtrommaſchine trägt, iſt 3 Meter.


28*
[436]

Den Betrieb der Lichtmaſchine beſorgt eine Compound-Dampfmaſchine D
der Prager Maſchinenbau-Actiengeſellſchaft; dieſe Dampfmaſchine entwickelt bei
180 Touren per Minute 150 Pferdekräfte. Dank der innigen Vereinigung der
Dampf- und Lichtmaſchine beſitzt die Geſammtmaſchine nur drei Lager L und konnten
die rotirenden Theile der elektriſchen Maſchine ohne Anbringung neuer Lager auf-
montirt werden.


Auch bei der Maſchine von Ganz \& Comp. iſt wie bei jener von Gordon
die Rotationsaxe möglichſt tief gelegt und daher die Trommel zum Theile in eine
ausgemauerte Grube verſenkt. Auch auf leichte Demontage der Maſchine bei
Reparatursbedürftigkeit iſt Rückſicht genommen. Die Trommel iſt zu dieſen Behufe
an zwei Seiten mit Ringen verſehen, mittelſt welcher ſie auf den Stangen d des
Grundgeſtelles verſchoben werden kann. Es wird dies durch Drehen des Speichen-
rades b bewirkt, welches durch ſein Getriebe die Zahnräder c in Bewegung ſetzt,
die ihrerſeits wieder durch die Schraubenſpindeln a die Trommel verſchieben.
Hierdurch iſt dann das Schwungrad mit ſeinen Elektromagneten und dem Gramme’ſchen
Ringe freigelegt und die Trommel mit den Inductionsſpulen und den inducirenden
Elektromagneten der Erreger-Maſchine gleichfalls leicht zugänglich. (Das Handrad
auf der linken Seite der perſpectiviſchen Zeichnung dient zur Stellung der
Schleifbürſten.)


Die enge Verbindung von Licht- und Dampfmaſchine bringt nachſtehende
Vortheile mit ſich. Die Betriebsſicherheit der Anlage wird erhöht, weil die
Riemen- oder Seiltransmiſſionen wegfallen; die Wartung der Maſchine iſt eine
einfache eben wegen des Wegfalles dieſer Transmiſſionen und weil nur drei
Lager zu beſorgen ſind. Letztere werden überdies noch im Verhältniſſe zu jenen
anderer Maſchinen wenig abgenützt, da die Tourenzahl eine niedrige iſt.


Schließlich mögen hier noch die Dispoſition und die elektriſchen Größen
mitgetheilt werden nach Angaben der genannten Firma. Die 36 Drahtrollen der
Wechſelſtrommaſchine ſind ſämmtlich auf Quantität geſchaltet und haben einen
Widerſtand von 0·0039 Ohm. Die 36 in ſechs Stromkreiſe geſchalteten Elektro-
magnete beſitzen einen Widerſtand von 0·41 Ohm, der Ring der Erreger-Maſchine
mit ſeinen ſechs Bürſten am Collector 0·165 Ohm und die 24 in ſechs Strom-
kreiſen angeordneten Elektromagnetſpulen der Erregermaſchine 0·24 Ohm. Bei
180 Touren und einem normalen äußeren Widerſtande von 0·038 Ohm iſt die
Potentialdifferenz an den Klemmen der Wechſelſtrommaſchine 57·6 Volt und
zwiſchen den Bürſten der Erregermaſchine während ihrer Magnetiſirungsarbeit
(alſo bei 0·24 Ohm äußerem Widerſtand) 36·4 Volt. Hieraus wird eine geſammte
elektriſche Arbeit von 140 Pferdekräften und 85 Procent Nutzeffect der elektriſchen
Arbeitswerthe berechnet.


Die Maſchine ſpeiſte auf der elektriſchen Ausſtellung in Wien (1883) 1035
Glühlichter, Syſtem Swan, welche zur Beleuchtung des Theaters, ſowohl Bühne
als auch Zuſchauerraum, dienten. Nach einer in der Zeitſchrift des „Wiener elektro-
techniſchen Vereines“ veröffentlichten Erklärung des Directions-Comités hat dieſe
Maſchine während der Dauer der Ausſtellung den Strom für die Beleuchtung des
Ausſtellungstheaters ohne die geringſte Störung geliefert.


Es erübrigt uns noch eine Gruppe von Maſchinen zu beſprechen, welche von den
bisher betrachteten dadurch abweichen, daß die Leiter, in welchen Ströme inducirt
[437] werden ſollen, nicht abwechſelnd verſchiedene magnetiſche Felder durchlaufen, ſondern
ſich ſtets in einem und demſelben Felde bewegen; man nennt dieſe Maſchinen daher
auch Unipolar-Maſchinen.


Gewiſſermaßen in der Mitte zwiſchen den Unipolar- und den früher beſprochenen
Maſchinen ſteht die Anipolar-Maſchine von Ball. Dieſe in Fig. 302 abgebildete
Maſchine kann ſtrenge genommen nicht zu den Unipolar-Maſchinen gerechnet
werden, obgleich nur ein Magnetpol von außen auf die Armatur wirkt, weil eben
dieſer äußere Magnetpol doch im Kerne der Armatur zwei entgegengeſetzte Pole
inducirt und ſomit die Drähte, in welchen Ströme inducirt werden, doch abwechſelnd
der Einwirkung des Nord- und Südmagnetismus ausgeſetzt ſind. Die Ball’ſche
Maſchine kann als eine Gramme’ſche Maſchine mit verſchobenen Polſchuhen und
doppelten Ringen betrachtet werden.


Auf den verticalen Seitenſtändern der Maſchine ſind horizontale Eiſenkerne
befeſtigt, die faſt in ihrer ganzen Länge mit iſolirten Drähten bewickelt ſind. Hierbei
ſind die Windungen ſo geführt, daß beim Durchfließen eines Stromes an jenen

Figure 304. Fig. 302.

Unipolar-Maſchine von Ball.


Stellen, an welchen die Polſchuhe befeſtigt ſind, ſtets gleichnamige Pole zuſammen-
ſtoßen. Die Elektromagnete ſtellen daher im Vereine mit den beiden Ständern
zwei Hufeiſenmagnete dar, deren Schenkel ungleich lang ſind, und welche ihre
gleichnamigen Pole einander zukehren. Der eine Polſchuh umfaßt den oberen Theil
eines Gramme’ſchen Ringes, der andere Polſchuh den unteren Theil eines zweiten
Gramme’ſchen Ringes. Die beiden Polſchuhe beſitzen entgegengeſetzte magnetiſche
Polarität. Jeder der Gramme’ſchen Ringe iſt auf einer eigenen Rotationsaxe
aufgeſetzt und beim Betriebe der Maſchine wird der eine Ring in entgegengeſetzter
Richtung in Umdrehung geſetzt wie der andere Ring.


Die Wirkungsweiſe der Maſchine iſt genau dieſelbe wie zweier gekoppelter
Gramme’ſcher Maſchinen, trotzdem die Ringe nur auf je einer Seite der Einwirkung
eines Magnetpoles unterliegen. Der Gramme’ſche Ring enthält nämlich, wie wir
wiſſen, einen Eiſenkern und in dieſem wird der Magnetismus, ſowohl Nord- als
Südmagnetismus, auch durch nur einen von außen wirkenden Magnetpol geradeſo
erregt wie bei der gewöhnlichen Gramme’ſchen Maſchine. In der dem Elektro-
magnetpole zunächſt befindlichen Ringhälfte wird ungleichnamiger und in der ihm
[438] gegenüberliegenden Ringhälfte gleichnamiger Magnetismus hervorgerufen. Die
Drahtſpulen erfahren daher ebenfalls ſowohl durch Süd- als auch durch Nord-
magnetismus inducirende Wirkungen. Dieſes Verhalten ergiebt ſich ſchon aus dem
einfachen Verſuche, die Schleifbürſten in die günſtige Stellung zu bringen; hierbei
erhält man nämlich dieſelbe Stellung wie bei der gewöhnlichen Gramme’ſchen
Maſchine, woraus die Richtigkeit der gegebenen Erklärung für die Strominduction
hervorgeht.


Die Ball’ſche Maſchine unterſcheidet ſich alſo dadurch von der Gramme’ſchen,
daß bei erſterer für zwei Armaturen auch nur zwei magnetiſche Felder zu erregen
ſind, während bei der Gramme’ſchen Maſchine für jede Armatur zwei ſolche Felder
geſchaffen werden müſſen. Ferner iſt die Erhitzung bei der Ball’ſchen Maſchine
eine geringere, da eine beſtimmte Drahtmaſſe ſtatt auf einen auf zwei Ringe ver-
theilt wird. Es ſcheint faſt, als ob zur Erregung zweier kräftiger Pole im Ringe

Figure 305. Fig. 303.

Unipolar-Maſchine von Siemens.


ein einziges magnetiſches Feld genüge, was den Vortheil mit ſich bringt, das
Entſtehen Foucault’ſcher Ströme herabzudrücken.


Robert Sabine in London unterzog die Ball’ſche Maſchine einer Prüfung
und fand hierbei nachſtehende Reſultate: Die Intenſität der Stromes ergab ſich zu
15 Ampères, die Potentialdifferenz an den Polklemmen zu 195 Volts und der
Widerſtand der Maſchine zu 4·5 Ohm. Hierbei machte die Maſchine 1650 bis
1715 Touren in der Minute. Die an der Dynamomaſchine geleiſtete Arbeit
berechnete Sabine zu 5·68 Pferdekräfte; hiervon entfallen 3·92 Pferdekräfte auf
den äußeren und 1·35 Pferdekräfte auf den inneren Stromkreis. Die geſammte
elektriſche Arbeit betrug ſonach 5·27 Pferdekräfte, woraus ſich der geſammte elek-
triſche Effect zu 0·92 ergiebt.


In der erſten Abtheilung vorliegenden Werkes wurde bereits erwähnt, daß
zur Hervorrufung inducirter Ströme nicht immer eine Veränderung der Stärke
oder ein Wechſel der magnetiſchen Felder nothwendig ſei, in welchen ſich der Leiter
bewegt. (Siehe S. 297.) Hierzu genügt vielmehr jede Bewegung eines Leiters in
[439] einem magnetiſchen Felde, wenn nur die Bewegungsrichtung nicht mit der Richtung
der Kraftlinien zuſammenfällt. Was wir uns unter letzteren vorzuſtellen haben,
wiſſen wir bereits von früher her. (Seite 90, 290 u. ſ. w.) Inductionsſtröme
entſtehen immer, ſobald ein Leiter ſich derart bewegt, daß er hierbei Kraftlinien
durchſchneidet. Am kräftigſten wird dieſe Induction dann ſein, wenn die Kraftlinien
ſenkrecht geſchnitten werden, wenn alſo die Bewegungsrichtung des Leiters ſenkrecht
ſteht auf der Richtung der Kraftlinien; die Richtung der inducirten Ströme ſteht
hierbei ſenkrecht auf der Bewegungsrichtung. Bewegt man einen Draht in unmittel-
barer Nähe über einen Magnetpol hinweg, ſo ſteht die Bewegungsrichtung ſenkrecht
auf der Richtung der Kraftlinien; durch dieſe Bewegung des Drahtes durch die
magnetiſchen Kraftlinien wird im erſteren ein Strom inducirt, der in der Längs-
richtung des Drahtes verläuft. Es ſtehen daher alle drei Richtungen, nämlich die
Richtung der Kraftlinien, die Bewegungsrichtung und die Längsrichtung des Drahtes,
aufeinander ſenkrecht. Dieſes Verhältniß beſteht z. B. bei der Siemens’ſchen
Trommel-Armatur. Immerhin rotirt dieſe aber in wechſelnden magnetiſchen Feldern.


Polwechſel iſt aber ſtets mit Arbeitsverluſten verbunden und deshalb erſcheint
das Beſtreben, dieſen bei Conſtruction von Maſchinen möglichſt zu beſchränken,
vortheilhaft. Siemens und Andere haben dieſen Weg bereits bei einigen der vorhin
beſchriebenen Maſchinen eingeſchlagen. So enthalten z. B. die Inductionsſpulen
der neuen Gleichſtrom- und der Wechſelſtrom-Maſchine keine Eiſenkerne mehr; ebenſo
ſind die Armaturen der Maſchinen von Elphinſtone und von Thomſon eiſenfrei.
Hingegen iſt auch bei dieſen Maſchinen noch der Wechſel der Stromrichtung in
den Armaturwindungen geblieben.


Weder ein Wechſel des magnetiſchen Feldes noch ein Wechſel in der Richtung
der inducirten Ströme tritt hingegen bei der Anipolar-Maſchine von Siemens
ein; Fig. 303 ſtellt ſelbe in perſpectiviſcher Anſicht dar. Der horizontal befeſtigte
Elektromagnet E iſt beiderſeits mit cylindriſch gekrümmten Pollappen L L1 der-
art verſehen, daß durch ſie zwei cylindriſche Hohlräume entſtehen. Jeder dieſer
Hohlräume bildet ſonach ein magnetiſches Feld von nur einer Art. Innerhalb
derſelben kann je eine Axe in Rotation geſetzt werden, die ihre Lager in den
Ständern A und B beſitzt. Auf jeder Axe ſind vier Kupferſtreifen iſolirt und
parallel zur Längsrichtung der Axe befeſtigt. Jedes Ende dieſer Streifen iſt mit
einem der gleichfalls iſolirt auf der Axe aufgeſetzten Schleifringe S S1 verbunden.
Zur Ableitung der in den Streifen inducirten Ströme dienen die Bürſten B B1.
Die beiden Armaturen werden durch die Räder R R1 von einem Treibriemen in
Bewegung geſetzt.


Bei dieſer Maſchine werden alſo die Kupferſtreifen der Armaturen ſtets
rechtwinkelig durch die Kraftlinien geführt und erhalten dadurch Ströme von
immer gleichbleibender Richtung inducirt, da ſie ſich ſtets in einem und demſelben
magnetiſchen Felde bewegen. Die Richtung dieſer Ströme ſtimmt mit der Längs-
richtung der Kupferſtreifen überein und geht entweder von rechts nach links oder
von links nach rechts, je nachdem die Armaturen in einem oder dem andern Sinne
gedreht werden.


Die Maſchine von Siemens iſt zwar ſelbſt bisher zu keiner praktiſchen
Anordnung gelangt, wohl aber diente ſie als Vorbild für die Conſtruction der
Anipolar-Maſchine von E. Ferraris; dieſe ſteht bereits in praktiſcher Ver-
wendung. Der Bergwerksdirector Ferraris wurde zur Conſtruction dieſer Maſchine
durch das Bedürfniß geführt, einen Elektricitätsgenerator zu ſchaffen, der allen
[440] Anforderungen entſpricht, welche man an ihn bei der Leiſtung elektrochemiſcher
Arbeiten ſtellen muß. Wir wollen hierauf an dieſer Stelle nicht näher eingehen,
da ſich uns ohnehin ſpäter noch Gelegenheit zu ausführlichen Erörterungen
hierüber darbieten wird. Hingegen möge ſchon hier darauf hingewieſen werden,
daß in der Verwendung elektriſcher Ströme für chemiſche und metallurgiſche
Proceſſe ein Arbeitsfeld von unſchätzbarer Ausdehnung gegeben iſt. Der Grund,

Figure 306. Fig. 304.

Unipolar-Maſchine von Ferraris.


warum dieſe Gebiete gegen-
wärtig noch nicht von der
Elektricität beherrſcht wer-
den, ſondern noch immer
die Kohle die Hauptrolle
ſpielt, liegt darin, daß unſere
Kenntniſſe aus der Elektro-
chemie noch ſehr beſchränkte
ſind. Hier harrt noch ein
ebenſo großes als ergiebiges
Feld der Bearbeitung.


Die Unipolar-Ma-
ſchine von Ferraris iſt in
den Fig. 304, 305 und
306 in perſpectiviſcher An-
ſicht, in einem Längsſchnitte
und in einem Querſchnitte
dargeſtellt. Die Maſchine beſitzt gleich jener von Siemens zwei Armaturen, welche
auf den Axen A X iſolirt befeſtigt ſind. Sie beſtehen aus parallel zur Axe
laufenden Kupferbarren b b, deren Enden an den Stirnſeiten der Cylinder mit
Endſcheiben r r verſchraubt ſind. Letztere gehen dann in Halsringe über, welche
zur Aufnahme der lagerförmig geſtalteten Collectoren c c dienen. Es iſt vortheil-

Figure 307. Fig. 305.

Unipolar-Maſchine von Ferraris.


hafter, den Cylinder aus voneinander getrennten Barren zu bilden, wie aus
einem geſchloſſenen Mantel, weil bei der erſtgenannten Anordnung das Auftreten
ſtörender Querſtröme vermieden wird. Sowohl die Endſcheiben als auch die
Halsringe ſind von der Rotationsaxe ſorgfältig iſolirt; auf einer Seite der
Cylinder ſind die Lagerſchalen durch das Stück s verbunden, während ſie auf der
entgegengeſetzten Seite die Polklemmen K k der Maſchine tragen. Die Kupferbarren
beider Armaturen erſcheinen dadurch hintereinander oder auf Spannung verbunden.
[441] Die Polklemmen K K dienen zur Ableitung der inducirten Ströme in den äußeren
Stromkreis, während mit Hilfe der Klemmen k k ein Zweigſtrom in die Draht-
windungen der Elektromagnete E geleitet werden kann.


Die Lagerſchalen c c ſind, wie erwähnt, in den Stromkreis der Maſchine
eingeſchaltet; es kann daher zum Schmieren dieſer Lager keines der gewöhnlichen
Schmiermittel angewandt werden, da ein ſolches den Uebergang der Ströme
verhindern könnte. Dieſe Schwierigkeit wurde dadurch beſeitigt, daß man die
Schalen inwendig mit Schmierſtiften verſah. Dieſe beſtehen aus einer Thallium-
legirung, die ſchon wiederholt bei leichten Transmiſſionen mit Erfolg zur Anwendung
gelangte. Hierdurch wurde das Anbringen großer Contactflächen ermöglicht, ohne
gleichzeitig ſtarke Reibung zu verurſachen.


Die Elektromagnete E E ſind flach und in gleicher Weiſe angeordnet wie
bei der Trommelmaſchine von Siemens. Die oberen ſowie auch die unteren Schenkel
kehren ſich ihre gleichnamigen Pole zu und dieſe ſind durch je einen halbcylindriſch
ausgehöhlten Polſchuh verbunden (Fig. 306). Die Aushöhlungen der letzteren
ſind jedoch nicht einander zugekehrt, ſondern voneinander abgewandt. Jeder Polſchuh
umfaßt daher in entgegengeſetzter Richtung je einen Armaturcylinder zur Hälfte.
Die Elektromagnetſchenkel ſind an ihren von den Amaturen abgewandten Stirnſeiten
durch Eiſenſtücke verbunden, welche gleichzeitig
die Seitenſtänder S S1 der Maſchine bilden. Die
vier Elektromagnetſchenkel und die beiden Seiten-
ſtänder zuſammen ſtellen alſo zwei Hufeiſen-
magnete dar, die ſich ihre gleichnamigen Pole
zukehren.


Die Rotationsaxen der Armaturen ſind
auf einer Seite der Maſchine mit je einer Riemen-
ſcheibe R zum Antriebe durch einen Riemen ver-
ſehen. Die entgegengeſetzten Enden der Axen tragen
die Frictionsräder F F, um die Bewegung des

Figure 308. Fig. 306.

Unipolar-Maſchine von Ferraris.


einen Cylinders auf den andern zu übertragen. Da die Frictionsräder und die
Axen aus weichem Eiſen verfertigt ſind, bilden ſie zuſammen einen hufeiſenartigen
Anker (X F F X, Fig. 305) für die Elektromagnete und erzielen dadurch eine
Concentrirung der Kraftlinien. Zur Erreichung desſelben Zweckes iſt auch der
Naum zwiſchen dem Cylindermantel und der Axe theilweiſe mit Eiſenſcheiben ausgefüllt.


Der Stromkreis der Magnete kann durch die Klemmen k k als Nebenſchluß
zu dem Stromkreiſe der Armaturen angeordnet werden. Es iſt jedoch an jedem
Magnete ein Commutator angebracht, durch welchen es ermöglicht wird, die
Elektromagnetſchenkel hintereinander oder nebeneinander zu ſchalten, alſo auf
Spannung oder Quantität zu verbinden, je nach Bedarf. Durch dieſe Commutatoren
können auch verſchiedene Widerſtände eingeſchaltet werden; ferner kann man auch
die Elektromagnetwindungen mit einer Hilfsmaſchine (Erregermaſchine) in Verbin-
dung ſetzen. Hierdurch erhält die Maſchine eine ziemlich weit begrenzte Verwendungs-
fähigkeit. Sie kann aber auch als gewöhnliche dynamoelektriſche Maſchine fungiren,
da ihre eigenthümliche Bauart geſtattet, die ungleichnamigen Pole ihrer Elektro-
magnete ſo weit voneinander zu entfernen, daß zwiſchen beiden eine Armatur von
Siemens, Ediſon, Bürgin ꝛc. Raum findet.


Die Wirkungsweiſe der Maſchine bedarf nach dem früher Geſagten kaum
einer Erklärung. Der obere Cylinder rotirt oberhalb eines Poles in der einen
[442] Richtung, der untere Cylinder unterhalb des entgegengeſetzten Poles in der ent-
gegengeſetzten Richtung; die in den Kupferbarren des oberen Cylinders inducirten
Ströme müſſen daher die entgegengeſetzte Richtung wie jene im unteren Cylinder
erhalten. Da beide durch das Stück s einſeitig verbunden ſind, ſo bildet dieſes
mit den beiden Cylindern gewiſſermaßen eine Schleife, und in dieſer müſſen
ſämmtliche inducirten Ströme einen continuirlichen Verlauf zeigen. Es wird daher
an einer Klemme K ſtets poſitive und an der andern Klemme K ſtets negative
Elektricität auftreten müſſen.


Wir wollen ſchließlich noch einer Maſchine gedenken, deren Conſtruction ſich

Figure 309. Fig. 307.

Maſchine von Ediſon.


Ediſon patentiren ließ. Es wohnt
ihr zwar aus conſtructiven Rückſichten
keine praktiſche Bedeutung inne, ſon-
dern ſie iſt vielmehr höchſtens als
erſter Verſuch zur Conſtruction einer
Maſchine zu betrachten, deren Aus-
gangspunkt der Rotationsapparat von
Foucault bildet. (Siehe Seite 296.)
Wir wiſſen, daß bei dieſem eine Kupfer-
ſcheibe zwiſchen den beiden Polen eines
kräftigen Magnetes in Rotation geſetzt
wird und dadurch Ströme inducirt er-
hält, welche in radialer Richtung auf
der Scheibe verlaufen. Man kann ſich
vom Auftreten dieſer Ströme über-
zeugen, indem man auf der Axe und
auf dem Umfange der Scheibe je eine
Feder ſchleifen läßt und dieſe beiden
Federn mit der Multiplicationsſpule
eines Galvanometers in Verbindung
ſetzt. Die ſo erhaltenen Inductions-
ſtröme haben natürlich ſowohl wegen
ihrer geringen Spannung als auch
ihrer geringen Quantität keinerlei prak-
tiſchen Werth. Hingegen läßt ſich zwi-
ſchen dem Foucault’ſchen Apparate und
den für induſtrielle Zwecke bereits vorzüglich bewährten Siemens’ſchen Spulen-
maſchinen (wenn letzterer Ausdruck für die auf Seite 409 bis Seite 417 beſchrie-
benen Maſchinen geſtattet iſt) ein intereſſanter theoretiſcher Zuſammenhang herſtellen.
Die Zwiſchenglieder zwiſchen dem Foucault’ſchen Apparate und der genannten
Siemens’ſchen Maſchine bilden die Maſchine von Ferranti-Thomſon und die von
Ediſon vorgeſchlagene neue Conſtruction. Dieſe ſoll uns nun beſchäftigen.


Der Foucault’ſche Apparat iſt zur Erzeugung von elektriſchen Strömen für
induſtrielle Verwendung nicht geeignet, weil, wie bereits erwähnt, ſeine Ergiebigkeit
zu unbedeutend iſt, ferner wegen der unpraktiſchen Ableitung der Ströme am
Umfange der Scheibe und endlich weil in der vollen Scheibe auch Querſtrömungen
auftreten. Dieſe Fehler ſucht Ediſon bei der Conſtruction jener Maſchine zu
[443] vermeiden, welche in Fig. 307 im Quer- und Längsſchnitte dargeſtellt iſt. Statt
eines hufeiſenförmigen Elektromagnetes wendet er deren zwei an und läßt ihre
Polſchuhe A A2 und B B2 möglichſt nahe aneinander treten. Die Kupferſcheibe,
welche durch die in dieſer Weiſe gebildeten kräftigen magnetiſchen Felder rotiren
ſoll, iſt nicht mehr ein volles ununterbrochenes Kupferblech, ſondern ſie iſt vielmehr
aus einzelnen radialen Streifen 1 bis 16 zuſammengeſetzt; eine iſolirende Subſtanz
zwiſchen ihnen vereinigt ſie zu einer Scheibe. Wird dieſe Scheibe zwiſchen den
Polſchuhen der Elektromagnete in Rotation verſetzt, ſo treten wie in der Foucault-
ſchen Scheibe Inductionsſtröme auf, die radial verlaufen. Dieſe müſſen in der
einen Hälfte der Scheibe offenbar centripetal, in der andern Hälfte centrifugal
gerichtet ſein, da ja auch die Kraftlinien in den beiden magnetiſchen Feldern
entgegengeſetzte Richtungen beſitzen.


Um die in den Kupferſtreifen inducirten Ströme nach außen ableiten zu
können, ſind ihre inneren Enden mit einem Stromſammler (nach Art des
Gramme’ſchen) paſſend verbunden, während die am Umfange der Scheibe liegenden
Enden mit den 8 voneinander iſolirten Kupferringen daſelbſt in der Weiſe in
Verbindung ſtehen, daß die ganze Armatur eine geſchloſſene Leitung darſtellt. Die
Ströme werden alſo ähnlich wie beim Gramme’ſchen Ringe in den beiden Armatur-
hälften in parallel geſchalteten Zweigen inducirt. Bei dieſer Armatur tritt aber
kein Wandern magnetiſcher Polaritäten ein, ja es wird überhaupt gar kein
Magnetismus inducirt. Der Ausſchluß jedes Polwechſels in der Armatur iſt jeden-
falls als ein Fortſchritt zu bezeichnen.


Immerhin iſt aber Ediſon’s Maſchine nur ein intereſſanter Verſuch. Verfolgt
man die von Ediſon eingeſchlagene Richtung in der Umbildung des Foucault’ſchen
Apparates zu einer Maſchine für Stromerzeugung weiter, ſo gelangt man zur
Maſchine von Ferranti-Thomſon. Die Zahl der radialen Streifen (die bei der
Induction eigentlich ja doch nur iu Betracht kommen) ſind hierbei auf 32 gebracht
und jeder derſelben aus 8 Kupferbändern zuſammengeſetzt. Die Verbindung der
radialen Streifen iſt in bedeutend einfacherer Weiſe (ſiehe Seite 418) hergeſtellt.
Die Zahl der magnetiſchen Felder wurde von 2 auf 32 vermehrt. Ferranti’s
Maſchine ergiebt ſich alſo ganz ungezwungen als ein weiteres Entwicklungsſtadium.
In welcher Weiſe endlich die Maſchine von Siemens und Halske mit der letzt-
genannten Maſchine im Zuſammenhange ſteht, wurde bereits hinreichend beſprochen
(Seite 420).


Wenngleich bei der Siemens’ſchen Maſchine vielleicht nicht vom Foucault’ſchen
Apparate ausgegangen wurde, ſondern andere Erwägungen hierzu führten, ſo
halten wir es doch für nützlich, auf den oben erläuterten inneren Zuſammenhang
hinzuweiſen, da dies für die Beurtheilung der Leiſtungsfähigkeit und Verwend-
barkeit einer Maſchine wichtige Fingerzeige geben kann.


3. Conſtructions- und Betriebsverhältniſſe der elektriſchen
Maſchinen.


Vorſtehende Betrachtungen der Maſchinen beanſpruchen keineswegs das
vorhandene Material vollſtändig zu erſchöpfen; es wurden vielmehr nur ſolche
Maſchinen in den Kreis dieſer Betrachtungen einbezogen, welche entweder beſondere,
erwähnenswerthe Eigenthümlichkeiten in Bezug auf die Conſtructionsprincipien
oder auch auf die mechaniſche Durchführung derſelben [aufweiſen], oder endlich auch
[444] ſolche, die in großer Anzahl in Verwendung ſtehen. Es würde den Leſer nicht
nur ermüden, ſondern für ihn auch nutzlos ſein, die faſt täglich neu auftauchenden
Conſtructionen alle vorzuführen, da ſie zumeiſt gar nichts Originelles darbieten
und ſehr häufig gar nie zur praktiſchen Ausführung oder Verwendung gelangen.


Auf eine ſtrenge Claſſeneintheilung der Maſchinen wurde verzichtet, weil die
Conſtructionsprincipien derſelben nicht ſo markant unterſchieden ſind, daß ſich eine
conſequente Durchführung der Eintheilung auf Grundlage eines Unterſcheidungs-
merkmales empfehlen würde. Man theilt die Maſchinen z. B. ein in Wechſelſtrom-
und Gleichſtrom-Maſchinen. Hierbei müßten aber beiſpielsweiſe die Wechſelſtrom-
und die Gleichſtrom-Maſchine von Siemens (Spulenmaſchinen auf Seite 109 u. f.)
getrennt behandelt werden, was wegen der großen Aehnlichkeit beider Maſchinen
untereinander kaum zweckmäßig erſcheinen dürfte. Ferner erzeugen die Cylinder-
und Trommelmaſchinen und ebenſo jene Maſchinen, welche den Pacinotti’ſchen oder
einen ähnlich conſtruirten Ring beſitzen, zunächſt auch Wechſelſtröme und nur die
Art der Stromführung bewirkt das Auftreten gleichgerichteter Ströme im äußeren
Schließungsbogen. Eine Gleichſtrom-Maſchine im ſtrengen Sinne des Wortes iſt
die Unipolarmaſchine von Ferraris. Ganz unzweckmäßig iſt die Eintheilung in
Maſchinen für Einzellicht und Theilungslicht; ganz abgeſehen davon, daß dann
die Maſchinen für elektrochemiſche Arbeiten und für Kraftübertragung in eigene
Gruppen eingeordnet werden müßten, hätte man dann häufig Maſchinen getrennt
zu behandeln, die ſich nur durch die Dimenſionen ihrer Drähte u. dgl. von-
einander unterſcheiden, hingegen die Unipolarmaſchine von Ferraris neben die
Maſchine für Metallabſcheidung von Simens oder Gramme zu ſtellen u. ſ. w.
Die Eintheilung in magnetelektriſche und dynamoelektriſche Maſchinen führt
ebenfalls zu keiner überſichtlichen Gruppirung, da, wie wir geſehen haben, häufig
bei einer und derſelben Maſchine die Elektromagnete je nach der Arbeit, welche
gefordert wird, in der einen oder andern Art erregt werden; ein Beiſpiel hierfür
bietet abermals die Maſchine von Ferraris. Sonach ſchien es am zweckmäßigſten,
von dem Pacinotti’ſchen Vorbilde auszugehen, hieran die Modificationen desſelben
zu reihen und ebenſo nach Betrachtung der Siemens’ſchen Conſtruction die
Modificationen der letzteren zu behandeln. Hierauf folgen dann jene Maſchinen,
bei welchen die Armatur oder die Elektromagnete, zumeiſt beide, in mehr oder
weniger voneinander getrennte Spulen aufgelöſt ſind; den Schluß bilden die
Unipolarmaſchinen.


Bei allen Maſchinen erfolgt die Erregung elektriſcher Ströme in der Weiſe, daß
ſtromloſe Drähte und magnetiſche Felder fortwährend ihre gegenſeitige Lage zueinander
ändern, oder daß durch eine von außen her wirkende Kraft ein Theil der Maſchine (die
Armatur oder die Elektromagnete) in Bewegung geſetzt und darin erhalten werden.
(Auch der dritte Fall, Armatur und Elektromagnete gegeneinander in Bewegung zu
ſetzen, würde keine principielle Schwierigkeit verurſachen). Die elektriſchen Ströme
erſcheinen aber ſtets als Umwandlungsproduct jener mechaniſchen
Arbeit
, welche von dem die Strommaſchine in Bewegung ſetzenden und erhal-
tenden Motor geleiſtet wird. Es bedarf nur eines geringen Kraftaufwandes, um
irgend eine elektriſche Maſchine in Bewegung zu ſetzen und ebenſo eines geringen
Kraftaufwandes, ſie in Bewegung zu erhalten, wenn das dynamoelektriſche Princip
durchgeführt und der äußere Stromkreis unterbrochen iſt. Im letzteren Falle kann die
dynamoelektriſche Maſchine keine Ströme liefern, weil die durch den ſchwachen
remanenten Magnetismus in der Armatur erregten äußerſt ſchwachen Ströme durch
[445] die Unterbrechung des äußeren Stromkreiſes verhindert werden, in die Elektromagnet-
windungen zu fließen. Bei Maſchinen, welche permanente (Stahl-) Magnete beſitzen
oder bei ſolchen, deren Elektromagnete durch eine ſelbſtſtändige Elektricitätsquelle
erregt werden, entſtehen in der Armatur auch dann Ströme, wenn der äußere
Stromkreis unterbrochen iſt. Zur Erhaltung der Bewegung dieſer Maſchinen oder
dynamoelektriſcher Maſchinen mit geſchloſſenem äußeren Stromkreiſe iſt jedoch
ein bedeutend größerer Kraftaufwand nöthig. Man kann ſich davon ſchon an den
kleinen Maſchinen für Handbetrieb überzeugen; die erſten Umdrehungen einer ſolchen
dynamoelektriſchen Maſchine erfordern eine äußerſt geringe Anſtrengung; dieſe muß
aber raſch geſteigert werden in demſelben Maße, als die ſucceſſive Steigerung der
Stromſtärke eintritt.


Aus dieſem Verhalten erſieht man, daß durch die Erregung von Strömen in der
Armatur eine Gegenkraft erweckt wird, die der Umdrehung des rotirenden Theiles
der Maſchine entgegenwirkt. Worin dieſer durch die Wirkſamkeit der Maſchine ſelbſt
geſchaffene Widerſtand liegt, iſt leicht einzuſehen. Durch den Betrieb der Maſchine
werden ſtromdurchfloſſene Spulen an Magneten oder Magnete an ſtromdurchfloſſenen
Spulen vorbeibewegt. Wir wiſſen aber, daß zwei derartige Körper ſtets eine
abſtoßende oder anziehende Wirkung aufeinander ausüben und die eine oder die
andere Wirkung eintritt, je nachdem die Richtungen der Ströme (Ampère’ſchen
und inducirten) einander entgegengeſetzte oder gleiche ſind. Eine derartige Rückwirkung
muß daher auch in jeder elektriſchen Maſchine zwiſchen dem feſtſtehenden und dem
bewegten Theile eintreten. Hierbei ſind für dieſe Anziehung, beziehungsweiſe Ab-
ſtoßung nur zwei Fälle möglich: entweder wird hierdurch eine Kraft wirkſam, die
den rotirenden Theil in jener Richtung zu drehen ſucht, in welcher er durch die
von außen her wirkende Kraft (z. B. Dampfmaſchine) gedreht wird, oder aber
dieſe innere Kraft ſucht den beweglichen Theil in entgegengeſetzter Richtung zu
bewegen. Ob das eine oder das andere Verhalten eintritt, können wir z. B. aus
der ſchematiſchen Zeichnung des Gramme’ſchen Ringes, Fig. 235, Seite 366, erſehen.


Der Ring wird in der Richtung der Uhrzeigerbewegung in Rotation geſetzt,
wobei ſich die Spulen 7, 8, 1 und 2 dem Nordpole N nähern, die Spulen 3,
4, 5 und 6 von ihm entfernen. Die erſtgenannten Spulen erhalten daher alle
Ströme einer Richtung inducirt und ſenden dieſe Ströme durch die bei A angebrachte
Bürſte in den äußeren Stromkreis; die Ströme entgegengeſetzter Richtung fließen
von den letztgenannten Spulen bei B eben dorthin. Die Spulen 7, 8, 1 und 2
erhalten Ströme inducirt, die in der Richtung der Uhrzeigerbewegung verlaufen,
alſo mit der Richtung der Ampère’ſchen Ströme am Südpole des Magnetes
übereinſtimmen, aber entgegengeſetzt gerichtet ſind jenen am Nordpole. Der Nordpol
muß daher die Spulen 7, 8, 1 und 2 abſtoßen, während ſie vom Südpole
angezogen werden, d. h. es muß das Beſtreben auftreten, die Spulen in entgegen-
geſetzter Weiſe zu drehen, als ſie durch die von außen angewandte Kraft gedreht
werden. Da in den Spulen 3, 4, 5 und 6 die Ströme den entgegengeſetzten
Verlauf nehmen, wie in den eben genannten Spulen, ſo muß auch die Wirkung
der Magnetpole eine entgegengeſetze ſein, d. h. die Spulen 3, 4, 5 und 6 müſſen
vom Nordpole angezogen und vom Südpole abgeſtoßen werden. Ein Blick auf
die Figur lehrt, daß auch durch die Wechſelwirkung zwiſchen dieſen Spulen und
den Magnetpolen das Beſtreben hervorgerufen wird, den Spulen eine Bewegung
zu ertheilen, deren Richtung entgegengeſetzt iſt jener, welche ihnen von außen
ertheilt wird.


[446]

Dieſe Gegenwirkung, welche wir beim Gramme’ſchen Ringe eingehender
betrachtet haben, tritt beim Betriebe jeder Maſchine auf. Sie mag wie immer
conſtruirt ſein, ſo müſſen doch immer in jenen Leitern oder Leitertheilen, welche
einem Magnetpole genähert werden, Ströme auftreten, die den Ampère’ſchen
Strömen jenes Magnetpoles entgegengeſetzt gerichtet ſind. Letzterer muß daher
erſtere zurückzuſtoßen ſuchen. Leitertheile oder Leiter, welche ſich von einem Magnet-
pole entfernen, erhalten Ströme inducirt, deren Richtung mit jener der Ampère’ſchen
Ströme jenes Poles übereinſtimmen; letzterer wird daher das Beſtreben haben, die
Leiter oder Leitertheile zurückzuhalten, d. h. alſo, das ganze Syſtem ſteht unter
Einwirkung einer Kraft, welche es in entgegengeſetzter Richtung zu bewegen ſucht,
als jene iſt, welche es von außen her erhält.


Hieraus erklärt ſich nun, warum zum Betriebe einer elektriſchen Maſchine
ein beſtimmter mit der Stärke des von der Maſchine gelieferten Stromes veränder-
licher Kraftaufwand erforderlich iſt. Es braucht wohl kaum erwähnt zu werden,
daß ein Theil jener Arbeit, welche der Motor (die Menſchenhand, Gas-Dampf-
maſchine ꝛc.) leiſtet, dazu verwendet wird, die Reibungswiderſtände in den Trans-
miſſionen, Axenlagern u. ſ. w. zu überwinden. Der größte Theil der Arbeit wird
jedoch dadurch in Elektricität umgewandelt, daß durch die Bewegung eines Theiles
der elektriſchen Maſchine die Anziehung zwiſchen dieſem und dem feſtſtehenden Theile
überwunden wird. Da dieſe Anziehung (oder Abſtoßung) ſo lange wirkt als die
Maſchine im Gange iſt, und ſtärker oder ſchwächer wird, je nachdem der von der
Maſchine erzeugte Strom ſeine Stärke ändert, ſo muß einerſeits der elektriſchen
Maſchine ſtets Arbeit zugeführt werden und andererſeits die Größe dieſer Arbeit
mit der Stromſtärke zu- und abnehmen. Es bildet daher das Verhalten der elektri-
ſchen Maſchinen eine ſchöne Beſtätigung des Naturgeſetzes von der Erhaltung der
Kraft, welches beſagt, daß man von einer Maſchine nie mehr Arbeit erhalten kann,
als in dieſelbe hineingegeben wurde.


Durch obige Betrachtungen haben wir zugleich einen Factor kennen gelernt,
welcher auf die Stärke der von einer Maſchine gelieferten Ströme beſtimmend
wirkt. Das Ohm’ſche Geſetz, welches natürlich auch für die Maſchinenſtröme Geltung
beſitzt, iſt bekanntlich gegeben durch den Ausdruck:


Um die Stromſtärke zu bekommen, müſſen wir alſo die elektromotoriſche Kraft und
den Geſammtwiderſtand kennen. Wir haben daher zunächſt zu unterſuchen, wovon
die beiden letzteren abhängen. Die elektromotoriſche Kraft muß offenbar deſto
größer werden, je kräftiger die auf die Drahtwindungen ausgeübte Induction iſt.
Dieſe aber hängt von der Stärke der Magnete und von der Entfernung der
Magnetpole von den inducirten Windungen ab. Die elektromotoriſche Kraft wird
alſo erhöht, wenn die Kraft der inducirenden Magnete verſtärkt und ihre Ent-
fernung von den inducirten Drähten verringert wird. Man muß daher bei jeder
Maſchine dafür Sorge tragen, daß Magnete und Armatur möglichſt nahe aneinander
kommen. Bei Maſchinen, welche Stahlmagnete beſitzen, iſt die Stärke der letzteren
eine beſtimmte und unveränderliche. Daher bleibt auch bei einer gegebenen Maſchine
mit Stahlmagneten die elektromotoriſche Kraft in Bezug auf die Wirkungsweiſe
der inducirenden Magnete unverändert. Sie bleibt natürlich auch unverändert,
wenn die Maſchine zwar Elektromagnete beſitzt, dieſe aber durch eine ſelbſtſtändige
conſtante Elektricitätsquelle erregt werden.


[447]

Gleichwie die elektromotoriſche Kraft einer galvaniſchen Batterie nicht nur
von der Spannungsdifferenz der zur Berührung gebrachten Körper, ſondern auch
von der Zahl der Berührungsſtellen, d. h. der Zahl der hintereinander verbundenen
Elemente abhängt, ändert ſich auch die elektromotoriſche Kraft einer Maſchine
mit der Zahl der Armaturwindungen. Unter ſonſt gleichen Umſtänden iſt die elektro-
motoriſche Kraft der Zahl der Armaturwindungen direct proportional. Die elektro-
motoriſche Kraft eines Inductionsſtromes iſt aber auch, wie wir bereits wiſſen,
deſto größer, je raſcher der Inductionsſtrom verläuft. Er muß daher bei einer
Maſchine eine deſto größere elektromotoriſche Kraft erhalten, je ſchneller die Rotation
erfolgt. Somit iſt die elektromotoriſche Kraft auch der Tourenzahl der Maſchine
direct proportional.


Bei einer magnetelektriſchen Maſchine, d. h. alſo einer Maſchine, die Stahl-
magnete beſitzt oder deren Elektromagnete durch eine von der Maſchine unabhängige
conſtante Stromquelle erregt werden, wird alſo die elektromotoriſche Kraft blos
von der Intenſität der Magnete, der Zahl der der Induction ausgeſetzten Windungen
und der Rotationsgeſchwindigkeit derſelben beſtimmt.


Anders verhält es ſich jedoch bei dynamoelektriſchen Maſchinen; bei dieſen
werden die Elektromagnete durch den Strom der Maſchine ſelbſt erregt. Hier läßt
uns die Ohm’ſche Formel ſofort erkennen, daß ſich die elektromotoriſche Kraft auch
mit dem Geſammtwiderſtande, oder, da der innere Widerſtand der Maſchine unveränder-
lich iſt, mit dem Widerſtande des äußeren Stromkreiſes ſich ändern muß.


Iſt nämlich der Widerſtand des äußeren Stromkreiſes ein ſehr bedeutender,
ſo wird nach dem Ohm’ſchen Geſetze die Stromſtärke ſehr klein ausfallen, und da
der Maſchinenſtrom die Elektromagnete zu erregen hat, ſo wird der ſehr ſchwache
Strom auch nur eine geringe Intenſität der Magnete bewirken. Iſt der äußere
Widerſtand unendlich groß, d. h. der äußere Stromkreis ganz unterbrochen,
ſo wird die Intenſität der Magnete (von dem geringen remanenten Magnetismus
abgeſehen) gleich Null; die dynamoelektriſche Maſchine wird alſo, auch wenn die
Armatur fortwährend in Rotation erhalten wird, keinen Strom geben. Iſt hingegen
der Widerſtand des äußeren Stromkreiſes ein ſehr geringer, iſt z. B. die Maſchine
durch einen kurzen dicken Kupferdraht geſchloſſen, ſo erlangt der Strom eine
bedeutende Stärke und erzeugt ſehr kräftige Elektromagnete. Die Stromſtärke einer
dynamoelektriſchen Maſchine hängt daher weſentlich vom Widerſtande im äußeren
Stromkreiſe ab und iſt für Widerſtandsſchwankungen ſehr empfindlich. Hierbei
nimmt wegen der Wechſelwirkung zwiſchen den inducirten Strömen und der Stärke
des Magnetismus die Stromſtärke im äußeren Stromkreiſe viel bedeutender zu
oder ab als der Widerſtand ab- oder zunimmt.


Obige Betrachtungen gelten für eine dynamoelektriſche Maſchine, bei welcher
Armatur, Magnetpole und äußerer Stromkreis hintereinander geſchaltet ſind. Eine
derartige Schaltung iſt für eine Ediſon-Maſchine durch die ſchematiſche Fig. 308
dargeſtellt. Dieſe Anordnung und die hierdurch bedingte Empfindlichkeit der Maſchine
in Bezug auf Widerſtandsſchwankungen im äußeren Stromkreiſe bringt häufig
Uebelſtände mit ſich, die ſehr ſtörend werden können; denken wir uns z. B. die
Maſchine zum Betriebe einer oder mehrerer Lampen mit Voltabogen in Verwendung
ſtehend. Die Kohlen in den Lampen brennen ab, vergrößern dadurch die Bogen-
länge und daher auch den Widerſtand im äußeren Stromkreiſe. Führt der Nachſchub-
mechanismus in der Lampe die Kohlen nicht fortwährend und genau im Ver-
hältniſſe ihres Abbrennens gegeneinander, ſo bleibt dieſer erhöhte Widerſtand längere
[448] oder kürzere Zeit beſtehen und führt dadurch eine Schwächung des Stromes herbei.
Abgeſehen davon, daß in dieſer Weiſe der Strom und alſo auch das Licht keine
conſtante Intenſität erhalten können, tritt die Stromſchwächung gerade zu einer
Zeit ein, in welcher wegen der vergrößerten Bogenlänge ein ſtärkerer Strom erwünſcht
wäre. Ebenſo können auch Unreinigkeiten der Lampenkohlen eine Vergrößerung des
Widerſtandes herbeiführen.


Man ſuchte die Abhängigkeit der Stromſtärke von dem Widerſtande im
äußeren Stromkreiſe in verſchiedener Weiſe zu vermeiden. Eine derſelben beſteht
darin, daß man die Armatur mit doppelten Windungen verſieht und die in einer
Gruppe inducirten Ströme nur zur Erregung der Elektromagnete, die in der
zweiten Gruppe erzeugten Ströme ausſchließlich im äußeren Stromkreiſe verwendet.
Ebenſo können auch einzelne Spulen der Armatur mit den Elektromagnetwindungen

Figure 310. Fig. 308.


Figure 311. Fig. 309.

Schaltungsweiſen der Magnete.


in Verbindung geſetzt werden, während die in den übrigen Spulen inducirten
Ströme in den äußeren Stromkreis abgeleitet werden. Derlei Maſchinen ſtimmen
principiell mit jenen magnetelektriſchen Maſchinen überein, deren Magnete durch
eine eigene Stromquelle erregt werden.


Eine häufig angewandte Schaltung iſt in Fig. 309 dargeſtellt. Bei dieſer
theilen ſich die durch die Bürſten aus der Armatur abgeleiteten Ströme bei b in zwei
Zweige, indem ein Theil der Ströme durch die Winduugen der Elektromagnete
fließt, während der andere Theil den äußeren Stromkreis durchſtrömt. Bei b1
vereinigen ſich beide Theilſtröme wieder und kehren zur Armatur zurück. Wir wiſſen,
daß in verzweigten Leitern die Stromſtärken in den einzelnen Zweigen ſich umgekehrt
verhalten wie die Widerſtände dieſer Zweige. Sonach wird bei einer derartigen
Schaltung die Stromſtärke im äußeren Stromkreiſe durch das Verhältniß der
Widerſtände beider Stromkreiſe zueinander beſtimmt ſein und ſich mit der Veränderung
dieſes Verhältniſſes gleichfalls ändern.


[449]

Nimmt der Widerſtand im äußeren Stromkreiſe zu, ſo wird ein größerer
Stromantheil in die Elektromagnetwindungen fließen, und nimmt dieſer Widerſtand
ab, ſo wird der Strom im Stromkreiſe der Elektromagnete abnehmen. Eine
dynamoelektriſche Maſchine, welche dieſe Schaltung beſitzt, verhält ſich alſo gewiſſer-
maßen umgekehrt wie eine Maſchine mit der vorbeſprochenen Schaltung. Wenn
wir hier beiſpielsweiſe wieder eine Lampe in den äußeren Stromkreis einſchalten,
wird die Erhöhung des Widerſtandes in dieſer Lampe durch die vorhin angegebenen
Urſachen den Strom in den Elektromagneten verſtärken. Daher muß dann die
elektromotoriſche Kraft des Stromes im äußeren Stromkreiſe wachſen. Umgekehrt
wird dieſe abnehmen, wenn der Widerſtand im äußeren Stromkreiſe abnimmt. Die
Schaltung der Elektromagnete im Nebenſchluß bewirkt daher eine Art Stromreguli-
rung, entſprechend dem jeweiligen Bedürfniſſe an Strom im äußeren Schließungskreiſe.


Obige Schaltungsweiſen ſind nicht die einzigen, welche bei Maſchinen zur
Verwendung kommen; man bedient ſich vielmehr, ohne an den Conſtructions-
principien der Maſchinen etwas zu ändern, auch noch anderer Schaltungen, von
welchen z. B. die Compound-Schaltung genannt werden möge; da aber dieſe
Schaltungen eigentlich Stromregulirung bewirken, ſo ſollen ſie auch erſt an jener
Stelle in den Kreis unſerer Betrachtungen einbezogen werden, an welcher wir uns
mit der Stromregulirung zu beſchäftigen haben werden.


Der innere Widerſtand einer Maſchine, d. h. der Widerſtand der Draht-
windungen auf der Armatur und den Elektromagneten muß nach dem Zwecke, für
welchen die Maſchine beſtimmt iſt, bemeſſen werden; von ihm hängt die Spannung
des erzeugten Stromes ab. Bei großem inneren Widerſtande erhält man Ströme
von hoher Spannung, kann daher auch die Ströme in einem äußeren Stromkreiſe
von hohem Widerſtande, alſo z. B. zum Betriebe einer größeren Anzahl hinter-
einander geſchalteter Lampen verwenden. Für kurze Leitungen und einen Arbeits-
ſtromkreis von geringem Widerſtande werden auch Maſchinen mit geringem inneren
Widerſtande verwendet. Ein gewiſſer Widerſtand iſt jedoch bei jeder Maſchine
nothwendig, da ſonſt die Stromerzeugung unmöglich würde, weil ſowohl im
Voltabogen als auch in der Zerſetzungszelle oder der ſecundären Maſchine bei der
Kraftübertragung ſtets ein Gegenſtrom auftritt. Bei Wechſelſtrommaſchinen, welche
natürlich nur dem erſterwähnten Zwecke dienen können, tritt dieſer Gegenſtrom
allerdings nicht ſchwächend auf, ſondern er kommt vielmehr dem jedesmal folgenden
Maſchinenſtrome als gleichgerichtet zu Gute. Doch ſind die Gleichſtrommaſchinen
ſtets den Wechſelſtrommaſchinen vorzuziehen, da letztere einen bedeutend geringeren
Nutzeffect geben; die einzige Ausnahme hiervon iſt beim Betriebe von elektriſchen
Kerzen zu machen.


Beim Baue jeder Maſchine müſſen unnütze Widerſtände, wie z. B. die
unproductiven Drähte an den Stirnſeiten der Siemens’ſchen Trommel, möglichſt
vermindert werden. Jeder von Elektricität durchſtrömte Leiter wird erwärmt und
zwar umſo mehr, je größer unter ſonſt gleichen Umſtänden der Widerſtand des
Leiters iſt. Die Umwandlung von Elektricität in Wärme innerhalb der
Maſchine bedeutet aber ſtets einen Kraftverluſt, da man von der Maſchine ver-
langt, daß ſie die in ſie hineingeſteckte Arbeit als Elektricität und nicht als Wärme
wiedergebe. Starke Erwärmung wird überdies noch dadurch ſchädlich, daß ſie die
Iſolirungen gefährdet.


Eine andere Urſache, durch welche ſtets Wärme erzeugt wird, iſt der häufige
Polwechſel oder die Polverſchiebung. Bekanntlich verliert auch das weichſte Eiſen
Urbanitzky: Elektricität. 29
[450] nicht ſofort ſeinen Magnetismus, ſobald der inducirende Magnet oder Strom zu
wirken aufhört, ſondern braucht hierzu eine gewiſſe Zeit. Bei der ſchnellen Rotation
der Maſchinen iſt es daher unvermeidlich, daß das betreffende Eiſenſtück noch
Magnetismus einer Art enthält, wenn bereits Magnetismus der entgegengeſetzten
Art inducirt wird. Hierdurch werden die Eiſentheilchen in beſtändiger Bewegung
erhalten, von welcher ſich nur ein Theil in Magnetismus umſetzt, während der
andere in Wärme übergeht. Außerdem wird hierdurch auch die Kraft des Magne-
tismus geſchwächt. Die Erzeugung von Wärme durch häufigen Polwechſel iſt
gegenüber den älteren Maſchinen, deren Armaturen aus einer größeren Anzahl
von mit Eiſenkernen verſehenen Spulen beſtand, im Gramme’ſchen Ringe und im
Siemens’ſchen Cylinder dadurch bedeutend vermindert, daß bei einer vollen
Umdrehung der Armatur nur ein zweimaliger Polwechſel eintritt. Immerhin muß
aber auch bei dieſen Maſchinen eine Stelle des Eiſens in 1/2000 Minuten die
Polarität wechſeln, wenn die Armatur 1000 Touren macht.


Die Wärme-Erregung in Folge raſchen Polwechſels ſucht man in verſchiedener
Weiſe möglichſt herabzudrücken. Bei Beibehaltung der Armatur-Conſtructionen wird
dies durch zwei Mittel ermöglicht, deſſen eines ein raſches Annehmen, beziehungs-
weiſe Verlieren des Magnetismus bewirkt, während das zweite dem Eiſen Zeit
giebt, die Polarität einer Art zu verlieren, bevor es die entgegengeſetzte Polarität
annehmen muß. Ein raſcher Polwechſel wird, wie bekannt, dadurch ermöglicht, daß
man die Eiſentheile der Armatur nicht aus maſſiven, ſondern aus mannigfach
getheilten Stücken oder aus Blechen, Drähten u. ſ. w. zuſammenſetzt, und Zeit
wird für den Polwechſel geſchaffen, indem man zwiſchen den magnetiſchen Feldern
einen nicht zu kleinen Zwiſchenraum läßt. Des erſten Mittels bedienen ſich alle
Maſchinen, das letzterwähnte ſehen wir z. B. bei den Maſchinen von Schuckert
angewandt. Die Erwärmung in Folge des raſchen und häufigen Polwechſels iſt
ganz vermieden bei ſolchen Maſchinen, deren Armatur gar kein Eiſen enthält, wie
z. B. die neuen (Spulen-) Maſchinen von Siemens oder auch die Unipolar-
Maſchinen, bei welchen kein Polwechſel und auch kein Wechſel der Stromrichtung
in der Armatur eintritt, weil ſich letztere immer nur in einem und demſelben
magnetiſchen Felde bewegt.


Eine weitere Quelle der Wärme-Erregung liegt in dem Auftreten der
Foucault’ſchen Ströme, d. h. jener Ströme, welche jederzeit entſtehen, wenn
Metallmaſſen ſich in magnetiſchen Feldern bewegen. Die hierdurch erzeugte
Wärmemenge nimmt zu mit der Größe der Maſchinen, da hiermit die magnetiſchen
Intenſitäten eine bedeutende Größe erreichen. Das Mittel zur Bekämpfung dieſes
Uebelſtandes iſt abermals durch Zertheilung der Metallmaſſen gegeben, da hierdurch
das Zuſtandekommen der Foucault’ſchen Ströme erſchwert wird.


Die Wärme-Entwicklung in den elektriſchen Maſchinen bildet eine jener
Urſachen, durch welche ein Arbeitsverluſt beim Umwandeln von mechaniſcher Kraft
in Elektricität bewirkt wird. Dies iſt jedoch nicht die einzige; die Vorgänge in
den elektriſchen Maſchinen ſind ziemlich complicirter Natur und gegenwärtig noch
keineswegs vollſtändig erkannt. So müſſen z. B. die ſtarken Ströme, welche durch
die Maſchinen erzeugt werden, alſo auch deren Drahtwindungen durchfließen, ſowohl
auf die Drähte als auch auf die übrigen metalliſchen Beſtandtheile zurückwirken.
Ein Theil dieſer Wirkungen wird allerdings die Wirkſamkeit der Maſchinen unter-
ſtützen, aber ein anderer Theil wird ſie ſchwächen. So werden z. B. jene Ströme,
welche in den die Eiſenkerne der Armatur umgebenden Drahtwindungen inducirt
[451] werden, den Magnetismus des Eiſenkernes ſchwächen, und hierin liegt [auch] die
Haupturſache, warum das ſucceſſive Anwachſen des Stromes beim Anlaſſen einer
dynamoelektriſchen Maſchine bald eine Grenze findet. Dieſe Störungen durch Neben-
inductionen werden natürlich größer, je größer die Anzahl der Windungen und
die Tourenzahl wird, weil mit dieſen die Stärke des Stromes, der die Neben-
inductionen hervorruft, wächſt. Allerdings nimmt die Stärke des Maſchinenſtromes
viel raſcher zu als die durch ihn bewirkten Nebeninductionen; immerhin bilden aber
letztere eine nicht zu vernachläſſigende Urſache des Kraftverluſtes. Dieſer wird
erheblich geſteigert bei Maſchinen, welche Wechſelſtröme erzeugen, da das fort-
währende Wechſeln der Stromrichtung Oeffnungs- und Schließüngsſtröme hervor-
rufen muß, die ſowohl die Funkenbildung an den Schleifcontacten verſtärken
als auch anderweitige Störungen bewirken kann.


Zu dieſen Kraftverluſten kommen noch bei jeder Maſchine ſolche hinzu, die
entſtehen durch Ueberwindung der Reibung in den Axenlagern, des Widerſtandes,
welchen die Luft dem rotirenden Theile entgegenſetzt u. ſ. w. Es iſt daher für die
Beurtheilung der Leiſtungsfähigkeit einer Maſchine von Wichtigkeit, deren Güte-
verhältniß
zu kennen, d. h. zu wiſſen, welcher Percentſatz der einer Maſchine mit-
getheilten mechaniſchen Energie als elektriſche Energie wiedererhalten werden kann.
Um dieſe beiden miteinander vergleichen zu können, müſſen offenbar beide mit Zugrunde-
legung gleicher Maßeinheiten gemeſſen werden. Als ſolche waren bis in jüngſte Zeit
mannigfache und willkürliche Größen in Verwendung. Hierüber wurde erſt auf
dem Congreſſe der Elektriker zu Paris im Jahre 1881 eine Einigung ſämmtlicher
Nationen erzielt, indem ein ſogenanntes abſolutes Maßſyſtem angenommen
wurde.*) (Ein derartiges Maßſyſtem wurde bereits von Gauß und Weber
angegeben und bei dieſem dienten die drei Größen: Milligramm, Millimeter und
Secunde als Fundamentaleinheiten.)


Das von dem Elektriker-Congreſſe zu Paris angenommene internationale
elektriſche Maßſyſtem
beſitzt als Fundamentaleinheiten das Centimeter, die
Gramm-Maſſe und Secunde**) (C. G. S.-Einheiten). Da dieſe Einheiten verhältniß-
mäßig klein ſind, würde man bei techniſchen Meſſungen unbequem große Zahlen
erhalten. Man verwendet daher in der Praxis techniſche Einheiten, welche Vielfache
der Fundamentaleinheiten darſtellen. Dieſe ſind das Meter und das Kilogramm;
die Secunde als Zeiteinheit iſt beibehalten worden. Die Einheit der Maſſe iſt gleich
, oder, da die Acceleration auf der Oberfläche der Erde gleich iſt 9·81
29*
[452] (d. h. jeder frei fallende Körper in jeder Secunde eine Geſchwindigkeit von 9·81
Meter erhält), geht dieſer Ausdruck für die Einheit der Maſſe über in .


Die Einheit der Kraft bildet das Kilogramm; aus dieſen Einheiten laſſen
ſich die Einheiten für die Arbeit und den Effect ableiten. Man verſteht unter
Arbeit das Product aus der Kraft und der in der Kraftrichtung zurückgelegten
Weglänge. Die techniſche Einheit der Arbeit muß daher das Meter-Kilogramm
bilden. Unter Effect verſteht man die von einer Kraft in der Secunde geleiſtete
Arbeit; die Einheit des Effectes bildet daher das Secunden-Meter-Kilogramm.
Größere Arbeitsleiſtungen werden nach Pferdekräften gemeſſen. In England
ſetzt man hierfür das Zeichen H. P. (horse power), in Deutſchland dieſes oder P. S.
(Pferdeſtärke). Hierbei iſt 1 H. P. = 75 Secunden-Meter-Kilogramm.


Es verurſacht keine Schwierigkeiten, die elektriſchen Größen in mechaniſchem
Maße auszudrücken. Wir haben bereits die Bedeutung des Coulomb kennen
gelernt (S. 215) und ebenſo erfahren, daß ein Leiter das Potential 1 beſitzt, wenn
durch die Einheit der Arbeit 1 Coulomb aus der Unendlichkeit zu ihm herangebracht
wird. Da dieſe Einheit für praktiſche Zwecke zu klein iſt, hat man ſich, wie wir
wiſſen, dahin geeinigt, unter Einheit des Potentiales dasjenige zu verſtehen, welches
10 Millionen Arbeitseinheiten erfordert, um 1 Coulomb aus der Unendlichkeit
heranzubringen. Umgekehrt wird dieſe Arbeit wieder gewonnen, wenn ſich das
Coulomb in die Unendlichkeit fortbewegt. Fällt eine beſtimmte Anzahl Coulombs
von einem höheren zu einem niederen Potential, ſo wird die hierbei freiwerdende
Arbeit offenbar ausgedrückt ſein durch das Product aus der Anzahl der Coulombs
mit der Differenz der Volts. Das Volt repräſentirt 10 Millionen Arbeitseinheiten,
ſomit hat man: Anzahl der Coulombs × Differenz der Volts × 10,000,000.
Die mechaniſche Einheit der Kraft iſt diejenige, welche der Maſſe eines Gramms
in 1 Secunde eine Geſchwindigkeit von 1 Centimeter ertheilt. Da das Kilogramm
gleich iſt 1000 Gramm und das Meter = 100 Centimeter und da ferner die
Anziehungskraft der Erde einem Körper in einer Secunde eine Geſchwindigkeit von
981 Centimeter ertheilt, ſo iſt die Kraft, welche die Erde auf 1 Kilogramm aus-
übt, gleich 1000 × 100 × 981 = 98,100,000 Arbeitseinheiten.


Die elektriſche Arbeit erhalten wir nun in Kilogramm-Meter, wenn wir das
oben angegebene Product, ausgedrückt in Arbeitseinheiten, durch 98,100,000 divi-
diren, alſo
oder gleich

Der elektriſche Strom iſt ein ſtetes Fließen der poſitiven Elektricität von
Stellen höheren zu Stellen tieferen Potentiales und die Differenz der Potentiale
iſt die elektromotoriſche Kraft. Als Stärke des Stromes bezeichneten wir die Zahl
der in der Secunde abſtrömenden Coulombs und maßen ſie in Ampères (Seite 216).
Mit Rückſicht hierauf können wir nun auch den Effect, d. h. die in der Secunde
geleiſtete Arbeit im mechaniſchen Maße beſtimmen. Er iſt gegeben durch den Ausdruck

[453]

Soll der Effect in Pferdekräften ausgedrückt werden, ſo hat man natürlich
noch durch 75 zu dividiren:

Da uns die Meſſung der Stromſtärke und der elektromotoriſchen Kraft
bereits bekannt iſt und wir nun auch die Beſtimmung des Effectes einer elektriſchen
Maſchine kennen gelernt haben, können wir das Güteverhältniß derſelben beſtimmen,
ſobald nur die Arbeit bekannt iſt, welche durch den Motor der elektriſchen Maſchine
mitgetheilt wird. Dieſe beſtimmt man durch ein Dynamometer. Ein ſolches
Bremsdynamometer, der Prony’ſche Zaum, iſt in Fig. 310 abgebildet; c iſt
eine Scheibe aus Gußeiſen von ähnlicher Form wie die Riemenſcheiben an den
elektriſchen Maſchinen. Dieſe wird durch zwei hölzerne Bremsklötze a a umfaßt; am
oberen Klotze iſt der Balken b befeſtigt, der bei d eine Wagſchale zum Auflegen der
Gewichte beſitzt. Die Schrauben s s dienen zum Zuſammenhalten beider Bremsklötze.


Um mit dem Prony’ſchen Zaum eine Meſſung auszuführen, wird die Scheibe
c auf jene Welle aufgekeilt, deren Effect zu beſtimmen iſt. Hierauf zieht man die
Schrauben s s an, ſo daß die Bremsklötze
an der Scheibe anliegen, und läßt die
Maſchine mit einer beſtimmten Touren-
zahl (derjenigen, für welche der Effect
gemeſſen werden ſoll) laufen. Würde man
bei P keine Gewichte auflegen, ſo müßte
die Bremſe in der Rotationsrichtung der
Welle mitgedreht werden. Nun legt man
aber ſo viele Gewichte auf, daß der
Balken b horizontal bleibt, während die
Welle die normale Tourenzahl macht.
Die Reibung, welche die auf die Welle
übertragene mechaniſche Arbeit verbraucht,
wird durch die Kraft gemeſſen, mit

Figure 312. Fig. 310.

Prony’s Zaum.


welcher die Wagſchale bei d niederzuſinken ſtrebt; dieſe Kraft hält eben der Reibung
bei c das Gleichgewicht. Da das auf die Wagſchale gelegte Gewicht P, die Länge L
des Hebelarmes, der Halbmeſſer der Rolle c und die Tourenzahl der Welle bekannt
ſind, ſo kann man leicht den Effect in Pferdekräften berechnen.


Häufig kommt auch zu einer derartigen Meſſung der Arbeitsmeſſer von
Hefner von Alteneck zur Verwendung. Er dient zur Meſſung der durch einen
Treibriemen übertragenen Arbeit, indem er aus der Differenz der Spannungen
des hin- und rücklaufenden Riementheiles die wirkende Kraft erkennen läßt. Dieſe
wird in Kilogramm angegeben, welche dann mit der Rotationsgeſchwindigkeit der
Welle, ausgedrückt in Metern, zu multipliciren ſind, um Kilogramm-Meter zu erhalten.


Zur Ermittlung der Tourenzahl benützt man ſogenannte Tourenzähler,
von welchen eine Conſtruction (Wm. Lang in Brooklyn) in Fig. 311 abgebildet
iſt. Er beſteht aus der drehbaren Spindel S S, welche an beiden Enden eckig
zugekantet iſt und in der Mitte eine endloſe Schraube W beſitzt. Dieſe greift in
die gezahnte Scheibe E ein, welche mit 100 Zähnen verſehen iſt. Sonach wird die
Scheibe eine volle Umdrehung gemacht haben, ſobald ſich die Spindel 100mal
gedreht hat. Die Theilung der Scheibe läßt durch ihren Stand gegen den feſt-
ſtehenden Zeiger z die Zahl der Touren bis zu 100 erkennen. Die Scheibe E
[454] iſt mit einem Anſchlagſtifte A verſehen, der bei jeder vollen Umdrehung von E
einmal an einem der 10 Zähne der Scheibe H anſchlägt und dadurch dieſe um
einen Zahn weiterdreht. Das Rad H vollendet daher eine Umdrehung, wenn E
deren 10 und die Spindel 1000 gemacht hat. Es bildet alſo die Scheibe E das
Einer- und die Scheibe H das Hunderterzählrad. Dem Inſtrumente ſind noch zwei
Kappen beigegeben, deren eine G als Griff, deren andere k nur als Schutz dient,
wenn das Inſtrument eingeſteckt wird.


Die Art, in welcher die Tourenzählung vorgenommen wird, bedarf nun
wohl kaum mehr einer Erklärung. Man hält mit Hilfe des Griffes G die Spindel
S S mit dem einen oder dem anderen zugekanteten Ende (je nachdem die Maſchinen-
welle rechts oder links läuft) im Mittelpunkte der Maſchinenwelle an, ſo daß die
Axen der Spindel und der Welle in eine Linie fallen; die leicht bewegliche Spindel
wird dann durch die Maſchinenwelle mitgenommen und macht ebenſo viele Umdrehungen
wie dieſe. Natürlich ſtellt man vorerſt beide Scheiben auf Null ein. Nach Ablauf
einer beſtimmten Zeit, z. B. einer Minute, nimmt man das Inſtrument wieder weg
und erſieht aus der Stellung der beiden Scheiben die Tourenzahl.


Figure 313. Fig. 311

Tourenzähler.


Wenden wir nun unſere Aufmerkſamkeit den einzelnen Theilen der
Maſchine
zu, ſo haben wir ſie ſowohl in Bezug auf ihre magnetiſche oder
elektriſche Wirkſamkeit
, als auch bezüglich ihrer mechaniſchen Conſtruc-
tionen
zu betrachten. In Betreff der erſteren laſſen ſich keine allgemein giltigen
Regeln aufſtellen, da verſchiedene Zwecke, welchen die Maſchinen dienen ſollen, auch
die Erfüllung verſchiedener Forderungen beanſpruchen. So richtet ſich der Durch-
meſſer der Drähte nach der gewünſchten Stromſtärke. Bedeutenden Einfluß auf
das Arbeiten der Maſchine hat das Verhältniß der Windungszahlen auf der
Armatur und den Elektromagneten, doch läßt ſich auch hierüber nichts Allgemeines
angeben, da dieſes Verhältniß durch die Eiſenconſtruction und magnetiſche Dis-
poſition beeinflußt wird.


Bei den Elektromagneten ſind runde den flachen vorzuziehen, weil erſtere bei
gleichem Umfange einen kleineren Querſchnitt und folglich auch einen kleineren
Widerſtand beſitzen. Bei großen Polſchuhen, wo alſo große Eiſenmaſſen zu
magnetiſiren ſind, erweiſt ſich die Anwendung mehrerer Magnete vortheilhaft
(Maſchinen von Ediſon).


Die Drahtgruppen oder Spulen hat man nach Uppenborn ſo zu bemeſſen,
daß im Mittel nicht mehr als 20 Volts Spannungsdifferenz zwiſchen zwei
[455] Stromabgeber-Lamellen vorhanden ſind. Die genaue Anzahl wird natürlich nach den
Dimenſionen der Drähte berechnet und iſt derart zu wählen, daß möglichſt wenig
Platz auf dem Anker leer bleibt.


Die magnetiſche Anordnung hat namentlich folgenden Forderungen zu entſprechen:
Die Magnetpole ſind ſo anzubringen, daß möglichſt wenige Kraftlinien von Pol
zu Pol gelangen, ohne die Drähte, welche für die Induction beſtimmt ſind, zu
ſchneiden. Der Eiſenkern der Armatur muß den Polſchuhen der Magnete möglichſt
nahe kommen können. Die zu inducirenden Drähte müſſen ſo geführt werden, daß
ein möglichſt großer Theil derſelben zum Durchſchnitte mit den Kraftlinien kommt,
da die übrigen Drähte nicht nur nutzlos ſind, ſondern auch noch den todten
Widerſtand vermehren. Es wurde bereits erwähnt, daß, um das Zuſtandekommen
der Foucault’ſchen Ströme zu verhindern, der Eiſenkern aus einzelnen Theilen,
Drähten, Scheiben u. dgl. zuſammenzuſetzen iſt.


Große Sorgfalt iſt
auf die Iſolirung in allen
Theilen der Maſchine zu
verwenden; die Iſolirung
ſoll ſo ſtark ſein, daß ſie
das 1½fache der Span-
nung aushalten kann, welche
entſteht, wenn eine oder die
andere Klemme an die Erde
gelegt wird. (Uppenborn.)


Das zuverläßlichſte
Mittel, ſich von der Lei-
ſtungsfähigkeit, beziehungs-
weiſe Wirkungsart einer
dynamoelektriſchen Maſchine
zu überzeugen, beſteht in
der Aufnahme eines Dia-
gramms
, d. h. in der gra-
phiſchen Darſtellung der
Aenderung jener Größen,
die eine Maſchine charak-

Figure 314. Fig. 312.

Diagramm einer dynamoelektriſchen Maſchine.


teriſiren. Man ſetzt zu dieſem Behufe die Maſchine in Gang und ſorgt dafür,
daß ihre Tourenzahl conſtant bleibt, oder nimmt die Meſſungen nur bei einer
beſtimmten Tourenzahl vor. Hierbei gibt man dem Widerſtande im äußeren Strom-
kreiſe verſchiedene Größen und beſtimmt jedesmal die Stromſtärke (i) und die
Klemmſpannung (d).


Man erhält dann die graphiſche Darſtellung, z. B. des Verlaufes der Klemm-
ſpannungen, bei äußeren Widerſtänden von 0·5, 1, 1·5, 2 u. ſ. w. Ohm, indem
man die Widerſtände auf der Linie A X (Fig. 312) und die hiefür durch Meſſung
erhaltenen Klemmſpannungen auf der Linie A Y, die auf A X ſenkrecht ſteht, aufträgt;
man zieht dann durch die Punkte auf A X Linien parallel zu A Y und durch jene
auf A Y Linien parallel zu A X. Verbindet man dann die Durchſchnittspunkte je
zweier zuſammengehöriger Linien durch eine continuirliche Linie, ſo ſtellt die ſo erhaltene
Curve a d den Verlauf der Klemmſpannungen bei veränderlichem äußeren Widerſtande
graphiſch dar. Der Punkt a wurde z. B. in nachſtehender Weiſe erhalten: Der äußere
[456] Widerſtand wurde auf 0·5 Ohm gebracht und dann die Klemmſpannung gemeſſen,
während die Maſchine die verlangte Tourenzahl machte. Die Klemmſpannung ergab
ſich zu 1·0; es wird daher von dem mit 1·0 bezeichneten Punkte der Linie A Y die
Gerade (Abſciſſe) 1·0 a und vom Punkte 0·5 der Linie A X die Gerade (Ordinate)
0·5 a gezogen. Im Durchſchnittspunkte beider Linien bei a iſt dann ein Punkt der
Spannungscurve gegeben. In gleicher Weiſe erhält man die übrigen Punkte der Curve.


Durch dasſelbe Verfahren bekommt man die Curve i für die Stromſtärke, die
Curve v für das Verhältniß des Nutzwiderſtandes zum Totalwiderſtande und die
Curve i d durch Auftragen von i : d Aus dieſen Curven kann das Arbeiten einer
dynamoelektriſchen Maſchine am ſicherſten beurtheilt werden. Man erſieht hieraus
z. B., daß das i d ein Maximum wird (d. h. die Curve den höchſten Punkt erreicht),
wenn der Nutzwiderſtand (z. B. die eingeſchalteten Lampen) gleich iſt dem halben
Totalwiderſtand. (Die Curve v ſchneidet hierbei die mit 0·5 bezeichnete Ordinate.)


Bei Maſchinen, deren Magnete im Nebenſchluſſe liegen, hat man drei verſchiedene
Stromſtärken aufzutragen, nämlich die im Anker, die im Magnete und die im
Arbeitsſtromkreiſe; dementſprechend erhält man auch dreierlei Widerſtände.


In mechaniſcher Beziehung ſind namentlich der Bau und die Anordnung
jener Theile wichtig, welche der Abnützung durch den Gebrauch am meiſten unterliegen.
Zu dieſen gehören die Axenlager, der Stromabgeber und auch der rotirende Theil
(Anker oder Elektromagnete). Die Axenlager ſollen breit, ſolid befeſtigt, leicht zugänglich
und mit ausreichenden Schmiervorrichtungen verſehen ſein.


Am meiſten unterliegt der Stromabgeber der Abnützung. Letztere wird befördert
durch ſtarke Funkenbildung und auch durch Verunreinigung mit Schmieröl, wenn
die Schmiervorrichtung nicht ſo angeordnet iſt, daß auf den Stromabgeber kein
Schmieröl gelangen kann. Die Funkenbildung iſt bei Erzeugung von Strömen hoher
Spannung unter ſonſt gleichen Umſtänden höher als bei Anwendung geringer
Spannung. Die Mittel, welche man anwendet, um die Funkenbildung zu vermeiden,
haben wir ſchon bei den einzelnen Maſchinen kennen gelernt (Nebenbürſte von
Ediſon, alternirende Wicklung der Armaturdrähte bei Weſton u. ſ. w.). Zur Abnützung
des Stromabgebers durch Verbrennung in Folge der Funkenbildung kommt noch
jene durch chemiſche und mechaniſche Einwirkung, wenn das Schmieröl auf die
Kupferſectoren fließt. Durch die elektriſchen Funken bilden ſich Zerſetzungsproducte
des Oeles, die den Stromabgeber raſcher zerſtören helfen, und das Oel ſelbſt kann,
mit Staub, Metalltheilchen ꝛc. vermengt, die Iſolirungen zwiſchen den einzelnen
Sectoren verderben. Es iſt deshalb darauf zu achten, daß durch Conſtruction oder
Anordnung der Zutritt des Schmieröles zum Stromabgeber unmöglich gemacht wird.
Da aber auch bei Beachtung dieſer Punkte der Stromabgeber immer jener Theil
bleibt, der ſich am raſcheſten abnützt, ſo verdienen jene Maſchinen den Vorzug, welche
ein raſches und einfach auszuführendes Auswechſeln derſelben geſtatten oder noch
mehr jene, die keines aus Lamellen zuſammengeſetzten Stromabgebers bedürfen, wie
die Maſchine von Ferraris.


Aehnlich verhält es ſich mit den rotirenden Spulen; dieſe können dadurch
unbrauchbar werden, daß der elektriſche Strom die Iſolirung durchſchlägt oder daß
dieſe durch die Erwärmung oder andere Urſachen zu Grunde geht. Ferner können
auch Drahtbrüche an der einen oder andern Stelle eintreten. Es wird daher als
Vorzug einer Maſchine gelten, wenn ſie in leichter Weiſe die Auswechslung der
ſchadhaften Spule geſtattet. Es iſt dies, um ein Beiſpiel anzuführen, bei der Flach-
ringmaſchine von Schuckert der Fall; dieſelbe iſt auch in Bezug auf das über den
[457] Stromabgeber und die Lager Geſagte muſtergiltig. Sehr leicht iſt der Erſatz einer
unbrauchbar gewordenen Spule bei ſolchen Maſchinen zu bewerkſtelligen, bei welchen
die einzelnen Spulen ganz voneinander getrennt ſind, wie dies z. B. bei den neuen
Wechſel- und Gleichſtrommaſchinen von Siemens der Fall iſt. Hat man bei der
Conſtruction der Maſchine dieſen Umſtänden nicht Rechnung getragen, ſo erfordert
die Sicherheit des Betriebes einer ſolchen Maſchinenanlage die Beigabe von Reſerve-
Armaturen, während es in den angeführten Beiſpielen genügt, einzelne Reſervetheile
zur Verfügung zu haben. Schuckert’s Lagerung der Armatur in dem auf einer Seite
offenen Grundgeſtelle hat überdies noch den Vortheil, daß die Lüftung weniger
Schrauben hinreicht, um den Anker herausnehmen und ſo den ſchadhaft gewordenen
Theil raſch und bequem durch einen Reſervetheil erſetzen zu können.


Die Vor- und Nachtheile der Ströme hoher und geringer Spannung, der
Wechſel- und gleichgerichteten Ströme hängen mit der ſpeciellen Verwendung der
Elektricität innig zuſammen und müſſen daher erſt bei den verſchiedenen Anwendungen
getrennt beſprochen werden.


Wir haben ſchließlich noch die Frage zu erörtern, ob es bei Bedarf mächtiger
Ströme für ausgedehnte Anlagen zweckmäßiger ſei, den Maſchinen dementſprechende
koloſſale Dimenſionen zu geben, oder mit der Größe derſelben nur bis zu einer
gewiſſen Grenze zu gehen und dann eine nach dem Strombedarf bemeſſene Anzahl
ſolcher Maſchinen zur Stromlieferung in eine gemeinſchaftliche Leitung zu verbinden.
Wir müſſen hier eingeſtehen, daß heutzutage noch zu wenig praktiſche Erfahrungen
vorliegen, um dieſe Frage mit Sicherheit zu entſcheiden. Während John Perry
die Maſchinen in rieſigen Dimenſionen ausgeführt ſehen will, neigen ſich einige
deutſche Gelehrte mehr der Anſicht zu, es ſei mit der Vergrößerung der elektriſchen
Maſchinen nicht gar zu weit zu gehen, dafür ſollen aber dieſe Maſchinen in ganzen
Batterien zur Anwendung gelangen. In der Praxis ſind gegenwärtig bereits beide
Wege verſucht worden; man hat ſowohl kleinere Maſchinen gekuppelt als auch
Maſchinen von bedeutenden Dimenſionen gebaut. Zu letzteren zählen z. B. die
Maſchinen von Ediſon, Gérard, Gordon u. ſ. w.


Die Verbindung mehrerer Maſchinen in einen Stromkreis erfordert die
Beachtung gewiſſer Verhältniſſe, die wir im Nachſtehenden näher kennen lernen
wollen. Im Allgemeinen iſt jede dynamoelektriſche Maſchine einem elektriſchen
Generator mit zwei Polen vergleichbar und läßt ſich daher ſowohl auf Spannung
als auch auf Quantität verbinden. Bei allen elektriſchen Strömen, welche Arbeit
leiſten, tritt Polariſation auf, und daher entſpricht die Maximalarbeitsleiſtung einem
beſtimmten Verhältniſſe zwiſchen der elektromotoriſchen Kraft der Maſchine und der
elektromotoriſchen Kraft der Polariſation. Aus Unterſuchungen Ferrini’s erhellt,
daß das Arbeitsmaximum dann eintritt, wenn dieſes Verhältniß gleich iſt 2 : 1,
alſo wenn
oder wenn die
elektromot. Kraft der Maſchine = 2 × elektromot. Kraft der Polariſation.


Ohne auf die ſpeciellen Zahlenangaben einzugehen, möge hier nur bemerkt
werden, daß die zahlreichen Beſtimmungen, welche der öſterreichiſche Marine-Ingenieur
M. Burſtyn mit Gramme’ſchen Maſchinen verſchiedener Typen gemacht hat,
zeigten, daß alle dieſe Maſchinen bei normaler Geſchwindigkeit des Ankers eine
elektromotoriſche Kraft haben, welche den angegebenen Werth nicht nur erreicht,
[458] ſondern im Allgemeinen überſchreitet; daraus reſultirt einerſeits, daß die Gramme’ſchen
Maſchinen unter ökonomiſch günſtigen Bedingungen conſtruirt ſind und andererſeits,
daß bei Verbindung zweier Maſchinen dieſelben auf Quantität und nicht auf
Spannung zu verbinden ſind.


Dieſe Verbindung kann aber zum Auftreten ſtörender Einflüſſe Veranlaſſung
geben; Gramme war nach Burſtyn’s Angabe der Erſte, welcher ein Mittel zur
Vermeidung derſelben mittheilte. In Fig. 313 ſind zwei Maſchinen I und II
nebeneinander geſchaltet, ſchematiſch dargeſtellt. J1 und J2 ſind die Armaturen, C1
und C2 die Collectoren mit den dazugehörigen Bürſten B1 und B2, von welchen
Drähte zu den Polklemmen P1 N1 und P2 N2 führen, E1 und E2 ſind die
Drahtwindungen der Elektromagnete und endlich L ſtellt eine in den Stromkreis
beider Maſchinen geſchaltete Lampe vor. Bei a fließen die Ströme beider Maſchinen
zuſammen und gelangen dann durch die gemeinſchaftliche Leitung a c zur Lampe,
welche ſie bei d verlaſſen, um gemeinſchaftlich nach b zu fließen, von wo aus ein
Theil zur einen, der andere Theil zur andern Maſchine zurückfließt. Der Stromweg
iſt alſo folgender:

Figure 315. Fig. 313.

Verbindung zweier Maſchinen.


Es fließt demnach durch die Lampe ein Strom, welcher der elektromotoriſchen
Kraft einer Maſchine und jenem Widerſtande entſpricht, welcher in der Kabelleitung
ſammt Lampe und in den zu einer parallel geſchalteten Leitung vereinigten Draht-
windungen beider Maſchinen repräſentirt iſt.


Sind die elektromotoriſchen Kräfte beider Maſchinen gleich groß,
ſo wird immer, ſo groß auch der Widerſtand der Lampe werden mag, der Strom
beider Maſchinen ganz durch den gemeinſchaftlichen Weg (und die Lampe) fließen,
ohne daß bei a ein Theil desſelben in der einen oder andern Richtung (P1 E1 B1
oder P2 E2 B2) überträte und eine der beiden Maſchinen im entgegengeſetzten
Sinne durchflöße, als es die in ihr thätige elektromotoriſche Kraft fordert. Bei
gänzlicher Unterbrechung der Leitung in L wird — gleichgroße elektromotoriſche
Kräfte vorausgeſetzt — der Schließungskreis der Maſchinen auch bei fortgeſetztem
Betriebe derſelben ſtromlos ſein.


Sind jedoch die elektromotoriſchen Kräfte der beiden Maſchinen
nicht gleich groß
, ſo wird, wenn der Widerſtand in der Lampe über eine gewiſſe
Grenze gewachſen iſt, der Strom der ſtärkeren Maſchine bei a zum Theile in die
ſchwächere Maſchine übertreten und ihre Leitungen im entgegengeſetzten Sinne
[459] durchfließen als der von dieſer Maſchine erzeugte Strom verläuft. Vollends findet
dies ſtatt, wenn die Leitung in L z. B. durch Erlöſchen der Lampe unterbrochen
wird, die Maſchinen aber im Betriebe bleiben. Dann wird diejenige Maſchine,
welche die geringere elektromotoriſche Kraft beſitzt, von einem entgegengeſetzt gerichteten
Strome durchfloſſen werden, welcher der Differenz der elektromotoriſchen Kräfte
und dem Widerſtand im geſammten Stromkreiſe entſpricht. (1)


Bei entſprechender Kraft dieſes Differenzſtromes werden die Elektromagnete
der ſchwächeren Maſchine umpolariſirt und dadurch wird der in ihr erzeugte Strom
umgekehrt, d. h. ſo gerichtet, wie es der Strom der andern Maſchine iſt. Es
wird jetzt durch die Leitungen ein Strom fließen, welcher der Summe der elektro-
motoriſchen Kräfte beider Maſchinen entſpricht und die Maſchinen ſind jetzt eben
hintereinander geſchaltet. (2)


Bleiben ſie weiter im Betriebe, ſo iſt Gefahr für Erhitzung derſelben
vorhanden, denn ſie erſcheinen jetzt kurz geſchloſſen, und die Stromſtärke in den
eigenen Leitungen der Maſchinen wächſt zu ernormer Größe an. Die Lampenleitung
ſinkt zur Zweigleitung herab und erhält nur jenen Theil des geſammten Stromes,
welcher ſich nach den Geſetzen der Stromleitung aus dem Verhältniſſe der Widerſtände
in den beiden Stromzweigen ergiebt. Zur Erreichung der normalen Lichtſtärke
würde man die Kabel an der umpolariſirten Maſchine im Sinne der geänderten
Polarität verkehrt anlegen müſſen. Da man zwei Maſchinen von ganz gleicher
elektromotoriſcher Kraft nicht conſtruiren kann, ſo werden immer Störungen von
größerer oder geringerer Intenſität eintreten, wenn man zwei Maſchinen auf
Quantität im ſelben Stromkreiſe verbindet.


Dieſem Uebelſtande hat nun Gramme in einfacher Weiſe abgeholfen. Bei
allen Maſchinen, welche zur Schaltung auf Quantität verwendet werden ſollen,
ſind ſämmtliche Windungen der Elektromagnete mit einer Bürſte verbunden,
während die zweite Bürſte durch einen kurzen Draht mit der Polklemme in
Verbindung ſteht; von der erſterwähnten Bürſte geht überdies noch ein Draht aus,
der zur zweiten Polklemme führt. Sollen nun zwei derartige Maſchinen in einen
Stromkreis geſchaltet werden, ſo verbindet man jene Bürſten, welche mit den
Elektromagnetwindungen in Verbindung ſtehen, beziehungsweiſe die betreffenden
Polklemmen, durch einen kurzen Draht miteinander, wie dies in Fig. 313 durch
die Linie x y angedeutet iſt.


Wird bei dieſer Anordnung der Strom z. B. in der Maſchine I ſo kräftig,
daß er nach II übergehen könnte (wenn x y nicht vorhanden wäre), ſo muß er
ſich zwiſchen B1 und B2 im umgekehrten Verhältniſſe der Widerſtände in den
Zweigleitungen E1 E2 und x y vertheilen; da aber der Widerſtand der Magneti-
ſirungsſpiralen weitaus größer iſt als jener von x y, ſo wird der erſterwähnte
Zweig auch unter den ungünſtigſten Umſtänden nur von einem Strome minimaler
Stärke durchfloſſen ſein, der niemals im Stande iſt, die Polarität der Magnete
umzukehren. Die Ausgleichung der entgegengeſetzten elektromotoriſchen Kräfte wird
vielmehr in dem kurzen Drahtſtücke x y erfolgen. Dieſes iſt ſtromlos, wenn die
elektromotoriſchen Kräfte beider Maſchinen gleich groß ſind.


Nachſtehende von Burſtyn angegebene Vergleichung dieſer Verhältniſſe mit
ähnlichen in der Hydraulik möge obige Betrachtungen anſchaulicher geſtalten.


Denkt man ſich die elektriſchen Druckdifferenzen an den Bürſten der beiden
Maſchinen durch Flüſſigkeitsdruck, der conſtant erhalten wird, repräſentirt und die
Drahtleitungen durch entſprechende Röhren erſetzt, wie dies in Fig. 314 dargeſtellt
[460] iſt, wo auch eine der früheren Figur analoge Bezeichnung eingeführt erſcheint, ſo
wird ſehr leicht Folgendes klar:


So lange der hydroſtatiſche Druck in I und II gleich groß iſt, wird
Flüſſigkeit aus beiden Gefäßen mit einer dem Rohrwiderſtande entſprechenden
Geſchwindigkeit durch L abfließen, und, ſo groß auch der Widerſtand in L werden
mag, nie wird Flüſſigkeit von I nach II oder umgekehrt durch die Röhrenleitung
E1 oder E2 fließen, vorausgeſetzt natürlich, daß der Widerſtand in den Röhren
E1 und E2 nicht ſehr verſchieden iſt. Wenn die Röhre L keinen Abfluß geſtattet,
ſo hört in dieſem Falle überhaupt jede Bewegung von Flüſſigkeit im Syſteme auf.


Iſt aber z. B. in II der Druck größer als in I, ſo wird, wenn die Leitung L
geringen Widerſtand bietet, auch jetzt Flüſſigkeit aus beiden Reſervoirs, allerdings
mit verſchiedener Geſchwindigkeit, nach L fließen und dort abſtrömen, ohne daß
ein Ueberſteigen derſelben nach I eintritt. Sobald aber der Widerſtand in L ſo
groß wird, daß ein Ausgleich des Ueberdruckes nicht raſch genug erfolgen kann,
ſo muß Flüſſigkeit von II nach I durch E1 fließen. Vollends muß dies eintreten,
wenn die Röhre L keinen Abfluß geſtattet (die Leitung in der Lampe unterbrochen

Figure 316. Fig. 314.


wird). Dann findet der ganze Ausgleich auf
dem Wege E2 E1 ſtatt und es wird durch E1
Flüſſigkeit in einer dem in I thätigen Drucke
entgegengeſetzten Richtung mit einer Geſchwin-
digkeit fließen, welche der Druckdifferenz in
beiden Gefäßen entſpricht. (Vergleiche Satz 1.)
Dem Umpolariſiren der Maſchine I würde
eine Umwandlung des Druckes im Gefäße I
in einen gleich großen negativen Druck
analog ſein. In dieſem Falle wird, wenn L
keinen Abfluß geſtattet, Flüſſigkeit von I nach
II mit einer Geſchwindigkeit fließen, welche
der Summe der Drucke in I und II gleich-
kommt. (Vergleiche Satz 2.)


Werden aber beide Gefäße auch noch durch das weite Rohr x y miteinander
verbunden, ſo wird der Ausgleich der Drucke hauptſächlich auf dieſem Wege
erfolgen und die Möglichkeit gar nicht eintreten, daß Flüſſigkeit von einem Gefäße
zum andern auf dem Wege E2 E1 übergehe.


Die Nichtbeachtung der eben erläuterten Verhältniſſe hat ſich auch in der
That ſchon durch ſehr üble Reſultate bei der Ediſon’ſchen Centralbeleuchtungs-Station
in New-York gerächt. Ediſon ſelbſt ſchildert die Vorgänge in nachſtehender Weiſe:


„Als zwei der großen Dynamomaſchinen zum erſtenmale gleichzeitig den
Strom in die Hauptleitung (für etwa 2000 Lampen) ſchicken ſollten, zeigte ſich,
daß es unmöglich war, einen gleichmäßigen Gang zu erhalten, denn ſobald die
eine Maſchine weniger Umdrehungen machte als die andere, ging der ganze Strom
in die langſamer rotirende und dieſe wurde gewiſſermaßen zum Elektromotor; beim
erſten Verſuche war die Erſcheinung geradezu verblüffend und hätte leicht zu Unheil
führen können. *) Als die zweite Maſchine in Action geſetzt wurde, gab zuerſt
die eine, dann die andere blitzartige Funken und es wurde abwechſelnd die eine
[461] durch die andere getrieben. Einer der anweſenden Ingenieure ſperrte den Dampf
zu dem einen Motor ab, und trotzdem lief die Maſchine mit derſelben Geſchwindigkeit
als zuvor. Kreidebleich kam er zu mir gelaufen und fragte, was zu thun ſei. In
der nächſten Minute waren etwa 8 Pfund Kupfer durch den Strom abgeſchmolzen
und theilweiſe zu Dampf verflüchtigt. Wären die ſechs projectirten Maſchinen in
Betrieb geweſen — ich weiß nicht, was paſſirt wäre. Allein ich erkannte bald,
was die Urſache war: die ungleiche Geſchwindigkeit, mit der die Maſchinen rotirten!
Es mußten daher die Regulatoren aller Maſchinen ſo miteinander verbunden
werden, daß ſie vollſtändig gleiche Umdrehungen beſaßen. Dieſe Abänderung
erforderte jedoch zu ihrer Ausführung einen Monat, und da viele unſerer Abonnenten
kein Gas mehr brannten, ſo mußten wir, ſo gut es ging, weiter arbeiten. Die
proviſoriſche Einrichtung iſt jedoch beendet und die Vorkehrungen functioniren zur
vollen Zufriedenheit, die Schwierigkeiten ſind jetzt überwunden.“


Wir ſchließen hiermit unſere Betrachtungen über die elektriſchen Maſchinen,
ohne von ihnen vollkommen Abſchied zu nehmen, da die ſpeciellen Anwendungen der
Maſchinenſtröme noch manchen Nachtrag an der betreffenden Stelle erfordern werden.


4. Die galvaniſchen Batterien, Secundär-Elemente und
Chermoſäulen.


Dem bisherigen Gange unſerer Betrachtungen treu bleibend, hätten wir nun
zunächſt einen Rückblick auf die Geſchichte der Batterien zu werfen. Wir können
jedoch an dieſer Stelle hiervon abſehen, weil ſie als untrennbar von der Geſchichte
der Elektricität und des Magnetismus ſchon in dieſem Abſchnitte behandelt werden
mußte. Ferner ſind auch die älteren Elemente bereits in der Lehre vom galvaniſchen
Strome in den Kreis unſerer Betrachtungen einbezogen worden und ebenſo die
wichtigſten Typen der gegenwärtig in Gebrauch ſtehenden Elemente, da eben ohne
Kenntniß derſelben die Fortſetzung des theoretiſchen Theiles im vorliegenden Werke
unmöglich geworden wäre. Da aber in Rückſicht auf dieſen Umſtand eben nur
einige wenige Elemente beſchrieben wurden, und zwar ohne Beziehung auf in
großem Maßſtabe praktiſch verwendbare Conſtructionen, ſo enthebt uns dies nicht
davon, bei Beſchreibung der Elektricitäts-Generatoren für induſtrielle Zwecke auch
den galvaniſchen Batterien unſere volle Aufmerkſamkeit zu ſchenken. Dasſelbe gilt
von den Thermoſäulen.


Hingegen wollen wir nicht ermangeln, den Secundär-Elementen, die erſt
in jüngſter Zeit eine Ausbildung erhielten, welche an praktiſche Verwendbarkeit
denken läßt, an entſprechender Stelle auch einige Zeilen über die hiſtoriſche Ent-
wicklung zu widmen.


Wenden wir uns nun zunächſt den galvaniſchen Batterien zu. Man
nennt, ſagt Cazin in ſeinem bekannten Werke über elektriſche Batterien, hydro-
elektriſche Säule einen Apparat, zuſammengeſetzt aus feſten und flüſſigen Theilen,
welche Elektricität erzeugend Gelegenheit zu chemiſchen Verbindungen geben. Wir
wollen auch bei der Eintheilung der Elemente in Claſſen dieſem Autor folgen,
nicht weil er oder wir ſeine Eintheilung für die vom wiſſenſchaftlichen Standpunkte
aus beſte halten, ſondern weil die nachſtehend angegebenen Claſſen eine bequeme
und überſichtliche Gruppirung zulaſſen.


Wir unterſcheiden demnach zunächſt zwei große Gruppen, deren erſte jene
Säulen umfaßt, bei welchen nur eine Flüſſigkeit zur Anwendung gelangt, deren
[462] zweite alle Säulen mit zwei voneinander getrennten Flüſſigkeiten in ſich ſchließt.
Jede dieſer Hauptgruppen zerfällt dann wieder in zwei Unterabtheilungen. Die
eine der letzteren vereinigt alle Elemente mit Polariſation, die andere alle jene,
bei welchen die Polariſation ganz vermieden oder doch bis zu einem für die Praxis
unerheblichen Grade vermindert iſt. Sonach unterſcheiden wir: 1. Elemente mit
einer Flüſſigkeit und Polariſation, 2. Elemente mit einer Flüſſigkeit und ohne
Polariſation, 3. Elemente mit zwei Flüſſigkeiten und Polariſation und endlich
4. Elemente mit zwei Flüſſigkeiten ohne Polariſation.


Elemente mit einer Flüſſigkeit und Polariſation.

In dieſer Gruppe haben wir an erſter Stelle das Volta-Element zu
nennen. Wie wir bereits wiſſen, beſteht dasſelbe aus einer Kupfer- und einer
Zinkplatte, welche ohne ſich zu berühren in Salzwaſſer oder angeſäuertes Waſſer
eingetaucht werden. (Siehe Seite 176 u. f.) Zum Anſäuern des Waſſers bedient
man ſich gewöhnlich der Schwefelſäure, die mit dem 16fachen Volumen Waſſer
verdünnt wird. Der chemiſche Vorgang, welcher ſich in der Säule abſpielt, iſt
folgender: Das Zink zerſetzt in Gegenwart der Schwefelſäure das Waſſer in ſeine
beiden Beſtandtheile, Waſſerſtoff und Sauerſtoff, und verbindet ſich mit letzteren
zu Zinkoxyd, welches ſich mit der Schwefelſäure zu ſchwefelſaurem Zink (Zinkvitriol)
vereinigt. Das Waſſerſtoffgas entweicht und die Kupferplatte nimmt keinen nennens-
werthen Antheil an dem chemiſchen Proceſſe. An der citirten Stelle wurde auch
bereits mitgetheilt, daß zu gleicher Zeit, als ſich die chemiſchen Vorgänge abſpielen,
am Zink negative und am Kupfer poſitive Elektricität nachweiſen läßt.


Aus den chemiſchen Vorgängen erſehen wir, daß bei dem Volta-Element
Polariſation eintreten, d. h. eine elektromotoriſche Kraft entſtehen muß, welche
der elektromotoriſchen Kraft des Elementes entgegenwirkt. Es wird nämlich die
Flüſſigkeit, welche urſprünglich aus verdünnter Schwefelſäure beſtand, mit Zink-
vitriol vermiſcht oder durch dieſes ganz erſetzt, ferner das Kupfer mit Waſſerſtoff-
gas bedeckt und endlich auch Zink am Kupfer niedergeſchlagen. Das Element giebt
daher keinen conſtanten, ſondern einen raſch abnehmenden Strom und iſt deshalb
für praktiſche Anwendungen nicht geeignet.


Die Beſchreibung des Volta-Elementes in Form des Becherapparates, der
Säule, des Trogapparates (nach Cruikshank) in Form einer Spirale (Hare’s
Calorimotor) und endlich mit Anwendung getrennter Gefäße (Wollaſton) wurde
bereits gegeben. Die verſchiedenen Anordnungen, welche das Volta-Element erhalten
hat, ſind hiermit noch nicht erſchöpft, doch würde es wenig Nutzen bringen, ſie
alle aufzuzählen. Wir wollen daher nur einer noch gedenken, die in Deutſchland,
England und Frankreich einige Verbreitung gefunden hat und zu Heilzwecken dienen
ſoll. Es iſt dies


Pulvermacher’s Kette, welche Fig. 315 darſtellt. Jedes Element dieſer
Kette iſt aus einem Holzſtäbchen gebildet, um welches ein Kupfer- und ein Zink-
draht voneinander iſolirt gewunden ſind. Um ein Berühren beider Drähte
hintanzuhalten, ſind ſie in entſprechende Einkerbungen des Holzſtäbchens gelegt. Die
vier Drahtenden jedes Stäbchens ſind voneinander gebogen und öſenförmig geformt.
Mittelſt dieſer Oeſen ſind die Zinkdrähte eines Stäbchens mit den Kupferenden
des darauf folgenden Stäbchens und die Kupferenden des einen Stäbchens mit
den Zinkenden des vorhergehenden Stäbchens verbunden. Eine größere Anzahl
[463] dieſer Stäbchen oder Elemente wird zu einer Batterie in Form eines biegſamen
Gürtels angeordnet.


Als Erregungsflüſſigkeit benützt man Eſſig. Der Gürtel wird in dieſem
eingeweicht, wobei das Holz die Eſſigſäure aufnimmt. Die Kette bleibt daher auch
dann noch wirkſam, wenn ſie aus dem Eſſig herausgenommen wird.


Erſetzt man das Zink durch Magneſium, ſo wird der Strom bedeutend
verſtärkt und es genügt dann zur Erregung desſelben ein Befeuchten mit Waſſer.


Das Beſtreben, die Voltaſäule zu verbeſſern und ihren Betrieb billiger zu
geſtalten, führte zu mannigfachen Abänderungen, von welchen wir die wichtigſten
kennen lernen wollen. Ein weſentlicher Fortſchritt wurde gemacht, als man das
gewöhnliche Zink durch amalgamirtes Zink erſetzte. Schon Kemp kannte die
Eigenſchaft des amalgamirten Zinkes, an und für ſich angeſäuertes Waſſer nicht
zu zerſetzen (1828). Jedoch ſcheint erſt Sturgeon (1830) hiervon praktiſchen
Gebrauch gemacht zu haben.


Chemiſch reines Zink allein in angeſäuertes Waſſer eingetaucht, zerſetzt dasſelbe
allerdings auch nicht; die Reindarſtellung verurſacht jedoch zu hohe Koſten, als
daß an die Anwendung voll-
kommen reinen Zinkes zur Her-
ſtellung von Batterien gedacht
werden könnte. Das geb räuchliche
Zink iſt verunreinigt durch Bei-
mengungen anderer Metalle und
dies bewirkt eben, daß die
fremden Metalltheilchen mit den
benachbarten Zinktheilchen kleine
Elemente bilden, ſobald das Zink-
ſtück in angeſäuertes Waſſer ge-
taucht wird. Es findet daher
eine Waſſerzerſetzung, beziehungs-
weiſe Löſung des Zinkes auch

Figure 317. Fig. 315.

Pulvermacher’s Kette.


dann ſtatt, wenn das Volta-Element nicht geſchloſſen iſt, alſo ein Zinkverbrauch
während einer Zeit, in welcher die Batterie unbenützt ſteht. Daß die Auflöſung
des Zinkes Folge der Bildung kleiner galvaniſcher Elemente in der Zinkplatte iſt,
erhellt aus dem bereits angegebenen Verhalten des chemiſch reinen Zinkes.


Dasſelbe Verhalten wie das reine Zink zeigt auch das amalgamirte. *) Die
Anwendung des letzteren iſt daher ein Fortſchritt, denn hierbei geht Zink nur dann
in Löſung, wenn das Element geſchloſſen iſt, d. h. wenn man den Strom benützt,
während bei Außergebrauchſetzung der Batterie die Zinkauflöſung hintangehalten iſt.


Um die Polariſation zu vermeiden oder doch wenigſtens nach Möglichkeit zu
vermindern, wurden an Stelle der verdünnten Schwefelſäure andere Flüſſigkeiten
oder Zuſätze vorgeſchlagen. So kann die Polariſation bei Anwendung nicht
amalgamirter Zinkplatten durch Zuſatz einiger Tropfen Salpeterſäure vermindert
werden. Der Waſſerſtoff reducirt nämlich die letztere zu Ammoniak, indem er ſich
mit dem Stickſtoff der Salpeterſäure verbindet. Es entſtehen dann in der Erregungs-
flüſſigkeit ſalpeterſaures und ſchwefelſaures Ammon, deren Beimiſchung den Widerſtand
und die elektromotoriſche Kraft nur unbedeutend ändert.


[464]

Zur Vermeidung der Polariſation wurde auch Kupfervitriollöſung (Kupfer-
ſulfat) als Erregungsflüſſigkeit vorgeſchlagen. Bei Anwendung dieſer bilden ſich
aber Kupferniederſchläge auf der Zinkplatte und verringern ſo deren wirkſame
Fläche. Ueberdies bilden dann die Kupferpartien mit dem Zinke Elemente, welche
auch bei geöffneter Kette das Zink in Löſung bringen.


Durch die Anwendung von Chromſäure als Erregungsflüſſigkeit wird
allerdings die elektromotoriſche Kraft erhöht und auch die Polariſation vermindert,
da durch den Sauerſtoff der Säure der aus dem Waſſer abgeſchiedene Waſſerſtoff
gebunden wird. Hingegen iſt die völlige Beſeitigung der Polariſation hiermit nicht zu
erreichen und überdies der Koſtenpreis der Chromſäure ein zu hoher.


Fechner (1831) ſchlug vor, die Kupferplatte auf jener Seite, welche im
Elemente gegen die Zinkplatte gewandt iſt, mit Schwefelkupfer oder mit Kupfer-
chlorür zu überziehen. Bei Anwendung einer derartigen Platte löſt ſich nach und
nach der erwähnte Ueberzug und läßt eine rauhe Kupferfläche zurück, deren Rauhheit
noch dadurch vermehrt wird, daß ſich ſpäter auch noch das Kupfer der in Löſung
befindlichen Kupferverbindung auf der Platte niederſchlägt. Die Unebenheiten der
Platte erleichtern dann das Ablöſen der Waſſerſtoffbläschen und vermindern in
dieſer Weiſe die Polariſation.


Desſelben Kunſtgriffes bediente ſich auch Bagration (1844). Sein Element
beſteht aus einem mit Erde gefüllten Blumentopfe, in welchen Salmiaklöſung
hineingebracht wird, ſo daß die Erde ſich mit dieſer tränkt. Dann ſteckt man eine
Zinkplatte und eine nach der Angabe von Fechner präparirte Kupferplatte hinein.
Dieſe Säule giebt zwar einen hinlänglich conſtanten, aber ſchwachen Strom. Die
bedeutende Verminderung der Polariſation wird durch die Ammoniakverbindungen
einerſeits und das Abſorptionsvermögen der Erde andererſeits bewirkt.


Hieran reihen ſich die verſchiedenen Sandbatterien, welche den Vortheil
bieten, daß ſie leicht transportabel ſind, was z. B. für militäriſche Zwecke (Feld-
telegraphie) wünſchenswerth ſein kann. Eine derartige Säule wurde z. B. von
Cooke conſtruirt und ſtand in England eine Zeit lang in Verwendung. Die einen
Trog bildenden Zellen ſind mit Sand gefüllt, der mit der Erregungsflüſſigkeit
(verdünnter Schwefelſäure) getränkt iſt. In dieſen ſind dann die Kupfer- und
Zinkplatten eingeſetzt.


Brett und Little ließen bei ähnlicher Anordnung angeſäuertes Waſſer
Tropfen für Tropfen durch den Sand ſickern und ſuchten in dieſer Weiſe die
Polariſation hintanzuhalten.


Einen ziemlich andauernden und conſtanten Strom giebt das Element von
Blanc-Filipo. Der Boden eines Gefäßes von der Form der Pulvergläſer wird
mit einer Schicht Schwefelpulver bedeckt und der übrige Raum des Glaſes bis
nahe an den Hals mit Kochſalzlöſung gefüllt. In letztere taucht, an einem Kupfer-
drahte befeſtigt, ein kurzer Zinkcylinder, den negativen Pol bildend. Den poſitiven
Pol ſtellt ein verkupferter Bleiſtab dar, deſſen unteres Ende in das Schwefelpulver
taucht, während er oberhalb des letzteren mit einer iſolirenden Subſtanz überzogen
iſt. Das Reſultat der chemiſchen Vorgänge, welche ſich in dieſem Elemente abſpielen,
iſt die Bildung von Waſſerſtoff, Zinkoxyd und Schwefelzink.


Eine andere Richtung, welche man bei der Verbeſſerung des Volta-Elementes
einſchlug, war die, das theure Kupfer durch ein billigeres Material zu erſetzen.
Hiefür wurde die Kohle auserſehen, obwohl durch dieſe der Widerſtand des
Elementes erhöht wird. Eine Kohle, welche verhältnißmäßig gute Leitungsfähigkeit
[465] beſitzt, iſt die Gas- oder Retortenkohle, d. h. jene Kohle, welche ſich bei der
Bereitung des Leuchtgaſes an der Innenwand der Retorten abſetzt. Dieſe ſehr
harte Kohle wird dann in die Form von Platten, Cylindern oder Prismen gebracht
und zu den Batterien verwendet. An Stelle dieſer Kohle bedient man ſich häufig
einer künſtlich aus Kohlenpulver dargeſtellten Kohle, die gleichfalls einen verhält-
nißmäßig geringen Widerſtand dem Durchgange eines Stromes entgegenſetzt.


Der Hauptvortheil der Anwendung von Kohle liegt darin, daß die Polariſation
vermindert wird, indem Waſſerſtoff und Zinkſalz ſich nicht ſo leicht an der Kohle
abſcheiden. Prinz M. v. Leuchtenberg bediente ſich eines Elementes aus Eiſen
und Kohle, welche beide in mit Schwefelſäure angeſäuertes Waſſer getaucht wurden,
zur Vergoldung (1845).


Stöhrer bildete ſein Element aus unamalgamirtem Zink und Kohle (1849).
Ein Steinzeuggefäß wird mit Kohlenſtücken gefüllt und ein Theil derſelben mit
Kupferdraht umwunden, um ſo die eine poſitive Elektrode zu bilden. In die Mitte
des Gefäßes wird von Kohlenſtücken umgeben ein Spritzenſchlauch oder eine poröſe
Zelle eingeſetzt, welche das Zink aufnimmt. Der übrige Raum der Zelle iſt durch
Sand ausgefüllt, welcher mit Alaunlöſung als Erregungsflüſſigkeit getränkt wird.


Beim Gebrauche der Säule ſinkt zwar die Stromſtärke ſehr raſch, erhält
aber in kurzer Zeit wieder ihre anfängliche Höhe, wenn der Stromkreis vorüber-
gehend unterbrochen wird.


Gute Reſultate erhielt Helm (in Mühlhauſen) mit ſeiner Säule, die aus
Cylindern von Kohle und Zink beſteht. Als Erregungsflüſſigkeit dient hierbei
Alaunlöſung mit einem Zuſatze von Chlornatrium; letzterer erhöht die Leitungs-
fähigkeit der Flüſſigkeit. 16 ſolcher Elemente wurden z. B. zum Betriebe von
20 elektriſchen Uhren verwendet, wobei, um die Wirkungsweiſe gleichförmig zu
erhalten, in jeder Woche zwei Elemente friſche Füllung erhielten. Da in jeder
Minute zwei Stromſchließungen in der Dauer von zwei Secunden erfolgen, iſt
dieſe Leiſtung der Batterie zufriedenſtellend. Bei anderweitiger Anwendung dieſer
Elemente, z. B. in der Feuerwehrtelegraphie, braucht die Erneuerung nur alle zwei
Jahre einmal zu erfolgen.


Fabre de Lagrange ſuchte die Polariſation durch Bewegen der Flüſſigkeit
zu vermeiden. In ein Steingutgefäß iſt der Zinkcylinder eingeſetzt, welcher ein
Diaphragma umgiebt. In dieſem ſteht eine Kohlenplatte, während der übrige Raum
des poröſen Gefäßes mit Kohlenſtücken ausgefüllt wird. Die Erregungsflüſſigkeit,
verdünnte Schwefelſäure, fällt tropfenweiſe in das Gefäß, welches bis zur Höhe
des Diaphragmas damit gefüllt wird, ſickert durch die Kohlenſtücke und fließt durch
ein vom Boden des Diaphragmas ausgehendes und den Boden des äußeren
Gefäßes durchſetzendes Rohr ab. Die Batterie giebt gute Reſultate, iſt aber wegen
ihrer complicirten Anordnung unpraktiſch.


Das Walker-Element iſt aus Zink und Retortenkohle gebildet, welch’
letztere in mit verdünnter Schwefelſäure getränktem Sande ſteckt. Dieſe Säule
erhielt eine weſentliche Verbeſſerung dadurch, daß die Kohle mit einem Platin-
überzuge verſehen wurde (1857). Nach Niaudet ſollen im Jahre 1875 beiläufig
9000 ſolcher Elemente in Verwendung geſtanden ſein. Um die Amalgamirung des
Zinkes ſtets gut zu erhalten, iſt letzteres in ein Schälchen aus Guttapercha geſtellt,
welches Queckſilber enthält.


Das Element koſtet beiläufig 1 Gulden (ö. W.) und erfordert zu ſeiner
Inſtandhaltung, die Entlohnung der Aufſeher mit einbezogen, jährlich etwa 56 kr.
Urbanitzky: Elektricität. 30
[466] Hierbei bedarf es bei einem zwölf- bis ſiebzehnmonatlichem Betriebe keiner
beſonderen Wartung. Die elektromotoriſche Kraft kommt anfänglich gleich jener eines
Smee-Elementes, ſinkt aber dann wie bei dieſem auf die Hälfte; der Widerſtand iſt
gleich 1 Ohm.


Es wurde auch wiederholt verſucht, das Kupfer durch Eiſen zu erſetzen, was
den Vortheil gewährt, daß hierdurch nicht nur der Koſtenpreis, ſondern auch die
Polariſation herabgemindert wird. Hingegen iſt es nicht immer ganz leicht, die
Bedingung zu erfüllen, daß die Erregungsflüſſigkeit auf das Zink chemiſch einwirkt,
das Eiſen aber unverändert bleibt.


Sturgeon bedient ſich gußeiſerner Töpfe von 25 Centimeter Höhe und
acht Centimeter Durchmeſſer, welche mit Schwefelſäure angeſäuertes Waſſer enthalten.
In dieſes taucht der amalgamirte Zinkcylinder. Münnich verwendet amalgamirte
Eiſenplatten und erhält dadurch ein Element, deſſen elektromotoriſche Kraft der des
Smee-Elementes nahekommt.


Die Polariſation kann auch in der Weiſe vermindert werden, daß man
durch mechaniſche Mittel das Anſetzen von Waſſerſtoff an der Elektrode verhindert.
Dies bewirkt man in der Weiſe, daß der Elektrode eine rauhe Oberfläche gegeben
wird oder daß man die Elektrode fortwährend in Bewegung erhält. Der zuerſt
angegebene Weg wurde von Poggendorff, Walker, Smee, Tyer u. A. ein-
geſchlagen, letzteren betrat Maiſtre.


Poggendorff giebt, um das Kupfer auf ſeiner Oberfläche rauh zu machen,
folgende Mittel an: Erhitzen desſelben an freier Luft ſo lange, bis die zuerſt
auftretenden Farben verſchwunden ſind; Eintauchen in Salpeterſäure und darauf
folgendes Abſpülen mit Waſſer; Niederſchlagen von Kupfer auf elektrolytiſchem Wege.


In welcher Weiſe Smee das Anſetzen von Waſſerſtoff an der Elektrode
verhindert, haben wir bereits aus der Beſchreibung dieſes Elementes auf Seite 185
erfahren. Man bediente ſich dieſes Elementes früher häufig im öſterreichiſchen
Telegraphendienſte für Localbatterien. Wichtig für eine gute Function ſind ſorg-
fältig amalgamirte Zinkplatten und hinlänglich hohe Glasgefäße, damit ſich die
Zinkvitriollöſung zu Boden ſenken kann und außer Berührung mit der Silberplatte
kommt. Die Berührung der Silberplatte mit der Zinkvitriollöſung bewirkt nämlich
Ausſcheidung von Zink auf der erſteren.


Das früher beſchriebene Element von Walker kann auch als ein modificirtes
Smee-Element aufgefaßt werden, indem man ſich in dieſem die platinirte Silber-
platte durch eine platinirte Kohlenplatte erſetzt denkt.


Gleichfalls als eine Modification des Smee-Elementes iſt das von Cyer
angegebene Element zu betrachten. In ein rundes Glas- oder Thongefäß, Fig. 316,
werden Zinkſtücke und ſo viel [Queckſilber] gegeben, daß der Boden bedeckt iſt und
das Queckſilber ſämmtliche Zinkſtücke untereinander verbindet. Von oben herab
hängt an einer mit ihren Enden auf den Rändern des Gefäßes aufruhenden Blei-
faſſung eine platinirte [Silberplatte]. Als erregende Flüſſigkeit dient verdünnte Schwefel-
ſäure (1 Theil Schwefelſäure auf 20 Theile Waſſer).


Die einzelnen Elemente werden in folgender Weiſe zu Batterien vereinigt:
Die Bleifaſſung jedes Elementes iſt in der Mitte mit einer Klemmſchraube verſehen
zur Aufnahme eines rechtwinkelig abgebogenen Kupferdrahtes, deſſen verticaler Theil
an ſeinem unteren Ende eine Zinkkugel trägt. Man taucht nun die Zinkkugel jedes
Elementes in das Queckſilber, beziehungsweiſe Zinkamalgam jedes nachfolgenden
Elementes.


[467]

Das Element bietet den nicht zu unterſchätzenden Vortheil, daß es die
Verwendung von Zinkbruchſtücken beliebiger Form geſtattet und daher auch erlaubt,
das Zink bis auf das letzte Stück auszunützen; ferner wird durch die beſchriebene
Anordnung eine äußerſt vollkommene Amalgamirung des Zinkes erreicht, wodurch
dieſes vor Auflöſung vollkommen geſchützt iſt, wenn der Stromkreis unterbrochen
wird, man alſo des Elementes nicht bedarf. Auch erfordert die Batterie, einmal
zuſammengeſtellt, jahrelang keinerlei Wartung, ſondern kann in einem gut ver-
ſchloſſenen Kaſten unberührt ſtehen bleiben. Sie bringt jedoch den Nachtheil mit
ſich, daß ſie in Folge des großen Queckſilberbedarfes nicht ſehr ökonomiſch iſt;
namentlich ſind beim Demontiren und Wiederaufſtellen einer ſolchen Batterie
Queckſilberverluſte kaum zu vermeiden. Im engliſchen Eiſenbahndienſte ſtehen dieſe
Elemente zu mehreren Tauſenden in Verwendung.


Das Tyer-Element wurde von Baron Ebner dahin abgeändert, daß eine
platinirte Bleiplatte an die Stelle der platinirten Silberplatte trat. Hierdurch wurde
allerdings der Preis bedeutend erniedrigt, aber auch die elektromotoriſche Kraft
etwas verringert. Hingegen läßt
ſich der Platinmoorüberzug auf der
Bleiplatte leichter und vollkommener
herſtellen als auf der Silberplatte.


Ebner ließ ſein Element auch
in Form des Smee-Elementes aus-
führen und wie dieſes in verſchie-
dener Anzahl zu einer Batterie zu-
ſammenſtellen, welche eine ähnliche
Geſtalt erhielt, wie die auf Seite 186
abgebildete Smee-Batterie.


Die zweite Methode, um auf
mechaniſche Art das Anſetzen von
Waſſerſtoff zu vermeiden, beſteht in
der ſteten Bewegung der Elektrode;
dieſe Methode wurde, wie oben

Figure 318. Fig. 316.

Tyer-Element.


angegeben, von Maiſtre benützt. Maiſtre ſtellt in einen hölzernen Trog zehn flache
Glas- oder Thongefäße eng nebeneinander, füllt ſie mit verdünnter Salpeter-
ſäure (1 zu 10) und ſetzt in jedes Gefäß cylindriſch gebogene Eiſenplatten ein. Quer
über ſämmtliche Gefäße läuft eine eiſerne mit Ebonit überzogene Axe, auf welcher
voneinander durch Porzellanſtücke iſolirte Kupfer- oder Kohlenſcheiben ſo aufgeſetzt
ſind, daß in jedes der Gefäße eine Scheibe zum Theile eintaucht.


Zur Ableitung des Stromes dienen Kupferſtreifen, welche auf dem Umfange
je einer Scheibe ſchleifen. Beim Gebrauche der Batterie ſetzt man die Axe mit
den Scheiben durch die Hand oder ein Uhrwerk in Bewegung. Auf dieſe Weiſe
werden die Scheiben im ſelben Maße, als ſie ſich mit Waſſerſtoff beladen, aus
der Flüſſigkeit herausgedreht und geben ihren Waſſerſtoff an die Luft ab. Dadurch
wird der Strom der Säule ein ziemlich conſtanter und ſeine Intenſität ſoll nach
Mittheilung Maiſtre’s größer ſein als die des Daniell-Elementes.


Elemente mit einer Flüſſigkeit ohne Polariſation.

Wenn man bei Elementen mit einer Flüſſigkeit den Waſſerſtoff ſich entwickeln
läßt, gelingt es nicht, die Polariſation zu beſeitigen; man erreicht durch die
30*
[468] verſchiedenen Mittel, welche angewandt werden, um den Waſſerſtoff von der
Elektrode wegzuſchaffen, nur eine Verminderung der Polariſation. Beſſere Reſultate
erhält man jedoch in der Weiſe, daß man die Entwicklung des Waſſerſtoffes
verhindert, indem man dafür ſorgt, daß er im Augenblicke des Freiwerdens ſofort
chemiſch gebunden wird. Je vollkommener dieſe Bindung gelingt, deſto vollkommener
iſt auch die Polariſation beſeitigt. Als Bindemittel für den Waſſerſtoff können
ſowohl feſte als auch flüſſige Subſtanzen zur Anwendung gelangen.


Von den feſten, unlöslichen Körpern, welche man zur Vermeidung der
Polariſation anwandte, ſind zuerſt die Blei- und Queckſilberſalze zu nennen.


M. Becquerel conſtruirte (1846) eine Säule unter Anwendung von
Bleiſulfat in nachſtehender Form: In einem mit Kochſalzlöſung gefüllten Diaphragma
aus Segeltuch ſteckt die Zinkplatte, und das Ganze iſt in ein Gefäß eingeſenkt,
welches geſättigte Kochſalzlöſung enthält; in letzterer iſt das nahezu unlösliche
Bleiſulfat ſuspendirt. Als poſitive Elektrode dient eine Platte aus Kohle, Kupfer,
Blei oder Eiſen. Die Polariſation wird bei dieſer Säule dadurch beſeitigt, daß
ſich das Bleiſulfat des Waſſerſtoffes bemächtigt. Der Strom iſt hinlänglich conſtant,
ſo lange die Säule mit nicht zu geringem äußeren Widerſtande arbeitet. Wird
dieſer jedoch zu gering, ſo kann das Bleiſulfat den hierbei ſchneller ſich entwickelnden
Waſſerſtoff nicht mehr raſch und vollkommen genug aufnehmen.


Die Säule iſt an und für ſich allerdings billig, aber da ihre elektromotoriſche
Kraft eine ſehr geringe iſt, wird dieſer Vortheil illuſoriſch, da man einer größeren
Anzahl von Elementen bedarf.


Mit Beibehaltung der einzelnen Beſtandtheile baute Marié Davy eine
Säule, die in der Form an die Volta-Batterie in Säulenform erinnert. Doch erlangte
auch dieſe Batterie keine praktiſche Bedeutung.


De la Rive war der erſte, welcher die Anwendung von Bleiſuperoxyd zur
Vermeidung der Polariſation vorſchlug (1843). In ein poröſes Gefäß wird eine
dünne Platinplatte eingeſetzt und der übrige Raum des erſteren mit Bleiſuperoxyd
ausgefüllt. Das äußere Gefäß enthält wie gewöhnlich einen amalgamirten Zink-
cylinder in verdünnter Schwefelſäure.


Durch Warren de la Rue und Müller wurde (1868) ein ſchon von
Marié Davy (1860) angegebenes Element in eine zweckmäßige und entſprechende
Geſtalt gebracht, wobei die Depolariſirung durch Chlorſilber bewirkt wird.


In der urſprünglichen Form beſtand das Element aus einem unamalgamirten
Zinkſtabe und einem mit Chlorſilber umgebenen Silberdrahte, welche beide in eine
Kochſalzlöſung tauchten. Das Chlorſilber wurde hierbei zu Silber reducirt, während
gleichzeitig Chlorzink entſtand. Hierbei ſcheidet ſich das Silber in poröſer, ſchwammiger
Form ab, ſo daß die Flüſſigkeit dasſelbe leicht durchdringen, daher auch die
Reduction bis zur Axe des Chlorſilbercylinders fortſchreiten kann. Das Element
bleibt in Folge deſſen ſo lange wirkſam, bis das ganze Chlorſilber reducirt iſt.


Dieſe Form der Säule wurde jedoch nicht beibehalten; ſie erhielt vielmehr
nachſtehende Anordnung: Das äußere Gefäß hat die Form eines Probegläschens,
iſt drei Centimeter weit und 13 Centimeter hoch und wird mit Ammoniaklöſung
gefüllt. In dieſelbe tauchen ein unamalgamirter Zinkſtab und ein Cylinder aus
Chlorſilber, der mit Pergamentpapier umhüllt iſt. Der in das Chlorſilber ein-
geſchmolzene Silberſtreifen geht mehrfach durch die Pergamenthülle, um einerſeits
dieſe feſtzuhalten, andererſeits um den Anfang der Thätigkeit des Elementes zu
erleichtern. Das Glas iſt oben durch einen Paraffinſtöpſel geſchloſſen, in deſſen
[469] Mitte der Zinkſtab durchgeſteckt wird. Das Silberband wird zwiſchen dem Glasrande
und dem Stöpſel herausgeführt. Die Anwendung von Paraffin zum Verſchluſſe
des Elementes iſt zweckmäßig, weil das Paraffin nicht nur ein guter Iſolator iſt,
ſondern auch keine Feuchtigkeit annimmt und bei niederer Temperatur ſchmilzt, ſo
daß Sprünge oder kleine Oeffnungen leicht mit einem warmen Metallſpatel
geſchloſſen werden können.


Die Elemente werden hintereinander verbunden, indem man den Silberſtreifen
eines Elementes in eine Bohrung des Zinkſtabes eines folgenden Elementes hineinſteckt
und dort durch Hineindrücken eines keilförmigen Stiftes feſtklemmt.


Durch die Anwendung der Ammoniaklöſung wird die Auflöſung des Zinkes
während der Zeit, als die Säule außer Gebrauch ſteht, hintangehalten. Dies iſt
namentlich dann werthvoll, wenn die Batterie nicht ſtändig, ſondern nur zeitweiſe
benützt wird.


Die Stärke des Stromes iſt anfänglich, wenn das neue Element in Gebrauch
geſetzt wird, ziemlich gering und ſteigt erſt während der Verwendung, wobei ſie
jedoch in kurzer Zeit ihre nor-
male Stärke annimmt und dieſe
dann nahezu unverändert bei-
behält. Die Urſache dieſer Er-
ſcheinung liegt in der Conſtruc-
tion des Elementes. Wird näm-
lich letzteres zum erſtenmale in
Verwendung genommen, ſo iſt
die Oberfläche der Silberelektrode
ſehr klein, da ſie eben nur aus
den durch das Pergamentpapier
durchgeſteckten Stücken des Silber-
bandes beſteht; nach kurzem Ge-
brauche tritt jedoch das inzwiſchen
aus dem Chlorſilber reducirte
Silber hinzu und bildet die für
das Element paſſende Silber-

Figure 319. Fig. 317.

Elemente von Warren de la Rue.


oberfläche. Nachſtehende von Warren de la Rue berührende Beobachtungsreihe
läßt dieſes Verhalten deutlich erkennen.


Seine Säule entwickelte im Voltameter


  • am 29. Juni 1875 per Minute 1 Kubikcentimeter Gas
  • „ 4. Juli „ „ „ 1·4 „ „
  • „ 27. Octob. „ „ „ 1·4 „ „
  • „ 15. März 1876 „ „ 1·45 „ „
  • „ 8. April „ „ „ 1·41 „ „

Warren de la Rue ſtellte ſich ſehr große Batterien aus dieſen Elementen
zuſammen, indem er ſtets je zehn Elemente in eine Platte aus Hartgummi ſteckte,
wie dies Fig. 317 zeigt, und dann daraus Gruppen aus je 200 Elementen
bildete. Er benützte ſchließlich bei ſeinen Verſuchen eine Batterie von 11.000
Elementen. In Folge dieſer großen Anzahl von Elementen und der ſorgfältigen
Iſolirung entwickelte die Batterie eine ſolche Spannung, daß zwiſchen beiden
Polenden ein fortwährendes Funkenüberſchlagen, wie es eine Reibungselektriſir-
maſchine zeigt, erhalten werden konnte.


[470]

Die elektromotoriſche Kraft eines Chlorſilberelementes beträgt bei der älteren
Form (mit Kochſalzlöſung) 0·97, bei der zuletzt angegebenen Anordnung (mit
Ammoniakſalz) 1·03 eines Daniell-Elementes und der Widerſtand iſt gleich 4·2 Ohms.


Wie Du Moncel angiebt, ſollen die Elemente ſelbſt einen 24ſtündigen
kurzen Schluß ganz gut vertragen, was gewiß eine bemerkenswerthe Leiſtung iſt.


Unbekannt mit den Arbeiten von Warren de la Rue, beſchäftigte ſich auch
Pincus mit der Zuſammenſtellung einer Chlorſilberbatterie; er bezweckte damit,
für mediciniſche Zwecke brauchbare Elemente zu ſchaffen. Ein mit Chlorſilber
ausgegoſſener Silbertiegel erſetzte bei ſeiner Säule den mit Pergamentpapier umhüllten
Chlorſilbercylinder der Säule von Warren de la Rue.


Gaiffe verfertigt das Gefäß ſeiner kleinen, gleichfalls für mediciniſche Zwecke
beſtimmten Elemente aus Ebonit und verſchließt ſie durch einen aufgeſchraubten
Deckel vollkommen waſſerdicht (Fig. 318). Die beiden Elektroden ſind durch Schrauben-
muttern am Deckel befeſtigt und beſtehen aus einem Zinkſtabe und geſchmolzenem

Figure 320. Fig. 318.

Gaiffe-Element.


Chlorſilber. Letzteres, die negative Elektrode bildend, befindet ſich
in einem Kupfergefäße, welches mit Leinwand umhüllt iſt. Die
gegenſeitige Lage beider Elektroden wird durch zwiſchengeſteckte Kaut-
ſchuckſtücke r und Gummibänder J K erhalten. Das Element darf
nicht geſtürzt werden, weil ſonſt durch Benetzung des Deckels ein
kurzer Schluß entſteht.


Gaiffe half dieſem Uebelſtande ſpäter dadurch ab, daß er
anſtatt der Flüſſigkeit einige Lagen von Filtrirpapier zwiſchen beide
Elektroden brachte und erſteres mit Zinkchloridlöſung befeuchtete.


Von den feſten Körpern, welche man zur Verhinderung der
Polariſation anwendet, iſt das Manganhyperoxyd (Pyroluſit der
Mineralogen) *) beſonders wichtig geworden. Die Benützung des-
ſelben wurde zwar ſchon von de la Rive vorgeſchlagen, aber
dieſer Vorſchlag blieb unbeachtet. Die Verſuche, die damit gemacht
wurden, führten zu keinem entſprechenden Reſultate. Dies gelang
erſt Leclanché.


Leclanché hat das Manganhyperoxyd-Element ſo verbeſſert,
daß es gegenwärtig in Folge ſeiner guten Eigenſchaften zu jenen
Elementen zählt, welche am weiteſten verbreitet ſind. Fig. 319
zeigt eine der häufig in Gebrauch ſtehenden Formen desſelben. Das Batterieglas
iſt viereckig geſtaltet und mit einem runden, in einer Ecke ausgeſchweiften Halſe
verſehen. Man zieht die vierſeitige Form der runden vor, weil auf dieſe Art eine
beſſere Ausnützung eines gegebenen Raumes erzielt wird. In dem Glasgefäße ſteht
eine cylindriſche, poröſe Thonzelle, deren Durchmeſſer ſo gewählt wird, daß die
Zelle den Hals des Glaſes nahezu verſchließt. Durch die Ausbiegung des Halſes
wird ein Zinkſtab hineingeſteckt. Dieſe Anordnung bezweckt, das Verdunſten der
Flüſſigkeit möglichſt zu verringern. Der Raum der Thonzelle wird durch ein
Kohlenprisma und ein dasſelbe umgebendes Gemenge, beſtehend aus Retorten-
kohlenklein und Manganhyperoxydkörnern, ausgefüllt. Die Zelle iſt durch einen
Pechaufguß verſchloſſen, welcher nur eine Oeffnung beſitzt, um die Luft circuliren
[471] zu laſſen; man verhindert dadurch das Herausfallen der Körner. Als Erregungs-
flüſſigkeit dient Salmiaklöſung, mit welcher man das Glas bis zu ſeiner halben
Höhe füllt.


Am oberen Theile der Kohle iſt durch Bleiguß ein Metallanſatz befeſtigt,
welcher eine Klemmſchraube zur Aufnahme des Leitungs- oder Verbindungsdrahtes
beſitzt. An den Zinkſtab iſt eine Drahtſpirale direct befeſtigt. Man verwendet einen
Zinkſtab an Stelle eines ebenſolchen Cylinders, weil hierdurch die Kohlenelektrode
in Bezug auf die Größe ihrer Oberfläche ein bedeutendes Uebergewicht bekommt,
was zur vollſtändigen Beſeitigung der Polariſation ſehr viel beiträgt.


Der Zinkſtab ſoll weder durch Walzen noch durch Guß, ſondern durch Zug
hergeſtellt ſein. Der Grund hierfür liegt in den Eigenſchaften dieſer drei Sorten.
Durch Guß erhält das Zink eine kryſtalliniſch körnige und wenig homogene Structur,
da ſich hierbei leicht Poren bilden, welche dann im Elemente die Zinkoberfläche
unnöthig vergrößern und die Auflöſung des Zinkes beſchleunigen. Ueberdies iſt das
gegoſſene Zink nicht ſo rein, ſondern enthält häufig
zufällige oder abſichtliche Beimengungen anderer Me-
talle, z. B. von Blei. Es wurde bereits erwähnt,
daß ſolche Beimengungen mit dem Zinke kleine kurz
geſchloſſene Elemente bilden, ſobald das Zink in eine
Flüſſigkeit eingetaucht wird, und daß dieſe dann eben-
falls zur raſchen Aufzehrung des Zinkes beitragen.
Dieſelben Uebelſtände zeigt auch zum Theile noch das
gewalzte Zink, wenngleich dieſes, um das Walzen
überhaupt zu vertragen, reiner ſein muß und auch
nicht ſo leicht Poren enthalten kann. Immerhin bleibt
aber durch Zug hergeſtellter Zinkdraht das beſte Ma-
teriale. Leclanché verwendet amalgamirte Zinkſtäbe,
um die Abnützung der Elektrode zu einer möglichſt
gleichförmigen zu machen. Eine ungleichförmige Ab-
nützung führt das Auftreten, rauher Stellen mit ſich
im Gefolge, und dieſe würden das Anſetzen von
Kryſtallen befördern. Hierdurch wird aber nicht nur
der Widerſtand des Elementes erhöht, ſondern auch
die wirkſame Fläche der Elektrode verringert.


Figure 321. Fig. 319.

Leclanché-Element.


Auch die negative Elektrode erfordert bei ihrer Herſtellung die Beachtung
gewiſſer Umſtände. Es wurde bereits bemerkt, daß man zur Füllung der Thonzelle
nicht jeden beliebigen Braunſtein verwenden darf, ſondern nur den mit dem
mineralogiſchen Namen Pyroluſit bezeichneten, da nur dieſer, von ſeiner Gangart
(d. h. den ihn begleitenden Geſteine) vollkommen befreit, eine Leitungsfähigkeit beſitzt,
wie ſie für das Element gefordert werden muß. Sowohl die Kohle als auch der
Pyroluſit werden in grobkörniger Form angewandt, da die Pulverform den Wider-
ſtand erhöht. Die Verſuche, welche Beetz über dieſen Gegenſtand mit gepulvertem
Pyroluſit und gepulverter Kohle, mit gepulvertem Pyroluſit und grobkörniger Kohle
und endlich mit grobkörnigem Pyroluſit und gepulverter Kohle angeſtellt hat, zeigten,
daß gepulverte Kohle in jedem Falle ungünſtige Reſultate giebt. Am beſten wird
die Polariſation vermieden bei Anwendung von grobkörniger Kohle und gepulvertem
Pyroluſit, wohl deshalb, weil hierbei der Waſſerſtoff an jeder Stelle auf depolari-
ſirenden Pyroluſit trifft, was bei Anwendung grober Körner nicht immer der Fall
[472] iſt. Hingegen erreicht man bei Benützung von gekörntem Pyroluſit eine höhere
elektromotoriſche Kraft des Elementes.


Das Batterieglas wird nur zur Hälfte mit Flüſſigkeit beſchickt, und ſoll dieſe
aus einer concentrirten Löſung von reinem Chlorammonium (Salmiak) in deſtillirtem
Waſſer beſtehen. Unreinigkeiten, wie z. B. Bleiſulfat oder Chlorblei, ſcheiden im
Elemente leicht das Blei aus, welches ſich am Zink abſetzt und dort in Folge der
Bildung kleiner geſchloſſener Elemente eine raſche Auflöſung des Zinkes bewirkt.
Man bedient ſich einer concentrirten Löſung ſowohl aus dem Grunde, weil durch
dieſe der Widerſtand vermindert wird, als auch deshalb, weil dieſe beſſer im Stande
iſt, die durch den Gebrauch des Elementes entſtehenden Salze aufzunehmen. Hierdurch
wird die Abſcheidung der letzteren an den Elektroden und ſomit die Strom-
ſchwächung hintangehalten.


Den chemiſchen Proceß, welcher ſich beim Betriebe im Elemente vollzieht,
kann man ſich in der Weiſe vorſtellen, daß das Chlorammonium, der Pyroluſit
und das Zink ſich umſetzen in ein ſauerſtoffärmeres Oxyd des Mangans, Ammo-
niakgas, Waſſer und Chlorzink. In Wirklichkeit iſt der Proceß natürlich ein
complicirterer, da auch das Chlorammonium auf das entſtehende Chlorzink einwirkt
und mit dieſem eine ſchwer lösliche Doppelverbindung bildet; das Auskryſtalliſiren
dieſer Verbindung iſt es eben, was durch die vollkommen concentrirte Salmiak-
löſung verhindert werden ſoll.


Es werden drei Modelle dieſer Säule mit poröſer Thonzelle verfertigt, über
welche Cazin die in nachſtehender Tabelle zuſammengeſtellten Angaben macht.


Das Leclanché-Element zeichnet ſich namentlich durch ſeinen geringen
Zinkverbrauch aus, indem eine Auflöſung des Zinkes nur dann eintritt, wenn das
Element wirklich benützt wird. Nicht zu unterſchätzen iſt auch das Verhalten des
Elementes in der Kälte. Nach eingehenden Verſuchen, welche Lartigue angeſtellt
hat, wird der Widerſtand des Elementes auch bei bedeutender Temperaturernie-
drigung nicht weſentlich geändert. Hingegen ſteigt der Widerſtand eines Daniell-
Elementes von 8·35 bei + 10 Grad auf 12·58 bei 0 Grad und 14 bei
— 4 Grad. Bei — 6 Grad wird die Flüſſigkeit bereits dickflüſſig und bei
— 20 Grad beträgt der Widerſtand ſchon 200 Einheiten. (W. Ph. Hauck,
Elektrotechniſche Bibliothek IV.)


Durch die Anwendung eines Diaphragmas wird ein nicht unbedeutender
Widerſtand in das Element gebracht und dieſer wird noch vermehrt, wenn man
die Körner des Kohlen- und Pyroluſitgemiſches nicht feſt aneinanderdrückt, weil
die Flüſſigkeit ſchlechter leitet als dieſes Gemenge. Leclanché ſuchte dieſe Uebelſtände
durch Abänderung der Kohlenelektrode zu beſeitigen. Zu dieſem Zwecke wird das
[473] Gemenge, welchem man, um eine compacte Maſſe zu erhalten, noch Gummilack
beiſetzt, auf etwa 100 Grad Celſius erwärmt und einem Drucke von 300 Atmo-
ſphären ausgeſetzt.


Man ſtellt in dieſer Weiſe feſte Cylinder dar, die aus 40 Theilen Pyroluſit,
52 Theilen Kohle, 5 Theilen Gummilack und drei Theilen doppelt ſchwefelſaurem
Kali beſtehen. Der Zuſatz des letzteren hat die Beſtimmung, den in die Poren
eindringenden Zinkſalzen das Auflöſen zu erleichtern. Am oberen Theile des
Cylinders iſt ein Zinkknopf angegoſſen, durch deſſen Schraube die Verbindung der
Elemente ermöglicht wird. Die Zinkelektrode beſteht abermals aus einem Zinkſtabe.
Dieſer wird mit Zwiſchenlegung eines Holzkeiles durch Kautſchukringe an dem
Kohlencylinder feſtgehalten, wie dies Fig. 320 erkennen läßt.


Iſt der Kohlencylinder ausgebraucht, ſo wird er weggeworfen, da er dann
nichts Werthvolles mehr beſitzt. Bei Anwendung dieſer Form des Leclanché-
Elementes erzielte man jedoch nicht das erwartete beſſere Reſultat, und ſtieg

Figure 322. Fig. 320.


Figure 323. Fig. 321.

Leclanché-Elemente.


namentlich der innere Widerſtand bald zu einer beträchtlichen Höhe. Leclanché ging
daher wieder davon ab und ſtellte nun Platten aus dem oben angegebenen
Gemenge her. Dieſe werden an eine Kohlenplatte durch Kautſchukringe angepreßt
und mit dem Zinkſtabe in ähnlicher Weiſe wie bei dem vorbeſchriebenen Modelle
vereinigt, wie dies Fig. 321 zeigt. Hierbei hat man die Veränderung des Wider-
ſtandes in ſeiner Macht, indem man bei der Zuſammenſtellung des Elementes ein,
zwei oder mehr Platten benützen kann.


Das Pyroluſit-Element Tyer’s, abgebildet in Fig. 322, beſteht aus
einem Porzellangefäße, welches durch eine ſiebartige Platte desſelben Materiales
in zwei ungleiche Räume getheilt wird. In dem kleineren Raume befindet ſich eine
von dem Pyroluſitgemenge umgebene Kohlenplatte, im größeren Raume die
Zinkplatte mit dem Ammoniakſalze. Dieſes Element polariſirt ſich ziemlich ſchnell.


In dieſe Gruppe von Elementen gehört auch das Permanenz-Element
von Marcus
. Bei dieſem iſt die Zinkelektrode ſternförmig gegoſſen und in ein
cylindriſches Korbgeflechte eingeſchloſſen. Letzteres wird einer ähnlichen Behandlung
unterzogen wie das Papier bei ſeiner Umwandlung in Pergamentpapier. Der
[474] cylindriſche Hals der Zinkelektrode geht durch einen Ebonitring, an welchem das
Körbchen angekittet iſt. Das Zink wird an einer Seite, nahe der Wand, in das
vierſeitige Glasgefäß eingeſetzt und die Kohlenelektrode an der gegenüberliegenden
Gefäßwand eingeſenkt. Den Zwiſchenraum erfüllt die Pyroluſitmiſchung. Der
Widerſtand des Elementes, der gegenüber der älteren Form des Leclanché-Elementes
ſchon durch die Anwendung des Korbgeflechtes und die Form der Zinkelektrode
vermindert iſt, wird durch Zuſatz von doppeltſchwefelſaurem Natron noch weiter
verringert, weil dieſes die Auflöſung der Zinkſalze befördert.


Das Pyroluſitgemenge iſt überall ganz gleichförmig durchtränkt und von
der Luft vollkommen abgeſchloſſen; hierdurch iſt das „Athmen“, wie ſich Leclanché
ausdrückt, unmöglich gemacht. Trotzdem ſind dieſe Elemente kräftig und wirken
andauernd. Sie ſtehen ſowohl im Telegraphendienſte wie auch bei der öſterreichiſchen
Marine in Verwendung.


Figure 324. Fig. 322.

Tyer-Element.


Das Leclanché-Element iſt noch von Clark
und Muirhead, Binder, Beetz, Gaiffe, Leiter und
Anderen modificirt worden, worauf jedoch hier
nicht näher eingegangen werden kann. Es möge
ſchließlich nur noch Nachſtehendes über das Ver-
halten des Pyroluſit-Elementes bei ſeinem Gebrauche
geſagt werden. Läßt man ein derartiges Element
in einem Stromkreiſe arbeiten, der geringen Wider-
ſtand beſitzt, oder ſchließt man es kurz, ſo wird es,
wenn der Schluß auch nur kurze Zeit gedauert
hat, ſtark polariſirt. Es erholt ſich jedoch raſch
wieder, wenn der Stromkreis unterbrochen wird.
Dieſer Wechſel kann beliebig oft hintereinander
bewirkt werden. Bleibt jedoch der Stromkreis längere
Zeit geſchloſſen, ſo ſinkt die elektromotoriſche Kraft
des Elementes ſehr bald auf die Hälfte herab.


Hat hingegen das Element in einem Strom-
kreiſe von großem Widerſtande zu arbeiten, ſo wird
es ſelbſt bei länger andauerndem Stromſchluſſe
befriedigend fungiren, wenngleich die Stromſtärke nicht die anfängliche Größe
beibehält.


Aus dieſem Verhalten des Pyroluſit-Elementes ergiebt ſich, daß dieſes für
Arbeitsleiſtung in einem Stromkreiſe von geringem Widerſtande unbrauchbar iſt,
dafür aber ſehr gute Dienſte leiſtet, wenn es in einem Stromkreiſe mit hohem
Widerſtande verwendet wird und unter Verhältniſſen arbeitet, wie ſie der
Telegraphendienſt darbietet.


Auf der internationalen elektriſchen Ausſtellung in Wien (1883) zog ein
Element die Aufmerkſamkeit aller Fachmänner auf ſich, bei welchem die Depolari-
ſation durch Kupferoxyd
bewirkt wird. Die Erfinder desſelben, de Lalande
und Chaperon, geben in „La lumière électrique (T. IX)” eine Beſchreibung
und Abbildung der verſchiedenen Formen ihres Elementes, der nachſtehende Angaben
entnommen ſind.


Auf dem Boden eines cylindriſchen Glasgefäßes V, Fig. 323, iſt eine Büchſe
A aus Eiſenblech geſetzt, welche das Kupferoxyd B enthält. An dieſer Büchſe iſt ein
Kupferdraht C befeſtigt, welcher durch eine Kautſchukhülle vor der metalliſchen
[475] Berührung mit der Zinkelektrode geſichert iſt. Dieſe wird aus einem ſtarken
Zinkdrahte gebildet, der in Form einer Spirale D eingerollt iſt. Das innere Ende
der Zinkſpirale iſt ſenkrecht auf dieſe aufgebogen und mit der am Deckel E des
Glaſes angebrachten Klemmſchraube F verbunden. Den Zinkſtab umgiebt, ſo weit
er außer der Flüſſigkeit ſich befindet, eine Kautſchukhülle G. Die Erregungsflüſſigkeit
beſteht aus einer 30- bis 40procentigen Löſung von Aetzkali. *)


Um das unangenehme Hantiren mit Kalilauge bei Inbetriebſetzung des
Elementes zu vermeiden, giebt man die nöthige Menge feſten Aetzkalis in die
Kupferoxydbüchſe und verſchließt ſie durch einen Deckel, der durch einen Kaut-
ſchukring angepreßt wird. Mann ſetzt dann das Element einfach in der Weiſe in
Thätigkeit, daß man den Deckel abnimmt, die Büchſe in das Glasgefäß einſetzt
und Waſſer einfüllt; hierauf ſchüttet man die nöthige Menge von Kupferoxyd in
die Büchſe.


Figure 325. Fig. 323.

Figure 326. Fig. 324.

Elemente von Chaperon und de Lalande.


Das Kupferoxyd wird auch in Form von Platten angewandt, die in der
Weiſe hergeſtellt werden, daß man aus Kupferoxyd und Chlormagneſium **) eine
teigartige Maſſe bildet und dieſe in Metallbüchſen einfüllt. Die Maſſe wird beim
Erwärmen in kurzer Zeit feſt und bildet dann Platten, die deſto poröſer ſind, je
mehr von dem Windemittel zur Anwendung kam.


In Fig. 324 iſt das Glasgefäß V mit einem Kupferdeckel durch Verſchrau-
bung verſchloſſen. Dieſer Deckel trägt zwei verticale Eiſenbleche A A1, auf welchen
die prismatiſchen Kupferoxydſtücke B B1 durch Kautſchukbänder befeſtigt ſind. Die
Klemmſchraube C bildet den poſitiven Pol. Das Zink iſt in Stabform durch eine
im Mittelpunkte des Drahtes durchgeſteckte Röhre in das Glas eingeführt. Die
[476] Röhre iſt überdies noch von der Kautſchukhülle G umgeben. Der Deckel trägt
noch eine dritte Röhre H, welche durch ein ſeitlich geſchlitztes Kautſchukſtück ver-
ſchloſſen iſt; dieſes bildet ein Ventil, welches ſich nur dann öffnet, wenn die im
Elemente entwickelten Gaſe einen größeren Druck ausüben. Der hermetiſche Verſchluß
des Elementes wird noch durch ein Kautſchukband K vervollſtändigt, welches ſich
gleichförmig an das Glas und den Kupferdeckel anlegt.


Die Möglichkeit, Gefäße aus Eiſen oder Kupfer anzuwenden, da dieſe durch
die Flüſſigkeit nicht angegriffen werden, geſtattet, Elemente von beliebiger Form
und großer Oberfläche herzuſtellen. Ein derartiges Element iſt in Fig. 325
abgebildet. Das Gefäß A bildet den poſitiven Pol der Säule und iſt aus Eiſen-
blech geſchmiedet; es iſt 40 Centimenter lang, 20 Centimeter breit und beiläufig
10 Centimeter hoch. Man bedeckt ſeinen Boden mit einer Schichte von Kupferoxyd
und ſtellt in die vier Ecken je einen Iſolator L aus Porzellan, welche die horizontale
Zinkplatte D D1 tragen; letztere iſt auf einer Seite (bei D1) aufgebogen und wird
durch die Iſolatoren von einer Berührung mit dem Kupferoxyde oder den Wänden
des Eiſengefäßes abgehalten. Letzeres wird bis zu drei Viertel mit der Aetzkali-
löſung gefüllt. Die Klemmſchrauben C und M, welche an dem Gefäße, beziehungs-
weiſe an der Zinkplatte befeſtigt ſind, ermöglichen die Verbindung mehrerer ſolcher

Figure 327. Fig. 325.

Lalande’s Trog-Element.


Elemente miteinander oder die Ableitung des Stromes in den äußeren Stromkreis.
Um die bei der großen Oberfläche des Elementes raſch vor ſich gehende Verdunſtung
der Flüſſigkeit und die Aufnahme von Kohlenſäure der Luft durch das Aetzkali
zu verhindern, wird die Flüſſigkeit mit einer dünnen Schichte von Erdöl bedeckt
oder man verſchließt die Elemente durch eigene Deckel.


Nach Verſuchen, welche E. Hoſpitalier angeſtellt und veröffentlicht hat
(L’électricien 1883), giebt das Lalande-Element ſehr zufriedenſtellende Reſultate.
Es iſt dem Daniell-Elemente überlegen, da es einen geringeren Ziukverbrauch
verurſacht, und dem Leclanché-Element, weil es conſtanter als dieſes iſt. Es ergab
ſich, daß der durch Rechnung aus der gelieferten Elektricitätsmenge gefundene
Zinkverbrauch mit dem thatſächlichen Zinkverbrauch nahezu ganz übereinſtimmt; es
rührt dies daher, daß das amalgamirte Zink von der im Elemente angewandten
Flüſſigkeit eben gar nicht angegriffen wird und deshalb auch kein unnützer Zink-
verbrauch eintreten kann. Für je 1 Gramm Zink werden nahezu 3 Gramm Aetz-
kali und 1·25 Gramm Kupferoxyd verbraucht.


Das Kupferoxyd verurſacht eigentlich gar keine Koſten für das Element, da
es ein billiges Abfallsproduct der Kupferwalzwerke iſt und überdies noch im
Elemente ſelbſt in viel werthvolleres Kupfer verwandelt wird. Hingegen iſt das
Aetzkali kein ſehr billiger Körper und kann auch nicht durch das billigere Aetznatron
[477] erſetzt werden, da dieſes zu leicht auswittert. Es iſt theoretiſch allerdings möglich,
Zink und Aetzkali aus dem Elemente wiederzugewinnen, in welchem durch den
Gebrauch Kaliumzinkat (eine Verbindung von Zink, Kalium und Sauerſtoff) ent-
ſtanden iſt, indem man dieſe Verbindung durch den elektriſchen Strom zerſetzt.
Man kann dieſe Regenerirung ſogar im Elemente ſelbſt vornehmen, erhält aber
hierbei das Zink in einem poröſen, ſchwammigen Zuſtande; auch das Kupfer kann
durch Erhitzen wieder in Oxyd verwandelt werden. Praktiſch wird ſich jedoch eine
derartige Regenerirung des Elementes (die es zu einer Art Accumulator machen
würde) nicht empfehlen. Das Zink iſt wegen ſeiner ſchwammartigen Beſchaffenheit
nicht vortheilhaft verwendbar, und die Herſtellung von Kupferoxyd aus dem redu-
cirten Kupfer durch Röſten desſelben iſt gleichfalls unökonomiſch, da das Kupferoxyd
ohnehin als billiges Abfallsproduct in den Handel kommt, während das reine
Kupfer einen bedeutend höheren Preis hat.


Eine andere gute Eigenſchaft, welche das Element beſitzt, beſteht darin, daß
der innere Widerſtand nicht, wie dies bei anderen Elementen meiſtens der Fall iſt,
während des Gebrauches zunimmt, ſondern ſich im Gegentheile ſtets verringert,
da an Stelle des Kupferoxydes immer mehr bedeutend beſſer leitendes Kupfer aus-
geſchieden wird. Vortheilhaft iſt auch die einfache Form des Elementes und die
Möglichkeit, das Gefäß aus einem ſehr billigen Materiale (Schwarzblech) herſtellen
zu können, welches in jede beliebige Form gebracht werden kann. Der depolariſirende
Körper iſt nicht nur ſehr billig, ſondern wird überdies noch in ein werthvolleres
Product verwandelt, und das Zink iſt gar keinem unnützen Verbrauche ausgeſetzt.
Das Element ändert faſt bis zum gänzlichen Verbrauche ſeiner Maſſe ſeine Strom-
ſtärke unweſentlich und iſt auch im Stande, nach Bedarf größere oder geringere
Elektricitätsmengen zu liefern. Hat man das Element einmal zuſammengeſtellt, ſo
bedarf es keiner beſonderen Aufſicht oder Wartung mehr.


Hingegen beſitzt das Element eine geringere elektromotoriſche Kraft, nämlich
nur 0·98 Volts, weshalb man für manche Zwecke eine große Anzahl von Elementen
anwenden muß. Da der Widerſtand ein geringer iſt, ſo reſultirt aber trotzdem eine
erhebliche Stromſtärke. Bei dem vorbeſchriebenen Trog-Elemente beträgt dieſe 15 bis
20 Ampères. Ein Nachtheil des Elementes beſteht auch in der Anwendung von
Aetzkali; dieſer Körper iſt nicht nur theuer, ſondern verdirbt auch leicht, indem er
aus der Luft ſehr begierig Kohlenſäure aufnimmt.


In der Anordnung vom Lalande-Elemente wenig verſchieden iſt das Teller-
Element
. Vom Hartgummideckel des Gefäßes hängt ein mit iſolirendem Materiale
umkleideter Kupferdraht herab, der unten mit Hilfe eines Kupferringes an einem
unten geſchloſſenen Kohlencylinder befeſtigt iſt. Das obere durch den Deckel drin-
gende Drahtende trägt eine Klemmſchraube. Oben verſchließt den Kohlencylinder
ein Papierdeckel, welcher mit zwei Oeffnungen verſehen iſt. Der kleine Innenraum
des Kohlencylinders wird mit Kohlenkleie und Kupferoxyd gefüllt, und zum Schutze
des letzteren gegen herabfallendes Zink mag wohl der Papierdeckel angebracht ſein.


In der Mitte des Hartgummideckels iſt ein Zinkſtab befeſtigt, welcher bis
zum Papierdeckel der Kohlenbüchſe herabreicht und oben eine zweite Klemme (die
poſitive) trägt. Als Erregungsflüſſigkeit dient eine Löſung von Aetznatron, welches
dadurch gegen die Kohlenſäure der Luft geſchützt iſt, daß der Hartgummideckel
luftdicht auf das Glas aufgeſetzt wird.


Die elektromotoriſche Kraft des Elementes beträgt nach Meſſungen J. Ph.
Hauck’s 1·38 bis 1·4 Volts und nimmt bei kurzem Schluſſe nach etwa
[478] 20 Minuten um 0·4 Volts ab; die elektromotoriſche Kraft blieb jedoch conſtant,
wenn in den äußeren Stromkreis ein größerer Widerſtand eingeſchaltet wurde.


Dem Lalande-Elemente gegenüber beſitzt das Teller-Element den Vortheil,
daß es im Ruhezuſtande das abgeſchiedene metalliſche Kupfer ſelbſtthätig wieder
oxydirt. Iſt nämlich das Element nicht geſchloſſen, ſo wirken die Kohle und das
Kupfer in der Löſung als ein in ſich geſchloſſenes Element, welches Waſſerſtoff
an der Kohle und Sauerſtoff am Kupfer abſcheidet. Erſteres entweicht und letzterer
oxydirt das Kupfer. Man kann dieſen Vorgang ganz gut beobachten. Sobald der
Stromkreis unterbrochen wird, beginnt nämlich eine Gasentwicklung und gleich-
zeitig verliert das Kupfer ſeine blanke Oberfläche.


Von Flüſſigkeiten, welche geeignet ſind, die Polariſation mehr oder
weniger vollſtändig zu verhindern, iſt in erſter Linie die Chromſäure zu nennen;
ſie iſt deshalb zu dem genannten Zwecke ſehr geeignet, weil ſie heftig oxydirend
wirkt (d. h. reich an Sauerſtoff iſt und dieſen auch leicht abgiebt). Einer der

Figure 328. Fig. 326.

Grenet-Element.


Erſten, welcher Chromſäure anwandte, war Warrington;
Platin und Zink dienten ihm als Elektroden. Es war alſo
ein Grove-Elemeut (ſiehe S. 187), in welchem Chromſäure die
Stelle der Salperſäure vertrat. Zum Zink-Kohlen-Elemente be-
nützten zunächſt Bunſen, Laeſon und Poggendorff die
Chromſäure.


Bei den Chromſäure-Elementen wird nicht die Chrom-
ſäure ſelbſt, ſondern ein Gemenge benützt, welches Chromſäure
liefert. Dieſes beſteht aus doppelt chromſaurem Kali, Schwefel-
ſäure und Waſſer. Beim Zuſammenmengen dieſer Körper entſteht
Kaliumſulfat (Verbindung von Schwefelſäure und Kalium) und
die Chromſäure wird in Freiheit geſetzt. Die chemiſchen Vor-
gänge, welche ſich im Elemente zwiſchen den genannten Körpern
und dem Zinke, ſowie auch dem durch den elektriſchen Strom
abgeſchiedenen Waſſerſtoff abſpielen, ſind keine ganz einfachen;
ſie hängen auch von den verſchiedenen Miſchungsverhältniſſen
der genannten Körper ab. Die Schwefelſäure wird nicht nur
dazu benützt, das Kalium zu binden und die Chromſäure in
Freiheit zu ſetzen, ſondern dient auch zur Löſung des Zinkes. Im Elemente wird
daher jedenfalls Zinkſulfat (Zinkvitriol) entſtehen. Die Zuſammenſetzung der übrigen
Verbindungen richtet ſich nach dem Zuſatze von Schwefelſäure. Iſt der Zuſatz
dieſer Säure ein größerer, ſo entſteht Chromalaun, das heißt ein Doppelſalz,
beſtehend aus ſchwefelſaurem Chromoxyd und ſchwefelſaurem Kaliumoxyd; bei
geringerem Gehalte an Schwefelſäure entſteht jedoch ein anderes (das grüne) Salz.


Um ein paſſendes Gemenge zu erhalten, ſetzt man mehr Schwefelſäure zu,
als zur Bildung des Chromalauns erforderlich iſt, indem man die oben angegebene
Rolle berückſichtigt, welche die Säure dem Zinke gegenüber zu ſpielen hat. Nach
Byrne’s Angabe ſoll man auf einen Liter Waſſer 370 Gramm Schwefelſäure und
130 Gramm doppeltchromſaures Kali nehmen. Die Bindung des Waſſerſtoffes, alſo
die Verminderung der Polariſation, wird dadurch bewirkt, daß der Sauerſtoff der Chrom-
ſäure, welcher beim Uebergange dieſer in Chromoxyd (beziehungsweiſe ſchwefelſaures
Chromoxyd) frei wird, ſich mit dem Waſſerſtoff verbindet und Waſſer bildet.


Das Chromſäure-Element hat ſowohl von verſchiedenen Conſtructeuren als
auch bei verſchiedenen Anwendungen ſehr mannigfache Formen erhalten. Wir haben
[479] hier zunächſt jene zu betrachten, welche außer der Chromſäurelöſung keiner zweiten
von dieſer getrennten Flüſſigkeit bedürfen. Eine ſehr häufig in Gebrauch ſtehende
Form bildet


das Grenet-Element (Flaſchen-Element), welches in Fig. 326 dargeſtellt
iſt. Eine Glasflaſche mit kugelförmigem Bauche und weitem Halſe wird am Rande
des letzteren mit einer Meſſingfaſſung verſehen, in die eine Schraubenmutter ein-

Figure 329. Fig. 327.

Bunſen-Batterie.


geſchnitten iſt. Dieſe dient zum Verſchluſſe der Flaſche durch einem Ebonitdeckel.
An letzterem ſind die beiden Kohlenplatten K K ſtabil befeſtigt. In der Mitte des
Deckels iſt eine kurze Röhre aufgeſetzt, in welcher ſich ein Meſſingdraht a ver-
ſchieben und in beliebiger Stellung feſtklemmen läßt. Dieſer Meſſingdraht trägt
die Zinkplatte Z, welche hierdurch zwiſchen beiden Kohlenplatten in die Chrom-
ſäurelöſung eingetaucht oder aus ihr herausgehoben werden kann, je nachdem man
das Element in oder außer Thätigkeit ſetzen will. Die Berührung der Zinkplatte
[480] mit den Kohlenplatten wird durch einen Kautſchukring oder durch Klötzchen aus
Hartgummi hintangehalten.


Früher führte man durch den Deckel noch ein zwiſchen den Kohlenplatten
endigendes Bleirohr ein, um durch Einblaſen von Luft die Flüſſigkeit in der Nähe
der Kohlen zu erneuern; jetzt iſt man davon abgegangen, da dasſelbe Reſultat
durch Bewegen der Zinkplatte erreicht wird.


Das Element genügt nur für ſolche Zwecke, wo ein ſtarker Strom kurze
Zeit über erforderlich iſt, da die Stromſtärke nicht lange conſtant bleibt. Es iſt
daher gut verwendbar für Vorleſungsverſuche, da es keiner langwierigen Zuſammen-
ſtellung bedarf und durch einfaches Heben oder Senken des Zinkes in oder außer
Gebrauch geſetzt werden kann, wobei es ſehr kräftige Wirkungen, z. B. Glüh-
wirkungen ausübt.


Figure 330. Fig. 328.

Bunſen-Element.


Die üblen Eigenſchaften dieſes Elements beſtehen darin, daß die Kohlen
immer in der Flüſſigkeit bleiben, wodurch Gelegenheit zur Ausſcheidung von
Alaunkryſtallen an den Kohlen gegeben wird, und daß überdies noch eine Zerſetzung
der Chromſäure auch im Ruhezuſtande des Elements bewirkt wird. Auch iſt die
Verbindung mehrerer ſolcher Elemente zu einer Batterie nicht ſehr bequem, weil
dann das Einſenken und Herausheben der Zinke umſtändlich wird.


Es iſt namentlich der letzterwähnte Uebelſtand, welchen Bunſen bei der
Conſtruction ſeiner Chromſäurebatterie vermieden hat. Die Fig. 327 und 328
ſtellen dieſe Batterie und eine Detailconſtruction derſelben dar. An einem viereckigen
Metall- oder Holzrahmen ſind Hartgummi oder Holzleiſten befeſtigt, von welchen
die Kohlen- und Zinkplatten in der Weiſe herabhängen, daß ſie beim Herablaſſen
des Rahmens, welcher an über Rollen laufenden Bändern hängt, in die cylin-
driſchen Gläſer eingetaucht werden. Die Kohlen- und Zinkplatten ſind verhältnißmäßig
lang, um durch verſchieden tiefes Einſenken derſelben in die Flüſſigkeit ſtärkere
odere ſchwächere Ströme erhalten zu können. Ein Sperr-Rad ſorgt dafür, daß
[481] der Rahmen in jeder beliebigen Höhe feſtgehalten wird. Die Gläſer ſind hoch und
nehmen eine ziemlich große Menge von Flüſſigkeit auf.


Die elektromotoriſche Kraft iſt allerdings gleich 2·3 Daniell und darüber,
doch bleibt ſie nicht conſtant, weshalb auch die Stromſtärke bald abnimmt. Man
kann dieſem Uebelſtande durch tieferes Einſenken oder auch durch Auf- und Abbewegen
der Platten ſteuern.


Nach zahlreichen Verſuchen, welche Bunſen in Gemeinſchaft mit Warrington
durchgeführt hat, empfiehlt er eine Flüſſigkeit anzuwenden, welche aus einem Gewichts-
theil Kaliumbichromat, zwei Theilen Schwefelſäure und 12 Theilen Waſſer hergeſtellt
iſt. Die Anwendung dieſer Flüſſigkeit gewährt den Vortheil, keinen Chromalaun
entſtehen zu laſſen, ſondern ein grünes faſeriges Kryſtallgemiſch abzuſcheiden, welches
ſich aus Kalium-, Chrom- und Zink-
ſulfat zuſammenſetzt.


Hauck gab der Chromſäure-
batterie die in Fig. 329 dargeſtellte
Form. Die Batteriegläſer erhielten die
Geſtalt flacher, vierſeitiger Prismen,
um bei gegebenem Raume möglichſt
viel Flüſſigkeit anwenden zu können.
Die Gläſer ſtehen zwiſchen Fächern auf
einem Grundbrette, welches für be-
quemen Transport der Batterie mit
Rollen verſehen iſt. An zwei gegen-
überliegenden Seiten des Grundbrettes
ſind verticale Ständer befeſtigt und an
ihren oberen Enden durch ein Quer-
ſtück verbunden. Eine im letzteren an-
gebrachte Metallbüchſe und ein am
Grundbrette befeſtigtes Lager dienen
zur Führung einer ſchnell laufenden
Schraubenſpindel. Wird dieſe durch
das oben angebrachte Handrad in der
einen oder anderen Richtung gedreht,
ſo wird hierdurch das viereckige, zu

Figure 331. Fig. 329.

Batterie nach Hauck.


beiden Seiten mit Führungen und in der Mitte mit einer Schraubenmutter ver-
ſehene Brett, welches die Elektroden trägt, gehoben oder geſenkt.


Die Befeſtigungsweiſe der Elektroden auf dem gemeinſamen Brette iſt aus
der von der Hauptfigur getrennten Zeichnung zu erſehen. Die Kohlen ſind durch
Schrauben direct mit dem Brette verbunden, während die Zinke in entſprechende
Ausſchnitte zwiſchen je zwei Kohlenplatten eingehängt werden. Die Kohlen werden
gemeinſam mit einem Zinkknopfe verſehen und zugleich gießt man zwei Zinkſtifte
ein, welche zur Befeſtigung der Kohlen an dem Brette durch zwei Klemmſchrauben
dienen. Auch in jede Zinkplatte werden zwei Klemmen eingeſchraubt. Das Anbringen
von vier Klemmſchrauben an je einem aus drei Platten (zwei Kohlen, ein Zink)
beſtehenden Elemente hat den Zweck, die Verbindung der Elemente untereinander,
entſprechend dem jeweiligen Bedürfniſſe, zu erleichtern.


Die Größe und Stellung der Platten gegeneinander richtet ſich nach der
Beſtimmung, für welche die Batterie gebraucht wird. So benützt man z. B. für
Urbanitzky: Elektricität. 31
[482] Glühwirkungen Elemente mit großen, einander nahe gegenüberſtehenden Platten,
hingegen für elektriſches Licht kleinere, weiter voneinander entfernte Platten. Das
Auseinanderrücken im letzterwähnten Falle hat den Zweck, die Erneuerung der
Flüſſigkeit in der Nähe der Kohlenplatten zu erleichtern, um dadurch die Polariſation
zu verringern; aus demſelben Grunde giebt man auch den Kohlenplatten eine

Figure 332. Fig. 330

a.


Trouvé-Elemente.


Figure 333. Fig. 330

b.


Trouvé-Elemente.


größere (etwa doppelt ſo große) Ober-
fläche wie der Zinkelektrode.


Auf kurze Zeit geben Trouvé’s
Elemente einen ſehr kräftigen Strom.
Fig. 330 a ſtellt zwei Elemente in per-
ſpectiviſcher Anſicht dar, 330 b giebt
das Schema der Verbindung der Platten
untereinander. Letzteres läßt erkennen,
daß die beiden Elemente aus 14 Platten
in folgender Weiſe zuſammengeſetzt
werden. Drei Kohlenplatten ſind durch
den Metallſtab A miteinander verbunden
und bilden ſomit eine Kohlenplatte von
großer Oberfläche. Ebenſo ſtellen die
drei durch den Metallſtab C verbundenen
Zinkplatten eine große Zinkplatte dar.
An dem Metallſtabe B ſind vier Zink-
und vier Kohlenplatten befeſtigt; ſie
fungiren wieder als eine Zink-, be-
ziehungsweiſe Kohlenplatte von großer
Oberfläche. Es bilden alſo die von B
rechtsſeitig gelegenen Zink- und Kohlen-
platten ein Element und ebenſo die
links befindlichen. Beide Elemente ſind
durch die Metallſtange B hintereinander
verbunden, während die Pole dieſer
zweielementigen Batterie ſich bei A
und C befinden.


Die Zink- und Kohlenplatten
ſtehen vertical und ſind abwechſelnd
angeordnet (330 a). Sie werden gegen
Berührung durch Kautſchukringe ge-
ſchützt, welche die Kohlenplatten oben
und unten umſpannen. Die drei Kohlen-
platten rechts vorne und die drei
Zinkplatten links vorne ſind durch Ver-
mittlung ihrer Faſſungen an je einen Metallſtab angeſchraubt, während ſämmtliche
rückwärts befindliche Platten durch nur einen Metallſtab in gleicher Weiſe unter-
einander verbunden ſind. Sämmtliche Platten werden durch ein Geſtelle aus Hart-
gummi zuſammengehalten, welches mit einer Handhabe (A) verſehen iſt, um das
Einſenken in die Flüſſigkeit oder das Herausheben aus derſelben zu erleichtern.


Dieſe Elemente geben anfänglich einen überaus kräftigen Strom, der aber
ſehr raſch nachläßt, weil die eng nebeneinander geſtellten Platten die Erneuerung
[483] der Chromſäurelöſung hintanhalten. Trouvé ſucht dieſen Uebelſtand durch dasſelbe
Mittel zu beſeitigen, welches wir ſchon bei dem Grenet’ſchen Elemente kennen
gelernt haben. Er führt nämlich ein Bleirohr T ein, welches bis an den Boden
des Batteriegefäßes eingeſenkt wird und bläſt durch dieſes Luft durch die Flüſſigkeit.


Trouvé conſtruirte auch Elemente mit hermetiſchem Verſchluſſe, die für
intermittirenden Gebrauch, für mediciniſche Anwendungen u. ſ. w. bequem ſind.
Das Element beſteht aus einem Ebonitcylinder, der auf beiden Seiten durch
verſchraubte Deckel verſchloſſen iſt (Fig. 331). An einem dieſer Deckel iſt ein gut
amalgamirter Zinkcylinder befeſtigt und mit einem außen befindlichen Metallknopf
leitend verbunden. Die Länge des Zinkſtabes iſt ſo bemeſſen, daß er nahezu bis
in die Mitte der Büchſe reicht. Die dem Zinke gegenüberliegende Büchſenwand iſt
durch einen Kohlencylinder ausgekleidet, der ebenfalls mit einem außen befindlichen
Knopfe in Verbindung ſteht.


Die Büchſe wird zur Hälfte mit der Erregungs-
flüſſigkeit gefüllt, ſo daß in der durch die Figur dar-
geſtellten Lage der Büchſe das Zink unbenetzt bleibt.
Das Element wird dann in der Weiſe in Thätigkeit
geſetzt, daß man es ſtürzt und dadurch Kohle und
Zink durch die Flüſſigkeit verbindet. Da man in häus-
lichem Gebrauche nicht gern mit Schwefelſäure zu thun
hat, verwendet man zur Füllung an Stelle dieſer
doppeltſchwefelſaures Kalium und bereitet ſonach die
Batterieflüſſigkeit aus einem Drittel Kaliumbichromat
und zwei Drittel Kaliumbiſulfat.


Nicht nur feſte und flüſſige Körper ſind zur
Hintanhaltung der Polariſation benützt worden, ſon-
dern man hat vielmehr auch den Sauerſtoff der Luft
(alſo ein Gas) zu dieſer Dienſtleiſtung herangezogen.
Elemente mit Depolariſation durch den Sauerſtoff
der Luft ſind auch in größerer Anzahl bereits ver-
ſucht worden. Zwei auch im praktiſchen Gebrauche
ſtehende Elemente wollen wir im Nachfolgenden kennen
lernen.


Figure 334. Fig. 331.

Trouvé-Element.


Das eine iſt das Zink-Salzwaſſer-Kohle-Element, welches ſich in der
Schweiz einer häufigen Anwendung im Telegraphendienſte erfreut. Vortheilhaft iſt
für dieſes ſchon der Umſtand, daß die Kochſalzlöſung das Zink im Ruhezuſtande
der Batterie gar nicht auflöſt und daß im Kochſalz ein überall billig zu ver-
ſchaffender Körper zur Benützung kommt.


Niaudet giebt in ſeinem Werke über galvaniſche Elemente (deutſch von
W. Ph. Hauck) an, daß alle Eiſenbahnſtationen der Schweiz ſich der Salzwaſſer-
Elemente bedienen, die in vier Größen angefertigt werden. Sie beſitzen je vier
Kohlenplatten von ſieben bis zehn Centimeter Länge und vier Centimeter Breite.
Beim Nichtgebrauche der Elemente werden die Platten herausgehoben, wodurch die
Kohlen Gelegenheit bekommen, Sauerſtoff in ihre Poren aufzunehmen. Das
Ausheben wird dadurch erleichtert, daß man die Elektroden von je zehn Elementen
an einem Brette gemeinſchaftlich befeſtigt.


Eine der in der Schweiz häufig angewandten Formen iſt in Fig. 332 dargeſtellt.
Ein Kohlencylinder F von 14 Centimeter Höhe und 9 Centimeter (äußerem)
31*
[484] Durchmeſſer bildet die negative Elektrode, während die poſitive Elektrode aus einem
im Innern des Cylinders hängenden amalgamirten Zinkſtreifen G beſteht. Die
beiden Elektroden ſind an einer Holzleiſte befeſtigt und mit Klemmſchrauben zur
Aufnahme der Drähte verſehen.


Erſt nach neun- bis zehnmonatlichem Dienſte, während welcher Zeit die
Elemente keiner Nachhilfe bedürfen, müſſen ſie ausgewechſelt werden. Cauderay
(in Lauſanne) verwendet ſie auch zu Haus- oder Hoteltelegraphen und behauptet,
daß ſie hierbei acht bis zehn Jahre lang in Verwendung ſtehen können.


Noch vortheilhafter als die eben beſchriebenen Elemente iſt die Anwendung
der Zink-Ammoniakſalz-Elemente. Die Vortheile der erſteren finden ſich in
letzterem in erhöhtem Maße. Dieſes Reſultat wird dadurch erreicht, daß man die
Oberfläche der Kohle möglichſt groß macht und überdies dafür Sorge trägt, daß
ein Theil der Kohlenoberfläche in ſtändiger Berührung mit der Luft bleibt, wodurch

Figure 335. Fig. 332.

Zink-Salzwaſſer-Kohle-Element.


ein ununterbrochenes Aufnehmen von Sauerſtoff,
„das Athmen“ der Kohle, geſichert wird.


Eine Kohlenelektrode mit möglichſt großer
Oberfläche ſtellt man ſich in der Weiſe her, daß
man die Kohlenplatte in einen poröſen oder durch-
löcherten Thoncylinder einſetzt und den übrigen
Raum des Cylinders mit feſt hineingedrückten Kör-
nern aus Kohle füllt. Die zahlreichen Zwiſchenräume,
die zwiſchen den einzelnen Kohlenſtücken in dieſer
Weiſe entſtehen, bewirken einerſeits eine bedeutende
Vergrößerung der Kohlenoberfläche und gewähren
andererſeits dem Sauerſtoffe der Luft leichten Zu-
tritt. Hierdurch kommt man einer vollſtändigen
Oxydation des abgeſchiedenen Waſſerſtoffes ſehr nahe.


Die praktiſche Ausführung eines derartigen
Elementes iſt L. Maiche in ſehr zweckmäßiger Form
gelungen. Am Ebonitdeckel des cylindriſchen Batterie-
glaſes iſt ein poröſes, durchlöchertes Gefäß befeſtigt
(Fig. 333). In dieſem befindet ſich platinirte Kohle,
umgeben von platinirten Kohlenkörnern; beide zu-
ſammen bilden die negative Elektrode, von welcher aus ein Platindraht zu einer am
Ebonitdeckel befeſtigten Klemmſchraube führt. Ein zweiter Platindraht, welcher von
der zweiten Klemmſchraube ausgeht, läuft innerhalb eines in der Mitte des Deckels
angebrachten, die poröſe Thonzelle durchſetzenden Ebonitrohres zu einer Porzellan-
ſchale hinab, welche von dem Ebonitrohre getragen wird. Die Schale enthält
Queckſilber und Zinkſtücke und bildet die poſitive Elektrode. Das Batterieglas wird
mit etwa 1½ Liter Flüſſigkeit gefüllt, die entweder aus einer wäſſerigen Löſung
von 250 Gramm Ammoniakſalz oder 140 bis 150 Gramm Natriumbiſulfat, auch
wohl aus Waſſer, welches mit 5 bis 10 Procent engliſcher Schwefelſäure verſetzt
wurde, beſtehen kann.


Die elektromotoriſche Kraft des Elementes beträgt bei ſeiner Inbetriebſetzung
1·25 Volts und der Widerſtand ſoll nur gleich ½ Ohm ſein. In ökonomiſcher Be-
ziehung erzielt es gegenüber anderen Elementen eine bedeutende Erſparniß, was wohl
erklärlich iſt, wenn man bedenkt, daß die Depolariſirung durch den Sauerſtoff der Luft
erfolgt. Um dieſem immer leichten Zutritt zur Kohle zu ſichern, iſt das Batterie-
[485] glas nur ſo weit mit Flüſſigkeit gefüllt, daß das poröſe Gefäß mit der Kohle
etwa zwei Centimeter tief eintaucht.


Im andauernden, kurzen Schluſſe nimmt die Stromſtärke raſch ab; es erklärt
ſich das aus der geſteigerten Waſſerſtoffentwicklung, die in kurzer Zeit den von
der Kohle abſorbirten Sauerſtoff verbraucht. Das Element erholt ſich jedoch wieder,
wenn man es einige Zeit ruhen oder auch in einem Stromkreiſe mit größerem
Widerſtande arbeiten läßt. Recht zweckmäßig iſt die Anordnung der Zinkelektrode
in gewiſſer Entfernung vom Boden des Batterieglaſes. Es wird hierdurch dem
Zinkſalze Gelegenheit gegeben, ſich zu Boden zu ſenken, was die Kohle vor dem
Anſetzen von Kryſtallen ſchützt. Das Element hat namentlich in der Haustelegraphie
eine ziemlich ſtarke Verbreitung gefunden.


Volta war der Erſte, welcher die Beobachtung
gemacht hat, daß auch die Combination zwei Flüſſig-
keiten und ein Metall einen galvaniſchen Strom zu
liefern im Stande iſt, d. h. alſo ein galvaniſches
Element bilden kann. Die beiden Flüſſigkeiten waren
bei dieſen Verſuchen durch eine poröſe Scheidewand
voneinander getrennt, die ſich gegen die Flüſſigkeiten
chemiſch indifferent verhielt. In jede der Flüſſigkeiten
wurde eine Metallplatte eingetaucht.


Becquerel unterwarf hierauf das Verhalten
verſchiedener Flüſſigkeiten einem eingehenden Studium.
Seine erſte Säule mit zwei Flüſſigkeiten beſtand aus
einem mit Salpeterſäure gefüllten Glasgefäße, in
welches ein poröſes mit Kalilöſung gefülltes Gefäß
geſtellt wurde. Verband man die in je ein Gefäß
geſenkten Platinbleche miteinander, ſo erhielt man
ſtets einen galvaniſchen Strom. Die Wirkſamkeit dieſer
erſten Säule hatte aber nur eine kurze Dauer, da ſich
die Poren des poröſen Gefäßes alsbald mit Kryſtallen
verſtopften oder letztere ſogar das Gefäß zerſtörten.


Becquerel wandte auch zwei Flüſſigkeiten und
zwei Metalle an und conſtruirte eine Säule, die dem

Figure 336. Fig. 333.

Maiche-Element.


Daniell-Elemente ſehr nahe kam (1829). Dieſelbe beſtand aus einer Kupfernitrat-
löſung, in welche ein Kupferblech eingeſenkt wurde, und aus einer Zinknitratlöſung
mit einer Zinkplatte.


Wach bediente ſich einer Kupferplatte, welche in Kupferſulfatlöſung getaucht
wurde und einer in Waſſer oder in Ammoniakſalzlöſung getauchten Zinkplatte; die
beiden Flüſſigkeiten waren hierbei durch eine thieriſche Membrane voneinander
getrennt. Obwohl dieſe Anordnung eigentlich das Daniell-Element darſtellt, iſt
doch nicht Wach als Conſtructeur desſelben anzuſehen, weil er dieſe Vorrichtung
nicht als Element gebrauchte, ſondern nur zum Studium der Endosmoſe zuſammen-
geſtellt hat.


Mit der Anwendung zweier Flüſſigkeiten im galvaniſchen Elemente wird
überhaupt bezweckt, die Polariſation auszuſchließen. Man ſchaltet gewiſſermaßen
zwiſchen dem negativen und poſitiven Theile eine depolariſirende Flüſſigkeit ein, die
von der erregenden Flüſſigkeit gewöhnlich durch eine poröſe Scheidewand von
[486] nicht zu hohem Widerſtande getrennt wird. Man iſt beſtrebt, die Polariſation
zu beſeitigen, um einen conſtanten Strom zu erhalten. Jedoch genügt zur Erreichung
dieſes Zieles die Beſeitigung der Polariſation nicht; es muß vielmehr auch der
Widerſtand des Elementes conſtant erhalten werden, was nicht ſo leicht zu
erfüllen iſt. Der Widerſtand ändert ſich nicht nur mit der chemiſchen Veränderung
der Flüſſigkeit, ſondern auch mit der Concentration der chemiſch unveränderten
Flüſſigkeit. Aus dieſem Verhalten leitet Cazin eine Gruppirung der Elemente mit
zwei Flüſſigkeiten in zwei Abtheilungen ab, die ſich voneinander dadurch unterſcheiden,
daß in der einen die Flüſſigkeiten ihre chemiſche Zuſammenſetzung beibehalten,
während in der zweiten chemiſche Veränderungen eintreten, welche den Widerſtand
bemerkenswerth modificiren.


Elemente mit zwei Flüſſigkeiten unveränderlicher chemiſcher
Zuſammenſetzung.

Da wir das Daniell-Element in ſeiner urſprünglichen Form bereits kennen
gelernt haben (Seite 184), werden uns nun nur mehr jene Abänderungen desſelben
beſchäftigen, welche praktiſches Intereſſe beſitzen. Auch von dieſen Elementen wurde
bereits eine Form beſchrieben (Fig. 97, Seite 185). Die Ochſengurgel iſt hierbei
durch eine poröſe Thonzelle erſetzt. Die Anwendung der letzteren bildet einen
wunden Punkt des Elementes. Betrachtet man nämlich die Thonzelle einer Säule,
die einige Zeit in Verwendung geſtanden iſt, ſo ſieht man ſie mit baumartig
veräſtelten Figuren, auch wohl mit Körnern bedeckt, welche aus Kupfer beſtehen.
Dieſe Kupferabſcheidungen haften ſehr feſt und durchdringen auch die Wand der
Zelle, wodurch dieſe ſelbſt zerſtört werden kann. Ebenſo iſt die Herſtellung einer
directen Verbindung des Kupfers mit dem Zinke, alſo ein kurzer Schluß des
Elementes ermöglicht. Da ſich ferner an der Zellwand auch Zinkſchlamm abſetzt,
ſo bildet das ausgeſchiedene Kupfer mit dieſem kleine geſchloſſene Elemente, durch
welche Kupfervitriol ohne jeden Nutzen zerſetzt wird.


Ueber die Urſache der Kupferabſcheidung am Diaphragma wurden verſchiedene
Anſichten ausgeſprochen. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß ſie durch den auf der Zelle
abgeſetzten Zinkſchlamm bewirkt werden. Letzterer beſteht aus Eiſen, Blei, Kupfer,
Kohle u. ſ. w., die ſich bei der Auflöſung des Zinkes in der verdünnten Schwefel-
ſäure entweder gar nicht oder viel langſamer löſen.


Man hat zur Beſeitigung oder Verminderung dieſes Uebelſtandes verſchiedene
Mittel vorgeſchlagen, ſo z. B. den Erſatz der Thonzelle durch Pergamentpapier,
durch Säckchen aus verſchiedenen Geweben u. ſ. w. Iſt das Element ſo zuſammen-
geſetzt, daß das Zink mit der Schwefelſäure ſich innerhalb der Thonzelle befindet,
ſo kann man der Kupferausſcheidung in der Weiſe entgegenwirken, daß man das
Zink in die Mitte der Zelle hängt und dieſe an ihrem Boden mit Wachs tränkt.
Der Zinkſchlamm ſetzt ſich dann nur am Boden der Zelle ab, durch welchen die
Kupfervitriollöſung nicht eindringen kann.


Kramer verhindert die Kupferabſcheidung am Diaphragma dadurch, daß
er eine aus zwei Cylindern beſtehende Kupferelektrode anwendet. Der eine Kupfer-
cylinder k' (Fig. 234) ſteht in dem mit Kupfervitriollöſung gefüllten Diaphragma b,
der zweite Kupfercylinder k umgiebt das Diaphragma b und iſt ſammt dieſem
in ein zweites Diaphragma geſtellt, welches verdünnte Schwefelſäure enthält. Der
Zinkcylinder kommt erſt außerhalb des zweiten Diaphragmas. (In der Figur ſind
[487] das zweite Diaphragma und der Zinkcylinder weggelaſſen.) Die beiden Kupfer-
cylinder ſind durch Ableitungsſtreifen bei n zu einer Elektrode verbunden. Zwiſchen
dem Diaphragma mit der Kupfervitriollöſung und dem Zinke in der Schwefelſäure
iſt alſo noch ein Diaphragma mit Schwefelſäure eingeſchaltet und macht ſomit die
Abſcheidung des Zinkſchlammes unſchädlich.


Sorgt man bei dieſem Elemente für eine
genügende Menge von Kupfervitriol, ſo kann es
mehrere Monate in Gebrauch ſtehen, ohne einer
Aufſicht zu bedürfen.


Zwei Formen des Daniell-Elementes ſtehen
im engliſchen Telegraphendienſte häufig in Verwen-
dung; es ſind dies das Trog-Element und die
Muirhead-Säule.


Das Trog-Element (Fig. 335) bekam ſeinen
Namen wegen der Anwendung rechtwinkeliger Holz-
tröge als Batteriegefäß. Im Innenraume des Troges
ſind eine beſtimmte Anzahl von Schieferplatten derart
eingeſetzt, daß ſie den Trog ſeiner Längsrichtung
nach in einzelne Kammern abtheilen. Jede der-
ſelben iſt durch eine in derſelben Weiſe eingeſetzte
poröſe Porzellanplatte abermals in zwei Theile
getheilt.


Figure 337. Fig. 334.

Kramer-Element.


Die eine Hälfte einer ſolchen Kammer wird mit Kupfervitriollöſung, die
andere mit Waſſer oder einer äußerſt verdünnten Zinkvitriollöſung beſchickt. Alsdann
kommt in jede mit Kupfervitriollöſung gefüllte Abtheilung eine Kupferplatte und

Figure 338. Fig. 335.

Trog-Elemente.


in die anderen Abtheilungen je eine Zinkplatte. Das Einſetzen dieſer Platten wird
einfach in der Weiſe bewirkt, daß je eine Kupfer- und eine Zinkplatte durch einen
Bügel aus Kupferblech miteinander verbunden und durch dieſen auf je eine
Schieferplatte gehängt werden. Die Kupferplatte der erſten und die Zinkplatte der
letzten Zelle ſind mit Klemmſchrauben verſehen und bilden die Batteriepole.


Die Säule gewährt den Vortheil, wenig Raum einzunehmen; die Verdunſtung
der Flüſſigkeiten iſt bei ihr dadurch ſehr erſchwert, daß der Holztrog durch einen
[488] Deckel geſchloſſen werden kann. Iſt durch Einlegen von Kupfervitriolkryſtallen in
die entſprechenden Zellen für Erhaltung hinlänglich concentrirter Kupfervitriol-
löſung geſorgt, ſo kann die Batterie, ohne berührt zu werden, einen Monat lang
im Betriebe bleiben.


Nicht zu Gunſten der Batterie ſpricht aber der Umſtand, daß die Herſtellung
vollkommen dichter Hölztröge und ebenſo dichter Abtheilungen durch die Schiefer-
platten ziemlich ſchwierig iſt. Auch erſcheint die Anwendung gegoſſener Zinkplatten
nicht vortheilhaft, aus Gründen, die wir bereits kennen gelernt haben.


Die Muirhead-Säule iſt dadurch charakteriſirt, daß ſowohl die äußere
als auch die innere Zelle eine rechtwinkelige und abgeplattete Form erhalten hat.


Da das Daniell-Element geraume Zeit conſtant bleibt und überdies auch
noch keinerlei unangenehme oder gar ſchädliche Ausdünſtungen verurſacht, dachte
man auch wiederholt daran, dieſes Element zum Betriebe elektriſcher Lampen zu
verwenden. Dem trat aber der Umſtand hindernd in den Weg, daß die Stromſtärke
eine geringe iſt, was größtentheils von dem großen, durch das Diaphragma in

Figure 339. Fig. 336.

Siemens-Halske-Element.


das Element gebrachten Widerſtande herrührt. Man
beſtrebte ſich daher, dieſen Uebelſtand zu beheben.


Carré erſetzte die Thonzelle durch eine Zelle
aus Pergamentpapier. Zur Erzeugung elektriſchen
Lichtes wurden 60 Elemente zuſammengeſtellt, die
einen hinlänglich ſtarken und conſtanten Strom
lieferten. Dieſe Elemente können nahezu bis zum
gänzlichen Aufbrauche des Zinkes functioniren, ohne
die Stromſtärke zu ändern; hierbei kann die Ver-
wendung eine ununterbrochene oder eine zeitweilig
unterbrochene ſein.


Durch Siemens-Halske erhielt das Daniell-
Element die in Fig. 336 dargeſtellte Form. Auf
den Boden des cylindriſchen Glasgefäßes A kommt
eine Kupferſpirale oder Platte zu liegen, von deren
Mitte aus ein Kupferdraht nach aufwärts geführt
wird, der die poſitive Elektrode f bildet. Ueber die
Kupferplatte ſtülpt man dann eine Glocke aus poröſem Thon (in der Figur punktirt
gezeichnet), in welche eine vertical aufwärts ſteigende Glasröhre eingekittet iſt,
durch deren Mitte der früher erwähnte Kupferdraht verläuft.


Auf die Glocke kommt hierauf die Papiermaſſe e, die man ſich in der Weiſe
bereitet, daß man Papierbrei mit Schwefelſäure (einem Viertel ſeines Gewichtes) und
Waſſer (der vierfachen Menge) verrührt, auspreßt und ſo lange durchknetet, bis
die Maſſe vollkommen homogen geworden iſt. Dann wird ſie auf die Glocke des
Batterieglaſes gebracht und dort feſtgeſtampft.


Der Raum innerhalb der Glocke und der Glasröhre wird mit Kupfervitriol-
kryſtallen gefüllt; auf die Papiermaſſe außerhalb kommt ein Leinwandlappen und
darauf der maſſive Zinkring Z n, von welchem aus ein Meſſingſtab mit Klemm-
ſchraube nach oben führt. Das Element wird durch Eingießen von angeſäuertem
Waſſer in die Röhre und in das Batterieglas in Thätigkeit geſetzt.


Das Element hat in Folge der Verdickung des Diaphragmas durch die
Papiermaſſe einen ziemlich hohen Widerſtand, ein Umſtand, dem übrigens bei der
Anwendung des Elements in der Telegraphie keine Bedeutung zukommt, da hierbei
[489] der äußere Stromkreis ohnehin auch einen hohen Widerſtand beſitzt. Der Strom
bleibt conſtant, wenn man die das Zink umgebende Flüſſigkeit beiläufig alle 14 Tage
entfernt und durch reines Waſſer erſetzt. Hierbei kann zweckmäßig auch der Lein-
wandlappen, auf welchem das Zink aufliegt, herausgenommen und vom Metall-
ſchlamme gereinigt werden.


Bei längerem Gebrauche des Elementes zeigt ſich, daß durch die Anwendung
der Papiermaſſe der Uebertritt von Kupferſulfat zum Zink wohl verringert, aber
nicht beſeitigt wurde; man findet dann nämlich auch bei dieſem Element vielfache
Kupferabſcheidungen in der Papiermaſſe und am Diaphragma.


Trouvé ſuchte den Nachtheil der Elemente, welcher darin beſteht, daß bei
ihnen ein Zinkverbrauch auch dann ſtattfindet, wenn ſie nicht gebraucht werden,
durch die in Fig. 337 abgebildete Conſtruction zu vermeiden. Das Trouvé-
Element
beſteht aus einer Zink- und einer Kupferplatte, zwiſchen welche eine große
Anzahl von Löſchpapierſcheiben gegeben wird. Die der Kupferplatte zunächſt liegende
Hälfte der Scheiben iſt mit Kupfervitriollöſung, die andere Hälfte mit Zinkvitriol-
löſung getränkt und dann getrocknet
worden. Von der Kupferplatte aus
geht durch die Mitte der Papierſcheiben
der mit Hartgummi iſolirte, ableitende
Kupferdraht. Natürlich muß auch die
Zinkplatte iſolirt von letzterem auf-
geſetzt werden. Das auf dieſe Weiſe
geformte Element wird dann durch eine
Schraubenmutter und das auf dem
vorhin erwähnten Kupferdraht ein-
geſchnittene Gewinde an eine Hart-
gummiſcheibe oder Schieferplatte be-
feſtigt, welche gleichzeitig den Deckel
für das Batterieglas bildet. Der Deckel
iſt noch von einem zweiten Draht durch-

Figure 340. Fig. 337.

Trouvé-Element.


ſetzt, der ebenfalls eine Schraubenmutter trägt und den Zinkpol des Elementes
darſtellt.


Will man das Element in Thätigkeit ſetzen, ſo läßt man auf dasſelbe Waſſer
fließen, bis ſich die Papierſcheiben angeſaugt haben. Man erkennt dies daran, daß
in Folge der Preſſung, die durch das Anſaugen entſteht, an den Rändern der
Scheiben ausgepreßte Tropfen erſcheinen. Das Element wird dann in das Batterieglas
eingeſetzt und iſt dienſtbereit. Das verſchloſſene Glas verhindert das Verdunſten
der Flüſſigkeit und erhält ſomit die Wirkſamkeit des Elementes. Im Verlaufe
derſelben rückt die Grenze zwiſchen Kupfer- und Zinkvitriollöſung immer mehr
gegen die Kupferplatte zu, weil eben Kupfervitriol verbraucht und Zinkvitriol
gebildet wird. Iſt die Kupfervitriollöſung faſt ganz aufgebraucht (was nach einigen
Monaten erfolgt), ſo iſt die Wirkſamkeit des Elementes natürlich zu Ende und
man muß dasſelbe neu beſchicken.


Wird das Element nicht bis zur Erſchöpfung verwendet, ſo vermeidet man
dadurch einen unnützen Verbrauch, daß man es aus dem Glaſe herausnimmt und
längere Zeit einem Luftzuge ausſetzt, durch welchen die Papierſcheiben getrocknet werden.


Die Neubeſchickung eines ausgebrauchten Elementes erfolgt in der Weiſe, daß
man dasſelbe in ein Gefäß mit Waſſer bringt, ſo daß letzteres jene Hälfte
[490] der Papierſcheiben durchtränkt, welche der Kupferplatte zunächſt liegen. Man laugt
hierdurch die Zinkvitriollöſung aus und macht die Scheiben zur Aufnahme neuer
Kupfervitriollöſung brauchbar. Letzteres bewirkt man, indem man das Waſſer im
Auslauggefäße durch Kupfervitriollöſung wieder bis zur ſelben Höhe erſetzt.


Der Ausſchluß einer Flüſſigkeit und die dadurch bewirkte bequeme Transport-
fähigkeit des Elementes, ſowie auch der ziemlich conſtant bleibende Widerſtand
desſelben, die einfache In- und Außerbetriebſetzung, zu welcher nur Waſſerzufuhr
oder Wegnahme erforderlich iſt und endlich der Umſtand, daß das Element im
trockenen Zuſtande (alſo außer Verwendung) keinerlei Stoffverbrauch aufweiſt, läßt
es ſpeciell für militäriſche und mediciniſche Zwecke geeignet erſcheinen. Trouvé
hat daher auch Batterien in einer dem jeweiligen Zwecke entſprechenden Form
zuſammengeſtellt.


Die Uebelſtände, welche die Anwendung eines Diaphragmas mit ſich bringt,
gaben Veranlaſſung, auf die gänzliche Beſeitigung desſelben zu denken. So wurde
die poröſe Zelle z. B. von Minotto durch eine Sandſchichte erſetzt.


Das Minotto-Element beſteht aus einem Steingutgefäße, welches zur
Hälfte mit zerkleinerten Kupfervitriolkryſtallen gefüllt wird, in welche man eine
Kupferplatte einbettet. Von dieſer führt ein durch Guttapercha iſolirter Draht aus
dem Batteriegefäße heraus und bildet den poſitiven Pol des Elementes. Auf die
Kupfervitriolkryſtalle kommt eine Schichte feinen Quarzſandes (Kalkſand würde von
der Schwefelſäure angegriffen) und hierauf die Zinkplatte. Der von letzterer
ausgehende Poldraht iſt ſpiralig gewunden, damit das Zink entſprechend dem
Verbrauche des Kupfervitriols nach und nach hinabſinken kann. Schließlich bedeckt
man noch das Zink mit einer Schichte Waſſer. Bei längerem Gebrauche des
Elementes muß man die Zinkplatte von Zeit zu Zeit herausnehmen und reinigen.
Der Widerſtand desſelben iſt größer als jener des Daniell-Elementes; man kann
ihn dadurch verkleinern, daß man die Kupferplatte höher ſtellt, auch wohl zwiſchen
der Kupfervitriol- und der Sandſchichte anbringt, oder die Sandſchichte dünner
macht; ferner kann auch der Quarzſand durch ein anderes Material, z. B. Coaks-
pulver, erſetzt werden.


Die elektromotoriſche Kraft des Minotto-Elementes kann jene des Daniell-
Elementes erreichen und bleibt monatelang conſtant. Gegenüber dem letztgenannten
Elemente zeichnet ſich das Minotto-Element aus durch den Wegfall des Diaphragmas,
den geringeren Verbrauch an Kupfervitriol und Zink und durch einfache Wartung.
Die Verminderung des Materialverbrauches rührt daher, daß bei geöffnetem
Stromkreiſe die chemiſchen Proceſſe nahezu vollſtändig unterbrochen ſind. Die
Wartung des Elementes beſteht ausſchließlich in der zeitweiligen Reinigung der
Zinkplatte und im Erſetzen des verdampften Waſſers. Das Verdampfen des Waſſers
kann überdies noch durch Verſchließen des Batteriegefäßes ſehr vermindert werden.
Das Element wird namentlich in Italien, Deutſchland, Belgien und Holland
häufig verwendet.*)


[491]

Varley ließ ſich bereits im Jahre 1855 ein Element patentiren, bei welchem
das Diaphragma ganz vermieden und die Trennung der Flüſſigkeiten nur durch
das verſchiedene ſpecifiſche Gewicht derſelben bewirkt war. Doch fand dieſes Element
keine Verbreitung; zu einer ausgedehnten Anwendung brachte es hingegen das


Meidinger-Element. Ein bei b ſich verjüngendes Glas A (Fig. 338)
bildet das Batteriegefäß. Der Zinkcylinder Z ſtützt ſich mit ſeinem unteren Rande
auf die Einſchnürung des Glaſes bei b und iſt bei c mit einem Ableitungsdrahte
verſehen. Am Boden des Batterieglaſes iſt ein zweites kleines Gefäß aufgeſtellt,
welches mit ſeinem Rande etwas über die Einſchnürung b hinausreicht. In dieſem
befindet ſich das Kupfer- oder Bleiblech, welches die zweite Elektrode des Elementes
darſtellt; der Ableitungsdraht g f iſt durch Guttapercha oder ein anderes Iſolirungs-
mittel gut iſolirt. Das Element wird durch einen Holzdeckel verſchloſſen, durch

Figure 341. Fig. 338.


Figure 342. Fig. 339.

Meidinger-Elemente.


deſſen mittlere Bohrung die mit Kupfervitriolkryſtallen beſchickte Röhre h bis in
das Gefäß d hinabgeſenkt wird.


Um das Element in Thätigkeit zu ſetzen, wird das Gefäß d mit Kupfer-
vitriolkryſtallen und das Batteriegefäß A mit Waſſer oder (um den Widerſtand
zu vermindern) mit Bitterſalzlöſung gefüllt. Die Kryſtalle löſen ſich auf und
umgeben die Kupfer- oder Bleielektrode mit einer Löſung von Kupfervitriol, die
als ſpecifiſch ſchwerer den unteren Theil des Elementes einnimmt, während die
leichtere Bitterſalzlöſung in dem oberen Theile des Glaſes den Zinkcylinder umgiebt.
Da die Röhre h unten mit einer Oeffnung verſehen iſt, können auch die Kryſtalle
in dieſer Röhre, dem Verbrauche des Kupfervitriols entſprechend, nach und nach
aufgelöſt werden.


Fordert man von dem Elemente ſtändigen Dienſt, wie z. B. in der Telegraphie
bei Arbeiten mit Ruheſtrom, ſo iſt der Kupfervorrath bald verbraucht und das
Element bedürfte einer häufigen Nachfüllung, alſo einer beſonderen Wartung. Um
[492] dieſen Uebelſtand zu vermeiden, hat Meidinger ſein Element in die durch Fig. 339
dargeſtellte Form gebracht.


Das Ballon-Element unterſcheidet ſich von dem vorbeſchriebenen dadurch,
daß die mit Kupfervitriolkryſtallen gefüllte Glasröhre durch einen ebenſo gefüllten
Glasballon erſetzt iſt, deſſen Hals in das kleine Gefäß taucht, während deſſen
Bauch auf dem Rande des Batterieglaſes aufruht und gleichzeitig den Verſchluß
des Elementes bewerkſtelligt.


Die elektromotoriſche Kraft des Elementes iſt von jener des Daniell-Elementes
wenig verſchieden; hingegen beſitzt das Meidinger-Element in Folge der Hinweg-
laſſung eines Diaphragmas einen bedeutend geringeren Widerſtand. Der Nachtheil,
daß das Element nicht transportirbar iſt, hat für ſeine Anwendung im Telegraphen-
dienſte keine große Bedeutung. Das Ballon-Element iſt ſchon ſeit einer Reihe von
Jahren im badiſchen, öſterreichiſchen und preußiſchen Telegraphendienſte in Verwen-
dung, dient bei der Lyoner Bahn zum Betriebe von Läutewerken und wird im

Figure 343. Fig. 340.

Kohlfürſt-Element.


ruſſiſchen Eiſenbahn- und Staatstelegraphendienſte faſt
ausnahmslos benützt. Bei einem Faſſungsvermögen
des Ballons von ein Kilogramm Kupferſulfat bedarf
das Element nach Dehms 12 bis 14 Monate lang
keiner Bedienung. Durch die Anwendung einer Blei-
elektrode, die ſich ohnehin bald mit Kupfer überzieht,
wird nicht nur Kupfer erſpart, ſondern auch das Ab-
löſen des ausgeſchiedenen Kupfers wegen der Biegſam-
keit des Bleidrahtes ſehr erleichtert. Ein Nachtheil des
Elementes iſt in dem größeren Materialverbrauche
begründet, der dadurch bewirkt wird, daß die Löſungen
ſtets concentrirt erhalten werden. Damit die Kupfer-
vitriollöſung nicht zu hoch ſteigen kann, muß die
Oeffnung des Ballonhalſes entſprechend dem wirklichen
Verbrauche an Kupfervitriol bemeſſen werden.


Krüger änderte das Meidinger-Element dahin
ab, daß er den Zinkcylinder am oberen Rande des
Batteriegefäßes aufhängt; der Zinkcylinder reicht bei-
läufig in die Hälfte des Glaſes hinab. Innerhalb des Zinkcylinders befindet ſich ein
cylindriſch eingerolltes Kupferblech, welches mit Kupfervitriolkryſtallen gefüllt wird,
während die Flüſſigkeit des Batteriegefäßes wieder aus Bitterſalzlöſung beſteht.
Der Kupfercylinder iſt ebenſo lang wie das Batterieglas und an ſeinem unteren
Theile mit zwei Schlitzen verſehen, welche der Kupfervitriollöſung eine leichtere
Ausbreitung geſtatten. In Folge dieſer Anordnung bildet ſich die Kupfervitriollöſung
langſam und bleibt am Boden des Glaſes, ohne mit dem Zinke in Berührung zu
kommen. Das Krüger-Element beſitzt dank ſeiner Anordnung einen geringeren
Widerſtand als das Meidinger-Element und iſt auch zu billigerem Preiſe herzu-
ſtellen.


Eine bei der Buſchtěhrader Bahn ſeit ungefähr 10 Jahren in Verwendung
ſtehende Modification des Meidinger-Elementes iſt das Kohlfürſt-Element. Das
bei b b (Fig. 340) verengte Batterieglas A iſt oben durch den eiſernen Deckel D
verſchloſſen. Dieſer trägt nach unten das doppelt-koniſch geformte Zink Z und
oben die Klemmſchraube x. Als zweite Elektrode wird ein Bleiblech benützt,
welches im Batterieglaſe unterhalb der Einſchnürung b b angebracht iſt; von
[493] dieſem führt ein durch Guttapercha iſolirter Kupferdraht f durch den Deckel aus
dem Batterieglaſe heraus. Der untere Theil des Glaſes bis zur Einkröpfung
wird mit Kupfervitriolkryſtallen gefüllt und mit einer durchlöcherten Thonplatte
bedeckt. Die Füllflüſſigkeit, welche durch den verſchließbaren Trichter L eingegoſſen
wird, beſteht aus Zinkvitriol- oder Bitterſalzlöſung. Bevor das Element verſchloſſen
wird, beſtreicht man den Glasrand mit einer dickflüſſigen Gummilöſung, um das
Auswittern der Salze zu verhindern. Eine Füllung des Elementes dauert bei ſtarker
Inanſpruchnahme ſechs bis acht, bei geringer zehn bis vierzehn Monate.


Die Erſparungen, welche bei Anwendung dieſes Elementes gegenüber jener
der offenen Meidinger-Elemente oder der Elemente von Krüger, welche früher bei
der oben genannten Bahn in Verwendung ſtanden, eintraten, erhellen aus den
ſtatiſtiſchen Berichten der General-Direction,*) denen nachſtehende Tabelle entnommen
iſt. Hierzu muß bemerkt werden, daß der Erſatz der Meidinger- und Krüger-Elemente
durch ſolche von Kohlfürſt vom Jahre 1873 an ſucceſſive eintrat.


In die einfachſte Form wurde das Meidinger-Element im Jahre 1861 durch
Callaud gebracht. Das in Fig. 341 abgebildete Callaud-Element beſitzt
am Grunde des Gefäßes einen cylindriſch gebogenen, auch wohl ſpiralig eingerollten
Kupferblechſtreifen, von welchem gut iſolirt ein Kupferdraht aus dem Gefäße
herausführt und einen durch drei Winkelbleche aufgehängten Zinkcylinder. Der
untere Theil des Batterieglaſes iſt mit einer Löſung von Kupfervitriol gefüllt, ſo
daß die Oberfläche dieſer Flüſſigkeit beiläufig drei Centimeter von dem unteren
Rande des Zinkcylinders entfernt zu ſtehen kommt. Oberhalb der Kupfervitriol-
löſung giebt man Waſſer oder Zinkvitriollöſung. Man kann das Gefäß auch noch
durch einen Trichter verſchließen, deſſen Spitze in den Kupfercylinder hineinragt;
der Trichter erhält eine Füllung von Kupfervitriolkryſtallen, die durch ihr continuir-
liches Nachſinken die Kupfervitriollöſung beſtändig concentrirt erhalten. Es iſt jedoch
beſſer, hiervon abzuſehen und dafür von Zeit zu Zeit die verbrauchte Kupfervitriol-
löſung zu erſetzen.


Das Callaud-Element erfreut ſich einer ſehr häufigen Anwendung in den
Telegraphenämtern Frankreichs und der Vereinigten Staaten; ſeine Dimenſionen
ſind folgende: Das Glas iſt 20 Centimeteter hoch und beſitzt einen Durchmeſſer
von beiläufig 13 Centimeter. Das Kupferblech iſt drei Centimeter hoch und beſitzt
[494] eine Oberfläche von einem Quadratdecimeter, das Zinkblech hat eine Höhe von ſieben
Centimeter bei fünf Centimeter Halbmeſſer.


Ungefähr alle drei Monate wird das Zink gereinigt und gleichzeitig ſetzt
man 200 bis 300 Gramm Kupfervitriol hinzu; um ein Zunehmen des Widerſtandes
zu verhindern, entfernt man auch einen Theil der Zinkvitriollöſung und erſetzt
dieſe durch Waſſer. Die Füllung des Elementes überhaupt wird am beſten in
der Weiſe ausgeführt, daß man nach dem Einſetzen der beiden Metallbleche Zink-
vitriollöſung in das Glas bringt, bis deren Oberfläche dem unteren Rande des
Zinkcylinders nahe kommt. Hierauf läßt man durch einen Heber, der am Boden
des Batterieglaſes ausmündet, Kupfervitriollöſung einfließen; die Kupfervitriollöſung
drängt die Zinkvitriollöſung zurück und bildet dann die untere Flüſſigkeitsſchichte.


Nach einer dreijährigen Beobachtung, angeſtellt durch verſchiedene Perſonen
an 28 Batterien zu 18 Elementen, aufgeſtellt in ebenſo vielen Stationen, verurſacht
ein Element pro Jahr 32 kr. (ö. W.) Auslagen.


Figure 344. Fig. 341.

Callaud-Element.


Figure 345. Fig. 342.

Modificirtes
Callaud-Element.


Das Callaud-Element wurde wiederholt auf ſeinen Widerſtand unterſucht
und ergab ſich hierbei derſelbe für große und kleine Elemente ziemlich gleichwerthig,
vorausgeſetzt, daß die Elektroden entſprechend angeordnet wurden. Gaugain fand
bei einer vergleichenden Unterſuchung den Widerſtand zunächſt gleich 37 Einheiten,
nach 22 Tagen aber gleich 5·5 Einheiten. Cailleret erhielt nachſtehende
Reſultate:


  • 26. Januar 1876 Widerſtand 32·5 Siemens-Einheiten.
  • 29. „ 1876 „ 25 „
  • 4. Februar 1876 „ 17·5 „
  • 12. „ 1876 „ 11·5 „
  • 16. „ 1876 „ 10·5 „
  • 25. „ 1876 „ 9·25 „

Aus dieſen und ähnlichen Beobachtungen erſieht man, daß der Widerſtand
des Elementes wechſelt, aber ſtets nach einiger Zeit bedeutend abnimmt (W. Ph.
Hauck, 1. c.).


Das Callaud-Element hat eine ſehr ausgedehnte Anwendung, allerdings
unter ſehr verſchiedenen Namen, die aber nichts weiter zu bedeuten haben, als
[495] irgend eine leichte Abänderung der Form oder Anordnung. In dieſe Kategorie
gehört z. B. das


Trouvé-Callaud-Element, welches hauptſächlich für mediciniſche Zwecke
zuſammengeſtellt wurde. Es beſteht aus einem Glaſe von 12 Centimeter Höhe
bei 7 Centimeter Durchmeſſer, auf deſſen Rande ſich ein Zinkcylinder durch drei
Ausbiegungen feſthält, während die zweite Elektrode durch eine ebene Drahtſpirale
gebildet wird, von welcher ein durch eine übergeſchobene Glasröhre geſchützter
Draht aus dem Glaſe herausführt. Bildet man aus dem Ende desſelben federnde
cylindriſche Spiralen, welche ſich auf den am Zinkbleche befeſtigten Draht aufſchieben
laſſen, ſo bedarf man auch keiner Klemmen. Ein derartiges Element kommt auf
32 kr. (ö. W.) zu ſtehen.


Eine in Oeſterreich benützte, gleichfalls höchſt einfache Form iſt durch
Fig. 342 dargeſtellt. Bei dieſer iſt noch ein Deckel beigefügt, um das Verdampfen
der Flüſſigkeit zu verzögern; der Deckel dient dann
gleichzeitig zum Anſchrauben der Zinke. Die größten
Gläſer, welche hierbei zur Verwendung kommen,
ſind 25 Centimeter hoch und beſitzen einen Durch-
meſſer von 12 Centimeter.


Lockwood modificirte das Callaud-Element
in der durch Fig. 343 dargeſtellten Weiſe. Die
Zinkelektrode bildet ein der Vergrößerung der
Oberfläche wegen eigenthümlich geſtaltetes Gußſtück,
welches durch einen Dreifuß gehalten wird, der
auf dem Rande des Glaſes aufruht. Dieſes ſelbſt
iſt 28 Centimeter hoch und 14 Centimeter weit
und wird zur Hälfte mit Kupfervitriolkryſtallen
gefüllt. Die Kupferelektrode beſteht aus zwei ebenen,
horizontalen Spiralen, deren eine auf den Boden
des Gefäßes zu liegen kommt, indeß die andere
oberhalb der Kupfervitriolſchichte angeordnet wird.
Der aus dem Glaſe herausführende Ableitungsdraht
und beide Spiralen bilden ein Stück, indem der
am Boden des Glaſes angelangte Draht zunächſt
eine Spirale mit immer enger werdenden Windungen

Figure 346. Fig. 343.

Lockwood-Element.


formt, aus der Mitte dieſer Spirale (alſo auch in der Mitte des Glaſes) aufwärts
ſteigt und in entſprechender Höhe ſich zu einer Spirale von ſtets größer werdenden
Windungen krümmt. Als Erregungsflüſſigkeit dieſer, namentlich in den Vereinigten
Staaten angewandten Säule dient eine Löſung von Zinkſulfat. Das Verdampfen
der Flüſſigkeit und das Auftreten von Effloreſcenzen wird durch Aufgießen einer
Oelſchichte hintangehalten.


Im öſterreichiſchen Telegraphendienſte ſind ſeit 1878 auch Elemente verſuchsweiſe
in Verwendung, welchen A. E. Granfeld eine, wie es ſcheint, zweckmäßige Form
gegeben hat. Das Glasgefäß beſteht hierbei aus zwei cylindriſchen Gläſern, die
in ihren oberen Hälften miteinander in Verbindung ſtehen, deren untere Hälften
aber durch Glaswände getrennt erſcheinen. Kupferblech und Kupfervitriolkryſtalle
kommen in das eine Glas, während in das andere ein Zinkcylinder eingehängt
wird, deſſen unterer Rand mit der oberen Grenze der Scheidewand in einer Ebene
liegen ſoll. Die Beſchickung erfolgt mit Waſſer.


[496]

Ohne auf weitere Modificationen näher einzugehen, wollen wir in dieſer
Gruppe von Elementen noch einer Anordnung gedenken, welche Reynier dem
Daniell-Elemente gegeben hat. Das Reynier-Element (Fig. 344) beſteht aus
einem vierſeitig prismatiſchen Glasgefäße, in welches ein Kupferblech von der
Form eingeſetzt wird, wie ſie Fig. 344 a zeigt. Dieſes Blech umfaßt eine Zelle
aus Pergamentpapier, welche dieſelbe Geſtalt hat wie das Batterieglas. In die
Zelle kommt ein dem Kupferblech ähnlich gebogenes Zinkblech. Das Element erhält
als Füllung zwei Flüſſigkeiten, nämlich Kupfervitriollöſung im Batterieglaſe und
Natronlauge in der Zelle.


Durch den Erſatz der Schwefelſäure durch Natronlauge erreicht man einerſeits,
daß die Diffuſion der Kupfervitriollöſung zum Zink verhindert wird, weil ſich
an den Berührungsflächen von Natronlauge und Kupfervitriol (alſo am Diaphragma)
während der Ruhezeit des Elementes ſchwer lösliches Kupferoxydhydrat bildet,
welches die Poren der Zelle verlegt, und andererſeits eine Erhöhung der elektro-
motoriſchen Kraft auf 1·3 bis 1·5 Volts; überdies wird auch unnützer Zinkverbrauch
vermieden.


Figure 347. Fig. 344.

Figure 348. Fig. 344

a.


Reynier-Element.


Die Papierzelle wird nicht durch Zuſammennähen oder Kleben, ſondern
durch eine ſehr einfache Faltung hergeſtellt. Um den Durchgang der Flüſſigkeiten
zu erſchweren, wendet man nicht einfache, ſondern zwei- oder dreifache Zellen an,
wodurch natürlich auch der Widerſtand erhöht wird. Um dieſen zu verringern,
miſcht Reynier Salze bei, welche an den chemiſchen Proceſſen keinen Antheil nehmen.


Elemente mit zwei Flüſſigkeiten veränderlicher chemiſcher Zuſammenſetzung.

Grove war der Erſte, welcher eine Säule mit zwei Flüſſigkeiten zuſammen-
ſtellte, von denen Salpeterſäure die depolariſirende Subſtanz bildete (1839). Die
Grove-Elemente in ihrer urſprünglichen Form kamen zu keiner Anwendung,
wohl aber ihre verſchiedenen Modificationen. Eine der gebräuchlichſten, die dem
Elemente von Poggendorff gegeben wurde, lernten wir bereits kennen (Seite 186).
Wir können hier nur noch ergänzend bemerken, daß ſpäter das theure Platinblech
umgangen wurde, indem man an Stelle dieſes Porzellanplatten mit eingebranntem
Platin zur Anwendung brachte. Hiermit ſind aber die Nachtheile verbunden, daß
[497] die dünne Platinſchichte einen erheblichen Widerſtand bietet und die Befeſtigung
des Ableitungsſtreifens Schwierigkeiten verurſacht.


Das Bunſen-Element, in welchem das Platinblech durch Kohle erſetzt iſt,
wurde in einer ſeiner älteren Formen gleichfalls bereits beſchrieben. (Seite 187.)
Der Vorſchlag, Kohle zu verwenden, wurde allerdings ſchon vor Bunſen von
verſchiedenen Seiten gemacht, jedoch iſt es erſt Bunſen gelungen, das Element
allgemeiner in Gebrauch zu bringen.


Die Herſtellung der Kohlencylinder verurſachte aber Schwierigkeiten. Archereau
ſchlug daher vor, vierſeitige Kohlenprismen anzuwenden, dieſe mit der Salpeter-
ſäure in das Diaphragma zu geben und außerhalb desſelben ein cylindriſch gebogenes
Zinkblech in verdünnte Schwefelſäure zu tauchen. Auch die Herſtellung eines guten
Contactes zwiſchen der Kohle und dem Ableitungsſtreifen veranlaßte verſchiedene
Abänderungen. Lange Zeit wurde auf Vorſchlag Deleuil’s die Befeſtigung in der
Weiſe hergeſtellt, daß man das
Kohlenprisma an der oberen Fläche
koniſch ausbohrte und in dieſe
Bohrung einen Kupferkonus, an
dem der Ableitungsſtreifen angelöthet
war, mit ſtarker Reibung einſetzte.


Bei dem heute am häufigſten
gebrauchten, franzöſiſchen Elemente,
welches in Fig. 345 abgebildet iſt,
ſind kleine Schraubenzwingen aus
Meſſing in Verwendung. In das
Batteriegefäß, das aus Glas oder
Steingut angefertigt ſein kann,
kommt ein aus etwa vier Millimeter
ſtarkem Zinkbleche gebogener Cylin-
der Z n. Dieſer umſchließt die poröſe
Thonzelle, in welcher die prismatiſche
Kohle C zu ſtehen kommt. Letztere
hat gewöhnlich einen viereckigen
Querſchnitt und wird aus Retorten-

Figure 349. Fig. 345.

Bunſen-Element.


kohle geſchnitten oder auch aus künſtlicher Kohle hergeſtellt. Die Kohle muß
über das Diaphragma hinausragen, damit die Schraubenklemme der Salpeter-
ſäure nicht zu nahe kommt. Aus demſelben Grunde macht man auch das Zink
höher als das Batteriegefäß.


Der Ableitungsſtreifen des Zinkcylinders iſt häufig an letzterem angenietet
und gelöthet; dies iſt jedoch gar nicht zu empfehlen, da dieſe Streifen dann beim
Amalgamiren der Zinkcylinder ſehr läſtig werden; auch iſt das Zink an der
Löthſtelle einer ſehr raſchen Zerſtörung ausgeſetzt, da der Kupferblechſtreifen und
das Zink eben ein geſchloſſenes Element bilden, ſobald Säure auf die Löthſtelle
kommt, was auch damit nicht ganz ausgeſchloſſen werden kann, daß man die
Zinke höher als die Batteriegefäße macht, abgeſehen davon, daß dies zu einem
großen Aufwande von Zink führt. Die Löthſtellen ſind aber auch beim Amalgamiren
ſehr der Zerſtörung ausgeſetzt, da das Queckſilber das Zinn des Lothes auflöſt.
Die Zinkcylinder zeigen ſich bei andauerndem Gebrauche an ihrer unteren Seite
am ſtärkſten abgenützt, weshalb es zweckmäßig ſein wird, dafür zu ſorgen, daß
Urbanitzky: Elektricität. 32
[498] man ſie ſtürzen kann. Es iſt daher auch aus dieſem Grunde das Anlöthen der
Ableitungsſtreifen nicht zu billigen.


Es iſt am zweckmäßigſten, Klemmen anzuwenden, welche an das Zink,
beziehungsweiſe an die Kohle angeſchraubt werden, ſo wie es die Fig. 345 zeigt.
Um nicht zu viele einzelne Klemmen und Verbindungsſtücke zu erhalten, empfiehlt
es ſich allerdings, je eine Zink- mit je einer Kohlenklemme zu verbinden; jedoch
wird es gut ſein, als Verbindungsſtück elaſtiſche, biegſame Blechſtreifen zu verwenden.
Da die Salpeterſäure und ihre Dämpfe ſehr ſtark oxydirend wirken, ſo werden
die blanken Flächen an den Klemmen ſehr raſch matt, mit einer Oxydſchichte überzogen
und geben dann einen ſchlechten Contact. Es müſſen deshalb beim Zuſammenſtellen
einer Batterie ſämmtliche Stellen der Klemmſchrauben, welche mit der Kohle oder
mit dem Zinke in Berührung zu kommen haben, ſorgfältig blank gemacht werden.
Es geſchieht dies am beſten durch Abfeilen, weil Abätzen durch eine Säure zu
ſtark angreift und Abreiben mit Schmirgel- oder Glaspapier durch Hängenbleiben
kleiner Glas- oder Schmirgeltheilchen die metalliſche Berührung gerade verhindern
kann. Man läßt häufig die Schraube, welche die Metallzwinge an die Kohle
anpreßt, nicht direct mit ihrer Spitze auf die Kohle drücken, ſondern legt ein
Metallblättchen unter, um ſo eine größere Berührungsfläche zu erhalten. Dieſe
Einrichtung iſt jedoch, wie Jedermann, der mit Bunſen-Elementen gearbeitet hat,
zugeben muß, ganz verwerflich. Es wird durch das Einfügen dieſer Blättchen die
Arbeit des Zuſammenſtellens und Demontirens einer Batterie erheblich verlängert
und nur zu leicht entgleitet ein ſolches Blättchen der Hand und fällt dann natürlich
in die mit Salpeterſäure gefüllte Zelle. Da man es aus Meſſing oder Kupfer
herſtellt, wird es ſofort unter heftiger Gasentwicklung aufgelöſt, wodurch die
ohnehin ſtarke und geſundheitsſchädliche Entwicklung von Unterſalpeterſäure erheblich
vermehrt wird. Sind die Blättchen an der Schraube beweglich befeſtigt, ſo fällt
der angegebene Uebelſtand allerdings weg.


Außer der ſorgfältigen Reinigung ſämmtlicher Contactſtellen iſt noch die
Amalgamirung der Zinkbleche von Wichtigkeit; in welcher Weiſe dieſe zweckentſprechend
ausgeführt wird, ſoll uns weiter unten noch beſchäftigen.


Die Entwicklung von Unterſalpeterſäure (ſiehe Seite 186), eines ebenſo läſtigen
als geſundheitsſchädlichen Gaſes, iſt eine bedeutende Schattenſeite der Bunſen-
Batterie. Sie macht auch deren Anwendung in Räumen, wo Menſchen ſich aufhalten
ſollen, unmöglich, zerſtört durch ihre Ausdünſtung alles Metalliſche. Wenn ſie trotz
dieſes bedeutenden Uebelſtandes ſich doch einer großen Verbreitung und häufigen
Anwendung erfreut, ſo liegt die Urſache darin, daß ſie eine ſo hohe elektromotoriſche
Kraft (circa 1·9 Volts) beſitzt und hierbei auch ihr Widerſtand ein geringer iſt.


Die Bunſen-Säule iſt weniger conſtant als das Daniell-Element und ſeine
Varianten, was wegen der ſich ſtets ändernden chemiſchen Zuſammenſetzung der
Flüſſigkeiten leicht zu begreifen iſt.


Um den Widerſtand zu vermindern, das Säurevolumen zu verringern und
um Raum zu erſparen, hat man das Bunſen-Element (ebenſo wie das Grove-Element)
aus ebenen Platten zuſammengeſetzt, die dann in rechteckige prismatiſche Thonzellen,
beziehungsweiſe Batteriegefäße geſtellt werden. Da ſich bei dieſer Anordnung die
Zink- und Kohlenplatten ſehr nahe gegenüberſtehen, iſt es begreiflich, daß der
Widerſtand der Säule auf 0·060 Ohms ſinken kann.


Das Bunſen-Element erfuhr noch mannigfache Abänderungen: ſo erſetzte
Rouſſe den Zinkcylinder durch einen ſolchen aus Blei, Maiche durch einen Cylinder
[499] aus Eiſenblech, den er in Waſſer ſtellt, welches mit Salpeterſäure (1 : 100) verſetzt
wurde. Letztere Anordnung bezweckt, die Säule conſtanter zu machen und die läſtige
Gasentwicklung zu unterdrücken. Erſteres ſoll dadurch bewirkt werden, daß das
Eiſen langſamer angegriffen wird wie das Zink und daß nur einerlei Flüſſigkeit
zur Anwendung gelangt. Letzteres wird eben in Folge der langſamer vor ſich
gehenden Auflöſung des Eiſens und der Bildung gewiſſer Verbindungen ſehr
vermindert. Die elektromotoriſche Kraft der Säule beträgt jedoch nur 0·8 jener
des Bunſen-Elementes.


Auch der Erſatz des Platinbleches durch Eiſen wurde von verſchiedener
Seite verſucht. Schönbein bediente ſich gußeiſerner Töpfe, welche er mit einer
Miſchung von zwei Theilen concentrirter Salpeterſäure und einem Theil Schwefelſäure
beſchickte. In das Flüſſigkeitsgemiſch wurde eine Thonzelle, das Zink und verdünnte
Schwefelſäure enthaltend, eingeſetzt. Der Zuſatz von Schwefelſäure zur Salpeterſäure
läßt eine beſſere Ausnützung der letzteren zu, da die Schwefelſäure der Salpeter-
ſäure Waſſer entzieht, und der ſchädlichen Verdünnung derſelben entgegenwirkt.
Es iſt dies beim Eiſen-Element umſo nothwendiger, als das Eiſen ſonſt aufgelöſt
wird. Durch Einwirkung concentrirter Salpeterſäure wird nämlich das Eiſen in
einen Zuſtand verſetzt, den man den „paſſiven“ nennt und dieſer Zuſtand iſt es
eben, der die Anwendung im galvaniſchen Element ermöglicht; er hört auf, wenn
die Säure über eine beſtimmte Grenze hinaus verdünnt wird.


Von den Eiſen-Elementen gelangte das Callan-Element namentlich in
Oeſterreich zu einer ziemlich ausgebreiteten Verwendung. Es beſteht aus einem
Steingut- oder Glasgefäße, welches das cylindriſch gebogene Zinkblech und verdünnte
Schwefelſäure aufnimmt, und der innerhalb des Zinkcylinders eingeſenkten Thonzelle
mit Salpeterſäure und der Eiſen-Elektrode; letztere erhält einen kreuzförmigen
Querſchnitt und beſitzt oben einen cylindriſchen Anſatz, der mit einer horizontalen
Bohrung und einer verticalen Klemmſchraube verſehen iſt, um die Verbindungen
der Elemente durch Drähte herſtellen zu können.


Gegenüber dem Bunſen- oder Grove-Element zeichnet ſich das Callan-Element
durch billigeren Preis, größere Feſtigkeit und geringeren Widerſtand der Elektrode
und durch die Vermeidung eines Uebergangswiderſtandes an den Verbindungsſtellen
zwiſchen Elektrode und Ableitungsdraht aus; angenehm iſt auch, daß die Elektroden
beim Herausheben aus der Säure keine Flüſſigkeit zurückhalten.


Hingegen erfordert die Zuſammenſtellung der Säule Vorſicht, da durch das
bedeutende Gewicht des Eiſens die Thonzelle leicht beſchädigt werden kann; auch
darf beim Betrieb der Elemente der richtige Zeitpunkt zur Erneuerung der Salpeter-
ſäure nicht überſehen werden, weil ſonſt das Eiſen wieder activ wird.


Den letzterwähnten Uebelſtand hat Uelsmann durch Anwendung von Silicium-
Eiſen, d. h. Eiſen, welches Silicium enthält, ſehr verringert. Die elektromotoriſchen
Kräfte beider Elemente ſind ziemlich gleich groß und nehmen mit der Verdünnung
der Säure auch ziemlich gleichförmig ab, bis der Gehalt an Salpeterſäure nicht
unter 30 Procent geſunken iſt. Bei geringerem Gehalte (20 Procent) wird das
gewöhnliche Eiſen bereits activ. Die elektromotoriſche Kraft des Silicium-Eiſens
nimmt dann zwar auch langſam ab, bis der Säuregehalt auf 15 Procent geſunken
iſt, ſteigt aber wieder bei weiterer Verdünnung. Die Anwendung des Silicium-Eiſens
geſtattet eine Mehrausnützung der Salpeterſäure um beiläufig 10 Procent.


Man verſuchte auch an Stelle der Salpeterſäure verſchiedene andere Flüſſig-
keiten zur Anwendung zu bringen, wie z. B. Königswaſſer (eine Miſchung von
32*
[500] Salzſäure und Salpeterſäure), Chlorſäure u. ſ. w., erzielte aber keine brauchbaren
Reſultate.


Auf der Ausſtellung für Elektricität in Paris war ein von Howeſſ conſtruirtes
Element zu ſehen, welches nachſtehende Zuſammenſetzung zeigt. In dem cylindriſchen
Thongefäße A, Fig. 346, befindet ſich eine mit Längsſchlitzen verſehene Zelle B
und innerhalb dieſer das Diaphragma C mit der Zinkſtange Z. Die Kohlenplatte
K im Batteriegefäße iſt von einem Gemenge, beſtehend aus Pyroluſit, Retorten-
kohlenklein und einem Zuſatze von Manganſulfat umgeben. Dieſes Gemenge wird
feſt eingeſtampft und durch eine Schichte bituminöſer Kohlenmaſſe bedeckt, um das
Herausfallen der Körner zu verhindern; einige Oeffnungen in dieſer Decke geſtatten
den Gaſen zu entweichen.


In die poröſe Thonzelle kommt etwas Queckſilber, um das Zink ſtets gut
amalgamirt zu erhalten, und eine 2·5procentige Löſung von Ammoniumſulfat.
Die Flüſſigkeit außerhalb der Thonzelle beſteht aus verdünnter Schwefelſäure.


Der Widerſtand des Elementes wird zu fünf bis ſechs Ohms, die elektro-

Figure 350. Fig. 346.

Howell-Element.


motoriſche Kraft zu 2 ¼ Volts angegeben; die
Depolariſation ſoll ausreichend und die Wirkung des
Elementes andauernd ſein. Nähere Angaben hierüber
fehlen leider.


Das Beſtreben, ein billiges und geruchloſes
Element herzuſtellen, führte Buff zur Conſtruction
des Eiſenchlorid-Elementes. Bei dieſem ſteht
das Zink in einer mit verdünnter Schwefelſäure gefüllten
Thonzelle, die Kohle hingegen in einer ſyrupdicken Löſung
von Eiſenchlorid. Bei dieſer Combination trat jedoch
eine ſehr raſche Stromabnahme ein. Das Element gab
beſſere Reſultate, wenn zur Eiſenchloridlöſung Salzſäure
zugeſetzt und die verdünnte Schwefelſäure durch eine
concentrirte Kochſalzlöſung erſetzt wurde.


Die Depolariſation wird bei dieſem Elemente nicht
ſehr vollſtändig erreicht und überdies bilden ſich auf
den Elektroden nichtleitende Ueberzüge, die in kurzer
Zeit eine Stromſchwächung bewirken.


Im Scrivanow-Cſemente iſt die Anwendung von Flüſſigkeiten ganz
vermieden. Dieſes trockene Element beſteht aus einer Kohle- und einer Zinkplatte
und einer depolariſirenden Maſſe, welche zuſammengeſetzt iſt aus Ammonium-
[Queckſilberchlorid] (10 Gewichtstheile), Chlornatrium (3 Gewichtstheile) und Chlor-
ſilber (0·25 Gewichtstheile). Dieſes Gemenge wird nämlich mit einer ſchwach
ſauren Löſung von Zinkchlorür zu einer teigartigen Maſſe gemiſcht und dann in
einer zwei Millimeter dicken Schichte auf die paraffinirte Kohlenplatte aufgetragen.
Auf dieſe Schichte kommen fünf bis ſechs Lagen aus ſchwediſchem Filtrirpapier,
welches mit einer Löſung getränkt wurde, die aus gleichen Theilen Chlorzink und
Chlornatrium gebildet wurde. Die Ränder der Papierſcheiben werden mit Paraffin
auf der Kohle befeſtigt.


Das Element iſt ein trockenes und nimmt wenig Raum ein; es konnte
daher von Scrivanow gleich in die Form eines Taſters, wie ſolche bei Klingel-
werken üblich ſind, gebracht werden. Fig. 347 ſtellt einen ſolchen Taſter dar,
welcher gleichzeitig das ſtromgebende Element in ſich trägt. C iſt die Kohle,
[501]Z das Zink, P die mit der angegebenen Flüſſigkeit getränkte Papierſchichte und
zwiſchen P und C befindet ſich die depolariſirende Subſtanz. Durch einen Druck
auf den Taſter T wird das Zink, welches gewöhnlich durch eine Feder von
der Papierſchichte abgezogen iſt, gegen dieſe angedrückt und dadurch das Element
geſchloſſen.


Die elektromotoriſche Kraft des Elementes beträgt 1·3 Volts und man
reicht mit einer einmaligen Füllung vier bis fünf Wochen aus. Eine Klingel kann
damit andauernd in Thätigkeit geſetzt werden.


Marié-Davy erſetzte die Salpeterſäure im Bunſen-Elemente durch ſchwefel-
ſaures Queckſilberoxydul oder auch durch ſchwefelſaures Queckſilberoxyd; letzteres
wird aber weniger angewendet, weil es bei ſeinem Zuſammentreffen mit Waſſer
ein ſchwer lösliches Salz abſcheidet, welches die Poren der Thonzelle verſtopft.
Dank der Schwerlöslichkeit des Queckſilberſalzes diffundirt dieſes auch ſehr langſam;
überdies bringt das diffundirte Queckſilberſalz auch keinen unnützen Zinkverbrauch
mit ſich, ſondern erhält ſogar die Amalgamirung des Zinkes ſtets in gutem Zuſtande.


Achtunddreißig dieſer Elemente lieferten auf einer
Telegraphenlinie mit Tag- und Nachtdienſt einen Strom
von derſelben Stärke wie 60 Daniell-Elemente und waren
hierbei 5 Monate und 23 Tage ſtets in Verwendung,
während die Daniell-Elemente trotz ihrer größeren Dimenſion
nur 2 Monate und 23 Tage verwendet werden konnten.
Ein weiterer Vorzug der Queckſilber-Elemente beſteht
auch darin, daß ſie bei ihrem Gebrauche Queckſilber ab-
ſcheiden, aus welchem neuerdings das Queckſilberſalz bereitet
werden kann.


Zu Ungunſten der Elemente ſprechen jedoch ihr
hoher Anſchaffungspreis, der überdies auch noch ein ſtets
ſchwankender iſt und daß die Queckſilberſalze ſehr giftig ſind.


Zu den Mitteln, welche ſich zur Depolariſation
eignen, iſt auch der Schwefel zu rechnen. Allerdings ent-
wickelt dann das Element Schwefelwaſſerſtoff. Savary

Figure 351. Fig. 347.

Scrivanow-Element.


läßt das Zink in eine gewöhnliche Salzlöſung tauchen, ſetzt aber dem Salzwaſſer,
welches die Kohle im Diaphragma umgiebt, Schwefelpulver zu; die Kohle iſt
hierbei mit einigen Windungen von Kupferdraht verſehen. Das Element ſoll ſehr
conſtant ſein und ebenſo kräftig wirken wie ein Daniell-Element.


Das Fuller-Element, welches ſeit dem Jahre 1871 im engliſchen Telegraphen-
dienſte eingeführt iſt und dort in einer Anzahl von etwa 20.000 Exemplaren im
Gebrauche ſteht, iſt ein Chromſäure-Element. Die im Diaphragma befindliche Zink-
Elektrode z, Fig. 348, hat die Form einer abgeſtumpfen Pyramide. Um ſie ſtets gut
amalgamirt zu halten, bedeckt man den Boden der Thonzelle mit Queckſilber (circa
30 Gramm). Die Kohlenplatte a ſteht außerhalb des Diaphragmas und iſt 15
Centimeter lang und 5 Centimeter breit. An ihrem oberen Theile iſt ein Metall-
kopf angegoſſen, welcher mit einer Klemmſchraube zum Befeſtigen der Poldrähte
verſehen wird. Dieſe Säule giebt im Telegraphendienſte ſehr gute Reſultate und
beſitzt eine doppelt ſo große elektromotoriſche Kraft und einen geringeren Widerſtand
als ein Daniell-Element von denſelben Dimenſionen.


In der Station Paddington verſehen 64 Elemente Tag und Nacht den
Dienſt, welchen 11 Linien erfordern, deren Längen von 42 bis 248 Meilen
[502] wechſeln. Nach den dort angeſtellten Beobachtungen erforderte die Batterie trotzdem
im ganzen Jahre (1878) nur einen zehnmaligen Schwefelſäurezuſatz und fünfmal
einen Zuſatz von Bichromat; Ende December wurde ſie zerlegt, das Zink erneuert
und Alles gereinigt*).


Man erſieht hieraus, daß das Element eine ſehr geringe Bedienung braucht
und trotzdem einen ſehr angeſtrengten Dienſt zu verſehen im Stande iſt. Es eignet
ſich daher für einen ſolchen Dienſt beſſer als das Leclanché-Element, welches
wieder für minder angeſtrengten Dienſt vorzuziehen iſt, da es während der Ruhe-
pauſen gar kein Zink verzehrt. Verſuche, das Fuller-Element zur Erzeugung des
elektriſchen Lichtbogens zu verwenden, ergaben jedoch keine günſtigen Reſultate.


Bedarf man längere Zeit hindurch eines conſtanten kräftigen Stromes, ſo
bedient man ſich öfter ſolcher Einrichtungen, durch welche die depolariſirende
Flüſſigkeit ihrem Verbrauche entſprechend fortwährend erneuert wird. Es tritt
dieſer Fall z. B. bei der Anwendung galvaniſcher Batterien für elektriſches Licht
ein. Zur Erreichung desſelben Zweckes giebt Cloris Baudet dem Chromſäure-

Figure 352. Fig. 348.

Fuller-Element.


Elemente nachſtehende Einrichtung. Ein Diaphragma, in
der Mitte des Batteriegefäßes, enthält wie gewöhnlich
die Zinkplatte und angeſäuertes Waſſer. Außerdem ſtehen
aber noch zwei Thonzellen innerhalb des Batteriegefäßes,
von welchen die eine Schwefelſäure und die andere durch-
löcherte Thonzelle Kryſtalle von doppeltchromſaurem Kali
enthält. Das Batteriegefäß ſelbſt wird mit der Kohlen-
platte und der gewöhnlichen Chromſäurelöſung beſchickt.
In demſelben Maße als nun dieſe durch die Thätigkeit
der Säule verbraucht wird, gelangen die Chromſalz-
kryſtalle unter Einwirkung der durch das Diaphragma
diffundirenden Schwefelſäure in Löſung und erſetzen die
verbrauchte Flüſſigkeit. Ein Nachtheil dieſer Anordnung
beſteht darin, daß hierdurch die Löſung ſtets concentrirt
erhalten und dadurch die Ausſcheidung von Chromalaun-
kryſtallen ſehr gefördert wird; dieſe ſetzen ſich aber in
den Poren der Kohle feſt und vermindern dadurch die Kohlenoberfläche.


Slater erſetzt die Zinkelektrode durch eine Nickelplatte und bezweckt damit,
das Element zur Erzeugung werthvoller Producte zu benützen. Es bildet ſich nämlich
in dieſem Falle Nickelſulfat, welches in der Galvanoplaſtik verwendet werden kann.
Leider iſt aber auch dieſer Vorſchlag praktiſch nicht zu verwerthen, weil in Folge
der ſtets ſtattfindenden Diffuſion der Löſungen durch die poröſe Thonzelle die
Salze nicht rein erhalten werden.


Batteriebeſtandtheile.

Aus vorſtehenden Beſchreibungen haben wir erſehen, daß die Anwendung
von Kohle in ſehr vielen Elementen wiederkehrt. Fragen wir, worin die Urſache
der häufigen Verwendung der Kohle liegt, ſo müſſen wir uns zur Beantwortung
dieſer Frage zunächſt darüber Rechenſchaft geben, welche Rolle beide Elektroden
[503] den Flüſſigkeiten gegenüber zu ſpielen haben. Bei Benützung von Kohle wird als
zweite Elektrode Zink verwendet; dieſes löſt ſich unter gleichzeitiger Zerſetzung des
Waſſers auf. Soll das Element conſtant wirken, ſo müſſen die beiden Zerſetzungs-
producte, Waſſerſtoff und Sauerſtoff, unſchädlich gemacht werden. Da ſich der
Sauerſtoff mit dem Zink verbindet, haben wir noch für die Unterbringung des
Waſſerſtoffes zu ſorgen. Als Mittel hierfür, d. h. als Depolariſirungsmittel, haben
wir den Sauerſtoff der Luft, ſauerſtoffreicher Säuren und Salze, den Schwefel u. ſ. w.
kennen gelernt. Um hierbei zum Ziele zu gelangen, wird es vortheilhaft ſein, ſolche
Elektroden anzuwenden, welche eine möglichſt große Oberfläche beſitzen, damit der
Waſſerſtoff an möglichſt vielen Punkten mit dem Sauerſtoffe in Berührung kommt.
Da aber andererſeits zu große Dimenſionirung der Elektrode unvortheilhaft iſt,
ſo werden jene Stoffe für die Herſtellung der Elektrode beſonders geeignet erſcheinen,
welche vermöge ihrer Structur in verhältnißmäßig kleinem Raume große Oberflächen
beſitzen, d. h. Stoffe, die porös ſind. Sie werden ihren Zweck umſo beſſer erfüllen,
wenn der betreffende Körper überdies auch noch die Eigenſchaft beſitzt, Gaſe (alſo
auch Sauerſtoff) an ſeiner Oberfläche zu verdichten, alſo in größerer Menge zu
abſorbiren. Doch ſind hiermit die Anforderungen, welche an die Elektrode geſtellt
werden, noch nicht erſchöpft; man verlangt vielmehr auch von ihr, daß ſie kein
zu ſchlechter Elektricitätsleiter ſei und daß ſie von den Säuren nicht ange-
griffen werde.


Dieſen Anforderungen entſpricht nun von allen Stoffen die wir kennen, die
Retortenkohle am beſten; ſie iſt ſehr porös, abſorbirt Gaſe in bedeutender Menge,
wird durch Säuren gar nicht angegriffen und ſetzt auch dem Durchgange des
elektriſchen Stromes keinen zu großen Widerſtand entgegen. Man verſteht unter
Retortenkohle (Gaskohle, Retortengraphit) jene Kohle, welche ſich an den inneren
Wandungen der Retorten der Gasanſtalten abſetzt und das Product einer Zerſetzung
der aus den Kohlen entwickelten ſchweren Kohlenwaſſerſtoffgaſe durch die Hitze
bildet. Dieſe Kohle iſt bisweilen ſo hart, daß ſie am Stahl Funken giebt.


Aus der Retortenkohle können nun Elektroden geſchnitten werden, wie man
ſolche für die Elemente braucht. Doch iſt dies häufig mit verſchiedenen Schwierig-
keiten verbunden. Manche Elemente erfordern Cylinder aus Kohle, manche Zwecke
verlangen die Anwendung großer Platten. Beides iſt aus Retortenkohle nicht leicht,
häufig gar nicht herzuſtellen, da nicht nur die Bearbeitung derſelben eine ſchwierige
iſt, ſondern das Rohmaterial, nämlich die Retortenkohle ſelbſt, ſchwer in großen
und brauchbaren Stücken erhalten werden kann. Die Beſchaffung des Rohmaterials
wird überhaupt in dem Maße ſchwieriger, als die Methoden der Gaserzeugung
vervollkommt werden.


Dies war wohl auch der Grund, warum die Kohlen-Elemente ſich erſt dann
Bahn brachen, als es Bunſen gelungen war (1842), brauchbare Batteriekohlen
künſtlich herzuſtellen. Das Bunſen’ſche Verfahren zur Herſtellung künſtlicher Kohle
beſteht der Hauptſache nach darin, Coaks (2 Theile) und Steinkohle (1 Theil)
im feingepulverten Zuſtande innig zu miſchen, in eine Eiſenform zu preſſen und
in dieſer ſo lange zu glühen, bis keine Gaſe mehr entweichen. Da die ſo erhaltene
zuſammengebackene Maſſe jedoch zu porös iſt, wird ſie mit Syrup getränkt und
unter Luftabſchluß neuerdings geglüht. Letzteres Verfahren wiederholt man ſo lange,
bis die Kohle die gewünſchte Dichte erlangt hat.


Sprague miſcht Graphit mit Steinkohlentheer zu einem teigartigen Gemenge,
trocknet dieſes und ſetzt es dann in einer Muffel von Kohlenpulver umgeben der
[504] Rothgluth aus. Auch die ſo erhaltene Kohle iſt noch zu porös. Sie wird daher
ebenfalls in Syrup, Melaſſe oder Zuckerlöſung getaucht und neuerdings geglüht.


Auf eine Schwierigkeit, die bei Anwendung von Kohlen-Elektroden entſteht,
nämlich die der Befeſtigung von Ableitungsſtreifen, haben wir bereits hinzuweiſen
Gelegenheit gehabt. Bei Anwendung runder Kohle kann die Befeſtigung durch
Umlegen eines Kupferbandes, welches dann durch eine Schraube zuſammengezogen
wird, hergeſtellt werden. Bei Kohlenplatten biegt man über den oberen Rand der
Kohle ſeiner ganzen Länge nach einen Streifen Kupferblech und preßt dieſes mit
Schrauben oder Nieten, welche durch die Kohle gehen, an dieſe beiderſeits an.
Die Befeſtigung der Leitungsdrähte am Kupfer verurſacht natürlich keine weiteren
Schwierigkeiten. Dieſe Art der Befeſtigung hat jedoch den Uebelſtand, daß durch
zu feſtes Anpreſſen des Kupfers an die Kohle letztere gebrochen werden kann,
während bei zu geringer Preſſung der Contact ein unverläßlicher wird.


Beſſere Reſultate erhält man durch einen Metallanguß oder durch galvano-
plaſtiſches Ueberziehen des Kohlenkopfes (d. h. des oberen Endes der Kohlenplatte).
Beim erſteren Verfahren wird Blei oder Zink benützt und hierbei entweder die
Kohle in die Gußform eingelegt und dann das Metall eingegoſſen oder man
taucht die Kohlenplatte in das geſchmolzene Metall ein. Die Verbindung mit der
Kohle wird inniger, wenn letztere mit Einkerbungen oder Löchern verſehen iſt. Da
ſich das Zink beim Erkalten zuſammenzieht, wird die Kohle feſt umpreßt und der
Contact iſt ein verläßlicher; die Zuſammenziehung iſt ſo ſtark, daß ſie bei großen
Kohlenplatten zum Reißen des Metallumguſſes führt, wenn man nicht die Vorſicht
gebraucht, dem Zinke einen Bleizuſatz zu geben.


Verwendet man Blei zum Umgießen der Kohle, ſo muß dieſes gegen Auf-
ſteigen der Säure in der Kohlenplatte geſchützt werden, weil die Schwefelſäure
mit dem Blei ein ſchwerlösliches Salz, das Bleiſulfat, bildet, welches ſchädlichen
Widerſtand verurſacht. Dieſem Uebelſtande wird einfach durch Eintauchen des
Kopfes in Paraffin vorgebeugt.


Will man einen galvanoplaſtiſchen Niederſchlag, an welchem der Ableitungs-
draht direct angelöthet werden kann, benützen, ſo muß die Dicke desſelben entſprechend
bemeſſen werden, da bei zu dicker Kupferſchichte dieſe ſich leicht wieder ablöſt.
Hauck hält es für das Vortheilhafteſte, den Kupferniederſchlag zu verzinnen (oder
auch direct Zinn auf der Kohle niederzuſchlagen) und dann den Kopf noch mit
einem Metallanguſſe zu verſehen. Die Paraffinirung erfolgt nicht durch Eintauchen
des ganzen Kopfes, weil ſich hierbei das Metall ausdehnt und Paraffin zwiſchen
Kohle und Metall gelangen kann, ſondern durch Aufgießen möglichſt heißen
Paraffins 1 ½ bis 2 Centimeter unter dem Metallkopfe bei wagrecht gehal-
tener Platte.


Man kann von dieſen Befeſtigungsarten der Leitungsdrähte Abſtand nehmen,
wenn man Retortenkohle benützt, deren Oberfläche glatt iſt und welche feine
Poren beſitzt, da ſolche Kohlen hinlänglich gute Leiter ſind. Man erkennt ſolche
Kohlen ſowohl an ihrem Ausſehen als auch an dem metalliſchen Klange. Bedient
man ſich ſolcher Kohlen, dann genügen wohl einfache Klemmen, die durch Schrauben
an die Kohle angepreßt werden. Es gewährt dies den Vortheil, die Contactſtellen
leicht einer Reinigung unterziehen zu können. In Fig. 349 ſind verſchiedene
Formen von Klemmſchrauben abgebildet; zum Einklemmen von Kohlenplatten
werden zum Beiſpiele Formen wie die mit c, d oder g bezeichneten verwendet,
für dünne Metallplatten f oder h u. ſ. w.


[505]

Die Herſtellung künſtlicher Kohle von ſolcher Dichte, beziehungsweiſe Leitungs-
fähigkeit, iſt allerdings nicht unmöglich, doch verurſacht dies einen zu großen Koſten-
aufwand; man zieht daher die mindere Sorte vor, muß dann aber auch bei der
Befeſtigung der Ableitungsſtreifen in der früher angegebenen, ſorgfältigen Weiſe zu
Werke gehen.


Ebenſo häufig wie die Kohle oder eigentlich nahezu ausnahmslos kommt
das Zink in galvaniſchen Elementen zur Verwendung. Auch über die Beſchaffen-
heit und Verwendungsform dieſes Materiales wurden bereits wiederholt Bemerkungen
eingeflochten. Es erübrigt uns noch, eine mit dem Zinke vorzunehmende Operation
zu betrachten, auf deren Wichtigkeit bei den meiſten Elementen zwar hingewieſen,
deren Ausführung aber nicht angegeben wurde: es iſt dies das Amalgamiren
der Zinke
. Von den verſchiedenen Vorſchriften, welche hierfür gegeben werden,
ſollen nachſtehend einige Erwähnung finden.


Hat man eine hinreichende Menge (zu anderen Zwecken unbrauchbaren)
Queckſilbers zur Verfügung, ſo füllt man ſelbes in ein Glas- oder Steingut-

Figure 353. Fig. 349.

Klemmſchrauben.


gefäß bis ungefähr zur halben Höhe des zu amalgamirenden Zinkcylinders. Hierauf
bedeckt man das Queckſilber mit einer Schichte von Salzſäure und taucht nun die
Zinkcylinder ein. Zieht man letztere wieder heraus, ſo erſcheinen ſie an ihrer Innen-
und Außenſeite vollkommen amalgamirt. Die Zinkcylinder werden dann umgeſtürzt
und in Waſſer geſtellt, welches die Salzſäure abwäſcht, während gleichzeitig das
überflüſſige Queckſilber abtropft.


Hat man die Amalgamirung in einem geſchloſſenen Raume auszuführen, ſo
wird man von den ſtechenden Dämpfen der Salzſäure allerdings ziemlich beläſtigt;
man ändert das Verfahren daher häufig dahin ab, daß man die Zinke nicht mit
Salzſäure, ſondern mit verdünnter Schwefelſäure (1 : 10) abbeizt. Die Schwefel-
ſäure wirkt aber nicht ſo raſch und deshalb genügt nicht das einfache Eintauchen
der Zinke. Man muß dieſe vielmehr in einem eigenen Gefäße in die verdünnte
Schwefelſäure ſtellen und darin einige Zeit laſſen, bevor man ſie in das Queck-
ſilber taucht.


Nicht ſehr zu empfehlen iſt das Amalgamiren der Zinkcylinder mit Hilfe
einer Queckſilberlöſung, d. h. einer Auflöſung von Queckſilber in Königswaſſer
[506] (Salzſäure und Salpeterſäure) oder das Einreiben des auf den Cylinder aufgetropften
Queckſilbers mit einer Kupferdrahtbürſte oder einem mit Filz umwundenen Holz-
ſtab, der in Salzſäure getaucht wurde. Erſteres Verfahren bewirkt eine nicht ſehr
vollſtändige Amalgamirung und letzteres iſt ſehr mühſelig.


Will man mit dem Queckſilber ſparen, ſo kann man unter Beibehaltung des
früher angegebenen Verfahrens in das Innere des Zinkcylinders einen Cylinder
aus Holz bringen und das Queckſilber durch Hinabdrücken dieſes ſteigen machen.
Ferner kann man ſich auch durch Ineinanderkitten zweier cylindriſcher Glasgefäße
einen Hohlraum von ringförmigem Querſchnitte herſtellen, oder endlich eine mulden-
förmige Wanne aus emaillirtem Eiſen verwenden, in welcher man durch Drehen
des umgelegten Zinkcylinders um ſeine Axe nach und nach die geſammte Innen-
und Außenfläche desſelben mit dem Queckſilber in Berührung bringt.


Bei der Beſprechung der Elemente ſind wir auch wiederholt platinirten
Elektroden
begegnet. Solche kommen namentlich beim Smee-Element zur Ver-
wendung; dieſes beſteht, wie wir wiſſen, aus Zink und einer platinirten Platin-
oder Silberplatte. Der Ueberzug mit Platinmoor hat den Zweck, der Platte eine
rauhe, ſammtähnliche Beſchaffenheit zu geben, durch welche das Ablöſen der Waſſer-
ſtoffbläschen erleichtert wird; überdies nimmt der Ueberzug von Platinmoor Sauerſtoff
auf, wodurch der Polariſation gleichfalls entgegengewirkt wird. Um dieſen Platin-
moorüberzug zu erhalten, giebt man die betreffende Platte in eine ſaure Löſung
von Platinchlorid, eine Verbindung, die durch Auflöſen von Platin in Königswaſſer
erhalten wird. In dieſelbe Löſung taucht man noch ein Platinblech und verbindet
dieſes mit dem poſitiven Pole einer galvaniſchen Säule, während der negative Pol
derſelben mit der zu platinirenden Platte verbunden wird. In dieſer Weiſe wird
Platin im feinvertheilten Zuſtande elektrolytiſch auf der Platte abgeſchieden und
dieſe erhält dadurch die gewünſchte rauhe Oberfläche.


Von den Säuren, welche in den Elementen zur Verwendung kommen,
ſind namentlich die Schwefelſäure und die Salpeterſäure in Betracht zu ziehen.
Die Chromſäure und die Herſtellung ihrer Löſung wurden bereits an entſprechender
Stelle berückſichtigt.


Die Schwefelſäure gelangt ſtets im verdünnten Zuſtande zur Anwendung.
Das Miſchungsverhältniß wird verſchieden angegeben, doch verwendet man gewöhnlich
eine Säure, welche durch Miſchen von 8 bis 12 Theilen engliſcher Schwefelſäure
mit 100 Theilen Waſſer erhalten wird. Man verwendet zur Herſtellung dieſer
Miſchung natürlich nicht erſt die Wage, ſondern mißt die beiden Flüſſigkeiten mit Hilfe
der Batteriegläſer, alſo etwa in der Art: Wäre z. B. eine Batterie von 10 Elementen
zuſammenzuſtellen, ſo hat man zunächſt ein Element zuſammenzuſtellen und das
Batteriegefäß mit Waſſer bis zu jener Höhe zu füllen, zu welcher die verdünnte
Schwefelſäure reichen ſoll. Nimmt man dann dieſes Element wieder auseinander,
ſo erfüllt das Waſſer gewöhlich die Hälfte des Batteriegefäßes. Man mißt nun
neunmal dieſelbe Menge Waſſer ab und leert ſie in ein Glas-, Steingut- oder
Holzgefäß und gießt dann einmal obige Menge Schwefelſäure dazu.


Beim Miſchen der Schwefelſäure mit Waſſer hat man ſtets die Schwefelſäure
in das Waſſer zu gießen und dafür zu ſorgen, daß die Schwefelſäure in einem
dünnen Strahle und nicht zu raſch einfließt, während das Waſſer durch Umrühren
mit einem Glas- oder Holzſtabe in Bewegung erhalten wird. Die beiden Flüſſig-
keiten erhitzen ſich bei ihrer Vermiſchung ſehr bedeutend und kann ein umgekehrtes,
Verfahren, nämlich das Eingießen von Waſſer in Schwefelſäure, gefährlich werden.
[507] Die erſten Partien des Waſſers, welche in die Schwefelſäure kommen, erhitzen ſich
nämlich ſo ſtark, daß ſie in Dampf verwandelt werden, der dann bei ſeinem
Entweichen Schwefelſäure herausſchleudern kann.


Durch die Bereitungsweiſe der Schwefelſäure in Bleikammern und Bleigefäßen
enthält dieſe gewöhnlich Blei aufgelöſt. Dieſes Blei fällt als weißes Pulver
(Bleiſulfat) aus der Schwefelſäure heraus, wenn man dieſe ſtark mit Waſſer
verdünnt, weil es nur in der concentrirten Säure löslich iſt. Dieſer Proceß ſpielt
ſich daher auch bei der Herſtellung der Batterieflüſſigkeit ab; man wird deshalb
gut thun, die noch warme Flüſſigkeit nicht ſofort in die Batteriegefäße einzufüllen,
ſondern ſie erſt abkühlen zu laſſen, um ſo dem Bleiſulfate Zeit zum Abſetzen
zu laſſen.


Einen beachtenswerthen Vorſchlag, die Anwendung unreiner Schwefelſäure
betreffend, hat A. d’Arſonval gemacht. Er giebt nämlich dieſer einen Zuſatz von
Brennöl, vier bis fünf Kubikcentimeter auf den Liter Säure. Durch dieſen Zuſatz
bildet ſich Glycerin-Schwefelſäure, während die Verunreinigungen der Schwefelſäure
(Blei, Arſen ꝛc.) in Form von Seifen herausgefällt werden. Außerdem wird
hierdurch die Amalgamirung der Zinke erleichtert und ein Verbrauch derſelben
bei ungeſchloſſenem Stromkreiſe vermieden. Während ein amalgamirter Zinkſtab in
gewöhnlicher Schwefelſäure in acht Tagen 42 Gramm an Gewicht verloren hatte,
zeigte ein anderer in dieſer Miſchung nur einen Abgang von 1·5 Gramm
(W. Ph. Hauck, l. c.)


Die Salpeterſäure wird im concentrirten Zuſtande angewendet; wie oft
ein und dieſelbe Säure verwendet werden kann, hängt natürlich hauptſächlich von
der Inanſpruchnahme der Elemente ab. Hat man für die bereits einmal gebrauchte
Säure eine anderweitige Verwendung, ſo iſt es wohl am beſten, ſtets friſche Säure
zu nehmen. Ein Mittel, bereits gebrauchte Salpeterſäure wieder wirkſam zu machen,
haben wir bereits im Zuſatze von Schwefelſäure kennen gelernt und dabei erfahren,
daß die Wirkſamkeit dieſes Zuſatzes in der waſſerentziehenden Kraft der Schwefel-
ſäure begründet iſt. Daß ſich auf dieſe Weiſe eine beſſere Ausnützung der Sal-
peterſäure erzielen läßt, iſt wohl einleuchtend, wenngleich nicht überſehen werden
darf, daß der Zuſatz von Schwefelſäure eben auch eine Verdünnung der Salpeter-
ſäure, d. h. eine Vertheilung eines beſtimmten Quantums derſelben auf ein größeres
Volumen, bewirkt und auch den Widerſtand des Elementes verändert.


Schönbein ſchlug vor, für die Eiſen-Elemente eine Salpeterſäure zu verwen-
den, welcher ein Drittel Schwefelſäure zugeſetzt wurde, und Wigner empfiehlt für
Grove-Elemente ein Gemenge von zwei Theilen Salpeterſäure und fünf Theilen
Schwefelſäure oder bei länger andauernder Benützung der Elemente die Anwendung
von 3 ½ Theilen Salpeterſäure.


Verbindung der Elemente zu Batterien.

Ueber die Zahl der Elemente, welche man zu einer Batterie zu verbinden
hat, läßt ſich nur ſagen, daß ſie ganz von dem Zwecke abhängt, zu welchem die
Batterie beſtimmt iſt. Dasſelbe gilt von der Verbindungsweiſe der Elemente
untereinander. Wann dieſelben hintereinander, nebeneinander oder in gemiſchter
Schaltung anzuwenden ſind, wurde bereits erörtert und begründet. (Seite 195 u. f.)
Es erübrigt uns noch die Beantwortung der Fragen: wie iſt eine Batterie auf-
zuſtellen, wie in oder außer Betrieb zu ſetzen?


[508]

Es iſt wohl ſelbſtverſtändlich, daß man für die Aufſtellung der Batterie
einen Ort zu wählen hat, an welchem die Elemente gegen Regen, große Hitze
oder bedeutende Kälte geſchützt ſind. Die Batteriegefäße ſelbſt kann man auf
Bretter oder beſſer auf glaſirte Thonplatten ſtellen. Um ſeitliche Ableitungen
des Stromes durch verſchüttete Säuren zu vermeiden, iſt es vortheilhaft, wenn
die Thonplatten mit Leiſten verſehen ſind, ſo daß die Batteriegefäße hohl ſtehen
und die Säure ablaufen kann. Dasſelbe bezweckt auch ein Vorſchlag Wigner’s,
der dahin geht, die Batteriegefäße auf Glasſtäbe zu ſtellen.


Die Elemente müſſen ſo aufgeſtellt werden, daß ſie alle leicht zugänglich
ſind, alſo womöglich in einer oder zwei Reihen, wohl auch im Kreiſe oder
Viereck. Man bringt die Elemente mit ihren Elektroden und dem Diaphragma
verſehen an ihre Plätze und verbindet ſie auch gleich miteinander, da ein Verbinden
der Elemente nach ihrer Beſchickung mit Säure leicht Anlaß zum Verſchütten der
letzteren geben kann, ſobald die Elemente nicht ganz in entſprechender Entfernung
voneinander poſtirt worden ſind und daher hin- und hergerückt werden müſſen.
Ueberdies führt ein nachträgliches Verbinden der Elemente noch den Uebelſtand
mit ſich, ganz unnöthig Säuredämpfe einathmen zu müſſen. Beim Verbinden der
Elemente untereinander hat man auch darauf zu achten, daß die Verbindungsſtücke,
Klemmen, Drähte u. dgl. in einer das hierauf folgende Füllen der Elemente nicht
behindernden Weiſe angebracht werden.


Das Füllen nicht zu großer Batterien bewirkt man in der Weiſe, daß man
die Säuren aus Krügen mit Hilfe von Trichtern in die Elemente eingießt. Das
Füllen hat einige Zeit vor dem Gebrauche der Batterie zu erfolgen, damit beim
Bedarf derſelben Thonzellen und Kohlen bereits von den Flüſſigkeiten durchtränkt
ſind und die Batterie gleich mit ihrer vollen Stärke wirkt.


Für größere Batterien empfiehlt ſich die Anwendung eines Hebers, wie ſie
Niaudet (W. Ph. Hauck, l. c.) in nachſtehender Weiſe beſchreibt: Ein Kautſchuk-
ſchlauch trägt an einem Ende einen Anſatz aus Glas oder Hartgummi, welcher
flachgedrückt ſein ſoll, um ihn leicht zwiſchen das Zink und die Gefäßwand
einführen zu können. Am andern Ende des Kautſchukſchlauches ſitzt ein Gummi-
anſatz, an welchem eine ſtarke Bleiſcheibe befeſtigt iſt, um durch ihr Gewicht ein
Herabſinken dieſes Schlauchendes bis auf den Boden des Gefäßes, welches die
einzufüllende Flüſſigkeit enthält, zu veranlaſſen; damit der Ausfluß der Flüſſigkeit
nicht zu langſam vor ſich gehe, iſt nothwendig, daß dieſes Gefäß ungefähr um
einen Meter höher ſteht als die Elemente aufgeſtellt ſind. Man hält den Kautſchuk-
ſchlauch, ganz nahe ſeinem Ende, in der Hand, um durch einen Fingerdruck das
Ausſtrömen beendigen, oder durch Nachlaſſen des Druckes das Ausfließen wieder
einleiten zu können. Auf dieſe Weiſe erſpart man einen Hahn und kann durch
angemeſſenen Druck die Stärke des Strahles reguliren und alle Gefäße beinahe
vollkommen bis zur gleichen Höhe anfüllen. Das erſte Füllen des Hebers kann
man in der Weiſe bewirken, daß man ihn mit ſeinen beiden Enden nach aufwärts
hält und auf einer Seite Waſſer eingießt, bis es auf der andern Seite überfließt,
worauf der Heber in die Säure getaucht wird; um das Waſſer wieder zu entfernen,
läßt man dann etwas Säure durchfließen.


Complicirter, aber kaum vortheilhafter iſt die Anwendung von Pumpen, wie
ſolche zum Füllen und Entleeren der Elemente von verſchiedener Seite angegeben
wurden. Specielle Einrichtungen für beſtändig in regelmäßigem Gebrauche ſtehende
Batterien ſollen weiter unten noch angegeben werden.


[509]

Hat eine Batterie ihren Dienſt geleiſtet und bedarf man ihrer nicht mehr,
ſo hat man ſelbe ſofort auseinander zu nehmen, da ſonſt ein nutzloſer Zinkverbrauch
eintritt. Man löſt zunächſt die Verbindungen und entfernt die Klemmſchrauben.
Hierauf hebt man die Zinke aus und ſtellt ſie in ein großes Gefäß mit Waſſer,
um die noch anhängende Säure zu entfernen. Die Kohlen nimmt man aus den
Zellen und ſtellt ſie auf eine Taſſe, damit die Säure ablaufen kann, oder man
hebt ſie auch ſammt den Thonzellen (alſo ohne ſie aus der Säure zu nehmen)
aus den Batteriegefäßen und ſtellt ſie in einen gut verſchließbaren Kaſten. Wird
die Batterie häufig verwendet, ſo iſt ein Auswaſchen der Zellen und der Kohlen
mit Waſſer nicht zu empfehlen, weil durch dieſe Behandlung bei der Wieder-
zuſammenſtellung der Batterie ſämmtliche Poren mit Waſſer erfüllt ſind, welches
dann die Säuren verdünnt. Sollen jedoch die Kohlen oder Zellen für längere Zeit
aufgehoben werden, ſo ſind ſie vor dem Trocknen gut auszuwaſchen, da ſich ſonſt

Figure 354. Fig. 350.

Teraſſenbatterie nach Hauck.


in den Poren Kryſtalle bilden, die namentlich bei den Thonzellen dadurch ſchädlich
werden, daß ſie dieſelben mürbe machen.


Die Anwendung der galvaniſchen Elemente zu verſchiedenen Zwecken erfordert
auch häufig ganz ſpecielle Anordnungen, damit ſie dem jeweiligen Zwecke möglichſt
gut entſprechen. Wir wollen nun ſolche eigenartige Anordnungen in einigen Beiſpielen
näher kennen lernen.


Batterien für elektriſche Beleuchtung ſollen nicht nur ſtarke Ströme
liefern, ſondern dieſe müſſen auch mehrere Stunden hindurch ihre Stärke conſtant
erhalten. Die erſte Forderung kann durch Anwendung von Chromſäure-Elementen
erfüllt werden, die bekanntlich ſtarke Ströme liefern. Jedoch nimmt deren Strom-
ſtärke raſch ab; die Abnahme wird verzögert, indem man große Batteriegefäße
anwendet, alſo größere Mengen von Säuren benützt, und den Zwiſchenraum
zwiſchen Kohle und Zellwand mit Kohlenſtücken füllt. Da aber auch dieſer Kunſtgriff
noch keine befriedigenden Reſultate giebt, ſorgt man nach den Vorſchlägen von
Chuto, Camacho und Anderen dafür, daß die Säure im Maßſtabe ihres Ver-
brauches continuirlich durch neue Säure erſetzt wird. Hauck giebt der Säule zur
Erreichung dieſes Zweckes die in Fig. 350 dargeſtellte Anordnung. Die vierſeitigen
[510] Batteriegefäße ſind unten tubulirt und enthalten in der Mitte die Thonzelle mit
dem Zinke, während zu beiden Seiten der Thonzelle die Kohlenplatten eingeſetzt
ſind; der übrige Raum der Batteriegefäße wird mit Kohlenklein gefüllt. Die
Elemente ſind terraſſenförmig aufgeſtellt; aus dem Tubulus jedes Batteriegefäßes
führt ein entſprechend gebogenes Rohr in das nächſt tiefer ſtehende Element. Die
Säure fließt aus dem auf der höchſten Stufe aufgeſtellten Behälter tropfenweiſe
in das oberſte Element, von dieſem in das nächſt tiefer gelegene u. ſ. w.


Nach Hauck’s Angaben erhalten 12 Elemente dieſer Art, deren Zinke
15 Centimeter breit und 20 Centimeter hoch ſind, einen 60 Centimeter langen,
1 Millimeter ſtarken Platindraht ſtundenlang in Weißgluth.


Gegenüber einer Batterie von Salpeterſäure-Elementen zeichnet ſich die
beſchriebene Batterie dadurch aus, daß ſie keine Dämpfe entwickelt, weniger Ausgaben
verurſacht, geringeren Widerſtand beſitzt und 20 Stunden lang ohne merkbare
Abnahme der Stromſtärke in Verwendung ſtehen kann.


Die Batterie wird in der Weiſe außer Gebrauch geſetzt, daß man den Säure-
zulauf abſperrt und hierauſ Waſſer durchfließen läßt. Soll möglichſt wenig Säure
verloren gehen, ſo ſperrt man den Säurezulauf noch während der Arbeitszeit der
Batterie ab und läßt dieſe zum Schluſſe ohne Erneuerung der Säure arbeiten;
allerdings iſt hierbei eine ſtändige Stromabnahme nicht zu vermeiden. In jedem
Falle muß aber ſchließlich eine gute Durchſpülung des Kohlenkleins mit Waſſer
ſtattfinden, da ſonſt die Poren durch Chromalaunkryſtalle verſchloſſen werden.
Iſt die Schwelſäure in den Thonzellen erſchöpft, ſo werden dieſe herausgehoben
und entleert oder die erſchöpfte Säure durch eine Pumpe entfernt.


Eine Beleuchtungsanlage von bedeutendem Umfange wurde im Comptoir
d’escomte
in Paris ausgeführt. Mannigfache Gründe gaben Veranlaſſung hierzu.
Dachte man ſchon im Vorhinein daran, elektriſche Beleuchtung einzuführen, um die
hohen hier verwahrten Geldſummen ſo viel als möglich gegen Feuersgefahr zu
ſchützen, ſo wurde man trotz der gegenwärtig weit verbreiteten Anwendung elektriſcher
Maſchinen doch zur Benützung galvaniſcher Batterien beſtimmt, weil nur dieſe im
Stande zu ſein ſchienen, die in dieſem ſpeciellen Falle geſtellten Anforderungen zu
erfüllen. Die Aufſtellung elektriſcher Maſchinen würde auch jene einer Dampfmaſchine
erfordern, und hiermit käme ein Object in das Gebäude, welches gerade die
Feuerſicherheit wieder verringert. Ferner läßt ſich der Bedarf des elektriſchen Lichtes
weder der Zeit noch dem Locale nach voraus beſtimmen, ſondern er iſt vielmehr
ein ganz [unregelmäßiger], zum Theile ſogar von der Witterung abhängiger. Um
jederzeit an beliebigem Orte Licht bekommen zu können, müßte alſo der Motor
den größten Theil des Tages über laufen; man entſchloß ſich daher zur An-
wendung von Batterien und wählte von dieſen die Säule von Grenet und
Jarriant.


Wir folgen in nachſtehender Beſchreibung der Anlage einem in „La lumière
électrique“
veröffentlichten Berichte. Jedes Element der Grenct-Jarriant-Säule
beſteht aus einem Batteriegefäße viereckiger Form, welches aus Ebonit gefertigt
iſt. Am Boden desſelben befeſtigt und durch dieſen nach außen führend befindet ſich
das Ueberfallsrohr i, Fig. 351, durch welches die Säure abfließt, ſobald ſie im
Elemente eine beſtimmte Höhe erreicht hat. Parallel zu den Wänden des Batterie-
gefäßes ſind vier Kohlenplatten K angebracht, welche die poſitive Elektrode bilden
und durch eine Blei-Armatur L vereinigt werden. Die negative Elektrode iſt aus
kleinen Zinkcylindern gebildet, welche mit ihren unteren Enden in einer Kapſel
[511] ſtecken, die Queckſilber enthält, während die oberen Enden der Cylinder durch
ein Kautſchukband zuſammen und an dem Metallſtabe S feſtgehalten werden; das
Queckſilber ſorgt ſowohl für guten Contact der Zinke unterereinander als auch
dafür, daß ſie ſtets gut amalgamirt bleiben. Die Zuführung neuer Säure beſorgt
das Rohr E, während durch das horizontale Rohr D und ſeine verticalen Abzwei-
gungen M Luft durch die Batterieflüſſigkeit geblaſen wird. Eine zweite Röhrenleitung
geſtattet, die Elemente nach ihrem Gebrauche mit Waſſer auszuſpülen.


Die Säule beſitzt alſo kein Diaphragma und tauchen Zink und Kohle in
dieſelbe Säure; da bei dieſer Anordnung das
Zink auch dann der Auflöſung ausgeſetzt iſt,
wenn die Säule nicht benützt wird, ſo mußte
für eine Vorrichtung zum Ausheben der Zinke
geſorgt werden. Bei der in Rede ſtehenden
Inſtallation iſt dies in folgender Weiſe be-
werkſtelligt. Sämmtliche Elemente ſind in
Batterien zu je 48 auf Spannung verbunden
und hierbei immer in zwei Reihen angeordnet.
(Siehe auch Fig. 352.) Sämmtliche Metall-
ſtäbe S, an welchen die Zinke befeſtigt ſind,
werden durch den horizontalen Holzrahmen V
getragen und können alſo durch dieſen gleich-
zeitig gehoben oder geſenkt werden. Um hier-
bei die Verbindung der Elemente hintereinander
beſtändig zu erhalten, iſt mit dem oberen
Ende jedes Metallſtabes S ein zweiter Metall-
ſtab Q verbunden, welcher in eine an der
Bleifaſſung L der Kohlen befeſtigte Röhre P
taucht, die Queckſilber enthält. Hierdurch wird
auch bei verſchieden tiefem Eintauchen der
Zinke in die Säure ſtets die Verbindung
der Kohlenelektrode eines Elementes mit der
Zinkelektrode des darauffolgenden Elementes
erhalten. Das Heben und Senken ſelbſt wird
durch Vermittlung einiger Zahnräder und
Gegengewichte in einfacher Weiſe ausgeführt
(Fig. 352).


Die Säure wird durch das Rohr B
zugeleitet und fließt durch den Hahn C in
Schalen D, welche auf einer horizontalen

Figure 355. Fig. 351.

Grenet-Jarriant-Säule.


Axe ſo befeſtigt ſind, daß ſie bei einer
beſtimmten Füllung (z. B. einem Liter) umkippen und die Säure in die mit Trichtern
E verſehenen Röhren entleeren, welche in die Batteriegefäße führen. Die Flüſſigkeit,
welche bereits Dienſte geleiſtet hat, fließt durch die Ueberfallsrohre i ab.


Einer der wichtigſten Punkte für ein befriedigendes Fungiren der Säule iſt
die richtige Regulirung der Säurebewegung ſowohl durch Zu- und Abfluß, als
auch durch das Einblaſen von Luft, entſprechend der jeweiligen Arbeitsleiſtung der
Batterie. Iſt dieſe erreicht, ſo beſitzt jede Batterie eine elektromotoriſche Kraft von
82 Volts bei einer Stromſtärke von 24 Ampères.


[512]

Zur Bereitung der Erregungsflüſſigkeit verwenden Grenet und Jarriant
nicht Kalium-, ſondern Natriumbichromat, und zwar einen Theil Bichromat auf
drei Theile Schwefelſäure und zehn Theile Waſſer. Wird friſche Flüſſigkeit zum
Betriebe der Batterie verwendet, ſo werden der Batterie 20 Liter per Stunde
zugeführt; von einmal gebrauchter Säure läßt man 30 Liter, von zweimal
gebrauchter Säure 40 Liter und von dreimal gebrauchter Säure 60 bis 80 Liter
pro Stunde zufließen, worauf die Flüſſigkeit außer Gebrauch geſetzt wird.


Die vollſtändige Inſtallation des Comptoir d’escomte umfaßt 60 Batterien
zu je 48 Elementen, deren jede eine Lampe mit Voltabogen oder 8 bis 10 Glüh-
lichtlampen zu ſpeiſen hat.


Vom ökonomiſchen Standpunkte aus betrachtet, dürfte die eben geſchilderte
Beleuchtungsanlage wohl nicht zu empfehlen ſein, da die Batterie Zink und Chrom-
ſäure verzehrt, zwei Stoffe, die verhältnißmäßig theuer ſind. Grenet und Jarriant

Figure 356. Fig. 352.

Grenet-Jarriant-Säule.


glauben allerdings die Betriebskoſten auf jene Auslagen reduciren zu können, welche
ihnen für die zur Regenerirung der Säure aufgewandten Kohlen erwachſen; doch
bleibt immerhin noch zu erwägen, daß eben dieſe Regenerirung auch viele Hand-
arbeit erfordert. Das Regeneriungsverfahren beſteht im Weſentlichen im Folgenden:
Die verbrauchte Flüſſigkeit, welche hauptſächlich die Sulfate von Natrium, Chrom
und Zink, ſowie auch Schwefelſäure enthält, wird mit kohlenſaurem Kalk verſetzt,
der die noch vorhandene Schwefelſäure neutraliſirt, indem er ſich mit ihr zu
ſchwefelſaurem Kalk (Gyps) verbindet; gleichzeitig werden durch dieſe Operation
Zink und Chrom als Zinkcarbonat (kohlenſaures Zink) und Chromoxyd aus der
Flüſſigkeit gefällt, welche dann nur mehr ſchwefelſaures Natron enthält. Die
Löſung wird von dem Niederſchlage abgezogen und zur Kryſtalliſation gebracht;
dem Niederſchlage ſetzt man gerade ſo viel Schwefelſäure zu, um das Zinkcarbonat
in Zinkſulfat zu verwandeln, welches man abermals von dem Niederſchlage trennt
und für ſich zur Kryſtalliſation bringt, während der nun nur mehr Chromoxyd
[513] und ſchwefelſauren Kalk enthaltende Niederſchlag mit ungelöſchtem Kalk und Natron-
ſalpeter im Flammenofen geſchmolzen wird. Aus der Schmelze gewinnt man das
chromſaure Natron durch Auslaugen mit Waſſer.


Bei Beſprechung der Daniell-Elemente haben wir hauptſächlich deren große
Beſtändigkeit ſchätzen gelernt, eine Eigenſchaft, welche ſie zum Betriebe elektriſcher
Lichter geeignet erſcheinen laſſen muß; freilich iſt jedoch ihre Stromſtärke in Folge
des weſentlichen Widerſtandes der Elemente eine ziemlich geringe. Man verſuchte
daher auf verſchiedene Weiſe den Widerſtand zu verringern, und dieſem Beſtreben
verdanken z. B. die Thomſon-Säule und die neue Reynier-Batterie ihr
Daſein.


Bei der Thomſon-Säule (Fig. 353) iſt der Widerſtand dadurch vermindert,
daß die Thonzelle durch Pergamentpapier erſetzt wird. Jedes Element beſteht aus
einem flachen Holztroge A, deſſen innere Bodenfläche mit Kupfer oder, weil ſich
ſolches ohnehin gleich niederſchlägt, mit Blei ausgeſchlagen iſt. In den vier Ecken

Figure 357. Fig. 353.

Thomſon-Säule.


dieſes Troges ſind Holzklötzchen angebracht, auf welchen die in Form eines Roſtes
gegoſſene Zinkplatte Z n ruht. In den Trog kommt Kupfervitriollöſung und die
Zinkplatten werden mit Pergamentpapier umhüllt, ſo daß jede Platte in eine Zelle
von Pergamentpapier eingeſchloſſen erſcheint. Dieſe Zellen erhalten als Füllung
Waſſer oder eine Löſung von Zinkvitriol.


Beim Zuſammenſtellen von Batterien, was durch Uebereinanderſtellen der
Elemente bewirkt wird, hat man darauf zu achten, daß die Elemente horizontal
geſtellt werden, damit die Flüſſigkeiten ſich gleichmäßig ausbreiten können. Die
einzelnen Elemente werden untereinander durch Bleiſtreifen verbunden, welche von
der Belegung eines Troges ausgehen und zum Zinke des nächſten führen. Da die
Elemente verhältnißmäßig ſchwer ſind, wird man gut daran thun, nie mehr als
acht bis zehn Elemente übereinander aufzuſtellen. Das Pergamentpapier kann auch
ganz wegbleiben und die beiden Flüſſigkeiten bilden dann zwei übereinanderſtehende
Schichten wie im Callaud-Elemente.


Die Säule beſitzt zwar keine hohe elektromotoriſche Kraft, zeichnet ſich aber
durch einen ſehr geringen Widerſtand aus. Sie giebt einen ſehr conſtanten Strom,
Urbanitzky: Elektricität. 33
[514] wenn man von Zeit zu Zeit Zinkvitriollöſung entfernt und durch Waſſer erſetzt;
dies iſt namentlich dann ſorgfältig auszuführen, wenn das Pergamentpapier weg-
gelaſſen wurde. Hierin liegt ein Nachtheil der ſonſt ſehr brauchbaren Säule.
Früher diente ſie in der ſubmarinen Telegraphie zum Betriebe des Siphon-Recor-
ders, kann aber wegen ihres conſtanten Stromes auch für Beleuchtungszwecke in
Anwendung kommen.


In Reynier’s Batterie (Fig. 354) iſt das Daniell-Element in folgender
Weiſe umgeſtaltet: Die Kupferelektrode hat die Form eines vierſeitigen Troges von
44 Centimeter Länge, 22 Centimeter Höhe und 5 Centimeter Breite. Die Zink-
platte A, um 10 bis 12 Centimeter kürzer als die Kupferelektrode, iſt in Perga-
mentpapier B eingehüllt. An der kurzen Seite eines jeden Elementes iſt ein
Körbchen zur Aufnahme von Kupfervitriolkryſtallen und weiter unten ein mit einem
Schlauch verſehenes Abflußrohr angebracht, welches durch Losmachen von ſeinem
oberen Aufhängepunkte der verbrauchten Flüſſigkeit abzufließen geſtattet. Die Elemente

Figure 358. Fig. 354.

Reynier-Batterie.


werden untereinander durch Blechſtreifen, die von den Zink-, beziehungsweiſe
Kupferplatten ausgehen, unter Vermittlung von Klemmſchrauben verbunden. Man
beſchickt die Elemente mit Kupfervitriollöſung,*) welche zum Theile durch das
Pergamentpapier dringt, dort zerlegt wird und ſo die Schwefelſäure für das
Zink liefert.


Das Zinkſulfat diffundirt durch die Zellwand, worin es noch durch den elektriſchen
Strom unterſtützt wird, und ſammelt ſich im Kupfergefäße an. In 24 Stunden
erſetzt man per Element einen Liter Flüſſigkeit durch Waſſer. Im April 1882 hatte
Reynier 500 ſolcher Elemente aufgeſtellt und 68 derſelben zum Laden von Secundär-
Elementen und mit dieſen zur elektriſchen Beleuchtung in Verwendung gebracht.
Nach den von ihm durchgeführten Verſuchen leiſteten 68 Elemente in 8 Stunden
eine Arbeit gleich der eines Pferdes bei einem Koſtenaufwande von 16 Francs.
[515] Die Anwendung dieſer Elemente ſtellte ſich allerdings theurer als jene des Leuchtgaſes,
aber immerhin billiger als eine Beleuchtung durch Kerzen. (Die Anſchaffungs- und
Amortiſationskoſten wurden hierbei nicht in Betracht gezogen.)


Batterien für mediciniſche Zwecke ſind allerdings in mannigfachen Varia-
tionen und in großer Anzahl hergeſtellt worden; doch iſt hierbei nicht zu überſehen,
daß eigentlich nicht die verſchiedenen Elemente, ſondern vielmehr die Art ihrer
Zuſammenſtellung, die Ausführung der Nebenapparate und auch die Perſon des
ſie benützenden Arztes die Brauchbarkeit der Batterie beſtimmen. Im Allgemeinen
fordert man von einer derartigen Batterie, daß ſie einen möglichſt conſtanten und
dabei andauernden Strom liefert, daß der Arzt die Elemente in beliebiger Zahl
und Reihenfolge benützen kann, während gleichzeitig bei den unbenützten Elementen
kein Materialverbrauch eintritt; daß ſämmtliche Manipulationen bei ihrem Gebrauche
ſowie auch bei der Reinigung, Inſtandſetzung u. ſ. w. möglichſt einfach ausgeführt
werden können und daß die Anwendung ätzender oder übelriechender Subſtanzen
ausgeſchloſſen erſcheint. Für beſtimmte Zwecke verlangt man auch die Transport-

Figure 359. Fig. 355.

Schieberſtromwähler.


fähigkeit der Batterie. Wir unterſcheiden daher die Batterien in ſtationiäre und
transportable.


Bevor wir jedoch ſolche Batterien näher in’s Auge faſſen, wollen wir einen
Nebenapparat kennen lernen, der uns bisher noch in keinerlei Form entgegengetreten
iſt, nämlich einen Stromwähler oder Elementenzähler. Man verſteht darunter
einen Apparat, welcher geſtattet, durch Ein- oder Ausſchaltung von Elementen
den Strom beliebig verſtärken oder ſchwächen zu können, ohne daß während dieſer
Manipulation der Stromkreis unterbrochen wird. Ohne uns auf die verſchiedenen
Arten dieſer Apparate, als: Stromwählerſchnur, Schlittenſtromwähler Kurbelſtrom-
wähler, Schieberſtromwähler u. ſ. w., überhaupt einzulaſſen, wollen wir uns nur
einen derſelben, nämlich den Schieberſtromwähler, etwas näher beſehen.


Fig. 355 ſtellt eine derartige Vorrichtung für zehn Elemente dar. Die
Elemente ſind hintereinander verbunden und überdies führt von jedem Verbindungs-
ſtreifen aus noch ein Draht zu einer Reihe von Contacten (Metallſtreifen 0 bis 10).
Ueber die an ihren vorderen Enden abgerundeten Contactſtreifen kann durch
den Schieber D, welcher auf der Metallſchiene C gleitet, das durch eine Feder E
niedergedrückte Contactſtück in der einen oder andern Richtung verſchoben werden.
33*
[516] Da nun die Klemmſchraube A mit dem Contactſtücke O, die Klemmſchraube B
mit der Schiene C in leitender Verbindung ſteht, ſo kann man durch Verſchieben
von D die Zahl der Elemente, welche in den Stromkreis einbezogen werden ſoll,
beliebig wählen. Hierbei iſt die Entfernung je zweier aufeinander folgender Con-
tactſtreifen voneinander, beziehungsweiſe die Breite des ſchleifenden Contactſtückes

Figure 360. Fig. 356.

Stationäre Batterie von Mayer \& Wolf.


an E, ſo bemeſſen, daß das Gleitſtück einen Contactſtreifen noch nicht verlaſſen
hat, wenn es bereits mit dem darauf folgenden in Berührung getreten iſt.


Mit dieſem Nebenapparate und anderen Hilfsvorrichtungen ausgerüſtete
Batterien werden wieder in mannigfachſter Form angefertigt. So ſtellt Fig. 356
eine ſtationäre Batterie vor, wie ſie z. B. von Mayer \& Wolf (in Wien)
hergeſtellt wird. Die Batterie, beſtehend aus 40 bis 60 Siemens-Elementen,
befindet ſich in zwei Fächern eines mehr oder minder elegant ausgeführten Kaſtens,
der in der Form verſchiedener Möbelſtücke, wie etwa in der eines Schreibtiſches,
[517] eines Schrankes u. ſ. w., gebracht ſein kann. Der Batterie ſind beigegeben: zwei
Kurbelſtromwähler, Stromwender, Stromwechsler, Batterieſchalter, Buſſole und
Inductions-Apparat. Gegenüber den Siemens-Remak’ſchen Apparaten, wie ſolche
von Krüger und Hirſchmann in Berlin hergeſtellt werden, hat der oben genannte,
ihnen im Weſentlichen nachgebildete den Vortheil, daß die Elemente bequem gefüllt.
gereinigt und überhaupt beaufſichtigt werden können. Je 20 oder 30 derſelben
ſtehen nämlich in eigenen Elementenkäſten, welche aus dem Batterieſchranke heraus-
genommen und wieder hineingeſtellt werden können, ohne daß man hierbei genöthigt
wird, irgend welche Schrauben oder Verbindungsdrähte zu löſen oder zu ſchließen.
Jedes der Elemente hat in ſeinem Batteriekaſten ein eigenes Fach und ſteht mit

Figure 361. Fig. 357.

Chromſäurebatterie nach Heller.


ſeinen Polen mit Platinknöpfen in Verbindung, welche an der Rückſeite des
Batteriekaſtens angebracht ſind und beim Einſetzen dieſer in den Schrank gegen
federnde Platincontacte gepreßt werden, welche mit den Stromwählern, Strom-
wendern ꝛc. in Verbindung ſtehen.


Die Verbindung der Elemente mit den Kurbelſtromwählern iſt derart
ausgeführt, daß die Elemente von der Mitte der Batterie nach den beiden Enden
zu ſucceſſive eingeſchaltet werden können. Dies eclaubt, abwechſelnd die eine und
die andere Hälfte der Elemente zu benützen, was wichtig iſt, weil ſonſt die erſten
immer benützten Elemente bedeutend raſcher unbrauchbar werden als die letzten,
alſo eine gleichartige Beanſpruchung ſämmtlicher Elemente unmöglich gemacht wird.


[518]

Zu den für ärztliche Zwecke häufig verwendeten Batterien gehören auch die
aus Chromſäure-Elementen zuſammengeſtellten. Fig. 357 ſtellt eine Chromſäure-
Tauchbatterie in der Form dar, welche ihr von F. Heller in Nürnberg gegeben
wird. Heller legt beſonderen Werth darauf, daß in Folge möglichſt einfacher
Berbindungen die Auswechslung unbrauchbar gewordener Zinke in bequemer Weiſe
ermöglicht wird und daß auch die einzelnen Manipulationen während des Gebrauches
der Batterie auf ein Minimum reducirt werden.


Die Kohlen und die Zinke ſind in die Bohrungen eines Brettes b b hinein-
geſteckt, welches auf einem allſeitig offenen Eiſengeſtelle ruht. Die Auswechslung
alter Kohlen bewirkt man einfach durch Herausziehen derſelben aus dem Brette und
Hineinſtecken von friſchen. Ebenſo verfährt man beim Zink; nur hat man hier
noch einen Meſſingkopf ab- und auf das neue Zink aufzuſchrauben. Die Schaltung
und Verbindung der einzelnen Elemente unter ſich wird durch die an einem
Rahmen r unten angebrachten Metallfedern f bewirkt. Dieſer Rahmen beſitzt die
Form eines auf- und zuſchlagenden Deckels, der durch die Federn die einzelnen
Elemente verbindet, wenn er herabgedrückt und durch die Haken h h niedergehalten
wird. Hat man den Apparat nicht im Gebrauch, ſo iſt es zur Schonung der
Federn gut, wenn man die beiden Sperrhaken auslöſt.


Die Batteriegläſer ſind verhältnißmäßig groß und faſſen daher ein für
längere Zeit ausreichendes Säurequantum. Bedürfen ſie einer neuen Füllung, ſo
wird das die Elektroden tragende Brett b b herausgehoben, worauf die Gläſer
leicht herausgenommen werden können. Um die Batterie in Thätigkeit zu ſetzen,
werden die im Geſtelle g s angeordneten Gläſer durch die Kurbel k in die
entſprechende Höhe gehoben. Die Batterie iſt auch noch mit einem Stromwender
und einem Stöpſelſtromwähler verſehen.


Eine transportable Chromſäure-Batterie iſt in Fig. 358 abgebildet;
ſelbe iſt nach Dr. Spamer’s Angaben von R. Galle (Berlin) conſtruirt. Zink
und Kohle tauchen in dieſelbe Flüſſigkeit (beſtehend aus Kaliumbichromat, Waſſer,
Schwefelſäure und Queckſilberſulfat). Dieſe Löſung befindet ſich in drei voneinander
getrennten Zellreihen aus Hartgummi, die am Boden des Kaſtens in einer nach
rückwärts ausziehbaren Holzſchublade ſtehen. Entſprechend den drei Zellreihen ſind
Zinke und Kohlen an drei Leiſten zu je zehn Stück angebracht. Die Kohlenſtäbe
ſind vierſeitig prismatiſch, die Zinke cylindriſch geſtaltet und beide unten zugeſpitzt,
um das Abtropfen der Säure beim Herausheben der Elemente zu erleichtern.
Beide ſind mit einem ſäurefeſten Harzüberzuge bis gegen ihr unteres Ende verſehen.


Jede der drei Leiſten, welche die Zinkcylinder und Kohlenſtäbe tragen, iſt
für ſich beweglich. In der höchſten Lage, wie die Figur ſie zeigt, werden ſie außer
der Gebrauchszeit dadurch gehalten, daß man die an der Außenwand des Kaſtens
ſichtbaren Schrauben anzieht. Durch eine leichte Drehung an dieſen Schrauben in
entgegengeſetzter Richtung wird die Befeſtigung hier gelöſt und die betreffende
Leiſte gleitet dann in der Richtung der Ausſchnitte in der Kaſtenwand herab,
wodurch ſich die Kohlen und Zinke in die mit Flüſſigkeit gefüllten Zellen ſenken.
Man läßt immer nur jene Leiſte herunter, deren Elemente man gerade benützen will,
wodurch die beſonders ſtarke Abnützung einer beſtimmten Elementengruppe vermieden
wird; überdies bleiben auch jene Elemente, welche nicht in Verwendung ſtehen,
außerhalb der Säure, was nicht bei allen derartigen Batterien der Fall iſt. Man
iſt jedoch nicht an die Anwendung ganzer Elementreihen gebunden, ſondern kann
Elemente in ganz beliebiger Anzahl (bis zu 30 im abgebildeten Modelle) in den
[519] Stromkreis vereinigen. Dies wird dadurch ermöglicht, daß auf ſämmtlichen Zinken
verticale Stifte befeſtigt ſind und auch jene Kohlen, welche an den Enden einer
Reihe ſtehen, ſolche Stifte tragen. Die Leitungsſchnüre, welche zur Verbindung
dienen, ſind an einem Ende mit gewöhnlichen Drahtenden zum Einklemmen in die
Polklemmen der Batterie verſehen, an den entgegengeſetzten Enden beſitzen ſie aber
federnde Metallhütchen, welche mit Reibung auf die vorerwähnten Stiften geſchoben
werden könnten. Will man alſo z. B. die erſten ſieben Elemente benützen, ſo klemmt
man eine Leitungsſchnur in die Klemmſchraube A und ſteckt ihr federndes Hütchen
auf den Stift des Zinkes vom ſiebenten Elemente. Die zweite Leitungsſchnur wird

Figure 362. Fig. 358.

Chromſäurebatterie nach Dr. Spamer.


auf den Stiften der Kohle des erſten Elementes geſteckt und mit dem zweiten Ende
in der Klemmſchraube B befeſtigt.


Damit während des Gebrauches der Batterie ein Verändern der Elementen-
zahl ohne Stromunterbrechung ermöglicht wird, iſt eine der Leitungsſchnüre an
einem Ende gabelförmig getheilt und tragen beide Enden dieſer Gabel federnde
Hütchen. Man löſt das eine Hütchen erſt dann von dem betreffenden Meſſingzapfen,
nachdem man das andere an der neugewählten Stelle aufgeſetzt hat.


Der vordere Theil des Kaſtens enthält in ſeiner unteren Hälfte eine Lade
zur Aufbewahrung der Leitungsſchnüre und Elektroden, in ſeiner oberen Hälfte das
Galvanometer, den Commutator C und die Polklemmen K, Z zur Aufnahme der
Stromableitungsſchnüre.


[520]

Die Füllung der Zellen geſchieht mit der anfangs erwähnten Flüſſigkeit.
Für die zum Transport beſtimmte Batterie genügt es vollſtändig, in jede Zelle
10 Kubikcentimeter dieſer Flüſſigkeit zu gießen. Nach dem Gebrauche hebt man
die Leiſten langſam empor und läßt dann die Batterie einige Minuten ſtehen;
ſodann wird ein Hartgummideckel mit erhöhtem Rande auf die Zellenreihe von
rückwärts aufgelegt.


Leiter’s transportabler Braunſtein-Batterie rühmt man eine aus-
reichende und conſtante Stromſtärke bei billigem Preiſe und bequemer Handhabung
nach. Eines dieſer Braunſtein-Elemente iſt in Fig. 359 abgebildet. Die Zellen des
Elementes ſind, um es nicht der Gefahr des Zerbrechens auszuſetzen, aus Hart-
gummi angefertigt. In dem vierſeitig prismatiſchen Hartgummigefäße B B iſt der
Hartgummicylinder G Z befeſtigt, welcher drei übereinander angebrachte Schlitz-
reihen beſitzt; er dient zur Aufnahme des Zinkſtabes. Der Raum zwiſchen den
Gefäßwänden B B und dem Cylinder wird mit Braunſtein und Kohlenklein gefüllt,

Figure 363. Fig. 359.

Leiter’s
Braunſtein-Element.


während in einer Ecke des Gefäßes der Kohlenſtab Keingeſetzt iſt.
Ein Platindraht P verbindet ihn mit dem Zinkzapfen S, der die
„Ausleitung“ (einen Pol) des Elementes bildet. Als erregende
Flüſſigkeit gießt man Salmiaklöſung in die Zelle Z. Die Braun-
ſtein- und Kohlenfüllung des Batteriegefäßes iſt durch eine Asphalt-
ſchichte abgeſchloſſen.


Sollen mehrere derartige Elemente zu einer Batterie ver-
bunden werden, ſo bedarf man hierzu weder irgend eines Drahtes
noch irgend einer Klemme. Die Zinkſtäbe ſind nämlich an ihrem
oberen Ende rechtwinkelig abgebogen und am Ende ihres wag-
rechten Theiles mit einer koniſchen Ausbohrung verſehen. Dieſe
Bohrung paßt genau auf den koniſch abgedrehten Zapfen, welcher
die Ausleitung des Braunſtein-Kohlenpoles bildet. Man hat alſo,
um mehrere Elemente zu einer Kette zu verbinden, nichts zu thun,
als auf den Ausleitezapfen jedes vorhergehenden Elementes das
Zink jedes nachfolgenden Elementes mit ſeiner koniſchen Ausbohrung
aufzuſtecken. Die Schwere des Zinkſtabes iſt hinreichend, um einen
genügenden Contact zu ſichern. Will man eine ſolche Batterie
außer Gebrauch ſetzen, ſo werden die Zinke herausgehoben, gereinigt und für ſich
aufbewahrt und die Hartgummizellen durch eingeriebene Deckel aus demſelben
Materiale luftdicht verſchloſſen.


Die Zuſammenſtellung einer ſolchen Batterie in einem verſchließbaren Kaſten
K zeigt Fig. 360. Die Verbindung einer beliebigen Anzahl von Elementen zu
einer Batterie wird in der vorhin angegebenen Weiſe bewerkſtelligt und hierbei
richtet man die wagrechten Theile der Zinke in den aufeinanderfolgenden Reihen
abwechſelnd nach rechts und links. Durch eine horizontale Leiſte und die Schraube S r
können die Elemente feſtgehalten werden. Sehr bequem iſt die von Leiter benützte
Form des Stromwählers S. Dieſer beſteht nämlich aus einem Schlitten, der mit
einer Nuth über die Ableitezapfen gleitet. Dieſe Einrichtung und der ſeparate
Verſchluß jedes Elementes geſtattet, die Elemente in jeder beliebigen Zahl in irgend
einem Käſtchen oder ſogar auch nur in einem verſtellbaren Holzrahmen zu einer
Batterie zu vereinigen, da man keines gemeinſchaftlichen Deckels mit den Verbin-
dungsſtücken der einzelnen Elemente untereinander oder irgend einer Stromwähler-
Vorrichtung bedarf. Man iſt deshalb auch nicht genöthigt, den ganzen Batterie-
[521] kaſten mitzuſchleppen, wenn man nur einige Elemente benöthigt, wie dies bei
anderen tragbaren Batterien der Fall iſt.


Auch die Inſtandſetzung und Außergebrauchſetzung der Batterie iſt eine ſehr
einfache. Die gewünſchte Anzahl von Elementen wird ihrer Deckel entledigt und
dann in der vorbeſchriebenen Art verbunden. Die Deckel D f der einzelnen Zellen
kann man einſtweilen in den Deckel des Batteriekaſtens legen. Hierauf ſchraubt
man in den Zinkpol Z p des erſten Elementes die eine Ableitungsſchnur ein und
ſetzt den Stromwählerſchlitten S mit der zweiten Ableitungsſchnur auf den Ableitungs-

Figure 364. Fig. 360.

Leiter’s Braunſtein-Batterie.


zapfen des ſovielten Elementes als man Elemente von der vorbereiteten Batterie
benützen will.


Die Batterie wird außer Gebrauch geſetzt, indem man die Ableitungsſchnüre
und den Stromwählerſchlitten entfernt, die Zinke heraushebt, abſpült, trocknet und
für ſich aufbewahrt; man kann ſie in die Locher eines im Batteriekaſten hinter den
Elementen bei Z angebrachten Brettes ſtecken. Die Hartgummizellen werden dann
mit ihren Deckeln verſchloſſen.


Wir wollen ſchließlich noch ein Beiſpiel einer Batterie kennen lernen, wie
ſolche in einem ganz ſpeciellen Theile der praktiſchen Heilkunde, nämlich in der
Galvanocauſtik zur Verwendung kommen. Hierbei erſetzt ein durch den galvaniſchen
Strom zum Glühen gebrachter Platindraht die früher in Anwendung geſtandenen
Brenneiſen oder richtiger geſagt, er leiſtet noch bedeutend mehr als das Brenneiſen,
[522] da man mit letzterem nur brennen, alſo nicht gleichzeitig ſchneiden konnte. Das
Schneiden mit der glühenden Drahtſchlinge hat den Vortheil, daß hierbei die
Blutung faſt ganz vermieden werden kann, daß man mit dieſer Schlinge auch im
Stande iſt, an ſonſt ſehr ſchwer zugänglichen Stellen zu operiren, daß die Glühhitze
nur dort wirkt, wo man ſie wirken laſſen will, während das Glüheiſen glühend

Figure 365. Fig. 361.

Leiter’s Bakterie für Galvanocauſtik.


Figure 366. Fig. 362.

Batteriedeckel.


eingeführt werden mußte und hierbei oft auch an Stellen die Wirkungen der Hitze
nicht hintangehalten werden konnten, an welchen keine Einwirkung beabſichtigt war;
der Platindraht wird hingegen kalt eingeführt und durch Stromſchluß erſt dort
zum Glühen gebracht, wo man operiren will. Die Galvanocauſtik dankt ihre
Ausbildung in erſter Linie A. Middeldorpf.


Da es ſich in der Galvanocauſtik um die Anwendung eines Platindrahtes
handelt, der durch den galvaniſchen Strom zum Glühen erhitzt werden ſoll, ſo
[523] erkennen wir ſofort, daß die bisher beſchriebenen Batterien ſich hierzu nicht gut
eignen. Der äußere Stromkreis iſt eine kurze Platinſchlinge, bietet alſo einen
verhältnißmäßig geringen Widerſtand dar; es muß daher auch, um vortheilhaft zu
arbeiten, eine Batterie mit geringem inneren Widerſtande, d. h. eine großplattige
Batterie verwendet werden. Hingegen kann die Zahl der Elemente eine ſehr kleine
ſein; es genügen meiſt zwei Elemente.


Auch für dieſen Zweck hat unter Anderen wieder Leiter in Wien ebenſo
zweckmäßige als bequeme Apparate zuſammengeſtellt. Einer derſelben, eine ent-
ſprechend modificirte Bunſen-Batterie, iſt in Fig. 361 abgebildet. Der Apparat
beſteht aus den zwei Käſten K und K1, deren erſter die Batterie, deren zweiter
die Flaſchen mit der zur Füllung der Elemente nöthigen Schwefel- und Salpeter-
ſäure enthält.


Der Batteriekaſten enthält das zweitheilige Batteriegefäß T aus Hartgummi;
in jeder Abtheilung desſelben befindet ſich eine rechtwinkelig flache Thonzelle zur
Aufnahme der Kohlenplatte und Salpeterſäure. Auf beiden Seiten der Kohlenplatte
jedes der beiden Elemente ſteht außerhalb des Diaphragmas eine Zinkplatte
verdünnter Schwefelſäure. Die Elemente werden durch einen zweitheiligen Deckel C
aus Hartgummi (in Fig. 362 ſeparat gezeichnet) verſchloſſen. Auf dieſem Deckel
ſind auch die Polklemmen der Elemente angebracht. Man ſetzt zunächſt jene Hälfte
des Deckels auf, auf welcher die Klemmen befeſtigt ſind, und verbindet dann die
Ableitungsdrähte der Elementplatten mit den horizontalen Klemmſchrauben; dieſe
ſind mit den verticalen Klemmen derart verbunden, daß die Benützung der
Klemmen 1 und 2 den Strom eines, die der Klemmen 1 und 3 den beider
Elemente in den äußeren Stromkreis ſendet. Das Fach bei f im Kaſten K
dient zur Aufbewahrung der Zinkplatten, wenn die Elemente nicht verwendet
werden.


Der Kaſten K1 enthält eine Flaſche S p für die Salpeterſäure und eine
Flaſche S f für die Schwefelſäure, eine mit Druck- und Saugventil verſehene
Gebläſevorrichtung und Ausflußröhren aus Glas. Die beiden letzteren werden in
dem mit entſprechenden Ausſchnitten verſehenen Brette L aufbewahrt.


Die Batterie wird in Stand geſetzt, indem man zunächſt die Zink- und
Kohlenplatten in die Batteriegefäße, beziehungsweiſe Diaphragmen einſetzt und die
Verbindungen mit den Klemmſchrauben herſtellt. Hierauf füllt man die Säure
unter Anwendung der Gebläſevorrichtung ein. Letzteres iſt für die Füllung des
Batteriegefäßes des einen Elementes mit Schwefelſäure in der Fig. 361 dargeſtellt.
Man ſetzt das Glasrohr k mit ſeinem längeren Schenkel in die Säureflaſche,
verbindet den Kautſchukſchlauch mit dem Druckventile der Gebläſevorrichtung P1,
drückt die Kautſchukkappe K s auf den Flaſchenhals auf und preßt nun P1 zuſammen.
Die aus der Gebläſevorrichtung in die Flaſche überſtrömende Luft bringt dann
die Säure zum Ueberfließen in das Batteriegefäß. In gleicher Weiſe wird natürlich
auch die Füllung der Zellen mit Salpeterſäure bewirkt.


Hat man die Batterie außer Gebrauch zu ſetzen, ſo werden nach Löſung
der Klemmenverbindungen die Platten herausgehoben, gereinigt und aufbewahrt.
Die Säure entfernt man aus den Gefäßen wieder mit Hilfe der Gebläſevorrichtung.
Die jetzt zu treffende Anordnung unterſcheidet ſich von der vorigen dadurch, daß
man nun den längeren Schenkel der Glasröhre in die Thonzelle oder das Batterie-
gefäß ſenkt und den Kautſchukſchlauch mit dem Saugventile der Gebläßvorrichtung
in Verbindung ſetzt. (Es iſt dies in der Zeichnung für die Flaſche S p und das
[524] vordere Element dargeſtellt). In Folge des Ausſaugens der Luft aus der Flaſche
treibt der äußere Luftdruck die Säure in die Flaſche zurück und die Batteriegefäße
werden entleert.


Dieſe Batterie läßt ſich, wie aus obigem zu erſehen, leicht füllen und entleeren,
iſt überdies leicht transportabel, ſicher in ihrer Wirkungsweiſe und während des
Gebrauches bequem zum handhaben.


Specielle Anforderungen werden auch an die ſogenannten Bündbatterien
geſtellt. Solche kommen ſowohl in der Civil- als auch Militär-Sprengtechnik zur
Anwendung. Bei erſterer im Berg- und Tunnel-, Straßen- und Eiſenbahnbau,
bei Flußregulirungen und ſubmarinen Arbeiten, ſowie auch in Steinbrüchen zum
Sprengen von Felſen u. ſ. w. Die Anwendungen für militäriſche Zwecke erſtrecken
ſich auf das Abfeuern von Seeminen, Torpedos, Fougaſſen, Demolirungsminen,
gleichzeitiges Abfeuern mehrerer Geſchütze, wie z. B. die der ganzen Breitſeite
eines Schiffes u. ſ. w. Obwohl zum Entzünden des Zündſatzes ſehr verſchiedene
Apparate (reibungselektriſche, inductionselektriſche, influenzelektriſche und galvaniſche)
zur Verwendung kommen, unterſcheidet man doch nur zwei Arten der Zündung,
nämlich durch den elektriſchen Funken und durch einen glühenden Draht; es bewirkt
alſo in allen Fällen die Wärmewirkung des elektriſchen Stromes die Zündung.


An dieſer Stelle haben wir uns nur mit der Zündung durch einen glühen-
den Draht zu beſchäftigen, da nur dieſe Methode mit Batterien praktiſch ausführbar
iſt. Ohne auf derartige Zündungen näher einzugehen, wollen wir hier nur einige
Batterien kennen lernen, die für dieſen ſpeciellen Zweck conſtruirt wurden, vorher
aber kurz die Frage beantworten, in welchen Fällen die Anwendung von Zünd-
batterien jener anderer Zündapparate vorzuziehen iſt.


Die Beantwortung dieſer Frage lautet ganz allgemein gefaßt dahin, daß
Batterien in allen Fällen anzuwenden ſind, in welchen eine Reihe von Spreng-
ladungen längere Zeit (Tage oder Wochen) hindurch derart zur Activirung bereit
ſein müſſen, daß die Entzündung derſelben in jeder beliebigen Secunde und zwar
auch antomatiſch, z. B. durch den an die Mine anrennenden Feind geſchehen kann,
oder auch, wenn die Zündung in einem genau gegebenen ganz kurzen Zeitmomente
bewirkt werden muß. Der erſte Fall tritt z. B. ein bei der Sperrung eines Hafens
durch eine Kette elektriſcher Contact- oder Beobachtungsminen, bei der Vertheidigung
einer cernirten Feſtung durch Minen. Der letzterwähnte Fall tritt ein, wenn die
Geſchütze der Breitſeite eines Schiffes bei hohem Seegange abgefeuert werden ſollen,
weil hier wegen des ſtarken Schwankens des Schiffes nur ein ganz kurzer periodiſch
wiederkehrender Moment zum Abfeuern benutzt werden kann, wenn die Projectile
ihr Ziel erreichen ſollen. Vorſtehendes möge zur allgemeinen Orientirung über die
Verwendung der Zündbatterien genügen,*) und dem nur noch beigefügt werden,
daß in ſehr vielen Fällen die Anwendung anderweitiger Zündapparate jener der
Zündbatterien vorzuziehen iſt.


In älteſter Zeit benutzte man häufig Hare’s Calorimotor (ſiehe Seite 179),
da dieſer wegen der großen Oberflächen ſeiner Elektroden eine kräftige, wenn auch
kurz andauernde Glühwirkung hervorzurufen im Stande iſt. Im ſelben Maße als
die galvaniſchen Elemente überhaupt verbeſſert wurden, ſtellte man dann natürlich
auch für Zündbatterien die verſchiedenartigſten Elemente zuſammen. Da die Zünd-
[525] batterien häufig in Form transportabler Batterien verlangt werden, hat man im
Allgemeinen hierzu ſolche Elemente anzuwenden, welche bei geringer Anzahl und
bei geringen Dimenſionen kräftige Ströme liefern. Solche Elemente ſind die Zink-
Kohlen-Elemente, zu deren Erregung Chromſäure oder Salpeterſäure und Schwefel-
ſäure angewandt werden.


So bedient ſich die franzöſiſche Genietruppe der in Fig. 363 abgebildeten
Chromſäurebatterie. In einem vierſeitigen mit Fächern verſehenen Kaſten ſtehen
die Batteriegefäße für vier, acht und mehr Elemente je nach dem Bedarf. Die
Zinkcylinder und die innerhalb befindlichen Kohlen ſind an einem Brette befeſtigt,
welches durch zwei Stangen, die mit dem Batteriekaſten verbunden ſind, geführt
wird. Um dieſe Stangen ſind Federn S gewunden, welche die Holzplatte mit ihren

Figure 367. Fig. 363.


Figure 368. Fig. 364.

Zündbatterien.


Zinken und Kohlen nach aufwärts drückt, dieſe alſo aus den mit Chromſäurelöſung
gefüllten Gefäßen aushebt. Auf der Holzplatte ſind ferner Metallſtreifen befeſtigt,
welche die einzelnen Elemente hintereinander und mit den Polklemmen + und —
der Batterie verbinden. Durch den Griff b können die Platten hinabgedrückt, d. h.
in die Flüſſigkeit eingeſenkt werden, wodurch auch gleichzeitig der Stromkreis
geſchloſſen erſcheint und der Draht im Zündſatze zum Glühen kommt.


Die eben beſchriebene Batterie iſt zwar als Standbatterie ganz gut verwendbar,
eignet ſich jedoch nicht ſehr gut zum Transporte, alſo z. B. im Felddienſte. Für
dieſen iſt die in Fig. 364 dargeſtellte Anordnung in Anwendung gebracht worden.
Hierbei ſind die Kohlen- und Zinkplatten an dem Deckel eines nach allen Seiten
vollkommen waſſerdicht abgeſchloſſenen Kaſtens befeſtigt. Die Chromſäurelöſung
füllt die Gefäße bis zur halben Höhe, ſo daß die Platten bei aufrechter Stellung
des Batteriekaſtens außerhalb der Flüſſigkeit ſtehen. Durch die Schrauben S und
die umlegbare Handhabe b wird der Deckel feſt auf den Kaſten gepreßt und
ſchließt dieſen mit Hilfe einer Kautſchukeinlage auch nach oben waſſerdicht ab. Dieſe
[526] Batterie wird einfach dadurch activirt, daß man ſie umlegt, wodurch dann die
Platten mit der Säure in Berührung kommen.


Eine ſehr compendiöſe Zündbatterie, welche erſt in neueſter Zeit bei der
franzöſiſchen Genietruppe in Anwendung kam, iſt in Fig. 365 abgebildet. In
einem kleinen Cylinder (7 Centimeter Durchmeſſer, 11 Centimeter Höhe) aus einem
Harze, welches von Säure nicht angegriffen wird, ſind vier hohle Zinkcylinder z
und in dieſen vier Kohlencylinder C befeſtigt. Auch die Metalltheile, welche dieſe
vier Elemente hintereinander verbinden, ſind innerhalb der Gußmaſſe. Der ganze
Harzcylinder iſt nur unten bei h offen, damit die Säure zu den Zinken und
Kohlen dringen kann und beſitzt ferner noch bei q einige Oeffnungen, um der
Luft den Abzug zu geſtatten; x x1 ſind die Polklemmen der Säule. Will man von
ihr Gebrauch machen, ſo wird ſie in ein Hartgummigefäß Z eingeſenkt, welches

Figure 369. Fig. 365.

Zündbatterie.


einen wenig größeren Durchmeſſer beſitzt als der Harzcylinder. Man bedarf daher
zur Activirung der Säule nur einer geringen Menge von Chromſäure.


Da aber immerhin das Transportiren einer Säurelöſung mit ätzenden
Eigenſchaften unbequem iſt, ſo ſchlug Capitän Puddot vor, an Stelle der Chromſäure
ein Gemenge von chlorchromſaurem Kali und ſaurem ſchwefelſaurem Kali zu nehmen
und dieſe beiden Salze beim Gebrauche in Waſſer zu löſen. Man erreicht hierdurch
den Vortheil, daß man die Salze im feſten Zuſtande transportiren kann. Eine
derartige, vierelementige Batterie kann zur Zündung eines Glühzünders auf eine
Entfernung von 400 Meter verwendet werden. Die gleichzeitige Activirung einer
größeren Anzahl von Zündern erfordert natürlich eine entſprechende Vermehrung
der hierzu angewandten Elemente.


Vielfältig werden auch die Leclanché-Elemente (in der in Fig. 321 auf
Seite 473 dargeſtellten Form) für Zündbatterien in Verwendung genommen. So
ſind das franzöſiſche Ordonnanz-Element, das ruſſiſche Zünd-Element und das
norwegiſche Ordonnanz-Zünd-Element Leclanché-Elemente. In der öſterreichiſchen
Kriegsmarine ſtehen, wie bereits erwähnt, die Permanenz-Elemente von Markus
in Gebrauch (Seite 473).


[527]
Secundär-Elemente (Accumulatoren).

Man verſteht unter einem Accumulator einen Auſſpeicherungs- oder Anſamm-
lungs-Apparat, könnte daher mit dieſem Namen den Conductor einer Elektriſir-
maſchine oder eine Kleiſt’ſche Flaſche belegen. In einem wie in dem anderen Falle
wird Elektricität angeſammelt, die dann wieder in einfacher Weiſe dem Anſamm-
lungs-Apparate entzogen werden kann. Es bedarf wohl keiner weiteren Begründung,
daß ein Apparat, welcher geſtattet, Elektricität in großer Menge anzuſammeln, die
angeſammelte Elektricität beliebig lange aufzubewahren und im gewünſchten Momente
wieder abzugeben, für die praktiſche Elektrotechnik von hohem Werthe ſein muß.
Betrachten wir aber von dieſem Standpunkte aus die beiden oben genannten
Apparate, ſo ſehen wir ſofort ein, daß durch dieſe der gedachte Zweck nicht erreicht
werden kann. Sie geſtatten nur die Anſammlung ſehr unbedeutender Quantitäten
und bewahren dieſe ſehr unvollkommen auf; an eine praktiſche Verwerthung dieſer
Aufſpeicherungs-Apparate iſt daher nicht zu denken. Wenn wir uns das Verhalten
der durch Reibungs- oder Influenzmaſchinen erregten Elektricität in das Gedächt-
niß zurückrufen, wird uns ſofort klar, daß eine Aufſpeicherung dieſer, d. h. alſo
hochgeſpannter Elektricität, überhaupt nicht ausführbar iſt.


Erinnern wir uns hingegen an das Verhalten des galvaniſchen Stromes;
dieſer bedarf (ſehr hohe Spannungen ausgeſchloſſen) keiner ſo ängſtlich iſolirten
Leiter, er hält ſich ſtrenge auf dem ihm vorgeſchriebenen Wege. Hier könnte alſo
die Aufſpeicherung der Elektricität ein erfolgreiches Unternehmen ſein. Bei allen
galvaniſchen Elementen, ſo mannigfach auch die Combinationen verſchiedener Stoffe,
aus welchen die Elektroden und Flüſſigkeiten gebildet werden, ſein mögen, tritt
eine theilweiſe Veränderung dieſer Stoffe ein, wenn das Element in Thätigkeit iſt.
Es werden auf elektrolytiſchem Wege die Elektroden phyſikaliſch oder chemiſch ver-
ändert. Derartige phyſikaliſche Veränderungen haben wir bereits kennen gelernt und
als Polariſation der Elektroden bezeichnet (Seite 250).


Leitet man den galvaniſchen Strom unter Vermittlung zweier Platinbleche
durch Waſſer, ſo wird dieſes zerſetzt und der an der poſitiven Elektrode aus-
geſchiedene Sauerſtoff überzieht die poſitive Elektrode, der Waſſerſtoff die negative.
Verbindet man hierauf die beiden Platinelektroden untereinander (mit Ausſchluß
der früher benutzten Stromquelle), ſo hat man in dieſem Schließungsbogen ſelbſt
wieder ein galvaniſches Element, zuſammengeſetzt aus Waſſerſtoff, Sauerſtoff und
Waſſer. Dieſes ſendet daher einen Strom durch den Schließungsbogen, der ſo lange
anhält, als noch Waſſerſtoff an der einen und Sauerſtoff an der andern Platin-
platte vorhanden iſt.


Es wurde alſo durch Einleitung eines Stromes in den Waſſerzerſetzungs-
Apparat, das Voltameter, eine derartige phyſikaliſche Veränderung der Platin-
Elektroden bewirkt, daß nun das Voltameter ſelbſt ſich in ein galvaniſches
Element verwandelte; dieſes zweite Element iſt alſo durch die Thätigkeit des erſten
(oder richtiger der erſten, da ein Element das Waſſer nicht zerſetzt) entſtanden
und deshalb nennt man das erſtere, oder überhaupt die galvaniſchen Elemente
Primär-Elemente, das letztere Secundär-Element. Die eben angegebenen
Proceſſe ſcheinen alſo in der That eine Aufſpeicherung der Elektricität darzuſtellen,
denn die in das Voltameter hineingeleitete Elektricität des Primär-Elementes
kann, ſobald man das Voltameter für ſich ſchließt, wieder herausbekommen
werden.


[528]

Allerdings iſt es nicht ein Aufſpeichern der Elektricität wie im Condenſator
oder der Kleiſt’ſchen Flaſche, ſondern ein Umwandeln von Elektricität in chemiſche
Spannkraft und darauf folgend die Zurückverwandlung in den urſprünglichen
Zuſtand. Der primäre Strom trennte Waſſerſtoff und Sauerſtoff voneinander und
ſpeicherte dieſe in den Elektroden auf; im Secundär-Elemente vereinigen ſich Sauer-
ſtoff und Waſſerſtoff wieder — die chemiſche Spannkraft verſchwindet alſo — und
hierfür tritt neuerdings Elektricität auf. Das Secundär-Element iſt alſo, ſtrenge
genommen, kein Aufſpeicherungs-Apparat für Elektricität, ſondern ein Apparat,
durch welchen Elektricität in chemiſche Spannkraft umgewandelt wird, die dann
durch entſprechende Auslöſung wieder im Stande iſt, Elektricität zu liefern.*)


Wie verhält es ſich nun mit der praktiſchen Verwendbarkeit dieſes Verfahrens?
Die Anwendung des einfachen Voltameters, d. h. zweier Platinbleche in angeſäuertem
Waſſer, als Secundär-Element zeigt wohl, daß hier der richtige Weg eingeſchlagen
wurde, um brauchbare Reſultate zu erlangen, daß aber das Voltameter ſelbſt noch
nicht der praktiſch verwerthbare Apparat iſt. Die Platinbleche abſorbiren eine viel
zu unbedeutende Quantität von Waſſerſtoff und Sauerſtoff; die Wirkung eines
ſolchen Secundär-Elementes dauert deßhalb ſehr kurze Zeit oder, anders ausgedrückt,
das Voltameter iſt nicht im Stande, größere Mengen von Elektricität in Form
chemiſcher Spannkraft aufzuſpeichern. An die Anwendung eines anderen Körpers
als des Platins, nämlich die des Palladiums, welches eine bedeutend höhere
Abſorptionskraft beſitzt, kann leider nicht gedacht werden, da der Preis dieſes
Materiales ein viel zu hoher iſt.


Es kann jedoch die Veränderung der Elektroden auch noch auf andere als
phyſikaliſche Weiſe bewirkt werden, die einen praktiſchen Erfolg wahrſcheinlicher
macht; es iſt dies die Oxydation, beziehungsweiſe Reduction der Elektroden oder
die chemiſche Umwandlung derſelben. Die eine Elektrode verbindet ſich mit dem
durch den primären Strom ausgeſchiedenen Sauerſtoff, der anderen Elektrode wird
durch den Waſſerſtoff Sauerſtoff entzogen oder mit anderen Worten, die eine
Elektrode wird oxydirt, die andere reducirt. Verbindet man dann beide Elektroden
untereinander, ſo hat man ein Secundär-Element, welches ſo lange Elektricität
liefern wird, als die oxydirte Elektrode noch Sauerſtoff abgeben kann. Nach dieſem
Principe ſind nun auch in der That die gegenwärtig in Gebrauch ſtehenden
Secundär-Elemente conſtruirt. Bevor wir jedoch auf die einzelnen Conſtructionen
der Secundär-Elemente ſelbſt eingehen, wollen wir einen kurzen Rückblick auf den
hiſtoriſchen Gang werfen, welchen die Ausbildung der Secundär-Elemente nahmen.


Schon im Jahre 1802 machte Gautherot die Beobachtung, daß die beiden
Platindrähte, welche bei der Waſſerzerſetzung als Elektroden dienten, ſich polariſirten,
daß ſie durch Abſorption von Sauerſtoff, beziehungsweiſe Waſſerſtoff elektriſch
different wurden. Es konnte daher durch Verbindung dieſer beiden Elektroden ein
ſecundärer Strom erhalten werden.


Kurze Zeit darauf, nämlich im Jahre 1803, baute J. W. Ritter die erſte
Secundär-Batterie. Metallſcheiben gleichartigen Materiales wurden nach Art der
Voltaſäule unter Zwiſchenlage von befeuchteter Pappe aufeinandergeſchichtet und
die beiden Endplatten mit den Polen einer Voltaſäule verbunden. War der Strom
der Voltaſäule einige Zeit durch die Secundärſäule gegangen, ſo zeigte dann dieſe
[529] dasſelbe Verhalten wie die Voltaſäule. Hierbei bildete jene Metallplatte, welche
mit dem poſitiven Pole der Voltaſäule in Verbindung geſtanden war, den poſitiven,
die mit dem negativen Pole der Voltaſäule in Verbindung geſtandene Platte den
negativen Pol der Secundärſäule, d. h. alſo in der für ſich geſchloſſenen Secundär-
ſäule circulirte ein Strom, welcher dem früher durch ſie geſandten Voltaſtrome
entgegengeſetzt gerichtet war.


Figure 370. Fig. 366.

Gaſton Planté.


Obwohl Ritter die Bedeutung ſeiner Experimente richtig zu würdigen wußte,
ſtand er doch von einer weiteren Verfolgung derſelben ab, da ihm hierzu die
Mittel fehlten. Grundlegend für die Conſtructionen der Secundär-Elemente wurden
jedoch erſt die ausgedehnten und eingehenden Forſchungen, welche Planté hierüber
anſtellte.*)


„Wenn man das heutige Streben vieler Elektrotechniker, die in den Accumu-
latoren geleiſtete chemiſche Arbeit der Elektricität ſo gut als möglich induſtriell
zu verwerthen, in ſeinen mannigfachen Aeußerungen betrachtet,“ ſchreibt Kareis in
Urbanitzky: Elektricität. 34
[530] der „Zeitſchrift des Wiener elektrotechniſchen Vereines“, „ſo wird man ſchwer glauben
können, daß der eigentliche Schöpfer dieſer Bewegung ſich einer ähnlichen Abſicht
gar nie hingab. Wir ſind in der Gegenwart gewohnt, alles Erforſchte ſofort in’s
Praktiſche umzuſetzen und es hierin den Engländern und Amerikanern gleichzu-
thun, was ja durchaus nicht vom Uebel iſt, ſondern zu den ſchönſten Folgen
theoretiſcher Arbeit und Forſchung gerechnet werden muß. Allein höher wird
unbeſtritten jener Mann in unſerer Schätzung ſtehen, der theils mit der Freude
am Unterſuchen, theils mit dem ſelbſtgewählten Ziel: den Schatz des Wiſſens nach
beſten Kräften zu mehren, ſich Genüge leiſtet und die materielle Verwerthung ruhig
Anderen überläßt. Solch ein Mann iſt Gaſton Planté. Wer ſein Laboratoire
in der Rue des Tournelles betritt, findet, daß hier die Wiſſenſchaft weder die
„melkende Kuh“, noch die „dienſtbare Magd“, ſondern die heitere, ſinnige, ja
geiſtreiche Genoſſin des Hauſes iſt, die ihrem Meiſter hilft: den Blitz auf Flaſchen
zu ziehen und die tiefen Geheimniſſe der Wandlung einer Form der Kraft in die
andere in leicht faßlicher, anſprechendſter Weiſe zu veranſchaulichen. So finden wir
auch Planté ſelbſt heiter und freundlich; kein Zimmerhocker und Finſterling, ſon-

Figure 371. Fig. 367.

Planté-Element.


dern ein anſprechender Weltmann von gewinnendſten Umgangsformen und vollendetſter
Gaſtlichkeit empfängt den Beſucher in obgenannten Räumen.“


Planté wurde im Jahre 1834 (am 22. April) zu Orthez (Departement
Baſſes-Pyrénées) geboren und eröffnete ſeine wiſſenſchaftliche Laufbahn als Präparateur
Edm. Becquerel’s am Conservatoire des arts et métiers in Paris. Seine in dem
bereits citirten Werke veröffentlichten Arbeiten über Elektricität begann er im
Jahre 1859. Als wohlverdiente Anerkennungen wurde ihm im Jahre 1881 bei
der Pariſer Ausſtellung für Elektricität die höchſte damals verliehene Auszeichnung,
nämlich das Ehrendiplom, zu Theil, von der Akademie der Wiſſenſchaften der
Preis Lacaze und von der Société d’encouragement pour l’industrie nationale
die Medaille d’Ampère verliehen.


Das Princip, deſſen Planté ſich zur Conſtruction ſeines Secundär-Elementes
bediente, beſteht in der chemiſchen Umwandlung der Elektroden durch den Ladungs-
ſtrom.*) Zahlreiche Verſuche ergaben als hierzu am beſten geeignetes Material
[531] das Blei. Zwei mit Fahnen (Ableitungsſtreifen) verſchene 1 bis 1·5 Millimeter
ſtarke Bleiplatten werden mit Zwiſchenſchaltung von 0·5 Centimeter ſtarken Gummi-
ſtreifen aufeinandergelegt und dann gleich einer doppelten Papierrolle zuſammen-
gerollt (Fig. 367). Um den ſo erhaltenen Bleicylinder zuſammenzuhalten, wird er
mit einem Ebonitkreuze verſehen. Dann ſtellt man ihn in ein mit verdünnter
Schwefelſäure (gewöhnlich 1 zu 10) gefülltes Gefäß aus Glas oder Guttapercha
und verſchließt dieſes durch einen Deckel. Letzterer iſt mit einigen Oeffnungen ver-
ſehen, um die Fahnen durchzulaſſen und den ſich entwickelnden Gaſen freien Abzug
zu geſtatten. Man befeſtigt auf dem Deckel häufig noch zwei Metallzangen A A
(Fig. 368), in welche ein Platindraht F eingeſpannt und durch die Entladung
des Secundär-Elementes zum Glü-
hen gebracht werden kann. Die
Bleifahnen G und H, alſo auch die
beiden Bleiplatten, ſind mit Metall-
ſtreifen M' M in leitende Verbindung
geſetzt, deren erſter zu einer der
beiden Zangen führt, deren zweiter
unter einer mit der zweiten Zange
verbundenen Feder R endigt. Wird
die Schraube B herabgedreht, ſo iſt
auch die Bleifahne H mit der be-
treffenden Zange verbunden. Die
Streifen G und H tragen zwei
Klemmen, um die Poldrähte jener
Elektricitätsquelle aufzunehmen,
welche zur Ladung des Secundär-
Elementes benützt werden ſoll. Als
ſolche genügen z. B. zwei Bunſen-
ſche Elemente. Bei herabgedrehter
Schraube B ſind die Bunſen-Ele-
mente mit dem Secundär-Elemente
parallel geſchaltet und geht daher
der Strom aller Elemente durch den
Platindraht F.


Bei der Ladung des Secundär-
Elementes, d. h. beim Einleiten
eines elektriſchen Stromes in das-

Figure 372. Fig. 368.

Planté-Element.


ſelbe, gehen nachſtehende Proceſſe vor ſich. Der elektriſche Strom zerſetzt das Waſſer
in Sauerſtoff und Waſſerſtoff und ſcheidet hierbei den erſteren an der poſitiven,
den letzteren an der negativen Bleiplatte ab. Dadurch wird die poſitive Bleiplatte
an ihrer Oberfläche oxydirt und erhält auf dieſe Weiſe einen braunen Ueberzug von
Bleiſuperoxyd; die negative Bleiplatte bleibt blank. Verbindet man nun beide
Platten durch einen Draht, ſo circulirt durch dieſen ein Strom, hervorgerufen
durch ein Element, welches aus Bleiſuperoxyd, Blei und verdünnter Schwefelſäure
beſteht. In dieſem Elemente geht nun der Strom umgekehrt wie bei der
Ladung, weshalb jetzt der Waſſerſtoff an der Bleiſuperoxydplatte abgeſchieden wird
und auf dieſe reducirend wirkt; dem Bleiſuperoxyd wird alſo der Sauerſtoff
entzogen und dieſes ſelbſt wieder in Blei verwandelt. Das Ende dieſer Umwand-
34*
[532] lung bedeutet auch das Ende des Stromes; das Secundär-Element iſt dann
entladen.


Aus dieſen Thatſachen erſieht man, daß durch das Laden des Secundär-
Elementes chemiſche Veränderungen der Bleiplatten in der Art bewirkt werden,
daß dieſe dann geeignet erſcheinen, ein galvaniſches Element zu bilden; die Ent-
ladung iſt die Wiederherſtellung des urſprünglichen Zuſtandes und wieder ein
chemiſcher Proceß. Man entnimmt alſo hieraus, daß, wie bereits oben erwähnt, das
Secundär-Element nicht als eine Aufſpeicherungsvorrichtung ſpeciell für Elektricität
betrachtet werden kann, ſondern daß es nur zur Aufſpeicherung wieder auslösbarer
Energie überhaupt dient.


Sehr wichtig iſt die Aufgabe, welche die Schwefelſäure bei den chemiſchen
Veränderungen im Secundär-Elemente zu löſen hat. Worin dieſe beſteht, wird ſofort
klar werden, wenn deren Wirkung in’s Auge gefaßt wird. Die Schwefelſäure
verbindet ſich mit dem Blei zu einer ſchwer löslichen Verbindung, dem Bleiſulfate;
dieſes überzieht die Bleiplatten mit einer weißen Schichte und verhindert die weitere
Einwirkung der Schwefelſäure auf das Blei. Der beim Laden des Secundär-
Elementes in dasſelbe eingeleitete elektriſche Strom zerſetzt das Bleiſulfat und
bildet an der poſitiven Bleiplatte Bleiſuperoxyd, an der negativen Platte Blei,
welches als ſchwammige Maſſe zurückbleibt. Die Schwefelſäure bewirkt alſo eine
Auflockerung des Bleies, d. h. ſie vergrößert die Oberfläche und ſomit auch die
Wirkſamkeit der Platten. Bei mehrmals wiederholtem Laden und Entladen des
Secundär-Elementes vermehrt die Schwefelſäure durch ihre Einwirkung die auf-
gelockerte Maſſe, und dies iſt die Urſache, warum ein Secundär-Element bei
längerem Gebrauche wirkſamer wird. Die Schwefelſäure gewährt aber dem
Secundär-Elemente noch einen weiteren Vortheil. Iſt nämlich das Element geladen,
alſo an der poſitiven Platte Bleiſuperoxyd gebildet, ſo wird dieſes an der Oberfläche
in Bleiſulfat umgewandelt. Letzteres überzieht die Bleiſuperoxydſchichte mit einer
ſchwer löslichen Hülle und verhindert ſo die weitere Zerſetzung des Superoxydes.
Dies hat zur Folge, daß das Element ſeine Ladung lange Zeit erhält; Planté
giebt an, daß ein derartiges Element vier Wochen geladen bleibt. Wäre dies nicht
der Fall, ſo müßte das Secundär-Element kurze Zeit nach ſeiner Ladung benützt,
d. h. entladen werden, womit es ſeine werthvollſte Eigenſchaft verloren hätte. In
dieſem Verhalten der Schwefelſäure zum Blei und dem Oxyde desſelben liegt auch
der Grund, warum immer dieſe Combination zur Conſtruction von Secundär-
Elementen gewählt wird.


Da der Strom eines Secundär-Elementes ſo lange anhält, bis das beim
Laden gebildete Bleiſuperoxyd reducirt iſt, ſo wird die Stärke der Ladung durch
die Menge des gebildeten Bleiſuperoxydes beſtimmt. Die Ladung eines Elementes
wird alſo dann vollſtändig ſein, wenn eine Elektrode möglichſt vollſtändig in
Bleiſuperoxyd umgewandelt iſt. Das Bleiſuperoxyd wird aber durch den elektrolytiſch
ausgeſchiedenen Sauerſtoff gebildet; man könnte daher glauben, es genüge zur
vollen Ladung eines neu zuſammengeſtellten Planté-Elementes, den Strom einer
Primär-Batterie längere Zeit hindurch einzuleiten. Dem iſt aber nicht ſo; ſobald
die erſten Schichten von Bleiſuperoxyd gebildet ſind, ſchützen dieſe das darunter
liegende Blei, indem ſie dem Sauerſtoffe den Zutritt erſchweren. Man erkennt
dies aus der lebhaften Gasentwicklung, welche in kurzer Zeit eintritt, nachdem
man den primären Strom in das Secundär-Element einzuleiten begonnen hat.
Schließt man hierauf das Secundär-Element in ſich ſelbſt, ſo wird das Blei-
[533] ſuperoxyd wieder reducirt und an der zweiten Elektrode das durch die Ladung
blank gewordene Blei hingegen oxydirt. Durch dieſe Proceſſe tritt auf beiden
Platten eine Auflockerung der Bleioberfläche ein, und wenn jetzt neuerdings ein
Ladungsſtrom in das Secundär-Element geſandt wird, ſo kann jetzt der Sauerſtoff
leichter und tiefer eindringen, es wird alſo eine ausgiebigere Bleihyperoxydbildung
und ſomit auch Ladung erreicht werden.


Ueberläßt man ein geladenes Secundär-Element bei ungeſchloſſenem Stromkreiſe
ſich ſelbſt, ſo bemerkt man, daß die braune Farbe der mit Bleiſuperoxyd überzogenen
Platte nach und nach lichter wird, dann in Gelb und ſchließlich nahezu in Weiß
übergeht. Die Urſache dieſer Veränderung liegt in dem Verhalten der Schwefelſäure.
Dieſe bildet nämlich Bleiſulfat, einen weißen Körper, durch deſſen Beimiſchung
zum braunen Superoxyd die Farbenwandlung bewirkt wird. Bei einer darauf
folgenden Reduction wird auch das Bleiſulfat in körniges Blei umgewandelt und
dient alſo gleichfalls zur Auflockerung der Elektroden.


Dieſe Erwägungen erklären auch, warum ein Secundär-Element nicht gleich
nach ſeiner erſten Ladung, ſondern erſt nach längerem Gebrauche, alſo wiederholtem
Laden, Entladen und Ruhen, ſeine volle Kraft erlangt. Dieſes ſucceſſive Laden
nennt man das Formiren des Elementes. Es wird nach Planté am beſten in
der Weiſe ausgeführt, daß man zunächſt den Ladungsſtrom nur kurze Zeit, etwa
eine Viertelſtunde wirken läßt, hierauf das Element entladet, dann neuerdings den
Ladungsſtrom, nun aber in entgegengeſetzter Richtung, einleitet, abermals ent-
ladet u. ſ. w. bei fortwährender Steigerung der Ladungszeit. Man ladet zwei
Stunden lang, läßt über Nacht ſtehen, entladet am nächſten Tage und ſendet
den Strom abermals in umgekehrter Richtung durch, worauf man das Element
ſechs bis acht Tage der Ruhe überläßt. Iſt dieſer allerdings langwierige Proceß
durchgemacht, dann kann das Element durch eine einmalige Ladung jederzeit
gebrauchsfähig gemacht werden; die Richtung des Ladeſtromes wird dann ſtets
unverändert beibehalten.


Beim Entladen eines Secundär-Elementes kann man die eigenthümliche
Beobachtung machen, daß ein bereits entladenes Element nach kurzer Ruhezeit
abermals einen Strom giebt, alſo nur ſcheinbar entladen war. Es tritt dieſe
Erſcheinung namentlich dann ein, wenn die erſte Entladung eine kräftige war.
Der während der Entladung die Flüſſigkeit paſſirende Strom hat nämlich das
Waſſer in ſeine beiden Beſtandtheile, Waſſerſtoff und Sauerſtoff, zerlegt und
letzteren an der Bleiplatte, erſteren an der Bleiſuperoxydplatte ausgeſchieden.
Dadurch wird aber das Bleiſuperoxyd an der Oberfläche reducirt, das Blei oxydirt,
d. h. die beiden Platten werden umgekehrt polariſirt. Der hierdurch entſtehende
Polariſationsſtrom nimmt dann an Stärke in demſelben Maße zu, als die Polari-
ſirung zunimmt, und da ſeine Richtung entgegengeſetzt iſt der Stromrichtung des
Secundär-Elementes, ſo muß der Strom des Secundär-Elementes immer ſchwächer
werden und endlich aufhören. Ueberläßt man nun das Secundär-Element einige
Zeit der Ruhe, ſo ſetzen ſich dieſe oberflächlichen Schichten mit den darunter
befindlichen wieder um und die Entladung des Secundär-Elementes kann fort-
geſetzt werden.


Die Secundär-Elemente können wie die galvaniſchen Elemente zu Batterien
auf Spannung oder auf Quantität verbunden werden und geben dann ſehr kräftige
Wirkungen. Eine ſolche Batterie von 20 Elementen iſt in Fig. 369 abgebildet.
Um die Elemente bequem auf Spannung oder auf Quantität ſchalten zu können,
[534] iſt oben am Batteriegeſtelle ein zweckmäßig geſtalteter Commutator angebracht.
Dieſer beſteht aus einer Holzleiſte C C', die auf ihren beiden ſchmalen Flächen
mit Kupferſtreifen belegt iſt, gegen welche die einzelnen Federn r r drücken. Die
Federn auf der Vorderſeite der Holzleiſte ſtehen mit ſämmtlichen Polen des einen
Vorzeichens, die Federn der Rückſeite mit den entgegengeſetzten Polen in Verbindung.
Bei dieſer Stellung des Commutators ſind daher alle 20 Elemente nebeneinander,
alſo auf Quantität verbunden und ſtellen ſo nur ein Element, aber von ſehr großer
Oberfläche dar. Die beiden Kupferſtreifen ſind mit je einer Klemme G verbunden,
in welche ein Platindraht eingeſpannt und, wenn er auch eine verhältuißmäßig
größere Dicke beſitzt, aber allerdings nur kurze Zeit, zum Glühen gebracht werden
kann. Dreht man den Commutator mit Hilfe des Knopfes B um 90 Grade, ſo
gelangt unter jede Feder einer der auf den breiten Seiten der Holzleiſte befeſtigten
Metallſtiften. Je zwei einander gegenüber liegende Metallſtiften ſind untereinander
verbunden, ſo daß bei dieſer Stellung des Commutators die Elemente ſämmtlich

Figure 373. Fig. 369.

Planté-Batterie.


hintereinander geſchaltet erſcheinen. Die Poldrähte der Batterie ſind mit den
Klemmen T T verbunden, zwiſchen welche ein Platindraht eingeſchaltet werden
kann, der dann bei hinlänglich geringem Querſchnitte längere Zeit in Glühhitze
erhalten wird.


Die Secundär-Batterien geſtatten in dieſer Weiſe, Elektricität geringer Spannung
in ſolche von hoher Spannung umzuwandeln. Es iſt deshalb möglich, mit nur
zwei Bunſen-Elementen und einer Secundär-Batterie dieſelben Effecte zu erhalten,
wie mit einer großen Bunſen-Batterie. 20 Planté-Elemente leiſten ungefähr dasſelbe,
wie 30 Bunſen-Elemente. Dieſes Verhalten macht daher die Secundär-Elemente
für mannigfaltige Zwecke außerordentlich bequem anwendbar. Viele Experimente
bedürfen eines Stromes höherer Spannung, die nur durch das mühſelige und
läſtige Zuſammenſtellen einer vielelementigen Bunſen-Batterie erhalten werden kann.
Bei Anwendung von Secundär-Elementen, die ja ein- für allemal zuſammengeſtellt
ſind, reichen zwei Bunſen-Elemente zur Ladung aus und die hiermit geladenen,
beiſpielsweiſe 20, Secundär-Elemente laſſen dieſelben Wirkungen erreichen, wie
30 Bunſen-Elemente. Zur Ladung der 20 Secundär-Elemente oder auch mehrerer
[535] Batterien zu je 20 oder mehr Elementen reichen zwei Bunſen’ſche Elemente aus,

Figure 374. Fig. 370.

Planté-Batterie.


weil die Secundär-Elemente während der Ladung durch den vorbeſchriebenen
[536] Commutator auf Quantität miteinander verbunden werden, alſo alle zuſammen
nur ein Element von außerordentlich großer Oberfläche bilden. Sie können aber
dann bei der Entladung einen Strom hoher Spannung geben, weil ſie dann mit
Hilfe des Commutators hintereinander, alſo auf Spannung verbunden werden.


Dieſe Angaben, wonach die durch zwei Bunſen-Elemente geladenen Secundär-
Elemente die Leiſtung von 30 oder bei größerer Anzahl von Secundär-Elementen
von 600 oder 800 Bunſen-Elementen und darüber erſetzen können, dürfen jedoch
nicht ſo aufgefaßt werden, als ob durch die Secundär-Elemente eine Multiplication
der Arbeitsgröße zweier Bunſen-Elemente möglich wäre. Durch die Secundär-
Elemente wird nicht die Größe, ſondern nur die Form der Arbeitsleiſtung
geändert, und zwar in einer Weiſe, die eben für viele Zwecke ſehr brauchbar
erſcheint. Es kann alſo eine 20elementige Secundär-Batterie, welche eine Stunde
lang durch zwei Bunſen-Elemente geladen wurde, nicht wieder eine Stunde lang
den Strom von 30 Bunſen-Elementen bei der Entladung wiedergeben. Die
Secundär-Batterie kann nur die beiſpielsweiſe 15ſtündige Arbeit von zwei Bunſen-
Elementen während der Ladung in eine einſtündige Arbeit von 30 Bunſen-Elementen
während der Entladung umwandeln. Und ſelbſt dieſes Reſultat iſt nur ein ideales,
praktiſch nicht erreichbares, da bei der Umwandlung von einer Form der Arbeits-
leiſtung in die andere immer Verluſte eintreten. Nach ſorgfältigen Verſuchen, welche
Planté angeſtellt hat, laſſen ſich aus den Secundär-Elementen nur neun Zehntel
der in den zur Ladung angewandten Elementen geleiſteten chemiſchen Arbeit
wiedergewinnen.


Daß durch die Secundär-Elemente kein Arbeitsgewinn, ſondern nur eine
Aenderung in der Form der Leiſtung erreicht werden kann, erhellt ſchon aus dem
oben auseinandergeſetzten Verhalten eines Secundär-Elementes während der Ladung
und Entladung. Die Ladung iſt ein durch die Ladungs-Elemente bewirkter elektro-
lytiſcher Proceß; die Größe der Ladung eines Secundär-Elementes entſpricht der Menge
der durch die Elektrolyſe ausgeſchiedenen Stoffe und die Entladung des Elementes
beſteht in dem Aufbrauche dieſer Stoffe. Da nun, wie an anderer Stelle bereits
erwähnt wurde, die Quantität der elektrolytiſch abgeſchiedenen Producte proportional
der Stromarbeit des ſtromliefernden Elementes iſt, oder, mit anderen Worten
ausgedrückt, der aufgelöſten Zinkmenge entſpricht, ſo muß offenbar auch die
Stromarbeit des Secundär-Elementes der im Primär-Elemente aufgewandten
Arbeit oder dem dort verbrauchten Zinke entſprechen und kann daher keine größere
ſein. Sie muß im Gegentheile kleiner ſein, da eine Umwandlung von Kräften nie
ohne Verluſt bewirkt werden kann.


Planté ſtellte ſich Batterien von 400, 600 und 800 Secundär-Elementen
zuſammen (Fig. 370) und führte mit dieſen ausgedehnte Experimentalunterſuchungen
durch, die namentlich theoretiſch das höchſte Intereſſe beanſpruchen; ſie ſind ſämmtlich
veröffentlicht in dem bereits früher angegebenen Werke. Mit einer Säule von
200 Elementen gelang es z. B. eine Erſcheinung hervorzurufen, welche jener der
Kugelblitze ähnlich iſt. In einem Waſſerzerſetzungsgefäße, welches mit Salzwaſſer
oder angeſäuertem Waſſer gefüllt war, wurde zuerſt die negative Elektrode eingetaucht
und dann die poſitive der Flüſſigkeitsoberfläche genähert. Es bildete ſich eine
leuchtende Dampfkugel, welche lebhafte Drehung zeigte und ſich hierdurch abplattete
(Fig. 371). Dieſe Erſcheinung war von einem Brauſen begleitet, welches der
allmählichen Condenſation der Dämpfe ſein Entſtehen verdanken dürfte. Wir können
nicht umhin, an dieſer Stelle auf eine analoge Erſcheinung hinzuweiſen, welche
[537] Verfaſſer vorliegenden Werkes und Reitlinger bei ſtark verdünnten Gaſen beobachtet
haben. (Siehe Seite 326.)


Bei Anwendung größerer Säulen oder der noch zu beſchreibenden rheoſtatiſchen
Maſchine tritt an Stelle des Kugelblitzes eine ganze Garbe leuchtender Dampfkugeln.
Eine der Springfluth ähnliche Erſcheinung (Fig. 372) erhielt Planté, indem er
die poſitive Elektrode dem Rande des mit Salzwaſſer gefüllten Gefäßes näherte,
wenn gleichzeitig die negative Elektrode in die Flüſſigkeit tauchte.


Figure 375. Fig. 371.

Nachahmung des Kugelblitzes.


Figure 376. Fig. 372.

Nachahmung der Springfluth.


Einige von Planté angegebene praktiſche Anwendungen der Secundär-
Elemente zeigen die Fig. 373 und 374. Fig. 373 ſtellt das unter dem Namen
„briquet de Saturne” bekannte Feuerzeug dar, welches aus einem kleinen
Mahagonikäſtchen beſteht, an deſſen Vorderſeite ein kleines Kerzchen befeſtigt wird.
Ueber dieſem iſt durch zwei Pincetten ein feiner Platindraht geſpannt. Im Innern
des Käſtchens befindet ſich ein Secundär-Element, deſſen Strom durch den
Platindraht geht und dieſen glühend macht, ſobald man durch Niederdrücken der
Feder T den Stromſchluß herſtellt. Die Klemmſchrauben C dienen zur Einleitung
des Ladungsſtromes. Eine einmalige Ladung des Secundär-Elementes reicht hin,
um das Kerzchen beiläufig 100mal zu entzünden.


[538]

Fig. 374 ſtellt das Glasätzen durch Elektricität dar. Die zu ätzende
Platte wird in ein flaches Gefäß gelegt, in welches auch der poſitive Pol der
Secundär-Batterie taucht. Hierauf bedeckt man die Platte mit einer Schichte concentrirter
Salpeterlöſung und fährt mit der von einer Glasröhre umhüllten negativen
Elektrode über die zu ätzenden Stellen. Ein leuchtender Streif folgt der Elektrode
und die Platte iſt an dieſen Stellen geätzt.


Konnte ſchon mit Hilfe der Accumulatoren Elektricität niederer Spannung
in ſolche von hoher Spannung umgewandelt werden, ſo gelang dies im erhöhten
Grade durch die von Planté erfundene rheoſtatiſche Maſchine. Wenn wir zu

Figure 377. Fig. 373.

Briquet de Saturne.


Figure 378. Fig. 374.

Glasätzen.


dieſer in Fig. 375 abgebildeten Maſchine bemerken, daß ſie eine Batterie Frankliniſcher
Tafeln darſtellt, deren Belegungen parallel nebeneinander oder in Cascadenanordnung
(Seite 121) hintereinander durch einen Commutator verbunden werden können, ſo
iſt hiermit wohl auch die Art ihrer Wirkung ſo ziemlich erklärt.


Die einzelnen Platten beſtehen aus Glimmer oder Hartgummi und ſind
beiderſeits mit Zinnfolie belegt; ſie werden in größerer Anzahl, z. B. zu 80, in
einem Geſtelle, ſorgfältig voneinander iſolirt, befeſtigt. Der Commutator iſt aus
einer Ebonitwalze in ähnlicher Art gebildet, wie wir ſie bei der Secundär-Batterie
kennen gelernt haben. Beim Laden der Condenſatorplatten wird der Commutator
ſo geſtellt, daß ſämmtliche Platten nebeneinander geſchaltet und mit den Polen der
[539] Secundär-Batterie verbunden ſind. Beim Entladen ſind die Platten hintereinander
verbunden und iſt die Secundär-Batterie von dieſer Verbindung ausgeſchloſſen.


„Verbindet man die beiden Klemmſchrauben des Apparates,“ ſchreibt Planté,
„mit einer Secundär-Batterie von 800 Elementen, welche man vorher mehrere Tage
lang durch zwei Bunſen’ſche Elemente geladen hat, und verſetzt den Commutator
in Rotation, ſo erhält man zwiſchen den Spitzen des mit den Endplatten der
rheoſtatiſchen Maſchine verbundenen Entladers eine Reihe von Funken, ganz ſo wie
bei der mit einem Condenſator verſehenen Elektriſirmaſchine. Wandte ich hierbei
einen Apparat von 80 Platten, jede zu drei Quadratdecimeter Oberfläche an, ſo
erhielt ich Funken von 12 Centimeter Länge oder auch zu 15 Centimeter Länge, wenn
ſie oberhalb einer iſolirten und mit Schwefelblumen beſtreuten Platte überſchlagen.“


Hierzu iſt noch zu bemerken: die rheoſtatiſche Maſchine hat gegenüber der
Influenzmaſchine den Vortheil, daß ſie immer nur Funken einer Richtung giebt

Figure 379. Fig. 375.

Rheoſtatiſche Maſchine.


und gegenüber einem Inductionsapparate, der ja auch den galvaniſchen Strom in
die Form von Spannungselektricität umwandelt, daß die rheoſtatiſche Maſchine
dieſe Umwandlung mit viel geringerem Verluſte bewirkt als ein Inductionsapparat.
Der größere Stromverluſt bei letzterem rührt davon her, daß der galvaniſche
Strom in ſich ſelbſt geſchloſſen wird, was bei der rheoſtatiſchen Maſchine nie
vorkommt; es kann daher bei letzterer keine Umwandlung von Elektricität in Wärme
eintreten. Gleichwie der Inductionsapparat iſt auch die rheoſtatiſche Maſchine
umkehrbar, d. h. durch beide Apparate kann auch umgekehrt Spannungselektricität
in Elektricität geringer Spannung verwandelt werden. Man braucht zu dieſem
Behufe nur die Spannungspole der rheoſtatiſchen Maſchine mit einer Elektricitäts-
quelle hoher Potentialdifferenz, alſo z. B. einer Influenzmaſchine in Verbindung
zu bringen; befeſtigt man hierauf die früher mit der Ladungsbatterie in Ver-
bindung geſtandenen Drahtenden der rheoſtatiſchen Maſchine mit der Klemme eines
Galvanometers, ſo zeigt dieſes bei entſprechender Drehung des Commutators einen
Strom an. Natürlich kann letzterer keine große Stärke beſitzen, da die Condenſatoren
einen zu großen Widerſtand bilden.


[540]

Angeſpornt durch Planté’s Erfolge verſuchten ſich viele Elektrotechniker in
der Conſtruction von Secundär-Batterien. Hierbei wurden dreierlei Richtungen
eingeſchlagen; das Streben der Einen ging dahin, die Oberfläche der Bleiplatten
zu vergrößern und dadurch die Wirkſamkeit des Secundär-Elementes zu erhöhen,
Andere kürzen durch geeignete Präparirung der Bleiplatten die Formirungszeit ab
und wieder Andere verſuchten Bleiplatten mit Platten aus anderen Metallen zu
combiniren oder auch das Blei ganz auszuſchließen, um dadurch das erhebliche Gewicht
der Secundär-Batterien zu verringern. Einige Beiſpiele aus jeder dieſer Gruppen
werden uns ein Bild der diesbezüglichen Beſtrebungen und ihres Erfolges geben.


Die Vergrößerung der wirkſamen Oberfläche der Platten erreicht Méritens
dadurch, daß er 2 Millimeter dicke Bleiplatten mehrfach faltet und die hierdurch
gebildeten Fächer mit Streifen aus Bleifolie ausfüllt. Eine derartig zuſammengeſetzte

Figure 380. Fig. 376.

Méritens’ Secundär-Element.


Bleiplatte iſt in Fig. 376 abgebildet; man erſieht hieraus, daß je zwei aufeinander-
folgende Flächen der Bleiplatte bei b, d, e u. ſ. w. ganz aneinander anliegen und
daß dadurch eine Reihe von Fächern a', c, e u. ſ. w. entſteht. Dieſe werden
mit Bleiſtreifen von 0·1 Millimeter Dicke ausgefüllt. P am oberen Ende der
ganzen Platte, welche 10 Centimeter hoch, 9 Centimeter breit und 5 Centimeter
dick iſt, bildet den Ableitungsſtreifen.


Um das Auseinanderfallen der Platte zu verhindern, ſind die aneinander
liegenden Kanten an der vertical ſtehenden Schmalſeite untereinander verlöthet. Je
zwei ſolcher Platten im Geſammtgewichte von zwei Kilogramm werden gemein-
ſchaftlich in ein mit verdünnter Schwefelſäure gefülltes Hartgummigefäß eingeſetzt
und in dieſem durch Hartgummiklötzchen in einem Abſtande von 2 Centimeter
voneinander erhalten. Die einzelnen Fächer der Platten werden nicht horizontal
geſtellt, ſondern mit ihrer offenen Seite nach oben gerichtet, um den Gaſen das
Entweichen zu erleichtern. Das fächerartige Gerippe kann auch durch Guß her-
geſtellt werden.


[541]

Sellon und Volckmar wenden durchlöcherte gewellte Bleiplatten an, deren
Oeffnungen durch Bleiſchwamm ausgefüllt werden; Changy ſtellt eine poröſe
Zelle in ein Bleigefäß und füllt die Zwiſchenräume mit Bleiflitter.


Auch Kabath’s Conſtruction der Bleiplatten bezweckt die Vergrößerung
der wirkſamen Oberfläche. Die einzelnen Platten dieſes Secundär-Elementes werden
durch Aufeinanderlegen von abwechſelnd gewellten und geraden 0·1 Millimeter
dicken Bleiſtreifen zuſammengeſetzt, welche durch Bleiſiebplatten vor dem Auseinander-
fallen geſchützt ſind (Fig. 377). Auf dieſe Weiſe entſtehen 8 bis 9 Centimeter
breite, vielzellige Platten, die der Flüſſigkeit eine große Oberfläche darbieten. Jede
Platte enthält 80 bis 100 Bleiſtreifen und iſt mit einem Leitungsdrahte verbunden.


Kabath vereinigt je zwölf Platten in verticaler Stellung in einem Accumulator
und verbindet die Platten alternirend mit dem einen und dem anderen Pole; vor
die erſte und hinter die letzte Platte wird noch eine maſſive Bleiplatte geſetzt, die

Figure 381. Fig. 377.

Kabath’s Secundär-Element.


beide wie die übrigen 12 in den Deckel durch Kolophonium oder Paraffin von-
einander iſolirt eingeſetzt werden. Das Batteriegefäß wird aus Holz verfertigt
und mit Blei ausgekleidet. Für kleinere Modelle kommen jedoch auch Gefäße
aus Glas oder Hartgummi in Verwendung.


Die Platten ſind ungefähr 40 Centimeter hoch, 0·5 Centimeter breit und
1 Centimeter dick. Das kleine Laboratoriumsmodell wiegt ſechs, das größere ſammt
Batteriegefäß und Schwefelſäure (verdünnt im Verhältniſſe 1 : 10) 35 Kilogramm.
Bei einem dritten Modelle, welches ſich jedoch nicht für den Transport, ſondern
nur für ſtabile Aufſtellung eignet, ſind je zehn Platten horizontal angeordnet; dieſes
wiegt 25 Kilogramm.


Von jenen Secundär-Elementen, bei welchen durch gewiſſe Präparirung die
Dauer der Formirung abgekürzt wird und bei denen man die Aufſpeicherungs-
fähigkeit dadurch zu erhöhen trachtet, daß man die wirkſame Schichte dicker macht,
iſt in erſter Linie das Secundär-Element von Faure zu nennen, da dieſes in der
kurzen Zeit ſeines Beſtehens ſchon nennenswerthe Erfolge errungen hat.


[542]

Camillo Faure nimmt dem Ladungsſtrome einen Theil der Arbeit dadurch
ab, daß er an Stelle blanker Bleiplatten ſolche anwendet, die mit Minium (Blei-
Sauerſtoffverbindungen) überzogen ſind. Bevor wir jedoch auf das Verhalten dieſes
Ueberzuges ſelbſt eingehen, wollen wir vorerſt die mechaniſche Conſtruction des
Elementes kennen lernen. Zur Herſtellung der Faure’ſchen Secundär-Batterie
bedient man ſich zweier Bleiſtreifen von 200 Millimeter Breite; der eine iſt
600 Millimeter lang und 1 Millimeter dick, der andere 400 Millimeter lang
und 0·5 Millimeter dick, beide erhalten am Ende eine kräftige Bleifahne. Jede
Bleiplatte wird alsdann mit Minium, welches mit verdünnter Schwefelſäure zu
einem Brei angerührt wurde, belegt; die große Platte erhält 800, die kleine
700 Gramm. Man bedeckt hierauf das Minium mit einem Blatte Pergamentpapier,

Figure 382. Fig. 378.

Faure-Element.


hüllt das Ganze in einen Filzüberzug, legt die
Platten übereinander und rollt ſie unter Zwiſchen-
lage von Kautſchukbändern auf. Schließlich ſtellt
man die Rolle in ein cylindriſches Gefäß aus
Blei, welches innen mit Minium und Filz aus-
gekleidet iſt und auch an der Wirkung participirt,
da die eine Bleifahne der Rolle an dasſelbe
angelöthet iſt. Ein ſolches Element wiegt ohne
Flüſſigkeit 8500 Gramm.


Die Form, welche Reynier dem Faure-
Elemente gegeben hat, iſt in Fig. 378 dargeſtellt.
Hierbei iſt das Bleigefäß durch einen Glas-
cylinder erſetzt, was den Vortheil gewährt, die
Vorgänge im Elemente beobachten zu können.
Da Filz bald zerſtört wird, ſetzt Reynier an
deſſen Stelle Schafwollgewebe.


Nach der bei dem Planté-Elemente ge-
gebenen Darſtellung der chemiſchen Proceſſe iſt
über jene, welche im Faure-Elemente auftreten,
wenig beizufügen. Sobald die mit Minium
belegten Platten in die Schwefelſäure eingeſenkt
ſind, bildet ſich aus dem Minium Bleiſuperoxyd
und Bleiſulfat. Der Ladeſtrom hat dann auf
einer Platte die Superoxydbildung nur mehr zu
vervollkommnen und auf der anderen die Blei-
verbindungen zu reduciren. Dieſe Stromarbeit wird noch dadurch erleichtert, daß
der Ueberzug auf beiden Platten ein pulverförmiger iſt, der den Gaſen leichten
Zutritt gewährt.


Statt die Platten zu rollen, kann man auch Platten mit rechteckigem Quer-
ſchnitt parallel nebeneinander und entſprechend verbunden in einem paſſenden Trog
einſetzen und verwenden. Nach Uppenborn’s Angaben beſitzt ein Faure’ſches
Element eine elektromotoriſche Kraft von zwei Volts und ein Gewicht von 25 Kilo-
gramm. Mit drei Siemens-Maſchinen (Modell D2) können 150 Elemente in beiläufig
10 Stunden geladen werden. Stehen ſie dann unbenützt, ſo verlieren ſie 1·5 bis
2 Procent ihrer Ladung per Tag. Zum Betriebe eines Motors verwendet, kann
ein Faure-Element 6 Stunden lang eine Arbeit von 2 Secunden-Meter-Kilo-
gramm leiſten.


[543]

O. Schulze in Straßburg erreicht die Auflockerung der Bleiplatten durch
Präpariren mit Schwefel. Die Platten werden zu dieſem Behufe mit Schwefel-
pulver beſtreut und erhitzt, wodurch ſie einen Ueberzug von Schwefelblei erhalten.
Werden ſie dann in verdünnte Schwefelſäure eingeſenkt und leitet man den Ladungs-
ſtrom ein, ſo wird an der einen Platte der Schwefel mit dem Waſſerſtoffe ver-
bunden und entweicht als Schwefelwaſſerſtoff, indeß reines, ſchwammiges Blei
zurückbleibt, während an der zweiten Elektrode durch den Sauerſtoff und die
Schwefelſäure Bleiſulfat und Bleiſuperoxyd gebildet werden.


Die Elemente werden aus 23 Centimeter hohen, 12 Centimeter breiten
und 0·5 Millimeter dicken Platten in der Weiſe gebildet, daß man eine größere
Anzahl derſelben, an Metallklemmen aufgehängt, miteinander verbindet, wie es
Fig. 379 darſtellt. Das Bleigewicht eines Accumulators beträgt (bei 30 Platten)
8 Kilogramm, das Geſammtgewicht einſchließlich Kaſten und Füllung 10·5 Kilo-
gramm. Im geladenen Zuſtande beſitzt das
Element einen Widerſtand von 0·005 Ohm, der
jedoch bei der Entladung bis auf 0·015 Ohm
ſteigt; hierbei iſt die elektromotoriſche Kraft
gleich 2·15 Volts.


De Calo verwendet zu ſeinen Secundär-
Elementen Platten aus Bleiſchwamm, die mit
Minium überſtrichen ſein ſollen und in Säckchen
eingenäht werden. Kornblüh nimmt Bleidraht-
netze und preßt in dieſe das mit einem Binde-
mittel verſehene Minium ein; je 10 Platten
von 6 Millimeter Dicke werden zu einem Elemente
vereinigt.


Um endlich auch noch ein Beiſpiel eines
Secundär-Elementes zu geben, in welchem nicht
nur Bleiplatten zur Anwendung gelangen, möge
hier die Beſchreibung der Secundär-Batterie von
Böttcher angeſchloſſen werden. Dieſelbe iſt in
den Fig. 380 und 381 abgebildet. Die negative
Elektrode iſt aus einem Zinkbleche Z gebildet,

Figure 383. Fig. 379.

Schutze’s Secundär-Element.


welches U-förmig gebogen wird. Innerhalb derſelben hängt die gewellte, mit
Bleiglätte bedeckte Bleiplatte P. Die metalliſche Berührung zwiſchen beiden wird
durch das um die Bleiplatte geſchlungene Pergamentpapier F hintangehalten. Die
einzelnen Platten ſind an einem gemeinſchaftlichen Rahmen befeſtigt und nach Art
der Tauchbatterien vereinigt. Die Urſache zu einer derartigen Anordnung liegt
im Verhalten der Batterie. Jedes Element erhält nämlich 300 Gramm Zinkvitriol,
aus welchem beim Laden Zink ausgeſchieden wird, während ſich an der Bleiplatte
Bleiſuperoxyd bildet. Das geladene Element beſteht daher aus Bleiſuperoxyd,
Zink und Schwefelſäure. Würde man es, falls nicht gleich darauf die Entladung
folgen ſoll, ohne die Platten herauszuheben ſtehen laſſen, ſo müßte ſich das Zink
wieder in der Schwefelſäure auflöſen; um nun dies zu verhindern, ſind die Elemente
zu einer Tauchbatterie vereinigt.


Wird das Element entladen, ſo bildet ſich Zinkvitriol unter gleichzeitiger
Reduction des Bleiſuperoxydes. Als beſonderen Vorzug des Elementes giebt
Böttcher an, daß dasſelbe auch dann noch Strom liefert, wenn es entladen iſt,
[544] weil eben dann immer noch ein galvaniſches Element, beſtehend aus Blei, Zink

Figure 384. Fig. 380.

Böttcher-Element.


Figure 385. Fig. 381.

Böttcher’s Secundär-Batterie.


und Zinkvitriol, vorhanden iſt. Freilich darf hierbei aber nicht überſehen werden,
[545] daß dieſer Strom wegen der raſch eintretenden Polariſation von keiner langen
Dauer ſein kann.


Das Gewicht von 24 auf zwei Tröge vertheilten Elementen beträgt 24 Kilo-
gramm, wobei dieſe aber einer dreimal größeren Anzahl nach Faure entſprechen.
Für die praktiſche Verwerthung müßte die Form allerdings noch inſoferne abgeändert
werden, daß die Elemente für längere Dauer verwendbar erſcheinen.


Das Laden der Secundär-Elemente.

Zum Laden der Secundär-Batterien können galvaniſche Elemente, Thermo-
ſäulen oder auch Maſchinen benützt werden; für praktiſche Zwecke ſind namentlich
letztere in Betracht zu ziehen. Kleinere Säulen zum Laboratoriumsgebrauche wird
man ſchon aus dem Grunde häufig durch galvaniſche Elemente laden, weil hier
nicht immer eine Maſchine zur Verfügung ſteht. Die Frage, ob es in dieſem Falle
nicht beſſer ſei, den Strom der galvaniſchen Elemente direct ſtatt unter Vermittlung
der Secundär-Elemente zu benützen, beantwortet ſich wohl aus dem, was beim
Planté-Elemente über die Art ſeiner Wirkſamkeit geſagt wurde. Es wird hiernach
die andere Form, in welcher uns die Elektricität von den Secundär-Elementen
geliefert wird, häufig zu Gunſten der Anwendung dieſer ſprechen. Es iſt jedoch
nicht gleichgiltig, welcher Elemente man ſich hierzu bedient; ſo würde z. B. das
in der Telegraphie und zu vielen anderen Zwecken außerordentlich gut brauchbare
Leclanché-Element zum Laden der Secundär-Elemente nicht taugen, da deſſen
Stromſtärke, wie wir wiſſen, bei geringem Widerſtande im äußeren Schließungs-
kreiſe (wie ihn die Secundär-Elemente darbieten würden) ſehr raſch abnimmt.
Hingegen werden Bunſen-Elemente ſehr gute Dienſte leiſten. Die Anwendung der
letzteren wird ſich auch aus dem Grunde empfehlen, daß ſie eine hohe elektromotoriſche
Kraft beſitzen. Bei Anwendung von ſchwachen Elementen erhält die den Ladungsſtrom
liefernde Säule eine unbequeme Größe.


Da das Einleiten eines galvaniſchen Stromes die Platten des Secundär-
Elementes chemiſch derart verändert, daß ſie ſelbſt befähigt werden, einen Strom
zu liefern, und zwar einen Strom, deſſen Richtung jener des Ladungsſtromes
entgegengeſetzt iſt, ſo kann ein beſtimmtes Secundär-Element von einem gegebenen
galvaniſchen Elemente nur ſo lange Strom erhalten, ſo lange nicht durch die
Ladung des Secundär-Elementes dieſes befähigt iſt, ſelbſt einen kräftigeren Gegen-
ſtrom zu liefern. Hieraus folgt, daß zur vollſtändigen Ladung eines Secundär-
Elementes ſtets eine Elektricitätsquelle angewandt werden muß, die eine höhere
elektromotoriſche Kraft beſitzt als das Secundär-Element. Um alſo beiſpielsweiſe
20 hintereinander verbundene Secundär-Elemente (jedes mit zwei Volts gerechnet)
zu laden, muß eine Stromquelle benützt werden, welche eine elektromotoriſche Kraft
von mehr als 40 (2 mal 20) Volts beſitzt. Stünde uns aber nur eine ſolche
von etwa drei Volts zur Verfügung, ſo müßten dann alle 20 Secundär-Elemente
nebeneinander (alſo zu nur einem großplattigen Elemente) verbunden werden.


Hat man freie Wahl bezüglich der Höhe der elektromotoriſchen Kraft, ſo iſt
es, wie vielfache Verſuche gezeigt haben, am beſten, Ströme mittlerer Stärke
anzuwenden. Man wird daher beim Laden größerer Säulen die Secundär-Elemente
in Gruppen eintheilen, in dieſen die Elemente hintereinander und die Gruppen
ſelbſt nebeneinander ſchalten. Wie viele Elemente dann in eine Gruppe aufzunehmen
ſind, hängt natürlich von der elektromotoriſchen Kraft des Ladungsſtromes ab.


Urbanitzky: Elektricität. 35
[546]

Bei praktiſcher Anwendung der Secundär-Elemente bedient man ſich zur
Ladung derſelben faſt ausnahmslos elektriſcher Maſchinen. Hat man magnetelektriſche
zur Verfügung, ſo geſtaltet ſich das Verfahren ſehr einfach, da die Elektromagnete
wegen ihrer Unabhängigkeit vom Maſchinenſtrome nicht ſo wie bei einer dynamo-
elektriſchen Maſchine die Pole wechſeln können. Die Zahl und die Gruppirung
der zu ladenden Elemente hängt hauptſächlich von dem Strome ab, welchen die
Maſchine zu liefern im Stande iſt. Bei großer elektromotoriſcher Kraft und
geringer Quantität des Maſchinenſtromes wird man die Secundär-Elemente
ſämmtlich hintereinander verbinden, während man bei großer Quantität und geringer
elektromotoriſcher Kraft des Maſchinenſtromes (z. B. einer Maſchine für Metall-
abſcheidung) die Elemente in eine größere oder geringere Anzahl von Gruppen
nebeneinander ſchaltet. Natürlich erhält man auch beim Laden durch Maſchinenſtröme
beſſere Reſultate bei langſamer als bei ſchneller Ladung.


Werden hingegen dynamoelektriſche Maſchinen zum Laden benützt, ſo bedingt
die Eigenart ihrer Wirkungsweiſe gewiſſe Vorſichten. Was zunächſt die Verbindung

Figure 386. Fig. 382.

Einfacher Stromkreis.


der Secundär-Elemente mit der Maſchine anbelangt, ſo kann dieſe in zweifacher
Art bewerkſtelligt werden, nämlich durch Einſchaltung der Maſchine in den Haupt-
ſtromkreis oder in eine Nebenſchließung. Das Schema der erſteren ſtellt Fig. 382,
jenes der zweiten Fig. 383 dar.


Im erſterwähnten Falle liegen die Armatur A, die Elektromagnete E und
die Secundär-Batterie S in einem und demſelben Schließungsbogen und bilden die
Seeundär-Elemente S den äußeren Stromkreis zu der Maſchine. Nun iſt aber die
dynamoelektriſche Maſchine außerordentlich empfindlich für Aenderungen des Wider-
ſtandes im äußeren Stromkreiſe und wirken dieſe, wie wir wiſſen, ſehr erheblich
auf die Stromerzeugung in der Maſchine ſelbſt zurück. Die Secundär-Elemente
werden durch die Ladung befähigt, einen Strom durch den Schließungsbogen zu
ſenden, der dem Maſchinenſtrome entgegengeſetzt gerichtet iſt, alſo auch dieſem
entgegenwirken muß. Folglich werden auch die Secundär-Elemente auf den
Maſchinenſtrom in ähnlicher Weiſe einwirken müſſen, wie etwa eine Aenderung des
Widerſtandes im äußeren Stromkreiſe. Die Stromrichtung im Geſammtſtromkreiſe
wird daher davon abhängen, ob die Kraft des Maſchinenſtromes jene des Stromes
[547] aus der Secundär-Batterie überwiegt oder nicht. Das Ueberwiegen des Stromes
der Secundär-Batterie kann dadurch eintreten, daß die Maſchine zur Ladung der
Elemente überhaupt zu ſchwach, oder die Tourenzahl eine zu geringe iſt oder auch
durch nicht vorauszuſehende Zufälligkeiten, z. B. Gleiten oder Reißen eines
Treibriemens. Die Folge iſt dann immer die, daß der Strom der Secundär-
Elemente in die Maſchine fließt, die Polarität der Magnete umkehrt und, wenn
dies nicht rechtzeitig bemerkt wird, der Maſchine gefährlich werden kann.


Die Möglichkeit des Umpolariſirens der Magnete iſt ausgeſchloſſen, wenn
die Secundär-Elemente in Nebenſchluß gebracht werden, wie dies das Schema 383
darſtellt. Hierbei ſind an die Collectorbürſten der Maſchine zwei Stromkreiſe
angeſchloſſen. Der eine enthält die zu ladenden Secundär-Elemente S, der zweite
die Drahtwindungen der Magnete und einen Rheoſtaten R. Da ſich der Strom
in Verzweigungen derart vertheilt, daß die Stromſtärke in den einzelnen Zweigen
im umgekehrten Verhältniſſe zu den betreffenden Widerſtänden ſteht, ſo iſt durch
die Einſchaltung verſchiedener Widerſtände durch den Rheoſtaten ein Mittel gegeben,

Figure 387. Fig. 383.

Verzweigter Stromkreis.


die Stromſtärke ſo zu reguliren, wie es die Ladung der Secundär-Elemente
erfordert.


Wird bei dieſer Anordnung der Strom der Secundär-Elemente ſtärker als
jener der Maſchine, ſo wird wie im erſtbetrachteten Falle zwar auch hier der
Batterieſtrom in die Drahtwindungen der Maſchine gelangen, jedoch die Polarität
der Magnete nicht umkehren. Es iſt dies aus dem Schema leicht zu entnehmen.
Die poſitive Elektricität fließt nämlich von der Batterie nach a und vertheilt ſich
hier in die Armaturwindungen und in die Windungen der Elektromagnete. Es
fließt alſo ſowohl bei regelrechtem Betriebe der Maſchinſtrom als auch bei Ueberwiegen
des Batterieſtromes der letztere von a aus in die Magnete. Iſt nun auch auf
dieſe Weiſe das Umpolariſiren der Magnete vermieden, ſo iſt man hierdurch doch
nur unter der Vorausſetzung ſtändiger Ueberwachung für alle Fälle gegen die
Möglichkeit geſchützt, daß ſich die Batterie in die Maſchine entladet. Um dies zu
vermeiden und auch unregelmäßig wirkende Kräfte zur Ladung von Secundär-
Batterien verwenden zu können, hat man ſelbſtthätige Batterie-Ausſchalter in
Anwendung gebracht.


35*
[548]

Ein derartiger Batterie-Ausſchalter hat automatiſch die Verbindung zwiſchen
der Batterie und der Elektricitätsquelle zu unterbrechen, ſobald die Stromſtärke
der letzteren unter eine gewiſſe, vorher beſtimmte Größe geſunken iſt. Will man
Secundär-Elemente durch unregelmäßig wirkende Kräfte laden, wie z. B. durch
eine Maſchine, welche durch eine Waggonachſe, durch ein Windrad u. ſ. w. getrieben
wird, ſo fordert man von der Schaltungsvorrichtung auch ein ſelbſtthätiges Ein-
ſchalten, ſobald die elektriſche Maſchine wieder die erforderliche Tourenzahl erlangt hat.


Figure 388. Fig. 384.

Batterieſchalter von Hoſpitalier.


Ein Batterie-Ausſchalter ſehr ein-
facher Conſtruction wurde unter Anderem
von Hoſpitalier angegeben. Die
Anordnung und Wirkungsweiſe des-
ſelben iſt mit Hilfe der ſchematiſchen
Fig. 384 zu erkennen. Dieſer Aus-
ſchalter beſteht aus einem permanenten
Magnete S S' und einem Elektromagnete
T T″, welcher mit Windungen dünnen
und ſolchen dicken Drahtes verſehen iſt;
zwiſchen beiden befindet ſich der im
Punkte O pendelförmig aufgehängte
gemeinſchaftliche Anker N N', deſſen
Schwingungen durch die verſtellbaren
Schrauben V V' begrenzt werden können.
Das Pendel trägt bei E einen Anſatz,
durch welchen die mit Contacten ver-
ſehenen Federn A B oder C D anein-
ander gedrückt werden, je nachdem der
Anker N N' vom Elektromagnete T T'
oder vom Stahlmagnete S S' ſtärker
angezogen wird. Die Poldrähte der
Secundär-Elemente ſind bei P P', jene
der Maſchine bei M M' angeſchloſſen.


So lange bei M kein Strom
von der Stromquelle aus eintritt, iſt
der Anker N N' vom Stahlmagnete S S'
angezogen; in dieſer Lage drückt das
Klötzchen E die an den Federn C D
befeſtigten Contacte bei 2 aneinander.
Langt bei M ein ſchwacher Strom an,
ſo ſteht dieſem nur der Weg durch den
dünnen Draht des Elektromagnetes offen, d. h. der Weg von M über T T' nach H,
durch die ſich bei 2 berührenden Federn C D über J und F zur zweiten Polklemme M'
der Elektricitätsquelle zurück. Der Weg durch die Windungen des dicken Drahtes auf
dem Elektromagnete iſt zwiſchen beiden Federn A und B bei 1 unterbrochen. Erlangt
hingegen der Strom der Stromquelle die gewünſchte Stärke, ſo wird dadurch,
daß dieſer Strom durch die dünndrähtigen Elektromagnetwindungen fließt, der
Elektromagnet ſo kräftig, daß er den Anker N N' vom Stahlmagnete S S' ab- und
zu ſich herüberzieht (welche Lage die Zeichnung darſtellt). Hierdurch gelangen die
Federn C D außer Berührung, indes A und B bei 1 aneinander gedrückt werden.
[549] Der Strom muß nun nachſtehende Richtung einſchlagen: Von M durch die dicken
Drahtwindungen des Elektromagnetes nach G, durch die Federn B und A nach
F, von wo aus er in die Secundär-Batterie bei P gelangt, die er bei P' wieder
verläßt und dann nach M' zum zweiten Pole der Elektricitätsquelle zurückkehrt.


Es iſt klar, daß durch dieſe Vorrichtung die Secundär-Batterie aus dem
Stromkreiſe ſofort ausgeſchaltet wird, ſobald die Stromſtärke unter eine gewiſſe
Grenze ſinkt, weil dann die Anziehungskraft des Elektromagnetes jener des Stahl-
magnetes nicht mehr das Gleichgewicht halten kann, und daher der Anker N N', den
Contact bei 1 unterbrechend und bei 2 ſchließend, vom Elektromagnete abfällt.
Dadurch iſt wieder die anfängliche Stellung, d. h. der kurze Schluß der Maſchine
und die Unterbrechung der Batterieleitung hergeſtellt, alſo eine Entladung der
Batterie unmöglich gemacht. Erlangt die Stromquelle neuerdings die erforderliche
Stärke, ſo erfolgt die Wiedereinſchaltung abermals in der vorhin angegebenen Weiſe.


Natürlich kann mit dieſer Schaltungsvorrichtung auch eine elektriſche Klingel
in Verbindung geſetzt werden, welche automatiſch ſo lange eingeſchaltet bleibt, als
der Strom durch die Secundär-Batterie fließt oder umgekehrt, ſo lange die Batterie
außer Verbindung mit der Elektricitätsquelle ſteht. Bezüglich der Regulirung des
Apparates für eine beſtimmte Stromſtärke wäre noch Folgendes zu bemerken: Erfor-
dern die zu ladenden Elemente einen ſtarken Strom, ſo hat man die Schraube V'
zurückzuſchrauben, die Schraube V vorzuſchrauben, ſo daß der Anker N N' an S S'
nahe herantreten, dem Elektromagnete jedoch nur bis zu einer beſtimmten Grenze
nahe gebracht werden kann. Da die Anziehungskraft eines Magnetes mit der
Entfernung ſehr raſch abnimmt (ſiehe Magnetismus), wird durch die angegebene
Schraubenſtellung offenbar der Magnet S S' begünſtigt. Anfänglich befindet ſich
der Anker N' N ſehr nahe an S S', weshalb der Elektromagnet ſchon eine erhebliche
Stärke erlangen muß, bis er auf die verhältnißmäßig große Entfernung hin die
Anziehungskraft des Stahlmagnetes überwinden und den Anker zu ſich herüber-
ziehen, alſo die Secundär-Batterie in den Stromkreis einſchalten kann. Ebenſo
bleibt auch die Batterie nur bei entſprechend hoher Stromſtärke eingeſchaltet, weil
eine Schwächung des Magnetes ſofort das Abfallen des Ankers, der durch die
vorgeſchobene Schraube V in größerer Entfernung von den Polen gehalten wird,
zur Folge haben muß. Die Einſtellung des Apparates für ſchwache Ströme erfolgt
ſelbſtverſtändlich durch die entgegengeſetzte Schraubenſtellung.


Der Apparat, deſſen ſich Kabath zur Vermittlung der Ladung und Ent-
ladung von Secundär-Elementen bedient, iſt in Fig. 385 abgebildet. In einem
horizontalen Brette ſind eine größere Anzahl von Löchern gebohrt, welche zum
Theile mit Queckſilber gefüllt werden. Die Löcher der oberſten und unterſten Reihe
ſtehen durch eingetauchte Kupferſtreifen mit den Klemmen 1 bis 10 in Verbindung,
an welche die Poldrähte der Accumulatorenſerien angeſchloſſen ſind; je zwei neben-
einander befindliche Klemmen ſtellen alſo die Pole einer Accumulatorenſerie dar.
Die Löcher A bis D der äußerſten linken und äußerſten rechten Reihe ſtehen
ebenſo mit Klemmen in Verbindung, in welche aber die Poldrähte der die Secundär-
Elemente ladenden Elektricitätsquellen und die Drähte der durch die Accumulatoren
zu betreibenden Lampen, Motoren ꝛc. eingeſchraubt ſind.


Die Verbindung einer oder mehrerer Accumulatorenſerien mit zu betreibenden
Apparaten oder den zur Ladung beſtimmten Elektricitätsquellen wird durch Bügel
aus Kupferdraht hergeſtellt, welche mit ihren Enden in die betreffenden Queckſilber-
näpfe eingeſenkt werden. Zwei derartige Verbindungen ſind in der Figur dargeſtellt.


[550]

Der automatiſche Batterie-Ausſchalter iſt an einem verticalen Brette (links)
befeſtigt und beſteht aus einem Elektromagnete, welchem der auf einer Art Wag-
balken angebrachte Anker gegenüberſteht. So lange der Elektromagnet genügende
Kraft, alſo der Strom der primären Elektricitätsquelle genügende Stärke beſitzt,
erhält der Magnet den Anker angezogen und taucht dadurch einen am Wagbalken
befeſtigten Stift in jenes Queckſilbernäpfchen, welches mit der Klemme 3 in Ver-
bindung ſteht. In dieſer Stellung des Wagbalkens kann der Strom von der
Klemme 2 durch das dazugehörige Queckſilbernäpfchen und die rechte Hälfte des
Wagbalkens zur Klemme 1 gelangen, von hier aus durch das Galvanometer zu
dem Queckſilberumſchalter kommen und in die Secundär-Elemente geleitet werden.


Figure 389. Fig. 385.

Kabath’s Batterieſchalter.


Wird der Strom der ladenden Stromquelle zu ſchwach, ſo fällt der Anker
des Elektromagnetes ab, der Wagbalken ſenkt ſich und taucht hierdurch den an
ſeinem linken Ende befeſtigten Stift in ein Queckſilbernäpfchen, indeß der rechts
befindliche Stift herausgehoben wird. Die Verbindung zwiſchen den Secundär-
Elementen und der ſie ladenden Elektricitätsquelle iſt dann unterbrochen, gleichzeitig
aber eine Verbindung der Secundär-Elemente mit der gleichfalls am verticalen
Brette (rechts) angebrachten Klingel hergeſtellt, wodurch der zur Aufſicht beſtellten
Perſon die Ausſchaltung der Secundär-Elemente angezeigt wird. Die Wiederher-
ſtellung der Verbindung muß bei dieſer Anordnung durch Drehen des Wagbalkens
mit der Hand bewirkt werden. Bei einer anderen Conſtruction hat Kabath auch
für die ſelbſtthätige Wiedereinſchaltung Vorſorge getroffen. Hat man blos eine
Umſchaltung oder Unterbrechung vorzunehmen, ſo bedient man ſich des unter der
Klingel angebrachten Umſchalters.


[551]
Die Chermoſäulen.

Im Jahre 1821 entdeckte Seebeck, daß in einem geſchloſſenen Leiterkreiſe
elektriſche Differenzen auftreten, ſobald man in dieſem Kreiſe Temperaturunterſchiede
hervorruft. Die Geſetze, welche für dieſe thermoelektriſchen Erſcheinungen Geltung
haben, die Spannungsreihe, in welche man die verſchiedenen Körper in Bezug
auf ihr thermoelektriſches Verhalten geordnet hat, die Formen, welche man den
Elementen und Batterien, ſoweit ſie wiſſenſchaftlichen Zwecken dienen ſollen, gegeben
hat — dies Alles wurde bereits in der erſten Abtheilung dieſes Buches beſprochen
(Seite 188 u. f.) An dieſer Stelle haben wir uns daher nur mehr mit jenen
Elementen, beziehungsweiſe Batterien zu beſchäftigen, welche praktiſch verwendet
werden, oder doch mit dieſer Beſtimmung conſtruirt wurden.


Principiell iſt die Erregung von Elektricität durch Temperaturdifferenzen
ſowohl jener im galvaniſchen Elemente, als auch mit Hilfe der elektriſchen Maſchinen
vorzuziehen. Im galvaniſchen Elemente wird Zink verbraucht, welches unter
Zuhilfenahme der Kohle aus reinen Erzen gewonnen werden muß. Die elektriſche
Maſchine wird in der Regel durch Dampf- oder Gasmotoren betrieben, welche
beide ihre Kraft indirect von der Kohle erhalten. Auch Waſſerkraft kann nur
unter Vermittlung eines Motors auf die elektriſche Maſchine wirken. Im Thermo-
Elemente wird hingegen die in der Kohle aufgeſpeicherte Wärme direct in Elek-
tricität umgeſetzt. Wenn trotz dieſes günſtigen Umſtandes die Thermo-Elemente in
der Praxis nahezu gar keine Verwendung finden, ſo haben wir die Urſache hiervon
darin zu ſuchen, daß die bisher conſtruirten Thermo-Elemente einen äußerſt ſchwachen
Strom liefern.


Bekanntlich wurden anfangs Antimon und Wismuth zur Herſtellung von
Thermo-Elementen benützt, weil dieſe in der thermoelektriſchen Spannungsreihe
einfacher Körper am weiteſten voneinander abſtehen und daher die relativ beſten
Reſultate geben. Erſt Bunſen gelang es ein kräftigeres Element zu conſtruiren,
als er an Stelle zweier einfacher Körper einen ſolchen mit einem zuſammengeſetzten,
nämlich Kupferkies (Schwefelkupfer), combinirte. Er ſchnitt zu dieſem Behufe aus
dem natürlich vorkommenden Kupferkieſe Stäbchen von ſieben Centimeter Länge,
4 Centimeter Breite und 7 Millimeter Dicke und verſah dieſe an ihren Enden
mit platinirten Kupferanſätzen, deren einer durch ein weiteres Kupferſtück, welches
zum Erhitzen beſtimmt war, verlängert wurde, indeß der andere Anſatz abge-
kühlt wurde.


Dieſes Thermo-Element iſt zwar bedeutend kräftiger als ein Antimon-Wismuth-
Element, leidet jedoch an zwei erheblichen Uebelſtänden. Es iſt ſchwer herzuſtellen
und auch die Contacte zwiſchen den einzelnen Theilen verurſachen wegen der ſehr
ungleichmäßigen Ausdehnung bei der Erhitzung erhebliche Schwierigkeiten. Der
Kupferkies läßt ſich allerdings auch ſchmelzen und in beliebige Formen gießen,
ohne ſeine chemiſche Zuſammenſetzung zu ändern, verliert aber hierdurch die
Structur des natürlichen Kupferkieſes, wodurch, wie viele Verſuche gelehrt haben,
die elektromotoriſche Kraft ziemlich bedeutend herabgedrückt wird.


Markus benützte zur Conſtruction ſeiner Thermoſäule Legirungen, welche
einerſeits in der Spannungsreihe weit voneinander abſtehen, andererſeits auch eine
ſtarke Erwärmung vertragen. Für ſeine in den Jahren 1864—65 conſtruirte
Thermoſäule erhielt er einen Preis der Wiener Akademie der Wiſſenſchaften. Das
negative Metall dieſer Säule beſteht aus einer dem Neuſilber ähnlichen Legirung,
[552] das ſpäter auch thatſächlich, und zwar mit einem Kobaltzuſatze zur Anwendung kam.
Die Legirung wurde urſprünglich aus 10 Theilen Kupfer und je 6 Theilen
Zink und Nickel zuſammengeſetzt. Das poſitive Metall iſt aus 12 Theilen Antimon,
5 Theilen Zink und 1 Theil Wismuth gebildet. Das negative Metall wird in
die Geſtalt vierſeitiger Stäbe gebracht, während das poſitive Metall die Form
von Blechſtreifen erhält. Die Verbindung der Blechſtreifen mit den Stäben erfolgt
durch Verſchraubung. Eine größere Anzahl ſolcher Elemente wird zu einer
Batterie vereinigt, indem man die Blechſtreifen an einen Eiſenſtab a b (Fig. 386)
mit Zwiſchenlegung von (iſolirendem) Glimmer anlegt und durch Schrauben ſo
befeſtigt, daß ſämmtliche Elemente zuſammen die Form eines Spitzdaches bilden.
Durch dieſe Anordnung werden alle paaren Verbindungsſtellen am Eiſenſtabe
vereinigt, während die unpaaren auf die Baſis des Daches zu liegen kommen.
Um dieſe Säule in Thätigkeit zu ſetzen, ſtellt man ſie über eine Reihe von Gas-
oder Spiritusbrennern, welche den Eiſenſtab a b und ſomit auch eine Reihe der

Figure 390. Fig. 386.

Thermoſäule von Markus.


Verbindungsſtellen erhitzen, während die untengelegenen Verbindungsſtellen in mit
Waſſer gefüllten Trögen gekühlt werden.


Eine Säule, beſtehend aus 130 Elementen, kann beiläufig 25 Kubikcentimeter
Knallgas in der Minute liefern oder einen 0·5 Millimeter dicken Platindraht
glühend erhalten. Die elektromotoriſche Kraft eines Elementes iſt gleich 1/20 Daniell.
Ein Nachtheil der Säule beſteht in der Sprödigkeit und daher leichten Zerbrech-
lichkeit der Legirungen und ein anderer darin, daß ſich die Berührungsſtellen der
beiden Legirungen leicht oxydiren und dadurch in kurzer Zeit den Widerſtand der
Säule beträchtlich erhöhen.


Die Verſuche, welche von Clamond und Mure ausgeführt wurden, führten
gleichfalls zur Conſtruction einer Thermoſäule unter Anwendung einer Zink-
Antimonlegirung; als zweites Metall wird hingegen Eiſenblech in Verwendung
gebracht.


Clamond’s Säule wird aus je zehn im Kreiſe angeordneten Elementen
zuſammengeſetzt. Hierbei bildet man aus der Legirung maſſive Stücke A (Fig. 387)
[553] und befeſtigt die Eiſenbleche F mit einem Ende an der inneren, mit dem anderen
Ende an der äußeren Fläche der Stücke A. Die vorſpringenden Ausbiegungen der
Eiſenbleche bei F haben zum Zweck,
eine gute Abkühlung durch Ver-
größerung der wärmeausſtrahlenden
Flächen zu bewirken. Derartige
Elementenkränze werden in größerer
oder geringerer Anzahl übereinander
angeordnet, wie dies Fig. 388 zeigt,
während man dafür Sorge trägt,
die einzelnen Kränze voneinander zu
iſoliren.


Die an der Außenſeite der
Batterie angebrachten Polklemmen
ermöglichen die Verbindung ſämmt-
licher Elemente hintereinander oder
in Serien zu zehn nebeneinander.
Durch die inneren Löthſtellen 1 bis
19 und den iſolirenden Asbeſtkitt
wird ein cylindriſcher Hohlraum
gebildet, in deſſen Mitte ſich eine
Thonröhre befindet, welche mit einer
größeren Anzahl ſeitlicher Oeffnun-
gen verſehen iſt. Durch letztere
ſtrömt das in das Thonrohr ein-
geleitete Gas aus und bewirkt durch
eine den Oeffnungen entſprechende
Anzahl von Flämmchen eine ſtarke
Erhitzung ſämmtlicher Löthſtellen,
die ſich im cylindriſchen Hohlraume
befinden. (In der Fig. 387 mit
den ungeraden Ziffern 1 bis 19
bezeichnet.) Die Löthſtellen am
äußeren Umfange der Batterie (mit
den geraden Zahlen von 2 bis 20
bezeichnet) werden durch die Luft
abgekühlt, was, wie bereits erwähnt,
noch durch die großen Oberflächen
der Eiſenbleche begünſtigt wird.


Der Gasverbrauch einer
Batterie von fünf Kränzen zu je zehn
Elementen beträgt nach Cazin 170
Liter pro Stunde und dieſe Säule
ſcheidet in derſelben Zeit 20 Gramme
Kupfer ab.


Figure 391. Fig. 387.

Figure 392. Fig. 388.

Clamond’s Thermoſäule.


Im Mai 1879 wurde der Pariſer Akademie durch Th. du Moncel die
Beſchreibung einer Clamond-Säule übergeben, welche gegenüber der eben beſchriebenen
weſentliche Verbeſſerungen zeigt. Dieſe in Fig. 389 abgebildete Säule iſt oberhalb
[554] einer Feuerungsanlage für Coaks aufgebaut, von welcher aus die Feuergaſe durch
die von den Cylindern T, O und P gebildeten Flammenzüge ſtreichen müſſen, bevor
ſie durch die Eſſe A entweichen. Um den äußerſten Cylinder P ſind von dieſem
iſolirt die Elemente C angeordnet, deren Eiſenbleche noch mit vertical ſtehenden
Kupferblechen D ausgerüſtet ſind; letztere dienen dazu, um die Abkühlung der äußeren
Löthſtellen zu befördern.


Ein erſtes cylindriſches Modell dieſer Säule hatte nach Cazin eine Höhe von
2·5 Meter bei einem Durchmeſſer von 1 Meter und ſetzte ſich aus zwei getrennten
Säulen zuſammen, deren jede 30 Ketten zu 100 Elementen umfaßte. Jede dieſer
Säulen lieferte einen Strom, der im Voltabogen 40 Carcelbrenner Lichtſtärke
beſaß. Die elektromotoriſche Kraft einer Säule dieſes Modells beträgt 109 Volts

Figure 393. Fig. 389.

Clamond’s Säule.


und ihr Widerſtand 15·5 Ohms.
Beide Säulen zuſammen ſind etwa
121 friſch gefüllten Bunſen-Elemen-
ten gleichwerthig und verbrauchen
10 Kilogramm Coaks per Stunde.


Fr. Noe in Wien conſtruirte
ſeine Thermoſäulen mit Umgehung
einer Zuſammenlöthung oder Ver-
ſchraubung beider Metalle an jenen
Stellen, welche erhitzt werden ſollen,
und ließ die Hitze auch nicht direct,
ſondern unter Vermittlung von
Heizſtiften auf dieſe Stellen wirken.
Um dies zu erreichen, wird bei der
Anfertigung der Elemente folgendes
Verfahren eingeſchlagen: Man ſetzt
eine Meſſingkapſel in eine geeignete
Form ein, verſieht dieſe in ihrer
Mitte mit einem Kupferſtifte oder
einem mit Kupfer überzogenen Eiſen-
ſtifte, deſſen oberer koniſcher Theil
aus der Kapſel herausragt. Seit-
lich werden in die letztere mehrere
Neuſilberdrähte eingehängt und
dann die Metalllegirung, deren
Zuſammenſetzung geheim gehalten wird, eingegoſſen. Hierdurch bildet ſich die zu
erhitzende Verbindungsſtelle zwiſchen dem Neuſilber und der Legirung durch den
Guß, ohne ein Verſchrauben oder Verlöthen zu erfordern.


Die abzukühlende Löthſtelle wird durch einen auf das cylindriſche Element
ſenkrecht aufgelötheten Kupfer- oder Meſſingſtreifen gebildet, an welchem man
mehrere Neuſilberdrähte anlöthet. Ein derartiges Element und die Zuſammenſtellung
von 12 Elementen zu einer Säule zeigt die Fig. 390. Die zur Abkühlung dienenden
Metallbleche ſind an einem Papierringe angeſchraubt und bilden mit dieſem das
Geſtelle der Säule. Die Heizſtiften der radial geſtellten Elemente tragen eine
Glimmerſcheibe, welche die Ausbreitung der darunter befindlichen Flamme des
Brenners beſorgt. Die von der zu erhitzenden Verbindungsſtelle ausgehenden Neu-
ſilberdrähte ſind immer an das Kühlblech des darauffolgenden Elementes angelöthet.


[555]

Bei geringer Erhitzung iſt die Abkühlung der äußeren Verbindungsſtellen
durch die Ausſtrahlung der verticalen Bleche hinlänglich geſichert; bei ſtärkerer
Erhitzung ſtellt man letztere in ein Gefäß mit Waſſer. Noe conſtruirte Säulen
von verſchiedener Größe und änderte auch die Form derſelben mannigfach ab.
Größere Säulen ordnete er in zwei Reihen an, in welchen die Elemente ihre
Heizſtiften gegeneinander wandten; die Erhitzung bewirkte eine entſprechende Anzahl
in einer Reihe angeordneter Bunſen’ſcher Gasbrenner.


A. v. Waltenhofen veröffentlichte über eine ſolche Säule nachſtehende
Angaben: „Man denke ſich eine Säule von 128 Elementen. Dieſe ſind in vier
Gruppen von je 32 abgetheilt. Jede Gruppe repräſentirt (bei der durch eine neue
Einrichtung gemäßigten Heizung) ungefähr die elektromotoriſche Kraft von zwei
Daniell’ſchen Elementen und hat (da der Widerſtand eines Elementes nahe ein
Vierzigſtel einer Siemens’ſchen Einheit beträgt) einen Widerſtand vom Betrage 0·8.
Schaltet man nun alle vier Abtheilungen hintereinander, ſo erhält man die Wirkung

Figure 394. Fig. 390.

Noe’s Thermo-Elemente.


von acht Daniell-Elementen mit 3·2 Einheiten Geſammtwiderſtand. Werden je
zwei Abtheilungen parallel und die ſo gebildeten Doppelabtheilungen hintereinander
geſchaltet, ſo vertritt die Säule vier Daniell-Elemente von viermal geringerem, alſo
nur 0·8 betragendem Geſammtwiderſtande. Werden endlich alle vier Abtheilungen
(zu einer vierfachen Gruppe) parallel geſchaltet, ſo wirkt die Säule wie zwei
Daniell-Elemente von 0·2 Einheiten Geſammtwiderſtand.“


Schließlich möge noch eine Thermoſäule Erwähnung finden, welche ähnlich jener
von Noe durch W. Ph. Hanck conſtruirt und wie nachſtehend beſchrieben wurde:


„Fig. 391 zeigt ein Eiſengeſtelle, welches mit zwei Bunſen-Brennern und einer
Gaszuſtrömungs-Regulirung verſehen iſt. Die Elemente beſitzen die Geſtalt vier-
ſeitiger abgeſtumpfter Pyramiden (Keile), die mit angegoſſenen Eiſenſchuhen ver-
ſehen ſind, welche die Heizung beſorgen. Das elektronegative Metall iſt in Form
ſchmaler Blechſtreifen angewandt, welche eine eigenthümliche Biegung beſitzen, um
bei der ſtattfindenden ungleichförmigen Ausdehnung nicht Anlaß zur Zerſtörung
des Elementes zu geben; ſie werden ſo eingegoſſen, daß ſie von der Spitze des
vorhergehenden Elementes direct zum Fußende des nächſten gehen, wodurch die
[556] früher nothwendige Löthſtelle entfällt, zugleich wird auch die Kühlplatte angegoſſen.
Ein Glimmercylinder ſchützt das elektronegative Metall vor der directen Einwirkung
der Flamme und vor der Zerſtörung durch dieſelbe, während eine Scheibe die
Ausbreitung derſelben beſorgt, wenn nicht der Brenner ohnehin eine darauf hinzielende
Vorrichtung beſitzt.“


Die elektromotoriſche Kraft eines Elementes iſt gleich 0·1 Daniell und der
Widerſtand 0·02 Siemens-Einheiten; 30 Elemente können bereits einen 3 Centi-
meter langen Platindraht zum Glühen bringen. Die Säulen werden in verſchiedenen
Größen, zu zwei oder drei auf einem Geſtelle vereinigt, fabricirt und eignen ſich
namentlich für Schulverſuche oder zur Erzeugung galvaniſcher Niederſchläge, wie

Figure 395. Fig. 391.

Thermoſäule nach Hauck.


ſolche bei quantitativen analytiſchen Arbeiten in chemiſchen Laboratorien z. B. zur
Beſtimmung des Kupfergehaltes hergeſtellt werden. Dieſen und ähnlichen Zwecken
dienend, hat Hauck’s Thermoſäule auch thatſächlich in Oeſterreich, Deutſchland und
Frankreich einige Verbreitung erlangt.


II. Der elektriſche Strom vom Generator bis zur
Verbrauchsſtelle.


Benöthigt man zu irgend welchen praktiſchen Zwecken elektriſcher Ströme,
ſo bemißt man die Zahl der galvaniſchen, Secundär- oder Thermo-Elemente, ihre
Verbindungsweiſe untereinander u. ſ. w. nach der Arbeit, welche von der Elek-
tricität geleiſtet werden ſoll; in ähnlicher Weiſe geht man bei der Dimenſionirung
[557] und Feſtſetzung der elektriſchen Conſtanten vor, wenn elektriſche Maſchinen zur
Anwendung kommen ſollen. Die an die Generatoren geſtellten Anforderungen
ſind jedoch hiermit in der Regel noch nicht erfüllt. Ganz abgeſehen davon, daß
die elektriſchen Maſchinen durch die mannigfachſten Umſtände veranlaßt werden,
die Stärke des von ihnen gelieferten Stromes während des Betriebes unerwünſcht
zu ändern, ſtellt man an ſie in der Praxis häufig auch die Anforderung, daß die
Maſchinen bei abſichtlich herbeigeführten Aenderungen im Arbeitsſtromkreiſe ſelbſt-
thätig immer den entſprechenden, nie einen ſtärkeren und nie einen ſchwächeren,
Strom liefern. Dieſe Thätigkeit wird noch in erhöhtem Maße verlangt, wenn ein
Generator Ströme für mehrere oder viele, auch verſchiedenartige Arbeiten zu liefern
hat. Die hier in knappen Worten ſkizzirten Anforderungen zeigen, daß die vom
Generator erregten Ströme erſt einer den jeweiligen Umſtänden entſprechenden
Regulirung und eventuell Vertheilung bedürfen, bevor ſie an der Verbrauchs-
ſtelle die gewünſchte Arbeit in zweckentſprechender Weiſe leiſten können.


Bei der ſich ſtets weiter ausbreitenden Verwendung der Elektricität zu
praktiſchen Zwecken iſt es begreiflich, daß man auch daran denkt, die an einer
Centralſtelle erzeugte Elektricität einer größeren Anzahl zerſtreut liegender Arbeits-
ſtellen zuzuführen, von einer Centralſtation aus größere Bezirke mit Elektricität
zu verſorgen, ähnlich wie unſere Gasanſtalten ganze Städte mit Leuchtgas verſehen.
Hierdurch wurde das Bedürfniß geſchaffen, die von der Centralſtation den Con-
ſumenten gelieferten Mengen elektriſcher Energie zu meſſen und zu regiſtriren, wie
ja auch die Gasgeſellſchaften mit Hilfe der Gasuhren das gelieferte Leuchtgas
meſſen, um darnach den Preis zu beſtimmen; es muß alſo bei jedem Conſu-
menten ein Strom-Meß- und Regiſtrirapparat aufgeſtellt werden. Es wird
ferner nicht gleichgiltig ſein, in welcher Art elektriſche Energie von einem Orte
nach dem andern übertragen oder geleitet wird. Die an die Elektricitätsleitung
geſtellten Anforderungen verlangen vielmehr, entſprechend den jeweiligen Zwecken
der Leitung, verſchiedene Conſtructionen.


Sonach tritt an uns, bevor wir die praktiſchen Anwendungen der Elektricität
betrachten können, die Aufgabe heran, uns vorerſt mit der Stromregulirung und
Vertheilung, der Stromleitung und Regiſtrirung bekannt zu machen.


1. Stromregulirung und Vertheilung.


Die Regulirung der Stromſtärke iſt für den Generator und den „Receptor“,
d. h. jenen Apparat, welcher den Strom empfängt und verbraucht, alſo für die
Lampe, den Motor oder die Zerſetzungszelle gleich wichtig. Ganz abgeſehen davon,
daß man mit einem unregulirten Strome ganz unökonomiſch arbeiten würde,
hätte ein derartiges Verfahren nur zu häufig erhebliche Schäden im Gefolge, wie
dies nachſtehendes Beiſpiel zeigen ſoll. Die Ströme einer elektriſchen Maſchine
werden zur Speiſung elektriſcher Lampen verwendet und haben eine der Lampenzahl
entſprechende Stärke. Nun wird zufällig oder abſichtlich eine größere Anzahl Lampen
ausgelöſcht, alſo der Widerſtand des Stromkreiſes bedeutend vermindert. Da nun
die Stromſtärke in einem Schließungskreiſe dem Widerſtande desſelben umgekehrt
proportional iſt, muß in Folge der Widerſtandsabnahme die Stromſtärke zunehmen.
Dies wird dann nicht nur die Lichtſtärke der noch brennenden Lampen ſehr merkbar
verändern, ſondern kann auch durch Erhitzung der Drähte zur Zerſtörung der
Iſolirungen in den Lampen und in der Maſchine oder auch zum Zuſammenſchmelzen
[558] einzelner Metalltheile führen, und dadurch überdies noch Feuersgefahr her-
vorrufen.


Welche Mittel giebt alſo die Elektrotechnik zur Vermeidung ſolcher oder
ähnlicher Uebelſtände und Gefahren an die Hand?


Ueberblicken wir ſämmtliche, ſo laſſen ſie ſich in drei Gruppen bringen.
In die erſte Gruppe rechnen wir jene Mittel, welche im Generator ſelbſt zur
Anwendung gelangen und dahin wirken, daß immer nur Ströme von ſolcher
Stärke erregt werden, welche der Arbeitsſtromkreis jeweilig erheiſcht. Die zweite
Gruppe umfaßt außerhalb der Generatoren, gewiſſermaßen zwiſchen dieſen und den Ver-
brauchsſtellen, eingeſchaltete Regulirungsapparate, und in die dritte Gruppe werden
alle jene Vorrichtungen zu rechnen ſein, mit welchen man den Receptor, alſo z. B. die
Lampe ausrüſtet, um nur einen Strom von der gewünſchten Stärke hereinzulaſſen.


An dieſer Stelle können uns nur die beiden erſten Gruppen beſchäftigen,
da in der letzten Mittel zur Anwendung gelangen, die bereits an den Receptor
gebunden ſind, alſo ſchon der Anwendung der Elektricität angehören und deshalb
in die nächſten Abſchnitte eingereiht werden müſſen. Betrachten wir nun zunächſt
die Stromregulirungen durch Schaltungen in der Maſchine.


Die Schwankungen des Stromes in Folge unabſichtlich herbeigeführter
Widerſtandsänderungen treten namentlich bei jenen Maſchinen ſehr ſtörend auf,
bei welchen das dynamoelektriſche Princip vollſtändig durchgeführt iſt. Es bilden
dann der Arbeitsſtromkreis, die Drahtwindungen der Armatur und jene der
Elektromagnete zuſammen nur einen Stromkreis. Jede Erhöhung des Widerſtandes
im Arbeitsſtromkreiſe muß deshalb ſchon an und für ſich eine Verminderung der
Stromſtärke nach ſich ziehen; nun kommt bei der dynamoelektriſchen Maſchine noch
der Umſtand hinzu, daß durch jede Schwächung des Stromes auch die Kraft
der Elektromagnete geſchwächt wird, woraus folgt, daß ſchon ſehr geringe Wider-
ſtandsänderungen im Arbeitsſtromkreiſe ſehr merkbare Aenderungen der Stromſtärke
bewirken müſſen. Nun braucht man aber gerade dann, wenn der Widerſtand im
Arbeitsſtromkreiſe größer wird, einen ſtärkeren Strom, damit dieſer auch bei dem
größeren Widerſtande noch die gewünſchte Arbeit leiſten kann. Es iſt z. B. durch
den Strom einer Maſchine der Voltabogen einer Lampe zu erhalten. Der Strom
der Maſchine iſt ſo bemeſſen und die Regulirungsvorrichtung der Lampe derart
eingeſtellt, daß der Voltabogen bei normalem Gange innerhalb der durch die
Empfindlichkeit des Lampenmechanismus gegebenen Grenzen eine conſtante Größe
beibehält. Nun ſpringt z. B. ein Stück der Lampenkohle ab und vergrößert dadurch
den Widerſtand im Voltabogen (durch Vergrößerung der Entfernung beider Kohlen
voneinander). Sofort nimmt die Stromſtärke ab und die Maſchine liefert gerade
in dem Momente, in welchem eine höhere Stromſtärke nothwendig wäre, um die
Lampe brennend zu erhalten, einen ſchwächeren Strom. Muß dies auch nicht immer
die vollſtändige Unterbrechung des Voltabogens zur Folge haben, ſo wird es
doch ſtets ein Wechſeln der Lichtintenſität verurſachen.


Wheatſtone ſchlug daher vor, die Elektromagnete nicht in den Hauptſtromkreis,
ſondern in einem Nebenſchluß zu demſelben zu legen. Da jetzt der Stromkreis der
Magnete von jenem der Armatur und des Receptors getrennt iſt, kann obige
Rückwirkung einer Widerſtandsänderung im Hauptſtromkreiſe auf die Kraft der
Elektromagnete nicht mehr ſtattfinden. Es muß im Gegentheile eine Erhöhung
des Widerſtandes im Hauptſtromkreiſe auch eine Verſtärkung des Stromes in
dieſem Stromkreiſe nach ſich ziehen und eine Verminderung des Widerſtandes eine
[559] Schwächung des Stromes zur Folge haben; es wird alſo durch die Schaltung
der Elektromagnete in den Nebenſchluß gerade jene Aenderung oder Regulirung
der Stromſtärke erzielt, die wir wünſchen.


Eine Betrachtung der Fig. 383 auf Seite 547 wird uns dieſe Art der
Regulirung deutlich erkennen laſſen. Die Maſchine hat die Secundär-Batterie S zu
laden, welche mit den Drahtwindungen der Armatur den Hauptſtromkreis bildet.
Im Rebenſtromkreiſe liegen die Elektromagnete M M und der auf einen beſtimmten
Widerſtand geſtellte Rheoſtat R. Der bei a aus der Armatur tretende Strom muß
ſich daher im umgekehrten Verhältniſſe zu den Widerſtänden im Arbeits- (Accumu-
latoren-)Stromkreiſe und Elektromagnetſtromkreiſe vertheilen. Wird nun der Widerſtand
im Arbeitsſtromkreiſe erhöht, ſo muß die Stromſtärke daſelbſt zunächſt allerdings
ab- und im Nebenſtromkreiſe zunehmen. Nun liegen aber im Nebenſtromkreiſe die
Elektromagnete: folglich müſſen dieſe ſofort an Kraft gewinnen, dadurch eine
kräftigere Induction als früher auf die Windungen der Armatur ausüben und
daher augenblicklich eine Verſtärkung des Stromes im Arbeitsſtromkreiſe bewirken.
In ähnlicher Weiſe führt die Abnahme des Widerſtandes im Arbeitsſtromkreiſe
auch eine Abnahme der Stromſtärke in demſelben mit ſich.


Dieſe Methode der Stromregulirung wurde von vielen Conſtructeuren in
Anwendung gebracht und hat auch thatſächlich gute Erfolge erzielt.


Eine gewiſſe Unabhängigkeit der Intenſität des magnetiſchen Feldes vom
äußeren Stromkreiſe erreicht auch Bruſh dadurch, daß er bei einigen ſeiner
Maſchinen die Elektromagnete außer mit den gewöhnlichen Windungen auch noch
mit Windungen eines dünnen Drahtes verſieht, deſſen Enden mit den Collector-
bürſten verbunden ſind.


Marcel Deprez erreicht die Stromregulirung gleichzeitig mit der Strom-
theilung. Er faßt letztere dahin auf, daß er bei Einſchaltung mehrerer gleicher
oder verſchiedener Apparate in einen Stromkreis eine ſolche Theilung des Stromes
fordert, daß 1. jeder Apparat den ihm nothwendigen Theil bekommt und unabhängig
von den anderen Apparaten functionirt, 2. daß die zur Erreichung dieſes Zweckes
nothwendige Regulirung ſelbſtthätig und unmittelbar nur durch die Maſchine
ohne Zuhilfenahme irgend welcher Ueberwachungs- oder Regulirungsmittel erfolge,
und 3. daß die Regulirung derart ſei, daß die Maſchine nie mehr, ſondern
immer nur ſo viel Strom producirt, als für den Betrieb der in den Stromkreis
jeweilig eingeſchalteten Apparate nöthig iſt.


Darnach muß alſo die Totalmenge der zu erzeugenden elektriſchen Energie
ſtets unveränderlich ſein. Sie iſt bekanntlich gegeben durch den Ausdruck: elektro-
motoriſche Kraft mal Stromintenſität (Seite 452 u. f.). Die Aenderung der
Geſammtenergie kann daher durch Veränderung der elektromotoriſchen Kraft, durch
Veränderung der Stromintenſität oder endlich durch Veränderung dieſer beiden
bewirkt werden. Deprez zieht nur die beiden erſten Fälle in Betracht.


Die Veränderung der elektromotoriſchen Kraft bei Conſtanterhaltung der
Stromintenſität führt zur Hintereinanderſchaltung (Schaltung auf Spannung) der
in einem Stromkreiſe zu betreibenden Apparate, während die Veränderung der
Stromintenſität bei conſtanter elektromotoriſcher Kraft Nebeneinander- oder Parallel-
ſchaltung erfordert.


Ein Gleichniß möge dies deutlicher machen. Es ſei die Kraft eines Waſſer-
falles auszunützen durch Verwendung mehrerer hydrauliſcher Motoren; dieſe könnte
man dann entweder übereinander oder nebeneinander anordnen. Im erſteren Falle
[560] würde jeder Motor zwar dieſelbe Waſſermenge erhalten, aber nur einen Theil
der Fallhöhe des Waſſers ausnützen, und wollte man noch einen oder mehrere
Motoren in derſelben Art treiben laſſen, müßte die Höhe des Waſſerfalles ver-
größert werden. Dieſe Anordnung der Motoren kann uns die Schaltung auf
Spannung verdeutlichen. Im zweiten Falle ſtehen die Motoren nebeneinander,
jeder nützt die gleiche Fallhöhe aus, empfängt aber nur einen Theil der Waſſer-
menge. Will man hier die Zahl der in derſelben Weiſe betriebenen Motoren
vermehren, ſo muß die Waſſermenge des Falles vergrößert werden. Dieſe Anordnung
kann demnach die Parallelſchaltung oder Schaltung auf Quantität verſinnlichen.


Deprez hat dieſes Princip der Stromregulirung in nachſtehender Weiſe
verwirklicht: Er verſieht die Elektromagnete der ſtromliefernden Maſchine mit zwei

Figure 396. Fig. 392.

Deprez’ Stromvertheilung.


getrennten Stromkreiſen in parallel nebeneinander laufenden Windungen, die ſo
geſchaltet ſind, daß die Ströme in beiden Windungsſyſtemen dieſelbe Richtung
haben, ſich alſo in ihren magnetiſirenden Wirkungen addiren. Der eine Stromkreis
wird von einem conſtanten Strome durchfloſſen, welchen eine von der ſtromliefernden
Maſchine unabhängige Elektricitätsquelle, alſo etwa eine kleine Erregermaſchine,
wie in der Darſtellung durch Fig. 392 angenommen iſt, liefert; im zweiten
Stromkreiſe der Elektromagnete fließt der ganze Strom, den die Hauptmaſchine
ſelbſt producirt und welcher im Arbeitsſtromkreiſe benützt wird, wenn man die
zu betreibenden Apparate parallel ſchaltet, es fließt aber nur ein Zweigſtrom
hindurch, wenn die Apparate hintereinander geſchaltet werden.


Betrachten wir zunächſt die Wirkungsweiſe dieſer Anordnung für die
Parallelſchaltung. Es wirken in der Hauptmaſchine ſtets zwei elektromotoriſche
Kräfte; eine unveränderliche, erzeugt von der ſelbſtſtändigen Erregermaſchine und
[561] entſprechend dem gleichfalls unveränderlichen inneren Widerſtande der Lichtmaſchine;
eine veränderliche, erzeugt von der Lichtmaſchine ſelbſt. Iſt eine beſtimmte Anzahl
von Apparaten in parallel geſchalteten Zweigen des Stromkreiſes in Thätigkeit,
ſo wird im Geſammtſtromkreiſe ein beſtimmter, der Apparatenzahl entſprechender
Widerſtand und demzufolge eine entſprechende Stromſtärke herrſchen. Wird nun
einer dieſer Apparate abgeſtellt, alſo einer der parallel geſchalteten Stromwege
unterbrochen, ſo verliert der Strom einen der nebeneinander liegenden Stromwege
für ſeinen Durchgang, findet alſo einen größeren Widerſtand; da aber die Strom-
ſtärke umgekehrt proportional dem Widerſtande iſt, muß die Stromſtärke abnehmen.
Das Umgekehrte findet ſtatt, wenn man die Zahl der urſprünglich in Betrieb
geſetzten Apparate vermehrt. Durch jeden neu eingeſchalteten Apparat erhält der
Strom für ſeinen Durchgang auch einen Weg mehr, findet alſo geringeren Wider-
ſtand und muß deshalb ſtärker werden. Durch die angegebene Schaltung regulirt
ſich alſo die Erzeugung elektriſcher Energie ſelbſtthätig und immer dem jeweiligen
Bedürfniſſe entſprechend.


Iſt eine beſtimmte Anzahl von Apparaten hintereinander geſchaltet, ſo
fließt durch den einen Stromkreis der Elektromagnete wieder der Strom von
conſtanter Stärke, welchen die Erregermaſchine liefert; durch den zweiten Stromkreis,
der einen Nebenſchluß zum Stromkreiſe der Hauptmaſchine und der Apparate bildet,
ein Zweigſtrom in einer Stärke, die dem Widerſtande in dieſer Zweigleitung
umgekehrt proportional iſt. Fügt man bei dieſer Schaltung zu den urſprünglich
betriebenen Apparaten noch einen Apparat hinzu, ſo nimmt der Widerſtand im
Arbeitsſtromkreiſe zu, weil der Strom dann eine längere Reihe von Apparaten
nacheinander zu durchlaufen, alſo eine größere Reihe von Widerſtänden zu
überwinden hat. Die Zunahme des Widerſtandes im Hauptſtromkreiſe bedingt aber
eine Zunahme der Stromſtärke in der Nebenſchließung (der zweiten Elektromagnet-
wicklung), da deren Widerſtand unverändert geblieben iſt. Dadurch werden aber
auch die Elektromagnete kräftiger, alſo der Strom der Hauptmaſchine verſtärkt.
In ähnlicher Weiſe nimmt die Stromſtärke im Arbeitsſtromkreiſe ab, wenn die
Zahl der Apparate vermindert wird.


In ſolcher Art regulirt ſich die Stromſtärke der Hauptmaſchine ſelbſt, ohne
Zuhilfenahme irgend welcher mechaniſcher Vorrichtungen.*)


Wir haben bisher zweierlei Schaltungen der Stromkreiſe innerhalb einer
Maſchine kennen gelernt, nämlich die Schaltung der gewöhnlichen dynamoelektriſchen
Maſchine, bei welcher die Armatur- und Elektromagnetwindungen in einem
Stromkreiſe liegen, und die Nebenſchlußſchaltung, bei welcher die Elektromagnet-
windungen im Nebenſchluſſe zum Hauptſtromkreiſe liegen. (Bei der Schaltungsweiſe
von Deprez kommt eine außerhalb der Maſchine befindliche ſelbſtſtändige Elektricitäts-
quelle zur Anwendung.) Dieſe beiden Schaltungen entſprechen jedoch für eine Reihe
von Anwendungen nicht den an ſie geſtellten Anforderungen. So wünſcht man
z. B. bei einer Beleuchtungsanlage für Glühlichter, daß dieſe in beliebiger,
wechſelnder Anzahl angezündet oder ausgelöſcht werden können, wie es eben gerade
der Bedarf erfordert.


Wendet man hierzu eine gewöhnliche dynamoelektriſche Maſchine an, ſo tritt,
abgeſehen von dem unruhigen Brennen der Lampen, beim ſucceſſiven Auslöſchen
Urbanitzky: Elektricität. 36
[562] derſelben folgendes Verhalten ein: Beim Auslöſchen der erſten Lampen brennen die
übrigen heller, beim Abſtellen weiterer Lampen wieder dunkler. Werden hierauf immer
mehr Lampen ausgeſchaltet, ſo nimmt die Leuchtkraft der noch in Thätigkeit bleibenden
ſtetig ab und dieſe löſchen ſchließlich ganz aus, d. h. die Maſchine arbeitet nicht mehr.
Dieſes Verhalten iſt durch die uns bereits bekannte Wirkungsweiſe der dynamo-
elektriſchen Maſchine ſelbſt bedingt. Ueberſteigt der Widerſtand des äußeren Strom-
kreiſes eine gewiſſe Größe oder iſt der Stromkreis ganz unterbrochen, ſo können die
in der Armatur durch den remanenten Magnetismus der Elektromagnete inducirten
Ströme nicht mehr in die Windungen der Magnete gelangen, das ſucceſſive An-
wachſen des Stromes kann nicht mehr eintreten und die Magnete verlieren ihre Kraft.


Liegen die Elektromagnete im Nebenſchluſſe, ſo wird deren Kraft erhöht,
wenn der Widerſtand im Hauptſtromkreiſe wächſt. Die Nebenſchlußmaſchine kann

Figure 397. Fig. 393.

Compound-Maſchine von Schuckert.


daher bei variirenden Widerſtänden im Hauptſtromkreiſe arbeiten, alſo auch für
Glühlichtbeleuchtung in Verwendung kommen, unter der Vorausſetzung, daß die
Kraft der Elektromagnete den jeweiligen Umſtänden (alſo der Zahl der zu betreibenden
Lampen) entſprechend regulirt wird. Ediſon bewirkt dies, wie wir ſpäter ſehen
werden, durch Einſchaltung variabler Widerſtände in den Stromkreis der Elektro-
magnete. Vortheilhaft arbeitet die Nebenſchlußmaſchine jedoch nur bei einem
beſtimmten Widerſtande. Schaltet man bei Anwendung derſelben nach und nach
immer mehr Lampen aus, ſo wird, weil dieſe, um voneinander unabhängig zu
bleiben, alle parallel geſchaltet ſein müſſen, der Widerſtand im Arbeits- oder
Hauptſtromkreiſe immer größer werden, daher der Strom im Nebenſchluſſe, den
Elektromagnetwindungen, fortwährend wachſen und die Kraft der Magnete ſelbſt
ebenfalls zunehmen. Die übrig bleibenden Lampen werden daher ſtets an Helligkeit
gewinnen und ſchließlich der Gefahr einer Zerſtörung ausgeſetzt ſein.


[563]

Die beiden Schaltungen zeigen alſo gewiſſermaßen ein entgegengeſetztes
Verhalten, indem bei der dynamoelektriſchen Maſchine eine beſtimmte kleine Lampen-
anzahl gar nicht zum Leuchten gebracht werden kann, während bei der Nebenſchluß-
maſchine für eine ſolche geringe Anzahl die Gefahr einer Zerſtörung wegen zu
großer Hitze eintritt. Es lag daher nahe, bei der Conſtruction von Maſchinen
einen Mittelweg einzuſchlagen, indem man beide Schaltungen combinirt. Dies
iſt nun auch in der That faſt gleichzeitig von den Ingenieuren der Firmen
R. E. Crompton, Siemens \& Halske und S. Schuckert ausgeführt worden,
wodurch den beiden bereits früher bekannten Maſchinen noch die Compound-
maſchine
oder Maſchine mit conſtanter Klemmſpannung zugefügt wurde.


Fig. 393 ſtellt eine Compoundmaſchine von Schuckert dar, welche zum
Betriebe von circa 400 Ediſon-Lampen beſtimmt iſt. Während der elektriſchen

Figure 398. Fig. 394.

Maſchine mit conſtanter Klemmſpannung von Siemens \& Halske.


Ausſtellung in Wien (1883) diente ſie zur Speiſung jener Lampen, aus welchen
die Firmenſchilder Schuckert und Werndl gebildet waren. Dem viertheiligen Ringe
dieſer Maſchine entſprechend, ſind auch vier Ableitebürſten angebracht. Die Maſchine
zeichnet ſich durch ebenſo elegante als ſolide Conſtruction aus.


Fig. 394 iſt die Abbildung einer Maſchine mit conſtanter Klemmſpannung
von Siemens \& Halske, Fig. 395 das Schema dieſer Maſchine, entworfen nach
der perſpectiviſchen Anſicht aus „La lumière électrique“. Wie aus dieſen Figuren
zu erſehen, unterſcheidet ſich dieſe Maſchine von den bereits beſchriebenen nur
durch die Art der Elektromagnetbewicklung, durch welche die Maſchine befähigt
wird, ſtets dem jeweiligen Bedarfe entſprechende Ströme zu liefern. Dies iſt auch
der Grund, warum dieſe, und überhaupt die Compoundmaſchinen, nicht im Abſchnitte
über Maſchinen, ſondern erſt bei Beſprechung der Stromregulirung eingereiht
wurden. Bei dem in den Fig. 394 und 395 dargeſtellten Modelle iſt die doppelte
36*
[564] Bewicklung der Elektromagnetſchenkel in der Weiſe ausgeführt, daß jeder Schenkel
zur Hälfte mit dickem und zur Hälfte mit dünnem Drahte verſehen wurde. Natürlich
kann, ohne das Princip oder die Wirkungsweiſe zu ändern, die doppelte Bewicklung
auch in anderer Weiſe ausgeführt werden; es können z. B. je zwei der vier
Elektromagnetſchenkel dünnen und die beiden anderen dicken Draht erhalten oder

Figure 399. Fig. 395.

Schema der Siemens-Maſchine.


es kann auch der Elektromagnet-
ſchenkel beiderlei Drähte übereinander
gelagert bekommen.


Die Schaltung in der Maſchine
iſt durch das Schema leicht zu
erſehen; die Elektromagnetwindun-
gen aus ſtarkem Drahte ſind parallel
oder auf Quantität geſchaltet, jene
aus dünnem Drahte hintereinander
oder auf Spannung. Den Strom-
lauf in den erſteren zeigen die ein-
fachen, jenen in den letzteren die
gefiederten Pfeile an. P P1 ſind die
Polklemmen der Maſchine, an welche
der äußere Stromkreis angeſchloſſen
wird, B B1 die auf dem Collector
ſchleifenden Ableitebürſten. Die Ma-
ſchine kann 1 bis 200 Siemens-
Glühlichter à 16 Kerzen Lichtſtärke
mit Strom verſorgen.


Durch die Compoundmaſchi-
nen, welche alſo gewiſſermaßen eine
dynamoelektriſche und eine Neben-
ſchlußmaſchine in ſich vereinigen, iſt
das Problem einer Stromregulirung
durch die Maſchine ſelbſt und ohne
Anwendung irgend welcher ſelbſt-
ſtändiger Regulatoren vollkommen
gelöſt. Die Maſchine arbeitet inner-
halb der durch ihre größe und Con-
ſtruction beſtimmten Grenzen mit
jedem beliebigen Widerſtande im
äußeren Stromkreiſe immer gleich-
mäßig und auch immer mit dem-
ſelben Güteverhältniſſe. Vorausgeſetzt
iſt hierbei nur eine conſtante Touren-
zahl der Maſchine. Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, daß die Compound-
maſchinen namentlich überall dort zur Verwendung kommen werden, wo es ſich
um Vertheilung elektriſcher Energie von einem Centralpunkte aus handelt.


Für die Regulirung der Stromſtärke mit Hilfe beſonderer Regulirungs-
vorrichtungen wurden bereits ziemlich viele Apparate angegeben, die in unmittelbarer
Verbindung mit der Maſchine, oder ſelbſtſtändig angeordnet werden oder auch auf
den die Maſchine treibenden Motor wirken. Die Beſprechung nur einiger derſelben
[565] wird umſo eher genügen, als ſie gegenwärtig durch die Conſtruction der Compound-
maſchinen ſehr an Bedeutung verloren haben.


Zwei derartige Regulatoren waren bereits gelegentlich der Ausſtellung für
Elektricität in Paris zu ſehen; es ſind dies die Regulatoren von Maxim und
von Lane-Fox.


Maxim regulirt die Stromſtärke der Lichtmaſchine, indem er den Strom
der kleinen Hilfsmaſchine, welche die Elektromagnete zu erregen hat, variirt. Die
Veränderung der Stromſtärke der Erregermaſchine erfolgt durch Verſtellung der
Contactbürſten ihres Collectors. Bekanntlich giebt es für die Bürſten zwei Grenz-
ſtellungen, für deren eine das Maximum der Stromſtärke, für deren zweite das
Minimum derſelben im Stromkreiſe erhalten wird; bei der letzteren ſtehen die
Bürſten in der ſogenannten neutralen Linie. Man hat alſo in der Bewegung der
Bürſten von oder zu dieſer Linie ein Mittel, um auf die Stromſtärke einer
dynamoelektriſchen Maſchine einzuwirken.


Fig. 396 zeigt die praktiſche Ausführung dieſer Idee. Ein auf der Erreger-
maſchine angebrachter Elektromagnet E1 von großem Widerſtande iſt in den
Hauptſtromkreis (Lampenkreis) geſchaltet und zieht mit einer Kraft, welche ſich
nach der Stärke des Stromes richtet, den Anker A an; an dieſem iſt ein Sperrkegel f
mit zwei einander entgegengeſetzt (nach oben und unten) gerichteten Zähnen auf-
gehängt, welcher von der Axe der Maſchine durch eine Transmiſſion eine hin
und her gehende Bewegung erhält. Dieſer Sperrkegel bewegt ſich zwiſchen zwei
Zahnrädern r und r1, ohne dieſe zu berühren, ſo lange der Strom, welcher durch
die Magnetwindungen geht, ſeine normale Stärke beſitzt. Wird der Strom geſchwächt
(z. B. durch das Anzünden neuer Lampen), ſo hebt ſich der Anker, da er vom
Elektromagnete nicht mehr ſo ſtark angezogen, ſondern vielmehr durch eine entgegen-
wirkende Kraft (z. B. eine Feder) ſogar abgezogen wird; mit ihm geht auch der
Sperrkegel aufwärts, der jetzt mit ſeinem oberen Zahne in die Zähne des Rades r
eingreift und dieſes bei je einem Hin- und Hergange um einen Zahn weiterdreht.
Durch einige Zwiſchenräder wird dieſe Drehung auf die Bürſten b b übertragen,
wodurch dieſe ihre bisherige Stellung verlaſſen, ſich ihrer günſtigſten Lage mehr
oder weniger nähern und ſo den Strom verſtärken. Die entgegengeſetzte Bewegung
und daher auch Wirkung tritt ein, wenn der Strom (durch das Auslöſchen mehrerer
Lampen) zu ſtark geworden iſt.


Der zweite Elektromagnet E2 ſpielt die Rolle eines Sicherheitsventiles. Die
Spannung der Feder oder ſonſtigen Hemmung, welche der Anziehung des Ankers
durch dieſen Magnet entgegenwirkt, iſt ſo regulirt, daß ſie nur durch ein außer-
gewöhnliches Anwachſen des Stromes im Elektromagnete überwunden wird. In
dieſem Falle gelangt die Verlängerung des Ankers an einen Platincontact, wodurch
die Elektromagnetwindungen der Hauptmaſchine ausgeſchaltet werden und dadurch
die Stromerregung unterbrechen, ſo daß eine Beſchädigung der Apparate (Lampen)
unmöglich iſt. Die Unterbrechung in der Stromerzeugung dauert jedoch nur einen
Moment, weil eben durch die Unterbrechung auch der Elektromagnet E2 ſeine
Kraft ſofort verlieren und daher den Anker wieder loslaſſen muß. Hierdurch iſt
die normale Verbindung beider Maſchinen wieder hergeſtellt und die Stromerregung
nimmt ihren normalen, durch die Wirkung des Magnetes E1 regulirten Verlauf.
Da der Elektromagnet E2 nur vorübergehend in die Regulirung eingreift und die
Elektromagnete der Hauptmaſchine nicht momentan ihre ganze Kraft verlieren,
werden die Lampen in Folge der Wirkung des Elektromagnetes E2 nicht ganz
[566] auslöſchen, ſondern nur bedeutend dunkler brennen. Der Elektromagnet E2 giebt
durch ſein Eingreifen nur gewiſſermaßen dem Elektromagnete E1 Zeit, ſeine
Einwirkung geltend zu machen, wenn durch plötzliche bedeutende Widerſtands-
änderungen im Arbeitsſtromkreiſe eine raſche und bedeutende Aenderung der
Stromſtärke erfordert wird, welche der eigentliche Regulirungsmechanismus mit

Figure 400. Fig. 396.

Regulator von Maxim.


ſeinen Zahnrädern und Uebertragungen nicht ſo raſch ausführen kann, um die im
Betriebe befindlichen Apparate (z. B. Lampen) vor Beſchädigung zu bewahren.


Dasſelbe Princip, nämlich die Verſtellung der Schleifbürſten am Collector
der Erregermaſchine, wurde von Maxim auch zur Conſtruction eines Regulators
benützt, deſſen Form in einigen Details von dem eben beſchriebenen Apparate etwas
abweicht. Maxim conſtruirte ferner auch einen Regulator, der im Weſentlichen
aus einem großen drehbaren Rheoſtaten mit 60 Widerſtandsrollen, in Form und
Anordnung einem Gramme’ſchen Ringe ähnlich, beſteht. Dieſer iſt in den Stromkreis
[567] der erregenden Elektromagnete eingeſchaltet. Der Gramme’ſche Ring wird durch
Vermittlung eines Elektromagnetes in der einen oder anderen Richtung gedreht,
ſchaltet hierdurch eine größere oder geringere Anzahl von Widerſtandsrollen ein
oder aus und ſchwächt oder verſtärkt alſo in dieſer Weiſe den Strom.


Křižik benützt zur Conſtruction ſeiner Regulatoren dasſelbe Princip,
welches ſeinen Lampen, die wir weiter unten noch kennen lernen werden, zu
Grunde liegt. Da derſelben an jener Stelle ohnehin noch ausführlicher gedacht
werden muß, können wir uns hier mit einigen kurzen Andeutungen begnügen.


Zwei Formen des Regulators ſind in Fig. 397 dargeſtellt. Ein Solenoid S
übt auf den in einer Meſſingröhre eingeſchloſſenen Eiſenkern E eine ſtärkere oder
ſchwächere Anziehung aus, je nachdem der das Solenoid durchfließende Strom

Figure 401. Fig. 397.

Regulatoren von Křižik.


ſtärker oder ſchwächer iſt. Die gleichmäßige Anziehung des Eiſenkernes in allen
ſeinen Stellungen zur Spule wird durch die eigenthümliche (koniſche) Form des
Eiſenkernes bewirkt. Der Anziehung durch das Solenoid wirkt das Gegengewicht G,
welches an einer über die Rolle R laufenden Schnur hängt, entgegen.


Der Eiſenkern gleitet daher auf der ſchiefen Ebene des Geſtelles nach aufwärts
oder abwärts, je nachdem die Wirkung des Gewichtes G oder der Anziehungskraft
des Solenoides überwiegt. Hierbei bewegt ſich die Contactrolle r über eine Reihe
von Contactſtreifen, welche mit Kohlenſtäben K in Verbindung ſtehen. Es wird
in dieſer Weiſe bei zunehmender Stromſtärke der Eiſenkern immer tiefer in das
Solenoid hineingezogen und eine immer größere Anzahl von Kohlenſtäben, alſo
Widerſtänden in den Stromkreis eingeſchaltet und dadurch die Stromſtärke wieder
auf das gewünſchte Maß herabgebracht. Iſt hingegen der Strom zu ſchwach, ſo
zieht das Gegengewicht G den Eiſenkern heraus und ſchaltet dadurch immer mehr
[568] Widerſtand aus, wodurch der Strom wieder zur gewünſchten Stärke an-
wachſen kann.


In einer zweiten Conſtruction ſind die Widerſtände aus Neuſilberdrähten N
gebildet, welche auf einen Cylinder aufgewunden ſind. Die Ein-, beziehungsweiſe
Ausſchaltung von Widerſtänden wird durch eine am Eiſenkerne befeſtigte Contactrolle
bewirkt, die über im Innern des Cylinders angebrachte Contactſtreifen gleitet.
Als Gegenkraft zum Solenoide kommt hier der Auftrieb durch Waſſer zur
Anwendung.


Die Anglo-American Bruſh Electric Light Company, deren
Maſchine wir bereits kennen gelernt haben (Seite 378), verwendet zur Strom-
regulirung einen aus Kohlenſcheiben zuſammengeſetzten Rheoſtaten. Da die genannte

Figure 402. Fig. 398.

Bruſh-Maſchine mit Stromregulator.


Company bei den von ihr ausgeführten Beleuchtungsanlagen Lampen (mit Voltabogen)
in größerer Anzahl hintereinander zu ſchalten pflegt, bedarf ſie zum Betriebe
derſelben einer Maſchine, die hochgeſpannte Ströme liefert. So hat die Sechzehn-
lichtmaſchine eine elektromotoriſche Kraft von 839 Volts, die Vierziglichtmaſchine
gar eine ſolche von 2200 Volts. Hat man eine Beleuchtungsanlage mit Glüh-
lichtern einzurichten, ſo müſſen dieſe, um ſie voneinander unabhängig zu machen, in
Parallelſchaltung angeordnet werden; hierzu bedarf man jedoch keiner hochgeſpannten,
ſondern Quantitätsſtröme. Dies veranlaßte die Company, welche im Beſitze von
Schuckert’s engliſchen Privilegien iſt, zur Conſtruction jener Maſchine, welche
Fig. 398 ſammt dem bereits erwähnten Regulator darſtellt. Die Maſchine iſt,
wie ſchon ein oberflächlicher Anblick lehrt, einige leichte Aenderungen abgerechnet,
eine Copie der vierpoligen Maſchine von Schuckert. Dies iſt auch der Grund,
[569] warum dieſe, gar nichts Originelles bietende Maſchine, erſt hier im Zuſammenhange
mit dem Regulator vorgeführt wird.


Die Wirkungsweiſe des Bruſh-Regulators erkennen wir am beſten aus
der ſchematiſchen Darſtellung Fig. 399, die ebenſo wie die vorhergehende Figur
„La lumière électrique“ entlehnt iſt.


Von den Polklemmen i und h der Maſchine gehen einerſeits die Leitungen
des Hauptſtromkreiſes i' und h' aus, andererſeits ſind daran im Nebenſchluſſe die
Drahtwindungen der Elektromagnete E und der Kohlenſcheiben-Rheoſtat R an-
geſchloſſen. Bei I und II iſt mit dem Haupt- (Lampen-) Stromkreiſe eine Zweig-
leitung verbunden, welche den Elektromagnet d enthält, deſſen Eiſenkern von dem

Figure 403. Fig. 399.

Schema der Stromregulirung.


zweiarmigen Hebel c getragen wird; der Anziehung wirken ein verſtellbares Lauf-
gewicht G und die Feder r entgegen. Das vom Laufgewichte abgewandte (rechte)
Hebelende ſchwebt zwiſchen den beiden Contactſtiften a und b. Berührt der Hebel
den Contactſtift a, ſo iſt der Elektromagnet e in den Zweigſtromkreis eingeſchaltet,
berührt er den Stift b, ſo werden die Windungen des Elektromagnetes f von dieſem
Zweigſtrome durchfloſſen. Je nachdem der erſte oder zweite Fall eintritt, zieht der
Magnet e oder f den Anker g an, der ſich dementſprechend nach links oder rechts
drehen muß. Oberhalb des Ankers g ſind auf der Welle W zwei Zahnräder z z'
aufgekeilt, die beſtändig in Rotation erhalten werden (vergl. Fig. 398). Zwiſchen
dieſen iſt das Zahnrad H befeſtigt. Dieſes wird mit dem Zahnrade z oder z'
zum Eingriffe gebracht, wenn ſich der Anker g aus ſeiner Mittellage nach links
oder rechts bewegt. Der Anker g iſt nämlich über ſeinen Drehpunkt hinaus ver-
[570] längert und dieſe Verlängerung bewirkt durch Ineinanderſchiebung ausgezackter
Metallſtücke (d. h. durch eine Klauenkuppelung) die Verbindung des Rades H
mit z oder z'. Das Rad H wirkt ſchließlich auf die Platte P, dieſe abwärts
oder aufwärts ſchiebend, und veranlaßt hierdurch einen beſſeren oder ſchlechteren
Contact zwiſchen den einzelnen Kohlenſcheiben K des Rheoſtaten, wodurch der
Widerſtand desſelben vermindert oder erhöht wird.


Ueberſteigt alſo der Strom im Lampenkreiſe die verlangte Stärke, ſo über-
windet die Anziehungskraft des Magnetes d die Kraft der Feder r und des
Gewichtes G, die rechte Seite des Hebels c muß ſinken, mit b in Contact kommen
und den Elektromagnet f einſchalten. Der Anker f dreht ſich nach rechts, ſeine
oberhalb des Drehpunktes befindliche Verlängerung nach links und kuppelt das
Zahnrad z mit H. Hierdurch wird dieſem eine Drehung ertheilt, welche die Platte P
ſenkt und dadurch die Berührung zwiſchen den Kohlenplatten K K lockert, alſo
den Widerſtand des Rheoſtaten vergrößert. Da dieſer mit den Elektromagneten E E
der Maſchine in einem und demſelben Stromkreiſe liegt, muß der um die Elektro-
magnete fließende Strom und in Folge deſſen auch der Strom der Maſchine ſelbſt
geſchwächt werden.


Iſt umgekehrt die Stromſtärke eine zu geringe geworden, ſo wird der
Hebel c durch die Feder r und das Gegengewicht G gehoben, der Contact bei a
hergeſtellt, hierdurch der Elektromagnet e activirt und H zur Drehung nach ent-
gegengeſetzter Richtung veranlaßt. Die Platte P wird gehoben, preßt die Kohlen-
ſcheiben aneinander und vermindert ſo den Widerſtand des Rheoſtaten; dies hat
dann natürlich ein Wachſen der Stromſtärke zur Folge. Es braucht wohl kaum
erwähnt zu werden, daß bei normaler Function der Anlage, d. h. bei richtiger
Stromſtärke, der Hebel c mitten zwiſchen a und b und der Anker g mitten zwiſchen
e und f ſchweben, und daher das Rad H in Ruhe bleibt.


Ein Kohlenrheoſtat, welcher durch Herſtellung eines mehr oder weniger
innigen Contactes zwiſchen den einzelnen Kohlenſtücken wirkt, iſt allerdings erſt
durch die oben genannte Company zu induſtrieller Anwendung gelangt, war jedoch
ſchon längſt bekannt und fand z. B. beim Mikrophon, durch Sir William Siemens
ſogar auch ſchon zur Conſtruction eines Stromregulators Verwendung.


Sir William Siemens verbindet einen vom Strome durchfloſſenen Draht
mit einem Kniehebel, der auf eine aus Kohlenſcheiben aufgebaute Säule wirkt.
Bei ſchwachem Strome verkürzt ſich der Draht und preßt die Kohlenſcheiben
aneinander, wodurch der Widerſtand der Säule verringert wird, während ein
kräftiger Strom den Draht ſtark erwärmt und ausdehnt, wodurch der Druck auf
die Kohlenſcheiben nachläßt; dieſe berühren ſich dann nur loſe und der Widerſtand
der Säule iſt ein größerer geworden.


Einen andern von William Siemens erdachten Regulator, der gleichfalls
auf das Joule’ſche Geſetz (ſiehe I. Abtheilung, Seite 228) baſirt iſt, ſtellt Fig. 400
dar. Ein ſehr dünner Streifen A aus Metall iſt mit einem Ende an der Schraube B
befeſtigt, die zur Regulirung der Spannung des Streifens dient; dieſer ſteigt
dann in der Glasröhre empor, läuft über die Rolle R, kommt wieder herab und
iſt mit ſeinem zweiten Ende an einem Hebel befeſtigt, der an ſeiner Axe den
Contactarm L ſitzen hat. Die Lage dieſes Armes iſt alſo von der Länge des
Streifens A abhängig. Oberhalb dieſes Contactarmes iſt noch eine Reihe von
Armen M angeordnet, die an ihren freien Enden die Contactprismen P tragen; die
Entfernung der letzteren voneinander wird durch die Stellung der verſchiebbaren
[571] Gewichte W geregelt. Die anderen Enden der Contactarme ſind in Verbindung
mit den Widerſtandsſpiralen R aus Neuſilberdraht. Die gleichfalls mit einem Contact-
prisma verſehene Feder S ſteht mit der Polklemme T in leitender Verbindung.


Geht nun durch den Streifen A ein elektriſcher Strom, ſo erwärmt er
jenen proportional dem Quadrate der Stromſtärke und der Streifen verlängert
ſich; dadurch ſinkt der Hebel L und nach ihm ſenken ſich ſucceſſive die Hebel M,
wodurch ihre Contactprismen außer Berührung kommen (welches Stadium in der
Figur gezeichnet iſt) und die Widerſtände R nach und nach einſchalten. Nimmt
der Strom hingegen ab, ſo kühlt der Streifen A aus, zieht ſich zuſammen und
hebt dann den Hebel L; dieſer bringt dann
die Prismen P zum Contact, und ſchaltet
dadurch die entſprechenden Widerſtände R
aus. Sind alle Prismen in Contact, ſo
geht der Strom von der Klemme T gleich
zum Hebel L.


Um die Wärmeſtrahlung des Streifens
von der Umgebung unabhängig zu machen,
iſt erſterer mit einer Glasröhre umgeben und
wird der ganze Apparat in einem Zimmer
von mittlerer Temperatur aufgeſtellt.


Ediſon bewirkt die Vertheilung der
Elektricität von ſeinen Centralſtationen aus
unter Anwendung der Parallelſchaltung. Um
bei dieſer Anordnung die Totalmenge der
erzeugten elektriſchen Energie dem jeweiligen
Bedürfniſſe entſprechend zu reguliren, muß,
wenn wir uns der bei der Stromregulirung
nach Deprez angeſtellten Betrachtungen er-
innern, die elektromotoriſche Kraft conſtant
erhalten und die Intenſität variirt werden.
Ediſon erreicht dies durch Veränderung der
Intenſität des magnetiſchen Feldes, in welchem
der Anker rotirt. Zu dieſem Zwecke ſind die
Drahtwindungen der Elektromagnete und eine
Reihe von Widerſtandsſpiralen in einem
Nebenſchluß zum Lampenſtromkreis geſchaltet.
Die größere oder geringere Zahl der in dieſen

Figure 404. Fig. 400.

Stromregulator von William Siemens.


Stromkreis einbezogenen Widerſtandsſpiralen verkleinert oder vergrößert die Strom-
ſtärke in den Drahtwindungen der inducirenden Elektromagnete und ändert ſomit
auch dementſprechend die Intenſität des magnetiſchen Feldes. Die Regulirung
erfolgte bis in jüngſter Zeit nicht automatiſch, ſondern eine eigens damit betraute
Perſon beſorgte die Ein- und Ausſchaltung der Widerſtände.


Die Apparate, welche dazu angewandt werden und deren Verbindungen mit
der Maſchine und den Leitungen ſind in Fig. 401 ſchematiſch dargeſtellt. Sie
bilden zwei Gruppen, deren eine dazu dient, die jeweilige Stromſtärke im Arbeits-
ſtromkreiſe zu meſſen und deren zweite geſtattet, den Strom dieſen Meſſungen
entſprechend ſo zu reguliren, daß er immer die gewünſchte normale Stärke
behält.


[572]

Von der Maſchine A geht der Strom durch die Leitungen a a zu den
einzelnen Lampen r; c c ſind Nebenleitungen, die von der Hauptleitung (Lampen-
leitung) ausgehen und zu einem Stromwechsler j mit vier Contacten führen. Mit
dieſem ſteht der Stromwender g in Verbindung; h iſt ein Widerſtandskaſten (Shunt),
i
ein conſtanter Widerſtand von 50.000 Ohms. Zu dieſem früher erwähnten
Stromwechsler führen auch noch die Leitungen d d der Normalbatterie D von
110 Volts; n iſt ein Thomſon’ſches Spiegelgalvanometer, k die Lampe desſelben
und m die dazu gehörige Theilung.


Der eigentliche Stromregulator B ſteht durch die Leitung b b mit den
Umwindungen der inducirenden Magnete der Maſchine A in Verbindung; bei f
iſt in dieſe Leitung ein Unterbrecher eingeſchaltet. e iſt ein im Kreiſe drehbarer
Schleifhebel, der mit einer Leitung b verbunden iſt und durch Berührung mit
einem der ebenfalls im Kreiſe angeordneten Contacte den Stromkreis b b ſchließt,

Figure 405. Fig. 401.

Schema zu Ediſon’s Stromregulirung.


indem er den Strom durch eine größere oder kleinere Anzahl von Widerſtänden
zu gehen zwingt, deren Endpunkte eben die Contacte ſind.


Die Regulirung der Stromſtärke zerfällt in zwei Operationen: die Meſſung
der Stromſtärke im Arbeitsſtromkreiſe durch die Apparate C D und die Einſchaltung
größerer oder geringerer Widerſtände in den Stromkreis der inducirenden Magnete
durch Drehung des Hebels e, entſprechend dem Ergebniſſe der Meſſung. Zum
leichteren Verſtändniſſe vergleiche man die ſchematiſche Zeichnung mit der perſpec-
tiviſchen Anſicht in Fig. 402. Um die Strommeſſung vorzunehmen, ſtellt man
die Arme des Stromwenders j nach rechts. Es geht dann ein Zweigſtrom von
der Lampenleitung a a aus durch c c, den Stromwender j, den Stromwechsler g,
den conſtanten Widerſtand h und den variablen Widerſtand i zum Galvanometer n.
Der conſtante Widerſtand h von 50.000 Ohms iſt deshalb eingeſchaltet, damit
der Hauptſtrom nicht in ſeiner vollen Stärke, ſondern nur ein dieſem Widerſtande
entſprechender Theilſtrom in das Galvanometer gelangen kann. Der Zweck des
veränderlichen Widerſtandes i iſt, die Stromſtärke noch weiter zu vermindern, wenn
[573] ſie zur Meſſung im Galvanometer noch zu groß ſein ſollte. Der im Galvanometer
circulirende Strom bewirkt eine ſeiner Stärke entſprechende Nadelablenkung, die

Figure 406. Fig. 402.

Ediſon’s Stromregulirung.


mit Hilfe eines Spiegels und der Lampe k auf der Theilung m ſichtbar gemacht
wird. Die Theilung iſt derartig, daß die Stromſtärke eines Volts einen Ausſchlag
von drei Theilſtrichen bewirkt.


[574]

Um nun zu erfahren, ob der Lampenſtrom die normale Stärke beſitzt,
vergleicht man ihn mit dem Strome der Normalbatterie D, welche durch Drehung
des Stromwechslers j nach links an die Stelle des Arbeitsſtromes in die
Galvanometerleitung eingeſchaltet werden kann. Der Batterieſtrom geht dann
durch j, g, h, i zum Galvanometer. Giebt die Nadel denſelben Ausſchlag wie bei
Einſchaltung in den Arbeitsſtromkreis, ſo hat der Strom ſeine normale Stärke.
Iſt dies nicht der Fall, ſo muß er durch Einſchaltung von Widerſtänden dazu
gebracht werden. Dazu dient der Apparat B. Die im Kreiſe angebrachten Contacte
ſind, wie früher erwähnt wurde, die Enden einer Reihe von Widerſtänden (in
Fig. 402 unter dem Tiſche bei R ſichtbar). Sie beſtehen aus parallelen Brettchen,
die mit vier Stäben zuſammengehalten werden; auf letztere ſind blanke Kupfer-
drähte gewickelt. Dieſe Einrichtung der Widerſtände wurde gewählt, um eine zu
große Erwärmung der vom Strome durchfloſſenen Drähte zu vermeiden. Je nach
der Stellung des Hebels e (C in der perſpectiviſchen Anſicht) iſt nun ein größerer
oder geringerer Widerſtand eingeſchaltet.


Würde man den Widerſtand in den Hauptſtromkreis (Arbeitsſtromkreis) ein-
ſchalten, ſo könnte man die Stromſtärke allerdings auch entſprechend reguliren,
aber unter Verluſt von Arbeit. Ediſon ſchaltet daher die Widerſtände in den
Stromkreis der inducirenden Magnete ein, ſchwächt dadurch die inducirende Wir-
kung und ſomit auch den inducirten Strom, der im äußeren Kreiſe Arbeit leiſten
ſoll. Hiermit iſt kein Arbeisverluſt verbunden, denn die Hauptarbeit des Motors
beſteht darin, die Anziehung zwiſchen den Magneten und der Armatur zu über-
winden, d. h. die Armatur zu drehen; wird nun die Kraft der Magnete geſchwächt,
ſo iſt auch dieſe Anziehung geringer, und ſomit hat auch der Motor eine geringere
Arbeit zu leiſten. Dies wird durch den Motor ſelbſt bewirkt. Sobald nämlich
durch die Regulirung die Magnete ſchwächer gemacht ſind, würde der Motor, da
er jetzt einen kleineren Widerſtand gegen die Drehung zu überwinden hat, raſcher
zu gehen anfangen. Dadurch kommt aber ſein eigener Regulator zu kräftiger Wir-
kung und läßt nur mehr eine kleinere Menge Dampf in den Cylinder treten, ſo
daß die Geſchwindigkeit des Motors conſtant bleibt, trotz der Verminderung der
Bewegungswiderſtände: der Motor arbeitet alſo mit geringerem Kraftaufwande.


Eine eigens hierzu angeſtellte Perſon hat bei der im Vorhergehenden
beſprochenen Stromregulirung ſtets den Gang der Magnetnadel im Galvanometer
zu überwachen und dementſprechend die Regulirung des Arbeitsſtromes vorzunehmen.
In jüngſter Zeit läßt Ediſon, dem Vorgange Maxim’s, Lane-Fox’ u. A. folgend,
die Einſchaltung der Widerſtände ebenfalls automatiſch bewerkſtelligen. Den hierzu
dienenden Apparat ſtellt Fig. 403 (aus „La lumière électrique“) dar.


Dieſer Regulator beſteht aus einer Art Relais C, welches in eine Zweig-
leitung zum Arbeitsſtromkreiſe eingeſchaltet iſt und den Elektromagneten A und B,
deren Anker an den Enden eines Wagbalkens befeſtigt wird. Der Ankerhebel des
Elektromagnetes C bewegt ſich zwiſchen den beiden Contacten J und K und
ſchaltet durch Berührung des einen oder anderen Contactes den Elektromagnet A
oder B in den Stromkreis ein. Der Wagbalken, welcher die Anker dieſer Magnete
trägt, beſitzt eine nach abwärts gerichtete Zunge E, deren Schleiffeder R über
eine Reihe von Contactſtreifen ſchleifen kann, welche der Reihe nach mit immer
größeren Widerſtänden in Verbindung ſtehen.


Die Wirkung des Apparates iſt hiernach leicht einzuſehen. Hat der Arbeits-
ſtrom ſeine normale Stärke, ſo befindet ſich der Ankerhebel des Magnetes C in
[575] der Mitte zwiſchen beiden Contactſtiften, ohne den einen oder den anderen zu
berühren; die Magnete A und B bleiben ſtromlos. Sinkt jedoch der Strom unter
die gewünſchte Stärke oder ſteigt er über dieſelbe, ſo wird der Ankerhebel vom Elektro-
magnete C abgezogen und ſchließt den Contact K oder wird umgekehrt vom
Magnete C kräftiger angezogen und ſchließt den Contact J. In dem einen wie
im andern Falle wird hierdurch einer der Magnete A oder B mit ſeinen Draht-
windungen in den Stromkreis eingeſchaltet und dadurch der Wagbalken in der
einen oder andern Richtung gedreht. Die Feder R muß dann immer größere
Widerſtände in den Stromkreis der erregenden Elektromagnete der Maſchine ein-

Figure 407. Fig. 403.

Ediſon’s automatiſcher Stromregulator.


ſchalten oder umgekehrt immer mehr Widerſtände ausſchalten, bis wieder die nor-
male Stromſtärke hergeſtellt iſt.


Um die Bewegung der Schleiffeder R in der einen oder andern Richtung
deutlich ſichtbar zu machen, ſind noch die beiden Lampen G und H am Apparate
angebracht, deren eine blaues, deren andere rothes Glas beſitzt. Der Ankerhebel
des Magnetes C bewirkt dann gleichzeitig mit der Herſtellung des einen oder
andern Contactes auch die Einſchaltung der rothen oder blauen Lampe in den
Stromkreis.


Lane-Fox hatte bereits zur Pariſer Ausſtellung einen Regulator geſandt,
welcher dem eben beſprochenen von Ediſon ganz ähnlich conſtruirt iſt. Ein Relais
ſchaltet den einen von zwei Elektromagneten, welche einen gemeinſchaftlichen Anker
beſitzen, in den Stromkreis und veranlaßt dadurch eine Bewegung des Ankers in
der einen oder andern Richtung. Dadurch werden auch zwei auf einer horizontalen
[576] Axe ſitzende Zahnräder, zwiſchen welchen ein auf verticaler Axe befeſtigtes drittes
Zahnrad ſich befindet, nach der einen oder andern Seite verſchoben und daher
das eine oder das andere Rad mit dem auf der verticalen Axe befeſtigten zum
Eingriffe gebracht. Da das letzterwähnte (dritte) Rad durch den vibrirenden Anker
eines Magnetes Stöße erhält, die es ſtets in einer Richtung fortdrehen, ſo wird
dieſe Drehung auf die horizontale Axe des Zahnräderpaares übertragen, welche
ſich dann in der einen oder andern Richtung drehen muß. An derſelben Axe ſitzt
ein Schleifhebel, der über eine Reihe von Contacten, die Enden der Widerſtände,
gleitet.


Der Stromregulator, welchen Schwerd \& Scharnweber benützen, beſteht
aus zwei Solenoiden, in die ein hufeiſenförmiger Anker taucht; letzterer hängt an
einer Schnur, welche über eine Rolle geht und am andern Ende ein Gegengewicht
trägt. Der Anker bewegt ſich daher in die Solenoiden hinein oder aus dieſen
heraus, je nachdem der Strom die verlangte Stärke überſchreitet und die Solenoide
kräftiger macht, oder unter die verlangte Stärke ſinkt und dann die Anziehungs-
kraft der Solenoide von dem Gegengewichte überwunden wird. An der Drehung
der Rolle nimmt eine auf derſelben Axe ſitzende Walze Antheil, oberhalb welcher
eine Reihe von Contactfedern als Enden einer Serie von Widerſtänden angebracht
iſt. Die Walze trägt eine ſchneckenartige Erhöhung und hebt durch dieſe der Reihe
nach die einzelnen Contactfedern. Es wird deshalb immer mehr Widerſtand ein-
oder ausgeſchaltet, je nachdem die Walze in der einen oder andern Richtung gedreht
wird, d. h. je nachdem ſich der Anker in die Solenoide hinein- oder aus dieſen
herausbewegt, alſo der Arbeitsſtrom zu ſtark oder zu ſchwach geworden iſt.


Wir wollen ſchließlich noch jene Art der Stromregulirung und Vertheilung
mit Zuhilfenahme eines Regulators kurz andeuten, welcher ſich A. Gravier bedient.


Die negative Polklemme der Maſchine U (Fig. 404) wird zur Erde abgeleitet;
von der poſitiven Klemme aus verzweigen ſich nach Art eines Spinnengewebes R
die Leitungsdrähte zu den einzelnen Verbrauchsſtellen. Die hier in Thätigkeit zu
ſetzenden Apparate werden einerſeits an die Leitungen angeſchloſſen, andererſeits mit
der Erde in Verbindung geſetzt. Die negative Polklemme der Maſchine iſt ferner
durch einen dünnen Draht mit dem Elektromagnete A B des Regulators verbunden.
Von v, dem entlegenſten Punkte des Vertheilungsnetzes, geht ein dünner Draht,
der ſogenannte Retourdraht, aus, welcher mit dem zweiten Ende der Elektromagnet-
windungen auf A B verbunden iſt.


Durch den Elektromagnet A B wird daher ein Strom kreiſen, deſſen Stärke
bei unveränderter Arbeit der Maſchine U von dem Stromverbrauche im Vertheilungs-
netze abhängt; der Elektromagnet A B zeigt daher durch ſeine Stärke das Strom-
bedürfniß im Arbeitsſtromkreiſe (Vertheilungsnetze) an. Die Polſchuhe A und B
ſind nach unten verlängert, A iſt oben mit einer Schneide verſehen, auf welcher
ſich der eiſerne Wagbalken b b' drehen kann. b b' bildet gewiſſermaßen die Ver-
längerung des Poles A, ſo daß ſich in b' und B zwei entgegengeſetzte Pole
gegenüberſtehen. Der Anziehung dieſer Pole hält das verſtellbare Laufgewicht P
das Gleichgewicht, ſo lange der Strom im Vertheilungsnetze die gewünſchte
Stärke beibehält.


Nimmt die Stromſtärke ab, ſo neigt ſich der Wagbalken b b' derart, daß
die beiden Federn t' und c' in Contact kommen. Steigt hingegen die Stromſtärke
über das gewünſchte Maß, ſo überwiegt die Kraft des Magnetes A B, zieht b b'
herab und ſtellt einen Contact zwiſchen den Federn c t her. In beiden Fällen
[577] wird ein Localſtrom geſchloſſen, welcher durch die Schleiffedern f f in die Spulen B s
fließt. B s wird ſich nach der einen oder andern Richtung drehen, je nachdem
der Strom durch c t oder c' t', d. h. in der einen oder andern Richtung eingeleitet
wird. Letztere wird aber durch die Stromſtärke im Vertheilungsnetze beſtimmt;
ſomit zeigt die Drehung von B s dieſe an und kann gleichzeitig zur Regulirung
derſelben benützt werden. Zu dieſem Behufe trägt die Spule an einem Ende
eine Schraube ohne Ende, welche ein Zahnrad in Bewegung ſetzt, das ſeinerſeits

Figure 408. Fig. 404.

Stromregulirung nach Gravier.


entweder auf den Gang des Motors verändernd einwirkt, oder den Widerſtand
im Stromkreiſe der Elektromagnete variirt.


Wir haben noch eine Art der Stromregulirung und Vertheilung zu beſprechen,
welche von den bisher beſchriebenen Arten weſentlich abweicht. Sie beſteht darin, Ströme
von beſtimmter Spannung und Intenſität an der Conſumtionsſtelle in Ströme
ſolcher Spannung oder Intenſität zu verwandeln, wie ſie an dieſer Stelle gefordert
werden. In dieſe Gruppe ſind zu rechnen die Secundär-Generatoren von Gaulard
\& Gibbs, die inductive Vertheilung des elektriſchen Stromes von Haitzema Enuma
und die von verſchiedenen Seiten vorgeſchlagene Anwendung der Secundär-Elemente.


Urbanitzky: Elektricität. 37
[578]

Ueber die Secundär-Generatoren von Gaulard \& Gibbs liegen zwar
ziemlich viele Berichte in franzöſiſchen, engliſchen und auch deutſchen Journalen vor,
aber keiner derſelben bringt über die Brauchbarkeit dieſer Generatoren ziffermäßige
Daten, ſo daß ein ſicheres Urtheil nicht zu fällen iſt. Freilich kann ſchon ohne
Zuhilfenahme von Meſſungsreſultaten geſagt werden, daß es principiell nicht vortheilhaft
iſt, die Ströme, die eine Primärmaſchine liefert, in einem Secundär-Generator oder
richtiger in einem Transformator in Secundärſtröme zu verwandeln und erſt dieſe
zu verwenden: jede Umwandlung von Energie iſt ja mit Energieverluſt verbunden.


Ohne weitere Kritik zu üben, möge daher nachſtehend die Beſchreibung des
Apparates folgen, und zwar mit L. Gaulard’s eigenen Worten („La lumière
électrique“, T. X
), da auch die Beſchreibungen in den verſchiedenen Journalen
nicht miteinander übereinſtimmen. Die Abbildung eines Secundär-Generators in
Fig. 405 ſtellt die neuere Form desſelben dar.


„Die Secundär-Generatoren, wie ſie die Figur zeigt, ſetzen ſich aus
16 verticalen Säulen zuſammen, die parallel und vertical zwiſchen zwei Platten aus
Holz angebracht ſind, an welchen ſie durch eiſerne Bolzen, die gleichzeitig die
Feſtigkeit des Apparates erhöhen, befeſtigt ſind. Jede dieſer Säulen iſt mit Hilfe
zweier Lagen übereinander angeordneter Spiralen aus einem Kabel nachſtehender
Form gebildet: Ein Kupferdraht von 4 Millimeter Durchmeſſer, iſolirt mit
Hilfe einer doppelten Schichte paraffinirter Baumwolle, iſt rund herum umhüllt
von 48 feinen Drähten von 0·5 Millimeter Durchmeſſer, welche parallel zur
Axe des dicken Drahtes geordnet und gleichfalls mit Hilfe einer doppelten Schichte
paraffinirter Baumwolle iſolirt ſind. Dieſe 48 feinen Drähte ſelbſt ſind in 6 Gruppen
vereinigt, jede zu 8 Drähten mit Hilfe einer doppelten Schichte paraffinirter
Baumwolle. Der 4 Millimeter dicke und daher an und für ſich wenig Widerſtand
bietende Draht wird zur Leitung des primären Stromes benützt. Für den ſecundären
Strom dienen hingegen die verſchiedenen Gruppen des dünnen Drahtes.“


Dem fügen wir noch bei: Im Innern der Säulen ſind Eiſenkerne angebracht,
welche zuerſt aus maſſivem Eiſen gebildet wurden, während gegenwärtig Eiſendraht-
bündel in Verwendung ſtehen. Durch Einſenken oder Herausheben dieſer Kerne
oder nach anderen Angaben der ſie umgebenden Meſſinghüllen *) wird die Induction
verſtärkt oder geſchwächt. Eine Reihe von Commutatoren dient dazu, ſowohl die
einzelnen Secundär- als auch die Primärſpulen in Gruppen verſchiedener Art, d. h.
dem jeweiligen Bedürfniſſe entſprechend, zu vereinigen.


Die inductive Stromabzweigung von Haitzema Enuma beſteht
einfach in der Einſchaltung von Inductionsſpulen in die primäre Leitung und
Benützung dieſer Inductionsſtröme zum Betriebe von Lampen ꝛc. oder zur neuerlichen
Induction, in welchem Falle dann Tertiärſtröme erſt zur wirklichen Verwendung
gelangen; es iſt auch nicht ausgeſchloſſen, daß mit Hilfe der tertiären Ströme
Inductionsſtröme noch höherer Ordnung erregt werden. Wie mit dem wiederholten,
ſtets mit Verluſten verbundenen Umwandlungen der Ströme und den hieraus
reſultirenden erheblichen Spannungen praktiſch verwerthbare Reſultate erzielt werden
ſollen, iſt allerdings nicht leicht einzuſehen.


„Im Falle die ſämmtlichen Straßen,“ ſchreibt Haitzema, **) „durch welche
dieſer (der primäre) Draht gelegt werden ſoll, nicht eine in ſich ſelbſt wiederkehrende
[579] Bahn bilden und ſo der Draht zur Schließung des Stromes auf demſelben Wege
zurückgelegt werden müßte, ſo zerfällt derſelbe in zwei Theile, welche je an einem
Ende mit einem der Pole des Generators und am andern Ende mit einer in
den Grund verſenkten Metallplatte oder mit ſchon vorhandenen Gas- oder Waſſer-

Figure 409. Fig. 405.

Secundär-Generator.


leitungsröhren leitend verbunden ſind. In dieſem Falle wird der Strom durch die
Erde geſchloſſen.“


„Auch die beiden Enden der Drähte, durch welche die ſecundären, tertiären
und weiteren Inductionsſtröme höherer Ordnung gehen, werden entweder
miteinander verbunden oder die Schließung dieſer Ströme wird, wie oben, von
der Erde mittelſt Verbindung dieſer Enden mit in den Grund verſenkten
Metallplatten, Gas-
oder Waſſerleitungsröhren bewirkt.“


37*
[580]

Wird ſich wohl irgendwo eine Behörde finden, welche für die Leitung von
Inductionsſtrömen primärer, ſecundärer und höherer Ordnung die Benützung einer
Erdleitung, den Anſchluß an Gas- oder Waſſerleitungsröhren duldet?


Die Anwendung von Inductionsſtrömen zur Beleuchtung oder zur Strom-
vertheilung iſt nicht neu; es macht vielmehr hierauf eine ganze Reihe von Männern
Anſpruch: Jablochkoff 1877, Charles Bright 1852 und 1878, Fuller 1879 ꝛc.,
Haitzema 1882.


Nicht unerwähnt dürfen bei Beſprechung der Stromregulatoren die Secundär-
Batterien
bleiben. Ihre Vervollkommnung vorausgeſetzt, werden ſie vorzügliche
Regulatoren abgeben, da durch Einſchaltung derſelben in den Arbeitsſtromkreis
die Apparate von der Generatormaſchine ganz unabhängig gemacht werden können.
In der That wurde auch ſchon von verſchiedener Seite auf dieſe Anwendung
hingewieſen. Gravier vertheilt Secundär-Batterien (allerdings auch einfache Metall-
maſſen) an verſchiedenen Punkten, führt dieſen die Ströme des Generators zu und
erhält dadurch ebenſo viele Haupt- oder Ausgangspunkte für ſein Stromvertheilungs-
ſyſtem, als Batterien aufgeſtellt wurden. Es wird zwar auch durch Anwendung
der Secundär-Elemente ein Zwiſchenglied, ein Transformator, zwiſchen Elektricitäts-
erregungs- und Verbrauchsſtelle eingeſchaltet, alſo ein Energieverluſt herbeigeführt:
die Secundär-Batterien gewähren aber gegenüber den Inductionsſpulen den erheblichen
Vortheil, daß ſie Energie nicht nur umwandeln, ſondern auch gleichzeitig aufſpeichern.
Dies ermöglicht einerſeits Kräfte zu verwerthen, die ſonſt unbenützt bleiben müßten,
dieſe gewiſſermaßen zu ſammeln und für jene Zeit aufzubewahren, zu welcher man
ihrer bedarf, andererſeits können unter ihrer Mithilfe Primärgeneratoren geringer
Kraft Arbeit kräftiger Generatoren leiſten, wie dies bereits eingehend erörtert
wurde (Seite 534 u. f.)


2. Stromleitung und Regiſtrirung.


Von jeder Art Stromleitung fordert man ein Material von geringem
ſpecifiſchen Leitungswiderſtande zu deren Anfertigung, einen entſprechenden Querſchnitt,
Vermeidung unnöthiger Längenausdehnung, ſorgfältige Iſolation, gute Verbindung
der einzelnen Theile, eine ſtabile überſichtliche Führung und eine geſchützte Lage.
Die erſten drei Bedingungen müſſen erfüllt werden, da ſonſt Stromverluſt durch
Umwandlung von Elektricität in Wärme eintritt. Die übrigen Bedingungen werden
geſtellt, um Stromverluſt durch Ableitung zu vermeiden, die Leitung zu ſchützen
und gefahrlos zu machen. Der beſſeren Ueberſicht wegen werden wir uns im
Nachſtehenden nur mit Leitungen beſchäftigen, welche zur Fortführung ſtarker
Ströme dienen, wie ſolche für Zwecke der Beleuchtung, Kraftübertragung ꝛc.
verwendet werden und vorläufig auf die Telegraphen- und Telephonleitungen keine
Rückſicht nehmen.


Als Material für die Leitungen wird gewöhnlich möglichſt reines Kupfer
genommen, da dieſes von allen Metallen, die zur praktiſchen Verwendung in
Betracht kommen können, das größte Leitungsvermögen beſitzt. Setzt man die
Leitungsfähigkeit für das beſtleitende Metall, das Silber, gleich 100, ſo erhält
man nach Matthieſen für Kupfer 77·43, für Zink 27·39, für Eiſen 14·44, für
Platin 10·53, für Queckſilber 1·63, für Neuſilber 7·67 und für Gaskohle 0·0386.


Die Länge der Leitung muß ſich natürlich nach der Art der Anlage richten.
Um erſtere möglichſt kurz zu erhalten, wird man, ſo weit es der gegebene Fall
[581] geſtattet, ſtets beſtrebt ſein, den Generator in geringer Entfernung von den zu
betreibenden Apparaten aufzuſtellen.


Der Querſchnitt der Leitungsdrähte iſt nach deren Länge und nach der
Stromſtärke zu bemeſſen. Je größer dieſe beiden werden, deſto größer iſt auch der
Querſchnitt zu wählen, um dadurch den Widerſtand in der Leitung zu vermindern.
In welcher Art der Widerſtand für verſchiedene Längen und Querſchnitte der
Drähte beſtimmt wird, wurde bereits angegeben. (Seite 207 u. f.) Die Drahtſtärke
hängt auch von der Verwendung der elektriſchen Ströme ab. So giebt z. B. für
Einzellichter Zacharias folgende Drahtſtärken an:

Hingegen ſollen bei Leitungen für Hintereinanderſchaltung mehrerer Lampen
in einen Stromkreis (Theilungslicht) oder mehrerer Serien parallel geſchalteter
Glühlichter die in nachſtehender Tabelle zuſammengeſtellten Daten berückſichtigt werden.


Für Glühlichter zu 16 Normalkerzen, die ſämmtlich parallel geſchaltet werden
ſollen, oder Glühlichter zu 8 Normalkerzen zu je zweien hintereinander werden
folgende Dimenſionen gegeben:

Bei Compound-Maſchinen, für welche der Widerſtand in der Leitung ſehr
gering ſein muß, wenn, gleiche Tourenzahl der Maſchine vorausgeſetzt, beliebig
viele Lampen ſtets in derſelben Lichtſtärke leuchten ſollen, iſt die Grenze der zuläſſigen
Widerſtände für die Schuckert’ſche Compound-Maſchine:

Sämmtliche Zahlenangaben ſind jedoch nicht als allgemein giltige, ſondern
als angenäherte aufzufaſſen, als Werthe, die durch die Art der ſtromliefernden
Maſchine durch locale Verhältniſſe, Materialpreiſe u. ſ. w. modificirt werden
können. Es iſt nicht gleichgiltig, ob die Aufgabe geſtellt wird, eine gegebene Kraft
[582] mit möglichſt geringem Verluſte weiter zu leiten, alſo möglichſt vollſtändig aus-
zunützen, oder ob es hauptſächlich darauf ankommt, die Anlage billig herzuſtellen,
oder endlich ob beides, ſo weit es ſich vereinigen läßt, in Berechnung zu ziehen
iſt. Je nach dem Preiſe des Leitungsmateriales, nach den Koſten der Arbeit wird
für verſchiedene Länder und Orte ein wechſelnder Procentſatz des Verluſtes an
elektriſcher Energie nicht nur ſtatthaft, ſondern auch rationell erſcheinen. Derartige
Berechnungen der Drahtſtärken mit Berückſichtigung der Koſten wurden bereits
mehrfach, z. B. von Thomſon, A. v. Waltenhofen und Perényi, ausgeführt
und veröffentlicht. *)


Für die Berechnung des Widerſtandes einer Leitung können zwar Tabellen
benützt werden, wie ſolche in vielen Werken aufgenommen ſind; doch will man
ſicher gehen, ſo muß man den Widerſtand des Leitungsdrahtes experimentell prüfen,

Figure 410. Fig. 406.

Iſolatoren.


da die Leitungsfähigkeit desſelben, auch gleich bezeichnetes Material vorausgeſetzt,
bei verſchiedenen Provenienzen erheblich variirt. So fand A. v. Waltenhofen
für verſchiedene Kupferdrahtſorten nachſtehende ſpecifiſche Widerſtände in Ohms,
bezogen auf 1 Millimeter Länge und 1 Quadratmillimeter Querſchnitt:

Der auffallend große Widerſtand des Drahtes IV erklärt ſich dadurch, daß
dieſer zwar als Kupferdraht verkauft wurde, thatſächlich aber aus einer verkupferten,
viel Zink enthaltenden Kupferlegirung beſtand. Doch auch ohne Berückſichtigung
dieſes Falſificates übertreffen die anderen Sorten den ſpecifiſchen Widerſtand des
Kupfers (0·017) um mindeſtens 41 Procent, könnten daher für dynamoelektriſche
[583] Maſchinen oder für Kabel keine Verwendung finden, da man hiefür ein Material
beanſprucht, welches 90 Procent der Leitungsfähigkeit des reinen Kupfers beſitzt.


In Bezug auf die Herſtellung der Leitung muß zunächſt zwiſchen
Außen- und Innenleitung, d. h. zwiſchen Leitungen außerhalb und innerhalb
der Gebäude unterſchieden werden.


Die Außenleitungen können ſowohl ober- als auch unterirdiſch an-
gelegt werden. Zu Leitungen im Freien bedürfen die Kupferdrähte in der Regel
keiner iſolirenden Umhüllung. Iſolirende Umhüllungen ſind für Außenleitungen
überhaupt nur dann brauchbar, wenn ſie gegen die Einflüſſe der Witterung geſchützt
ſind, was z. B. durch Bleiumpreſſung erreicht werden kann. Man verwendet alſo
gewöhnlich blanke Drähte oder Drahtſeile aus weichem Kupfer, da harter oder
zu ſtarker Kupferdraht die Manipulationen ſehr erſchwert. Vor der Befeſtigung auf
den Iſolatoren iſt der Draht oder das Seil möglichſt gerade auszulegen und
dann deſſen Spannung etwa durch zwei Flaſchenzüge entſprechend zu reguliren.


Die Iſolatoren ſelbſt können
verſchiedene Formen erhalten; die gegen-
wärtig gebräuchlichſten haben die Geſtalt
einer Doppelglocke und ſind aus Hart-
feuerporzellan verfertigt. Man fordert,
daß ſie in ihrer Maſſe vollkommen
homogen ſind, einen muſcheligen, fein-
körnigen Bruch zeigen und eine Glaſur
beſitzen, welche in glatten, vollkommen
zuſammenhängenden Flächen den Körper
des Iſolators innen und außen über-
zieht. Zwei Formen ſolcher Iſolatoren
ſammt ihren Maßen ſind in Fig. 406
abgebildet. Die kleinere Form, welche
am Kopfe mit einem Loche verſehen iſt,
kommt dann in Verwendung, wenn der

Figure 411. Fig. 407.

Iſolatorenträger.


Iſolator nur als Träger dienen ſoll und daher keine beſondere Befeſtigung erfor-
derlich iſt.


Die Iſolatoren werden auf Haken aus gutem Schmiedeeiſen befeſtigt, indem
man den verticalen, cylindriſchen Theil eines ſolchen (Fig. 407) mit Hanf um-
wickelt, welcher mit Leinölfirniß getränkt wurde, und dann in das Gewinde des
Iſolators einſchraubt; damit die Hanfumwicklung beſſer haftet, iſt der cylindriſche
Theil des Hakens mit „Hieb“ (d. h. Einkerbungen) verſehen. Als Stützen für die
Iſolatoren können die Lampenſtänder ſelbſt, Säulen nach Art der Telegraphenſäulen
oder in die Mauer eingelaſſene Arme benützt werden. In jedem Falle muß aber für
eine entſprechende Stärke der Stützen, beziehungsweiſe Feſtigkeit der Einmauerung
geſorgt werden, da die viel ſchwereren Kupferleitungen ihre Stützen erheblich mehr
belaſten als die Telegraphen- oder Telephonleitungen; im Uebrigen ſtellt man die
Leitungen für ſtarke Ströme ebenſo her wie die letzterwähnten Leitungen.


Sehr zu empfehlen ſind unterirdiſche Kabelleitungen. Siemens und Halske
ſtellen in neuerer Zeit Bleirohrkabel nach einem eigenen Verfahren her. Die
Seele dieſer Kabel beſteht (nach Mittheilungen v. Hefner-Alteneck’s) aus einem
maſſiven Kupferdrahte von 3·4 Millimeter Durchmeſſer. Derſelbe iſt mit Jute
umſponnen, die nach einem der Firma Siemens und Halske patentirten Verfahren
[584] mit einer harzigen Maſſe getränkt und dann in einer Preſſe, deren Einzelheiten
ebenfalls Eigenthum genannter Firma ſind, mit Blei umpreßt und ſchließlich noch-
mals mit getheerter Jute umſponnen iſt. Zum Schutze gegen Verletzung bei Auf-
grabungen ſind die Kabel mit Backſteinen belegt. Die Kabel zeichnen ſich durch
ihre hohe Iſolation, ihre Widerſtandsfähigkeit gegen mechaniſche und Temperatur-
Einflüſſe und auch durch ihre Billigkeit aus.


H. Geoffroy ſchlägt vor, die Kupferdrähte mit Asbeſt zu iſoliren und
dieſen durch eine Bleiumpreſſung an den Drähten feſtzuhalten. Asbeſt ſoll nicht
nur vollkommen iſoliren, ſondern auch die Wärme ſo ſchlecht leiten, daß ſelbſt bei
einem Schmelzen der Kupferdrähte die Bleiumpreſſung nicht beſchädigt wird; prak-
tiſche Erfahrungen liegen hierüber noch keine vor.


Die Leitungen, welche Ediſon benützt, werden aus Kupferſtäben, deren
Querſchnitte Kreisſegmente bilden (Fig. 408), zuſammengeſetzt; ſie liegen mit ein-
ander zugewandten ebenen Flächen innerhalb ſchmiedeiſerner Röhren, welche im
Innern mit Iſolirmaſſe gefüllt, außen zum Schutze gegen Roſt mit getheerten
Bändern umwickelt ſind. Um jede gegenſeitige Berührung der Kupferſtäbe zu ver-
meiden und die gleiche Entfernung derſelben voneinander auf der ganzen Länge

Figure 412. Fig. 408.

Querſchnitte Ediſon’ſcher Leitungen.


zu bewahren, ſchiebt man ausgeſtanzte Pappſcheiben, welche durch Schnüre in
gewiſſen Entfernungen untereinander verbunden ſind, über die Leiter, ſetzt dieſe in
das Rohr ein und umgiebt ſie mit einer Iſolirmaſſe; die Zuſammenſetzung der
letzteren wird geheim gehalten.


Dieſe Leitungsröhren werden in Baulängen von 6 Meter Länge hergeſtellt
und wie Gasleitungsröhren in die Erde gelegt oder in unterirdiſchen Canälen
geführt. Die Verbindung der einzelnen Röhren untereinander wird nach den
Mittheilungen der deutſchen Ediſon-Geſellſchaft in nachſtehender Weiſe in’s Werk
geſetzt. Die ungefähr 5 Centimeter an jedem Rohrende hervorragenden Kupfer-
barren (Fig. 409) werden ſorgfältig gereinigt, worauf man zwei Rohrſtücke ſo
aneinanderlegt, daß zwiſchen den Kupferenden ungefähr ein Zwiſchenraum von
5 Centimeter bleibt. Hierauf verbindet man je zwei Kupferenden durch einen
kupfernen U förmigen Bügel, welcher bezweckt, eine Ausdehnung und Zuſammen-
ziehung der ganzen Leitung zu ermöglichen. Die Befeſtigung der Bügel an den
Kupferenden erfolgt durch Schrauben und zur vollen Sicherung des Contactes
durch hierauf folgendes Löthen im Waſſerſtoffſtrome. Dann wird die Verbindungs-
ſtelle mit einem gußeiſernen Kaſten umgeben, deſſen Inneres, nachdem man zwiſchen
die beiden Pole ein mit Paraffin getränktes Kartenblatt gelegt hat, mit Iſolirmaſſe
ausgegoſſen wird.


[585]

Die Querſchnitte Q der Kupferſtäbe und die Durchmeſſer D der Röhren
für die gebräuchlichen unterirdiſchen Leitungen ſind:

Mit der Entfernung vom Elektricitäts-Generator (der Centralſtation) und
Verringerung der mit Strom zu verſorgenden Conſumtionsſtellen nimmt, wie bei
anderen Canaliſationen, auch der Querſchnitt dieſer Leiter ab. Für ſolche von
geringerem Durchmeſſer als Nr. 7 der Normalprofile bedient man ſich, namentlich
innerhalb der Gebäude, einfacher Kupferdrähte mit iſolirender, unverbrennbarer
Umhüllung.


Die Verbindung der Hauptleitung mit einer Nebenleitung wird hergeſtellt,
indem man die Kupferſtangen der Hauptleitung in eine eiſerne Büchſe führt
(Fig. 410), entzwei ſchneidet und die zwei Enden jeder Leitung durch einen Bogen
in der früher angegebenen Art verbindet; an die Bogen ſchließen ſich dann die

Figure 413. Fig. 409.

Verbindung Ediſon’ſcher Leitungen.


Zweigleitungen an. Bei rechtwinkeligen Abzweigungen gehen die Bogen in die
Form eines Rechteckes über. Die Büchſe wird mit iſolirendem Materiale ausgefüllt
und darauf ein Deckel mit Schrauben befeſtigt.


In ähnlicher Weiſe wird die Abzweigung der Innenleitung, alſo z. B.
der Zimmerleitungen von der Hausleitung hergeſtellt. Hierbei wird aber die Büchſe
(Fig. 411) nicht mit iſolirendem Materiale ausgefüllt, ſondern nur mittelſt ihres
Deckels und eines iſolirenden Putzes hermetiſch verſchloſſen. Die in der Büchſe
beiderſeits aufgebogenen Leitungsdrähte werden zu je einer Klemme geführt; von
der einen Klemme, der oberen in der Figur, läßt man den einen Leitungsdraht
ausgehen, während die untere Klemme durch einen Bleidraht mit einer dritten
Klemme verbunden wird, von welcher der zweite Leitungsdraht der Zimmerleitung
ausgeht. Der Bleidraht iſt eine Sicherheitsvorrichtung, um zu vermeiden, daß
ein zu kräftiger Strom in die Zimmerleitung gelangt; ſobald nämlich der Strom
zu ſtark wird, erhitzt ſich der Bleidraht ſo intenſiv, daß er abſchmilzt und ſo die
Leitung unterbricht.


Die Innenleitungen werden immer mit iſolirten Drähten ausgeführt; die
die Drähte umgebende Iſolirung muß feuerſicher ſein. Die Befeſtigung der Innen-
leitung iſt durch die Fig. 412 (aus Uppenborn’s Kalender für Elektrotechniker)
dargeſtellt. In der Regel verwendet man hölzerne Klammern A, die mit
[586] entſprechenden Auskerbungen verſehen ſind und durch Holzſchrauben in Dübel u. dgl.
an die Wand gepreßt werden. Iſt jedoch die Leitung über feuchte Wände zu
führen, ſo müſſen Doppelklammern B zur Verwendung gelangen, bei welchen die
Drähte zwiſchen zwei Hölzer kommen und von der Wand abſtehen. Sind die
Wände ſehr naß, ſo haben Porzellan-Iſolatoren D an Stelle der Holzklammern zu

Figure 414. Fig. 410.

Zweigleitung.


Figure 415. Fig. 411.

Zweigleitung.


treten, und muß ein Berühren der Wände durch die Leitungen ſorgfältig vermieden
werden.


In welcher Art die Abzweigungen hergeſtellt werden, laſſen C C' und E
erkennen. Leitungen für weniger als fünf Lampen werden einfach angelöthet, der
Draht an der Ueberkreuzungsſtelle mit einem Kautſchukrohr eingehüllt und von
drei Holzklammern umgeben (E). C C' zeigt eine Abzweigung unter Anwendung
eines ſogenannten Schaltklotzes. Hierbei werden die Löthſtellen in paſſend
geformte Vertiefungen eines Brettchens gelegt (C'), die Enden der Zweigdrähte
[587] durch Löcher der Deckelplatte durchgezogen und der ganze Schaltklotz durch eine
Holzſchraube befeſtigt.


Haben die Leitungen Mauern zu durchſetzen, ſo muß entweder jede Leitung
mit einer Hartgummi- oder Glasröhre umgeben werden (F) oder man führt bei
kleineren Leitungen beide in einem gemeinſchaftlichen Rohre, überzieht aber jede
Leitung mit einem Gummiſchlauche.


Die ſich ſtets mehrenden elektriſchen Anlagen und namentlich die Einführung
des elektriſchen Lichtes haben competente Behörden veranlaßt, Vorſchriften zum
Schutze für Menſchenleben und gegen Feuersgefahr
aufzuſtellen. Von

Figure 416. Fig. 412.

Befeſtigungen von Innenleitungen.


einer Commiſſion in Philadelphia werden nach Uppenborn’s Berichte nachſtehende
Sicherheitsmaßregeln angegeben:


1. Die Zu- und Ableitungsdrähte des elektriſchen Stromes müſſen innerhalb
eines Gebäudes in ihrer ganzen Länge hinreichend iſolirt ſein.


2. In beſtimmten Zeiträumen ſollen Inſpectionen zur Prüfung der Iſoli-
rungen angeordnet ſein; die Verletzung der Iſolirung kann dadurch eintreten: daß
die Haken für die Befeſtigung der Drähte die Iſolirung durchſchneiden, daß an
gewiſſen Stellen dieſe abgeſchabt wird, daß die Drähte ſcharfe Biegungen machen.


3. Die Leitungsdrähte ſollen aus möglichſt wenig Stücken zuſammengeſetzt
werden, und wo eine Verbindung nicht zu umgehen iſt, hat man dieſe durch
[588] Bewicklung ſorgfältig zu ſchützen, um das Abtrennen der Drahtenden, welches zur
Funkenbildung Anlaß geben kann, zu vermeiden.


4. Erdleitungen ſind unzuläſſig; Hin- und Rückleitung hat durch Drähte zu
erfolgen. Dieſe dürfen daher nicht in der Nähe metalliſcher Gegenſtände, z. B.
Gas- oder Waſſerleitungsröhren kommen. Müſſen letztere überſetzt werden, ſo iſt
auf eine beſonders ſorgfältige Iſolirung der Drähte zu ſehen.


5. Die Möglichkeit eines kurzen Stromſchluſſes iſt zu vermeiden, und zwar
dadurch, daß die Leitungsdrähte, welche von verſchiedenen Maſchinen oder Maſchinen-
theilen kommen, genügend weit und ſicher voneinander gehalten werden; die Drähte
ſollen gut befeſtigt ſein und nur dann im Bogen herabhängen, wenn dies z. B.
durch das Aufziehen und Herablaſſen der Lampe nothwendig iſt. Feuchte Wände
oder der Fußboden ſind zur Anbringung der Leitung zu vermeiden; letzteres iſt
überhaupt nur dann zuläſſig, wenn man die Leitung unterhalb der Dielen legt;
auch auf zufälliges Feuchtwerden der Wände iſt Rückſicht zu nehmen.


6. Die Dimenſionen der Leitungsdrähte ſind ſo groß zu wählen, daß der
ſtärkſte vorkommende Strom ohne gefährliche Erhitzung in denſelben fortgeleitet
werden kann.


7. Um Gefahr für das Leben von Menſchen durch zufällige Entladung des
Stromes zu vermeiden, müſſen die Leitungsdrähte ſo gelegt werden, daß ſie für
directe Berührung unzugänglich ſind, entweder durch Wahl der Localität oder durch
paſſende Bedeckung.


Bei größeren Anlagen, z. B. zur Beleuchtung von Theatern oder größerer
Gebäudecomplexe, ſollen überſichtliche und ausführliche Pläne ſämmtlicher Leitungen
vorliegen.


Vor Allem ſoll aber die Ausführung derartiger Anlagen nur
erprobten Fachmännern übertragen werden
. Der rapide Aufſchwung,
den die Elektrotechnik in den letzten Jahren genommen hat, veranlaßte leider nicht
Wenige, ſich dieſem Fache zuzuwenden und ſich als Fachmänner zu geriren, obwohl
ſie die nothwendigen Fachſtudien nie gemacht haben, ja ſogar ſehr häufig der
hierzu nöthigen Vorkenntniſſe ganz entbehren. Die Elektrotechnik iſt gegenwärtig
zu einem umfangreichen Wiſſenszweige angewachſen, deſſen Beherrſchung die volle,
ungetheilte Kraft eines unermüdlichen Mannes erfordert, zu einer Wiſſenſchaft, die
nicht ſo nebenher mitgenommen werden kann, wie man hin und wieder in gänzlicher
Unkenntniß des wirklichen Sachverhaltes anzunehmen geneigt iſt. Dies möge man
ſich ſtets vor Augen halten und nicht, um vielleicht an den Koſten etwas zu
erſparen, Unberufenen die Ausführung ſolcher Anlagen übertragen.


Gleichwie bei der Gasbeleuchtung Producent und Conſument in der Regel
nicht in einer Perſon vereinigt ſind, ſtrebt man auch bei der praktiſchen Ver-
werthung der Elektricität bereits darnach, Centralſtationen zu ſchaffen, von welchen
aus ganze Stadttheile mit Elektricität verſorgt werden ſollen. Hierbei ſtellte ſich,
ebenſo wie bei der Gasbeleuchtung, ſofort das Bedürfniß heraus, den Conſum der
einzelnen Parteien zu meſſen und zu regiſtriren, um darnach den Kaufpreis feſt-
ſtellen zu können. Solche Elektricitätsmeſſer oder Meß- und Regiſtrir-
Apparate für den Stromverbrauch
ſind auch in der That bereits auf ver-
ſchiedenen Principien beruhend conſtruirt worden; einige derſelben ſollen nachſtehend
beſchrieben werden.


Ediſon benützt zur Conſtruction ſeiner Apparate die elektrolytiſchen Wir-
kungen des elektriſchen Stromes. Bekanntlich zerſetzt der elektriſche Strom die
[589] Löſungen der Metallſalze und ſcheidet hierbei an der negativen Elektrode das
Metall, an der poſitiven die Säure ab; dieſe Abſcheidung der Zerſetzungsproducte
erfolgt unter ſonſt gleichen Umſtänden direct proportional der Stromſtärke.
Nach dem Ohm’ſchen Geſetze (Seite 194) nimmt in einem gegebenen Schließungs-
bogen die Stromſtärke zu mit der Zunahme der elektromotoriſchen Kraft und mit
der Abnahme des Widerſtandes. Bei Ediſon’s Stromvertheilungsſyſtem wird die
elektromotoriſche Kraft ſtets conſtant gehalten: hier iſt alſo die Stromſtärke nur
durch den Widerſtand beſtimmt. Da Ediſon ſtets Parallelſchaltung anwendet, ſo
iſt der Widerſtand deſto größer, je weniger Apparate, z. B. Lampen, in den
Stromkreis eingeſchaltet werden. Für Ediſon’s Syſtem gelten alſo die Sätze:
Die Widerſtände verhalten ſich umgekehrt wie die Stromſtärken, und die Wider-
ſtände verhalten ſich umgekehrt wie die Zahlen, welche die eingeſchalteten Lampen
angegeben. Hieraus folgt, daß die Stromſtärken den Zahlen der brennenden
Lampen direct proportional ſind. Da nun auch die Mengen der abgeſchiedenen
Zerſetzungsproducte in einem Voltameter der Stromſtärke proportional ſind, müſſen
ſchließlich die abgeſchiedenen Mengen der Zerſetzungsproducte der jeweiligen Anzahl
der brennenden Lampen proportional ſein, d. h. die Mengen der Zerſetzungs-
producte geben ein richtiges Maß für die in den Lampen verbrauchte elektriſche
Energie. Dieſes Maß bleibt auch dann richtig, wenn man die Zeit in Betracht
zieht, da unter ſonſt gleichen Umſtänden ſowohl die elektrolytiſch abgeſchiedenen
Mengen, als auch die in den Lampen verbrauchten elektriſchen Energiemengen im
geraden Verhältniſſe zu den Zeiten ſtehen.


Auf Grundlage der eben erörterten Principien hat Ediſon Meßapparate
verſchiedener Formen conſtruirt, eine derſelben iſt in Fig. 413 perſpectiviſch und
ſchematiſch dargeſtellt. In dem verſchließbaren eiſernen Kaſten ſind zwei Volta-
meter z z1 angebracht. Jedes derſelben enthält zwei durch Hartgummi voneinander
iſolirte Zinkplatten p und p1, welche in eine Löſung von Zinkvitriol tauchen. Der
Strom zerlegt die Löſung in Zink und Schwefelſäure, das Zink an der negativen,
die Schwefelſäure an der poſitiven Elektrode abſcheidend. Die an letzterer ab-
geſchiedene Schwefelſäure löſt wieder das Zink dieſer Platte auf, ſo daß ſich die
Wirkung des elektriſchen Stromes eigentlich nur als ein Transport des Zinkes
von der poſitiven zur negativen Platte darſtellt.


Würde man dieſes Voltameter direct in den Lampenſtromkreis ſchalten, ſo
würde die eine Zinkplatte ſehr raſch aufgelöſt werden. Um dies zu vermeiden,
ſchaltet Ediſon auf dem Wege zum Voltameter je einen Widerſtand w2 und w3
(aus gewelltem Neuſilberblech) ein, wodurch nur ein Zweigſtrom in das Voltameter
eintreten kann. Hierbei iſt der Widerſtand w2 noch einmal ſo groß als der
Widerſtand w3, daher iſt die in dem einen Voltameter abgeſchiedene Zinkmenge
viermal ſo groß als die im anderen. Der Grund dieſer Einrichtung liegt in der
Beſtimmung beider Voltameter. Das eine dient nämlich für die monatlich vor-
zunehmenden Meſſungen, das andere zur Controle derſelben durch den Beamten
der Geſellſchaft.


Um die Abſcheidung des Zinkes von der Temperatur unabhängig zu
machen, ſind noch zwei Drahtwiderſtände w und w1, jeder für eines der Volta-
meter, eingeſchaltet. Steigt nämlich die Temperatur, ſo wird der Widerſtand im
Drahte w, beziehungsweiſe w1 erhöht, in der Flüſſigkeit der dazu gehörigen Zer-
ſetzungszelle aber vermindert. Wählt man nun für den Draht einen entſprechenden
Widerſtand, ſo kann man es dahin bringen, daß die Temperaturänderungen die
[590] Widerſtände von Draht und Flüſſigkeit derart ändern, daß ſie ſich gegenſeitig
compenſiren.


Unterhalb der Neuſilberwiderſtände befindet ſich die aus zwei verſchiedenen
Metallen gebildete Feder f, die ſich nach unten krümmt und die Contactſtifte c c1
zur Berührung bringt, wenn die Temperatur unter einen gewiſſen Grad ſinkt.
Durch die Berührung der Contacte c c1 wird aber die Glühlichtlampe l in den
Stromkreis eingeſchaltet, durch deren ſtrahlende Wärme die Flüſſigkeiten in den
Voltametern wieder erwärmt werden. Iſt die gewünſchte Temperatur dadurch

Figure 417. Fig. 413.

Ediſon’s Strommeſſer.


hergeſtellt, ſo hat ſich auch die Feder in Folge ihrer gleichzeitigen Erwärmung
wieder nach aufwärts gekrümmt und dadurch den Contact unterbrochen, alſo die
Lampe ausgeſchaltet.


Der eben beſchriebene Meßapparat wird in zwei Größen, nämlich für 25
und für 50 Lampen hergeſtellt. Für größere Anlagen und Centralſtationen
benützt Ediſon den in Fig. 414 dargeſtellten, automatiſch regiſtrirenden Apparat.


An den beiden Enden des Wagbalkens hängen ſpiralig gerollte Kupferbleche
derart, daß ſie Elektroden bilden. Sie tauchen beide in Gläſer mit Kupfervitriol-
löſung, die von dem zweiten Paare Elektroden quer durchſetzt ſind. Die ganze
[591] Vorrichtung wird ſo in den Stromkreis eingefügt, daß eines der Kupferbleche die
negative Elektrode bildet; der Strom ſcheidet an dieſem Kupfer ab und bringt,
ſobald ein gewiſſes Gewicht derſelben erreicht iſt, die Wage derart aus der
Gleichgewichtslage, daß jener Arm, welcher die oben erwähnte Kupferplatte trägt,
ſinkt. Durch eine einfache Vorrichtung wird nun bewirkt, daß der Strom in der
entgegengeſetzten Richtung geht, alſo die Kupferabſcheidung an der zweiten Blech-
ſpirale erfolgt, die Säureabſcheidung an der zuerſt erwähnten Spirale; es wird
jetzt die erſte Blechſpirale durch Auflöſen des Kupfers von der abgeſchiedenen
Säure leichter, die zweite Spirale durch die Kupferabſcheidung ſchwerer, und die
Wage neigt ſich, ſobald dieſe Differenz genügend groß geworden iſt, nach der

Figure 418. Fig. 414.

Ediſon’s Regiſtrir-Apparat.


entgegengeſetzten Seite. Es tritt alſo eine oſcillirende Bewegung des Wagbalkens
ein, deren Geſchwindigkeit von der durchgegangenen Elektricitätsmenge abhängig
iſt. Die Uebertragung dieſer Bewegung auf ein Zählwerk, wie es zu vielen
Zwecken, z. B. bei unſeren Gasuhren verwendet wird, regiſtrirt dann die conſumirte
Elektricitätsmenge.


Bei anderen Conſtructionen von Strom-Meß- und Regiſtrir-Apparaten
benützte Ediſon einen Elektromotor, ſich auf die Beobachtung ſtützend, daß die
Geſchwindigkeit des Motors bei einer gewiſſen Belaſtung desſelben der Strom-
ſtärke proportional iſt. Richtet man daher den Motor ſo ein, daß er langſam
geht, wenn der Betrag an Strom, für z. B. nur eine Verwendungsſtelle durch
den Stromkreis verlauft, ſo wird ſeine Geſchwindigkeit ſich proportional der Ver-
größerung der Anzahl ſtrombrauchender Verwendungsſtellen vermehren. Einen
ſolchen Motor kann man ſowohl mit den Spulen der erregenden Magnete, als
auch mit ſeinen Ankerſpulen unmittelbar in den Hauptſtromkreis oder auch in einen
[592] Zweigſtromkreis ſchalten. Die Belaſtung des Motors wird erreicht durch Wind-
räder oder Flügel, ſtarke Radüberſetzungen, Schaufeln, die ſich in dicken Flüſſig-
keiten bewegen u. ſ. w.


Einer dieſer Meß-Apparate iſt in Fig. 415 abgebildet. Der Anker A des
Elektromagnetes M trägt auf ſeiner verlängerten Axe a die Schaufeln F, welche
ſich in entſprechenden ringförmigen Kammern des mit Glycerin gefüllten Kaſtens K
bewegen. Durch Schnecke und Schneckenrad wird die Bewegung der Axe a auf die
Welle W und ſomit auch auf den Zeiger Z des Regiſtrir-Apparates übertragen.


Bei einer andern Conſtruction trägt ein Wagbalken die Anker zweier Elektro-
magnete, welche dadurch den Wagbalken in Schwingung verſetzen, daß mit Hilfe
eines Commutators und der ſpeciellen Stromführung einmal der eine und hierauf
der andere Magnet eine ſtärkere Anziehungskraft erlangt. Gleichzeitig mit dieſen
Vorgängen wird auch ein Hebel in Bewegung geſetzt, der dann auf das Regiſtrir-
werk wirkt.


Auch auf die Zerſetzung und Rückbildung von Waſſer durch den elektriſchen
Strom baſirte Ediſon einen Meß-Apparat. Zu dieſem Zwecke wird in eine Zweig-

Figure 419. Fig. 415.

Meß- und Regiſtrir-Apparat von Ediſon.


leitung des Arbeitsſtromkreiſes ein mit
angeſäuertem Waſſer beſchicktes Volta-
meter eingeſchaltet, bei welchem ſich das
durch die Waſſerzerſetzung gebildete
Knallgas in einer Glocke anſammelt,
dieſe bei einem beſtimmten Gasvolumen
hebt und dadurch eine zweite Strom-
abzweigung ſchließt, durch welche im
Innern der Glocke ein Platindraht
zum Glühen kommt; hierdurch werden
die beiden Beſtandtheile des Knallgaſes,
Waſſerſtoff und Sauerſtoff, wieder zu
Waſſer vereinigt und die Glocke ſinkt;
hierauf folgt wieder Waſſerzerſetzung,
alſo Knallgasbildung u. ſ. w. Die
Hebungen und Senkungen, von der Menge des erzeugten Knallgaſes abhängig und
ſomit der Stromſtärke entſprechend, werden auf ein Regiſtrirwerk übertragen und
zeigen durch dieſes den Stromverbrauch an.


Ferranti und Thompſon benützen gleichfalls die Waſſerzerſetzung durch
den elektriſchen Strom zur Meſſung und Regiſtrirung desſelben. Sie verwenden
jedoch hierzu nicht den Strom ſelbſt, ſondern die durch ihn in einer Inductions-
ſpule erzeugten Inductionsſtröme. Das durch dieſe erzeugte Knallgas wird in
einem zweitheiligen Schaukelgefäße aufgefangen, welches immer bei Füllung einer
Abtheilung mit Knallgas umkippt und dieſes entweichen läßt, während inzwiſchen
die andere Abtheilung mit Gas gefüllt wird. Die Schwingungen dieſes Schaukel-
oder Meßgefäßes werden dann durch eine Sperrklinke auf das Sperrrad des
Zählwerkes übertragen.


Bei der Anwendung der beiden letztgenannten Apparate ſind gewiſſe Vor-
ſichten zu gebrauchen, um die Knallgasexploſionen ungefährlich zu machen (bei
Ediſon) oder zu vermeiden (bei Ferranti-Thompſon).


Auch die elektriſche Endosmoſe (ſiehe Seite 253) iſt zur Conſtruction eines
Strom-Meß- und Regiſtrir-Apparates benützt worden. Ch. A. Carus-Wilſon’s
[593] Apparat beſteht aus einem Voltameter, in welchem die beiden Elektroden durch
eine poröſe Scheidewand voneinander getrennt ſind. Der elektriſche Strom bewirkt
einen Transport von Flüſſigkeit aus der die Anode enthaltenden Abtheilung in die
Kathodenabtheilung; von dieſer führt ein Rohr zu einer Glaskugel und von dieſer
geht abermals ein Rohr aus, welches in der Anodenabtheilung ausmündet. Folglich
befindet ſich die Flüſſigkeit bei geſchloſſenem Strome ſtets in folgender Bewegung:
Sie wird vom Strome aus der Anodenabtheilung in die Kathodenabtheilung über-
geführt und fließt dann durch die Röhren und die Glaskugel wieder in die Anoden-
abtheilung zurück. Dieſe Bewegung der Flüſſigkeit wird durch ein in der Glaskugel

Figure 420. Fig. 416.

Elektriſcher Arbeitsmeſſer von Siemens \& Halske.


angebrachtes Schaufelrad auf ein Zählwerk übertragen. Da die Drehungs-
geſchwindigkeit von der Geſchwindigkeit der Flüſſigkeitsbewegung und dieſe von der
Stromſtärke beſtimmt wird, ſo kann der Apparat zur Meſſung der letzteren ver-
wendet werden.


Der elektriſche Arbeitsmeſſer von Siemens \& Halske iſt zur
Meſſung des Productes: Potentialdifferenz mal Stromſtärke beſtimmt. Durch ein
Uhrwerk (Fig. 416) wird eine Scheibe a continuirlich mit beſtimmter Geſchwindig-
keit gedreht und hierbei durch eine Feder an das Scheibchen c angedrückt. Die
Axe des letzterwähnten Scheibchens iſt an dem Eiſenkerne e des Solenoides f
befeſtigt. Das Scheibchen c muß ſich daher ſchneller oder langſamer drehen, je
Urbanitzky: Elektricität. 38
[594] nachdem die im Solenoide f angebrachte Spiralfeder den Kern e herausſchiebt oder
die Kraft des Solenoides denſelben hineinzieht, weil hierdurch das Scheibchen c
entweder dem Mittelpunkte oder dem Umfange der Scheibe a nähergerückt, d. h. durch
ein wechſelndes Ueberſetzungsverhältniß in Umdrehung verſetzt wird. Die Um-
drehungsgeſchwindigkeit des Rädchens c wird alſo durch die Stärke des Solenoides f
beſtimmt.


Mit der Axe von c iſt die Scheibe b ſo verbunden, daß dieſe ſtets mit
derſelben Geſchwindigkeit rotiren muß wie c, ohne dieſes Scheibchen bei ſeiner
Verſchiebung auf der Scheibe a zu hemmen. Die Scheibe b überträgt ihre Be-
wegung wieder auf ein kleines Scheibchen h, deſſen Axe auf dem Eiſenkerne des
Solenoides l befeſtigt iſt. Die Stellung des Scheibchens h auf der Scheibe b und
ſomit das Ueberſetzungsverhältniß muß daher durch die Kraft des Solenoides l
beſtimmt werden. Da nun die Umdrehungsgeſchwindigkeit der Scheibe b unter
Vermittlung von c durch die Kraft des Solenoides f beſtimmt wird, dieſe Um-
drehungsgeſchwindigkeit von b ſich auf h überträgt und h durch die Kraft des
Solenoides l abermals in ſeiner Umdrehungsgeſchwindigkeit beeinflußt wird, ſo
muß die hieraus reſultirende Umdrehungsgeſchwindigkeit von h offenbar durch das
Product der Kräfte in den Solenoiden f und l beſtimmt werden.


Die Umwindungen des Solenoides f ſind in den Hauptſtromkreis ein-
geſchaltet, jene von l ſind aus dünnem Drahte gebildet und als Nebenſchluß zum
Hauptſtromkreiſe angeordnet. Die Wirkung des Solenoides f auf ſeinen Eiſenkern
iſt daher proportional der Stromſtärke im Hauptſtromkreiſe, während die Kraft
des Solenoides l ein Maß für die Potentialdifferenz giebt. Das früher erwähnte
Product der Solenoidkräfte iſt daher: Potentialdifferenz mal Stromſtärke und als
Maß für dieſes Product kann die Umdrehungsgeſchwindigkeit des Scheibchens h
betrachtet werden. Um dieſe Vorrichtung zum Meß- und Regiſtrir-Apparat zu
machen, hat man daher nur die Bewegung von h auf ein Zählwerk m zu über-
tragen, welches eine ganz beliebige Eintheilung haben kann.


Die Firma Siemens \& Halske hat auch einen Energiemeſſer conſtruirt,
bei welchem die Multiplication von Potentialdifferenz mit Stromſtärke durch zwei
Drahtſpulen bewirkt wird. Dieſes Inſtrument ſtellt ein Elektrodynamometer dar,
deſſen feſte Rolle zwiſchen jene Punkte der Leitung geſchaltet wird, zwiſchen welchen
man die elektriſche Energie meſſen will, und deſſen bewegliche Spule als Neben-
ſchluß an einen Theil der Hauptleitung angelegt wird. Es muß daher der Strom
in der beweglichen Rolle der Stromſtärke des Hauptſtromkreiſes proportional ſein,
der Strom in der feſten Spule der Spannungsdifferenz zwiſchen den beiden
Punkten, und ſomit muß das Drehungsmoment der erſteren proportional ſein der
elektriſchen Energie (dem Producte Stromſtärke mal Potentialdifferenz).


Ein von Maxim conſtruirtes Elektrometer iſt in Fig. 417 abgebildet. Von
der Hauptleitung L L, in welche das Solenoid B eingeſchaltet iſt, zweigt die
Nebenleitung n n ab; in letzterer befindet ſich der Elektromagnet T, welcher das
Pendel Q Q in nachſtehender Weiſe in beſtändiger Bewegung erhält. Die den
Anker zum Elektromagnete T bildende Pendellinſe Q wird angezogen, ſobald ein
Strom durch die Drahtwindungen des Elektromagnetes kreiſt; das Pendel bewegt
ſich nach links und nimmt die Feder R mit, die dadurch außer Contact mit S
kommt. Nun iſt die Zweigleitung unterbrochen, T ſtromlos geworden und das
Pendel fällt daher zurück; hiermit ſtellt ſich aber der Contact zwiſchen R und S
wieder her und erhält der Elektromagnet neuerdings Strom.


[595]

Die Bewegung des Pendels überträgt die Sperrklinke q und das Sperrrad O
durch ein auf ſeiner Axe P angebrachtes (in der Figur gedecktes) Wurmrad auf
das Zahnrad m und verſetzt hierdurch dieſes in ununterbrochene Drehung. Auf
der Welle D M dieſes Zahnrades ſitzt der Conus L″, welcher bei ſeiner Drehung
den Conus L' durch Reibung mitnimmt. Die Axe von L' iſt durch das verſtell-
bare Gewicht E' belaſtet und durch ein Univerſalgelenk E2 mit der Welle F des
Zählwerkes verbunden. Das eine Ende der Axe E iſt durch eine Stange D mit
dem Eiſenkerne C des Solenoides B verbunden. Die Bewegung dieſes Eiſenkernes

Figure 421. Fig. 417.

Elektrometer von Maxim.


bewirkt alſo ein Heben oder Senken der Axe E bei e. Dieſes einſeitige Heben
oder Senken der Axe hat zur Folge, daß der Conus L' mit einem größeren oder
geringeren Umfange auf L″ aufruht, daß alſo das Ueberſetzungsverhältniß zwiſchen
beiden geändert wird in dem Maße, als die Anziehungskraft des Solenoides B
ſich ändert. Somit geht auch das Zählwerk ſchneller oder langſamer, je nachdem
die Stromſtärke größer oder geringer iſt.


Dieſem von Maxim conſtruirten Elektrometer iſt in Bezug auf das Con-
ſtructionsprincip auch ein von Ch. A. Carus-Wilſon conſtruirtes Dynamo-
meter ähnlich, obſchon dieſes in der Vorrichtung zur Variirung des Ueber-
38*
[596] ſetzungsverhältniſſes und in den Details von dem eben beſchriebenen Apparate
abweicht.


Wenngleich noch mannigfache Meß- und Regiſtir-Apparate conſtruirt wurden,
wie z. B. von Bruſh, Swan u. ſ. w., ſo begnügen wir uns doch mit obigen
Beſchreibungen, da die hierin getroffene Auswahl ein hinlänglich vollſtändiges
Bild der gegenwärtigen Entwicklung dieſer Inſtrumente giebt, und wenden uns
nunmehr den praktiſchen Anwendungen der Elektricität zu.


III. Die praktiſchen Anwendungen der Elektrirität.


1. Das elektriſche Licht.


Vor einer kurzen Reihe von Jahren noch von Wenigen gekannt, als brillantes
Experiment in den phyſikaliſchen Laboratorien oder als beſonderer Beleuchtungs-
effect auf großen Bühnen vorgeführt, betrachten wir gegenwärtig das elektriſche
Licht ſchon als etwas Alltägliches. Wie kommt es, daß nun im Verlaufe weniger
Jahre das früher unbeachtete elektriſche Licht auf einmal als gefährlicher Concurrent
jeder anderen Beleuchtungsart auftritt? Als kleines Fünkchen zur Beleuchtung der
inneren Leibeshöhlungen, als mächtige Sonne auf dem ſturmumbrauſten Leucht-
thurme? Iſt das elektriſche Licht etwa erſt in jüngſter Zeit entdeckt worden?
Durchaus nicht; aber zahlreich und mannigfach waren die Schwierigkeiten, die nach
der Entdeckung des elektriſchen Lichtes erſt bewältigt werden mußten, bevor man
an eine ausgedehnte praktiſche Anwendung desſelben denken konnte. Einen Theil
derſelben lernten wir bereits kennen, theils in der Geſchichte der Elektricität, theils
in jener der Elektricitäts-Generatoren. Bisher unbekannt geblieben iſt uns Alles,
was ſich auf jene Vorrichtungen und Apparate bezieht, durch welche Elektricität
in Licht umgewandelt wird; die Beſchäftigung hiermit bildet daher unſere nächſte
Aufgabe.


Das elektriſche Licht in ſeiner hiſtoriſchen Entwicklung.

Verſteht man unter elektriſchem Lichte jede Art Lichtes, hervorgerufen durch
Elektricität, ſo müſſen wir unſere Bekanntſchaft mit dem elektriſchen Lichte eine
ſehr alte nennen. Wann und wo elektriſches Licht oder Leuchten zum erſtenmale
wahrgenommen wurde, läßt ſich dann auch nicht annähernd angeben, da ja auch
der Blitzſtrahl nur ein überaus mächtiger elektriſcher Funke iſt. Auch eine andere
Art elektriſchen Leuchtens, nämlich das Elmsfeuer, war bereits den Culturvölkern
des Alterthums bekannt; wir erinnern uns aus der Geſchichte der Elektricität der
diesbezüglichen Berichte von Cäſar und Plinius (Seite 7). Freilich wußte man
damals noch nicht, daß dieſe Erſcheinungen durch dasſelbe Agens hervorgerufen
werden, welches wir heute mit dem Namen Elektricität bezeichnen.


Sehen wir hingegen von den elektriſchen Lichterſcheinungen in der Natur ab,
ſo haben wir die erſte Beobachtung künſtlich hervorgerufenen elektriſchen Leuchtens
Otto von Guericke im ſiebzehnten Jahrhunderte zuzuſchreiben. Der ſchwache
Lichtſchein auf der geriebenen Schwefelkugel des Magdeburger Bürgermeiſters war
das Morgenroth des neuen Lichtes. Es iſt dies ein elektriſches Licht, bewirkt
durch Ausſtrömung der Elektricität in die Luft. Wir lernten derartige Erſcheinungen,
mit mächtigeren Mitteln hervorgerufen, bereits kennen (Seite 142).


[597]

Nicht lange nach Guericke’s erſter, in der Urſache übrigens nicht erkannter
Beobachtung elektriſchen Leuchtens durch Ausſtrömen von Elektricität wurde auch bereits
der elektriſche Funke geſehen. Robert Boyle, der ſeine Verſuche im Jahre 1698
veröffentlichte, ſah den elektriſchen Funken beim Reiben eines großen Stückes Bern-
ſtein, Leibniz beim Reiben einer Guericke’ſchen Schwefelkugel im Jahre 1672.


Eine andere Art elektriſchen Leuchtens, nämlich jenes von elektriſirten Gaſen
oder Dämpfen in ſehr verdünntem Zuſtande, wurde zuerſt von Picard 1675 (?)
beobachtet, während erſt Hawksbee zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts hierfür
die richtige Erklärung gab (Seite 10). Wir lernten ſpäter derartige Erſcheinungen
im elektriſchen Ei und in den Geißler’ſchen Röhren kennen (Seite 146 und 310).


Doch weder das Leuchten ausſtrömender Elektricität, noch jenes des elektriſchen
Funkens oder das elektriſirter Gaſe und Dämpfe in ſehr verdünntem Zuſtande
gelangte jemals als elektriſches Licht zu nennenswerther praktiſcher Anwendung;
dies war erſt dem Voltabogen einerſeits und dem Glühlichte andererſeits vorbehalten.


In einem Briefe, welchen Davy im Jahre 1800 an Dr. Beddoe richtete,
ſind bereits Experimente erwähnt, bei welchen elektriſche Funken durch den Strom
einer Voltaſäule, zwiſchen zwei Kohlenſpitzen hervorgerufen, beobachtet wurden.
Silvanus P. Thompſon fand im „Journal de Paris” (du 22 ventôse an X)
vom 12. März 1802 eine Mittheilung, nach welcher zu dieſer Zeit ein gewiſſer
Robertſon mit einer Kupfer-Zinkſäule verſchiedene Experimente gemacht hat; hiervon
wird eines, nämlich mit glühenden Kohlen, beſonders erwähnt. Die Endplatten
einer 120-elementigen Zink-Silberſäule wurden mit Kohlen verbunden und dieſe
dann zur Berührung gebracht; man beobachtete hierbei „im Momente der Berührung
einen mit außerordentlichem Glanze leuchtenden Funken“.


In dieſen und anderen Mittheilungen vor 1808 wird jedoch nie von einem
Lichtbogen geſprochen oder der ihn vom elektriſchen Funken unterſcheidenden
Eigenſchaft der Continuität gedacht. Es iſt auch deshalb nicht wahrſcheinlich, daß
der Lichtbogen früher ſchon beobachtet wurde, da zu jener Zeit nur verhältnißmäßig
ſchwache Säulen benützt wurden. Als Humphry Davy ſeine berühmten elektro-
chemiſchen Unterſuchungen ausführte, ging er von der Anſicht aus, es müſſe durch
Steigerung der elektriſchen Kräfte gelingen, die chemiſchen Kräfte zu überbieten,
d. h. bis dahin für einfach gehaltene Körper in ihre Elemente zu zerlegen. Daß
ihm dies auch gelungen iſt, haben wir bereits erfahren (Seite 36). Um dieſes
Reſultat erreichen zu können, bedurfte er aber einer vielelementigen Batterie. Er
richtete daher an die ſeinen Vorträgen in der „Royal Institution” beiwohnenden
Zuhörer die Bitte, die hierzu nöthigen Geldmittel im Wege einer Subſcription zu
beſchaffen. Dieſe ergab ſofort die nöthige Summe. „Mancher eifrige Freund der
Wiſſenſchaft,“ erzählt Davy, „fand keine Gelegenheit mehr, ſeine Liberalität zu
bethätigen.“ So wurden und werden in England wiſſenſchaftliche Forſchungen unterſtützt!


Davy ſtellte nun eine Säule von 2000 Elementen zuſammen, welche in
200 Porzellantrögen untergebracht wurden; die Geſammtoberfläche der Zinkplatten
dieſer Zink-Kupferbatterie machte 80 Quadratmeter aus. Mit Hilfe dieſer mächtigen
Elektricitätsquelle führte Davy den Mitgliedern der „Royal Institution” im
Jahre 1810 den galvaniſchen Lichtbogen vor. Da die von ihm benützten Stäbchen
aus Holzkohle in der freien Luft rapid verbrannten, ſchloß er, um die Erſcheinung
länger zu erhalten, den Voltabogen in ein elektriſches Ei.


Davy’s Verſuch wurde ſeit dieſer Zeit oft wiederholt, blieb jedoch ein nur
in phyſikaliſchen Laboratorien und Vortragsſälen ausgeführtes Experiment, bis im
[598] Jahre 1844 Foucault das elektriſche Licht zum Gegenſtande ſeiner Verſuche
wählte. Foucault wollte nämlich an Stelle des nicht immer zur Verfügung
ſtehenden Sonnenlichtes das elektriſche Licht für das Sonnenmikroſkop verwenden.
Hierzu ſchien ihm der Kunſtgriff Davy’s, die Brenndauer des Voltabogens durch
Einſchließen desſelben in ein elektriſches Ei, nicht praktiſch genug, und deshalb
erſetzte er die wenig dichte Holzkohle durch die ſehr dichte und daher viel langſamer
verbrennende Retortenkohle. Stäbchen aus dieſer wurden in einem Geſtelle, wie
es heute noch bei Handregulatoren üblich iſt, eingeſetzt, und als Stromquelle dienten
42 der inzwiſchen (im Jahre 1842) erfundenen Bunſen-Elemente.


Foucault’s Handregulator wurde im ſelben Jahre noch von Deleuil zu
einer öffentlichen Beleuchtungsprobe in Paris auf der Place de la Concorde
benützt. Der Regulator ſtand hierbei auf den Knien der allegoriſchen Statue der
Stadt Lille (Fig. 418).


Im Jahre 1845 erdachte Thomas Wright in London den erſten Apparat,
durch welchen die Entfernung der Kohlen voneinander automatiſch erhalten wurde.
Im Innern einer Glaskugel waren fünf Kohlenſcheiben zwiſchen zwei. Ringen im
Kreiſe nebeneinander befeſtigt und wurden durch ein Räderwerk in langſame Rotation
verſetzt. Bei Schluß des Stromes ſtanden ſämmtliche Scheiben in Berührung; hierauf
wurden die Scheiben 2 und 4 durch Schrauben weggerückt, und nun entſtand an
jeder Seite dieſer Scheiben ein Lichtbogen. In Folge der Rotation der Scheiben
kamen immer neue Stellen des Scheibenumfanges an jene Stelle, an welcher
der Lichtbogen war, und ſicherten dadurch auf längere Zeit eine gleichbleibende
Entfernung der Kohlen voneinander und ſomit auch das Brennen des Lichtbogens.


Den erſten Apparat, bei welchem ein Nachſchub der abgebrannten Kohlen
automatiſch bewirkt wurde, conſtruirte W. E. Staite im Jahre 1846. Die
Kohlen ſtanden unter dem Drucke von Spiralfedern, welche erſtere gegeneinander
zu führen ſtrebten. Um dieſes Gegeneinanderbewegen immer nur bis zu einer
gewiſſen Entfernung voneinander, nämlich bis zur gewünſchten Lichtbogenlänge,
erfolgen zu laſſen, ſtießen die Kohlen gegen eine unverbrennliche Maſſe, welche ſie
in ihrer Bewegung hemmte, ſobald die gewünſchte Bogenlänge hergeſtellt war;
natürlich mußte hierbei das erſte Anzünden durch die Hand erfolgen.


Im Jahre 1847 gelang es Staite, einen weſentlichen Fortſchritt dadurch
anzubahnen, daß er auf den Gedanken kam, den Strom ſelbſt zur Regulirung der
Lichtbogenlänge zu benützen, ein Princip, welches ſeither beinahe bei allen Regu-
latorlampen zur Anwendung kam. Staite ſetzte die obere Kohle feſt, befeſtigte
aber die untere an einer mit Schraubengewinde verſehenen Stange. In dieſe griff
eine Wurmſchraube ein, die durch ein Uhrwerk in Umdrehung verſetzt werden
konnte. Zu dieſem Zwecke trug die Wurmſchraube ein um dieſe als Axe bewegliches
Zahnrad. Dieſes konnte nun ſowohl mit einem oberhalb, als auch mit einem
unterhalb angebrachten Zahnrad in Verbindung geſetzt werden; die beiden letzt-
genannten Zahnräder ſaßen auf einer gemeinſchaftlichen Axe, die durch das bereits
erwähnte Uhrwerk bewegt wurde. Die Stellung dieſer Axe und ſomit auch der Ein-
griff des oberen oder unteren Zahnrades in das Zahnrad der Wurmſchraube wurde
durch ein Solenoid geregelt, deſſen Kern die Verlängerung der Axe beider Zahn-
räder bildete.


Die Wirkung des Apparates war daher, ſobald der Strom durch das
Solenoid und die beiden Kohlen floß, folgende: War der Lichtbogen zu lange, ſo
wurde durch die hierdurch bewirkte Erhöhung des Widerſtandes im Stromkreiſe
[599]

Figure 422. Fig. 418.

Elektriſche Beleuchtung der Place de la Concorde.


[600] der Strom geſchwächt; die Anziehungskraft des Solenoides nahm ab, und der
Eiſenkern ſank in Folge der geringeren Anziehung herab. Hierdurch wurde das
obere Zahnrad mit dem Zahnrade der Wurmſchraube in Verbindung gebracht und
drehte dadurch dieſe in der Weiſe, daß ſie den unteren Kohlenträger (die mit
Schraube verſehene Stange) hob, alſo die Kohlen näher aneinander brachte. Waren
hingegen die Kohlen zu nahe aneinander gerückt, ſo nahm die Kraft des Solenoides
in Folge des verringerten Widerſtandes im Stromkreiſe zu, der Eiſenkern wurde
angezogen, d. h. gehoben, und nun gelangte das untere Zahnrad mit dem Zahn-
rade der Wurmſchraube zum Eingriffe. Dieſe mußte daher die entgegengeſetzte
Drehung wie früher erhalten und dadurch den Kohlenträger ſenken, alſo die Ent-
fernung der Kohlen voneinander vergrößern. Hatte aber der Bogen die richtige
Länge, ſo kam keines der Zahnräder zum Eingriffe, und das Uhrwerk ſelbſt wurde
durch eine entſprechende Hemmung in Ruhe verſetzt.


Figure 423. Fig. 419.

Archereau’s Regulator.


Staite begnügte ſich jedoch hiermit nicht, ſondern
nahm bereits im Jahre 1848 gemeinſchaftlich mit einem
Mitarbeiter, Petrie, ein Patent auf eine ganze Reihe
von Conſtructionen, die nicht nur ausgedacht, ſondern
auch vielfach ausprobirt wurden. Das Intereſſe für
die praktiſche Verwerthung des elektriſchen Lichtes be-
gann ſich zu jener Zeit überhaupt ſchon allgemein
geltend zu machen.


Schon im Jahre 1847 ſoll nach Angabe
Figuier’s (in „Nouvelles conquêtes de la science”)
Archereau öffentliche Experimente mit einem von ihm
erfundenen Regulator gemacht haben, deſſen Conſtruc-
tion gewöhnlich in das Jahr 1849 verſetzt wird. Der
Regulator iſt dem Principe nach ähnlich einer der von
Staite bereits angegebenen Conſtructionen. Die beiden
Kupferſäulen A B und C D, Fig. 419, ſind auf
einem Holzgeſtelle befeſtigt und oben durch eine Kupfer-
traverſe A C verbunden; letztere trägt den feſten, poſi-
tiven Kohlenhälter t. Das Solenoid S wird durch
zwei andere iſolirte Traverſen E F und G H getragen
und iſt auf ein Kupferrohr aufgerollt, in welchem mit ſanfter Reibung die Stange J K
als Träger der negativen Kohle t' gleitet. Der Stab iſt in ſeiner oberen Hälfte
aus Kupfer. Er hängt in einer bei G befeſtigten und über zwei Rollen laufenden
Saite, deren zweites Ende als Gegengewicht einen kleinen Becher mit Bleiſchrot trägt.


Der Strom tritt durch das mit + bezeichnete Drahtende in das Solenoid,
durchlauft dasſelbe, geht dann durch das mit dem Kupferrohre verbundene Ende
der Spirale in das Kupferrohr, von dieſem durch den mit dem Rohre in Contact
befindlichen Eiſencylinder in die poſitive Kohle und verläßt durch die obere negative
Kohle und das Lampengeſtelle bei D die Lampe. Der Eiſenkern wird dabei
magnetiſch und in die Spule hineingezogen, wodurch der Lichtbogen entſteht. Beim
Abbrennen der Kohlen vergrößert ſich der Widerſtand im Bogen, weshalb der
Strom ſchwächer wird, und daher kann die Anziehung der Spule dem Gegen-
gewichte nicht mehr das Gleichgewicht halten. Die poſitive Kohle wird deshalb
der negativen Kohle ſo weit genähert, bis zur Verminderung der Bogenlänge wieder
der früher geſchilderte Gleichgewichtszuſtand hergeſtellt iſt.


[601]

Im Jahre 1858 conſtruirte Foucault den in Fig. 420 (aus „La lumière
électrique”
) abgebildeten Regulator, der allerdings bedeutend complicirter war,
als jener Archereau’s, dafür aber auch beſſer functionirte. Die beiden Kohlen a
und b ſind horizontal angeordnet und ruhen auf den Wägen c c'; die Federn R R',
gleichzeitig Stromleiter, ſuchen die Kohlen ſtets gegeneinander zu bewegen. Dies
kann jedoch nur unter gleichzeitiger Bewegung des Uhrwerkes M geſchehen, da
dieſes durch eine an c befeſtigte, über die Rolle p gehende Schnur mit dem poſitiven

Figure 424. Fig. 420.

Foucault’s Regulator.


Kohlenträger (Wagen) c verbunden iſt. Der Hebel L bewirkt in Verbindung mit
der Schnur p' p″ p‴, daß ſich beide Kohlenträger c c' immer gleichzeitig bewegen
müſſen, c', als Träger der negativen Kohle, langſamer fortſchreitet als c. Der
elektriſche Strom muß, bevor er in die Kohlen gelangt, den Elektromagnet E
paſſiren. An dem um r' drehbaren Anker A dieſes Elektromagnetes ſitzt die
Stange D, welche je nach ihrer, beziehungsweiſe des Ankers Stellung das Uhrwerk
freigiebt oder hemmt; die Feder r zieht den Anker vom Elektromagnete ab.
d geſtattet das Uhrwerk mit der Hand zu hemmen. Das Voltameter K dient zur
Ausgleichung jener Aenderungen der Stromſtärke, welche durch die Stromquelle
[602] verurſacht werden; durch ein mehr oder weniger tiefes Einſenken der Platten wird
der Widerſtand verkleinert oder vergrößert.


Befinden ſich die Kohlen a und b in richtiger Entfernung voneinander, ſo
beſitzt auch der Strom ſeine normale Stärke, und der Elektromagnet hält den
Anker A angezogen; in dieſer Stellung hemmt die Stange D das Uhrwerk und
die Kohlen behalten ihre gegenſeitige Stellung bei. Wird jedoch die Entfernung
beider Kohlen voneinander durch Abbrennen derſelben zu groß, ſteigt alſo der
Widerſtand im Stromkreiſe, ſo überwiegt die Feder r die Anziehungskraft des
Magnetes E und der Anker A wird abgezogen; jetzt giebt die Stange D das
Uhrwerk frei, und die beiden Kohlenträger c c' können ſich ſo lange gegeneinander
bewegen, bis hierdurch der Widerſtand des Stromkreiſes auf die urſprüngliche
Größe, d. h. der Lichtbogen auf ſeine normale Länge gebracht iſt, weil eben dann
auch der Strom wieder die urſprüngliche Stärke erreicht und dann den Elektro-
magnet E veranlaßt, den Anker A neuerdings anzuziehen.


Die Regulirung des Lichtbogens wurde alſo durch eine intermittirende
Bewegung der Kohlenſtäbe bewirkt; der Regulator wirkte jedoch inſoferne nicht
automatiſch, als das Anzünden mit der Hand bewirkt werden mußte. Foucault
half dieſem Uebelſtande dadurch ab, daß er gemeinſam mit Duboscq einen Regu-
lator conſtruirte, der zwei Uhrwerke beſitzt, von welchen eines die Bewegung der
Kohlen gegeneinander, das andere voneinander beſorgt. Dieſer Apparat, in der
Pariſer Oper zur Darſtellung des Sonnenaufganges im „Propheten“ verwendet,
fand ſo viel Beifall, daß ſeither das elektriſche Licht zu dieſem und für ähnliche
Zwecke auf allen größeren Bühnen eingeführt wurde. Da die Lampe von Foncault-
Duboscq auch noch gegenwärtig daſelbſt und zu wiſſenſchaftlichen Arbeiten nicht
ſelten verwendet wird, wollen wir ihre Conſtruction erſt bei Beſprechung der
gegenwärtig gebräuchlichen Regulatoren kennen lernen.


Vom Jahre 1848 an erregte das elektriſche Licht immer größeres Intereſſe
und von da ab werden auch die Conſtructionen elektriſcher Lampen immer zahl-
reicher. So nahm im Jahre 1849 Le Molt Wright’s Idee wieder auf und con-
ſtruirte einen Regulator, beſtehend aus zwei kreisrunden, parallel oder unter einem
rechten Winkel zueinander geſtellten Kohlenſcheiben. Letztere hatten eine doppelte Be-
wegung: 1. drehten ſie ſich um ihre Axen und 2. wurden ſie nach jeder ſolchen
Umdrehung um ein dem Abbrennen entſprechendes Stück einander genähert. Le Molt
konnte auf dieſe Weiſe das Licht 24 Stunden erhalten, ohne die Lampe berühren
zu müſſen.


Pearce, welcher im ſelben Jahre ein Patent auf eine Lampe nahm, war
der Erſte, welcher bei einer ſolchen auch eine Vorrichtung anbrachte, zum ſelbſt-
thätigen Wiederanzünden einer ausgegangenen Lampe. Dieſe Vorrichtung beſtand
in einem Kohlenconus, der durch Vermittlung eines Elektromagnetes ſo lange außer
Berührung mit den Lampenkohlen gehalten wurde, als die Lampe brannte. Wurde
jedoch der Lichtbogen und ſomit auch der Strom unterbrochen, ſo zog eine Feder
den den Kohlenconus tragenden Anker des Elektromagnetes von dieſem ab und
der Conus legte ſich zwiſchen beide Lampenkohlen, auf dieſe Weiſe den Strom-
ſchluß wieder herſtellend.


Im Jahre 1852 ließ ſich Roberts mehrere Lampenconſtructionen patentiren,
von welchen eine deshalb intereſſant iſt, weil ſich deren Princip, nämlich das der
magnetiſchen Bremſung, in der gegenwärtig ſehr gut functionirenden Lampe von
Gülcher, wenngleich bedeutend modificirt, wiederfindet. Aus demſelben Jahre
[603] ſtammt auch die Lampe von Slater \& Watſon, die ſich durch die erſtmalige
Anwendung einer ringförmigen Sperrklinke auszeichnet, wie ſolche auch bei
modernen Regulatoren, z. B. Bruſh, vorkommt.


Im Jahre 1853 gab Chriſtopher Binks ſowohl eine Reihe von Mitteln
an, das Abbrennen der Kohlen zu einem gleichförmigeren zu machen, als auch
Lampenconſtructionen verſchiedener Art. Er ſchlug vor, an Stelle einfacher Kohlen-
ſtäbe Bündel aus ſolchen zu verwenden, fein gepulverte Kohle oder auch Ruß mit
einem Bindemittel zu mengen und heftig zu erhitzen, wodurch eine gleichförmige
compacte Kohle erhalten werden kann; auch die Benützung des Queckſilbers als
Elektrode wurde verſucht. Binks gab ſogar ſchon eine Art Kerze an, deren negative
Elektrode aus einem Kohlenrohre beſtand, während der die poſitive Elektrode
bildende Kohlenſtab innerhalb dieſes Rohres entſprechend dem raſcheren Abbrennen
durch ein Uhrwerk ſtändig vorgeſchoben wurde.


Bei der Lampe von Chapman (1855) wurde das Nachſinken der einen
Kohle durch die Belaſtung des Kohlenträgers bewirkt, der Nachſchub gehemmt
durch den Anker eines Elektromagnetes, deſſen radſchuhförmige Verlängerung den
Rand eines Rades umfaßte, um deſſen Welle die die bewegliche Kohle tragende
Schnur geſchlungen war. So lange der Strom und alſo auch der Elektromagnet
ſtark genug, oder was dasſelbe bedeutet, die Lichtbogenlänge die richtige blieb, war
das früher erwähnte Rad gebremſt. Vergrößerte ſich aber der Lichtbogen und ſank
daher die Stromſtärke, ſo ließ der Magnet den Anker los, die Bremſe gab das
Rad frei und die Kohle konnte in Folge des Gewichtes ihres belaſteten Trägers
bis zur urſprünglichen Bogenlänge nachſinken. Das erſte Auseinanderführen beider
Kohlen beim Einſchalten der Lampe in einen Stromkreis beſorgte ein zweiter
Elektromagnet.


Im ſelben Jahre (1855) wurde von Jaſpar eine Lampe öffentlich aus-
geſtellt, die gegenwärtig mit verſchiedenen Abänderungen vielfach in Verwendung
ſteht und daher weiter unten ausführlich beſprochen werden ſoll.


Doppeltes Intereſſe verdient die von Lacaſſagne und Thiers im Jahre
1855 conſtruirte Lampe, da bei ihr einerſeits das hydroſtatiſche Princip zur
Regulirung der Bogenlänge benützt wird, ein Princip, welches wir bei der Loco-
motivlampe von Sedlaczek und Wikulill wiederfinden werden, und andererſeits, weil
die Lampe von Lacaſſagne und Thiers die erſte ſogenannte Differentiallampe dar-
ſtellt. Wir werden ſpäter ſehen, wie durch dieſe das Problem der Lichttheilung
gelöſt wurde.


Bei dieſer Lampe iſt die obere Kohle K (Fig. 421) unbeweglich, die untere
Kohle K' wird durch das im Cylinder B B befindliche Queckſilber nach aufwärts
getrieben. Um die in einen Stromkreis geſchaltete Lampe in Gang zu ſetzen, ent-
fernt man die beiden Kohlen mit der Hand voneinander. Das aus dem Gefäße A
durch das Rohr D D in den Cylinder B B nachfließende Queckſilber würde die
Kohlen ſofort wieder zuſammenführen, wenn der Nachfluß nicht durch eine Art
Ventil gehemmt würde. In das Rohr D D iſt nämlich eine Doppelröhre e f ein-
geſchaltet, deſſen beide Abtheilungen oben bei E durch ein kurzes Kautſchukrohr
verbunden ſind. Geht nun der Strom durch die Lampe, ſo zieht der im Haupt-
ſtromkreiſe befindliche Elektromagnet C C ſeinen Anker I an, welcher dann das
Kautſchukrohr E zuſammendrückt und ſo dem Queckſilber den Uebertritt in den
Cylinder B B wehrt. Der Elektromagnet H iſt in einen Nebenſchluß zum Haupt-
ſtromkreiſe geſchaltet und beſitzt daher, ſo lange der Lichtbogen ſeine normale Länge
[604] beibehält, alſo der Widerſtand im Hauptſtromkreiſe ein normaler bleibt, nur eine
geringe Kraft. Nimmt jedoch in Folge des Abbrennens der Kohlen die Bogenlänge
und ſomit auch der Widerſtand im Hauptſtromkreiſe zu, ſo wächſt die Stromſtärke
im Nebenſchluſſe. Nun gewinnt der Elektromagnet H an Kraft und zieht, wenn
dieſer ſtärker geworden iſt als jene des Magnetes C C, ſeinerſeits den Anker I
an. Hierdurch läßt der Druck auf das Kautſchukrohr E nach und es kann Queck-
ſilber aus A nach B B übertreten, wodurch die Kohle K' gehoben wird, bis
wieder die urſprüngliche Bogenlänge hergeſtellt iſt, weil dann mit der hierdurch

Figure 425. Fig. 421.

Lampe von Lacaſſagne-Thiers.


bewirkten Verminderung des Wider-
ſtandes im Hauptſtromkreiſe wieder der
Elektromagnet C C kräftiger geworden
iſt als H und daher der Queckſilber-
nachfluß neuerdings gehemmt wird. Die
Bewegung der Kohle K' iſt alſo durch
die Differenzwirkung der beiden Elektro-
magnete C und H geregelt.


Lacaſſagne und Thiers ſtellten
mit dieſem Regulator, der ſehr gut
functionirte, zahlreiche öffentliche Be-
leuchtungsverſuche an, ſo z. B. im
Juni 1855 am Quai de Célestins
in Lyon, im Jahre 1856 in den
Champs-Elysées in Paris vom arc
de triomphe de l’Etoile
aus u. ſ. w.


Way ließ (1856) aus einem
Gefäße Queckſilber in einem dünnen
Strahle auf einen Kohlenſtab herab-
fließen, der durch eine Feder dem
Abbrennen entſprechend nachgeſchoben
wurde. Das Queckſilber wurde mit
dem einen, die Kohle mit dem andern
Leitungsdrahte verbunden. Zwiſchen
den einzelnen Tropfen des discon-
tinuirlichen Strahles entſtanden kleine
Lichtbogen, und das Ganze gab, in einem
Glasgefäße eingeſchloſſen, eine ziemlich
gleichförmige Lichtwirkung. Obwohl
vielfache Sicherheitsmaßregeln an-
gewandt wurden, konnte Way das Entweichen von Queckſilberdämpfen doch nicht
ganz ausſchließen, ja er ſelbſt wurde ſchließlich von dieſen getödtet.


Mit der Conſtruction einer Lampe von Serrin im Jahre 1857 ſind wir
abermals bei einer Lampe angelangt, die noch gegenwärtig in vielfacher Ver-
wendung ſteht.


Waren ſomit auch die Lampenconſtructionen ſo weit vervollkommt, daß ſie
ihrerſeits die Verwendung des elektriſchen Lichtes für induſtrielle Zwecke ermöglichten,
ſo ſtanden einer allgemeineren Anwendung doch noch die hohen Koſten der Strom-
erzeugung hindernd im Wege. Wir erinnern uns aus der Geſchichte der elektriſchen
Maſchinen, daß im Jahre 1857 durch die von W. Siemens erfundene Cylinder-
[605] Armatur ein bedeutender Fortſchritt in Bezug auf die Conſtruction von Elektricitäts-
Generatoren angebahnt wurde. Ausſchlaggebend für die Zukunft der Maſchinen
waren jedoch erſt die Erfindung des Pacinotti-Gramme’ſchen Ringes und die
Auffindung des dynamiſchen Princips.


Man hatte nun Elektricitäts-Generatoren, welche um einen verhältnißmäßig
billigen Preis kräftige elektriſche Ströme liefern konnten, und beſaß auch hinreichend
gut functionirende Lampen. Hiermit hatte das elektriſche Licht die Verwendbarkeit
für alle jene Zwecke erlangt, bei welchen die Aufgabe zu erfüllen iſt, von einem
Punkte aus möglichſt große und intenſive Lichtmengen auszuſenden. Eine Maſchine
konnte zwar ein ſehr kräftiges, aber eben nur ein Licht erzeugen. Sollte man daher
das elektriſche Licht nicht nur in einer engbegrenzten Anzahl von Fällen anwenden
können, ſo mußte man Mittel und Wege finden, um den von einer Maſchine
gelieferten Strom zur Speiſung mehrerer beliebig vertheilter Lampen derart ver-
wenden zu können, daß die einzelnen Lampen voneinander gänzlich unabhängig
bleiben: man hatte noch das Problem der Theilung des elektriſchen Lichtes
zu löſen.


Schon Quirini und Deleuil verſuchten im Jahre 1855 zunächſt mehrere
Lampen hintereinander in den Stromkreis einer Maſchine einzuſchalten — aber
ohne Erfolg. Wenn auch die Maſchine hinreichende elektromotoriſche Kraft für die
Erhaltung mehrerer Voltabogen beſaß, ſtörten ſich doch die einzelnen Lampen unter-
einander derart, daß an eine ſolche Schaltung nicht zu denken war. Sobald nämlich
der Regulirungsmechanismus einer Lampe in Folge des Abbrennens der Kohlen
oder anderer Urſachen eine Bewegung ausführte, machte ſich dieſe auch in den
übrigen Lampen geltend. Das Vergrößern des Lichtbogens in einer Lampe ver-
größerte den Widerſtand nicht nur in dieſer, ſondern natürlich im ganzen Strom-
kreiſe; folglich mußten auch alle Lampen durch die hierdurch im ganzen Stromkreiſe
bewirkte Veränderung der Stromintenſität beeinflußt werden.


Le Roux wollte im Jahre 1868 die Theilung des Stromes erreichen, indem
er in den Stromkreis ein ſogenanntes Vertheilungsrad einſchaltete, d. h. ein Rad,
welches durch ſeine Rotation die Stromzuleitung mit verſchiedenen Kreiſen für die
Weiterleitung (z. B. zu den einzelnen Lampen) nacheinander in Verbindung ſetzt
und ſo den elektriſchen Strom bald in den einen, bald in den andern Stromkreis
ſchickt. Erfolgt die Rotation genügend ſchnell, ſo erſcheint doch das Licht einer
Lampe, welche mit derartigen raſch aufeinander folgenden Strömen geſpeiſt wird,
conſtant, weil einerſeits die einzelnen Lichteindrücke zu ſchnell aufeinander folgen,
als daß ſie vom Auge getrennt wahrgenommen werden könnten, andererſeits die
äußerſt kurze Stromunterbrechung den Kohlen keine Zeit läßt, ihre helle Gluth
zu verlieren. In ganz ähnlicher Weiſe ſuchte im Jahre 1873 Merſanne die Licht-
theilung zu erreichen; es erzielten jedoch beide keinen praktiſchen Erfolg.


De Changy bediente ſich der Stromverzweigung im Stromkreiſe der von
ihm benützten Glühlichter, indem er den Hauptſtromkreis bei jeder Lampe in zwei
Zweige theilte und in den einen Zweig die Lampe und einen Elektromagnet, in
den zweiten (die Hauptleitung bildenden Zweig) den Anker des Elektromagnetes ein-
ſchaltete. Anfänglich vertheilt ſich hierbei der Strom den reſpectiven Widerſtänden
entſprechend in beide Zweige, dann zieht aber der Elektromagnet ſeinen Anker an
und unterbricht den Hauptſtromkreis. Hierdurch wird der ganze Strom gezwungen,
durch die Nebenſchließung zu gehen und bringt die Lampe zum Leuchten. Durch
das heftige Glühen des Platindrahtes (denn ein ſolcher war in der Glühlichtlampe
[606] verwendet) ſtieg aber der Widerſtand in der Nebenſchließung ſo bedeutend, daß der
Magnet in Folge der hiermit verbundenen Stromſchwächung ſeinen Anker nicht
mehr halten konnte und deshalb durch Fallenlaſſen desſelben der Hauptſtromkreis
wieder geſchloſſen wurde. Mit dieſer Theilung des Stromes nahm das Glühen der
Lampe wieder ab und mit dieſem auch abermals der Widerſtand der Nebenſchließung;
der Anker wurde deshalb neuerdings angezogen u. ſ. w. In ſolcher Art erzielte
man zwar eine ſtetige Regulirung, die aber in der Praxis doch keine Anwendung
fand, weil Glühlichtlampen mit Platindrähten ſich als unbrauchbar erwieſen.


Figure 426. Fig. 422.

Paul Jablochkoff.


Den erſten praktiſchen Schritt zur Theilung des elektriſchen Lichtes machte
Paul Jablochkoff im Jahre 1876 durch die Erfindung der nach ihm benannten
elektriſchen Kerze.


Paul Jablochkoff wurde zu Serdobsk im Gouvernement Saratow im Jahre
1847 geboren und erhielt durch ſeinen Vater, einem Municipalrath und Mitgliede
des Generalrathes ſeiner Provinz, eine ſorgfältige Erziehung. Jablochkoff vollendete
ſeine Studien an der Militärgenieſchule in Petersburg und verließ dieſe als Genie-
lieutenant. Im Jahre 1871 wurde ihm die Direction der Telegraphenlinien von
Moskau nach Kursk übertragen, welche er beiläufig vier Jahre lang verſah. Indeſſen
wurde in ihm der Wunſch, ſich vollkommen unbehindert ſeinen Studien und Experi-
[607] menten widmen zu können, immer reger. Alle Anerbietungen und Verſprechungen
waren nicht im Stande, den Mann, deſſen hervorragendes Talent man bereits
erkannt hatte, auf ſeinem Poſten zu erhalten. Er verließ ſeinen Dienſt und wollte
zunächſt die Weltausſtellung in Philadelphia (1876) beſuchen. Seine Reiſe nach
Amerika endete jedoch in Paris, welches er auf der Durchreiſe kennen lernen wollte.
Hier machte er nämlich die Bekanntſchaft Breguet’s, welcher ihm mit größter
Zuvorkommenheit ſeine Werkſtätten zur Verfügung ſtellte, ihn durch ſeine Bekannt-
ſchaften in wiſſenſchaftlichen und induſtriellen Kreiſen und überhaupt in jeder Art
unterſtützte. Dank dieſer gaſtfreundlichen Aufnahme war es Jablochkoff bereits
8 Monate nach ſeiner Ankunft in Paris gelungen, mit ſeinen wiſſenſchaftlichen
Studien und Experimenten zu einem praktiſch verwerthbaren Reſultate, der Erfindung
der nach ihm bekannten Kerze, zu gelangen.


Die Erfindung der elektriſchen Kerze rief eine mächtige Bewegung hervor
und bewirkte in kürzeſter Zeit eine große Verbreitung der elektriſchen Beleuchtung.
Im Jahre 1881 waren bereits an 4000 Lampen mit Jablochkoff-Kerzen in Betrieb
geſetzt. Die Kerze ermöglichte nämlich (wie wir ſpäter noch ſehen werden) in Folge
der Abweſenheit jedes Regulirungsmechanismus das Einſchalten mehrerer Kerzen in
einem Stromkreiſe, alſo die Theilung des
elektriſchen Lichtes.


Jedoch im ſelben Maße, als die
Kerzen an Verbreitung gewannen, ſtellten
ſich auch verſchiedene Uebelſtände heraus.
Um dieſe zu vermeiden, ging man wieder
auf die Regulatorlampen zurück und ſuchte
mit Anwendung dieſer das Problem der
Lichttheilung zu löſen. Man fand die
Löſung in der entſprechenden Anwendung
jener Geſetze, welche für die Stromver-
zweigungen gelten. (Siehe Seite 200.)


Figure 427. Fig. 423.

Hintereinanderſchaltung.


Die einzelnen Theile eines Leiterkreiſes können, wie wir wiſſen, in zweifacher
Art angeordnet ſein, nämlich etweder hintereinander oder nebeneinander; die erſte
Schaltungsweiſe bezeichneten wir als Hintereinanderſchaltung, die letztere als Parallel-
ſchaltung. Unterſuchen wir nun zunächſt, in welcher Weiſe der Strom verzweigt
werden muß, um bei Hintereinanderſchaltung der Lampen dieſe voneinander unab-
hängig zu machen.


Der Stromkreis S S (Fig. 423) theilt ſich bei a in zwei Zweige, die ſich
bei b wieder vereinigen und bei c nochmals in zwei Zweige, die ſich bei d wieder
vereinigen. Bei dieſer Anordnung müſſen ſich die Stromſtärken in den Zweigen S1
und S4 umgekehrt ſo verhalten, wie die Widerſtände dieſer Zweige, und die Summe
der Stromſtärken in beiden Zweigen wird gleich ſein der Stromſtärke im unge-
theilten Leiter S; dasſelbe gilt natürlich auch für die Verzweigung S2 S3 oder
eine 3., 4. … derartige Verzweigung. Schaltet man nun in dieſen Stromkreis
Lampen derart ein, daß ihre Kohlen in S1, reſpective S3 kommen, ihr Regulirungs-
mechanismus aber von S4, beziehungsweiſe S2 in Bewegung geſetzt wird, ſo iſt
hiermit die Lichttheilung durch Stromverzweigung gelöſt, denn jetzt functionirt das
Syſtem folgendermaßen: Der Strom theilt ſich bei a in zwei Theile, deren weitaus
größerer durch S1 geht, weil hier, ſo lange ſich die beiden Kohlen berühren, der
Widerſtand ein geringer iſt, in S4 aber eine Drahtſpirale von hohem Widerſtande
[608] ſich befindet. Nun gehen die Kohlen auseinander und es bildet ſich der Lichtbogen;
dadurch wird der Widerſtand in S1 vergrößert und erreicht durch das fortgeſetzte
Abbrennen der Kohlen endlich eine Höhe, die jene in der Spirale des Regulirungs-
mechanismus überragt. Es wird daher jetzt in S4 der ſtärkere, in S1 der ſchwächere
Stromantheil durchfließen und erſterer Umſtand bewirken, daß der Regulirungs-
mechanismus in Thätigkeit kommt, d. h. es werden die Kohlen wieder einander
genähert werden.


Wie aus dieſer Betrachtung erſichtlich, erfolgt die Regulirung der Lampe
innerhalb der Punkte a und b und die Stromſtärken wechſeln auch nur in den
Zweigen zwiſchen dieſen Punkten. Die Stromſtärke in der ungetheilten Leitung
bleibt aber unverändert; wenn deshalb zwiſchen c und d eine zweite Lampe ein-
geſchaltet wird, iſt dieſelbe von den Regulirungen und damit verbundenen Strom-
ſchwankungen in der erſten Lampe vollkommen unabhängig.


Eine, und zwar die erſte, unter Anwendung dieſes Principes conſtruirte Lampe
haben wir bereits kennen gelernt; es iſt dies die Lampe von Lacaſſagne und
Thiers. Da jedoch dieſe Lampe von ihren Erfindern weder als Lampe für
Theilungslicht conſtruirt, noch als ſolche angewandt wurde, gebührt Tſchikoleff

Figure 428. Fig. 424.

Parallelſchaltung.


die Priorität in Bezug auf die Löſung des
Problems der Lichttheilung durch entſprechende
Conſtruction einer weiter unten zu beſchrei-
benden Regulatorlampe. Tſchikoleff’s Lampe
ſtand bereits im Jahre 1877 in Verwendung.
Siemens zeigte ſchon auf der Wiener
Weltausſtellung im Jahre 1873 eine Lampe
mit Nebenſchluß und ihm gelang es auch
zuerſt, Lampen für Theilungslicht, nämlich
die durch v. Hefner-Alteneck conſtruirten
Differentiallampen, in ausgedehntem Maße
zur praktiſchen Verwendung zu bringen; das
diesbezügliche Patent wurde im Jahre 1879
genommen. Die Beſchreibung dieſer und nachher erfundener Lampen wird einen
nachfolgenden Abſchnitt bilden.


Die oben angegebene Stromführung und Verzweigung iſt die gegenwärtig
faſt bei allen Theilungslichtern mit Voltabogen in Gebrauch ſtehende. Bei Glüh-
lichtern bedient man ſich jedoch der Parallelſchaltung, wie dieſe durch das Schema,
Fig. 424 (oder Fig. 112, 113, Seite 200) angedeutet iſt. Dieſe Schaltungsweiſe
unterſcheidet ſich von der Hintereinanderſchaltung im Weſentlichen dadurch, daß bei
letzterer der Strom die verſchiedenen Lampen ſtets zeitlich nacheinander durchlauft,
während bei der Parallelſchaltung ſämmtliche Zweige, beziehungsweiſe Lampen
gleichzeitig paſſirt werden. In welcher Weiſe bei parallel geſchalteten Glüh-
lichtern die Stromtheilung erreicht wurde, haben wir bereits geſehen und als beſte
Methode die der Anwendung von Compound-Maſchinen erkannt. Es erübrigt uns
noch, einige Worte über die Erfindung der Glühlichtlampe beizufügen.


Wenngleich es erſt in jüngſter Zeit gelungen iſt, Glühlichter in ſolcher Form
und mit ſolchen Eigenſchaften herzuſtellen, daß eine praktiſche Verwerthung in aus-
gedehntem Maße rationell erſcheint, ſo reichen doch die diesbezüglichen Verſuche
ziemlich weit zurück. Schon im Jahre 1838 machte Jobart in Brüſſel den Vorſchlag,
eine kleine Kohle in einem luftleeren Gefäße als Leiter für den Strom zu benützen
[609] und dieſe Vorrichtung dann als Lampe zu gebrauchen. Im Jahre 1841 ließ ſich
F. Moleyns in Cheltenham ein Patent auf eine Lampe geben, welche darauf
beruhte, daß auf eine durch den Strom zum Glühen gebrachte Platinſpirale feines
Kohlenpulver fiel. Jobart’s Schüler de Changy nahm die Idee ſeines Lehrers
im Jahre 1844 wieder auf und conſtruirte eine Lampe mit einem Stäbchen aus
Retortenkohle. Ebenſo benützte Starr (Patent King) im Jahre 1845 ein glühendes
Kohlenſtäbchen im Vacuum. In dem betreffenden Patente heißt es: „Die Erfindung
beruht auf der Anwendung metalliſcher Leiter oder Kohlenſtäbe, die durch den
Durchgang eines elektriſchen Stromes zum Weißglühen gebracht werden.“ Ferner:
„Wenn man Kohle anwendet, iſt es zweckmäßig,
ſelbe, wegen ihrer Verwandtſchaft zum Sauerſtoff
der Luft, von der Luft und Feuchtigkeit abzu-
ſchließen.“ Nach Starr’s Angabe wird dies am
beſten erreicht durch Herſtellung einer Baro-
meterleere in dem Lampengefäße. Im Jahre 1846
conſtruirten Greener und Staite eine der
King’ſchen ähnliche Lampe und gaben an, daß
es zweckmäßig ſei, die Kohlen vor ihrem Ge-
brauche durch Salpeterſäure zu reinigen.


Im Jahre 1849 ſchlug Petrie vor, an
Stelle des Platins Irridium zu verwenden,
und im Jahre 1858 nahm Changy ſein erſtes
Patent auf eine Glühlichtlampe mit Platindraht
und die Theilung des elektriſchen Lichtes in der
auf Seite 605 bereits angedeuteten Weiſe. Du
Moncel
erhielt bei ſeinen Verſuchen mit dem
Ruhmkorff’ſchen Inductionsapparate im Jahre
1859 die ſchönſten Glüheffecte mit Kohlen-
filamenten aus Kork, Schafleder u. ſ. w.


Der ruſſiche Phyſiker Lodyguine benützte
im Jahre 1873 zu ſeiner Lampe Kohlenſtäbe,
welchen er an jenen Stellen, an welchen ſie
glühen ſollten, einen geringen Querſchnitt gab.
Je zwei ſolcher Kohlenſtäbe wurden in ein
hermetiſch verſchließbares Glas gebracht und
mit einem Stromwechsler ſo verbunden, daß
nach Zerſtörung eines Stabes der zweite ein-
geſchaltet werden konnte.


Figure 429. Fig. 425.

Lampe von Konn.


Konn ließ ſich im Jahre 1875 die in Fig. 425 dargeſtellte Lampe patentiren.
Auf dem kupfernen Sockel A iſt eine oben erweiterte Glasröhre durch die Schraube L
und einige zwiſchengelegte Kautſchukringe luftdicht aufgeſetzt. Auf A ſind zwei
Kupferröhren befeſtigt, deren eine D an ihrem oberen Ende die Platte G trägt,
während in der zweiten ſich der Stab C verſchieben läßt; letzterer trägt die
Scheibe F und den federnden Deckel J und iſt vom Sockel der Lampe nicht iſolirt.
Die Röhre D iſt hingegen iſolirt und ſteht mit der gleichfalls iſolirten Klemm-
ſchraube N in leitender Verbindung. Bei K befindet ſich ein Ventil, welches ſich
nur nach außen öffnen kann. Zwiſchen den kreisförmigen Platten F und G ſind
5 Hülſenpaare O befeſtigt, von welchen jedes einen Kohlenſtab E trägt. Die oberen
Urbanitzky: Elektricität. 39
[610] Enden der letzteren ſind ungleich lang, ſo daß die Platte J immer nur auf einem
Stabe aufruhen kann. Vor dem Gebrauche der Lampe wird das Gefäß möglichſt
luftleer gemacht.


Der Strom tritt durch die Klemme N ein, gelangt durch D und G in einen
Kohlenſtab E, fließt dann durch J und C in den Sockel A, von welchem er durch
eine zweite Klemme (in der Figur nicht gezeichnet) die Lampe verläßt. Der Kohlenſtab
wird hierdurch weißglühend und giebt ein ruhiges, weißes Licht. Hat ſich durch
Verbrennen der Kohle der Querſchnitt ſo weit verringert, daß das Stäbchen
bricht, ſo fällt die Scheibe J auf das nächſt längſte Stäbchen und ſchaltet dadurch
dieſes in den Stromkreis ein. Um das Herabfallen glühender Kohlenſtückchen auf
das Glas zu vermeiden, iſt unten der Kupfercylinder M angebracht.


In ähnlicher Weiſe conſtruirte auch der ruſſiſche Officier Bouliguine im
Jahre 1876 eine Lampe, die es aber ebenſo wie die vorhergehende zu keinem
praktiſchen Erfolge brachte.


In den Jahren 1877 bis 1880 erhielten endlich die Glühlichtlampen durch
Swan, Maxim, Lane-Fox und Ediſon jene Form, in der wir ſie gegenwärtig
bereits vielfach in praktiſcher Verwendung ſehen. Bahnbrechend für dieſe Beleuch-
tungsart wurde namentlich Ediſon, als er bei der Pariſer Ausſtellung im Jahre
1881 bereits mit einem bis in die kleinſten Details ausgebildeten Beleuchtungs-
ſyſteme auftrat.


Thomas Alva Ediſon wurde am 10. Februar 1847 zu Milan im
Staate Ohio geboren und verlebte ſeine Kindheit in der Stadt Port Huron (in
Michigan). Sein Vater, holländiſcher Abſtammung, ein mit 76 Jahren noch rüſtiger
und geſunder Mann, war der Reihe nach Schneider, Baumgärtner, Kornhändler
u. ſ. w., konnte es aber trotz ſeiner Intelligenz und Energie zu keinem ausreichenden
Einkommen oder zur Wohlhabenheit bringen. Ediſon’s ganze Erziehung war daher
auf die Lectionen beſchränkt, welche er von ſeiner Mutter erhielt, die nach dem
Muſter vieler junger Amerikanerinnen vor ihrer Verheiratung eine Elementarſchule
geleitet hatte. So lernte Ediſon Leſen, Schreiben und Rechnen; alles Uebrige
eignete er ſich durch eigenes Studium ohne jedwede Beihilfe, ohne jede Unterſtützung
ſelbſt an. Schon in ſeinen Knabenjahren zeichnete er ſich durch eine wahre Lefewuth
aus und las ohne jede Wahl Bücher, Zeitungen, Broſchüren, wie ſie ihm eben
in die Hand geriethen.


Indeſſen fiel Ediſon’s Eltern in ihrer dürftigen Wohnung die Erhaltung eines
unnützen Eſſers zur Laſt und ſo wurde beſchloſſen, den nun 12jährigen Ediſon, welcher
von ſeinem Vater mit der Energie und Lebhaftigkeit des Geiſtes auch deſſen geſunde,
robuſte Natur geerbt hatte, ſeine eigene Kraft verſuchen zu laſſen. Und ſo kam er
als „train boy” zur Eiſenbahnlinie von Canada und Centralmichigan; hier fuhr
er mit dem Zuge von einem Ende zum andern und hatte hierbei den Reiſenden
Zeitungen, illuſtrirte Journale, auch Früchte, Bäckereien, Cigarren ꝛc. anzubieten.
In wenigen Tagen war Ediſon mit ſeinem Geſchäfte vollkommen vertraut, verſchaffte
ſich verſchiedene Begünſtigungen und erleichterte ſich ſchließlich die Arbeit dadurch,
daß er mehrere Jungen ſeines Alters engagirte und dieſen an ſeiner Stelle das
Anbieten der Waaren anvertraute. Er ſelbſt aber ſaß in ſeinem Gepäckswagen und
las eifrig in jenen Büchern, welche er ſich von ſeinem Verdienſte kaufte. Hier war
es, wo er auch die Anleitung zur qualitativen Analyſe von R. Freſenius in die
Hand bekam und durchſtudirte. Er gab ſich jedoch hiermit nicht zufrieden. Trotz
der vielen und mannigfachen Schwierigkeiten fand er, dank ſeiner eiſernen Willenskraft,
[611] Mittel, ſich in ſeinem Gepäckswagen ein förmliches Laboratorium einzurichten, in
welchem er während ſeiner Fahrten mit regſtem Eifer experimentirte.


Charakteriſtiſch für Ediſon’s Vielſeitigkeit iſt Nachſtehendes. Ediſon kam einſt
in das Atelier der „Detroit Free Press”, als eben abgenützte Typen zu billigen
Preiſen verkauft wurden. Er erſtand ſie und noch die nothwendigſten Utenſilien
dazu, und wenige Tage darauf veröffentlichte er den „Grand Trunk Herald”,
von welchem er Redacteur, Factor, Corrector ꝛc. war, und lieferte dieſen den
Reiſenden ſeines Zuges. Dieſes Unternehmen fand jedoch ein jähes Ende. Unglück-

Figure 430. Fig. 426.

Th. A. Ediſon.


licherweiſe fiel nämlich eines Tages ein Fläſchchen Phosphor, herrührend von ſeinen
chemiſchen Experimenten, herab und verurſachte Feuer im Gepäckswagen. Der Zugs-
führer hatte dieſes wohl ſofort bemerkt und mit Ediſon’s Hilfe gelöſcht, warf aber
dann zur Vermeidung einer Wiederholung Ediſon’s geſammtes Material zum
Wagen hinaus.


Nicht beſſer gelang ihm ein zweiter journaliſtiſcher Verſuch, der mit einer
Zeitſchrift unter dem Titel „Paul Pry” in Port Huron gemacht wurde. Jeder
Mitarbeiter war hierzu willkommen, wenn er kein Honorar beanſpruchte; dieſes
Blatt, deſſen Artikel von ihren Verfaſſern nicht unterſchrieben wurden, griff
39*
[612] rückſichtslos Perſonen und Sachen, öffentliche und private Inſtitutionen an. Dies hatte
zur Folge, daß eines ſchönen Tages ein Einwohner, auf welchen beſonders heftige
Angriffe gemacht worden waren, den ihm begegnenden Ediſon beim Kragen packte
und ohne weitere Umſtände in’s Waſſer warf. Ediſon ſchwamm allerdings wieder
heraus, aber „Paul Pry” erſchien nicht mehr.


Bezeichnend für Ediſon’s Lernbegierde ſind folgende Züge. In Detroit, wo
ſein Train ſtets einen mehrſtündigen Aufenthalt hatte, hielt er ſich während dieſer
Zeit immer in einer Bibliothek auf; er hatte den Vorſatz gefaßt, ſämmtliche Bücher
von der erſten bis zur letzten Nummer der Reihe nach auszuleſen. Er hätte dieſen
Vorſatz ſicher auch ausgeführt, wenn ſich nicht der Bibliothekar für den jungen
Mann intereſſirt und ihn darauf aufmerkſam gemacht hätte, daß es zweckmäßiger
ſei, die zu leſenden Bücher ihrem Inhalte nach auszuwählen. War Ediſon in
Port Huron, wo ihm keine Bücher zur Verfügung ſtanden, ſo beſchäftigte er ſich
damit, Elemente und Telegraphen-Apparate zuſammenzuſtellen, Leitungen auszuführen
und überhaupt zu experimentiren, ſo gut es ſeine beſchränkten Mittel geſtatteten.
Wie ſehr Ediſon mit ſeiner Zeit geizte, zeigt die originelle, wenn auch vielleicht
nicht ſehr empfehlenswerthe Art, die 20 Minuten zu gewinnen, welche er anfäng-
lich durch den Weg vom Bahnhofe bis nach Hauſe verlor. Er errichtete nämlich
an der Rückſeite des Wohnhauſes, welches am Bahndamme ſtand, einen großen
Sandhaufen und ſprang dann immer, während der Zug in voller Fahrt war, auf
dieſen herab.


Die Rettung eines Kindes vom ſicheren Tode wurde zu einem Wendepunkte in
Ediſon’s Leben. Dies ging ſo zu: Ediſon ſtand am Perron des Bahnhofes von Port
Clement, als er ein kleines Kind ſpielend auf den Schienen bemerkte, während der im
vollen Laufe befindliche Zug nur mehr circa fünf Meter weit entfernt war. Ohne
ſich lange zu beſinnen, ſprang Ediſon quer über die Schienen, im Sprunge das Kind
erfaſſend. Die Puffer der Locomotive ſtreiften ihn bereits, doch fiel er, ohne ſich
zu beſchädigen, auf der anderen Seite des Schienenſtranges mit dem geretteten Kinde
nieder. Aus Dankbarkeit für die Rettung ſeines Kindes unterrichtete der Vater
desſelben (der Stationschef von Port Clement) Ediſon ſyſtematiſch in der Tele-
graphie. Letzterer gab nun ſein Geſchäft als „train boy” definitiv auf und widmete
ſich ganz der Telegraphie. Hierin hatte er nicht nur bald ſeine ſämmtlichen Collegen
weit überholt, ſondern machte Erfindungen über Erfindungen. Es iſt hier einerſeits
nicht der Ort und würde andererſeits zu weit führen, ſie alle aufzuzählen; es ſei
nur erwähnt, daß Ediſon im Jahre 1881 auf Verbeſſerungen des Morſe-Apparates
allein 36 Privilegien beſaß; die Ausbeutung ſeiner Erfindungen gewährte ihm bald
reichliche Mittel. Er gab den Telegraphendienſt auf und richtete ſich in Menlo
Park, einige Kilometer von New-York entfernt, ein großes Laboratorium ein, aus
welchem ſeine großen Erfindungen, wie z. B. der Phonograph, hervorgingen.


Ediſon dachte nicht daran, ſich zu verehlichen, als ihm einſt zu Newark, wo
er eine Fabrik einrichtete, das ſanfte und liebe Geſicht einer dort beſchäftigten
Arbeiterin, Namens Marie Stillwell, auffiel und ſich ihm einprägte. Kurz ent-
ſchloſſen, ſtellte er dem jungen Mädchen, ohne Umſchweife zu machen, den Antrag,
es zu ſeiner Frau zu nehmen und nicht lange darauf fand die Trauung ſtatt. Es
erübrigt, zur Vollendung von Ediſon’s Charakterbild noch mitzutheilen, daß er als
zärtlicher Vater und Muſter eines Ehegatten gilt. An Sonntagen, die ausſchließlich
dem Familienleben gewidmet ſind, iſt bei Ediſon jedes wiſſenſchaftliche oder
geſchäftliche Geſpräch verpönt.


[613]

Ediſon’s Leiſtungen ſind wir bereits wiederholt begegnet und werden auch
fernerhin noch Gelegenheit haben, ſie zu beſprechen. Wir haben nun auch in Bezug
auf das Glühlicht den actuellen Stand erreicht und wollen uns daher jetzt den
gebräuchlichen Lampen ſelbſt zuwenden.


Lampen für elektriſches Licht.

Zur Erzeugung des elektriſchen Lichtes ſind gegenwärtig zwei Methoden in
Anwendung. Die eine bedient ſich des Voltabogens, die andere benützt die Eigen-
ſchaft des elektriſchen Stromes, Körper von hohem Leitungswiderſtande (in der
Regel Kohle) zur heftigen Weißgluth zu erhitzen. Das Licht Geißler’ſcher Röhren,
das Phosphoreſcenzlicht und der Inductionsfunke haben es zu keiner irgendwie
nennenswerthen praktiſchen Anwendung gebracht. Jedoch entſteht das elektriſche Licht
jederzeit, auf welche Art es auch immer erzeugt werden möge, dadurch, daß elek-
triſche Energie in Wärme umgewandelt wird. Die Geſetze, nach welchen dieſe
Umwandlung ſtattfindet, haben wir bereits kennen gelernt (Seite 227 u. f.). Nach
dieſen hat man bei Anwendung der Elektricität zur Lichterzeugung die Widerſtände
im Schließungsbogen derart zu vertheilen, daß der Strom in den Lampen auf den
größten Widerſtand ſtößt, in den übrigen Theilen des Stromkreiſes aber möglichſt
geringe Widerſtände zu überwinden hat. Dann wird auch in den Lampen der
elektriſche Strom möglichſt vollſtändig in Wärme, beziehungsweiſe Licht umgeſetzt
und werden Stromverluſte durch Erwärmung der Leitungsdrähte u. ſ. w. vermieden.


Die theoretiſchen Principien ſind in folgende praktiſche Formen gebracht
worden: 1. Man ſetzt an jener Stelle des Stromkreiſes, an welcher man Licht
erzeugen will, einen Leiter von großem Leitungswiderſtande ein, der von dem
durchfließenden Strome derart erhitzt wird, daß er in helle Weißgluth kommt.
2. Man unterbricht an der gewünſchten Stelle den Stromkreis und bringt die
beiden Enden desſelben, von welchen eines immer ein Kohlenſtäbchen iſt, nur zu
loſer Berührung; dieſer Umſtand und der geringe Querſchnitt des Kohlenſtäbchens
ſchafft dem Stromdurchgange an der Berührungsſtelle beider Enden gleichfalls
ein bedeutendes Hinderniß. Iſt der Kohlenſtab mit dem poſitiven Pole der Elek-
tricitätsquelle in Verbindung, ſo kommt er an der Berührungsſtelle mit dem
zweiten Ende des Stromkreiſes in lebhaftes Glühen und verbrennt unter ſtarker
Lichtentwicklung. 3. Man bedient ſich zur Lichterzeugung des Voltabogens. Wie
dieſer entſteht, ſein Verhalten, ſeine Eigenſchaften u. ſ. w. ſind bereits beſprochen
worden (Seite 236 u. f.).


Da alle Lampen, ſo mannigfach auch ihre Conſtructionen ſein mögen, auf
einer der angegebenen Arten der Lichterzeugung beruhen, ſo laſſen ſie ſich in
nachſtehende Gruppen bringen. Die erſte Gruppe umfaßt alle jene Lampen, bei
welchen im ununterbrochenen Stromkreiſe ein ſchlechter Leiter zum Glühen erhitzt
wird und dadurch Licht ausſendet, während bei der zweiten Gruppe an der Berührungs-
ſtelle zweier Elektroden durch deren unvollkommenen Contact ein großer Widerſtand
dem Strome entgegengeſetzt wird, welcher dann die Urſache des Glühens und
Leuchtens bildet; das Licht ſetzt ſich dabei zuſammen aus dem Glühen des Kohlen-
ſtückes und aus ſehr kleinen Voltabogen, die zwiſchen den Unebenheiten der ſich
berührenden Elektroden auftreten. Jene Lampen, welche ſich des Voltabogens
bedienen, kann man in drei Gruppen eintheilen, welche ſich dadurch voneinander
[614] unterſcheiden, daß bei der erſten dieſer drei Gruppen die Entfernung der Kohlen-
ſpitzen während der ganzen Dauer des Voltabogens ununterbrochen durch irgend
eine Vorrichtung der jeweiligen Stromſtärke entſprechend regulirt wird, während
bei den beiden übrigen Gruppen die Entfernung der beiden Kohlenſpitzen von-
einander unverändert bleibt, ſo lange der Bogen glüht. Die Conſtanz der Licht-
bogenlänge iſt, wie ſich Uppenborn ſehr treffend ausdrückt, durch die geometriſche
Conſtruction
der Lampe bewirkt. Die beiden letzten Gruppen unterſcheiden ſich
untereinander nur durch die Anordnung der Kohlen, indem dieſe bei der einen
parallel nebeneinander, bei der andern jedoch gegeneinander geneigt verwendet werden.


Die fünf Gruppen ſind demnach:


  • 1. Glühlicht- oder Incandeſcenzlampen: Das Licht kommt durch
    Glühen eines ſchlechten Leiters im ununterbrochenen Stromkreiſe zu Stande;
    dieſer Leiter iſt keiner regelmäßigen Verbrennung unterworfen.
  • 2. Halbglühlicht- oder Halbincandeſcenzlampen: Das Licht entſteht
    an der Berührungsſtelle zweier Leiter; einer derſelben verbrennt mehr oder
    weniger raſch.
  • 3. Regulatorlampen: Das Licht wird durch den Voltabogen gebildet
    und die Entfernung der Kohlenſpitzen beſtändig der Stromſtärke entſprechend regulirt.
  • 4. Elektriſche Kerzen: Das Licht wird ebenfalls durch den Voltabogen
    gebildet, aber die Entfernung der Kohlenſpitzen voneinander während der ganzen
    Dauer des Brennens nicht geändert; die Kohlen ſtehen parallel nebeneinander.
  • 5. Lampen mit gegeneinander geneigten Kohlen: Das Licht wird
    in derſelben Art erzeugt und die Lichtbogenlänge in derſelben Art conſtant erhalten
    wie in der Gruppe 4, aber die Kohlen ſind gegeneinander geneigt.

1. Gruppe.
Glühlicht oder Incandeſcenzlampen.

Die erſte Glühlichtlampe, welche Th. A. Ediſon conſtruirte, war eine
Lampe mit Platindraht, ähnlich der von de Changy erfundenen; darauf unterſuchte
er eine ausgedehnte Reihe von metalliſchen und vegetabiliſchen Stoffen und nahm
ſchließlich als definitives Material die Bambusfaſer an. Durch Maſchinen wird
das Bambus entſchält, in Faſern getheilt und dieſen die entſprechende Form mit
einer bewunderungswürdigen Regelmäßigkeit gegeben. Sie ſind etwa 1 Millimeter
breit, 12 Centimeter lang und werden in die Geſtalt eines U gebracht.


Dann werden dieſe Bambusbögen in Eiſenformen von entſprechender Geſtalt
ſorgfältig eingeſchloſſen und zu Tauſenden in einen Ofen eingeſetzt; die Verkohlung
iſt raſch beendet, und wenn man die Formen, nachdem ſie erkaltet ſind, öffnet,
findet man an Stelle der Bambusfaſern einen Faden vegetabiliſcher Kohle von
hinreichender Feinheit, Härte und Feſtigkeit. Der Kohlenbügel wird hierauf an
Platindrähten befeſtigt und dieſe ſorgfältig in ein Glasgefäß von der Form einer
Birne eingeſchmolzen (Fig 427). Zum Auspumpen der Luft aus der Birne hat
Ediſon anfangs Queckſilberluftpumpen nach Geißler oder Sprengel angewandt;
da dieſe aber in ihrer damaligen Form für ein fabriksmäßiges Arbeiten nicht
geeignet waren und auch die hierbei ſich entwickelnden Queckſilberdämpfe läſtig
wurden, hat ſie Ediſon derartig modificirt, daß ſie jetzt weit über 500 an der
Zahl (im Menlo-Park) regelmäßig die Glasgefäße evacuiren. Während des
[615] Auspumpens wird durch die Kohlenbügel ein elektriſcher Strom geſandt, der den
Zweck hat, durch Erwärmen der Kohlen die von dieſen abſorbirten Gaſe auszu-
treiben, was zur Feſtigkeit der Kohlenfäden unbedingt erforderlich iſt.


Der Lampenhals wird durch einen in denſelben hineinragenden und mit ihm
zuſammengeſchmolzenen Glasſtöpſel gegen das Eindringen von Luft hermetiſch
abgedichtet, indem letzterer ein Rohr bildet, welches an dem oberen Ende durch
einen Glasboden geſchloſſen, an dem unteren hingegen zu einem Wulſt ausgebaucht
iſt; mit dieſem iſt die cylindriſche Lampenöffnung verſchmolzen. Die Einfügung
der beiden Metalldrähte in die noch flüſſige Glasmaſſe des Stöpſelbodens gehört
zu den ſchwierigſten Theilen der Fabrication, da es weſentlich darauf ankommt,
daß Temperaturveränderungen die Drähte nicht lockern und dadurch zu undichten
Stellen Veranlaſſung geben. Ediſon benützt deshalb Platin, deſſen Ausdehnungs-
Coëfficient dem Glaſe nahekommt. Damit zu hohe Temperaturen
die mit den Platindrähten durch galvaniſche Verkupferung ver-
bundenen Kohlenfaſern an den Verbindungsſtellen nicht ab-
ſchmelzen, werden die Faſern an ihren Enden in ſolchem
Maſſe verſtärkt, daß der Widerſtand für den Strom daſelbſt
nur gering iſt. Die freien Enden der Platindrähte werden
mit den Kupfergarnituren D und E verbunden, welche durch
Gypsfüllung voneinander iſolirt ſind.


Die Fig. 428 und 429 veranſchaulichen Faſſung und
Sockel der Lampe in Längs- und Querſchnitten, erſtere mit
Meſſinggarnituren ausgeſtattet, von denen F das Mutter-
gewinde der an der Lampe angebrachten Schraube, C den
Boden bildet. Beide ſind mit Leitungsdrähten verſehen und
durch eine Scheibe L aus einer iſolirenden Maſſe getrennt,
deren Aufgabe, wie die des Holzringes M, darin beſteht, die
benachbarten Metallflächen zu iſoliren.


Mit dem Einſchrauben der Lampe in die Faſſung entſteht
zwiſchen Schraubengewinde E und Mutter F ſowie den
Platten C und D gleichzeitiger Contact. Innerhalb der zwei-
theiligen, mit Meſſingblech bekleideten Holzfaſſung wird die
Leitung durch Berührung zweier aufeinander geſchraubter
Plattenpaare B, I und A, K hergeſtellt. An erſtere ſind die

Figure 431. Fig. 427.

Ediſon-Lampe.


von den Garnituren C und F ausgehenden Drähte gelöthet, bei letzteren werden
die Leitungsdrähte mit Schrauben gegen die Platten A und K gepreßt. Die Be-
feſtigung der Faſſungen an Wandarmen und Kronleuchtern, in deren Röhren
man die Leitungsdrähte legt, geſchieht, wie aus der Fig. 428 erſichtlich, durch
Einſchrauben des mit einem Gasgewinde verſehenen Rohrendes.


Die Fig. 428 und 429 ſtellen zugleich die ſinnreiche Vorrichtung zum Anzünden
und Auslöſchen der Lampen durch die bei Gasbeleuchtungs-Gegenſtänden übliche
Hahndrehung dar, zu welchem Zwecke der von der Garnitur F ausgehende Draht
nicht direct zur Platte I geführt, ſondern in der Mitte unterbrochen wird, ſo daß
eine Hälfte von F mit G, die andere H mit I communicirt. Da die beiden Platten-
hälften G und H voneinander iſolirt ſind, muß beim Anzünden der Lampe ein
Contact zwiſchen ihnen hergeſtellt werden, der dem Strome den Uebergang geſtattet
und durch deſſen Unterbrechung das Licht wieder erliſcht. Um dies zu ermöglichen,
ſind die Löcher der Platten G und H innen verſenkt, ſo daß der in der Axe dieſer
[616] Höhlung bewegliche, geſchlitzte und in einen Conus endigende Zapfen A in der
trichterförmigen Oeffnung ſich genau anſchmiegen kann, in welchem Beſtreben er
durch die in dem Schlitze angebrachte Druckfeder zur erhöhten Sicherheit des Con-
tactes noch unterſtützt wird. Um durch die Drehung des Hahnes nach beiden Rich-
tungen eine axiale Bewegung zu erhalten, iſt an dem Zapfen ein Zahn befeſtigt,
deſſen Kopf in einer ſchraubenartigen Couliſſe geführt wird. Es iſt aus der Zeichnung
leicht erſichtlich, daß durch die Drehung des Hahnes in dem einen oder andern
Sinne der Conus in die Platten H und G hineingezogen wird und den Strom

Figure 432. Fig. 428.

Ediſon-Lampe.


Figure 433. Fig. 429.

Ediſon-Hahn.


ſchließt oder aus demſelben heraustritt und die Leitung unterbricht. Wenn der Conus
den Contact zwiſchen den Platten G und H hergeſtellt hat, tritt der Strom
(Fig. 428) durch den Zuleitungsdraht in die Scheibe A, von dieſer durch B zur
Bodenplatte C der Faſſung, hierauf durch den Contact mit der Scheibe D in die
Lampe, in welcher er nacheinander den von letzterer ausgehenden Platindraht und
die Kohlenfaſer durchfließt, um durch den anderen Platindraht zur Garnitur E
zurückzukehren, deren Schraubengewinde ihm den Wiedereintritt in die Faſſung durch
die Mutter geſtattet. Mittelſt des an letztere gelötheten Drahtes gelangt der Strom
nunmehr zur Scheibenhälfte G und über den Conus zur Hälfte H, die er durch
den Draht H I und die Platte K mittelſt des Ableitungsdrahtes verläßt.


[617]

Nachſtehend ſind für die bis jetzt eingeführten Lampen die Lichtſtärken, Wider-
ſtände und die für den Betrieb erforderliche elektromotoriſche Kraft angegeben.


Figure 434. Fig. 430.

Wandarm mit Ediſon-Lampe.


Figure 435. Fig. 431.

Wandarmgelenk.


Der in Fig. 430 dargeſtellte Wandarm hat bei A, B und C Gelenke;
Fig. 431 zeigt die innere Einrichtung der Gelenke A und B. Die Leitungsdrähte
dringen auf der rechten Seite in die Kammer ein und ſind an zwei voneinander
iſolirten Metallſtücken befeſtigt; dieſe ſchleifen auf zwei Metallſcheiben, die gleichfalls
voneinander iſolirt, am verticalen Theile des Knierohres aufgeſetzt ſind und ſich
mit dieſem drehen. Jede der Scheiben des Cylinders iſt mit einem Leitungsdrahte
verbunden, der dann in der Röhre fortlauft. Bei C befindet ſich überdies noch
ein Hahn von der bereits beſchriebenen Conſtruction.


Ein Stück des Drahtes in der Hahnkapſel iſt aus Blei; es hat dies den
Zweck, bei etwaigem Anwachſen des Stromes in der Leitung über jene Stärke,
welche für die Lampe geeignet iſt, dieſe gegen Beſchädigung (Zerſtörung des Kohlen-
[618] bügels) zu ſchützen. Der Durchmeſſer des Bleidrahtes iſt nämlich ſo bemeſſen, daß
der Draht ſich bis zum Schmelzen erwärmt und auf dieſe Weiſe den Strom eben
dann unterbricht, wenn letzterer eine gefährliche Stärke anzunehmen droht.


Ediſon ging noch weiter; er conſtruirte auch einen Regulator in der Lampe
ſelbſt, welcher erlaubt, die Lichtſtärke ganz nach Belieben herzuſtellen. Fig. 432
zeigt eine transportable Lampe und Fig. 433 den Regulator. Dieſer iſt eine Art
Kohlenrheoſtat, zuſammengeſetzt aus Kohlenſtiften von verſchiedenem Durchmeſſer,
alſo, da die Länge und die Subſtanz dieſelbe iſt, von verſchiedenem Widerſtande.
Durch Einſchalten des einen oder andern Stiftes in den Stromkreis erhält man

Figure 436. Fig. 432.


Figure 437. Fig. 433.

Tragbare Lampe und Intenſitätsregulator.


die gewünſchte Intenſität. Um zu große Erwärmung zu verhindern, iſt der Cylinder,
welcher den Apparat einſchließt, mit Oeffnungen für die Luftcirculation verſehen.
Die Regulirung wird durch Drehen einer Scheibe (unterhalb der Fig. 433 ſeparat
gezeichnet) bewirkt, wodurch der Contact mit dem einen oder andern Kohlenſtabe
hergeſtellt wird. Ein Index an der Scheibe und eine Eintheilung am unteren Rande
des Cylinders zeigen den Grad der Intenſität der Lampe für die Einſchaltung jedes
Kohlenſtabes an.


Fig. 434 ſtellt das Modell einer Lampe dar, wie es zur Anwendung in
Bergwerken conſtruirt wurde. Bei dieſem Modelle iſt die Lampe in ein Gefäß
eingeſchloſſen, welches mit Waſſer gefüllt wird. Die Verbindung der Zuleitungsdrähte
mit der Lampe iſt ſo angeordnet, daß die Berührungspunkte mit Waſſer bedeckt ſind,
[619] daher jede Gefahr einer Entzündung ſchlagender Wetter durch die Lampe aus-
geſchloſſen erſcheint.


Allerdings kann aber die zweite Gefahr der ſchlagenden Wetter, die der
Erſtickung, hiermit nicht beſeitigt werden, ja dieſe wird im Gegentheile durch Anwendung
der beſchriebenen oder ähnlicher Lampen erhöht, da derlei Lampen die Bildung
ſchlagender Wetter nicht anzeigen können, wie dies die gewöhnlichen Grubenlampen
durch düſteres Brennen thun. Bei der Davy’ſchen Sicherheitslampe explodirt bekanntlich
das Gasgemenge, wenn es bereits die richtige Miſchung hat, nur innerhalb des
Drahtgeflechtes der Lampe, wobei deren Flamme erliſcht.


Wie man aus dem Vorhergehenden erſehen kann, iſt Ediſon’s Lampe bis
in die kleinſten Details durchdacht und ausgebildet, ſo daß ſie mit den Vorzügen
der elektriſchen Beleuchtung die Bequemlichkeiten der Gasbeleuchtung verbindet,
ohne deren Uebelſtände und Gefahren zu beſitzen.


Was die Dauerhaftigkeit der
Lampen, beziehungsweiſe der Kohlen-
bügel betrifft, ſo wird für 800
Brennſtunden garantirt. Dann iſt
die Lampe allerdings unbrauchbar;
aber wenn man bedenkt, daß ihr
Preis ein ſehr niedriger iſt, hat
dies auf ihre praktiſche Verwend-
barkeit keinen Einfluß. Die Regu-
latorlampen und noch mehr die
Kerzen verzehren ja auch während
ihrer Benützung fortwährend Kohle,
die bezahlt werden muß, und bei
Beleuchtung anderer Art müſſen
ebenfalls die Glascylinder, Kugeln ꝛc.
häufig erneuert werden.


Swan gebührt ein weſent-
liches Verdienſt an der Ausbildung
und Vervollkommnung der Glüh-
lichtlampen und der Herſtellung
derſelben in einer Art, die dieſe

Figure 438. Fig. 434.

Ediſon’s Grubenlampe.


Lampen für die ausgedehnteſte Verwendung brauchbar machten. Schon lange vor
Ediſon hat ſich Swan mit Studien und Experimenten befaßt, um ein paſſendes
Verfahren zur Herſtellung feſter und dauerhafter Kohlenbügel zu finden. Er erkannte,
daß die Hauptfehler früherer Verſuche darin beſtanden, daß ſowohl auf ein
ſorgfältiges Auspumpen der Luft aus dem den Kohlenbügel einſchließenden Glas-
gefäße, als auch auf möglichſte Verminderung des Widerſtandes an Stellen, wo
der Kohlenfaden an den Zuleitungsdrähten befeſtigt iſt, zu wenig Rückſicht genommen
wurde. War letzteres ſehr häufig die Urſache, daß nach kurzem Gebrauche die Kohle
ſich von ihren Trägern trennte, ſo war das ſchlechte Auspumpen Urſache der
ſtetigen Abnahme des Kohlenbügels und Niederſchlagens von Kohle an den Glas-
wänden. Swan fand, daß ein möglichſt vollkommenes Entfernen der Luft aus dem
Glasgefäße nur dann gelingt, wenn während des Auspumpens der Kohlenbügel
zum Glühen erhitzt und ſo gezwungen wird, die von ihm abſorbirten Gaſe
auszuhauchen.


[620]

Das gegenwärtig gebräuchliche Modell der Swan-Lampe iſt in Fig. 435
abgebildet. Die als Träger für die Kohle dienenden Platindrähte ſind voneinander
iſolirt in ein mit dem unteren Ende des Glasgefäßes verſchmolzenes Glasſäulchen
mit großer Sorgfalt eingeſchmolzen, und endigen nach außen in zwei Platinſchlingen.
Der Anſchlußtheil zum Befeſtigen der Lampe an dem Beleuchtungskörper beſteht
aus einem Stück Hartgummi, welches unten ein Gasgewinde trägt, ſo daß es in
jeden Gasarm, nach Herausnehmen des Brenners, eingeſchraubt werden kann. In
der oberen Fläche dieſes Anſatzſtückes ſind zwei Platinhäkchen angebracht, die mit

Figure 439. Fig. 435.


Figure 440. Fig. 436.

Swan-Lampen.


je einer der ſeitlichen Klemmſchrauben, in welche die ſtromzuleitenden Drähte
eingeklemmt werden, in leitender Verbindung ſtehen. Beim Einhängen der Lampe
in die Häkchen des Anſatzſtückes ſorgt eine Spiralfeder für den guten Contact
mit den Platinſchlingen.


Der beiläufig 10 Centimeter lange, in der Form einer einfachen Schlinge
gewundene Kohlenbügel wird aus Baumwollfaſern bereitet. Dieſe werden in
Schwefelſäure (2 Theile auf 1 Theil Waſſer) getaucht und einige Zeit darin
hängen gelaſſen. Dadurch erleiden ſie jene Veränderung, die auch das Papier bei
gleicher Behandlung erfährt, welches durch dieſe Behandlung bekanntlich in künſtliches
Pergament verwandelt wird. Der Faden wird alſo zäh und conſiſtent. Dann
[621] ſetzt man ihn in der Form, welche der Kohlenbügel ſpäter haben ſoll, in einen
Schmelztiegel, füllt dieſen ganz mit feinem Kohlenſtaub und erhitzt das Ganze bei
hermetiſchem Verſchluſſe des Tiegels längere Zeit bis zur Weißgluth. Die Verbindung
der Kohlenenden mit den Platindrähten wird bewerkſtelligt, indem man den Kohlen-
bügel mit den Drähten zuſammenlegt und an den Berührungsſtellen durch Ueber-
winden mit Baumwollfäden befeſtigt. Letztere machen dann den ganzen früher
angegebenen Proceß der Carboniſirung mit.


Die Firma giebt für die gewöhnlich gebräuchlichen Lampen folgende Zahlen
für die elektromotoriſche Kraft (in Volts), Stromſtärke (in Ampères), den Widerſtand
im kalten und warmen Zuſtande (in Ohms) und die Leuchtkraft (in Candles) an:

Für die Anwendung in Bergbauen hat Swan eine Lampe in der durch
Fig. 436 verſinnlichten Weiſe montirt.


Bei der Glühlichtlampe von Maxim (Fig. 437) hat der in dem Glas-
gefäße A eingeſchloſſene Kohlenbügel B die Form eines abgerundeten M erhalten.
Er wird von den beiden Platindrähten C D und C1 D1 getragen, die bei D D1
in das Glas eingeſchmolzen ſind. Die Glasröhrchen D D1 ſind koniſch, ſo daß
zwiſchen ihren Innenwänden und den Drähten haarfeine Zwiſchenräume bleiben.
Die Kohle B lauft an ihren unteren Enden in plattenförmige Verbreiterungen aus
und die gleiche Form haben die Platindrähte bei C C1. Die Befeſtigungsart der
Kohle an den Drähten zeigt Fig. 438, welche eine Seitenanſicht darſtellt. An den
Draht iſt ein durchbohrtes Plättchen b mit Gold angelöthet, darauf kommt ein
Scheibchen s aus weicher Kohle, dann der Kohlenbügel B, darauf wieder ein
Kohlenſcheibchen s1, und zum Abſchluß ein durchbohrtes Platinblättchen b1. Alle
dieſe Theile werden durch die Schraube o t zuſammengehalten. Die Kohlenſcheibchen
s s1 haben den Zweck, einerſeits einen guten Contact herzuſtellen und andererſeits
eine feſte Verbindung zu ermöglichen. Würde der Kohlenbügel direct an die
Platinblättchen angeſchraubt werden, ſo würden dieſe beiden Bedingungen nicht
erfüllt, denn bei feſtem Anziehen der Schrauben würden die Enden des Kohlen-
bügels, der ja ſpröde und hart iſt, zerbrechen, und ließe man die Schrauben
weniger feſt, ſo wäre der Contact ſchlecht; der Strom würde dann bei ſeinem
Uebergange aus den Drähten großen Widerſtand finden, an den Berührungs-
ſtellen Platin und Kohle glühend machen, erſteres ſchmelzen, und in kurzer Zeit
wäre die Verbindung ganz zerſtört. Das weiche Kohlenblättchen hingegen verhindert
einerſeits das Brechen des Bügels und vermittelt andererſeits dadurch einen guten
Contact, daß es die kleinen Zwiſchenräume zwiſchen dem Platinſcheibchen und der
Verbreiterung des Kohlenbügels vollkommen ausfüllt.


[622]

Die Glasbirne iſt in eine Metallfaſſung E (Fig. 437) mit Gyps F ein-
gekittet. Dieſer zieht ſich auch in die capillaren Räume der Röhrchen D hinein
und dient hierdurch zur Vervollkommnung des Lampenverſchluſſes. Man hat früher
lange mit der undichten Einſchmelzung der Drähte in das Glas zu kämpfen
gehabt, da in Folge der ungleichen Ausdehnung von Glas und Platin (bei
Temperaturveränderungen) im Glaſe häufig feine Riſſe entſtanden ſind, durch welche
dann Luft einſtrömen konnte. Die Differenz der Ausdehnung iſt weniger ſchädlich,
wenn der eingeſchmolzene Draht ſehr dünn iſt, weshalb Maxim auch den ſtarken
Platindraht zerfaſert, jede Faſer einzeln einſchmilzt und außerhalb des Glaſes

Figure 441. Fig. 437.


Figure 442. Fig. 438.

Lampe von Maxim.


alle dieſe dünnen Faſern wieder vereinigt. Zur weiteren Sicherung des Verſchluſſes
wird die Faſſung E mit Schellack oder Copallack G ausgegoſſen.


Die Baſis H der Lampe iſt aus Vulcanit oder einem andern Iſolator
verfertigt und an einen Metallkern L geſchraubt; ein Gewinde J in letzterem
dient zur Befeſtigung der Lampe an beliebiger Stelle. Der Platindraht C geht
bis zum Metallkern, während C1 in einen Metallpfropfen K endet, welcher von
der Baſis iſolirt iſt. R iſt ein in die Baſis H eingefügter Metallring, deſſen
obere Fläche direct unter dem Pfropfen K liegt, ſo daß dieſer einen Contact mit
dem Ringe bildet, wenn die Baſis herabgeſchraubt iſt. Die von C1 gebildete
Leitung wird dann durch den Draht S1, der an den Ring R angelöthet iſt, nach
[623] außen geführt. C iſt durch das Metallſtück L mit einer zweiten Leitung, oder
wenn die Lampen auf Gasleitungsröhren aufgeſetzt werden, mit dieſen in leitender
Verbindung.


Den Kohlenbügel erzeugt Maxim aus Briſtolpapier; aus dieſem wird zunächſt
ein M-förmiges Stück ausgeſchnitten, etwas größer, als ſpäter der Kohlenbügel
werden ſoll, und dann ſchwach verkohlt. Hierauf befeſtigt man dieſen ſchwach ver-
kohlten Bügel an den Platindrähten und ſetzt ihn in die Glasbirne ein. An letzterer
iſt ein röhrenförmiger Anſatz (in der Figur nicht gezeichnet), durch welchen die
Luft in der Glasbirne mittelſt einer Queckſilberluftpumpe entfernt werden kann.


Iſt dies geſchehen, ſo läßt
man Gaſolindämpfe eintreten, pumpt
dieſe wieder aus, bis nur mehr ein
Druck von beiläufig 30 Millimeter
Queckſilberhöhe herrſcht, und ſchaltet
nun den halbverkohlten Bügel in
einen Stromkreis ein. Der elektriſche
Strom zerlegt das Gaſolin und
ſcheidet äußerſt fein den Kohlenſtoff
in den Poren des Kohlenbügels aus.
Wichtig iſt hierbei ein ſtarkes Glühen
des letzteren und die Verdünnung
der Gaſolindämpfe; erſteres bewirkt
ein leichteres Abſcheiden des Kohlen-
ſtoffes auf dem Bügel, durch
letzteres wird die ſucceſſive Aus-
ſcheidung äußerſt feiner Kohlen-
theilchen, welche ſich in den Poren
ablagern können, ermöglicht. Ohne
Verdünnung tritt eine raſche Ab-
ſcheidung der Kohle ein, die ſich
dann nur an der Oberfläche des
Bügels abſetzt. Um Kohlenbügel von
gleichem Widerſtande, alſo Lampen
von gleicher Leuchtkraft zu erhalten,
ſchließt Maxim in den Stromkreis
der zu erzeugenden Lampe eine

Figure 443. Fig. 439.

Maxim-Wandarm.


Muſter- oder Normallampe ein und läßt dann ſo lange Kohlenſtoff niederſchlagen,
bis beide Lampen gleich ſtark leuchten. Dann wird die Glasbirne ausgepumpt, ſo
ſtark wie möglich, das Anſatzrohr, durch welches ſie mit der Pumpe in Verbin-
dung geſtanden, abgeſchmolzen und für den Gebrauch in der früher beſchriebenen
Art montirt. Fig. 439 zeigt eine Maxim-Glühlichtlampe in Form eines
Wandarmes.


Der Bügel der Lampe von Maxim hat, kalt gemeſſen, einen Widerſtand
von 73, warm von 39 Ohms, erfordert eine elektromotoriſche Kraft von beiläufig
48 Volts, eine Stromſtärke von 1·25 Ampères und erreicht dann eine Lichtſtärke
von 14·6 Normalkerzen.


Um beim Schadhaftwerden eines Theiles der Lampe nicht gleich die ganze
Lampe wegwerfen zu müſſen, hat Maxim in jüngſter Zeit dem Glaskörper und
[624] der Kohle andere Formen gegeben. Hierbei wird der Abſchluß der Lampe durch
einen Glaspfropf bewirkt, der die ganze innere Einrichtung aufnimmt; die Kohlen
ſind entweder hufeiſenförmig geſtaltet und an den Platindrähten in der früher
angegebenen Weiſe befeſtigt, oder ſie beſitzen die Form gerader, durch ein Klötzchen
oben miteinander verbundener Streifen.


Bei der Glühlichtlampe von Lane-Fox (Fig. 440) ſind an den beiden
Leitungsdrähten e, welche aus den mit Queckſilber gefüllten Röhren f heraustreten,
zwei Metallfedern c befeſtigt, deren Federkraft durch die Stellung eines Schiebers d
aus iſolirendem Materiale verändert werden kann. Zwiſchen die Enden dieſer

Figure 444. Fig. 440.

Lampen von Lane-Fox.


Federn und einen kleinen Zwiſchenkörper b aus Porzellan oder dergleichen werden
die Enden der Kohlenfaſer a gebracht und daſelbſt durch Verſchieben des Schiebers d
feſtgehalten. Die Röhren f und ein Rohr h zum Ausſaugen der Luft aus der
Glocke A gehen durch einen den Glockenhals verſchließenden koniſchen Kautſchuk-
pfropfen g hindurch, welcher mit einer Queckſilberſchicht i bedeckt wird. Um ein Ver-
ſpritzen des Queckſilbers zu verhüten, wird dasſelbe mit einer Schicht j von Schiffsleim
bedeckt. Die Kohlenenden können auch unmittelbar durch ſpiralförmiges Umwickeln
der Leitungsdrähte mit dieſen verbunden werden, und es wird dann die Verbindungs-
ſtelle mit chineſiſcher Tuſche überzogen. Zur Herſtellung der Kohlenfaſern bedient
ſich Lane-Fox eines entſprechend geformten Stückes Coaks, welches an ſeiner
unteren Kante eine Meſſerklinge erhält. Um dieſes Stück Coaks wird Hanffaden
[625] gewunden und ſodann das Ganze in einen Verkohlungsofen gebracht. Beim Ver-
kohlen ziehen ſich die einzelnen Windungen des Hanffadens zuſammen und reißen
unter der Wirkung der Meſſerſchneide alle an derſelben Stelle, ſo daß man lauter
gleiche Fadenſtücke bekommt. Das Carboniſiren der Kohlenbügel wird durch Ein-
bringen derſelben in Benzol- oder andere geeignete Dämpfe bewirkt, indem gleich-
zeitig die Kohle durch den elektriſchen Strom zum Weißglühen erhitzt wird. Die
Verſtärkung der Enden wird dadurch erreicht, daß man ſie mittelſt eines Drahtes
verbindet (alſo einen kurzen Schluß herſtellt, wodurch der übrige Theil des Bügels
ausgeſchloſſen wird) und dann abermals bei Anwendung von Benzoldämpfen einen
elektriſchen Strom durchleitet. Die Lampe wird in verſchiedenen Größen ausgeführt;
ſie erfordert bei einer Leuchtkraft von 8·7 Kerzen 66 Volts und 0·673 Ampères.


Gebrüder Siemens in Charlottenburg (bei Berlin) erzeugen zwei Arten
von Glühlichtlampen (Fig. 441 A und B). Beim Modelle A kommen 0·67 Milli-

Figure 445. Fig. 441.

Lampen von Siemens.


meter ſtarke Zuleitungsdrähte zur Verwendung, die bei f in das Glas eingeſchmolzen
ſind. Der Raum zwiſchen f und c c' iſt zur Sicherung des Verſchluſſes mit Gyps
ausgegoſſen. a und b ſind Klemmen aus Kupferblech, welche einerſeits die Zuleitungs-
drähte, andererſeits den Kohlenbügel einklemmen. Letzterer wird aus Baumwollfaſer
hergeſtellt und iſt an ſeinen Enden verdickt. Das Auspumpen der Lampe wird durch
das Rohr e f bewerkſtelligt, welches man hierauf bei e zuſchmilzt.


Bei dem in Fig. 441 B dargeſtellten Modelle ſind in das Glasſäulchen e f
vier bis ſieben je 0·10 Millimeter dicke Platindrähte (der Lichtſtärke entſprechend)
eingeſchmolzen. Dieſe enden nach außen in Kupferdrähten, welche bei c c' an Meſſing-
contacte angelöthet werden. Nach innen ſind die Platindrähte um die aus Kohle
gebildeten Verdickungen a b des Kohlenbügels befeſtigt. Der Hohlraum bei g erhält
eine Füllung von Glimmerpulver und darüber eine Schichte Gyps. Das Glimmer-
pulver hat den Zweck, die Wärme von den Löthſtellen abzuhalten. Jedes dieſer beiden
Lampenmodelle bedarf eines Stromes von beiläufig 100 bis 105 Volts Spannung.


Urbanitzky: Elektricität. 40
[626]

Die Glühlichtlampe von Siemens \& Halske iſt in Fig. 441 C dargeſtellt.
a und b ſind Kupferhülſen zum Einklemmen des Kohlenbügels, wie dies aus dem
Querſchnitte b' erſichtlich iſt. Den Raum g f erfüllt Glimmerpulver, welches durch
eine darüber angebrachte Gypsſchicht gehalten wird. Bei c c' ſchließen die Kupfer-
drähte an die Contactplatten an.


Mehr oder weniger ähnlich den bereits beſchriebenen Glühlichtlampen werden
ſolche von vielen Firmen erzeugt, wie z. B. von Müller, Greiner \& Friedrichs,
Bruſh
u. ſ. w.


Von dieſen weſentlich unterſchieden iſt die Lampe von Cruto, welche bei der
Ausſtellung zu München das erſtemal zu ſehen war. Cruto erzeugt den Kohlen-
bügel in der Art, daß er einen feinen Platindraht durch den elektriſchen Strom
in der Atmoſphäre eines Kohlenwaſſerſtoffes zur Rothgluth erhitzt. Hierdurch wird
der Kohlenwaſſerſtoff zerſetzt und die Kohle ſcheidet ſich auf dem Platindrahte aus;

Figure 446. Fig. 442.

Cruto-Lampe.


man verflüchtigt hierauf das Platin durch
Steigerung der Stromintenſität und erhält
auf dieſe Weiſe einen hohlen Kohlenfaden.
Bei dem urſprünglichen Modelle wurde der
ſehr feine Platindraht in Geſtalt einer n-
förmig gebogenen Spirale benützt, während
bei dem neuen Modelle die einfache Hufeiſen-
form zur Verwendung kommt. Die Mon-
tirung der Lampe und die Art des Anſchluſſes
an die Stromleitung iſt aus Fig. 442 leicht
zu erſehen. Die beiden aus der Lampe kom-
menden Drähte ſind zu Ringen umgebogen,
von welchen einer mit einer Reihe von
Drahtſchlingen in Verbindung ſteht, die den
Glaskörper der Lampe an der Baſis um-
faſſen, während der andere in ein Häkchen
des Anſchlußtheiles wie bei der Swan’ſchen
Lampe eingehängt wird. Es werden Lampen
zu 4, 8 und 16 Kerzen mit einem Kohlen-
bügel und Lampen mit zwei Kohlenbügeln,
welche man auf Quantität oder auf Spannung ſchalten kann, verfertigt.


Für den Stromverbrauch und die Leiſtungsfähigkeit der Lampe geben nach-
ſtehende Angaben (aus „La lumière électr.” IX) Anhaltspunkte:

Von allen Glühlichtlampen unterſcheidet ſich principiell die Boſton- oder
Bernſtein-Lampe,
welche auf der Wiener Ausſtellung (1883) allgemeines Aufſehen
erregte. Allen übrigen Lampen iſt der hohe Widerſtand des Kohlenbügels, erhalten
durch Vergrößerung ſeiner Länge und Verringerung des Querſchnittes, gemein;
in Folge deſſen werden ſie auch immer in Parallelſchaltung angeordnet. Die
Boſton-Lampen hingegen können vermöge der Conſtruction ihres Kohlenbügels hinter-
[627] einander geſchaltet werden. In der äußeren Form weicht die Bernſtein-Lampe, Fig. 443,
wenig von den übrigen Glühlichtlampen ab. Sie iſt mit ihrem unteren Ende in
einen Meſſingcylinder eingekittet, der mit einem der aus der Glasbirne heraus-
kommenden Drähte verbunden iſt, während der zweite Draht mit der in der Mitte
des Meſſingcylinders eingekitteten Schraube in Verbindung ſteht. Das Originelle
der Lampe bildet der Kohlenbügel. Dieſer wird in folgender Weiſe erzeugt:*) Aus
Textilſtoffen gewirkte, geflochtene, geſtrickte oder ſonſtwie erzeugte Röhrchen oder
Schläuche werden verkohlt und die auf dieſe Weiſe erhaltenen hohlen Kohlen-
cylinder in den Lampen verwendet. Bernſtein nimmt hierzu hauptſächlich aus Seide
gewebte, ſehr dünnwandige hohle Schnur. Entſprechend lange Stücke dieſer
Schnürchen werden auf Dorne aufgeſchoben und hierauf mit einem verkohlbaren
Klebemittel, wie Gummi oder Kleiſter, beſtrichen. Nach-
dem dieſes Klebemittel etwas getrocknet iſt, zieht man die
Röhrchen von den Dornen herunter und legt ſie in
Formen ein, in welchen ſie beim vollſtändigen Erhärten
die gewünſchte Bogenform erhalten. Das Verkohlen erfolgt
in eiſernen Käſtchen, welche, mit Graphit oder Kohlen-
pulver gefüllt, in einem Ofen eingeſetzt werden. Die
Verbindung des auf dieſe Weiſe gewonnenen Kohlenbügels
mit den in das Glasgefäß einzuſchmelzenden Leitungen
geſchieht durch einen aus Kohlenpulver und einem Klebe-
mittel gemiſchten Kitt, welcher ſehr hart wird und eine
dauernde Verbindung zwiſchen Kohle und metalliſchem
Leitungsmaterial bildet.


Die bei der Wiener Ausſtellung vorgenommenen
Meſſungen ergaben, daß die 50 Kerzen-Lampe einen
Strom von 5·39 Ampères und 28·387 Volts (alſo
von 151 Voltampères) erforderte, um eine Lichtintenſität
von 60·7 Kerzen zu entwickeln. Durch die Boſton-Lampe
kann per Pferdekraft ein Licht von 292 Kerzen erhalten
werden, während nach den Münchener Meſſungen für die
Ediſon (8 Kerzen)-Lampe nur 186, für Swan 180 und
für Maxim 109 Kerzen auf die Pferdekraft entfallen.


Böhm hat bei der Conſtruction ſeiner Lampe
darauf Rückſicht genommen, den Glaskörper zu retten,
wenn der Kohlenbügel bricht. Das Glasgefäß g g,

Figure 447. Fig. 443.

Bernſtein-Lampe.


Fig. 444, endigt in einen weiten Hals, an welchen ſeitlich eine Röhre r zum
Anſetzen an die Luftpumpe angeſchmolzen iſt. Der Verſchluß des Glasgefäßes
wird durch einen ſorgfältig eingeſchliffenen Glasſtöpſel bewirkt, in deſſen röhren-
förmige Verlängerung s s die zur Stromführung beſtimmten Platindrähte ein-
geſchmolzen ſind; an den nach innen gerichteten Enden der letzteren iſt der
wellenförmig gebogene Kohlenbügel befeſtigt. Der geſchliffene Stöpſel iſt mit
einem gebogenen Canal c verſehen, welcher bei einer beſtimmten Stellung des
Stöpſels mit der Röhre r in Verbindung tritt. Iſt das Glasgefäß hinreichend
ausgepumpt, ſo wird der eingeſchliffene Glasſtöpſel einfach umgedreht und
40*
[628] dadurch die Communication der äußeren Luft mit dem Innern des Glasgefäßes
aufgehoben.


Es iſt klar, daß behufs Einſetzung eines neuen Kohlenbügels an Stelle
eines ſchadhaft gewordenen nur der Glasſtöpſel herausgenommen zu werden
braucht, um den neuen Bügel an den Platindrähten entſprechend zu befeſtigen;
dann wird das Glasgefäß neuerdings ausgepumpt und dadurch die Lampe wieder
in brauchbaren Zuſtand gebracht.


Diehl wurde bei der Conſtruction ſeiner Lampe von der Abſicht geleitet,
undichte Stellen an den Einſchmelzungsſtellen der Drähte in der Glaswand zu
umgehen; daß die Vermeidung ſolcher Stellen eine der Hauptſchwierigkeiten bei
der Herſtellung von Glühlichtlampen bildet, wurde bereits mehrfach hervorgehoben.
Diehl umging dieſe Schwierigkeit dadurch, daß er überhaupt gar keine Drähte
durch die Glaswand hindurchführt. Das Glasgefäß ſeiner Lampe beſteht aus
zwei ineinander geſteckten oben geſchloſſenen Glasröhren g g und G G, Fig. 445,

Figure 448. Fig. 444.

Lampe von Böhm.


deren untere freie Enden miteinander verſchmolzen werden, ſo
daß der Längsſchnitt des Gefäßes ungefähr ein n bildet. Der
innere Glascylinder iſt an ſeiner Außenſeite von einer großen
Anzahl Drahtwindungen d d umgeben, die voneinander iſolirt
ſind und an ihren freien Enden den Kohlenbügel B tragen. In
den inneren Hohlraum der inneren Röhre wird ein mit wenigen
Windungen eines ſtarken Drahtes verſehener Eiſenſtab E hinein-
geſchoben. Die Enden dieſes Drahtes führen zu den am Geſtelle
der Lampe befeſtigten Polklemmen P P1.


Um die Lampe zum Leuchten zu bringen, werden die
Polklemmen P P1 mit den Leitungsdrähten einer Wechſelſtrom-
Maſchine in Verbindung geſetzt. Der durch die Windungen
dicken Drahtes kreiſende Strom erzeugt durch ſeine fortwährend
wechſelnde Richtung in den dünnen im Innern der Lampe
befindlichen Drahtwindungen d d Inductionsſtröme, und dieſe
bringen den Kohlenbügel zum Glühen und Leuchten. Wollte
man zum Betriebe dieſer Lampe gleichgerichtete Ströme ver-
wenden, ſo müßte auf dem Stromwege zur Lampe ein automatiſch wirkender Strom-
unterbrecher angebracht werden.


Die Entſtehung undichter Stellen iſt bei dieſer Lampe allerdings vermieden,
aber es darf nicht vergeſſen werden, daß durch die indirecte Anwendung der
Maſchinenſtröme, in Form der durch dieſe inducirten Ströme, ein Kraftverluſt
herbeigeführt wird, wodurch der Betrieb einer derartigen Lampe unter ſonſt gleichen
Umſtänden theurer zu ſtehen kommen muß, als bei allen jenen Glühlichtlampen,
welche den Maſchinenſtrom direct benützen.


Mit obigen Beſchreibungen von Glühlichtlampen iſt das vorliegende Material
allerdings nicht erſchöpft; doch dürfte es kaum viel Nutzen bringen, letzteres anzu-
ſtreben. Auch für die Herſtellung der Kohlenbügel wurden bereits verſchiedene
Verfahren angegeben; um ein vollſtändiges Bild von dem gegenwärtigen Stande
der Fabrication von Glühlichtlampen zu erhalten, erübrigt uns noch die Herſtellung
der Lampen,
ſpeciell ihres Glaskörpers und des luftverdünnten Raumes in
demſelben näher zu betrachten. Wir werden hierbei im Weſentlichen einer Beſchrei-
bung folgen, welche das Journal „Scientific American” (im XLVIII Bd.) über
die Herſtellung der Glühlichtlampen der „Hamond Electric Light and Power
[629] Supply Company”
gebracht hat. Die Einrichtung der Fabrik für dieſe Geſellſchaft
wurde von F. Wright und Mackie in London beſorgt und von dieſem auch
eine eigene Glasblasmaſchine conſtruirt.


Die Fabrik beſteht aus einem vierſtöckigen Gebäude mit einem Geſammt-
flächenraum von ungefähr 450 Quadratmeter. Im Kellerraume iſt eine achtpferdige
Dampfmaſchine (von Marſhall \& Sons) aufgeſtellt, welche 180 Touren per Minute
macht und zum Betriebe einer Siemens- und einer Ferranti-Wechſelſtrommaſchine
ſammt den beiden Erregermaſchinen dient. Die Ferranti-Maſchine beſorgt die Be-
leuchtung der Fabrik und liefert den Strom, welcher die Kohlenfäden während
des Luftauspumpens aus den Lampen glühend
erhält; ſie wird auch zu etwaigen Verſuchen
verwendet. Die Siemens-Maſchine beſorgt das
Niederſchlagen von Kohle auf den Kohlen-
bügeln.


Die Wright’ſchen Glasblasmaſchinen,
12 an der Zahl, ſind in einem Erdgeſchoſſe
aufgeſtellt und werden von 14- bis 16-
jährigen Knaben bedient, wie ſolche auch die
Herſtellung der Kohlenbügel beſorgen. Letztere
werden gegenwärtig aus einer Grasart ver-
ſertigt; es kann hierzu jedoch jede vegetabiliſche
Faſer benützt werden. Die Faſer wird zunächſt
um ein cylindriſches Stäbchen gebogen, ſo
daß ſie eine Schlinge bildet (wie bei Swan)
und dann mit dem Stäbchen gelinde erhitzt.
Sie verliert dadurch ihre Elaſticität und
behält daher, vom Stäbchen herabgenommen,
die ihr ertheilte Form bei. Hierauf verpackt
man die Faſern mit Graphit- oder Kohlen-
pulver in Schmelztiegeln und verkohlt ſie
in dieſen. Die Befeſtigungsart des Kohlen-
bügels an den Platindrähten wird geheim
gehalten; ſie kann in der Weiſe bewerkſtelligt
werden, daß man den Platindrähten die Form
einer Spirale giebt, die Kohlenenden in dieſe
hineinſteckt und durch einen Kitt darin feſt-
hält. Schließlich kommen die Kohlenfäden in
eine Flüſſigkeit, aus welcher Kohle in den

Figure 449. Fig. 445.

Lampe von Diehl.


Poren des Bügels niedergeſchlagen wird; der Kohlenfaden wird hierdurch dicht,
elaſtiſch und metalliſch glänzend. Man unterſucht hierauf, ob der Widerſtand der
gewünſchte iſt, indem man den Bügel mit Hilfe der Wheatſtone’ſchen Brücke mit
fertigen Lampen vergleicht.


Die Platindrähte, welche den Kohlenfaden tragen, werden zunächſt in einem
Glasſtöpſel eingeſchmolzen (Fig. 446, 1), dann in die Lampenkugel eingeſetzt (2)
und mit dem Halſe derſelben verſchmolzen (3). Zur Herſtellung dieſes Glaskörpers
werden cylindriſche Röhren (4) von 230 Millimeter Länge und 20 Millimeter
Durchmeſſer in der Mitte zu einem dünnen Rohre ausgezogen und dann an den
dicken Enden derſelben Kugeln angeblaſen (5). Die beiden Kugeln werden von-
[630] einander durch Abbrechen der ſie verbindenden Glasröhre getrennt. Nach dem
Einſetzen des Kohlenbügels in die Glaskugeln hat die Lampe die in Fig. 446, 6
abgebildete Form.


Zum Ausziehen der Glasröhre, Kugelblaſen und Einſchmelzen wird die
bereits erwähnte Glasblasmaſchine verwendet. Dieſe, ihrem äußeren Anſehen nach
ähnlich einer Drehbank, beſteht aus einem horizontalen Bette A, Fig. 447, welches
einen unverſchiebbaren Drehknopf D und einen horizontal verſchiebbaren E trägt.
Durch dieſe Drehknöpfe gehen hohle Wellen, die an den einander gegenüberſtehenden
Enden mit Klemmknöpfen B C ausgerüſtet ſind. Die beiden Wellen erhalten durch
eine dritte Welle W ihren Antrieb, indem Zahnräder dieſer Welle in die Zahn-
räder der erſtgenannten Wellen entſprechend eingreifen. Damit beim Verſtellen des
Drehknopfes E die Drehung nicht aufgehalten wird, iſt das entſprechende Hilfs-

Figure 450. Fig. 446.

Anfertigung der Glühlichtlampen.


zahnrad in einer Nuth auf der Welle W verſchiebbar. Aus dem Reſervoir R wird
comprimirte Luft in die hohlen Wellen geleitet und kommt durch dieſe in die
Glasröhre. Wird letztere unter continuirlicher Drehung von der Stichflamme F
erhitzt, ſo beſorgt die comprimirte Luft das Aufblaſen der Kugel. Die Geſtaltung
derſelben hat man dadurch in der Hand, daß die Stichflamme auf ihrem Support
nach allen Richtungen hin bewegt werden kann. Ein Knabe kann mit Benutzung
dieſer Maſchine 250 bis 300 Kugeln per Tag herſtellen.


Iſt die Herſtellung der Lampe ſoweit fortgeſchritten, wie es Fig. 446, 6
zeigt, ſo kommt die Lampe in eine obere Etage der Fabrik, in welcher die Queck-
ſilberluftpumpen aufgeſtellt ſind. Es iſt bei Beſprechung der Glühlichtlampen
wiederholt darauf hingewieſen worden, daß ein möglichſt vollſtändiges Entfernen
der Luft aus dem den Kohlenbügel umgebenden Glaskörper unerläßlich iſt, wenn
nicht der Kohlenbügel in kürzeſter Zeit zu Grunde gehen ſoll.


[631]

Nicht nur der Sauerſtoff der Luft wirkt ſchädlich, indem er Verbrennung
der Kohle bewirkt, ſondern auch andere Gaſe, die mechaniſch einwirken, befördern
die Zerſtörung. Bei der hohen Temperatur in der Lampe ſind nämlich die Gas-
theilchen in beſtändiger äußerſt heftiger Bewegung und dadurch wird der Kohlen-
bügel einem beſtändigen Bombardement ausgeſetzt, was offenbar deſto heftiger

Figure 451. Fig. 447.

Glasblasmaſchine.


werden muß, je mehr Gastheilchen im Lampengefäße enthalten ſind. Um eine ſo
hohe Verdünnung der Luft, ein ſogenanntes Vacuum herzuſtellen, reichen die zu
anderen Zwecken häufig angewandten Luftpumpen nicht aus. Dieſe geſtatten ſelbſt
bei vorzüglicher Conſtruction doch nur, eine Verdünnung der Luft bis zu einem
Drucke von 2 oder 1·5 Millimeter Queckſilberſäule zu erreichen; aus dieſem Grunde
mußte man ſich zur Anwendung der Queckſilberluftpumpen entſchließen. Man hat
[632] deren von zweierlei Conſtruction; die eine beruht auf Anwendung der Barometer-
leere, *) die andere auf der ſaugenden Wirkung eines durch eine Röhre herabfallenden
Queckſilberſtrahles. Erſtere iſt in der von Geißler erfundenen Conſtruction vielfach
in Anwendung, letzterer hat Sprengel eine brauchbare Form gegeben.


Die Geißler’ſche Queckſilberluftpumpe iſt ſpäter von Töpler derart um-
geändert worden, daß die Hähne überflüſſig wurden. Dieſe Form der Pumpe iſt es
nun, welche die Hamond Electric Light Company verwendet. Zwei Paare dieſer
Luftpumpen ſind in Fig. 449 in verſchiedenen Stellungen abgebildet. Je zwei
birnförmige Gefäße A und B ſind untereinander durch einen weiten Kautſchuk-
ſchlauch R und einen engen Kautſchukſchlauch r verbunden. An jener Stelle z, an

Figure 452. Fig. 448.

Toricelli’s Verſuch.


welcher die Birne B in das die Kautſchuk-
röhre R tragende Rohr übergeht, zweigt eine
dritte Röhre s ab, die zunächſt aufwärts
ſteigt, dann zweimal umbiegt und endlich in
das Gefäß g führt. Die Gefäße A können
zwiſchen den beiden verticalen Balken des
Gerüſtes an zwei Führungsſtangen gehoben
und geſenkt werden. In ihrer tiefſten Stellung
(Pumpe I) muß die Oberfläche des darinnen
befindlichen Queckſilbers von der Abzweigungs-
ſtelle z der Röhre s mehr als 760 Milli-
meter entfernt ſein; auch die Röhre s s darf
nicht weniger hoch ſein. Das Gefäß g ent-
hält concentrirte Schwefelſäure, um der Luft
etwaige Feuchtigkeit zu entziehen. Mit dieſem
Gefäße ſind die einzelnen Lampen, aus welchen
die Luft entfernt werden ſoll, durch ein hori-
zontales Rohr mit entſprechend vielen verti-
calen Anſätzen verbunden.


Hiernach ergiebt ſich Spiel und Wirk-
ſamkeit der Pumpe in folgender Weiſe. Das
Gefäß A wird gehoben und dadurch das
darinnen befindliche Queckſilber veranlaßt, im
ſelben Maße durch das Kautſchukrohr R
gegen das Gefäß B zu fließen, endlich dieſes
ganz zu erfüllen und, wenn das Gefäß A
die Stellung II erreicht hat, durch die
Röhre r wieder in das Gefäß A zurückzufließen.
Aus dem Gefäße B iſt ſonach alle Luft ausgetrieben worden (nämlich durch die
Röhre r, welche unterhalb der Queckſilberoberfläche in A ausmündet). Wird hierauf
[633] das Gefäß B wieder herabgelaſſen, ſo kann die Queckſilberſäule in R nicht höher ſtehen,
als dem jeweiligen Barometerſtande entſpricht. Da nun aber das Gefäß B über
dieſem liegt, muß ſich, ſobald A unten angelangt iſt, das Queckſilber bis unterhalb
des Gefäßes B zurückziehen, d. h. das Gefäß B muß luftleer werden. Es iſt
klar, daß irgend ein lufterfüllter Raum, der jetzt mit dieſem luftleeren Raume in
Verbindung geſetzt wird, luftverdünnt werden muß; iſt aber in dieſem zweiten
Raume die Luft ohnehin ſchon verdünnt, ſo kann ſie durch dieſen Vorgang noch
weiter verdünnt werden, bis endlich bei hinlänglich häufiger Wiederholung der
Luftdruck in dem auszupumpenden Raume ein Minimum geworden iſt. Dies iſt
im Principe der Vorgang, welcher beim Auspumpen der Lampen vor ſich geht.


Das Gefäß A wird gehoben, das Queckſilber ſteigt und ſchiebt die Luft
vor ſich her durch die Röhre r hinaus und nicht durch s in die Lampen zurück,
weil das Queckſilber eben durch ſein Steigen über die Abzweigung bei z dieſen
Ausweg der Luft verſperrt. Iſt das ganze Gefäß B mit Queckſilber gefüllt und
beginnt bereits dieſes an Stelle der vollkommen verdrängten Luft durch r über-
zufließen, ſo wird das Gefäß B, wieder geſenkt und nun wird ſich in B ein Vacuum
bilden, wenn nicht durch das Sinken des Queckſilbers unter die Abzweigungsſtelle z
die Verbindung von B mit den Lampen wieder hergeſtellt worden wäre. Es
bildet ſich daher kein Vacuum in B, ſondern nur ein luftverdünnter Raum in B
und den Lampen *). Hierbei kann das Queckſilber in R nicht ganz hinabſinken und
von außen Luft in B eintreten, da B einerſeits mit den Lampen in Verbindung
ſteht, welche nur gegen die Pumpe zu offen ſind, andererſeits durch die Röhre r
mit A in Verbindung ſteht. Durch dieſe Röhre kann jedoch keine Luft von außen
eintreten, weil ihr unteres Ende, wie bereits angegeben, unterhalb des Queck-
ſilberſpiegels in A ausmündet. Durch r kann alſo wohl Luft aus B durch das
Queckſilber hinausgepreßt werden, nie aber umgekehrt Luft nach B von außen her
einſtrömen. R und r ſind zwei mit ihrem unteren Ende in das Queckſilber bei A
tauchende Röhren, deren obere Enden allerdings mit den Lampen in Verbindung
*)
[634] ſtehen, aber von außen abgeſchloſſen ſind. Da nun durch das erſte Heben und
Senken von A ein Quantum Luft normalen Druckes gleich dem Volumen von R
plus B
hinausgeſchafft wurde, ſo wirkt offenbar auf das Queckſilber in den

Figure 453. Fig. 449.

Queckſilberluftpumpen.


Röhren R und r von innen her ein geringerer Druck als von außen her. Der
äußere Luftdruck muß deshalb das Queckſilber in den beiden Röhren bis zu einer
beſtimmten Höhe emportreiben. Dies iſt das Reſultat des erſten Hebens und
Senkens von A.


Wird nun A neuerdings gehoben, ſo ſteigt das Queckſilber abermals in R,
hebt die Verbindung von B mit s bei z auf, drängt die verdünnte Luft in B
[635] immer mehr zuſammen und dadurch die Queckſilberſäule in r hinab, bis endlich die
Luft aus B ganz verdrängt und durch r hinausgepreßt iſt.


Nachdem das Queckſilber z überſtiegen, hat es zwei Wege offen, nämlich
nach B und nach s; natürlich dringt es auch in beide ein. Und wie hoch muß
es in s ſteigen? Offenbar ſo hoch, daß die Queckſilberſäule in s, gemeſſen von
der Oberfläche in A (welches jetzt oben bei B iſt, Stellung II) bis zur Kuppe
in der Röhre, dem Drucke der verdünnten Luft in den Lampen das Gleichgewicht
hält. Da nun der Luftdruck in den Lampen ſchließlich möglichſt nahe an Null
herabgebracht werden ſoll, wird die Säule in s eben dann, wenn dies erreicht
iſt, beiläufig in Barometerhöhe über B ſtehen. Dieſer Umſtand erklärt uns nun,
warum auch die Röhres über Barometerhöhe hoch ſein muß, wenn das Uebertreten
von Queckſilber in die Lampen vermieden, das Auspumpen überhaupt ermöglicht
werden ſoll.


Doch kehren wir wieder zum zweiten Pumpenzuge zurück. Die verdünnte
Luft wurde alſo aus B hinausgepreßt und A hatte ſeinen oberen Standpunkt
erreicht (Stellung II). Wir ſenken nun das Gefäß A neuerdings und ſetzen das
hierdurch in B abermals gebildete Vacuum wieder mit dem luftverdünnten Raume
in den Lampen in Verbindung. Die Folge hiervon muß offenbar eine noch ſtärkere
Verdünnung der Luft in den Lampen ſein. (Das Queckſilber in s iſt beim Senken
von A natürlich zurückgefloſſen.)


Da ſich beim jedesmaligen Heben und Senken von A dieſe Vorgänge wieder-
holen, ſo leuchtet wohl ein, daß hierdurch die Verdünnung der Luft in den Lampen
immer weiter fortſchreiten muß, alſo der angeſtrebte Zweck erreicht wird.


Um dieſe Operationen fabriksmäßig betreiben zu können, muß das Heben
und Senken der ſehr ſchweren Gefäße A natürlich durch Maſchinen bewerkſtelligt
werden. Dies wird, wie die Abbildung Fig. 449 erkennen läßt, auch thatſächlich
durch eine horizontale Welle, an welcher die einzelnen Gefäße A unter Vermittlung
eines Halbrades aufgehängt ſind, bewirkt. Der die Pumpe bedienende Mann hat
nur die „Steuerung“ der Bewegung zu beſorgen, d. h. zur entſprechenden Zeit
die Hebung oder Senkung zu veranlaſſen und die Geſchwindigkeit der Bewegung
zu reguliren. Mit jeder Pumpe werden gleichzeitig 12 Lampen ausgepumpt. Dieſe
ſind durch ein dünnes Röhrchen mit der Pumpe verbunden und hängen an je
einer Spiralfeder; iſt die Verdünnung, während welcher durch die Kohlenbügel
ein elektriſcher Strom geleitet wird, hinlänglich weit fortgeſchritten, ſo erhitzt ein
zweiter Mann durch eine Stichflamme die Verbindungsröhrchen der Lampen. Hier-
durch wird das Verbindungsröhrchen weich und durch den äußeren Luftdruck zu-
ſammengedrückt, während die Spiralfeder die Lampe aufwärts zieht. Endlich trennt
ſich die zugeſchmolzene Lampe von dem ebenfalls zugeſchmolzenen Verbindungs-
röhrchen. Die nun fertige Lampe hat das Ausſehen, wie es Fig. 446, 7 zeigt.


Ueber die Einrichtungen der großen Fabrik zu Ivry bei Paris zur Erzeu-
gung Ediſon’
ſcher Glühlichtlampen hat Th. du Moncel eingehendere Mit-
theilungen gemacht. Wie bereits angegeben, beſteht der Bügel der Ediſon-Lampe
aus verkohlter Bambusfaſer. Jedoch wird hierzu nicht jedes beliebige Bambus
verwendet, ſondern man nimmt am liebſten dreijähriges. In Ivry ſchneidet man
das Bambus in Streifen von zweierlei Größen, entſprechend den zweierlei Lampen-
ſorten, die dort erzeugt werden. Die A-Lampe zu 16 Normalkerzen erhält einen
Kohlenbügel, deſſen Widerſtand 140 Ohms beträgt und die B-Lampe zu 8 Normal-
kerzen einen von 60 bis 70 Ohms Widerſtand.


[636]

Die birnförmigen Lampengläſer werden nicht in der Fabrik ſelbſt erzeugt,
ſondern aus den böhmiſchen Glashütten bezogen, welche auch die Glasröhren zum
Einſchmelzen der Leitungsdrähte und Verſchließen der Lampe liefern. An die Glas-
birnen werden enge Röhrchen angeſchmolzen, welche dazu dienen, die Glasbirne
mit der Queckſilberpumpe in Verbindung zu ſetzen. Das Einſetzen der Kohlenbügel
erfolgt in nachſtehender Weiſe. Cylindriſche Glasröhren von entſprechenden Dimen-
ſionen werden an zwei Stellen aufgeblaſen, ſo daß zwei 6 bis 8 Centimeter

Figure 454. Fig. 450.

Queckſilber-Luftpumpen.


voneinander entfernte Kugeln entſtehen.
Man trennt hierauf beide Kugeln, indem
man das ſie verbindende 6 bis 8 Centi-
meter lange, cylindriſche Röhrenſtück in
der Mitte auseinander ſchneidet. Hierauf
ſchmilzt man in den cylindriſchen Theil
einer ſolchen Röhrenhälfte die Platindrähte
dadurch ein, daß man die glühenden und
weichen Cylinderränder über die beiden
Platindrähte feſt aneinander preßt.


An die ſehr kurzen Platindrähte
werden dann Kupferdrähte gelöthet, die
man knieförmig biegt, platt ſchlägt und
dieſe Abplattungen dann zangenförmig
krümmt, da ſie dazu beſtimmt ſind, den
Kohlenbügel aufzunehmen. Das Einſetzen
der Kohlenbügel in dieſe Kupferzangen
und Zubiegen derſelben erfordert leichte
und geſchickte Hände; in Ivry iſt dieſe
Arbeit zumeiſt Frauen anvertraut. Um die
Feſtigkeit zu erhöhen, und einen guten
Contact zwiſchen Kohle und Kupferdraht
zu ſichern, werden die Verbindungsſtellen
hierauf mit einem galvaniſchen Kupfer-
niederſchlage verſehen. Man ſetzt zu dieſem
Behufe die den Bügel tragende Glasröhre
mittelſt eines Kautſchukſtöpſels in den
Boden einer Kufe derart ein, daß der
Kohlenbügel nach oben gerichtet iſt, die
kugelförmige Verdickung des Glasrohres
aber unterhalb der Kufe zu ſtehen kommt.
Die freien Kupferdrahtenden ſämmtlicher
Kohlenträger werden dann mit dem negativen Pole einer galvaniſchen Batterie
verbunden, während der poſitive Poldraht der letzteren zu Kupferſtangen führt,
die den Kohlenbügeln gegenüber in die Kufe eingeſenkt werden. Letztere wird dann
mit einer concentrirten Löſung von Kupfervitriol gefüllt, die ſo hoch über die
Verbindungsſtellen der Kohlen mit den Kupferdrähten hinausreicht, als man den
Kupferniederſchlag zu erhalten wünſcht.


Nach der Verkupferung der Verbindungsſtellen führt man die Kohlenbügel
mit ihrer Glasröhre in das Lampengefäß ein, ſo daß die Kugel der Röhre an
dem Halſe des Lampengefäßes anliegt und verbindet beide Theile durch Zuſammen-
[637] ſchmelzen. Beſondere Sorgfalt wird bei allen Schmelzoperationen auf ein langſames
Abkühlen der glühenden Glastheile verwendet, um hierdurch ein Springen derſelben
hintanzuhalten. Die Lampen werden zu dieſem Behufe durch eine Art horizontalen
Rahmen ſucceſſive über Gasbrenner von der Reihe nach abnehmender Intenſität
geführt, ſo daß ſie, beim letzten Brenner angelangt, bereits genügend abgekühlt
ſind, um in den Luftpumpenraum befördert werden zu können.


Das Auspumpen der Lampen wird in der Fabrik zu Ivry mit Sprengel-
ſchen Luftpumpen bewerkſtelligt. Die Anordnung iſt derart getroffen, daß ſtets
gleichzeitig 450 Lampen ausgepumpt werden können. Die Pumpen ſind in einem
großen Saale der Reihe nach an verticalen Holzwänden P befeſtigt, wie dies Fig. 450
für eine derſelben zeigt. Oberhalb und unterhalb der Holzwände laufen horizontale
eiſerne Röhren D D und D' D', welche das Queckſilber den Luftpumpen zuführen,
beziehungsweiſe von ihnen ableiten. Dieſe beiden Röhren münden in je ein mit
Queckſilber gefülltes Reſervoir; das obere Reſervoir ſteht mit dem unteren durch
ein großes ſchief liegendes Rohr in Verbindung, in welchem eine Archimedes-
Schraube *) durch einen Motor in Bewegung geſetzt wird. Die Schraube ſorgt
auf dieſe Art dafür, daß das Queckſilber aus dem unteren Reſervoir continuirlich
in das obere übergeführt wird.


Vom oberen Reſervoir aus vertheilt ſich das Queckſilber durch das horizontale
Eiſenrohr D D auf die damit verbundenen verticalen Kautſchukrohre B der einzelnen
Pumpen. Das Queckſilber fällt durch die Röhren A B hinab, fließt durch die
geneigte Röhre bei C in das verticale Rohr T. Wo die ſchiefe Röhre in dieſes
einmündet, trifft das Queckſilber mit einer Luftſäule zuſammen und reißt in ſeinem
Falle durch das beiläufig 80 Centimeter lange Rohr T B' Luft in Blaſenform
mit. So wird der Raum des Rohres, welcher ſich oberhalb der Einmündungsſtelle
der ſchiefen Röhre befindet, nach und nach der ihn erfüllenden Luft beraubt oder
ausgepumpt. Das Rohr T ſetzt ſich nach oben in die umgebogene Röhre S fort,
welche in das Reſervoir R ausmündet. Dieſes enthält concentrirte Schwefelſäure,
um Feuchtigkeit zu abſorbiren und iſt bei O mit einem Anſatze verſehen, in welchem
die Lampe L durch das zum Ausſaugen der Luft beſtimmte Glasröhrchen mittelſt
[638] Kautſchukpfropfens luftdicht befeſtigt wird. Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß durch dieſe
Verbindung der Lampe mit dem Fallrohre T auch aus der Lampe die Luft aus-
gepumpt werden muß. Der Kohlenbügel der Lampe iſt mit einem Stöpſelumſchalter
und einem Rheoſtaten F in den Stromkreis einer Elektricitätsquelle eingeſchaltet.


Zu Beginn des Auspumpens ſind ſämmtliche Widerſtände F eingeſchaltet
und geht daher ein verhältnißmäßig ſchwacher Strom durch den Kohlenbügel.
Je weiter aber die Verdünnung fortſchreitet, deſto mehr Widerſtände ſchaltet man
aus und läßt ſchließlich bei Ausſchaltung ſämmtlicher Widerſtände den Strom in
voller Stärke durchgehen, wenn die Verdünnung der Luft die gewünſchte Höhe
erreicht hat. Leuchtet dann die Lampe mit der geforderten Intenſität, ſo unterbricht
man das Auspumpen, indem man den Queckſilberzufluß durch Schließen des
Hahnes D abſperrt.


Um die Lampe zu vollenden, hat man ſie nun noch vollkommen zu ver-
ſchließen, was durch Abſchmelzen des Röhrchens bei a mit Hilfe einer Stichflamme
bewirkt wird. Die Lampe iſt dann bis auf die Montirung mit den nothwendigen
Anſatztheilen zum Gebrauche fertig. In welcher Art die Montirung ausgeführt
wird, wurde bereits angegeben (Seite 615).


Vergleichung der Glühlichtlampen. Um Glühlichtlampen untereinander
vergleichen zu können, muß der in ihnen verbrauchte Effect bekannt ſein. Dieſer
wird im elektriſchen Maße erhalten, wenn man die in Volts gemeſſene Potential-
differenz an den Zuleitungsdrähten multiplicirt mit der in Ampères gemeſſenen
Stromſtärke. Das Product: Stromſtärke mal Potentialdifferenz giebt uns daher
einen Anhaltspunkt zur Beurtheilung der Güte einer Glühlichtlampe. Sonach
könnte man glauben, die Höhe der Potentialdifferenz oder jene der Stromſtärke
ſei gleichgiltig, wenn nur das Product beider dasſelbe bleibt. Dem iſt aber nicht
ſo, da dieſe beiden Größen in Bezug auf den hierzu nöthigen Arbeitsaufwand,
die Lichtſtärke, die Dauer der Lampe und die Herſtellung der Leitungen keine
gleichwerthigen ſind. Wir haben hier zwei Fälle zu unterſcheiden, nämlich: Lampen,
welche mit hoher Spannung und geringer Stromſtärke arbeiten und ſolche, welche
geringer Spannung und hoher Stromſtärke bedürfen.


Will man mit beiderlei Lampen dieſelbe Lichtſtärke erhalten, ſo hat man für
Lampen, die mit hochgeſpannten Strömen von geringer Stromſtärke arbeiten ſollen,
Kohlenbügel zu verwenden, die verhältnißmäßig lang ſind, aber einen kleinen Quer-
ſchnitt beſitzen. Hingegen müſſen Lampen, die mit Strömen geringer Spannung,
aber großer Intenſität betrieben werden ſollen, einen kurzen Bügel mit verhält-
nißmäßig großem Querſchnitte erhalten. Natürlich iſt hierbei für die Kohlenbügel
gleiches Material vorausgeſetzt. Die Grenze, wie weit man mit der Steigerung
der Spannung gehen kann, iſt für die Beleuchtung mit Glühlichtlampen durch die
Haltbarkeit des Kohlenbügels gegeben. Je höher nämlich die Spannung wird,
deſto größer muß die Länge und deſto kleiner der Querſchnitt des Kohlenbügels
werden. So geben Siemens \& Halske ihren Glühlichtlampen für 10 Normalkerzen,
die mit Strömen von 105 Volts Spannung arbeiten, Kohlenbügel von 110 Milli-
meter Länge und 0·15 Millimeter Durchmeſſer. Es iſt klar, daß ein weiteres
Verringern des Durchmeſſers oder Erhöhen der Länge auch die Gebrechlichkeit des
Bügels erhöhen muß. Die Grenze für die praktiſch zuläſſige Stromſtärke beſtimmt
nicht nur der Kohlenbügel, ſondern hier wirkt auch die Anlage der Leitung ein.


Eine Lampe, die mit Strömen großer Intenſität aber geringer Spannung
arbeiten ſoll, muß kurze und dicke Kohlenbügel erhalten, weil ja der Widerſtand
[639] ein geringer ſein ſoll. Der Kohlenbügel gewinnt hierdurch allerdings an Feſtigkeit,
ſoweit er mechaniſchen Einwirkungen ausgeſetzt iſt. Er erhält dadurch aber auch
eine verhältnißmäßig große Maſſe. Um dieſe zum Glühen zu bringen, muß aber
ein großer Theil der Energie in Wärme umgewandelt werden, die nicht nur für
die Lichterzeugung verloren geht, ſondern auch die Zerſtörung der Lampe befördert.
Die Anwendung geringer Spannungen und hoher Stromſtärken führt aber, wie
wir gleich ſehen werden, auch noch andere Nachtheile mit ſich.


Die Stärke der Leitungen muß aus Rückſicht auf die Feuerſicherheit ſo
gewählt werden, daß die Erhitzung derſelben eine gewiſſe Größe nicht überſchreitet;
andererſeits kann ſie aber wegen des Materialpreiſes nicht ſo groß genommen
werden, daß der Energieverluſt durch die Leitung ganz vermieden wird. Man
ſchlägt daher einen Mittelweg ein und geſtattet einen Energieverluſt von etwa
10 Procent. Vergleichen wir nun, unter Vorausſetzung gleichen Energieverluſtes durch
die Leitung, zwei gleiche Beleuchtungsanlagen, deren eine mit Ediſon-, deren andere
mit Swan-Lampen ausgeführt wurde. Für das Product: Stromſtärke mal Spannung,
welches conſtant ſein ſoll, kann man auch ſetzen das Quadrat der Stromſtärke
mal Widerſtand, weil ja die Spannung gleich iſt dem Producte Widerſtand mal
Stromſtärke. Soll nun aber das Product: Quadrat der Stromſtärke mal Wider-
ſtand für die Leitungen dasſelbe bleiben, auch bei Anwendung von Lampen, die
verſchiedene Stromſtärken erfordern, ſo muß ſich der Widerſtand der Leitung mit
dem Quadrate der Stromſtärke ändern, d. h. bei zwei-, drei-, viermal größerer
Stromſtärke muß der Widerſtand vier-, neun-, ſechzehnmal geringer werden. Dies
erreicht man bei den Leitungen dadurch, daß man den Querſchnitt vier-, neun-,
ſechzehnmal größer macht. Man kann daher ſagen, daß der Querſchnitt und ſomit
auch das Gewicht der Leitung mit dem Quadrate der zum Betriebe der Lampe
erforderlichen Stromſtärke wachſen muß. Da nun die Swan-Lampe einen beiläufig
doppelt ſo ſtarken Strom erfordert als die Ediſon-Lampe, ſo erfordert eine Beleuch-
tungsanlage mit Swan-Lampen das vierfache Gewicht an Leitungsmaterial als eine
gleich große Anlage mit Ediſon-Lampen.


Dieſes Verhalten ſpricht natürlich ſehr zu Ungunſten jener Lampen, welche
Ströme hoher Stromſtärke bedürfen, und zwar namentlich dann, wenn die Anlage
eine große wird, alſo die Leitungen erhebliche Längen bekommen, wie dies z. B.
bei Centralſtationen für elektriſche Beleuchtung der Fall iſt. Es wäre jedoch falſch,
hieraus auf Unbrauchbarkeit der Lampen für höhere Stromſtärke zu ſchließen, da
die eben beſprochenen Umſtände einerſeits bei kurzen Leitungen kaum in Betracht
kommen, andererſeits aber bei ausgedehnten Leitungen durch die Schaltung der
Lampen in vielen Fällen unſchädlich gemacht werden können. Ordnet man nämlich
nicht ſämmtliche Lampen parallel nebeneinander an, wie dies bei Glühlichtern
gewöhnlich geſchieht, ſondern je zwei hintereinander, ſo wirken dieſe beiden Lampen
gerade ſo wie eine Lampe, welche die doppelte Spannung erfordert. Die Nachtheile
der Anwendung von Lampen für hohe Stromſtärke und geringe Spannung können
alſo durch Hintereinanderſchaltung zweier oder auch mehrerer Lampen paralyſirt
werden. Dieſes Auskunftsmittel iſt jedoch nur dann zuläſſig, wenn man nicht die
volle Unabhängigkeit einer Lampe von der andern fordert, wenn man darauf
verzichtet, jede Lampe beliebig auslöſchen oder anzünden zu können. Die räumliche
Vertheilung einzelner Lampen iſt hierbei natürlich ausgeſchloſſen, weil ja das
Auslöſchen oder Anzünden einer Lampe das Auslöſchen oder Anzünden ſämmtlicher
hintereinander geſchalteter Lampen zur Folge hätte.


[640]

Bei größeren Anlagen kann jedoch die Hintereinanderſchaltung auch in der
Weiſe erfolgen, daß man nicht die einzelnen Lampen, ſondern größere Lampen-
gruppen hintereinanderſchaltet. Bei dieſer Anordnung wird die Koſtſpieligkeit der
Leitung gleichfalls vermieden, und hat das Auslöſchen einer Lampe noch nicht das
Auslöſchen aller Lampen derſelben Gruppe zur Folge. Hier kann eine oder können
ſelbſt mehrere Lampen ausgelöſcht werden, ohne die übrigen Lampen zu ſtören,
vorausgeſetzt, daß die betreffende Gruppe eine hinlänglich große Anzahl von Lampen
umfaßt. Es iſt nämlich zu bedenken, daß der Strom, welcher durch die einzelnen
Gruppen fließt, hierbei derſelbe bleibt, daß alſo die in Thätigkeit bleibenden Lampen
ihn, ohne Schaden zu nehmen, bewältigen können müſſen. Dieſe Anordnung bewährt
ſich ganz gut, wenn ſämmtliche Lampen einer Gruppe ſtets gleichzeitig brennen
oder ausgelöſcht werden, wie dies z. B. bei Beleuchtungsanlagen in Theatern u. dgl.
der Fall iſt. Sie ſtößt jedoch namentlich dann auf erhebliche Schwierigkeiten, wenn
Lampen verſchiedener Leuchtkraft erforderlich ſind.


Bis jetzt ſetzten wir bei der Vergleichung der Glühlichtlampen gleiche Tem-
peratur der Kohlenbügel voraus. In Bezug auf den Nutzeffect iſt es jedoch nicht
gleichgiltig, bis zu welcher Temperatur der Kohlenfaden erhitzt wird. Die Stei-
gerung der Temperatur übt auf die Leuchtkraft eine zweifache Wirkung aus: ſie
vermehrt die Strahlen und ſteigert gleichzeitig die Intenſität jedes Strahles. Man
erhält daher für einen beſtimmten Kraftaufwand, z. B. eine Pferdekraft, deſto mehr
Licht, je höher die Temperatur des Kohlenfadens ſteigt. So giebt Siemens an,
daß bei einer beſtimmten, ſchwachen Rothglut durch beſtimmte Kohlenbügel nur
10 Normalkerzen erhalten werden können, während ebenſolche Kohlenbügel in heller
Weißgluth für denſelben Kraftaufwand 300 Normalkerzen geben.


Bei jedem leuchtenden Körper hat man die Ausſendung leuchtender und nicht-
leuchtender Strahlen zu unterſcheiden. Für uns haben natürlich nur die erſteren
einen Werth; die Umwandlung von Elektricität in letztere iſt für uns ein Energie-
verluſt. Es iſt ſowohl von theoretiſchem Intereſſe, als auch von praktiſchem Werthe,
das Verhältniß zwiſchen leuchtenden und nichtleuchtenden Strahlen einer Lichtquelle
zu kennen. Letzteres iſt uns dadurch ermöglicht, daß die Phyſik ein Mittel an die
Hand giebt, beiderlei Strahlen voneinander zu trennen. Dies beſteht in der An-
wendung einer Löſung von Jod in Schwefelkohlenſtoff, welche die Eigenſchaft hat,
die leuchtenden Strahlen einer Lichtquelle zu abſorbiren oder zu verſchlucken, während
die nicht leuchtenden Strahlen ungehindert durchgehen. Verſuche, welche Tyndall
in dieſer Weiſe mit verſchiedenen Lichtquellen anſtellte, ergaben als Antheil der
leuchtenden Strahlen an der Geſammtſtrahlung einer Oelflamme 3 Procent, einer
Gasflamme 4 Procent, einer weißglühenden Platinſpirale 4·6 Procent und des
Voltabogens 10 bis 11 Procent. Hieraus erſehen wir, daß ſelbſt bei unſerer
intenſivſten künſtlichen Lichtquelle der Verluſt an Arbeit, welche vom Strome geleiſtet
wird, 90 Procent beträgt, indem dieſe zur Erzeugung dunkler Wärmeſtrahlen ver-
wendet werden, die für Beleuchtungszwecke gänzlich nutzlos ſind. Der Arbeitsverluſt
bei den Glühlichtlampen ſteht zwiſchen dem der Platinſpirale und jenem des Volta-
bogens und nähert ſich dem letzteren umſomehr, je näher die Temperatur des Kohlen-
bügels jener des Voltabogens kommt. Natürlich kann dieſe Annäherung nicht ſehr
weit getrieben werden, da die gegenwärtig in Verwendung ſtehenden Kohlenbügel
eine ſo hohe Temperatur nicht auszuhalten im Stande ſind.


Doch iſt es nicht die Temperatur allein, welche auf den Lichteffect Einfluß
ausübt, ſondern dieſer wird auch durch das Emiſſions- oder Ausſtrahlungsvermögen
[641] des glühenden Körpers beſtimmt. Die Geſammtausſtrahlung verſchiedener Körper
gleicher Temperatur iſt nicht dieſelbe; dies lehrt ein einfacher Verſuch: man erhitzt
in demſelben Feuer ein Stück Glas und ein Stück Eiſen; zieht man dann beide
heraus, ſo wird das Glas kaum leuchten, während das Eiſen helle Gluth zeigt.
Ob auch das Verhältniß zwiſchen leuchtenden und nichtleuchtenden Strahlen bei
verſchiedenen Körpern gleicher Temperatur ein verſchiedenes iſt, bedarf noch genauerer
Unterſuchungen; doch iſt dies mit einiger Wahrſcheinlichkeit anzunehmen. Jedenfalls
übt aber die Beſchaffenheit der Kohle und ihrer Oberfläche auf das Güteverhältniß
einer Glühlichtlampe einen Einfluß aus.


Aus dem Vorhergehenden erhellt, daß man die Temperatur der Kohlenbügel
in den Glühlichtlampen möglichſt hoch zu wählen hat; dieſe Steigerung der Tem-
peratur findet jedoch bald eine Grenze durch einen Umſtand, der bisher nicht
erwähnt wurde: Es iſt dies die Haltbarkeit der Lampe. Soll die Anwendung einer
ſehr hohen Temperatur ökonomiſch bleiben, ſo darf darunter die Lebensdauer der
Lampe keine Einbuße erleiden. Es mag an dieſer Stelle auch darauf hingewieſen
werden, daß es zwecklos iſt, die Intenſität der Glühlichtlampen ſehr zu erhöhen,
da das Glühlicht wohl mit dem Gaslicht, Petroleumlicht u. ſ. w., überhaupt
mit Lichtquellen geringer Intenſität concurriren kann, aber, auch weitere Vervoll-
kommnungen vorausgeſetzt, nie im Stande ſein wird, mit dem Bogenlichte zu
concurriren.


Nach Verſuchen, welche Tresca und ſeine Mitarbeiter ausgeführt haben,
verhalten ſich die Nutzeffecte von Glühlicht zu Kerzenlicht (d. h. Licht elektriſcher
Kerzen) und zu Bogenlicht wie 1 zu 3 zu 7.


Wir haben ſchließlich noch den Einfluß der Form des Querſchnittes zu
betrachten. Beſitzen zwei Kohlen denſelben Querſchnitt und dieſelbe Länge, iſt aber
der Querſchnitt der einen Kohle ein Rechteck, jener der andern Kohle ein Kreis,
ſo hat offenbar die erſtere Kohle die größere Oberfläche. Unter der Vorausſetzung
gleicher Temperatur müßte alſo die Strahlung der eckigen Kohle größer ſein als
jene der runden, da unter dieſen Umſtänden die Ausſtrahlung der Oberfläche
proportional iſt. Soll nun die Ausſtrahlung für beide Kohlen die gleiche werden,
ſo muß man die runde Kohle verlängern. Dann haben beide Kohlen denſelben
Querſchnitt, deshalb auch dieſelbe Haltbarkeit und auch die gleiche Leuchtkraft.
Bei der runden Kohle iſt jedoch der Widerſtand ein höherer geworden, weil
die Länge zugenommen hat, und dies führt zu einer Erhöhung der Strom-
ſpannung. Da dies aber, wie wir früher geſehen haben, vortheilhaft iſt, ſo verdient
die Kohle mit rundem Querſchnitte den Vorzug vor der Kohle mit rechteckigem
Querſchnitte.


Aus dieſen Betrachtungen, welche W. Siemens zum Gegenſtande eines
ausführlichen Vortrages machte, ſind auch die Richtungen zu erſehen, nach welchen
hin die Vervollkommnung der Glühlichtlampen anzuſtreben iſt. Man muß trachten,
die Kohle zum Aushalten einer höheren Temperatur zu befähigen und ihre Ober-
fläche ſo zu geſtalten, daß hierdurch die Ausſtrahlung leuchtender Strahlen möglichſt
begünſtigt wird; ferner wird man an die Vervollkommnung der Methoden zur
Herſtellung des Vacuums und darauf denken müſſen, die Koſten der Leitungen
herabzumindern.


In nachſtehender Tabelle ſind die Reſultate der Meſſungen an Glühlicht-
lampen zuſammengeſtellt, welche bei den Ausſtellungen in Paris und München
erhalten wurden.


Urbanitzky: Elektricität. 41
[642]
2. Gruppe.
Halbglühlicht- oder Halb-Incandeſcenzlampen.

Bei dieſen Lampen entſteht das Licht an der Berührungs- oder Contact-
ſtelle zweier Elektroden; man nennt ſie daher auch Contactglühlichtlampen
oder Glühlichtlampen mit unvollkommenem Contact. Werdermann hat durch zahl-
reiche Verſuche feſtgeſtellt, daß, wenn man den Querſchnitt der poſitiven Kohle
verkleinert und den der negativen gleichzeitig vergrößert, letztere immer ſchwächer
glüht, während erſtere zu immer ſtärkerer Gluth gelangt. Durch die Ungleichheit
der Querſchnitte wird der Widerſtand, welchen der Strom an der Berührungsſtelle
beider Kohlen findet, vergrößert und daher nimmt auch die Erhitzung zu. Bei
einem beiläufigen Verhältniſſe von 1 zu 64 des Querſchnittes der poſitiven zum
Querſchnitte der negativen Kohle erhitzt ſich dieſe faſt gar nicht, erleidet daher auch
keine Abnahme, während die poſitive Kohle unter Entwicklung eines ſchönen, ruhigen
Lichtes ſtetig abbrennt.


Die Halb-Incandeſcenzlampen ſind eine Erfindung der jüngſten Zeit. Barley
iſt nach Angabe Fontaine’s der erſte, welcher eine derartige Lampe erfand. Er
beſchrieb ſie in einem Patente auf eine elektriſche Maſchine, welches er im Jahre 1876
nahm. Die im Jahre 1878 von Reynier, Markus und Werdermann erdachten
Lampen waren jedoch die erſten, welche regelmäßig functionirten.


Das Princip der Glühlichtlampe von Reynier charakteriſirt du Moncel
in einer Mittheilung an die Pariſer Akademie mit folgenden Worten:


[643]

Wenn ein dünnes Kohlenſtäbchen, auf welches ſeitlich ein elaſtiſcher Contact
drückt, und welches in der Richtung ſeiner Axe gegen einen feſten Contact gedrückt
wird, zwiſchen dieſen beiden Contacten durch einen genügend kräftigen elektriſchen
Strom durchfloſſen wird, ſo kommt dieſe Partie zum Weißglühen und verbrennt,
während ſich das Ende zuſpitzt. In dem Maße, wie die Abnützung des Endes ſtatt-
findet, wird durch den ſtändig darauf wirkenden Druck das Kohlenſtäbchen weiter
vorgeſchoben, indem es durch den elaſtiſchen Contact gleitet und dabei immer
auf dem fixen Contact aufruht. Die in Folge des Durch-
ganges des Stromes im Kohlenſtäbchen hervorgerufene Wärme
wird durch die gleichzeitige Verbrennung des Kohlenſtoffes
weſentlich erhöht.


Die praktiſche Ausführung beſtand anfangs darin, daß
Reynier einen dünnen Kohlenſtab ſenkrecht auf ein Kohlen-
klötzchen ſtellte und erſteres mit einem ſeitlichen Contacte
verſah. Das Stäbchen bildete bei dieſer Anordnung den
poſitiven, das Klötzchen den negativen Pol. Dieſe Lampe
wurde aber bald aufgegeben, da ſich beim Brennen derſelben
der Uebelſtand herausſtellte, daß die Unreinigkeiten (mine-
raliſche Beſtandtheile) des Kohlenſtäbchens ſich als Aſche auf
dem Klötzchen anſammelten und dann den guten Contact
beeinträchtigten. Reynier ſetzte daher an Stelle des Kohlen-
klötzchens eine drehbare Kohlenſcheibe und ließ den dünnen
Kohlenſtab ſeitlich von der Umdrehungsaxe der Scheibe auf
dieſe auftreffen. Der ſeitliche Druck, welchen in ſolcher Art
der Kohlenſtab im Vereine mit ſeinem Träger auf den
Umfang der Kohlenſcheibe ausübt, verſetzt letztere in eine
langſame Umdrehung und bringt in dieſer Weiſe immer neue
Stellen der Scheibe mit dem Stabe zum Contact.


Die Conſtruction dieſer Lampe iſt in Fig. 451 dar-
geſtellt. Eine Meſſingſtange S als Träger des poſitiven
Kohlenſtabes K kann zwiſchen Gleitrollen in der Meſſing-
ſäule M herabſinken. Die negative Kohle iſt die kreisförmige
Kohlenſcheibe K1, deren Axe ſich in einer auf der Säule
iſolirt befeſtigten Gabel G drehen kann; dieſe ruht (mit
ihrem Ende bei G) auf einem Hebel, welcher auf die Meſſing-
ſtange drückt, um als Bremſe ein zu raſches Nachſinken der
poſitiven Kohle zu verhindern. Die Führung des Kohlen-
ſtabes K wird durch eine Kupferrolle r beſorgt, welche an
einem Winkelarme drehbar iſt; die Stromzuleitung erfolgt
durch einen am ſelben Arme befeſtigten Kohlenklotz a, der

Figure 455. Fig. 451.

Lampe von Reynier.


durch ſeine eigene Schwere immer mit der Elektrode in leitender Berührung
erhalten wird. Der Strom tritt bei der Klemme P1 ein, geht durch die Maſſe der
Lampe und den Kohlenklotz in den poſitiven Kohlenſtab, dann in die negative
Kohlenſcheibe, durch deren von der Lampe iſolirten Träger und die Drahtleitung
zur Klemme P.


Die Kohlenſtäbe haben einen Durchmeſſer von 2 Millimeter, eine Länge von
0·3 Meter und dauern 2 Stunden. Die Lichtſtärke variirt nach der Anzahl der
Lampen, die in den Stromkreis einer Maſchine eingeſchaltet werden. So ergab ſich
41*
[644] dieſelbe zu 13 Carcelbrennern, als 6 Lampen in den Stromkreis einer Gramme-
ſchen Maſchine eingeſchaltet wurden, welche 920 Touren pro Minute machte.


Die geſammte Lichtintenſität betrug alſo 78 Carcelbrenner, während beſpiels-
weiſe ein Serrin’ſcher Regulator unter denſelben Umſtänden 320 Carcelbrenner
Lichtſtärke ergab.


Die Glühlichtlampe von Marcus in Wien hat im Weſentlichen dieſelbe
Conſtruction, und unterſcheidet ſich von der eben beſprochenen hauptſächlich dadurch,
daß ſie an Stelle der Kohlenſcheibe einen Cylinder, deſſen Axe und Lager mit
einem Schraubengewinde verſehen ſind, beſitzt; dadurch wird mit der Umdrehung

Figure 456. Fig. 452.

Lampe von Reynier.


des Cylinders gleichzeitig eine ſeitliche Ver-
ſchiebung in der Richtung der Rotationsaxe
verbunden, was bei langem Brennen der
Lampe vortheilhaft erſcheint.


Das gegenwärtig gebräuchliche Modell
der Lampe von Reynier iſt in Fig. 452
abgebildet. Auf einer Metallplatte P ſind zwei
ineinander geſteckte Röhren befeſtigt, von
welchen die eine P1 von der Grundplatte
(durch den ſchwarzen Ring) iſolirt iſt, während
die andere, innere Röhre P2 mit der Grund-
platte und durch dieſe mit der poſitiven Pol-
klemme + in leitender Verbindung ſteht. Die
äußere Röhre P1 iſt mit der iſolirten Pol-
klemme — durch einen Draht verbunden.
Beide Röhren ſind voneinander iſolirt. Die
Gabel g, welche den Contactſtift c trägt,
iſt an der inneren Röhre P2 befeſtigt; der
Contactſtift ſelbſt beſteht aus einem in einer
Meſſingröhre gefaßten Graphitſtück und wird
durch die Feder f gegen den Kohlenſtab k
angedrückt. Von der Gabel iſolirt iſt am
unteren Ende derſelben der Träger t für den
— Pol angebracht, der, wie der Contact-
ſtift c, gleichfalls aus einem in Meſſing ge-
faßten Graphitſtück s beſteht. Die Meſſing-
faſſung iſt durch Bajonettverſchluß an dem
Träger t befeſtigt. Das Graphitſtück s ſteht
durch den Träger t und den gabelförmigen
Draht d mit der äußeren Röhre P1 in leitender Verbindung. Der Kohlenſtab k
wird durch das Cylindergewicht P3 ſtets gegen das Graphitſtück s angedrückt.
Die Arme a und b dienen als Träger für die Glaskugel.


Der Stromgang in der Lampe iſt hiernach folgender: Der Strom tritt bei
der Klemme + ein, geht durch die Grundplatte P in die innere Röhre P2, durch
dieſe und den Contactſtift c zum Kohlenſtäbchen k; hier erzeugt er in Folge des
unvollkommenen Contactes mit s das Glühlicht, geht dann durch den Träger t,
den Draht d und die äußere Röhre P1 zur negativen Polklemme —.


Der Durchmeſſer der gegenwärtig in Gebrauch ſtehenden Kohlenſtäbe beträgt
2·5 Millimeter bei 1 Meter Länge; die Brenndauer iſt ungefähr 6 Stunden. Die
[645] Länge des glühenden Theiles kann von 4 bis 8 Millimeter variirt werden und
das erzeugte Licht entſpricht 5 bis 20 Carcelbrennern. Mit 8 großplattigen
Elementen nach Bunſen erzeugt man ein Licht von beiläufig 12 Carcelbrennern.
Wird die Lampe mit Strömen einer elektriſchen Maſchine betrieben, ſo giebt ſie
30 bis 40 Carcelbrenner per Pferdekraft. Das Einſetzen eines neuen Kohlenſtabes
erfolgt einfach in der Weiſe, daß der Bajonettverſchluß des negativen Kohlenträgers
gelöſt wird, worauf durch die nun leere Röhrenfaſſung der Stab von unten ein-
geſchoben werden kann. Die Einſchaltung mehrerer derartiger Lampen in einen
Stromkreis iſt ohne Schwierigkeit ausführbar.


Die Glühlichtlampe von Werdermann unterſcheidet ſich von der vorigen
hauptſächlich durch die Umkehr der Anordnung. Werdermann giebt oben die
negative und unten die poſitive Kohle (Fig. 453).


Der poſitive Kohlenſtab iſt an Schnüren aufgehängt, die bei r über Rollen
laufen und als Gegengewicht den
Cylinder c tragen; durch das Ge-
wicht des Cylinders c wird der
Stab gegen die negative Kohlen-
ſcheibe s gedrückt und auf dieſe
Weiſe der Contact hergeſtellt. Die
Kohlenſcheibe s iſt an einem hori-
zontalen, um den Zapfen z dreh-
baren Arm befeſtigt, und dieſer
trägt an ſeinem zweiten Ende ein
verſtellbares Gegengewicht p. Um
den Contact unabhängig vom
Brennen der Lampe ſtets gut zu
erhalten, iſt an dem horizontalen
Arme eine Feder f angebracht, die
auf die bewegliche Backe b drückt.
Die Wirkung dieſer Einrichtung iſt
folgende: Iſt der Kohlenſtift ſtark
an die Scheibe angedrückt, ſo übt
auch die Feder f auf die Backe b
einen ſtarken Druck, klemmt den

Figure 457. Fig. 453.

Lampe von Werdermann.


Kohlenſtab ein und verhindert ſo ein weiteres Nachſchieben desſelben; iſt durch das
Abbrennen des Stabes der Contact ein loſer geworden, ſo nimmt auch der Druck
der mit der Feder verbundenen Backe ab und geſtattet dem Kohlenſtäbchen nach-
zurücken. Es wird dadurch ein zu ſtarker Druck des Stäbchens gegen die Kohlen-
ſcheibe, der leicht ein Abbrechen des Stäbchens bewirken kann und die Lampe
unruhig brennen ließe, vermieden.


Mehrere dieſer Lampen können auch in einen Stromkreis hintereinander ein-
geſchaltet werden, da in dem Falle, als eine Lampe erlöſchen ſollte, alſo kein
Contact zwiſchen Stäbchen und Scheibe mehr ſtattfindet, ſich der horizontale Arm
ſenkt und durch Bildung eines metalliſchen Contactes die eine Lampe aus dem
gemeinſamen Stromkreiſe ausſchaltet. Dadurch iſt aber ein gleichzeitiges Verlöſchen
aller übrigen Lampen hintangehalten.


Die Anwendung der oben geſchilderten beweglichen Backe, die als eine Art
Bremſe wirkt, hat aber den Nachtheil, daß letztere einer raſchen Abnützung unter-
[646] liegt und dann für den Uebergang des Stromes aus den Backen in die Kohle
ſchlechten Contact giebt, indem die oberen Ränder der Bremſe ſich ausweiten und
daher die beiden Backen in Berührung kommen, ohne mit der Kohle einen ſicheren
Contact zu bilden. Die Lampe wird dann unregelmäßig brennen oder ihren Dienſt
ganz verſagen. Die Abnützung ſelbſt wird einerſeits durch die beſtändige Bewegung
der einen Backe und die damit verbundene Reibung, andererſeits durch die fort-
während ſtarke Erhitzung bewirkt. Um dieſe Uebelſtände zu beſeitigen, hat Napoli
verſchiedene Verbeſſerungen erdacht. Eine derſelebn beſteht darin, daß die beiden

Figure 458. Fig. 454.

Lampe von Brougham.


Backen durch Metallſtäbchen erſetzt werden, die bei-
läufig denſelben Querſchnitt haben wie das Kohlen-
ſtäbchen. Bei dieſer Anordnung kommen die beiden
Theile der Bremſe nie in directen Contact, welcher Art
auch immer ihre Abnützung ſein mag.


Der vorbeſchriebenen Lampe ähnlich conſtruirt
iſt die von Lescuyer. Soll der Kohlenſtab unterhalb
der Platte angeordnet werden, ſo beſorgt eine Spiral-
feder oder auch comprimirte Luft den Nachſchub, der
durch eine Düſe dadurch geregelt wird, daß dieſe ver-
möge ihrer Oeffnung immer nur den zugeſpitzten Theil
des Kohlenſtäbchens heraustreten läßt.


Brougham’s Lampe iſt frei von jedem Mecha-
nismus; beſonderer Werth wurde darauf gelegt, den
Zutritt der Luft auszuſchließen, um dadurch die Brenn-
dauer eines Stäbchens bedeutend erhöht zu bekommen.
Der Glascylinder g g (Fig. 454) iſt durch einen Deckel
s s nach Art der Stopfbüchſen verſchloſſen. Auf dem
Deckel iſt ein Rohr aufgeſetzt, welches innen mit
iſolirender Subſtanz ausgekleidet iſt und ein zweites
bedeutend engeres Rohr r r in ſich ſchließt. In dem
engen Rohre befindet ſich der Kohlenſtab k, der mit
Hilfe eines kleinen Gewichtes durch die Platinklemme c
herabgedrückt wird. Gegenüber dieſer Klemme ſteht ein
Kupferſtück C in der Form einer Pyramide, auf deren
Spitze der Kohlenſtab auftrifft. Die Kupferpyramide
iſt durch eine Stange an dem Deckel s s befeſtigt.


Nach Einführen des Kohlenſtabes in die Röhre
r r wird dieſe oben luftdicht verſchloſſen und die ganze
Lampe iſt in das mit Waſſer gefüllte Gefäß g1 g1
eingeſetzt. Der Deckel a a dient dazu, um die Verdunſtung
des Waſſers hintanzuhalten und iſt ſammt dem Gefäße g1 g1 an einem Anſatze der
weiten Röhre befeſtigt.


Der Strom tritt am oberen Ende der Röhre r r ein, durchlauft dieſe und
den Kohlenſtab, gelangt dann in die Kupferpyramide und verläßt durch deren Träger
und das äußere Rohr die Lampe. Der Kohlenſtab brennt zunächſt wie bei den
anderen Glühlichtlampen ab und ſinkt im ſelben Maße nach; ſobald aber der
Sauerſtoff der im Gefäße g g enthaltenen Luft aufgebraucht iſt, was beiläufig
nach einer Stunde eintreten ſoll, ſchreitet der Verbrauch des Kohlenſtäbchens ſehr
langſam fort (circa 3 Millimeter pro Stunde). Die Brenndauer wird in dieſer
[647] Art außergewöhnlich verlängert. Bei Anwendung einer kleineren Gramme’ſchen
dynamoelektriſchen Maſchine ſollen 36 in einen Kreis geſchaltete Lampen eine
Lichtſtärke von je 35 Normalkerzen erzeugt haben.


Die Glühlichtlampe von Ducretet iſt mehr zur Anwendung in Labora-
torien und phyſikaliſchen Cabineten geeignet als zu induſtrieller Verwendung; ſie
zeichnet ſich übrigens durch Einfachheit der Conſtruction aus. Der Kohlenſtab T
befindet ſich in einer mit Queckſilber nahezu vollgefüllten Röhre (Fig. 455) und
wird durch den Auftrieb, den er im Queckſilber erleidet, ſtets gegen die Kohlen-
ſcheibe H gedrückt. Dieſe iſt durch eine Schraube verſtellbar an dem Träger S
angebracht, welcher an der Röhre iſolirt befeſtigt
iſt. Das obere Ende der Röhre iſt durch eine
iſolirt aufgeſetzte Metallkapſel geſchloſſen, deren
Oeffnung der Dicke des Kohlenſtabes entſprechend
eingeſtellt werden kann. Dieſe Kapſel ſteht durch
den Leitungsdraht t mit einer am Fuße der Lampe
angebrachten Klemme in leitender Verbindung. Die
zweite Polklemme der Lampe iſt zum bequemen
Oeffnen und Schließen des Stromes als Schlüſſel M V
geſtaltet. Dieſer ſteht nicht mit dem Lampenkörper,
wohl aber durch den Draht t' mit dem Träger s s
der Kohlenſcheibe in leitender Verbindung.


Beim Betriebe der Lampe wird der Kohlenſtab,
entſprechend ſeinem Abbrennen, durch den ſtetig
wirkenden Auftrieb des Queckſilbers nachgeſchoben.
Bei längerem Brennen der Lampe erhitzt ſich die
Metallkapſel B ſehr bedeutend; dieſe Erwärmung
theilt ſich aber, wie die Erfahrung gezeigt hat, zu
nur ſehr geringem Theile der oberen Partie des
Queckſilbers mit, während der weitaus größte
Wärmeantheil durch den ſtarken Draht t eine aus-
giebige Ableitung in den Fuß der Lampe erfährt,
wo er hinreichende Flächen zur Ausſtrahlung vor-
findet. Auf dieſe Art vermeidet man das läſtige
Auftreten der Queckſilberdämpfe.


Die Anwendung des immerhin nicht ſehr
empfehlenswerthen Queckſilbers iſt bei der Lampe
von W. Ph. Hauck, bei welcher ebenfalls Flüſſig-
keitsauftrieb den Kohlennachſchub bewirkt, ganz

Figure 459. Fig. 455.

Lampe von Ducretet.


vermieden, indem hier Glycerin die Stelle des Queckſilbers vertritt. Das Kohlen-
ſtäbchen K, Fig. 456, ruht mit ſeinem unteren Ende auf einem Meſſingſtifte,
der an einem Schwimmer befeſtigt iſt. Letzterer befindet ſich in dem mit Glycerin
gefüllten Cylinder C. Zur Führung des Kohlenſtabes und zur Stromzuleitung
dient ein auf dem Deckel aufgeſchraubtes Kupferrohr, deſſen innerer Durchmeſſer
der Dicke des Kohlenſtabes entſpricht, und welches an ſeinem oberen Ende mit
einem Anſatz A verſehen iſt, auf dem die beiden Röllchen R drehbar befeſtigt ſind.
Ueber das Kupferrohr iſt ein Cylinder E aus weichem Eiſen geſchoben. Das
eine Ende der Drahtwindungen D, welche dieſen umgeben, iſt mit der Klemme P',
das andere mit dem Eiſencylinder E verbunden. Am oberen Ende trägt letzterer
[648] eine gleichfalls aus Eiſen verfertigte Gabel G, in welcher ſich der ebenfalls
eiſerne Hebel H drehen kann. Dieſer Hebel iſt an ſeinem unteren Ende rechtwinkelig
umgebogen und bildet den Anker zum Elektromagnete E. Da aber die Gabel G

Figure 460. Fig. 456.

Lampe von Hauck.


gleichfalls aus weichem Eiſen hergeſtellt iſt,
bildet ſie mit dem Hebel eine nach abwärts
geſchlagene Verlängerung des Elektromagnetes;
es muß alſo das untere, rechtwinkelig ab-
gebogene Stück des Hebels immer dieſelbe
Polarität zeigen, wie das obere Ende des
Elektromagnetes, daher alſo die entgegen-
geſetzte wie das untere gegenüberſtehende Ende
des Elektromagnetes. Durch dieſe Anordnung
wird natürlich die Anziehung zwiſchen Anker
und Elektromagnet verſtärkt. Das obere Ende
des Ankers oder Hebels trägt ein Winkel-
ſtück, auf welchem das Röllchen R' leicht
beweglich angebracht iſt, und gleichzeitig auch
die Kohlenſcheibe S. Die Feder F dient zur
Regulirung der Hebelſtellung.


So lange kein Strom durch die Lampe
geht, hält die Scheibe S durch ihr Ueber-
gewicht den Hebel vom Elektromagnete ent-
fernt; dieſe Stellung wird überdies noch durch
die Feder F unterſtützt. Gleichzeitig iſt auch
das Röllchen R' von den Röllchen R entfernt,
und der Kohlenſtab kann bis zur Berührung
der Kohlenſcheibe hinaufſteigen. Wird aber
die Lampe von einem Strome durchlaufen,
ſo zieht D den Anker H an, und dieſer klemmt
den Kohlenſtab durch Andrücken des Röllchens
R', während S noch ein klein wenig zurück-
weicht. Hiermit iſt ein doppelter Zweck ver-
bunden, es wird ein zu kräftiges Andrücken
des Kohlenſtabes an die Scheibe vermieden,
was leicht das Abbrechen der glühenden Spitze
und ſomit ein unruhiges Licht zur Folge
haben kann, und da die Bremſung etwas
früher eintritt, als Kohlenſtab und Scheibe
zur Berührung kommen, iſt hierdurch Gelegen-
heit zur Bildung eines ſehr kleinen Volta-
bogens gegeben.


Der Strom gelangt durch die Klemme P
in die Kupferröhre, von dieſer durch die
Contactröllchen in den Kohlenſtab, geht über die Kohlenſcheibe S und die Gabel G
in den Eiſencylinder E, durchlauft die Drahtwindungen D und verläßt die Lampe
bei der Polklemme P'. Der Kohlenſtab bleibt ſo lange durch die Röllchen am
Aufwärtsgehen gehindert, bis durch Abbrennen der Kohlenſpitze der Widerſtand
im Stromkreiſe ſo ſehr gewachſen iſt, und der Strom in D ſo ſtark abgenommen
[649] hat, daß der Anker H durch die Feder F vom Elektromagnete abgezogen wird,
und durch die gleichzeitige Entfernung des Röllchens R' von den beiden Röllchen R
der Kohlenſtab wieder aufwärts gehen kann.


Um eine noch empfindlichere Regulirung zu erreichen, wird die Eiſenröhre
überdies mit mehreren Lagen feinen Drahtes verſehen, die in einen Nebenſchluß
derart geſchaltet werden, daß ſie beim Durchgange eines Stromes in der Eiſenröhre
die entgegengeſetzten Magnetpole er-
zeugen, wie der directe Draht. Wächſt
der Widerſtand im Hauptſtromkreiſe bis
zu einem gewiſſen Grade, ſo ſchwächt
der Nebenſchluß den Hauptſtrom, der
Magnet verliert ſeine Kraft und der
Anker wird durch die Feder abgezogen.


Iſt der Kohlenſtab ganz ver-
brannt, ſo legt ſich der Hebel H mit
ſeinem unteren rechtwinkelig abgebogenen
Ende gegen einen Platincontact, welcher
mit der Klemme P″ verbunden iſt und
dadurch die Einſchaltung einer Erſatz-
lampe oder auch eines entſprechenden
Widerſtandes bewirkt. Es wird dies
in folgender Weiſe erreicht: So lange
noch ein Kohlenſtab in der Lampe iſt,
kann das untere Ende des Hebels H
den Platincontact nicht berühren, weil
das Röllchen R' gegen den Kohlenſtab
ſtößt, bevor noch die in Rede ſtehende
Berührung erfolgen kann. Iſt aber die
Kohle ausgebrannt, ſo kommt der
anfangs erwähnte Meſſingſtift des
Schwimmers zwiſchen die drei Röllchen;
dieſer iſt aber an ſeinem oberen Ende
dünner als der Kohlenſtab und geſtattet
deshalb ein näheres Aneinandertreten
der Röllchen, ſomit auch die Bewegung
des unteren Endes von H bis zur
Berührung mit dem Platincontacte.


Die in Fig. 457 dargeſtellte
Lampe von Joël beſitzt einen aus
zwei voneinander elektriſch iſolirten

Figure 461. Fig. 457.

Lampe von Joël.


Theilen I und II gebildeten Kupfermantel, deſſen einer Theil (II) mit Hilfe des
Zahnes G und des Hakens T mit dem Theile I in leitende Verbindung geſetzt
werden kann. Das untere Ende des Theiles I trägt durch Vermittlung der Röhre
N N zwei um J drehbare Kluppen von der Form zweiarmiger Hebel. Innerhalb
des Rohres N N befindet ſich, ohne erſteres zu berühren, die Röhre P, welche oben
zwei Rollen R und C, unten aber einen vorſpringenden Rand trägt. Ueber die
Rollen R und C und über die bei B angebrachten Rollen lauft eine Schnur, welche
mit Hilfe des Gegengewichtes w die Röhre P in der Balance erhält. Der untere
[650] Rand der Röhre ſtößt mittelſt zweier feiner, verſtellbarer Schrauben gegen die
oberen Hebelarme der Kluppen J J. Unterhalb der Rolle R iſt die Röhre P an
dem um A drehbaren Anker des Elektromagnetes S befeſtigt. Dieſer Elektromagnet
liegt in einem Nebenumſchluſſe zur Hauptleitung. Innerhalb der Röhre P kann
der Kohlenträger, ſo lange die Kohle nicht bei e durch die beiden Backen J J
gehindert wird, frei bis zur Berührung mit der negativen Elektrode E hinab-
gleiten. Die negative Elektrode beſteht entweder ganz aus Kupfer oder trägt einen
Graphiteinſatz und iſt durch einen ſeitlichen Arm mit dem Theile II des Lampen-
körpers verbunden.


Die Lampe functionirt in folgender Weiſe: Bevor ein Strom in die Lampe
eintritt, wird die poſitive Kohle ſo eingeſetzt, daß deren Spitze die negative Platte E
berührt. Das Gewicht w ſtrebt hierbei die Röhre P nach oben zu ziehen, wodurch
dieſe mittelſt ihres unteren Randes und der kleinen Schräubchen auf die oberen
Hebelarme der Backen J J drückt, daher deren untere Hebelenden an den Kohlenſtab
anpreßt und den Contact herſtellt. Der Strom tritt dann durch den Lampentheil I
ein und gelangt durch N N und die Backen J J in die poſitive Kohle e; von hier
aus ſetzt der Strom ſeinen Weg durch die negative Platte und den ſeitlichen (in
der Figur weggelaſſenen) Arm zum Lampentheil II fort und geht zur Stromquelle
zurück. Wenn nun der Kohlenſtift abbrennt, ſo wird der Widerſtand in dem eben
angegebenen Stromkreiſe größer und es geht ein immer größerer Antheil durch
den in der Zweigleitung liegenden Elektromagnet S, dieſer zieht endlich ſeinen
Anker an und ſenkt ſomit das Rohr P. Damit iſt aber auch der Druck gegen die
oberen Hebelarme der Backen J J aufgehoben, die unteren Arme gehen auseinander
und der Kohlenſtift kann wieder bis zur Berührung mit der Platte E nachſinken.
Dies bewirkt dann eine Verminderung des Widerſtandes im Lampenſtromkreiſe und
daher eine Verminderung des Stromes im Elektromagnet; dieſer läßt ſeinen Anker
los, und in Folge deſſen legen ſich die Backen abermals an den Kohlenſtab,
womit der anfängliche Zuſtand der Lampe wieder hergeſtellt erſcheint.


Iſt der Kohlenſtab verzehrt, ſo tritt der Kohlenhälter zum Theile aus der
Röhre heraus und bewirkt durch Drehung eines Hebels in einfachſter Art einen
kurzen Schluß, wodurch die Lampe aus dem Stromkreis ausgeſchaltet wird. Soll
ein neuer Kohlenſtab eingeſetzt werden, ohne die übrigen im ſelben Stromkreiſe
brennenden Lampen zu ſtören, ſo wird die Lampe ebenfalls kurz geſchloſſen, und
zwar durch die vorhin erwähnte Einrichtung des Zapfens G am Lampentheile II
und des Hakens T am Theile I.


Die Brenndauer der Lampe beträgt je nach der Länge des Kohlenſtiftes
7 bis 14 Stunden. Profeſſor Adams hat mit der Joël’ſchen Lampe eine Leucht-
kraft von 715 Kerzen pro Pferdekraft erreicht.


3. Gruppe.
Regulatorlampen.

Wir lernten bereits (auf Seite 601) eine von Foucault conſtruirte Regulator-
lampe kennen und erfuhren deren Mängel. Auch wurde darauf hingewieſen, daß
ſpäter Foucault und Duboscq den Apparat mit zwei voneinander unabhängigen
Uhrwerken verſahen und dadurch weſentlich verbeſſerten. Zwar iſt auch dieſer
verbeſſerte Regulator zu einer induſtriellen Verwendung nicht zu empfehlen, erfreut
[651] ſich aber zu ſpeciellen Zwecken, in Laboratorien, bei Projectionsapparaten u. ſ. w.,
einer ziemlich häufigen Verwendung; es mag daher immerhin hier eine Beſchreibung
desſelben Raum finden.


In dem Kaſten B B, Fig. 458, befinden ſich zwei Uhrwerke, die von den Feder-
gehäuſen L und L' ihre Bewegung erhalten. Das Uhrwerk L lauft in das Stern-
rädchen o, das Uhrwerk L' in das Sternrädchen o'
aus. Zwiſchen beiden Sternrädchen iſt der Sperr-
zahn T t, welcher mit dem Hebel F X verbun-
den iſt. Dieſen ſucht das Solenoid E, deſſen
Anker das Hebelende F bildet, nach der einen
Richtung, die Feder R nach der entgegengeſetzten
Richtung zu drehen. Halten ſich die Federkraft
und die Anziehungskraft des Solenoides das
Gleichgewicht, ſo ſteht der Sperrzahn T t in
der Mitte zwiſchen den beiden Sternrädern o o'
und hemmt beide in ihrer Bewegung. Ueber-
wiegt die Federkraft, ſo iſt das Rädchen o' und
das damit zuſammenhängende Uhrwerk gehemmt,
während das Rädchen o mit ſeinem Uhrwerke
laufen kann. Beim Ueberwiegen der Anziehungs-
kraft des Solenoides iſt das Umgekehrte der
Fall. Die Hemmung des einen oder andern
Uhrwerkes wird durch das Satellitenrad S ver-
mittelt. Die beiden Uhrwerke ſind ſo angeordnet,
daß das eine die beiden Kohlenträger mit Hilfe
ihrer Zahnſtangen gegeneinander, das andere ſie
voneinander bewegt. Hierbei iſt durch ein ent-
ſprechendes Verhältniß (1 : 2) der Raddurchmeſſer
dafür geſorgt, daß die eine Kohle ſich doppelt ſo
ſchnell als die andere bewegt.


Der Strom tritt durch die Klemme C in
das Solenoid ein, geht durch die Lampenmaſſe
in den Träger D, bildet den Lichtbogen und
verläßt durch den oberen Kohlenträger H die
Lampe. Iſt die Entfernung der Kohlenſpitzen die
richtige, ſo halten ſich die Anziehungskraft des
Solenoides und die Federkraft das Gleichgewicht,
und der Sperrzahn ſteht in der Mitte der beiden
Rädchen o o', hemmt alſo beide Uhrwerke. Wird
jedoch die Entfernung der Kohlenſpitzen von-
einander zu groß, ſo nimmt in Folge des

Figure 462. Fig. 458.

Lampe von Foucault-Duboscq.


größeren Widerſtandes im Lichtbogen die Stromſtärke und ſomit auch die An-
ziehungskraft des Solenoides ab; die Feder zieht den Sperrzahn nach rechts und
giebt dadurch das mit dem Rädchen o in Verbindung ſtehende Uhrwerk frei,
welches die Kohlen gegeneinander bewegt. Sobald jedoch die normale Länge des
Lichtbogens wieder hergeſtellt iſt, hat auch das Solenoid wieder ſeine frühere An-
ziehungskraft erreicht, zieht deshalb den Anker an, und der mit letzterem verbundene
Sperrzahn hemmt abermals beide Uhrwerke. Iſt der Lichtbogen zu klein, ſo gewinnt
[652] das Solenoid ſo ſehr an Kraft, daß es die Federkraft übertrifft und durch den
Hebel den Sperrzahn ſo weit nach links dreht, daß dadurch das Rädchen o' und
deſſen Uhrwerk freigegeben wird. Letzteres bewirkt aber ein Auseinandertreiben
beider Kohlenſpitzen, und zwar ebenfalls wieder bis zur Herſtellung der normalen
Lichtbogenlänge.


Die Empfindlichkeit der Regulirung kann durch Veränderung in der Spannung
der Feder R beliebig gemacht werden. Zu dieſem Zwecke iſt die Feder mit ihrem
unteren Ende an einem Winkelhebel befeſtigt, deſſen Stellung durch eine Schraube
beſtimmt wird. Der complicirte Mechanismus und der Umſtand, daß die Lampe
vor ihrem Gebrauche erſt aufgezogen und beſonders eingeſtellt werden muß, machen
ſie trotz ihrer befriedigenden Leiſtung für die praktiſche Verwendung im Großen
unbrauchbar. In einen Stromkreis kann nur eine Foucault’ſche Lampe eingeſchaltet
werden; ſie gehört daher zu den Lampen für Einzellicht.


Figure 463. Fig. 459.

Figure 464. Fig. 460.

Lampe von Merſanne.


Auch Merſanne conſtruirte eine Regulatorlampe unter Anwendung eines
Uhrwerkes und wendet hierbei zwei Elektromagnete an, von welchen einer in den
Hauptſtromkreis, der andere in eine Nebenſchließung geſchaltet wird, wodurch die
Lampe die Eignung für Theilungslicht erhält. (Siehe Seite 607.) Dieſe Lampe
iſt in den Figuren 459 und 460 abgebildet.


Der Strom durchlauft zunächſt den Elektromagnet C C, gelangt dann durch
die Büchſe i in die Kohlen c und c', zwiſchen welchen der Lichtbogen gebildet werden
ſoll, und verläßt durch die Büchſe i' und den Lampenkörper G' die Lampe. Der
Elektromagnet zieht ſeinen Anker Q q an und rückt dadurch die Büchſe i zur linken
Seite; die Kohlen gehen alſo etwas auseinander und der Lichtbogen entſteht. Wird
durch Abbrennen der Kohlen die Entfernung ihrer Spitzen zu groß, ſo geht der
größere Theil des Stromes durch einen Nebenſchluß, in welchem der Elektromagnet B
liegt; nun zieht dieſer ſeinen Anker n an und giebt durch Rückziehen des Sperr-
kegels u das Sternrad e und ſomit auch das Uhrwerk frei. Dieſes treibt die
Kohlen ſo lange zuſammen, bis der Voltabogen wieder ſeine normale Größe erreicht
[653] hat und in Folge deſſen der Strom im Nebenſchluſſe ſo weit geſchwächt iſt, daß
der Magnet B ſeinen Anker n abermals losläßt und das Uhrwerk neuerdings
hemmt.


Die Lampe von Merſanne hat den großen Vortheil, daß ſie lange Zeit
brennen kann, ohne daß die Kohlen erneuert oder die Lampe überhaupt berührt
werden muß. Das Uhrwerk kann nämlich, einmal aufgezogen, 36 Stunden laufen,
und die Kohlen können, dank der ſpeciellen Anordnung der Kohlenträger, beliebig
lang genommen werden. Die Regulirung ſoll übrigens nicht exact genug erfolgen,
um ein ſo ruhiges und ſtetiges Licht zu erzeugen, als zur Beleuchtung von Innen-
räumen erforderlich iſt; zur Straßenbeleuchtung dürfte dieſer Regulator übrigens
gute Dienſte leiſten. Merſanne’s Lampe mit vertical angeordneten Kohlenſtäben
iſt der eben beſchriebenen ganz ähnlich conſtruirt.


Fig. 460 zeigt die Lampe mit einer Art Zonenreflector ausgerüſtet, der bei
gewöhnlichen Beleuchtungen (von oben) aus Metall hergeſtellt iſt. Soll das vom
Reflector bewirkte Schattenwerfen nach oben vermieden werden, ſo macht man die
einzelnen Kreisſcheiben des Reflectors opal, ſo daß ein Theil des Lichtes nach
oben durchdringen kann.


Regulatoren mit Uhrwerk wurden auch von anderen Conſtructeuren hergeſtellt,
erlangten aber keine praktiſche Bedeutung. Bei der weitaus größten Anzahl von
Regulatorlampen verzichtet man auf die Anwendung eines eigenen Motors (Uhr-
werkes oder Elektromotors) zum Vorſchieben der Kohlen und läßt dafür die
Schwerkraft dieſe Arbeit ausführen. Dafür, daß dieſe Kraft immer rechtzeitig
zur Geltung kommt und entſprechend lange Zeit in Wirkſamkeit bleibt, muß der
elektriſche Strom mit Hilfe eines Solenoides oder eines Elektromagnetes
ſorgen. Auch für Regulatorlampen, bei welchen der Kohlennachſchub durch die
Schwerkraft bewirkt und durch ein Solenoid geregelt wird, haben wir bereits in
Archereau’s Lampe ein Vorbild kennen gelernt. Dieſe wies jedoch noch mannig-
fache Mängel auf; einer derſelben beſteht darin, daß die Anziehungskraft des
Solenoides auf den Eiſenkern ſich im Verlaufe der Brenndauer ändert, woraus
ein ungleich langer Lichtbogen zum Beginne und zum Ende der Brenndauer, alſo
auch eine ſich ändernde Lichtintenſität reſultiren muß.


Das Solenoid ſtrebt nämlich allerdings, ſtets den Eiſenkern in ſich hinein-
zuziehen, aber die Kraft dieſer Anziehung bleibt, ſelbſt unter der Vorausſetzung
unveränderlicher Stromſtärke im Solenoide, nicht immer dieſelbe. (Vergl. S. 287.)
Hat der Eiſenſtab einen conſtanten Querſchnitt (z. B. eine cylindriſche Geſtalt), ſo
iſt die Kraft, mit welcher er in die Spirale hineingezogen wird, verſchieden je nach
der Lage des Eiſenſtabes zur Spirale. Dieſe Kraft iſt am ſtärkſten, wenn ein Ende
des Stabes mit der Mitte der Spirale zuſammenfällt, ſie iſt am ſchwächſten, wenn
die Mitte des Stabes mit der Mitte der Spirale zuſammenfällt. Beim Regulator
von Archereau wird der untere Kohlenträger deſto höher hinaufrücken müſſen, je
länger die Lampe brennt; damit ändert ſich aber offenbar auch die Lage des Eiſen-
ſtabes zum Solenoide, daher auch die Anziehungskraft des letzteren auf den erſteren.
Iſt nun zum Beginne des Brennens der Eiſenkern mit der unteren Kohle durch
Bleiſchrot im Gleichgewichte ſo ausbalancirt worden, daß dieſes Gegengewicht
der Anziehung des Solenoides auf den Eiſenkern für eine beſtimmte Länge des
Lichtbogens das Gleichgewicht hält, ſo muß dieſes Gleichgewicht, wie leicht ein-
zuſehen, geſtört werden, ſobald ſich die Anziehungskraft des Solenoides ändert.
Dieſe Störung des Gleichgewichtes tritt aber bei längerer Function der Lampe
[654] durch die Aenderung der gegenſeitigen Lage von Eiſenkern und Solenoid ein, und
ſomit muß auch die Länge des Lichtbogens ſich ändern. In welcher Weiſe dieſer
Uebelſtand beſeitigt wurde, werden nachſtehende Lampenbeſchreibungen zeigen.


Am nächſten lag. es wohl, die Kraft des Solenoides in demſelben Maße zu
verſtärken, als die Stellung des Eiſenkernes zum Solenoide ungünſtiger wird.
Dies erreichte Gaiffe dadurch, daß er das Solenoid koniſch wickelte, d. h. die

Figure 465. Fig. 461.

Lampe von Gaiffe.


Zahl der Windungen ſucceſſive zunehmen ließ. Obwohl
nun bei Gaiffe’s Lampe nicht die Schwerkraft, ſondern
eine Federkraft die Bewegung der Kohlen bewirkt, ſoll
doch hier die Beſchreibung dieſes Regulators, der beſſeren
Ueberſicht wegen, eingeſchaltet werden.


In Fig. 461 bezeichnet H den oberen Kohlenträger,
welcher durch das Kniegelenk V genau über dem unteren
Kohlenträger H' eingeſtellt werden kann. Der obere
Kohlenträger wird durch eine in der Röhre J geführte
Stange I gehalten, deren unterer Theil verzahnt iſt.


Der untere Kohlenträger ruht auf der gleichfalls
theilweiſe gezahnten Stange K aus weichem Eiſen. Dieſe
Stange taucht in das ſtufenförmig gewickelte Solenoid L.
Der Deckel Q des Solenoides iſt in der Mitte mit einem
entſprechenden Ausſchnitte verſehen, um die Stange K
durchzulaſſen und trägt die Zahnräder M und M'; beide
ſind voneinander durch eine Elfenbeinſcheibe iſolirt und
drehen ſich frei auf der Axe W. Ihre Durchmeſſer ſtehen
im Verhältniſſe von 1 : 2, entſprechend der ungleichen
Abnützung der Kohlen. Das größere Zahnrad M greift
in die Verzahnung der Stange I ein, das kleinere M'
in die Zahnſtange K. Mit beiden Rädern in Verbindung
iſt das Federgehäuſe O. Die darin befindliche Spiralfeder
ſtrebt die beiden Räder derart zu drehen, daß die beiden
Kohlen gegeneinander bewegt werden. Die Zahnräder
R R' R″ können mit den Rädern M und M' in Eingriff
gebracht werden und dienen dazu, beide Kohlen zu heben
oder zu ſenken, ohne die Funktion der Lampe zu ſtören.
Für gewöhnlich ſind dieſe Räder R R' R″ durch Spiral-
federn in der Richtung ihrer Axe von den Rädern M
und M' abgezogen und werden erſt durch die Wirkung
eines Schlüſſels zum Eingriff gebracht. Dieſe Vorrichtung
dient dazu, um den Voltabogen in beliebiger Höhe ein-
ſtellen zu können, was für gewiſſe Zwecke nothwendig
erſcheint. Um den beiden Kohlenträgern einen ſicheren Gang
zu geben, ſind an verſchiedenen Stellen Führungsrollen U angebracht. Eine auf der
Röhre J befeſtigte Contactrolle wird durch einen Schlitz der Röhre gegen die
Stange I durch die Feder Y angedrückt und vermittelt die Stromzuführung. Der
ganze Regulirungsmechanismus iſt von dem Gehäuſe A B C D eingeſchloſſen, deſſen
Fuß die beiden Polklemmen der Lampe P und N trägt.


Die Regulirung des Lichtbogens wird durch die Feder O und das Solenoid
L bewirkt. Die erſtere führt die Kohlen gegeneinander, das letztere ſucht ſie durch
[655] Anziehung des Eiſenſtabes K zu trennen, und bei ruhigem Brennen der Lampe
halten ſich beide Kräfte das Gleichgewicht. Um dieſen Zuſtand für verſchieden ſtarke
Ströme erreichen zu können, geſtattet der viereckige Zapfen der Axe des Feder-
gehäuſes durch einen Schlüſſel die Spannung der Feder beliebig zu reguliren.


Der Strom tritt bei P in die Lampe ein, gelangt durch die Stange X in
die Röhre J und durch Y über I nach H, paſſirt beide Kohlen, geht dann von
der Stange K in das Solenoid L und zur zweiten Klemme N. Vor dem Eintritte
des Stromes hat die Feder O die beiden Kohlen bis zu ihrer Berührung einander
entgegengeführt; ſobald aber der Strom durch das Solenoid circulirt, zieht dieſes
die Stange K nach abwärts, entfernt die beiden Kohlen und bildet den Lichtbogen.
Das Abbrennen der Kohlen vergrößert den Lichtbogen und den Widerſtand im
Stromkreiſe, verringert daher die Anziehungskraft des Solenoides und läßt dadurch
die Wirkung der Feder überwiegen, woraus abermals ein Gegeneinanderbewegen
beider Kohlen reſultirt.


Die Lampe iſt für Einzellicht conſtruirt und namentlich für Batterieſtröme
gut anwendbar. Sie functionirt bereits mit 20 kleinen Bunſen’ſchen Elementen,
kann aber auch mit 60 großen derartigen Elementen betrieben werden.


Marcus vermeidet die durch die Stellung ungleichförmige Anziehung des
Solenoides auf den Eiſenkern dadurch, daß er das Solenoid in eine Reihe von-
einander getrennter aber gleichwerthiger Spulen theilt. Die übereinander angeordneten
Spulen ſtehen mit Contactſtreifen in Verbindung, über welche durch die Auf- oder
Abwärtsbewegung des Kohlenträgers Contactrollen geführt werden. Dieſe Anord-
nung bewirkt immer nur die Einſchaltung einer durch die Stellung des Eiſenkernes
(beziehungsweiſe Kohlenträgers) beſtimmten Spulengruppe, ſo zwar, daß die mittlere
der wirkſamen Spulen vom Schwerpunkte des Eiſenkernes ſtets gleich weit entfernt
iſt; das Solenoid muß daher immer dieſelbe Anziehungskraft auf den Eiſenkern
ausüben.


Auch Jaſpar bedient ſich zur Regulirung des Lichtbogens eines Solenoides,
verwendet aber als Gegenkraft keine Feder, ſondern die Schwerkraft. Die ungleich-
förmige Anziehung des Solenoides wird nicht beſeitigt, ſondern durch ein entſprechend
wirkendes Gegengewicht ausgeglichen. Die obere poſitive Kohle, Fig. 462, iſt an
dem Träger A befeſtigt und läßt ſich durch Schrauben genau über der unteren
Kohle einſtellen. Der Träger A iſt von den übrigen Theilen der Lampe vollſtändig
iſolirt und wird mit dem poſitiven Pole der Elektricitätsquelle verbunden. An
ſeinem unteren Ende trägt er einen Anſatz, der an einer Führungsſtange gleitet,
um das Drehen des Kohlenhalters zu vermeiden. Von dieſem Anſatze geht eine
Schnur zum Umfange einer Scheibe, auf deren Axe eine zweite Scheibe, aber nur
von halbem Durchmeſſer der erſteren, ſich befindet; die Schnur an ihrem Umfange
führt zum unteren Kohlenträger B. Auf dieſe Art muß auch bei dieſer Lampe
wieder die untere negative Kohle ſtets den halben Weg der oberen poſitiven Kohle
zurücklegen. Als Gegengewicht zum Gewichte des Kohlenträgers A wirkt das Lauf-
gewicht F; der Hebel, auf welchem das Laufgewicht ſitzt, iſt nämlich durch eine
Schnur mit einer dritten Scheibe verbunden, die ebenfalls auf der Axe der beiden
erſterwähnten Scheiben befeſtigt iſt. Die Schraube K dient dazu, das Gewicht F
auf ſeinem Hebel zu verſchieben und dadurch ſeine Zugkraft zu vermehren oder
zu vermindern, je nachdem es die angewandte Stromſtärke erfordert.


Der negative untere Kohlenträger B iſt aus Eiſen und taucht in das Sole-
noid C. So lange kein Strom durch die Lampe geht, überwiegt das Gewicht des
[656] Trägers A und dieſer ſinkt herab; in Folge ſeiner Verbindung durch die Schnur-
läufe muß gleichzeitig der Träger B gehoben werden, und die beiden Kohlen
berühren ſich. Schaltet man jetzt die Lampe in einen Stromkreis, ſo wird der
Träger B in das Solenoid hineingezogen, B ſinkt alſo und A muß deshalb ſteigen,
die Kohlen gehen auseinander und die Lampe beginnt zu brennen. Damit die

Figure 466. Fig. 462.

Lampe von Jaspar.


Bewegung nicht zu raſch erfolgt, iſt an dem
Träger B eine Stange L befeſtigt, welche unten
einen Kolben trägt; dieſer bewegt ſich mit geringem
Spielraume in dem mit Queckſilber gefüllten Cylin-
der D. Da auf dieſe Weiſe das Queckſilber nur
durch den engen ringförmigen Raum zwiſchen Kolben
und Cylinderwand paſſiren kann, wird auch die
Stange L und ſomit der Träger B zu einem lang-
ſamen, gleichförmigen Gange gezwungen.


In dem Maße, als die Kohlen verzehrt
werden, wächſt auch die Länge des Voltabogens,
die Stromſtärke nimmt ab und das Solenoid
verliert an Kraft. Jetzt kann das Gewicht der
Stange A wieder die Anziehungskraft des Sole-
noides überwinden, weshalb die obere Kohle ſinken
und die untere ſteigen wird, d. h. alſo, die Kohlen
werden ihrem Abbrennen entſprechend nachgeſchoben.
Die Anziehungskraft einer Spirale auf einen Eiſen-
ſtab von gleichem Querſchnitt iſt aber verſchieden
je nach der Stellung des Eiſenſtabes zur Spirale.
Beginnt die Lampe mit friſch eingeſetzten Kohlen zu
brennen, ſo befindet ſich der Kohlenträger B in
ſeiner tiefſten Stellung, ſind die Kohlen nahezu
abgebrannt (welchen Moment die Fig. 462 zeigt),
ſo iſt er in ſeiner höchſten Stellung angelangt. In
dieſem Stadium wird deshalb die Einwirkung des
Solenoides auf den eiſernen Kohlenträger eine viel
kräftigere ſein als zum Beginne des Brennens
der Lampe. Daraus würde aber zu Ende der
Brenndauer ein viel längerer Voltabogen reſultiren
als zu Beginn derſelben. Dieſen Uebelſtand ver-
meidet Jaſpar auf ebenſo einfache als ſinnreiche
Weiſe. Die Scheibe, welche den Schnurlauf auf-
nimmt, trägt nämlich ein Gewicht E, welches, wie
die Zeichnung zeigt, für das Ende der Brennzeit
auf der linken Seite der Drehaxe ſich befindet. Es
wirkt alſo mit ſeinem vollen Gewichte der Anziehung des Solenoides entgegen und
unterſtützt die Wirkung des Gewichtes von A. Am Beginne der Brennzeit ſteht die
Scheibe ſo, daß ſich das Gewicht E auf der rechten Seite von der Drehaxe befindet,
alſo mit ſeiner ganzen Schwere im Sinne der Anziehung des Solenoides wirkt. Im
erſteren Falle iſt aber die Anziehung des Solenoides am größten, aber auch die Gegen-
wirkung des Gewichtes E am ſtärkſten, und im letzteren Falle iſt die Anziehung des
Solenoides am ſchwächſten, aber dafür wird ſie auch durch das Gewicht E unterſtützt.


[657]

Während des Brennens nimmt die Anziehung des Solenoides ſtetig zu, die
Unterſtützung dieſer Wirkung durch das Gewicht aber ſtetig ab, denn mit dem
Abbrennen der Kohlen dreht ſich auch die Scheibe, und das Gewicht wird gehoben;
damit iſt aber eine ſtetige Abnahme der wirkſamen Kraftcomponente von E ver-
bunden. Dies geht ſo lange fort, bis E ſenkrecht über ſeiner Drehungsaxe angelangt
iſt. Hier hört ſeine Gegenwirkung auf. Brennt die Lampe länger fort, ſo gelangt
das Gewicht E auf die linke Seite und wirkt nun der inzwiſchen weiter gewach-
ſenen Anziehungskraft des Solenoides entgegen. Im ſelben Maße, als letztere ſich
vermehrt, wächſt auch die Gegenwirkung des Gewichtes.


Auf dieſe Art erzielt alſo Jaſpar trotz der Eiſenſtange von unveränderlichem
Querſchnitte doch eine ſtets gleichbleibende Bewegung im Kohlennachſchube. Das
Gewicht E iſt überdies noch in radialer Richtung verſtellbar, ſo daß dadurch und
durch die Verſtellung des Gewichtes F mittelſt
der Schraube K dieſelbe Lampe für verſchiedene
Stromſtärken Verwendung finden kann.


Jaſpar’s Regulator iſt für Einzellicht
und gleichgerichtete Ströme conſtruirt und
zeichnet ſich durch große Empfindlichkeit und
Sicherheit des Betriebes aus. Während der
Ausſtellung für Elektricität in Paris war ein
Saal durch drei Lampen derart erleuchtet,
daß die Lampe ſelbſt unſichtbar blieb. Die
Lampe befand ſich hierbei in einem oben
offenen Cylinder (Fig. 463) über welchem
ein weiß angeſtrichener Schirm aufgehängt
war. Letzterer wird natürlich in allen jenen
Fällen wegbleiben können, wo die Decke des
zu beleuchtenden Raumes weiß übertüncht
iſt. Dieſe Art der Beleuchtung gewährt den
Vortheil einer ſtarken Lichtzerſtreuung, daher
eine angenehme, gleichmäßige Beleuchtung,
und macht den grellen, blendenden Lichtbogen
unſichtbar.


Figure 467. Fig. 463.

Lampe von Jaſpar.


Durch beſondere Einfachheit zeichnet ſich die Lampe von Piette und Křižik
aus, die in Folge dieſes Umſtandes und wegen ihres exacten Functionirens zu
den beſten Lampen zählt, die gegenwärtig in praktiſcher Verwendung ſtehen. Da
bei dieſer Lampe der Nachſchub der Kohlen direct durch die Einwirkung zweier
Solenoide auf einen Eiſenkern bewirkt wird, muß ebenſo wie bei den vorbeſchrie-
benen Regulatoren dafür geſorgt werden, daß die Verſchiedenheit der Stellung
des Eiſenkernes zu den Solenoiden für den regelmäßigen Gang der Regulirung
unſchädlich gemacht wird. Statt wie Gaiffe das Solenoid koniſch zu geſtalten,
gaben Piette und Křižik dem Eiſenkerne die Geſtalt eines Doppelkegels und beließen
dafür den Solenoiden ihre cylindriſche Geſtalt. Bei dieſer Anordnung nimmt der
Querſchnitt des Eiſenſtabes in demſelben Maße ab oder zu, als die Wirkung der
Solenoide zu- oder abnimmt. In allen drei Lagen a, b, c, Fig. 464, wird daher
der Eiſenkern ſich in Ruhe befinden, wenn die Vorausſetzung gemacht wird, daß
die Spulen S1 und S2 elektriſch gleichwerthig ſind. In a befindet ſich z. B. das
untere Ende des Stabes in der Mitte der Spirale S1, alſo in der Stellung der
Urbanitzky: Elektricität. 42
[658] größten Anziehungskraft; die Mitte des Stabes fällt mit der Mitte der Spirale S2
zuſammen, iſt folglich in der Stellung der geringſten Anziehungskraft, die von
dieſer Spirale ausgeübt wird; es müßte daher der Stab ſich abwärts bewegen,
wenn nicht der Querſchnitt desſelben in der Spule S2 am größten und in der
Spule S1 am kleinſten wäre. Dieſer Umſtand gleicht aber die verſchiedenen
Anziehungskräfte der Spiralen aus, und der Stab bleibt in Ruhe. In c haben
beide Spiralen ihre Rollen vertauſcht, und in b befinden ſich beide Spulen in
derſelben Stellung zum Stabe. Der Stab iſt ſomit in allen drei Lagen im
Gleichgewichte.


Läßt man nun die Vorausſetzung, daß durch beide Spulen ein gleich ſtarker
Strom geht, fallen, ſo kann ſich der Stab nicht mehr im Gleichgewichte befinden,

Figure 468. Fig. 464.


Figure 469. Fig. 465.

Schema der Lampe von Piette \& Křižik.


ſondern muß von jener Spule ſtärker angezogen werden, durch welche der kräftigere
Strom circulirt. Die verſchiedene Stromſtärke in beiden Spulen wird erreicht,
indem man die eine Spule aus ſtarkem Drahte anfertigt und in den Hauptſtromkreis
ſchaltet, während die zweite Spule dünne Drähte erhält und in einen Nebenſchluß
zu liegen kommt. Hierbei wird die Stärke, mit welcher der koniſche Eiſenkern
von den Spulen angezogen wird, ſtets nur von der Stromſtärke in dieſen, nie
aber von der gegenſeitigen Stellung beſtimmt ſein. Die Richtung, nach welcher
ſich der Eiſenkern bewegt, entſpricht ſonach der Differenzwirkung beider Spulen.
Wir erſehen hieraus zugleich auch, daß der Regulator von Piette und Křižik eine
ſogenannte Differential-Lampe iſt und erinnern uns, daß die Anwendung des
Differential-Princips bei den Regulatorlampen deshalb erfolgt, weil ſie hierdurch
auch zum Betriebe von Theilungslichtern geeignet werden. (Siehe Seite 607.)


[659]

Fig. 465 zeigt das Schema einer Lampe, welche unter Anwendung dieſes
Principes und des doppeltkoniſchen Eiſenkernes conſtruirt iſt. Letzterer, in der Figur
mit F F bezeichnet, befindet ſich behufs Führung in einem Meſſingrohre, in deſſen
unterem Ende die Kohle E ſteckt. Das Ganze iſt an einer Schnur aufgehängt,
die über die Rolle R führt und ein Gegengewicht q trägt, als welches gleich
der untere Kohlenträger mit der Kohle B benützt werden kann. Das Solenoid S'
iſt in dem Hauptſtrom eingeſchaltet, das Solenoid S″ bildet einen Nebenſchluß
von hohem Widerſtande. Bei C iſt ein automatiſcher Unterbrecher angebracht, der
den Strom in einen Nebenweg ſchaltet, wenn der Lichtbogen erliſcht.


Wird die Lampe in den Stromkreis einer Lichtmaſchine eingeſchaltet, ſo tritt
der Strom in der durch den Pfeil angedeuteten Richtung in die Spirale S' ein,
geht durch die Ausſchaltungsvorrichtung C zur oberen poſitiven Kohle, dann durch
die negative Kohle zur Lichtmaſchine zurück. Sind die Kohlen nahe aneinander,
iſt alſo der Widerſtand im Hauptkreiſe gering, ſo wirkt die Spule S' kräftig und
zieht dadurch beide Kohlen auseinander; ſteigt durch das Abbrennen der Kohlen

Figure 470. Fig. 466.

Křižik’s Horizontal-Lampe.


der Widerſtand, ſo geht ein ſtärkerer Strom durch die Spule S″ von hohem
Widerſtande und bewirkt ein Zuſammenführen der Kohlen.


Bei der praktiſchen Ausführung dieſer Lampe gleitet der Stab mit der oberen
Kohle am Umfange zweier Rollen, während der Schnurlauf, durch welchem der
untere Kohlenträger mit dem oberen verbunden iſt, über Scheiben geht, die auf
den Axen der erſterwähnten Rollen ſitzen, deren Radien aber nur halb ſo groß
ſind als die der Rollen. In Folge deſſen legt auch die untere negative Kohle
immer nur den halben Weg der oberen poſitiven Kohle zurück und der Brennpunkt
der Lampe bleibt conſtant. Der Umſtand, daß alle nothwendigen Bewegungen
ſowohl bei der Herſtellung als auch bei der Regulirung des Lichtbogens nur durch
die von den Solenoiden auf den Eiſenkern ausgeübte Anziehung bewirkt werden,
alſo die Schwerkraft hieran keinerlei Antheil hat, befähigt die Lampe, auch in
horizontaler Lage ebenſo tadellos zu fungiren wie in verticaler Stellung. Fig. 466
zeigt das Modell jener Lampe, welche bei der internationalen Ausſtellung für
Elektricität in Paris ungetheilten Beifall fand.


In neuerer Zeit haben die Lampen mehrfache vortheilhafte Abänderungen
erfahren; ſo wurden z. B., wie die Fig. 467 und 468 zeigen, beide Drahtſpulen
nebeneinander angeordnet und hierbei der doppeltkoniſche Kern in ſeine beiden
42*
[660] einfach koniſchen Hälften getheilt. *) Der Fortſchritt dieſer Conſtruction gegenüber
der vorhin beſchriebenen liegt darin, daß ſämmtliche Contacte in der Hülſe der
Lampe liegen, alſo gegen Verunreinigung beſſer geſchützt ſind; die Schnur liegt
ebenfalls innerhalb der Hülſe. Fig. 467 iſt das Modell einer Hängelampe, Fig. 468
jenes einer Standlampe, wie ſolches auf der Wiener elektriſchen Ausſtellung zu
ſehen war. Fig. 470 ſtellt eine Lampe dar, die nur einen einfach kegelförmigen
Eiſenkern und eine Spule beſitzt, auf welcher dicker und dünner Draht gewunden

Figure 471. Fig. 467.


Figure 472. Fig. 468.


Figure 473. Fig. 470.

Lampe von Piette \& Křižik.


iſt. Schuckert, welcher die Erzeugung der Křižik(Pilſener)-Lampe für Deutſchland
übernommen hat, liefert Lampen von 6 bis 8 und 8 bis 10 Stunden Brenndauer.
Der Regulirungsmechanismus iſt gewöhnlich von einem Blechcylinder umgeben
und das Licht ſelbſt wird durch eine Glaskugel geſchützt und zerſtreut (Fig. 471).
[661] Letztere iſt an zwei durch lange Rohre geführte Stangen aufgehängt und kann
leicht und ſicher heruntergelaſſen werden. Fig. 472 ſtellt eine ornamentirte Lampe
dar, wie ſolche von Piette und Křižik bei der Wiener elektriſchen Ausſtellung in
Betrieb geſetzt waren. Um hierbei das Schattenwerfen der Metallrippen zu ver-
meiden, ſind die ſechs matten Glasſtücke zwiſchen den Rippen ſtark gewölbt. Da
hierdurch die leuchtenden Flächen weiter nach außenhin zu liegen kommen als die
*)
[662] undurchſichtigen Rippen, ſo überkreuzen ſich die Lichtſtrahlen über dieſen und heben
dadurch die Schattenbildung auf.


Die Differential-Lampe der Firma Siemens \& Halske, welche von
Hefner von Alteneck conſtruirt wurde, iſt die erſte Differential-Lampe, welche in
der Praxis in ausgedehntem Maße Anwendung fand. Bei dieſer Lampe beſorgt
die. Schwerkraft den Nachſchub der Kohlen, während der Regulirungsmechanismus
nur die Art und Zeit der Bewegung beſtimmt. Hier kommen wegen dieſes Um-

Figure 475. Fig. 471.


Figure 476. Fig. 472.

Lampen von Piette \& Křižik.


ſtandes auch keine für die Anziehung verſchieden günſtigen Stellungen der Eiſenkerne
zu den Solenoiden vor. In welcher Art hierbei von der Stromverzweigung
Gebrauch gemacht wurde, möge mit Hilfe des Schemas Fig. 473 erörtert werden.
S S1 iſt ein Stab aus weichem Eiſen, der an dem um o drehbaren Hebel befeſtigt
iſt. T ſtellt eine Nebenſchließung von hohem Widerſtande im Verhältniſſe zum
Stromweg in der Lampe und auch zum Lichtbogen vor, R ein in den Hauptſtrom
eingeſchaltetes Solenoid von geringem Widerſtande. Die Windungen der beiden
Solenoide ſind ſo angeordnet, daß dieſe den Eiſenſtab in entgegengeſetzten Richtungen
anzuziehen ſuchen, daher mit der Differenz ihrer anziehenden Kräfte wirken. Es
[663] wird in Folge deſſen auch die Regulirung des Lichtbogens ſtets das Reſultat der
Differentialwirkung beider Spulen ſein.


Nehmen wir an, die beiden Kohlen h und g berühren ſich nicht, ſondern
befinden ſich in einer gewiſſen Entfernung voneinander. Der Strom geht dann
von L durch die Spule T von hohem Widerſtande zur unteren Kohle h und von
da über L1 zur Stromquelle zurück; dadurch wird der Eiſenkern S S1 magnetiſch
und in T hineingezogen, alſo das Hebelende c1 in ſeine tiefſte Stellung gebracht.
Im ſelben Momente löſt ſich der Kohlenhalter a vom Hebel c c1 los und fällt
langſam herunter, bis ſich die beiden Kohlen treffen. Jetzt geht der Strom von L
durch R g h nach L1; nun wirkt aber die Spule R auf den Stab S S1, zieht
dieſen nach unten, und der Lichtbogen entſteht. Im erſten Momente der Hebung
ſtellt ſich auch die Verbindung von a und c1 wieder her. Im Stromkreiſe iſt jetzt
zum Widerſtande R noch der Widerſtand des Lichtbogens hinzugekommen, und
dieſer wächſt mit der Länge des Lichtbogens; dadurch wird der Strom in T wieder
ſtärker und in R ſchwächer, bis bei
einem beſtimmten Widerſtande des
Bogens ſich die von T und R aus-
geübten Anziehungskräfte das Gleich-
gewicht halten. Die Kohlenſtäbe
brennen langſam ab, aber die gleiche
Bogenlänge ſtellt ſich immer wieder
her. Bei entſprechend höherer
Stellung des Eiſenſtabes S S1 ſinkt
c1 bis in ſeine unterſte Stellung,
wo dann die Löſung der Kuppelung
und Erneuerung des früheren Spieles
erfolgt. Wird im Stromkreiſe außer-
halb der Lampe die Stromſtärke
verändert, ſo bringt dies allein
in der Lampe keine Veränderung
hervor, weil die Stromſtärke in den
beiden Spulen in gleichem Verhält-

Figure 477. Fig. 473.

Schema der Siemens-Lampe.


niſſe ſich ändert. Für die Größe des Widerſtandes, auf welchen der Bogen
gebracht wird, iſt das Verhältniß der Wirkungen der beiden Spulen R und T auf
den Eiſenkern maßgebend. Es wird voraus beſtimmt durch Wahl des entſprechenden
Widerſtandes, die Zahl der Windungen oder mehr oder weniger tiefes Eintauchen
des Stabes in die Spulen. Zu dieſem Zwecke iſt die obere Spule verſtellbar
angebracht.


Die Lampe ſelbſt (Fig. 474) zeigt, daß der Kohlenhälter a Z nicht unmittelbar
an den um d drehbaren Hebel c c1 befeſtigt iſt. Die Zahnſtange Z hat ihre
Führung in dem Theile A, welcher an dem Hebelende c1 angehängt und durch
eine Gelenkſtange c2 an ſeinem unteren Ende ſo geführt iſt, daß ſie bei den
Schwingungen von c c1 nur parallel mit ſich ſelbſt auf- und abbewegt werden
kann. Die Zahnſtange kann an dem Theile A nur langſam abwärts gleiten, indem
ſie dabei das Steigrad r und das Echappement E in Bewegung und dadurch
das Pendel p mit ſeinem nach oben gehenden Arme m in Schwingung ſetzen
muß, welche Theile ſämmtlich an A gelagert ſind und mit ihm auf- und
abwärts gehen.


[664]

In einer gehobenen Lage des Stückes A iſt der Arm m durch eine Kerbe
in dem kleinen Hebel y, welcher bei x gleichfalls an das Stück A gelagert iſt,
feſtgehalten, hiermit das Echappement arretirt und die Zahnſtange mit A verkuppelt.


Wenn aber A und ſomit der Hebel y ſich der unterſten Stellung nähert,
ſo wird der letztere durch einen am Geſtelle feſtſitzenden Stift ausgehoben, und
das Echappement, ſowie die Zahnſtange x von A frei, worauf die früher beſchriebene
Nachſchiebung der Kohlen ſtattfindet.


Figure 478. Fig. 474.

Differential-Lampe von
Siemens \& Halske.


Jede Lampe regulirt ſich mit Rückſicht auf die
Stromſtärke; man kann daher eine Reihe von Lampen in
einen Stromkreis oder auch in mehrere Stromkreiſe einer
Maſchine einſchalten, in Parallel- oder Zweigleitungen;
in letzterem Falle erhält man verſchieden intenſive Lichter.
Wenn in einer Lampe die Kohlen abgebrannt ſind, ſo
erliſcht ſie und der Strom geht durch die Spule von
großem Widerſtande; um dieſen Stromverluſt zu vermeiden,
wendet Siemens noch eine Contactvorrichtung an, welche
einen kurzen Schluß bewirkt.


Bei den Differential-Lampen älterer Conſtruction iſt
die untere Kohlenelektrode unbeweglich. Jetzt wird die
untere Kohle in eine Hülſe geſteckt, in der ſich eine
Spiralfeder befindet, welche die Kohle nach aufwärts
drückt. Oben wird die Kohle gehemmt durch einen (bei
Abnützung leicht auswechſelbaren) Kupferring, deſſen
innerer Durchmeſſer dem Durchmeſſer der Kohle nahezu
gleichkommt. Dadurch kann immer nur der koniſch zu-
geſpitzte Theil hervortreten. Die Länge jeder Kohle beträgt
40 Centimeter, die Brenndauer einer Lampe 8 Stunden.


Auch die von Zipernowsky (Firma Ganz
\& Cie
.) conſtruirte Lampe bewirkt den Nachſchub der
Kohlen durch die Schwerkraft und regelt die Bewegung
durch die wechſelnde Kraft von Solenoiden. Das Parallelo-
gramm m n, Fig. 475, iſt auf einer Seite des Hebels m m
befeſtigt, welcher ſich um eine horizontale, auf den Säulen
M M gelagerte Axe drehen kann. An der entgegengeſetzten
Seite des Hebels iſt der Eiſenkern für das Solenoid E
angebracht. Den oberen Kohlenträger bildet die Zahn-
ſtange Z, welche vermöge ihrer Gewichtes herabſinkt, wenn
das Räderwerk r mit dem Windflügel c nicht gehemmt
wird. Das Solenoid E beſitzt einen erheblichen Wider-
ſtand und iſt in einen Nebenſchluß zum Hauptſtromkreiſe
geſchaltet. Die Feder R, im ſelben Sinne wie die Anziehungskraft des Solenoides E
wirkend, ſtrebt, die obere Kohle zu ſenken, während das Gewicht des Eiſenkernes
im Solenoid dieſem Beſtreben entgegenwirkt. In Folge der letzteren Wirkung wird
anfänglich der Rahmen m n mit dem Räderwerk r gehoben und dadurch das
Sternrad s mit einer Sperrklinke in Eingriff gebracht. Daher kann ſich weder das
Räderwerk bewegen, noch die Zahnſtange mit der oberen Kohle ſenken.


Leitet man nun einen Strom durch die Lampe, ſo kann dieſer nur durch
das Solenoid E gehen; dieſes zieht ſeinen Kern an, ihn von unten nach oben
[665] bewegend und ſenkt hierdurch etwas den Rahmen m m, wodurch das Räderwerk r
freigegeben wird und die Zahnſtange mit der oberen
Kohle herabfallen kann, bis dieſe die untere Kohle
berührt. Der Windflügel c verhindert eine zu raſche
Bewegung der Stange. Sobald die beiden Kohlen ſich
berühren, fließt ſofort faſt der ganze Strom durch
dieſe, und das Solenoid wird bedeutend geſchwächt.
Das Parallelogramm ſteigt daher wieder nach auf-
wärts und nimmt die obere Kohle mit, weil eben
durch das Steigen das Räderwerk neuerdings durch
die vorerwähnte Sperrklinke arretirt wird; die Kohlen
entfernen ſich alſo voneinander und der Lichtbogen
entſteht. Im ſelben Maße als nun die Kohlen ab-
brennen, wächſt der Widerſtand im Voltabogen, wes-
halb die Stromſtärke im Solenoide E zunehmen muß,
bis endlich die Anziehungskraft desſelben hinreicht, um
durch Hebung ſeines Eiſenkernes den Rahmen m n zu
ſenken, und ſo das Räderwerk freizugeben; die Zahn-
ſtange mit der oberen Kohle kann nun abermals nach-
ſinken, bis wieder die normale Bogenlänge hergeſtellt
iſt. Um eine zu heftige oder ruckweiſe Bewegung des
Eiſenkernes zu vermeiden, iſt an der Stange t ein
Kolben angebracht, der ſich im oberen, mit einer Kupfer-
röhre verſehenen Theile des Solenoides E nach Art
des Kolbens einer Luftpumpe bewegt und ſo die Be-
wegung gleichmäßiger macht. Sind die Kohlen ab-
gebrannt, ſo wird ein Zweigſtrom durch den Elektro-
magnet B B geleitet, veranlaßt dieſen ſeine Armatur
anzuziehen und dadurch den Rahmen m n zu ſenken.
Die Feder S gelangt dann zur Berührung mit der
Grundplatte der Lampe und bewirkt dadurch einen
kurzen Stromſchluß.


Auch Schwerd \& Scharnweber laſſen das
Nachſchieben der Kohlen durch die Schwere des oberen
Kohlenträgers bewirken und übertragen den Differential-
Spulen nur das Anzünden der Lampe und die Regu-
lirung
der Kohlenträgerbewegung. Sobald die Lampe
in den Stromkreis eingeſchaltet wird, geht der Strom
durch die wenig Widerſtand darbietende, in den Haupt-
ſtromkreis eigeſchaltete Spule S1 (Fig. 476) und ver-
anlaßt dadurch eine Aufwärtsbewegung des Eiſen-
kernes E. Der Eiſenkern hängt bei h1 an dem um c1
drehbaren Hebel; am entgegengeſetzten Ende desſelben
iſt die Zugſtange t befeſtigt, welche an ihrem unteren
Ende mit dem um c2 drehbaren Hebel verbunden iſt,
welcher bei h2 die untere Kohle trägt. Dieſe muß in
Folge der Aufwärtsbewegung von E offenbar nach

Figure 479. Fig. 475.

Lampe von Zipernowsky.


abwärts bewegt werden, d. h. alſo die beiden Kohlen entfernen ſich voneinander
[666] und der Lichtbogen entſteht. Die Zahnſtange Z Z des oberen Kohlenträgers greift
in ein mit Hemmrad und Sperrklinke r verſehenes Räderwerk ein und kann daher

Figure 480. Fig. 476.

Lampe von
Schwerd \& Scharnweber.


nur dann herabſinken, wenn die Sperrklinke das Räder-
werk freigiebt. Dies iſt jedoch in dem eben betrachteten
Stadium nicht der Fall, weil ein an der Zugſtange t
bei i angebrachter Anſatz eben durch das Herabbewegen
der Stange gegen die Sperrklinke drückt und dadurch
das Räderwerk feſthält.


Die Kohlen brennen ab und vergrößern hier-
durch den Widerſtand des Lichtbogens; es muß daher
die Stromſtärke in der Hauptſchluß-Spule S1 in dem-
ſelben Grade abnehmen und in der Nebenſchluß-Spule S2
zunehmen. Der Eiſenkern E wird ſich nach unten be-
wegen und vermöge der durch die Zugſtange t mit-
einander verbundenen Hebel c1 h1 und c2 h2 die untere
Kohle heben. Hierdurch muß ſich aber auch der Anſatz
bei i von der Sperrklinke r entfernen, alſo muß auch
das Räderwerk frei werden und dem oberen Kohlen-
träger nachzuſinken geſtatten. Damit wird wieder die
normale Länge des Lichtbogens hergeſtellt und der
Hauptſtrom abermals durch S1 geleitet, was ein Senken
der Stange t und ſomit eine neuerliche Hemmung des
Räderwerkes zur Folge hat. Um ein raſches Herabfallen
des oberen Kohlenträgers zu verhindern, iſt das Räder-
werk mit dem verhältnißmäßig ſchweren Schwungrade u
verſehen, welches nach Art der Unruhe einer Uhr die
Bewegung zu einer gleichmäßigen macht. Eine zu raſche
oder plötzliche Bewegung des Eiſenkernes E wird da-
durch verhindert, daß an dem oberen Hebel bei b die
Kolbenſtange eines in dem mit Glycerin gefüllten
Cylinder g beweglichen Kolbens angehängt iſt.


Eine Gruppe von Lampen, bei welchen zwar
auch wie bei der vorhergehenden der Nachſchub der
Kohlen durch die Schwere des Kohlenträgers bewirkt
und durch Differential-Solenoide geregelt wird, zeichnet
ſich hingegen durch die charakteriſtiſche Art der Hem-
mung dieſer Bewegung aus; dieſe beſteht nämlich in
der Anwendung eines Hemmringes. Von dieſen
Lampen möge zunächſt die Lampe von Bruſh be-
ſchrieben werden. Zur Erläuterung ihrer Conſtruction
wird das einfachſte, früher für Einzellicht beſtimmte
ältere Modell dienen.


Eine verticale Meſſingſäule, Fig. 477, trägt
an ihrem oberen Ende ein Solenoid A mit wenigen
Windungen eines dicken Drahtes. Der Kern des Sole-
noides beſteht aus einer ſchmiedeiſernen Röhre C, deren
Gewicht zum Theile durch Spiralfedern c ausbalancirt iſt. Unten an dieſem an-
gebrachte Schrauben d erlauben die Spannung der Federn zu reguliren. Innerhalb
[667] des Eiſencylinders befindet ſich frei beweglich der Träger B der oberen, poſitiven
Kohle. Der untere Kohlenträger iſt durch die Schraube G mit ſeinem Fuße ver-
ſtellbar. Der Eiſencylinder C trägt einen Haken, der unterhalb des Ringes D,
durch welchen der obere Kohlenträger frei hindurchgeht, eingreift.


Wenn das Solenoid ſtromlos iſt, ſo liegt der Ring D auf der Grundplatte
des Gehäuſes auf, und der obere Kohlenträger fällt frei herunter, bis ſeine Kohle
auf die untere Kohle trifft. Werden jedoch die Klemmen + und — mit den
entſprechenden Polen einer Elektricitätsquelle verbunden, ſo geht der Strom durch
die verticale Säule in das Solenoid, von dieſem in die obere Kohle und durch

Figure 481. Fig. 477.

Lampe von Bruſh.


Figure 482. Fig. 478.

Straßenlaterne von Bruſh.


die untere Kohle zur zweiten Klemme. Dann zieht das Solenoid das Eiſenrohr C
hinein und hebt mittelſt ſeines Hakens den Ring D einſeitig; die Kanten der
Ringöffnung faſſen den Kohlenträger B und dieſer, ſo am Hinabgleiten gehindert,
muß vielmehr die Aufwärtsbewegung des Cylinders C mitmachen, alſo die beiden
Kohlen voneinander entfernen. Der auf dieſe Weiſe erzeugte Lichtbogen wird mit
dem Abbrennen der Kohlen immer länger, der Strom im Solenoid aber durch
den in ſolcher Art vermehrten Widerſtand des Schließungsbogens immer ſchwächer
und deshalb wird auch der Cylinder C langſam herabſinken; dadurch wird aber
der Ring ſich wieder horizontal auf die Grundplatte des Gehäuſes auflegen können,
und damit dem Träger B ein neuerliches Herabſinken, alſo Näherbringen beider Kohlen
geſtatten. Dann wird aber der Strom ſofort wieder wachſen, und das Solenoid
[668] den Eiſencylinder unter Mitnahme des Ringes neuerdings heben. Die Bewegung
des Ringes nach oben iſt durch die verſtellbare Anſchlagſchraube E begrenzt. Bei
normaler Function der Lampe wird die ganze Bewegung darin beſtehen, daß der
Ring in regelmäßigen Zwiſchenpauſen einſeitig gehoben wird und das Nachſinken
der oberen Kohle zeitweiſe hindert.


Die Lampen für Theilungslicht haben ganz denſelben Regulirungsmechanismus,
nur das Solenoid A beſitzt doppelte Windungen, von welchen die inneren, aus
dickem Drahte gebildet, in den Hauptſtromkreis, die äußeren, beſtehend aus vielen
Windungen eines dünnen Drahtes, derart in einem Nebenſchluße angebracht ſind,
daß die Stromrichtung in der äußeren jener in der inneren Spirale entgegengeſetzt
iſt. Das Solenoid wirkt dann immer mit der Differenz der magnetiſchen Momente
beider Ströme, und zwar in folgender Weiſe: Wenn ſich anfangs beide Kohlen
berühren, wird zunächſt ein kräftiger Strom durch die Spirale aus ſtarkem Drahte,
ein ſehr ſchwacher Strom durch die im Nebenſchluſſe befindliche Spirale aus dünnem
Drahte fließen. Der Eiſencylinder wird mit der Differenz der beiden magnetiſchen
Momente in das Solenoid hineingezogen, und bildet durch Hebung des oberen
Kohlenträgers den Lichtbogen. In dem Maße, als dieſer die Kohlen verzehrt,
wächſt der Widerſtand im Hauptſtromkreiſe, und ſinkt daher deſſen Stromſtärke;
im Nebenſchluſſe der feindrähtigen Spirale wird hingegen der Strom wachſen.
Die Differenz der magnetiſchen Momente beider Spiralen wird immer kleiner,
daher ihre Anziehungskraft auf den Eiſencylinder immer ſchwächer; dieſer ſinkt
herab, der Ring ſtellt ſich mehr und mehr horizontal und läßt den oberen Kohlen-
hälter nachſinken.


Um ein zu raſches Nachſinken des Kohlenträgers zu verhüten, iſt derſelbe
als Röhre geformt und mit Glycerin gefüllt; in dasſelbe taucht ein Kolben mit
verſetzten Bohrlöchern, deſſen Stange am oberen Theile der Lampe befeſtigt iſt;
da die Röhre (der Kohlenträger) nur mit der Schnelligkeit ſinken kann, als das
Glycerin durch den Kolben fließt, iſt hiermit eine Dämpfung der Bewegung
erreicht. Die Lampe iſt ferner mit einem zweiten Nebenſchluſſe ausgerüſtet, deſſen
Zweck darin beſteht, eine Lampe, welche aus irgend einer Urſache verliſcht, aus
dem Stromkreiſe auszuſchalten, ohne das Brennen der übrigen Lampen zu ſtören.
Hierzu wird ein Elektromagnet verwendet, der gleichfalls mit dünnen und dicken
Drähten umwunden iſt. Wird nun aus irgend einem Grunde der Hauptſtrom in
der Lampe unterbrochen, ſo geht ein kräftiger Strom durch den dünnen Draht
dieſes Elelektromagnetes; dieſer zieht ſeinen Anker an und ſchaltet hierdurch die
Spirale mit dickem Draht in den Stromkreis ein. Der Strom geht nun durch
den Anker der Ausſchaltevorrichtung, durch die wenigen Windungen dicken Drahtes
derſelben und zur nächſten Lampe. Die Spirale mit dünnem Drahte wird ſtromlos
und dadurch einem unnützen Stromverluſte vorgebeugt.


Die Lampen werden mit ſchwach verkupferten Kohlenſtäben von 12 Milli-
meter Durchmeſſer und 0·305 Meter Länge verſehen. Bei der Anwendung eines
Stromes von 10 Ampères haben ſie eine Brenndauer von 8 Stunden. Für
größere Brendauer conſtruirte Bruſh Lampen mit zwei oder mehreren Kohlen-
paaren. Eine Lampe mit zwei Kohlenpaaren iſt in Fig. 478, als Straßenlaterne
montirt, abgebildet.


Bei der Lampe von Schulze wird an Stelle des einfachen Hemmringes
ein Rahmen benützt, in welchem ſich zwei Rollen drehen können, wenn ſie nicht
in Folge der Schiefſtellung des Rahmens an den zwiſchen ihnen durchgehenden
[669] Kohlenhälter feſt angedrückt werden. Die Stellung des Rahmens wird durch ein
Differential-Solenoid beſtimmt, welches auf eine Eiſenröhre als Kern ähnlich wie
bei Bruſh wirkt.


Bei Gérard’s Lampen wird der Kohlennachſchub gleichfalls durch den vermöge ſeiner
Schwere herabſinkenden Kohlenträger bewerkſtelligt und die Hemmung dieſer Bewegung durch einen
Hemmring bewirkt bei dem kleinen Modelle, durch eine Art Scheere bei den größeren Modellen.
Bei dem erſterwähnten Modelle (lampe à glissière), Fig. 479, iſt der obere Kohlenträger an
dem Eiſenkern K im oberen Theile des Elektromagnetes E befeſtigt, während die Armatur a

Figure 483. Fig. 479.


Figure 484. Fig. 480.

Lampen von Gérard.


an der unteren Seite des Elektromagnetes die eine Seite des um e drehbaren Hebels bildet,
deſſen andere Seite r die Gleitſtange S ringförmig umfaßt. Die bei r angebrachte Spiralfeder
wirkt der Anziehung des Elektromagnetes E auf a entgegen. Iſt der Magnet ſtromlos, ſo
zieht die Spiralfeder den Hebel auf der linken Seite nach aufwärts und der Ring klemmt
die Gleitſtange S; fließt hingegen durch E ein genügend ſtarker Strom, ſo wird a angezogen,
dadurch die Klemmung aufgehoben und der Elektromagnet, ſammt Kohlenträger, Hebel und
Spiralfeder gleitet an der Stange S herab. Zur Vermeidung einer Drehung iſt noch eine
Führungsſtange F angebracht.


Soll die Lampe in Thätigkeit geſetzt werden, ſo bringt man zunächſt die beiden Kohlen
außer Berührung. Sie bleiben in dieſer Lage, weil der Hemmring r in Folge der Feder-
wirkung die Stange S klemmt. Leitet man nun einen Strom durch die Lampe, ſo zieht das
[670] Solenoid den Eiſenkern K nach abwärts und ſenkt dadurch die obere Kohle. An der Unter
ſeite von E wird gleichzeitig der Anker a angezogen und dadurch die Bremſung bei r auf-
gehoben; der Elektromagnet gleitet daher mit der Kohle ſo lange herab, bis dieſe mit der
unteren Kohle zur Berührung kommt. Da der Elektromagnet im Nebenſchluſſe zu den Kohlen
liegt, verliert er durch die Berührung der Kohlen ſeine Anziehungskraft. Der Anker a wird
durch die Gegenfeder abgezogen und die Gleitbewegung durch Anlegen des Bremsringes an S
unmöglich gemacht; gleichzeitig iſt aber auch der Eiſenkern K durch die ihn tragende Spiral-
feder wieder aus dem Solenoide herausgehoben worden und hat dadurch die obere Kohle
etwas gehoben, d. h. den Lichtbogen gebildet. Wird durch das Abbrennen der Kohlen der

Figure 485. Fig. 481.


Figure 486. Fig. 482.

Lampen von Cance.


Widerſtand im Voltabogen größer, ſo nimmt die Stromſtärke in E wieder zu und bewirkt
hierdurch neuerdings die Aufhebung der Bremſung und ſomit ein Herabgleiten der oberen Kohle.


Bei dem für Wechſelſtröme conſtruirten Modelle Fig. 480 hängen an den Spiral-
federn S S die Armaturen a a, an welchen mittelſt die hohlen Magnete M M durchſetzenden
Stangen die Traverſe t befeſtigt iſt. Letztere trägt die mit der Platte P verbundene ſcheren-
förmige Bremſe B B. Iſt die Lampe ſtromlos, ſo ſind die Anker a a durch die Federn S S
von den Magneten M M abgezogen und bremſen hierdurch den oberen Kohlenträger. Schickt
man nun einen Strom durch die Lampe, ſo geht dieſer nur durch die im Nebenſchluſſe liegenden
Magnete M M, weil ſich die beiden Kohlen nicht berühren. Hierdurch werden die Anker an-
gezogen, ſenken den oberen Kohlenträger und heben die Bremſung auf: Die obere Kohle
[671] gleitet bis zur Berührung mit der unteren herab und bietet dadurch dem Strome einen Weg
von geringem Widerſtande, nämlich den durch die Kohlen dar. Weil nun durch die Elektro-
magnete nur mehr ein ſehr ſchwacher Strom geht, werden die Anker durch die Spiralfedern
abgezogen und heben dadurch, den Lichtbogen bildend, die obere Kohle, ohne die Bremſung
aufzuheben. Letzteres bewirkt erſt eine abermalige Stromzunahme in M M in Folge des wachſenden
Widerſtandes im Lichtbogen durch Abbrennen der Kohlen. Um ein ruhiges Abwärtsgleiten des
Kohlenträgers zu erreichen, endet dieſer nach oben in einem Kolben, der ſich im Rohre R mit
ſanfter Reibung bewegt.


Dieſe Lampe iſt durch Gérard auch in die Form einer Differential-Lampe gebracht
worden. Hierbei befinden ſich die Anker a a zwiſchen je zwei Elektromagneten, von welchen
das obere Paar in den Haupt-, das untere Paar in einen Nebenſtromkreis geſchaltet iſt.


Bei der Lampe von Cance, Fig. 481 und 482, bei welcher gleichfalls die Schwere
des Kohlenträgers den Nachſchub bewirkt, beſteht der Bremsring, wenn man ihn hier noch ſo
nennen darf, in einer Schraubenmutter E F, in welcher ſich die Schraubenſpindel V drehen
kann. Der obere Kohlenträger t t hängt an dieſer durch die an ihm befeſtigte Schraubenmutter K
Geht kein Strom durch die Lampe, ſo gleitet der Kohlenträger vermöge ſeines Gewichtes herab,
muß aber hierbei durch die Schraubenmutter K die Spindel V in Umdrehung verſetzen. (Die
langgezogene Schraube hat die Form der Schraube eines Drillbohrers.) Verbindet man jedoch
die Polklemmen P P der Lampe mit einer Stromquelle, ſo geht der Strom in der durch die
Pfeile angedeuteten Richtung durch die Lampe. Die Elektromagnete B1 B2 ziehen ihre Kerne N N
hinein, d. h. nach oben, und dieſe üben dann durch ihre ſtangenförmigen Anſätze einen kräftigen
Druck auf die Platte L L aus. Die Platte wird dadurch gehoben und drückt dann auf die
Schraubenmutter E F, die früher auf der an der Spindel befeſtigten Platte D aufruhte.
Durch dieſen nach oben gerichteten Druck wird die Spindel V in Drehung verſetzt. Die
Richtung dieſer Umdrehung muß jener Drehungsrichtung entgegengeſetzt ſein, welche durch
die Abwärtsbewegung der unteren Schraubenmutter K bewirkt wurde, weil ja die beiden
Schraubenmuttern ſich nach entgegengeſetzten Richtungen auf derſelben Schraube bewegen, d. h.
alſo, die Aufwärtsbewegung der Mutter E F muß die Spindel derart drehen, daß die Mutter K
und mit ihr der obere Kohlenträger gehoben wird. Hierdurch bildet ſich aber der Lichtbogen.
Das Abbrennen der Kohlen und hierdurch bedingte Anwachſen des Widerſtandes im Lichtbogen
ſchwächt die Stromſtärke und ſomit auch die Kraft des Solenoides, der Druck von L L gegen
E F läßt nach und die Schraube V kann wieder durch das Herabgleiten des ſchweren Kohlen-
trägers t t gedreht werden.


Bei der Lampe von Weſton-Möhring, Fig. 483, trägt der an den Federn F F
befeſtigte Anker A des Elektromagnetes E E1 einen Hebel H, der mit einer Bohrung
verſehen iſt, um den oberen Kohlenträger K durchzulaſſen. Der Anziehungskraft
des Elektromagnetes E E1 auf den Anker A wirkt die Spiralfeder S entgegen,
deren Spannung durch die Schraube R und den mit ihr verbundenen Winkelhebel
regulirt werden kann. So lange kein Strom durch die Lampe geht, befindet ſich
der Hebel H in ſeiner tiefſten Stellung, bei welcher das Bohrloch parallel zum
Kohlenträger K ſteht und dem Herabgleiten desſelben bis zur Berührung mit der
unteren Kohle K1 kein Hinderniß in den Weg ſtellt. Sobald jedoch ein Strom
durch die Drahtwindungen des Elektromagnetes fließt, zieht dieſer ſeinen Anker an
und dreht dadurch den Hebel H aufwärts. Hierdurch kommt das Bohrloch desſelben
in eine ſchiefe Stellung zum Kohlenträger K, der nun durch die Kanten des
Bohrloches gefaßt wird und an der Aufwärtsbewegung des Hebels theilnehmen
muß. Die obere Kohle wird alſo von der unteren entfernt und der Lichtbogen
gebildet. Brennen aber die Kohlen weiter ab, ſo wächſt der Widerſtand im Bogen
und die Anziehungskraft des Elektromagnetes nimmt ab; der Anker A ſinkt, der
Hebel H wird abwärts bewegt und läßt die Kohle K abwärts gleiten. Um heftige
Bewegungen des Ankers zu vermeiden, iſt an demſelben durch die Stange c ein
Kolben aufgehängt, der ſich in einem mit Glycerin gefüllten Cylinder bewegt.


Der Elektromagnet A beſitzt auf jedem ſeiner Schenkel drei Drahtſpulen,
und zwar zunächſt dem weichen Eiſenkerne eine Spule dünnen Drahtes, auf dieſe
[672] folgt in der Richtung nach außen zu eine Spule dicken Drahtes, und die äußerſte
Spule beſteht wieder aus Windungen eines dünnen Drahtes. Die Spulen mit
dickem Drahte liegen im Hauptſtromkreiſe, jene mit dünnen Drähten in einem
Nebenſchluſſe, und iſt die Stromrichtung in den erſteren entgegengeſetzt jener in
den letzteren. Die Anziehungskraft des Elektromagnetes iſt daher durch die Differenz
der elektriſchen Kräfte in beiderlei Spulen beſtimmt. Die Anwendung dieſes Diffe-
rential-Magnetes, deſſen Wirkungsweiſe nach den vorhergehenden Lampenbeſchreibungen
wohl keiner näheren Erklärung bedarf, ermöglicht die Verwendung dieſer Lampe
für Theilungslicht.


Figure 487. Fig. 483.

Lampe von Weſton-Möhring.


Wir wenden uns nunmehr einer Gruppe von
Lampen zu, bei welcher auch die Schwere eines
Kohlenträgers die Bewegung der Kohlen bewirkt,
jedoch die Hemmung nicht durch einen Bremsring,
ſondern durch den Sperrhaken eines Räderwerkes
bewerkſtelligt wird; zur Regulirung der Bewegung
dienen Elektromagnete. Hierbei iſt in erſter Linie
der in ſeiner älteren Form bereits im Jahre 1859
conſtruirte Regulator von Serrin zu zählen.


Der obere poſitive Kohlenträger B, Fig. 484,
trägt in ſeinem unteren Drittel eine Zahnſtange A,
welche in das Zahnrad F eingreift; mit F auf
derſelben Axe ſitzt eine Rolle G, deren Radius halb
ſo groß iſt, als der des Zahnrades. Von dieſer
Rolle geht eine Stahlkette über die Führungsrolle J
zu einem Elfenbeinſtücke, das mit dem unteren,
negativen Kohlenhalter K verbunden iſt.


Am Boden des Lampenkaſtens iſt ein Elektro-
magnet E angebracht, deſſen horizontaler Anker Z
an dem Parallelogramme R S T U befeſtigt iſt.
R S kann ſich um R und T U kann ſich um T
drehen. Die verticale Seite S U iſt mit dem Quer-
ſtücke, welches die Rolle J trägt, verbunden; damit
das Parallelogramm nicht durch ſeine Schwere
hinabſinkt, ſind zwei Federn r (die zweite iſt in
der Zeichnung nicht ſichtbar) angebracht, deren eine
durch die Schraube b und den Hebel a ſtärker
oder ſchwächer angeſpannt werden kann; die Federn
werden ſo regulirt, daß R S und T U horizontal
ſtehen. Das letzte Rad der Räderüberſetzung bildet ein Sternrad e, in welches der
dreieckig geſtaltete Sperrzahn d eingreifen kann. Wird der obere Kohlenträger B
hinaufgezogen, etwa um neue Kohlen zu befeſtigen, ſo dreht ſich nur das Rad F,
während das übrige Räderwerk in Ruhe bleibt, weil das zweite Rad eine Sperr-
vorrichtung beſitzt, welche die Drehung nur nach der entgegengeſetzten Richtung
geſtattet. Die Arme x und y mit ihren Schrauben dienen zur genauen Einſtellung
der oberen Kohle. Der Strom wird durch die Metallbeſtandtheile der Lampe in
den Kohlenträger B geleitet, gelangt dann durch die obere, poſitive und die
untere, negative Kohle in den Träger K, von hier durch den Spiraldraht l l zu
einer iſolirten Klemme z, die mit dem Elektromagnete E verbunden iſt; von dieſem
[673] geht der Strom durch einen Draht zur Klemme n und wieder zur Stromquelle
zurück. Sobald der Strom geſchloſſen iſt, zieht E ſeinen Anker Z an und die
Seite S U des Parallelogramms ſinkt etwas nach abwärts; mit ihr ſinkt auch
der untere Kohlenträger und wegen deſſen früher beſchriebener Verbindung mit
dem Zahnrade F ſteigt der obere Kohlenträger B. Die Kohlen werden alſo von-
einander entfernt, und es entſteht der Lichtbogen. Der obere Träger kann trotz
ſeines Gewichtes nicht herabſinken, da durch das
Sinken des unteren Kohlenträgers der Sperr-
zahn d zum Eingriffe in das Sternrad e gebracht
wurde und damit das Räderwerk arretirt iſt.


Durch Abbrennen der Kohlen wächſt nun
der Widerſtand im Schließungsbogen, der Strom
wird ſchwächer und mit ihm auch der Elektro-
magnet. Es kommen daher die ſeiner Anziehung
entgegenwirkenden Federn r zur Geltung und
ziehen das Parallelogramm nach oben. Dadurch
wird aber auch der Sperrzahn d gehoben und
das Räderwerk freigegeben. Es ſinkt jetzt der
Kohlenträger B und hebt durch das Rad F, die
Rolle G und die Kette H den unteren Kohlen-
träger K, d. h. die beiden Kohlen werden
einander genähert. Da, wie früher erwähnt, die
Durchmeſſer des Rades F und der Rolle G ſich
wie 1 : 2 verhalten, ſo rückt die negative Kohle
halb ſo viel nach oben als die poſitive Kohle
nach unten, alſo ganz entſprechend dem ungleich-
förmigen Abbrennen beider Kohlen. Der Volta-
bogen bleibt daher an derſelben Stelle. Das
Nachrücken der Kohlen hat indeſſen den Wider-
ſtand im Schließungsbogen verringert und ſo
den Strom und mit ihm den Elektromagnet
wieder zu den urſprünglichen Stärken gebracht.
Es wird daher der Anker abermals angezogen
und das Räderwerk arretirt, wodurch der weitere
Nachſchub der Kohlen beendet iſt, bis neuerdings
durch Abbrennen der Kohlen der Widerſtand
zugenommen hat. Dieſes Spiel geht während
der ganzen Brenndauer ununterbrochen fort.
Durch die Spannung der Feder f mittelſt der
Schraube b und des Hebels a kann das Parallelo-

Figure 488. Fig. 484.

Lampe von Serrin.


gramm, conform der Stromſtärke, ſo ausbalancirt werden, daß die geringſten
Stromſchwankungen genügen, um das Räderwerk in Thätigkeit zu ſetzen, alſo den
Lichtbogen in conſtanter Größe zu erhalten. Ebenſo wird durch das Anziehen
der Schraube b das Parallelogramm etwas gehoben, durch Nachlaſſen derſelben
etwas geſenkt, wodurch die Lampe für größere oder kleinere Voltabogen eingeſtellt
werden kann.


Drückt man den unteren Kohlenträger etwas nach abwärts, ſo wird auch
das Parallelogramm geſenkt und dadurch das Räderwerk gehemmt: die Function
Urbanitzky: Elektricität. 43
[674] der Lampe iſt unterbrochen. Will man dieſen Zuſtand der Lampe erhalten, ſo dreht
man den Kohlenhälter ein wenig, ſo daß der unten angebrachte Zapfen zum Eingriff
in das Stück r kommt.


Lontin hat den Serrin’ſchen Regulator dahin abgeändert, daß er den Elektromagnet
nicht in den Hauptſtromkreis, ſondern in einen Nebenſchluß legte (Fig. 485). Hiermit wird
der Regulator auch für Theilungslicht verwendbar und functionirt dann in folgender Art: Sobald
die Lampe in den Stromkreis eingeſchaltet iſt, geht, wenn die Kohlen ſich nicht berühren, der
ganze Strom durch den Magnet im Nebenſchluß; dieſer zieht ſeinen Anker an und giebt
durch Hebung des Sperrzahnes das Räderwerk frei, wodurch beide Kohlen einander bis zur
Berührung genähert werden. Im ſelben Momente geht aber der Hauptſtrom durch die Kohlen,
wo er jetzt wenig Widerſtand findet, und der Nebenſchluß, reſpective der Magnet, wird nahezu
ſtromlos: der Anker fällt ab und der Sperrzahn arretirt das Räderwerk; beim Abwärtsgehen

Figure 489. Fig. 485.

Lampe von Serrin-Lontin.


des Ankers wird aber auch der untere Kohlen-
träger etwas nach abwärts bewegt und ſo dem
Strome Gelegenheit gegeben, den Lichtbogen zu
bilden. Dann bleibt das Räderwerk ſo lange
arretirt, bis durch Abbrennen der Kohlen der
Bogen und ſomit auch der Widerſtand im
Hauptſtromkreiſe zu groß geworden iſt, alſo der
Strom im Nebenſchluſſe wieder jene Stärke
erreicht hat, die zum Anziehen des Ankers und
neuerlichen Freigeben des Räderwerkes aus-
reicht. Selbſtverſtändlich muß, wenn der Regu-
lator in dieſer Art arbeiten ſoll, die Stellung
des Elektromagnetes und die Form des Ankers
entſprechend abgeändert ſein. Dieſe Aenderung
iſt aus einem Vergleiche der Fig. 484 und 485
leicht zu erſehen.


Soll die Lampe für Wechſelſtröme benützt
werden, ſo müſſen, da unter dieſen Umſtänden
die beiden Kohlen gleich ſchnell abbrennen, die
Durchmeſſer des Zahnrades F und der Rolle G
gleich groß ſein.


Bei der Nebenſchluß-Lampe von
Gramme (Fig. 486) trägt die Zahn-
ſtange D die obere, poſitive Kohle und
dient durch ihr Gewicht als Motor für
die Bewegung der letzteren; die untere,
negative Kohle wird an einem Querſtücke
G befeſtigt, welches mit zwei Stangen E E
verbunden iſt. Dieſe ſind an ihrem Ende
mit einer ſchmiedeiſernen Traverſe C ver-
ſchraubt, welche den Anker zu dem im Hauptſtrome eingeſchalteten Elektromagneten
A A bildet, und welche durch die Spiralfedern R R immer nach aufwärts gezogen
wird. Der in einem Nebenzweige eingeſchaltete Elektromagnet B von großem
Widerſtande beſitzt einen Anker, welcher auf dem um v drehbaren Hebel L befeſtigt
iſt. Am andern Ende des Hebels iſt, mit dieſem feſt verbunden, ein Sperrzahn s,
der in das Sternrad eingreifen kann. U iſt eine Feder, welche den Anker vom
Magnete B ſtets abzieht; N iſt eine Contactfeder und M ein Contactſtift.


Die Function der Lampe iſt folgende: durch die Einwirkung der Federn R R
und der Anſätze X Y wird in der Ruhelage das Ende des Hebels L, an welchem
ſich der Sperrzahn s befindet, immer in die Höhe gezogen, wodurch das Sternrad
frei wird und die Zahnſtange D vermöge ihres Gewichtes herabſinkt, bis ſich
beide Kohlen berühren. Der Strom kann nun durch die Lampe gehen. Er tritt
[675] bei der mit + bezeichneten Klemme ein, geht durch die Metallbeſtandtheile der
Lampe zum oberen Kohlenträger D, dann durch die untere Kohle in die Stange E
und von hier durch den Elektromagnet A A zu der mit — bezeichneten Klemme.
Bei P iſt eine Abzweigung, durch welche ein Theil des Hauptſtromes, ohne den
Lichtbogen zu paſſiren, den Elektromagnet B umkreiſen kann. Sein Weg geht
aus der Maſſe der Lampe durch den Stift M in die iſolirte Contactfeder N, dann
durch den Elektromagnet B und bei P wieder in die Maſſe
der Lampe zurück. Sobald ein Strom durch die Lampe
geht, zieht der Elektromagnet A A die Traverſe C an,
drückt ſomit die Stangen E E und mit dieſen die untere
Kohle hinunter, und ſtellt in ſolcher Weiſe den Lichtbogen
her. In dieſer Stellung bleibt der untere Kohlenhälter
während der ganzen Zeit des Betriebes unverrückt ſtehen.
In Folge der Abwärtsbewegung der Stangen E E und der
Anziehung der Feder U kommt der Sperrzahn s zum Ein-
griffe in das Sternrad, wodurch ein Nachſinken des oberen
Kohlenträgers D verhindert wird. Der Elektromagnet B iſt
ſehr groß und, wie erwähnt, beſitzen ſeine Drahtwindungen
einen hohen Widerſtand; der in dieſen circulirende Zweig-
ſtrom iſt daher ſehr ſchwach. Wird aber durch das Abbrennen
der Kohlen der Vollabogen länger und ſomit der Widerſtand
im Hauptſtromkreiſe größer, ſo wird der Strom in dieſem
ſchwächer, im Nebenſchluß aber ſtärker. Der Elektromagnet B
zieht ſeinen Anker an und bringt hierdurch den Sperrzahn s
außer Eingriff. Jetzt iſt das Sperrrad und mit ihm das
übrige Räderwerk frei, die Zahnſtange und mit ihr die obere
Kohle kann nachſinken. Im ſelben Momente wird aber auch
der Contact des Stiftes M und der Feder N unterbrochen,
und ſomit der Strom, welcher durch den Magnet ging, auf-
gehoben. Die Feder U zieht daher den Anker ab und
wieder in ſeine Ruhelage zurück, wodurch das Räderwerk
gehemmt und das Nachſinken der Kohle wieder unterbrochen
wird. Brennen die Kohlen weiter ab, ſo beginnt das obige
Spiel von neuem und ſo geht es fort, ſo lange die Lampe
brennt. Da die Stromſtärke im Hauptſtromkreiſe nicht plötzlich
abnimmt, die im Nebenſtromkreiſe in Folge deſſen nicht
plötzlich zunimmt, ſo erfolgt das Nachſchieben der Kohle nicht
ſprungweiſe, ſondern continuirlich, ſtets mit dem Abbrennen
der Kohlen gleichen Schritt haltend. Die Lampe iſt für
Einzel- und getheiltes Licht zu verwenden.


Figure 490. Fig. 486.

Lampe von Gramme.


Auch in der nunmehr zu behandelnden Lampengruppe wird die Bewegung
der Kohlen durch die Schwere des Kohlenträgers bewirkt, aber die Hemmung
beſteht in einer magnetiſchen Bremſung. Hierher gehören die Lampen von
Crompton, Bürgin, Gülcher, Hauck u. ſ. w.


Die Lampe von Crompton, und zwar jenes Modell, welches in München
zur Ausſtellung kam, iſt durch die Fig. 487 und 488 dargeſtellt. (Nach „La
lumière électrique“
.) Der Regulirungsmechanismus wirkt hierbei mit Hilfe zweier
Elektromagnete G G und C C, von welchen der erſtere in den Haupt- und der
43*
[676] letztere in einen Nebenſtromkreis geſchaltet iſt. Berühren ſich beide Kohlen, ſo fließt
der Strom durch den Elektromagnet G G und dieſer zieht ſeine Armatur a an,
wodurch das Räderwerk r ſammt dem oberen Kohlenträger etwas gehoben wird;
auf dieſe Weiſe entſteht der Lichtbogen. Hierauf geht bei zunehmendem Widerſtande
im Voltabogen ein Zweigſtrom durch den Elektromagnet C C, welcher nun gleich-

Figure 491. Fig. 487.


Figure 492. Fig. 488.

Lampen von Crompton.


falls ſeine Armatur anzieht und dadurch die Bremſe f von dem Rade abhebt;
das Räderwerk wird frei und die obere Kohle kann nachſinken. Gleichzeitig hiermit
wird die untere Kohle gehoben, da der obere Kohlenträger mit dem unteren durch
die über die Rollen R laufende Schnur p verbunden iſt. Durch dieſe Anordnung
wird bewirkt, daß der Lichtpunkt während der ganzen Brenndauer in conſtanter
Höhe bleibt.


[677]

Gülcher’s Lampe iſt für Theilungslicht beſtimmt und auch dazu geeignet,
trotzdem ſie weder einen Nebenſchluß, noch Differentialſpulen beſitzt. Dieſes Reſultat
wurde durch die einfache Conſtruction und durch
Parallelſchaltung der Lampen erreicht. Zur Erklärung
ihrer Conſtruction und ihrer Function möge die in
Fig. 489 abgebildete Setzlampe dienen. Die obere
poſitive Kohle wird durch eine eiſerne, in Gleitrollen
geführte Stange F getragen. Dieſe iſt mit dem unteren,
negativen Kohlenträger durch Rollen und Schnurlauf
ſo verbunden, daß ſie immer den doppelten Weg zurück-
legen muß als der untere Kohlenhalter. Es ſind nämlich
zwei Rollen auf einer Axe befeſtigt, deren Durch-
meſſer ſich wie 1 : 2 verhalten; die Schnur, mit welcher
der obere poſitive Kohlenträger aufgehängt iſt, geht
über die größere, die Schnur, an welcher der untere
negative Kohlenträger hängt, läuft über die kleinere
Rolle. D iſt ein um C drehbarer Elektromagnet, K
eine Feder, die gegen die Faſſung des Elektromagnetes
derart drückt, daß ſie ihn gegen den Anſchlag L zu
drehen ſucht. Eine unten angebrachte Schraube dient
zur Spannung der Feder. H iſt ein Klotz aus weichem
Eiſen, J ein an der Feder E befeſtigtes Stück Schmied-
eiſen. Der Elektromagnet hat ſowohl bei J als auch
an der entgegengeſetzten Seite halbkreisförmig abgerundete
Pole. Bei J greift der Eiſenſchuh außerdem noch
über ein Stück der unteren Seite des Magnetes.


Stromgang und Function der Lampe.
Die Klemmſchraube A wird mit dem poſitiven Pol
der Elektricitätsquelle verbunden und der Strom ge-
langt von hier durch den Fuß B und den Metall-
ring C in die Umwindungen des Elektromagnetes,
von dieſem durch den Eiſenkern zum Theil direct
in den eiſernen Träger F, zum Theil durch das weiche
Eiſenſtück J und die Feder E in das metallene Gehäuſe
und von da durch die Gleitrollen gleichfalls in den
oberen Kohlenträger F, dann durch beide Kohlen in
den unteren Träger und von hier durch die Gleitrolle
und eine Drahtleitung zur Klemme G, welche mit
dem negativen Pole der Elektricitätsquelle verbunden
iſt. Sobald der Stromkreis geſchloſſen wird, zieht der
Elektromagnet D den eiſernen Kohlenträger F ſtark an,
wird aber gleichzeitig durch das weiche Stück Eiſen H
angezogen; die Folge davon iſt, daß ſich der Magnet
um C derart dreht, daß der obere Kohlenhalter F
aufwärts und, vermöge ſeiner Verbindung mit dem

Figure 493. Fig. 489.

Lampe von Gülcher.


unteren Kohlenhalter, dieſer abwärts geſchoben wird, d. h. die Kohlenſpitzen werden
voneinander entfernt und bilden den Lichtbogen. Durch die Widerſtandszunahme
im Bogen (beim Abbrennen der Kohlen) verliert der Magnet an Kraft und wird
[678] deshalb von H immer weniger angezogen. Jetzt überwiegt die Schwere des oberen
Kohlenhalters die Anziehung bei H und der Magnet dreht ſich entgegengeſetzt der
früheren Richtung, bis er bei L ſeinen Anſchlag findet. Dies bewirkt eine Annäherung

Figure 494. Fig. 490.

Lampe von Gülcher.


der Kohlen; bei weiterem Abbrennen derſelben wird
der Strom und mit ihm der Magnet in der früher
angegebenen Weiſe ſo weit geſchwächt, daß er den
Kohlenträger F nicht mehr anzieht, dieſer alſo wieder
durch ſeine eigene Schwere ſinken kann. Er ſinkt
ſo lange, bis der Strom, und daher auch der
Magnet, durch Verkleinerung des Lichtbogens wieder
die urſprüngliche Stärke erreicht hat.


Damit die Schwingungen des Elektro-
magnetes auch beim Anzünden oder bei außergewöhn-
lichen Regulirungsmomenten nicht zu heftig werden,
iſt der dem Kohlenträger F abgewandte Pol des
Elektromagnetes mit der magnetiſchen Bremſe J
verſehen. Es iſt klar, daß das weiche Eiſenſtück
deſto kräftiger bremſt, je kräftiger der Magnet iſt,
überhaupt ſeine Bremskraft genau nach der jeweiligen
Kraft des Magnetes richtet, alſo dieſen ſtets zu
ruhigem Gange zwingt. Zur Erzielung einer gleich-
mäßigen Bewegung ſind ferner der Kohlenhalter
und der ihn berührende Polſchuh mit einem Meſſing-
überzuge verſehen. Für die Verwendung der eben
beſchriebenen Lampe zur Beleuchtung von Sälen ꝛc.
hat Gülcher dieſelbe derart abgeändert, daß er den
ganzen Mechanismus oberhalb der Kohlen anordnet,
wie dies Fig. 490 zeigt. Die Lampe fungirt ſehr
gut und läßt gar keine Schwankungen des Lichtes
wahrnehmen. Letzteres iſt nahezu weiß, frei von
jeder violetten Färbung, was größtentheils Folge
der Anwendung ſehr ſchwach geſpannter Ströme iſt.
In welcher Weiſe ſie trotz der Einfachheit ihrer
Conſtruction als Lampe für Theilungslicht fungiren
kann, wird nachſtehende Betrachtung lehren.


Angenommen, es ſeien zunächſt zwei Lampen A
und B (Fig. 491) in den Stromkreis eingeſchaltet
und die Lampe A ſei durch Schluß ihrer Zweig-
leitung angezündet; nun ſchließt man auch die
zweite Zweigleitung für die Lampe B. Der von der
Lichtmaſchine kommende Strom theilt ſich nun in
zwei Zweige, deſſen einer durch A, deſſen zweiter
durch B geht. In B berühren ſich die Kohlen,
weshalb hier der Widerſtand geringer ſein wird als in A, wo der Strom den
bedeutenden Widerſtand des Bogens zu überwinden hat. In Folge deſſen wirkt
in B der Elektromagnet kräftig und entfernt dadurch die Kohlen voneinander. Zur
ſelben Zeit war der Strom in A ſchwächer, und die Kohlen konnten ſich nähern.
Nun hat ſich das Verhältniß umgekehrt: Die Kohlen ſind in A näher aneinander,
[679] in B weiter voneinander; es wirkt der Magnet in A ſtärker und in B ſchwächer,
alſo werden in A die Kohlen voneinander entfernt, in B einander genähert.
Dieſes Spiel geht ſo lange fort, bis ſich zwiſchen beiden Lampen das der Strom-
ſtärke entſprechende Gleichgewicht hergeſtellt hat, was thatſächlich in kürzeſter Zeit
erreicht iſt. Es iſt klar, daß man dann eine dritte Lampe C einſchalten kann, die
ſich mit den zwei erſten Lampen, dieſe als Ganzes betrachtet, in’s Gleichgewicht
ſetzt u. ſ. w.


Die gleichmäßige Vertheilung der Ströme für die einzelnen Lampen wird
durch Parallelſchaltung und dadurch erreicht, daß der Querſchnitt der Leitung
immer derjenigen Stromſtärke entſpricht, die an der entſprechenden Stelle vorhanden

Figure 495. Fig. 491.

Schaltung der Lampen.


Figure 496. Fig. 492.

Gülcher’s Stromvertheilung.


ſein ſoll. Um dies zu erreichen, bildet man aus ebenſo vielen Drähten, als Lampen
betrieben werden ſollen, ein Drahtbündel; die Drähte ſind untereinander gleich
ſtark und der Stromſtärke entſprechend. Dieſes aus z. B. ſechs Drähten beſtehende
Bündel verbindet man mit einem Pole der Maſchine, Fig. 492, und führt es bis
zur Lampe I; hier zweigt man einen Leitungsdraht ab und führt die übrigen fünf
Leitungsdrähte zur Lampe II, zweigt wieder einen Draht ab, führt die übrig-
bleibenden vier Drähte zur Lampe III u. ſ. w. bis zur letzten Lampe VI, für
welche noch ein Draht übrig bleibt. Ein zweites, dem erſten gleiches Bündel wird
mit dem zweiten Pole der Maſchine verbunden und bis zur letzten Lampe (VI)
geführt; dort zweigt man einen Draht ab und führt die übrigen fünf Drähte zur
Lampe V u. ſ. w., bis für die Lampe I nur mehr ein Draht übrig bleibt, der
mit ihr verbunden wird. Aus der Figur iſt leicht zu erſehen, daß die Weglängen
[680] aller Theilſtröme untereinander gleich groß ſein müſſen. Es iſt z. B. der Weg
des vom poſitiven Pole + ausgehenden, die Lampe I durchfließenden und über
i, 2 i 3 i .... zum negativen Pole — zurückkehrenden Theilſtromes offenbar
gleich dem Wege des Theilſtromes, der von + über die Lampe II, durch 2 i, 3 i,
4 i .... nach — verlauft. Vom Pole + fließt ein Strom aus, deſſen Intenſität
gleich iſt 6 i und geht bis zur Lampe I; dort fließt ein Zweigſtrom von der
Intenſität i in die Lampe und der übrige Strom, der nun nur mehr die Intenſität 5 i
beſitzt, geht bis zur Lampe II; hier geht abermals ein Zweigſtrom von der Intenſität i
durch die Lampe und fließt dann nur mehr ein Strom von der Intenſität 4 i zur
Lampe III u. ſ. w. Man ſieht hieraus, daß die Intenſität des Stromes ganz in
derſelben Weiſe ahnehmen muß, wie der Querſchnitt der Leitung. Die Theilung
des elektriſchen Lichtes iſt alſo hier durch Parallelſchaltung bewirkt.


Dieſes Beleuchtungsſyſtem zeichnet ſich durch ſichere Wirkungsweiſe einfach
conſtruirter und daher billiger Lampen aus. Es liefert ein rein weißes, von
violetten Nuancen freies Licht, da es keiner hochgeſpannten Ströme bedarf, ſelbſt
wenn eine größere Anzahl von Lampen in einen Stromkreis geſchaltet wird.
Hingegen erfordert die Parallelſchaltung einen größeren Aufwand von Leitungs-
material als die Hintereinanderſchaltung. Dieſer Umſtand iſt namentlich dann in
Betracht zu ziehen, wenn es ſich um größere Anlagen oder lange Leitungen handelt.


Wir begnügen uns mit dieſen beiden Beiſpielen von Lampen, welche jener
Gruppe angehören, in welcher eine magnetiſche Bremſung zur Anwendung kommt,
und wollen nun einen Repräſentanten einer Lampengruppe kennen lernen, bei welcher
die Regulirung durch einen Elektromotor bewirkt wird. Wir wählen hierzu die
Differentiallampe von Tſchikoleff.*)


Wenngleich dieſe Lampe keine große Verbreitung gefunden hat, iſt ſie doch
deshalb von Intereſſe, da ſie als die erſte ſogenannte Differentiallampe zu
betrachten iſt. Tſchikoleff, Vorſtand der Beleuchtungsabtheilung der ruſſiſchen
Artillerie, hatte ſie ſchon ſeit 1877 in Gebrauch. Die Conſtruction dieſer Lampe
iſt aus Fig. 493 erſichtlich. E bedeutet einen Elektromagnet mit dicken Draht-
windungen, E1 einen Elektromagnet mit Windungen eines dünnen Drahtes. M M
ſind die halbkreisförmig gebildeten Pole dieſer beiden Magnete, welche den Gramme-
ſchen Ring r r in zwei Drittel ſeines Umfanges umfaſſen. An den Trägern c c1 ſind
die auf dem Stromſammler des Ringes ſchleifenden Contactbürſten befeſtigt. Die
Axe des Gramme’ſchen Ringes iſt nach oben verlängert und ſind in ihr Schrauben
von einander entgegengeſetzter Richtung eingeſchnitten, und zwar von s1 bis s2 in
der einen und von s1 bis s in der andern Richtung. Je einer der Kohlenträger
bildet zu dieſen beiden Schrauben die Mutter. Die Gewindhöhe beider Schrauben
iſt dieſelbe, wenn die Lampe mit Wechſelſtrömen betrieben wird, aber voneinander
verſchieden, wenn gleichgerichtete Ströme angewandt werden ſollen. Eine Stell-
ſchraube s3 dient zum Heben oder Senken des Lichtbogens, was für den Fall
Bedeutung gewinnt, als ein Reflector benützt werden ſoll.


Der Strom tritt bei L in die Lampe ein und findet hier zunächſt zwei
Wege für ſeinen Durchgang; ein Theil läuft durch die Kohlen, die dicken Draht-
windungen des Magnetes E und verläßt die Lampe bei L'; ein zweiter Theilſtrom
geht von L aus durch die Windungen des Magnetes E1 mit dünnen Drähten
[681] und von dieſem bei L' aus der Lampe heraus. Der durch den Lichtbogen gehende
Strom findet aber außer dem früher angegebenen Wege durch E noch einen zweiten
Weg durch den Träger c und die zugehörige Bürſte in den Gramme’ſchen Ring
und von dieſem durch c1 nach L' zurück, ſo daß alſo im Ganzen drei Theilſtröme
durch die Lampe gehen. Bei Einſchaltung der Lampe in einen Stromkreis wird
zunächſt der weitaus größte Theil des Stromes durch die ſich berührenden Kohlen
gehen, dann zum Theil die Windungen des Elektromagnetes E, zum Theil den
Gramme’ſchen Ring durchlaufen; die Spule E1 wird wegen ihres hohen Wider-
ſtandes nahezu ſtromlos ſein. Im Gramme’ſchen Ringe bilden ſich Pole, deren
Verbindungslinie ſenkrecht auf die Verbindungslinie der beiden Magnetpole M M
ſteht. Der ſtark magnetiſche Pol M wird nun dem Ringe eine der Windungs-
richtung ſeines Magnetes und der Polvertheilung im Gramme-
ſchen Ringe entſprechende Drehung geben und bei richtiger
Conſtruction die Schraubenſpindel s s2 derart drehen, daß ſie
vermöge ihrer beiden einander entgegengeſetzt eingeſchnittenen
Schrauben die Kohlenträger voneinander entfernt. Dadurch
bildet ſich der Lichtbogen. Die Kohlen brennen ab, der
Widerſtand in ihrem Stromkreiſe wächſt und die Stromſtärke
muß abnehmen. Im ſelben Maße wächſt jetzt der Strom in
der Zweigleitung, welcher der Elektromagnet E1 mit feinen
Drahtwindungen angehört, und endlich erreicht er eine ſolche
Stärke, daß der Pol des letzterwähnten Magnetes kräftiger
wird als jener des Magnetes mit ſtarken Drähten. Der
nun kräftig gewordene Magnetpol dreht aber den Gramme-
ſchen Ring in der entgegengeſetzten Richtung, d. h. die Kohlen
werden einander genähert. Beim regelmäßigen Brennen der
Lampe ſteht daher der Gramme’ſche Ring und ſomit die Ent-
fernung der beiden Kohlen ſtets unter der Differentialwirkung
der magnetiſchen Kräfte der beiden Elektromagnete E und
E1. — Die Regulirung des Bogens erfolgt bei der Lampe
von Tſchikoleff ohne Mitwirkung von Rädern und ohne
irgend welche Auslöſungsvorrichtung. Obwohl unter ſonſt
gleichen Umſtänden Lampen ohne Auslöſung ſolchen mit Aus-
löſung vorzuziehen ſind, weil ihre Regulirung ſtetiger vor
ſich geht, darf doch bei der jetzt beſprochenen Lampe nicht

Figure 497. Fig. 493.

Lampe von Tſchikoleff.


überſehen werden, daß zur Bewegung des Gramme’ſchen Ringes der eine oder
der andere Magnetpol immer erſt eine gewiſſe Stärke erreicht haben muß, alſo ein
gewiſſer Zeitraum erforderlich iſt, bis der Ring ſich dreht, weil in der Schraube
Reibung ſtattfindet, die durch die Anziehungskraft der Magnete überwunden werden
muß. Die Länge des Lichtbogens bleibt deshalb keine abſolut conſtante.


Wie wir bereits erfahren haben, wurde ſchon im Jahre 1855 von Lacaſſagne
und Thiers der Flüſſigkeitsdruck zur Regulirung des Lichtbogens benützt. Später
und von Anderen ausgeführte diesbezügliche Verſuche ergaben jedoch kein praktiſch
verwerthbares Reſultat, bis es endlich in neuerer Zeit Sedlaczek und Wikulill
gelang, die nach ihnen benannten vorzüglichen Locomotiv- und Schiffslampen
zu conſtruiren.


Bei dieſen Lampen erfolgt die Regulirung dem Principe nach durch Anwendung
zweier vertical ſtehender, cylindriſcher und miteinander communicirender Röhren,
[682] die mit Glycerin gefüllt ſind, auf welchem zwei luftdicht ſchließende Kolben ſich
bewegen, ſo daß, wenn der eine Kolben ſinkt, der andere ſteigen muß; das
Einleiten dieſer Bewegung erfolgt nach zwei Methoden, entweder unter Zuhilfe-
nahme eines Elektromagnetes oder durch einen Centrifugalregulator.


Lampe mit Elektromagnet. Fig. 494 zeigt dieſelbe ſchematiſch, Fig. 496
in perſpectiviſcher Anſicht. Die Kohlenſtäbe o und u ſind mit den Kolben O und U
feſt verbunden; die Durchmeſſer der letzteren ſind ſo bemeſſen, daß O als Träger
der oberen, poſitiven Kohle immer den doppelten Weg zurücklegt, wie U, der
Träger der unteren, negativen Kohle. Das Reſultat dieſer Einrichtung iſt, daß der
Lichtpunkt immer in conſtanter Höhe erhalten wird, was bei dieſer Lampe gefordert
werden muß, da ſie mit einem Reflector verſehen iſt. Der Kolben O, maſſiv und
ſchwer gearbeitet, drückt auf die Flüſſigkeit und hebt dadurch den Kolben U, während

Figure 498. Fig. 494.


Figure 499. Fig. 495.

Lampen von Sedlaczek und Wikulill.


er ſelbſt ſinkt; die Bewegung dauert ſo lange an, bis ſie an der Berührung der beiden
Kohlen o und u auf ein Hinderniß ſtößt. Die Berührung der Kohlen ſchließt aber
den Stromkreis und ſetzt hierdurch den gleichfalls eingeſchalteten Elektromagnet E
in Thätigkeit. Dieſer zieht mit Hilfe ſeines Eiſenkernes den Kolben k aus dem
Hahn H heraus und hebt dadurch die Verbindung zwiſchen beiden verticalen
Cylindern auf; durch den Rückgang des Kolbens k iſt jedoch gleichzeitig die
Flüſſigkeit unter dem Kolben U geſunken, alſo auch die Kohle u von o etwas
entfernt worden und der Lichtbogen entſtanden. Durch das Abrennen der Kohlen
vergrößert ſich ihre Entfernung und ſomit auch der Widerſtand im Schließungsbogen,
der Magnet E wird ſchwächer und die Feder f drückt den Kolben k wieder
in den Hahn H hinein. Damit iſt die Communication zwiſchen den beiden verticalen
Röhren wieder hergeſtellt, der Kolben U preßt vermöge ſeines Gewichtes wieder
Flüſſigkeit unter den Kolben O, und die beiden Kohlen nähern ſich einander ſo lange,
bis ihre Diſtanz ſo klein geworden, daß der Widerſtand des Stromkreiſes ſo ſchwach
[683] iſt (alſo der Strom, reſpective der Magnet, wieder die urſprüngliche Größe erreicht
hat), um durch Anziehung des Eiſenkernes die Communication der verticalen
Flüſſigkeitsſäulen neuerdings aufzuheben. Dieſes Spiel geht ſtetig, ohne merkbaren
Einfluß auf die Conſtanz des Lichtes auszuüben, vor ſich. Um das Einſetzen neuer
Kohlen leicht und raſch zu ermöglichen, geſtattet der Hahn durch eine zweite
Stellung die Verbindung der beiden verticalen Röhren durch eine weite Bohrung.


Lampe mit Centrifugalregulator. Dieſe zeigt ſchematiſch Fig. 495.
Der Kolben d im Hahne ſteht durch ein Geſtänge mit einem Centrifugalregulator
in Verbindung, deſſen Umdrehung von
der Maſchine (Lichtmaſchine oder Motor)
beſorgt wird. Beim Anlaſſen der Maſchine
wird in Folge des Auseinandergehens
der Kugeln am Regulator der Kolben d
herausgezogen, ſperrt die Verbindung u
zwiſchen beiden Cylindern ab und läßt
den unteren Kolben durch Nachziehen der
Flüſſigkeit ſinken. Hierdurch entſteht der
Lichtbogen. Das Abbrennen der Kohlen
erzeugt einen größeren Widerſtand und
ſchwächeren Strom im Schließungsbogen
und daher eine raſchere Rotation der
Maſchine. (Durch die Schwächung des
Stromes wird nämlich die Anziehung
zwiſchen dem rotirenden Anker und den
feſtſtehenden Inductoren vermindert, daher
auch die Arbeit des den Anker drehenden
Motors geringer, weshalb er in ſchnelleres
Laufen kommen muß.) Durch das Raſcher-
laufen der Maſchine, alſo auch des
Regulators, wird der Kolben d noch
weiter herausgezogen, bis bei entſprechender
Größe des Lichtbogens eine zweite Oeff-
nung u' die Communication der Flüſſig-
keitsſäulen wieder herſtellt und dadurch
die Kohlen abermals einander näher rücken
läßt. Der Strom wächſt dann, die
Maſchine rotirt daher langſamer, und der
Regulator ſchiebt den Kolben d wieder
hinein, indem er die Durchgangsöffnung
ſchließt. Auch bei dieſer Regulirung

Figure 500. Fig. 496.

Lampe von Sedlaczek-Wikulill.


wiederholt ſich der eben angegebene Vorgang während des ganzen Betriebes, und
da ſich der Regulator in ſehr engen Grenzen bewegt, brennen die Kohlen gleich-
mäßig ab.


Dieſe Conſtruction der Locomotivlampe hat in jüngſter Zeit inſoferne eine neue Aende-
rung erfahren, als zu ihrer Regulirung die Differenzen in der Geſchwindigkeit des ſtrom-
erzeugenden Motors direct benützt werden. Sobald der Widerſtand im Lichtbogenkreiſe wächſt,
wird die elektriſche und ſomit auch die magnetiſche Kraft der Dynamomaſchine geringer, was
bei der hierdurch verminderten Arbeitsbeanſpruchung des Antriebsmotors eine Vergrößerung
von deſſen Geſchwindigkeit zur Folge hat. Dieſe Geſchwindigkeitsſchwankungen werden nun
[684] direct benützt, um die Communication der beiden Cylinder und damit auch die Stellung ihrer
Kolben mit den Kolbenhältern zu variiren.


Die eben beſchriebenen Lampen eignen ſich vorzüglich für Locomotiv- und Schiffs-
beleuchtung, weil bei ihnen keinerlei Zahnräder, Kuppelungen, Rollen, Echappements ꝛc. vor-
kommen, welche bei den heftigen Stößen und Erſchütterungen auf einer Locomotive nicht
leicht ordnungsmäßig fungiren könnten; die Anwendung für andere Zwecke iſt jedoch hierdurch
nicht ausgeſchloſſen, da andererſeits die Regulirung ſehr empfindlich iſt.


Schließlich ſollen noch zwei Regulatorlampen beſchrieben werden, über deren praktiſche
Verwendbarkeit zwar keine ausreichenden Angaben vorliegen, bei welchen aber die Regulirung
der Lichtbogenlänge in ganz origineller Art bewirkt wird.


Figure 501. Fig. 497.

Figure 502. Fig. 498.

Lampen von Solignac.


Solignac verwendet nämlich die vom Lichtbogen erzeugte Wärme zur Regulirung
desſelben. Fig. 497 ſtellt die ganze Lampe, zum praktiſchen Gebrauche montirt, dar; Fig. 498
zeigt ihre Conſtruction. Die Kohlen K K1 ſind beiläufig 50 Centimeter lang und horizontal
angeordnet. Sie werden durch zwei Federgehäuſe F und zwei Schnüre oder Ketten S, welche
ſich um die Rollen R ſchlingen, gegeneinander bewegt, indem die freien Kohlenenden mit den
Rollen R verbunden ſind und letztere in den Führungsſtangen T T1 geführt werden. Die
Kohlen ſind an ihrer Unterſeite mit dünnen Glasſtäben G verſehen, deren dem Voltabogen
zugekehrte Enden, in kleiner Entfernung von dieſem, gegen die Nickelanſätze A ſtoßen, deren
Stellung durch Schrauben fixirt werden kann. Der Strom wird durch die Klemmſchrauben U,
das Geſtelle und die Contactrollen C zu den Kohlen geleitet und tritt in dieſe ganz nahe dem
Voltabogen ein, wodurch ermöglicht wird, daß der Strom während der ganzen Brenndauer
[685] der Lampe nur durch ein paar Centimeter Kohle zu gehen braucht. Das ganze iſt durch die
Platte P und die Backen B, welche gleichzeitig zur Stromleitung dienen, gehalten. Mit der
Schraube N kann die Entfernung der beiden Lampenhälften vergrößert oder verkleinert werden
und durch ſie wird auch beim Beginne des Brennens der Bogen gebildet. Vorläufig erfolgt
nämlich die anfängliche Herſtellung des Bogens noch mit der Hand; Solignac iſt aber
gegenwärtig bemüht, dieſe Arbeit durch eine ſelbſtthätige Vorrichtung mit Hilfe eines Sole-
noides und eines von dieſem beeinflußten Zünders zu erſetzen.


Die Kohlen werden in ihrem Beſtreben, gegeneinander zu rücken, nur durch die bei A
an die Nickelanſätze ſtoßenden Glasſtäbe gehindert; da aber die Anſätze in unmittelbarer Nähe
des Bogens ſich befinden, und die Wärme, welche letzterer ausſendet, ſehr bedeutend iſt,
geſchieht es, daß bei einer gewiſſen Länge des Bogens das Glühen der Kohlen die Anſätze
und die daranſtoßenden Glasſtäbe ſo ſtark erhitzt, daß letztere weich werden und ſich dann,
wie die Figur zeigt, zurückkrümmen. Dies geſchieht unter Einfluß des Druckes, mit welchem
die Kohlen vermöge der Feder F ſich einander zu nähern ſtreben. Im ſelben Maße, als die
Kohlen abbrennen, erneuert ſich der eben angegebene Vorgang, und da er ſich in unmerkbarer
und continuirlicher Weiſe vollzieht, bemerkt man auch weder ein Zucken noch ein Schwanken
im Lichtbogen. Die Regulirung des Lichtbogens wird alſo nur durch einen von ihm ſelbſt
erzeugten Effect, die Wärme, bewerkſtelligt, nicht durch irgend eine ſeiner Natur fremde Vor-

Figure 503. Fig. 499.

Lampe von Schmidt.


richtung wie bei allen anderen Regulatoren. Du Moncel bezeichnet die von ihm mit dieſer
Lampe erzielten Reſultate als zufriedenſtellend.


Die Lampen von J. Schmidt reguliren die Bogenlänge durch elektromagnetiſche oder
elektrodynamiſche Anziehung und Abſtoßung, wie dies an dem in Fig. 499 abgebildeten Ver-
ſuchsmodelle erläutert werden ſoll. Die vier Drahtſpulen A B C D ſind auf zwei ſich kreuzenden
Hebelpaaren um dieſen Kreuzungspunkt leicht drehbar befeſtigt. Jede der Spulen trägt
zweierlei Bewicklungen, die voneinander vollſtändig getrennt ſind; je eine Bewicklung wird
durch dicke und die andere durch dünne Drähte gebildet. Die Drähte ſind dann derart mit
den Klemmſchrauben verbunden, daß die dicken Drähte und die Kohlenſtäbe K K1 in den
Haupt-, die dünnen Drähte in einen Nebenſtromkreis zu liegen kommen; ferner wird durch
entſprechende Verbindung bewirkt, daß ſich die beiden Spulen A und B, ſowie auch C D
abſtoßen, wenn der Strom durch die Windungen des dicken Drahtes geht, ſich aber anziehen,
wenn der Strom die dünnen Drähte durchfließt. Zwiſchen den Spulen A und D, B und C
muß dann natürlich immer das entgegengeſetzte Verhalten eintreten, d. h. die durch die
Anziehung zwiſchen den Spulen A und B, C und D bewirkte Drehung wird durch die
gleichzeitige Abſtoßung zwiſchen B und C, A und D befördert (vergl. S. 257, Verhalten
paralleler Ströme).


Die Wirkungsweiſe der Lampe iſt hiernach leicht zu erkennen; wenn wir beiſpielsweiſe
annehmen, daß ſich die Kohlen K K1 nicht berühren und die Lampe in einen Stromkreis
eingeſchaltet wird, ſo muß der ganze Strom durch die Windungen der düunen Drähte fließen.
Dies veranlaßt eine Anziehung zwiſchen den Spulen A und B, C und D und eine Abſtoßung
der Spulen B und C, A und D; hierdurch gelangen die Kohlen K K1 zur Berührung und
[686] ſchließen dadurch den Hauptſtromkreis. Der Strom muß ſich in zwei Theile theilen, von
welchen der weitaus größere durch den Hauptſtromkreis, alſo die Kohlen und die dicken
Drahtwindungen fließt. Es muß daher die dynamiſche Kraft der dicken Spiralen jene der
dünnen überwiegen und, da der Strom in den dicken Drähten zur Abſtoßung zwiſchen A
und B, C und D führt, müſſen ſich die beiden Kohlen voneinander bewegen; hiermit iſt der
Lichtbogen gebildet und durch dieſen in den Hauptſtromkreis ein neuer Widerſtand eingeſchaltet.
Letzterer wächſt in dem Maße als die Kohlen abbrennen und bewirkt dadurch eine allmähliche
Verſtärkung des Stromes in der Nebenſchließung, wodurch endlich die Kohlen wieder gegen-
einander geführt werden. Die Regulirung erfolgt ſomit ſtets durch die Differenzwirkung der
in den beiderlei Drähten fließenden Ströme. Die Conſtruction der Lampe iſt jedoch nicht an
die in der Figur dargeſtellte Anordnung und Form der Spulen gebunden, ſondern läßt
mannigfache Combinationen zu. Wir laſſen es jedoch bei der Beſchreibung der einen Form
bewenden, da noch keine praktiſchen Reſultate bekannt ſind.


4. Gruppe.
Elektriſche Kerzen.

Ebenſo wie bei den Regulatoren wird auch bei den elektriſchen Kerzen das
Licht durch den Voltabogen hervorgebracht; die Größe des Bogens wird aber
nicht durch continuirlich oder periodiſch wirkende Vorrichtungen conſtant erhalten,
ſondern iſt durch die Conſtruction ein- für allemal feſtgeſtellt. Die parallele Stellung
der Kohlen und das einer Kerze ähnliche Abbrennen gaben Veranlaſſung zu der
Bezeichnung: elektriſche Kerzen.


Die erſte praktiſch verwerthbare Kerze wurde, wie bereits erwähnt, von
Paul Jablochkoff im Jahre 1876 erfunden; doch hatte Jablochkoff bereits in
Werdermann einen Vorläufer. Die Erfindung des Letzteren bezog ſich allerdings
nicht auf elektriſche Beleuchtung, ſondern auf einen Geſteinsbohrer, aber dieſer wurde
unter Benützung desſelben Principes conſtruirt. Werdermann ließ zwiſchen zwei
zu einander parallelen und durch eine dünne Lichtſchichte voneinander getrennten
Kohlenſtäben den Lichtbogen entſtehen und führte durch ein daneben gelegtes Rohr
einen Luft- oder Dampfſtrom zu. Der Effect war eine Art Löthrohrflamme von
ſo hoher Temperatur, daß darin der härteſte Granit in wenigen Secunden ſchmolz.
Werdermann hatte aber auch bei einer im ſelben Patente beſchriebenen Conſtruction
an Stelle des Blaſerohres einen Elektromagnet angewandt, deſſen Einwirkung auf
den Lichtbogen eine ähnliche war, wie die des Blaſerohres. Hiermit war nicht nur
der Kerze von Jablochkoff und ähnlichen, ſondern auch jener von Jamin, wie
wir weiter unten ſehen werden, vorgearbeitet.


Die Kerze von Jablochkoff beſteht aus zwei parallelen Kohlenſtäben a b,
Fig. 500, die durch eine Schichte Pariſer Gyps voneinander iſolirt ſind. Die
unteren Enden der Kohlenſtäbe ſtecken in Meſſingröhrchen, gegen welche zwei Metall-
klemmen e und g federnd drücken. Durch letztere erfolgt die Zuleitung des Stromes
in die Kerze, die auf einer etwas durchſcheinenden Platte h befeſtigt iſt. Um die
Kerze anzünden zu können, befindet ſich am oberen Ende derſelben ein quer über
beide Kohlenſpitzen gelegtes Graphitblättchen c, das durch eine übergeklebte Papier-
ſchlinge d in ſeiner Lage erhalten wird. An Stelle dieſer Verbindung beider Kohlen-
ſpitzen kann man die letzteren wohl auch durch einen Kohlenbrei, der erhärtet,
verbinden. Beim Einſchalten der Kerze in den Stromkreis geht der Strom von
dem einen Kohlenſtäbchen durch das Verbindungsſtück an der Spitze zum zweiten
und wieder zur Stromquelle zurück. Das Verbindungsſtück wird glühend und bildet,
nachdem es verdampft iſt, zwiſchen beiden Kohlen den Voltabogen. Dieſer bringt
[687] dann in dem Maße als die Kohlen verbrennen die iſolirende Zwiſchenſchichte zum
Schmelzen und Verdampfen. Da aber die poſitive Kohle beiläufig noch einmal ſo
ſchnell verzehrt wird als die negative, ſo mußte erſtere zur Erzielung eines gleich-
mäßigen Abbrennens von doppelt ſo großem Querſchnitte als letztere genommen
werden. Das Verhältniß iſt jedoch kein genaues, die Kerzen brennen deshalb doch
ungleichförmig, und ſo ſah man ſich zur Anwendung von Wechſelſtrömen genöthigt.
Eine Kerze mit Kohlenſtäbchen von vier Millimeter Durchmeſſer und 220 bis 225
Millimeter Länge brennt beiläufig 1½ Stunden und entwickelt eine Lichtſtärke von
100 Carcelbrennern.


In einen Stromkreis können mehrere Kerzen eingeſchaltet werden und die
Summe der Lichtintenſitäten aller Kerzen iſt größer als jene Intenſität, welche
im ſelben Stromkreiſe erhalten würde, wenn
man nur eine entſprechend größere Kerze ein-
geſchaltet hätte.


Es rührt dies daher, daß nicht nur der
Voltabogen zwiſchen den beiden Kohlen leuchtet,
ſondern auch die verdampfende Gypsſchichte zur
Geſammtlichtſtärke beiträgt. Der kurzen Brenn-
dauer einer Kerze wegen werden immer mehrere
derſelben (2 bis 5) in einer Lampe angebracht.
Anfangs, z. B. auch bei der Beleuchtung der
Avenue de l’opéra in Paris, begnügte man ſich
allerdings damit, jede Lampe mit vier Kerzen
zu verſehen und dieſe mit einem im Fuße des
Candelabers angebrachten Stromwechsler ſo zu
verbinden, daß durch entſprechende Drehung des
letzteren eine Kerze nach der andern in den
Stromkreis eingeſchaltet werden konnte. Nach je
zwei Stunden (der Brenndauer einer Kerze) mußte
dann ein Lampenwärter von Laterne zu Laterne
gehen und die Stromwechsler drehen. Dieſe
Einrichtung hat aber nicht nur den Nachtheil
der Unbequemlichkeit, ſondern auch den, daß beim
Erlöſchen einer Kerze durch irgend welche
Urſachen ſämmtliche Kerzen desſelben Strom-
kreiſes erlöſchen und die Lampen erſt durch

Figure 504. Fig. 500.

Kerze von Jablochkoff.


Drehen ihrer Stromwechsler ſucceſſive wieder zum Leuchten gebracht werden können.


Mittel, um eine einmal erloſchene Kerze von ſelbſt wieder zum Brennen
zu bringen, wie z. B. die Beimiſchung leitender Metallpulver in die iſolirende
Zwiſchenſchichte, haben bis jetzt kein brauchbares Reſultat ergeben. Um das
Erlöſchen einer Lampe zu verhindern, muß man alſo dafür ſorgen, daß an Stelle
einer erloſchenen Kerze unmittelbar eine zweite Kerze zu brennen beginnt. Man
verſuchte dies dadurch zu erreichen, daß man Kerzen von verſchiedenen Wider-
ſtänden in einer Lampe vereinigte und ſie ſämmtlich in den Stromkreis einſchaltete.
Es begann dann die Kerze zu brennen, welche den geringſten Widerſtand beſaß,
und wenn dieſe erloſch, folgte jene Kerze, welche den nächſt höheren Widerſtand
hatte. Dieſe Einrichtung führte aber zu großen Stromverluſten und wurde deshalb
aufgegeben.


[688]

Dieſe Mißerfolge veranlaßten die Conſtruction mechaniſcher Vorrichtungen,
deren eine in den Fig. 501 und 502 abgebildet iſt. Auf einer Grundplatte aus
durchſcheinendem Materiale ſind vier Paare von Klemmen angebracht, um die vier
Kerzen der Lampe aufzunehmen und ihnen den nöthigen Strom zuzuführen. Die
inneren vier Klemmſtücke ſind mit Metallſtreifen aus Stahl und Kupfer verſehen,
welche ſich, wenn die Kerze herabgebrannt iſt, ſtark erwärmen und in Folge der
ungleichen Ausdehnung beider Metalle krümmen. Hierdurch gelangt der betreffende

Figure 505. Fig. 501.


Figure 506. Fig. 502.

Automatiſcher Einſchalter für Jablochkoff-Kerzen.


Metalldoppelſtreifen mit dem ihm gegenüberſtehenden Metallſtift in Contact, wodurch
der Strom veranlaßt wird, ſtatt durch die Kerze zu gehen, einen Elektromagnet,
Fig. 502, zu umkreiſen. Letzterer zieht ſeinen plattenförmigen Anker an und dieſer
bewirkt durch Drehung des mit ihm in Verbindung ſtehenden Doppelſperrhakens
und eines Sternrades die Drehung einer Daumenwelle. Unter dieſer Welle befindet
ſich ein kleines Käſtchen aus Hartgummi mit ſo vielen voneinander iſolirten Fächern,
als Kerzen benützt werden ſollen. Die Fächer ſind mit Queckſilber gefüllt und mit
beſtimmten Kerzen verbunden. Der elektriſche Strom tritt in die Welle ein, geht
[689] durch jenen Daumen, welcher gerade in eines der mit Queckſilber gefüllten Fächer
taucht, und von dieſem durch die entſprechende Kerze wieder zur Maſchine zurück.
Eine Drehung der Welle bewirkt das Eintauchen eines nächſten Daumens in das
ihm entſprechende Fach, daher die Einſchaltung einer neuen Kerze. Inzwiſchen hat
ſich der Metallſtreifen der ausgebrannten Kerze etwas abgekühlt und den Contact
wieder aufgehoben, wodurch der Magnet ſtromlos wird, der Anker abfällt und
durch ſeinen oberen Sperrhaken das Sternrad an einer weiteren Drehung verhindert.


Dieſe Vorrichtung verhindert allerdings ein Erlöſchen der Lampe, aber auch
nur in der Weiſe, daß an Stelle der einen Kerze eine andere zum Brennen gebracht
wird, ohne Rückſicht darauf, ob erſtere Kerze ganz ausgebrannt iſt oder in Folge
einer anderen Urſache aufhört zu leuchten. Das Wiederanzünden einer ausgegangenen
aber nicht ausgebrannten Kerze ermöglichten verſchiedene Conſtructeure dadurch,
daß ſie ſtatt des feſten Iſolirungsmittels zwiſchen beiden Kohlenſtäben Luft anwandten
und eine Kohle beweglich machten. Hierher zählen die Kerzen von Wilde, Morin,
Jamin, Siemens \& Halske
u. ſ. w.


Wilde trennt die beiden vertical und parallel nebeneinander geſtellten Kohlenſtäbe durch
eine beiläufig drei Millimeter dicke Luftſchichte. Der eine Kohlenſtab iſt an ſeiner Unterlage
ſtabil befeſtigt, der zweite an einem rechtwinkeligen, beweglichen Theile derart angebracht, daß
vor dem Anzünden der Kerze die an dieſem Theile befindliche Kohle ſich an die feſtſtehende
anlegt, ſobald aber ein Strom die Kerze paſſirt, von der feſtſtehenden Kohle durch einen
Elektromagnet getrennt und zu ihr parallel geſtellt wird. Die Kerze bedarf daher keines
Zünders und ſtellt auch beim zufälligen Erlöſchen ſelbſtthätig den Voltabogen wieder her;
das Licht zeigt jedoch ſehr häufige Schwankungen in Folge der Wirkung des Magnetes.


Morin vermeidet dieſen Uebelſtand dadurch, daß er an Stelle des Elektromagnetes
eine Art Solenoid benützt, welches durch ſeinen Eiſenkern einen auf die Kerze wirkenden
Excenter in Bewegung ſetzt. Bei der für eine Kerze beſtimmten Lampe (Fig. 503) iſt die
eine Kohle C', wie bei Wilde, mit ihrem Träger unverrückbar verbunden, hingegen die
Kohle C beweglich. Innerhalb des nach Art der Galvanometerſpulen gewundenen Sole-
noides S befindet ſich eine rechteckige Eiſenlamelle A, die ſich um eine horizontale Axe X
drehen kann. Die Lamelle wird ſich auf die Windungen von S ſenkrecht zu ſtellen ſuchen,
ſobald dieſe ein Strom durchfließt; ſind die Drahtwindungen hingegen ſtromlos, ſo wird die
Lamelle durch eine Feder in eine zu der Windungsrichtung des Solenoides etwas geneigte
Lage zurückgezogen. Auf der Drehungsaxe der Lamelle iſt der Excenter E aufgeſetzt, der mit
ſeinem Umfange auf dem Träger der Kohle C ſchleift. Letzterer wird durch die federnde
Platte f gehalten und gegen den Excenter angedrückt. So lange kein Strom durch die Lampe
geht, berühren ſich die beiden Kohlen; läßt man aber den Strom eintreten, ſo dreht ſich die
Eiſenlamelle A mit dem auf ihrer Axe aufgeſetzten Excenter und entfernt hierdurch beide
Kohlen voneinander. In dieſer Weiſe wird der Lichtbogen gebildet; ſollte die Kerze aus
irgend einer Urſache erlöſchen, ſo zieht die früher erwähnte Feder die Eiſenlamelle wieder in
ihre urſprüngliche Stellung zurück und dreht hierdurch den Excenter derart, daß ſich die
beiden Kohlen wieder berühren, alſo der Stromſchluß neuerdings hergeſtellt wird.


Iſt die Lampe für längere Brenndauer beſtimmt, ſo müſſen ebenſo wie bei Jablochkoff
zwei oder mehr Kerzen in derſelben angebracht ſein. So ſtellt Fig. 504 eine ſolche Lampe
mit vier Kerzen dar. Bei dieſer iſt das Solenoid S horizontal angeordnet und dreht ſich
die Eiſenlamelle A um eine verticale Axe. Auf letzterer iſt oberhalb der Lamelle A eine
horizontale Scheibe aufgeſetzt, welche mit vier Excentern verſehen iſt, entſprechend den vier
beweglichen Kohlenſtäben C. Die äußeren Kohlen C' ſind auf unbeweglichen Ständern befeſtigt.
Damit eine Kerze nach der andern und nicht vor dem gänzlichen Abbrennen der vorhergehenden
angezündet wird, ſind die Excenter auf der Scheibe derart vertheilt, daß der Excenter einer
Kerze erſt dann zur Wirkſamkeit kommen kann, wenn der Excenter der vorhergehenden Kerze
keinen Stromſchluß (keine Berührung der Kohlen) mehr herſtellen kann, weil die Kerze bereits
ausgebrannt iſt. Die Herſtellung eines Stromſchluſſes beim gänzlichen Abbrennen einer Kerze
wird aber in folgender Weiſe unmöglich gemacht: Die Kohle C' wird dadurch in ihrer
verticalen Stellung gehalten, daß eine Feder r von innen auf ſie drückt, während ſie ſich
außenhin gegen einen bei Z angebrachten Zinkdraht lehnt. Iſt die Kerze bis nach Z herunter-
gebrannt, ſo ſchmilzt durch die Hitze des Voltabogens der Zinkdraht ab, und die Feder r
Urbanitzky: Elektricität. 44
[690] drückt die Kohle C' hinaus, ſo daß dieſe gegen die Drahtſchlinge s fällt. Dreht ſich dann die
Eiſenlamelle, ſo kann nur der nächſtfolgende Excenter in Wirkſamkeit treten und das ihm
entſprechende Kohlenpaar zur Berührung bringen. Wie wir bei Jamin’s Kerze ſehen werden,
wird die Stellung des Voltabogens durch eine ihn umgebende Drahtſpirale verändert, wenn
der durch den Bogen oder die Spirale gehende Strom in ſeiner Richtung geändert wird. Es
kann dies nicht befremden, da der Voltabogen eben auch ein Theil, und zwar ein ſehr leicht
beweglicher Theil eines Stromkreiſes iſt, daher der anziehenden, beziehungsweiſe abſtoßenden
Wirkung eines zweiten Stromes ebenſo ausgeſetzt iſt, wie jeder andere Stromleiter. Dies trat
nun auch bei Morin’s Lampe ein, und zwar derart, daß bei den zwei Kerzen, welche zwiſchen
beiden Hälften des Solenoides, alſo oberhalb des dieſe beiden trennenden Luftzwiſchen-
raumes ſtehen, der Voltabogen von beiden Solenoidhälften gleich ſtark, aber nach entgegen-
geſetzten Richtungen getrieben wird, d. h. alſo ſeine Lage unbeeinflußt bleibt. An den beiden
anderen Kerzen, von welchen jede nur über einer Solenoidhälfte ſteht, wurde der Lichtbogen
der einen Kerze gegen die Kohlenſpitzen getrieben, jener der andern Kerze aber nach abwärts

Figure 507. Fig. 503.


Figure 508. Fig. 504.

Kerzen von Morin.


gegen die Kohlenträger gezogen. Um dieſen Uebelſtand zu vermeiden, muß das Solenoid S
möglichſt weit von den Kerzen entfernt angeordnet werden; überdies ſchaltet Morin zwiſchen
dem Solenoide und den Kerzen eine Eiſenplatte E ein, welche vermöge der magnetiſchen
Schirmwirkung (ſiehe Seite 290) den Voltabogen gegen Ablenkung ſchützen ſoll.


Eben dieſe Directionskraft, welche ſtromdurchfloſſene Drähte auf den Volta-
bogen ausüben und Morin, als ſchädlich der Function einer Lampe, unwirkſam zu
machen ſucht, diente Jamin (übrigens lange vor Morin) als Conſtructionsprincip
ſeiner Kerze. Jamin wendet nämlich gleichfalls zwei nebeneinander angeordnete, nur
durch Luft voneinander iſolirte Kohlenſtäbe bei ſeiner Kerze an, umgiebt aber die
Kerzen ſeiner Lampe mit Drahtwindungen H, Fig. 505, durch welche er einen
Strom nach einer Richtung durchſchickt, durch welche der Voltabogen gegen die
Spitze der Kerzen getrieben, beziehungsweiſe dort erhalten wird. Die rechtsſeitigen
Kohlen A A' A″ ſtehen feſt, während die linksſeitigen Stäbe B B' B″ an dem
Querſtücke C C' hängen, welches durch die Stange D E mit der Eiſenplatte E F
[691] in Verbindung ſteht. Dieſer gegenüber befindet ſich das aus weichem Eiſen gebildete
Stück G, welches magnetiſch wird, ſobald durch den Drahtrahmen, die ſogenannte
„Richtungsſpirale“ (H H), ein Strom circulirt. Iſt G unmagnetiſch, alſo die Lampe
ohne Strom, ſo nimmt die Platte E F ihre tiefſte Lage ein und drückt hierbei
durch ihr Gewicht die Kohlenſtäbe der einzelnen Kerzen gegeneinander, oder richtiger
die beiden längſten Kohlen kommen miteinander in Berührung. Leitet man hingegen
durch die Drähte K L einen Strom in die Lampe, ſo durchfließt dieſer die Richtungs-
ſpirale und geht dann durch das ſich mit ſeinen Spitzen berührende Kohlenpaar.
G wird magnetiſch, zieht E F an und entfernt hierdurch die linksſeitigen und rechts-
ſeitigen Kohlen voneinander; der Licht-
bogen entſteht an jener Kerze, bei welcher
ſich die Kohlen berührt hatten. Bei einer
Stromunterbrechung fällt E F von G
ab, bringt hierdurch wieder zwei Kohlen
miteinander in Berührung, zwiſchen welchen
ſich dann der Voltabogen neuerdings bilden
kann, wenn die Lampe abermals Strom
erhält. Iſt eine Kerze ganz verzehrt, ſo
wird die nächſte automatiſch eingeſchaltet.
Gegen die in der Ebene der Richtungs-
ſpirale unbewegliche Kohle wird ein in
dem drehbaren Winkel O (Querſchnitt,
Fig. 505) befeſtigter Zinkdraht β β durch
die Feder R gedrückt. Iſt nun die Kerze
bis zum Zinkdraht abgebrannt, ſo ſchmilzt
dieſer ab und die Feder R drückt den
Winkel O und mit ihm die Kohle aus der
Ebene der Richtungsſpirale heraus, dreht
alſo dieſe Kohle ſo weit von der zweiten
Kohle weg, daß die Kerze erlöſchen muß,
worauf ſich eine nächſte in früher an-
gegebener Weiſe anzündet. Jamin’s Kerze
hat ſich trotz ihrer ſinnreichen Einrichtung
praktiſch nicht ſehr gut bewährt.


Das Licht der Kerzen iſt kein ſehr
ruhiges und ſchwankt namentlich dann
ſehr ſtark, wenn die Kohlen nicht ſehr
ſorgfältig und homogen hergeſtellt ſind.

Figure 509. Fig. 505.

Kerzen von Jamin.


Da ſich der Strom bei ſeinem Uebergange von einer Kohle in die andere den Weg
ausſucht, auf welchem er den geringſten Widerſtand findet, ſo kann bei ungleich-
förmig zuſammengeſetzten Kohlen ein Auf- und Abtanzen des Lichtbogens zwiſchen
beiden Kohlenſtäben eintreten, falls dies nicht durch beſondere Vorrichtungen, wie
durch Jamin’s Richtungsſpirale, hintangehalten wird. Die Kerzen müſſen mit
Wechſelſtrömen betrieben werden und bedürfen bei halbwegs verläßlicher Function
auch einer Regulirungs- oder Aus- und Einſchaltungsvorrichtung, wodurch ſie alſo
ihre urſprüngliche Einfachheit gegenüber den Regulatoren verloren haben; überdies
iſt der im Lichtbogen einer Kerze erzielbare Lichteffect bedeutend kleiner als jener in
einer Regulatorlampe. (Das Verhältniß iſt nach Tresca 3 : 7.)


44*
[692]
5. Gruppe.
Lampen mit gegeneinander geneigten Kohlen.

Schon im Jahre 1846 ließ ſich William Edward Staite verſchiedene
Lampenconſtructionen patentiren, deren eine in Fig. 506 abgebildet iſt. Zwei
Kohlenſtäbe werden in Metallröhren ſo geführt und durch Spiralfedern geſchoben,
daß ſie unter einem ſtets gleichbleibenden Winkel auf einer Säule auftreffen, welche
aus einem die Elektricität nicht leitenden und der hohen Temperatur des Volta-
bogens widerſtehenden Materiale hergeſtellt iſt. Da hierbei die beiden Kohlen, ohne
ihre Neigung zueinander zu ändern, immer in derſelben Höhe durch die Säule in
der Vorwärtsbewegung gehemmt werden, muß auch die Entfernung der Kohlen-
ſpitzen voneinander gleich bleiben, alſo der Lichtbogen eine conſtante Größe bei-

Figure 510. Fig. 506.

Lampe von Staite.


behalten. Um die Kohlen für verſchieden lange
Bogen einſtellen zu können, iſt die Verſchie-
bung des einen Kohlenträgers durch eine
an der Grundplatte der Lampe angebrachte
Stellvorrichtung ermöglicht.


Staite’s Lampe wurde das Vorbild
vieler nachher conſtruirter Lampen, ſo z. B.
jener von Gérard, Lescuyer, Hedges,
Rapieff
, der Soleil-Lampe u. ſ. w.


Bei der Lampe von Rapieff erheben ſich
auf einer Grundplatte zwei Säulen s s' (Fig. 507),
welche je einen Kohlenhalter d und d' tragen. In
jedem Kohlenhalter befinden ſich zwei Kohlen a a'
und b b', die unter ſpitzen Winkeln zueinander
geneigt ſind. In dieſer Lage werden ſie durch kupferne
Gleitrollen erhalten. Die Ebenen der beiden durch
die Kohlenſtäbe gebildeten Winkel ſtehen aufeinander
ſenkrecht. Die vom Scheitel der Winkel entfernten
Kohlenenden ſind mit ſchweren Faſſungen verſehen,
von welchen Schnüre ausgehen, die über einige
Führungsrollen laufen und an einem Gegen-
gewicht W befeſtigt ſind. Der Kohlenträger d und
die Säule s' ſind von den übrigen Lampentheilen
iſolirt; der Kohlenträger d' iſt um ein Gelenk g drehbar, während d feſt iſt. Eine Schraube h
dient zum Höher- oder Tieferſtellen des Voltabogens. Betrachtet man ein Kohlenpaar, z. B.
das obere, näher, ſo ſieht man, daß die beiden Kohlenſtäbe durch ihr Gewicht und das Gegen-
gewicht W ſo lange ſinken müſſen, bis ſie durch Zuſammentreffen ihrer Spitzen ſich an der
Weiterbewegung gegenſeitig hindern. Brennen nun die Kohlen ab, ſo werden ſie im ſelben
Maße nachſinken, müſſen ſich aber räumlich im ſelben Punkte wieder treffen wie früher, da
vermöge der Gleitrollen ihre gegenſeitige Neigung unverändert bleibt. Ebenſo verhält ſich das
untere Kohlenpaar. Die Entfernung beider Spitzen der Kohlenpaare bleibt alſo ſtets dieſelbe,
das heißt die Bogenlänge bleibt unverändert. Dabei iſt aber das eine Kohlenpaar unabhängig
vom andern. Das eine Kohlenpaar kann ſchneller abbrennen als das andere und doch rücken
die Kohlen ſo vor, daß ſtets je zwei in einer Spitze zuſammentreffen. Dies hat den Vortheil,
daß gleichgerichtete Ströme verwendet werden können.


Wird die Lampe in einen Stromkreis eingeſchaltet, ſo geht der Strom zunächſt durch
einen im Sockel der Lampe angebrachten Elektromagnet, welcher durch Anziehen ſeines Ankers
eine durch die Röhre s gehende Stange herabzieht und dadurch den Kohlenträger d' nach
abwärts dreht, alſo die früher in Folge der Wirkung des Gewichtes W miteinander in
Berührung geſtandenen Kohlenpaare voneinander entfernt und ſo den Lichtbogen bildet. Wie
beim Fortdauern des Lichtbogens die Kohlen nachrücken, wurde bereits erwähnt. Erliſcht durch
irgend einen Umſtand die Lampe, ſo wird auch der Elektromagnet ſtromlos und die Kohlen-
[693] paare kommen unter Einwirkung des Gewichtes W wieder zur Berührung, um ſo neuerdings
das Brennen einzuleiten. Damit das Erlöſchen einer Lampe nicht auch jenes der übrigen
Lampen desſelben Stromkreiſes nach ſich zieht, iſt der früher erwähnte Elektromagnet in der
Grundplatte der Lampe ſo angeordnet, daß er, ſobald durch ſeine Windungen und durch
die Lampe kein Strom gehen kann, einen Nebenſchluß herſtellt, in welchem ein dem Wider-
ſtande der Lampe entſprechender Widerſtand eingeſchaltet iſt.


Figure 511. Fig. 507.

Lampe von Rapieff.


Figure 512. Fig. 508.

Lampe von Gérard.


Gérard wendet zur Conſtruction ſeiner Lampe ebenfalls zwei Kohlenpaare an, doch
ſind die vier Kohlenſtäbe ſo geſtellt, daß ſie die Kanten einer vierſeitigen Pyramide bilden
(Fig. 508). Die Kohlen ſind in Röhren geführt und erhalten die Stromzuleitung durch Contact-
rollen, die nahe den Kohlenſpitzen angebracht ſind. Das eine Kohlenpaar, in der Figur
das linksſeitige, iſt an der viereckigen Grundplatte unverrückbar befeſtigt, das andere,
in der Zeichnung rechts befindliche, kann ſich um ein Gelenk drehen. Eine unter dem Aufhänge-
ringe der Lampe horizontal angebrachte Spiralfeder zieht es vom erſterwähnten Kohlenpaare
ab. Die Spannung dieſer Feder wird durch eine in der Figur unterhalb der Feder auf der
linken Seite befindliche Schraube regulirt. Die rechts befindliche Schraube dient zur Verſchiebung
[694] der Kohlenpaare gegeneinander. Unterhalb der Grundplatte befindet ſich ein Elektromagnet,
deſſen Anker an den Führungsröhren des rechtsſeitigen, beweglichen Kohlenpaares befeſtigt iſt.
Seine Drahtwindungen liegen in einem Nebenſchluſſe. Unter dieſem Magnete iſt ein zweiter
Elektromagnet angebracht, der in den Hauptſtrom geſchaltet iſt und deſſen Eiſenkerne gekrümmt
und gegen den Voltabogen gerichtet ſind. Sie haben den Zweck, letzteren ſtets gegen die Spitzen
der Kohlen zu treiben.


So lange die Lampe ſtromlos iſt, ſind beide Kohlenpaare durch die Wirkung der
Spiralfeder voneinander getrennt In einen Stromkreis eingeſchaltet, geht der Strom zunächſt
durch den Nebenſchluß, in welchem der obere horizontal liegende Magnet ſich befindet; dieſer
zieht ſeinen, an den Führungsröhren des rechtsſeitigen Kohlenpaares befeſtigten Anker an und
dreht dadurch dieſes Kohlenpaar ſo, daß deſſen Spitze mit der Spitze des zweiten Kohlen-
paares in Berührung kommt. Nun geht der Strom ſofort durch die Kohlen und den unteren
Elektromagnet, während der obere im Nebenſchluſſe liegende Elektromagnet nahezu ſtromlos
wird und ſeinen Anker wieder losläßt. Hierdurch kommt die Wirkung der Spiralfeder zur
Geltung, der Lichtbogen entſteht und wird durch die Eiſenkerne des unteren Elektromagnetes
ſtets an der Spitze der Kohlen erhalten. Beim Abbrennen der letzteren ſinken dieſe nach, aber
immer nur bis zur Berührung je zweier zuſammengehöriger Kohlen, wodurch der Voltabogen
bei der ſtets gleichbleibenden Richtung ſämmtlicher Kohlen gegeneinander immer dieſelbe Länge
behalten muß.


Sollte der Strom durch irgend eine Veranlaſſung momentan unterbrochen werden, ſo

Figure 513. Fig. 509.

Soleil-Lampe.


zündet ſich die Lampe von ſelbſt ſofort wieder an,
wie dies aus ihrer Conſtruction leicht erklärlich iſt.
Zum Betriebe der Lampe können Wechſel- und gleich-
gerichtete Ströme angewandt werden, nur müſſen im
letzteren Falle für das Kohlenpaar, welches den poſitiven
Pol bilden ſoll, noch einmal ſo lange Kohlen benützt
werden als für das andere Paar. Die Kohlen können
ſehr lang genommen werden, ſo daß die Lampe bis
zu 12 Stunden brennen kann.


In neuerer Zeit wurde von Clerc auf die
von Staite angegebene Anordnung der Kohlen
wieder zurückgegriffen und eine Lampe con-
ſtruirt, welche unter dem Namen Soleil-Lampe
bereits mehrfache praktiſche Erfolge errungen hat.
Eines der erſteren Modelle iſt in Fig. 509
ſchematiſch dargeſtellt. Zwei Kohlen A und B
werden in den Höhlungen eines Steinblockes, deſſen Material urſprünglich
Marmor war, geführt und ſinken mit ihren Spitzen immer bis zur unten an-
gebrachten Aushöhlung des Blockes vor. Der Steinblock wird durch ein Gehäuſe
G G, mit welchem er durch Schrauben verbunden iſt, getragen. Im Innern des
Gehäuſes werden die Kohlen durch Kupferdrähte D D geführt und dieſe dienen
auch gleichzeitig zur Zuleitung des Stromes; die Leitungsdrähte L L vermitteln
die Einſchaltung der Lampe in einen Stromkreis. Das Anzünden der Lampe
erfolgt mit Hilfe eines kleinen Stückes Kohle R gerade ſo wie bei der Jablochkoff-
Kerze. Der Strom tritt durch die eine Kohle ein, geht durch das Stück R und
verläßt durch die zweite Kohle die Lampe. R wird glühend, brennt ab und der
Voltabogen zwiſchen den beiden Kohlenſpitzen iſt entſtanden. Gleichzeitig wird der
zwiſchen beiden Spitzen befindliche Theil des Marmorblockes glühend und verſtärkt
das Bogenlicht durch Incandescenz. In dem Maße als die Kohlen abbrennen,
ſinken ſie auch durch ihre eigene Schwere nach. Später hielt man es für zweck-
mäßig, den Steinblock aus mehreren Theilen in nachſtehender Weiſe zuſammen-
zuſetzen. Man bildete die beiden Stücke K K aus Kreide, die Unterlage D E aus
Granit und M aus einem Blocke weißen Marmors. Sämmtliche Theile wurden
[695] durch das Gehäuſe und Schrauben zuſammengehalten. Dieſe Zuſammenſetzung des
Blockes hatte den Vortheil, daß das Marmorſtück, welches auch an der Licht-
erzeugung theilnimmt und daher nach einer gewiſſen Zeit unbrauchbar wird, leicht
durch ein neues Stück erſetzt werden kann, ohne daß gleichzeitig die übrigen Theile
unbrauchbar werden.


Dieſe anfänglich etwas roh conſtruirte Lampe machte nach und nach verſchiedene
Wandlungen durch, die nicht nur auf conſtructive Verbeſſerung der Lampe ſelbſt
abzielten, ſondern auch das ſelbſtthätige Wiederanzünden einer ausgegangenen
Lampe und die Sicherſtellung aller Lampen eines Stromkreiſes gegen Störungen
in einer Lampe bezweckten. In dieſer Weiſe gelangten die Ingenieure Street und
Maquaire zu der gegenwärtig gebräuchlichen und nachſtehend beſchriebenen Con-
ſtruction.


Der prismatiſche Marmorblock, deſſen Abmeſſungen nur 3, 4 und 5 Centi-
meter betragen, iſt mit glockenartigen Höhlungen verſehen, die einander gegenüber-
liegen und zur Einführung der 20 Millimeter ſtarken Kohlenſtäbe B und C,
Fig. 510, dienen. Die beiden glockenartigen Aushöhlungen ſind durch einen
5 Millimeter weiten Canal miteinander verbunden. Dieſer Canal öffnet ſich nach
einer Seite A (in der Figur nach oben) hin trichterförmig. Durch dieſen Trichter
ſieht man, ſobald der Strom von B nach C durch den engen Canal fließt, den
Voltabogen, und der Trichter ſelbſt dient gleichzeitig als Reflector. Die eine
Kohle (C) iſt der Länge nach durch-
bohrt, um einem dünnen Kohlen-
ſtabe D, dem Anzünder der Lampe,
den Durchgang zu ermöglichen. Zur
Erläuterung der Wirkungsweiſe
der Lampe wird uns Fig. 511
dienen. Der Marmorblock iſt in

Figure 514. Fig. 510.

Marmorblock und Kohlen der Soleil-Lampe.


eine eiſerne Büchſe a b eingeſchloſſen, welche durch ein Charnier leicht geöffnet
werden kann und an ihren beiden ſchmalen Seiten Röhren c d zur Aufnahme
der Kohlen trägt. Durch dieſe beiden Röhren werden die Kohlen in die glocken-
förmigen Höhlungen des Marmorblockes eingeführt. Die Gegeneinanderbewegung
der Kohlen beſorgen die Spiralfedern f f, indem ſie die einen Arme der Winkel-
hebel h h' ſo zu drehen ſuchen, daß deren Enden gegen die freien Enden der
Kohlen drücken, dieſe alſo gegen die Mitte der Lampe zu ſchieben trachten. Die
Röhren c und d ſind, um die Vorwärtsbewegung der Hebel zu ermöglichen, mit
einer Längsſpalte verſehen. Die anderen Arme k k' der Winkelhebel werden durch
die Federn f f derart gedreht, daß ſie mit den Anſchlägen m oder m' in Contact
kommen, ſobald die durch den Hebel h oder h' vorgeſchobene Kohle verzehrt iſt; dies
hat den Zweck, die Lampe aus dem Stromkreiſe auszuſchalten, ſobald eine oder
beide ihrer Kohlen ausgebrannt ſind. Wäre alſo z. B. die Kohle bei a verbraucht,
ſo hat ſich der Winkelhebel h k ſo weit gedreht, daß k und m in Contact
kommen. Der durch die Polklemme s eintretende Strom gelangt in den Winkel-
hebel und durch dieſen nicht mehr in die dazu gehörige Kohle, ſondern nach
m, von hier durch den Draht l zur zweiten Polklemme s' und fließt zur nächſten
Lampe weiter.


Das ſelbſtthätige Anzünden wird in nachſtehender Weiſe bewirkt. Der dünne
Kohlenſtab D (Fig. 510) iſt an einer Metallſtange o o (Fig. 511) befeſtigt, welche
durch die Schraube u an die Eiſenröhre r geklemmt wird. Ein kleines Gewicht p
[696] bewegt die Stange o mit ihrem Kohlenſtäbchen und der Röhre durch den engen
Canal des Marmorblockes, bis das Stäbchen gegen die Kohle B (Fig. 510)
anſtößt. Die Röhre r iſt von einem weiteren Rohre eingeſchloſſen, welches
bei E ein Solenoid trägt, deſſen Windungen vom Lampenſtrome durchfloſſen
werden, bevor dieſer noch in die Lampe ſelbſt gelangt. Der Metallſtab o iſt
mit den Drahtwindungen des Solenoides durch eine Zweigleitung (bei der
Schraube u) verbunden. Sobald nun der Strom die Drahtwindungen von E

Figure 515. Fig. 511.


Figure 516. Fig. 512.

Soleil-Lampen.


durchfließt, zieht das Solenoid die Eiſenröhre an und bewegt dadurch den Stab
mit ſeinem Kohlenſtabe von der mit ihm in Berührung geſtandenen Lampenkohle
weg. Gleichzeitig geht aber durch die Zweigleitung ein Strom in die Stange o,
das Kohlenſtäbchen und zur gegenüberliegenden Lampenkohle, wodurch zwiſchen
letzterer und dem Kohlenſtäbchen ein kleiner Voltabogen gebildet wird. Iſt dann
das Kohlenſtäbchen bei ſeiner Rückbewegung ganz in den Hohlraum der hohlen
Lampenkohle hineingelangt, ſo iſt hierdurch der Schluß des Hauptſtromes zwiſchen
den beiden Lampenkohlen hergeſtellt und der Voltabogen zwiſchen dieſen gebildet.
Dieſe Vorgänge ſpielen ſich nicht nur beim erſten Anzünden der Lampe, ſondern
[697] natürlich auch dann ganz in derſelben Weiſe ab, wenn die Lampe aus irgend einer
Urſache erlöſchen ſollte.


Die Lampe kann ſowohl mit Wechſelſtrömen, als auch mit gleichgerichteten
Strömen betrieben werden und erzeugt ein ſehr ruhiges Licht. Selbſt ein ſehr
ſtarkes Schwanken der Stromſtärke bewirkt noch kein Erlöſchen des Bogens, da
der weißglühende Marmor den elektriſchen Strom leitet und daher dieſer ſchon
längere Zeit ſehr geſchwächt oder ganz unterbrochen ſein muß, bis die Abkühlung
des Marmors ſo weit fortſchreitet, daß die Lampe erliſcht. Der Marmorblock
dauert mindeſtens 15 Stunden und von den Kohlen verbrennen beiläufig 2 Milli-
meter per Stab und Stunde. Die normale Länge der Kohlen beträgt 10 Centi-
meter, doch können auch Kohlenſtücke zur Verwendung kommen. Nach den An-
gaben der Ingenieure der Geſellſchaft bedarf eine Lampe von 90 Carcelbrennern

Figure 517. Fig. 513.

Lampe von Heinrichs.


Lichtſtärke eines Kraftaufwandes von 1½ Pferdekraft, eine Lampe von 120 Carcel-
brennern von 2 Pferdekräften. Der Preis der Lampe beträgt 200 Francs, der
Lampenkohle per Meter 3 Francs, der Anzündekohle 75 Cent. per Meter und des
Marmorblockes 75 Cent. Fig. 512 zeigt endlich eine vollſtändig montirte Lampe.
Dieſe iſt in zwei Zapfen drehbar aufgehängt und läßt ſich durch dieſe in jede
beliebige Lage drehen und in dieſer feſtſtellen, wodurch man es in der Hand hat,
den Hauptlichteffect in jeder gewünſchten Richtung zu erhalten; die Conſtruction
der Lampe ermöglicht eben auch ihr Fungiren in umgekehrter Lage, d. h. mit nach
aufwärts gewandtem Voltabogen. (Dies iſt auch die in den Fig. 510 und 511
dargeſtellte Lage.)


Die Lampe von Heinrichs beruht auf demſelben Conſtructionsprincipe wie jene von
Rapieff, Gérard u. A., zeichnet ſich aber vor dieſen durch die Anwendung gebogener
Kohlenſtäbe aus, wodurch die Lampe bei geringer Länge eine große Brenndauer erlangt. In
Fig. 513 ſtellt k k das obere poſitive Kohlenpaar vor, welches durch die Träger h h um die
[698] Punkte x x in der Ebene der Kohlen drehbar iſt. An den Axen x x ſind Zahnräder r1 r1
befeſtigt, deren Ineinandergreifen eine gleichmäßige Bewegung beider Kohlen k k bewirkt und
ſo die Berührungsſtelle derſelben immer am ſelben Orte erhält. Das Getriebe r1 r1 wird von
einem kleinen Rahmen getragen, welcher an der Schiene s befeſtigt iſt. Dieſe hängt an dem
längeren Arme a1 eines Winkelhebels, deſſen kürzeren Arm der Anker a des Elektromagnetes E
bildet. Das untere negative Kohlenpaar k1 k1, mit ſeiner Ebene ſenkrecht zur Ebene des
poſitiven Paares angeordnet und durch die Träger h1 h1 gehalten, iſt um die Axen x1 x1 in
derſelben Weiſe beweglich, wie das erſterwähnte Kohlenpaar. Das Getriebe der negativen
Kohlen wird durch einen etwas größeren Rahmen r getragen, und dieſer iſt an dem Gehäuſe
der Lampe iſolirt befeſtigt. Die Drahtſpule W W oberhalb des Elektromagnetes wird beim
Erlöſchen der Lampe automatiſch eingeſchaltet und dient dann zum Erſatze des Lichtbogen-
widerſtandes.


Im Ruhezuſtande der Lampe ſtehen beide Kohlenpaare an den Zuſammenſtoßpunkten
ihrer Kohlen in Berührung. Tritt aber ein Strom in die Lampe ein, ſo durchläuft dieſer den
Elektromagnet E, geht in das obere poſitive Kohlenpaar, und da dieſes mit dem negativen
in Berührung iſt, in das negative, von wo aus er die Lampe durch die zweite Polklemme
wieder verläßt. Der Elektromagnet E zieht ſofort ſeinen Anker a an, hebt damit das obere
Kohlenpaar und ſtellt den Lichtbogen her; um eine zu heftige Bewegung zu vermeiden, iſt
die Stange s mit einigen Zähnen verſehen, die in ein Getriebe des Rades r eingreifen,
während eine Feder f gegen den Umfang des Rades drückt. Das Nachſinken der Kohlen beim
Abbrennen derſelben erfolgt in der früher angegebenen Weiſe. Sollte die Lampe erlöſchen, ſo
läßt der Magnet E ſeinen Anker los, die Stange s und mit ihr das obere Kohlenpaar ſinken
herab bis zur Berührung mit dem unteren Kohlenpaare, und ſtellen den Bogen wie anfangs
wieder her Gelingt dies aus irgend einer Urſache nicht mehr, ſo wird die Lampe automatiſch
aus dem Stromkreiſe ausgeſchaltet, ohne die anderen in denſelben Stromkreis etwa geſchalteten
Lampen zu ſtören Zu dieſem Zwecke trägt die Schiene s unterhalb des Rades r2 einen Stift,
der beim Herabſinken der Schiene die Feder f1 gegen einen Contact c drückt und den Strom
zwingt, von L1 durch die Widerſtandsſpule W W in die Feder f1 durch den Contactſtift c
nach L und zu den anderen Lampen zu gehen. Der Durchmeſſer des einen Kohlenkreiſes
beträgt 30·5 Centimeter, jener des zweiten 20·3 Centimeter und die Brenndauer der Lampe
20 Stunden und darüber; ſie richtet ſich natürlich auch nach der Intenſität des Lichtes.


Die Kohlen für Bogenlampen und deren Erzeugung.

Wie man aus obigem Abſchnitte erſehen kann, iſt an Lampen der mannig-
fachſten Conſtruction durchaus kein Mangel mehr. Sie alle können aber, ſelbſt die
zweckmäßigſte Conſtruction vorausgeſetzt, nur dann wirklich zufriedenſtellende Dienſte
leiſten, wenn man ſich ſolcher Kohlenſtäbe bedient, die gleichfalls allen Anforderungen
entſprechen. Wie früher mitgetheilt wurde, hat Davy, als er zum erſtenmale
den Voltabogen erzeugte, Stäbe aus Holzkohlen verwendet. Es wurde auch bemerkt,
daß ſich dieſes Material zum Zwecke der Lichterzeugung durch Elektricität gleich
anfangs als unbrauchbar erwies. Foucault erſetzte es durch Retortenkohle. Aber
auch dieſe gab kein zufriedenſtellendes Reſultat. Die Erzeugung der letzteren, an
den Innenwänden der Gasretorten in beſtändiger inniger Berührung mit Mineral-
kohle, bringt es mit ſich, daß ihre Maſſe ſich nicht gleichmäßig aus Kohlenſtoff
zuſammenſetzt, ſondern mit mineraliſchen Beſtandtheilen mehr oder weniger, häufig
unregelmäßig, vermiſcht iſt. Die aus ſolcher Kohle geſchnittenen Stäbe können daher
kein ruhiges, gleichmäßiges Licht geben, da bei ihrer Anwendung Kohlentheilchen
und mineraliſche Beſtandtheile in mehr oder weniger unregelmäßigen Zeiträumen
zum Glühen kommen und hierbei ganz ungleichförmige Lichtintenſitäten erzeugen.
Die mineraliſchen Beſtandtheile wirken auch dadurch ſchädlich, daß ſie zum Theile
ſchmelzen, zum Theile verdampfen, das Licht verſchieden färben, zur Zerſplitterung
der Kohle, zum „Spritzen“ derſelben, Veranlaſſung geben. Man ſah ſich daher
gezwungen, die Lampenkohlen eigens für dieſen Zweck darzuſtellen. Ohne die Namen
[699] jener Männer, welche ſich um die Darſtellung brauchbarer Kohlenſtäbe Verdienſte
erworben haben, alle aufzuzählen — die Reihe iſt eine ſtattliche — mögen hier
nur einige genannt werden.


Jacquelain verſuchte die künſtliche Darſtellung der Retortenkohle unter
Vermeidung jener Umſtände, welche deren Verunreinigung mit mineraliſchen Beſtand-
theilen bewirken. Er nahm Theer, welcher als Deſtillationsproduct frei von allen
nicht flüchtigen Beſtandtheilen iſt, und zerſetzte dieſen an ſtark erhitzten Flächen.
Die auf ſolche Weiſe erzeugte Retortenkohle wurde in Stäbe zerſägt und war
hart und dicht wie die Retortenkohle. Sie lieferte ein vollkommen ruhiges Licht,
deſſen Intenſität um 25 Procent höher war als jene, welche man, gleiche Strom-
intenſität vorausgeſetzt, mit gewöhnlichen Retortenkohlen erzielen konnte. Leider
geſtaltet ſich die Herſtellung derartiger Kohlenſtäbe zu koſtſpielig; es erfordert viel
Arbeit, das ſehr harte Material in Stäbe zu zerſägen, und überdies gehen eine
Menge Abfälle verloren.


In neuerer Zeit hat Jacquelain folgendes Verfahren zur Darſtellung reiner
Kohlen angegeben: Prismatiſche Gaskohlenſtäbe werden erſt bei Weißgluth mindeſtens
30 Stunden einem Chlorſtrom, dann zur Ausfüllung ihrer Poren weißglühend in
einem Cylinder von unſchmelzbarem Thon langſam den Dämpfen von ſchwerem
Steinkohlentheeröl ausgeſetzt. Auch werden die Kohlen mit geſchmolzenem Natron
und dann mit deſtillirtem Waſſer behandelt, um Kieſelſäure und Thonerde zu ent-
fernen; darauf mit Salzſäure und deſtillirtem Waſſer zur Entfernung des Eiſens
und der alkaliſchen Erden. Endlich kann man die Kohlen in einem mit 1 Vol.
Fluorwaſſerſtoffſäure und 2 Vol. Waſſer gefüllten Bleitrog 24 bis 28 Stunden
bei 15 bis 25 Grad Celſius einſenken, waſchen und während 3 bis 5 Stunden
carboniſiren. Bei gleichen Verhältniſſen betrugen bei Erzeugung des Lichtbogens
die Verluſte v der Kohlen in Grammen in 24 Stunden und die Helligkeiten h,
verglichen mit denen einer Carcellampe:

Die gereinigten Kohlen geben ein conſtantes Licht, die nicht gereinigten ein
unſtätes.


Große Verdienſte um die Herſtellung der Lichtkohlen hat ſich Carré erworben.
Nach langwierigen und eingehenden Verſuchen kam er endlich zu einem Verfahren,
welches er ſich im Jahre 1876 patentiren ließ. Er empfiehlt hierin ein Gemenge
von gepulvertem Coaks, calcinirtem Ruß und einem eigenen Syrup, der aus 30
Theilen Rohrzucker und 12 Theilen Gummi bereitet iſt. Von dieſem Syrup werden
7 bis 8 Theile mit 5 Theilen Ruß und 15 Theilen Coaks vermiſcht. Der hierzu
verwendete Coaks muß aus dem beſten Materiale erzeugt ſein, fein gemahlen und
durch Waſſer oder heiße Säuren gewaſchen werden. Das ganze Gemenge wird mit
etwas Waſſer zu einem Teige verarbeitet, dieſer comprimirt und durch eine Preſſe
in die Form von Stäben gebracht. Die ſo erhaltenen Stäbe kommen dann in
Tiegeln und werden längere Zeit einer hohen Temperatur ausgeſetzt. Das ein-
malige Glühen genügt jedoch nicht zur Herſtellung conſiſtenter Kohlen; ſie ſind
[700] nach dieſer Operation noch zu porös. Um die Poren auszufüllen, werden die
Stäbe in einen ſehr concentrirten Syrup von Rohrzucker oder Caramelzucker
gebracht und 2 bis 3 Stunden gekocht. Während dieſer Periode kühlt man die
Kohlenſtäbe einigemale ſtark ab, damit der Luftdruck den Syrup in alle Poren
hineinpreſſen kann. Die Kohlen werden dann zur Entfernung des an ihrer Ober-
fläche noch haftenden Syrups mit Waſſer abgeſpült und einem abermaligen Brennen
unterworfen. Dieſe Operationen müſſen ſo oft wiederholt werden, bis die Kohlen
eine hinreichende Dichte und genügende Härte erreicht haben.


Sehr beliebt und daher auch häufig angewandt ſind gegenwärtig die Kohlen
der Gebrüder Siemens; die Art ihrer Erzeugung wird jedoch geheim gehalten.

Figure 518. Fig. 514.


Figure 519. Fig. 515.

Apparate zur Darſtellung der Lampenkohlen.


In Wien fabricirt Hardtmuth Lampenkohlen verſchiedener Dimenſionen; doch iſt
auch über die Herſtellung dieſer nichts bekannt geworden.


Napoli benützt zur Fabrication ſeiner Kohlenſtäbe eigens zu dieſem Zwecke
dargeſtellte Retortenkohle, indem er Goudron einer trockenen Deſtillation unterwirft.
Die Kohle wird gemahlen, auf Schüttelſieben geſiebt und kommt dann in ein Gefäß,
in welchem ſich ein Paar Mühlſteine bewegen. Durch Beifügung einer beſtimmten
Quantität Goudron und die Bewegung der Mühlſteine entſteht ein gleichmäßiger
Brei, der in die Preſſe gebracht wird. Dieſe iſt in Fig. 514 im Längsſchnitte
dargeſtellt. Der Preßcylinder beſteht aus zwei miteinander verſchraubten Gußtheilen,
deren unterer gekrümmt iſt und drei Mundſtücke trägt. Die Krümmung des Preß-
cylinders hat ſich als nothwendig herausgeſtellt, da wegen der Zähigkeit der Maſſe
der Druck ſich nicht gleichmäßig fortpflanzt und daher auch kein homogenes Product
erhalten werden konnte. Den Preßcylinder umſchließt ein Dampfrohr, um die
[701] Maſſe während des Preſſens geſchmeidig zu erhalten, und aus demſelben Grunde
legt man auf die Mundſtücke glühende Eiſenblöcke. Die Preſſung ſelbſt wird durch
hydrauliſchen Druck bewerkſtelligt. Die auf dieſe Weiſe erzeugten Kohlenſtäbe werden
dann nach und nach bis zur Rothgluth erhitzt, um den noch vorhandenen Goudron
zu zerſetzen. Die Temperatur muß langſam erhöht werden, damit die Zerſetzung
allmählich erfolgt und die Gaſe Zeit finden zu entweichen. Die Kohlen ziehen ſich
hierbei beträchtlich zuſammen. Nachdem man ſie langſam erkalten gelaſſen, erhitzt
man ſie abermals, aber jetzt bis zur hellen Rothgluth. Nachdem ſie wieder ab-
gekühlt ſind, haben ſie eine ſtahlgraue Färbung und hinreichende Härte und Feſtig-
keit. Die Lampen verbrauchen von ſolchen Stäben ſtündlich 75 Millimeter, während
ſie 250 Millimeter Carré’ſcher Kohlen bedürfen.


Wünſcht man Kohlen von noch größerer Dichte herzuſtellen, ſo muß man
ſie nochmals tränken; dies kann aber nicht durch bloßes Eintauchen der Kohlen
geſchehen, da hierbei wegen der ſchon ziemlich bedeutenden Dichte derſelben die
Flüſſigkeit nicht mehr in die Poren eindringen würde. Sie werden daher in einen
Cylinder gegeben (Fig. 515), der von einem Dampfſtrom behufs Erwärmung
umſpült iſt, dann die Luft aus dem Cylinder und den darin befindlichen Kohlen
evacuirt, worauf man durch einen am Boden des Cylinders angebrachten Hahn
die Flüſſigkeit hineintreten läßt. Dann ſchließt man dieſen Hahn, öffnet den oben
angebrachten Hahn, der die Verbindung des Cylinders mit dem Dampfkeſſel herſtellt,
und läßt durch den Dampfdruck die Flüſſigkeit in die Poren der Kohlen hinein-
preſſen. Hierauf wird die Flüſſigkeit abgelaſſen und ein Dampfſtrom durch den
Cylinder geſandt, der die Kohlen von der oberflächlich anhaftenden Flüſſigkeit
befreit und zugleich die leichter flüchtigen Kohlenwaſſerſtoffe mitführt. Den Schluß
des ganzen Verfahrens bildet ein abermaliges Ausglühen der Kohlenſtäbe.


Wenn man zwiſchen zwei auf welche Art immer dargeſtellten Kohlenſtäben
den Lichtbogen brennen läßt, kommen nicht nur die Spitzen der Kohlen in helle
Gluth, ſondern die Kohlen werden bis auf eine Länge von 7 bis 8 Centimeter
rothglühend. Da dieſes Verhalten einen Lichtverluſt bedingt, ſuchte man dieſem
Uebelſtande abzuhelfen. Das Mittel hierzu fand man im Ueberziehen der Kohlen
mit einer dünnen Metallſchichte. Es zeigt ſich hierbei, daß durch das Metalliſiren
der Kraftverbrauch und die Lichtſtärke faſt gar nicht alterirt werden, hingegen der
Abbrand ſich erheblich vermindert. Die in den Werkſtätten von Sautter, Le-
monier \& Cie
. von Reynier ausgeführten Verſuche unter Anwendung Serrin’ſcher
Lampen und Kohlen von Carré zeigten, daß die Zuſpitzung bei den freien Kohlen
beſſer und auf längere Strecken vor ſich geht als bei den metalliſirten Kohlen, und
daß die Brenndauer bei den vernickelten Kohlen eine längere iſt als bei den freien,
bei den verkupferten aber noch länger iſt als bei den vernickelten.


Elektriſche Beleuchtungsanlagen.

Da die Anzahl der Elektricitäts-Generatoren ebenſo wie jene der Lampen
eine bedeutende iſt, gewiſſe Gruppen derſelben untereinander principiell verſchieden
ſind, da im Falle, als eine bewegende Kraft erforderlich iſt, hiefür wieder mancherlei
Maſchinen in Verwendung kommen können, da bei elektriſchen Beleuchtungsanlagen
Producent und Conſument in der Regel (wenigſtens gegenwärtig noch) in einer
Perſon vereinigt ſind, ſo geſtaltet ſich die Ausführung einer elektriſchen Beleuchtungs-
anlage häufig zu einem Unternehmen, welches nur unter der Leitung eines tüchtigen
[702] Fachmannes zu einem günſtigen Reſultate führen kann. Bei der Einführung der
elektriſchen Beleuchtung bilden jene Fälle die Regel, welche bei der Gasbeleuchtung
als Ausnahmen gelten. Beſteht die Aufgabe bei letzterer gewöhnlich nur darin,
das in unmittelbarer Nähe, z. B. in den Straßenleitungen zur Verfügung ſtehende
Gas einfach in den zu beleuchtenden Raum hereinzuleiten und dort für die An-
bringung einer entſprechend vertheilten Menge von Brennern zu ſorgen, ſo muß
hingegen bei elektriſchen Beleuchtungsanlagen nicht nur die Leitung hergeſtellt und
die Aufſtellung der Lampen bewerkſtelligt werden, ſondern man hat auch noch auf
den Elektricitäts-Generator Rückſicht zu nehmen und für deſſen Betrieb die ent-
ſprechenden Vorkehrungen zu treffen. Dies kann etwa mit jenen Fällen der Gas-
beleuchtungsanlagen verglichen werden, wo es ſich um die Beleuchtung einer
einzeln ſtehenden Fabrik handelt, die ihr Leuchtgas ſelbſt und nur für ihren eigenen
Bedarf darſtellen muß. Ueberdies iſt die Gasbeleuchtung längſt erprobt, während
über das elektriſche Licht und ſeine Anwendung im großen Maßſtabe noch ver-
hältnißmäßig wenige Erfahrungen vorliegen. Schon dieſe oberflächlichen Bemerkungen
dürften hinreichen, um zur Vorſicht zu mahnen. Leute, die vor einem Jahre weder
eine Lampe noch eine Maſchine geſehen haben, die ſelbſt einer elementaren Kenntniß
der elektriſchen und magnetiſchen Kräfte entrathen, fühlen ſich jetzt ſchon als Elektro-
techniker und übernehmen die Löſung jeder diesbezüglichen Aufgabe. Faiſeure gründen
Geſellſchaften, ſuchen Unternehmungen in’s Leben zu rufen, gerade ſo wie damals
als die Gasbeleuchtung einer allgemeineren Einführung entgegenging. Die Folgen
dieſer im Intereſſe der guten Sache bedauerlichen Erſcheinung können natürlich
nicht ausbleiben. Ein Beiſpiel hiefür haben wir bereits in England erlebt; die
Pariſer Ausſtellung war kaum vorüber, ſo ſchoſſen die Geſellſchaften zur Aus-
beutung der Elektricität wie Pilze in die Höhe, jede mit einem Actiencapitale von
gewöhnlich mehr als einer Million, natürlich nur in den Proſpecten, durch welche
der erſtaunten Mitwelt kundgethan wurde, daß von jetzt ab die Dampfmaſchinen
als altes Eiſen gelten werden, die Sonnenbrenner etwa am Dorfe noch als Stall-
Laternen Verwendung finden können … Ebbe und Fluth werden die Maſchinen
treiben, die Kraft des Niagara wird als elektriſcher Strom, wenn nöthig, nach
England geleitet werden, um dort die Beleuchtung zu übernehmen. Kleineren Conſu-
menten verſprach man, die Elektricität auf Büchſen abzuzapfen und dann per Kilo
in’s Haus zu ſtellen. Und jetzt? Den größten Theil jener Geſellſchaften, die nie
anders als in Vergeudung von Druckerſchwärze arbeiteten, kennt Niemand mehr;
ſie wurden wie Spreu weggeblaſen.


Im Nachſtehenden wollen wir verſuchen, in ganz allgemeinen Zügen über
die Ausführung elektriſcher Beleuchtungsanlagen einige Andeutungen zu geben.


Die Elektricitäts-Generatoren, welche bei Anlage einer elektriſchen Beleuchtung
in Betracht kommen können, haben wir bereits in vorhergehenden Abſchnitten kennen
gelernt und auch erkannt, daß von allen Generatoren die elektriſche Maſchine der
wichtigſte iſt. Es kommen zwar auch in der Praxis Fälle vor, in welchen man
galvaniſchen Batterien den Vorzug giebt, doch ſind dies nur ganz ſeltene Aus-
nahmsfälle. Die elektriſche Maſchine kann aber nicht wie die galvaniſche Batterie
durch ſich ſelbſt elektriſche Ströme liefern, ſondern wird erſt dann zum eigentlichen
Elektricitäts-Generator, wenn ein Motor ſie in Bewegung ſetzt; die Motoren
zum Betriebe elektriſcher Maſchinen müſſen uns daher zunächſt beſchäftigen. Die
uns gegenwärtig zur Verfügung ſtehenden Motoren ſind: Dampf-, Waſſer-, Gas-
und Windmotoren; die Muskelkraft von Menſchen oder Thieren kann als zu gering-
[703] fügig nicht verwendet werden. Außer den übrigen Anforderungen, welche man an
einen Motor auch bei anderweitiger Verwendung ſtellt, kommt bei Benützung zum
Betriebe einer Lichtmaſchine noch die Forderung hinzu, daß die Bewegung des
Motors äußerſt regelmäßig und von einem empfindlichen Regulator beherrſcht ſein
muß. Von der Erfüllung dieſer Bedingung hängt die Regelmäßigkeit und Gleich-
förmigkeit der Beleuchtung weſentlich ab. Es iſt deshalb nicht immer möglich, die
überſchüſſige Kraft eines bereits vorhandenen Motors zum Betriebe der Licht-
maſchine auszunützen und daher unrichtig, wenn man im Vorhinein glaubt, der
Betrieb einer Beleuchtungsanlage müſſe ſich billig geſtalten, weil die Betriebskraft
nahezu nichts koſtet. Eine Fabriksmaſchine, die ſchwere Arbeitsmaſchinen treibt, bei
welchen es mehr auf Kraft als auf Regelmäßigkeit der Bewegung ankommt, iſt
zum Betriebe einer Lichtmaſchine ganz und gar ungeeignet, nicht nur, daß ihre
Tourenzahl ſtark variirt, ſie daher ſchon an und für ſich die Lichtmaſchine unregel-
mäßig betreiben würde, macht die Fabriksmaſchine überdies noch ſehr wenige Touren
per Minute, müßte alſo durch eine ſehr bedeutende Ueberſetzung der Lichtmaſchine
die nöthige Tourenanzahl ertheilen, und ſo würde ihre Unregelmäßigkeit außer-
ordentlich vergrößert in der Lichtmaſchine zur Geltung kommen.


Diejenigen Motoren, welche gegenwärtig zum Betriebe von Lichtmaſchinen in
erſter Linie in Betracht kommen und wohl noch geraume Zeit den erſten Rang
behaupten dürften, ſind die Dampfmaſchinen; doch ſind auch nicht alle Arten
dieſer Motoren verwendbar. Die einfach wirkende Dampfmaſchine kann nicht benützt
werden, weil ihre Bewegung trotz des Schwungrades eine zu ungleichförmige iſt.
Die doppeltwirkende, aber eincylindrige giebt durch ihre beiden todten Punkte
Anlaß zu Unregelmäßigkeiten. Dieſer Uebelſtand iſt vermieden bei den Zweicylinder-
maſchinen. Aber auch bei Anwendung vorzüglich arbeitender Zweicylindermaſchinen,
die mit den beſten Regulatoren verſehen ſind, iſt die Möglichkeit einer ungleich-
mäßigen oder gar unterbrochenen Rotation der Lichtmaſchine nicht ausgeſchloſſen.
Die Urſache liegt in der Verbindung beider Maſchinen durch Riemen und Riemen-
ſcheiben. Ein zeitweiſes Gleiten des Riemens wird nämlich eine wechſelnde Touren-
zahl, das Abſpringen oder Reißen desſelben den Stillſtand der Lichtmaſchine zur
Folge haben. Derartige Störungen werden vermieden bei Anwendung ſolcher Dampf-
maſchinen, die einer Riemen- oder Seilüberſetzung nicht bedürfen, d. h. bei Maſchinen
mit ſchneller Rotation. Bei Anwendung ſolcher Motoren kann die Axe der Dampf-
maſchine mit jener der elektriſchen Maſchine aus einem Stücke beſtehen oder doch
mit letzterer direct verkuppelt werden, da die Tourenzahl des Motors auch für die
elektriſche Maſchine genügt. Wir können im vorliegenden Werke weder Beſchreibungen
ſolcher Motoren geben, noch ſie alle aufzählen. Directen Kuppelungen zwiſchen
Dampf- und elektriſcher Maſchine ſind wir übrigens bereits wiederholt begegnet
(Seite 391, 431 und 435). Erwähnen wollen wir noch, daß gegenwärtig häufig
Maſchinen mit ſchneller Rotation von Abraham, Brotherhood, Dolgoroucki,
Gwynne, Tangye
u. ſ. w. in Verwendung kommen. Die Verbindung einer
Siemens-Gleichſtrom-Maſchine mit einer Dreicylinder-Maſchine von Brotherhood
iſt in Fig. 516 dargeſtellt, jene einer Gramme’ſchen Maſchine mit einem Motor
von Gwynne Fig. 517.


Von jenen Motoren, welche vortheilhaft zum Antriebe von Lichtmaſchinen
dienen können, ſind nächſt der Dampfmaſchine die Gasmaſchinen zu erwähnen.
Die Anwendung dieſer erweiſt ſich ſogar bei kleineren Inſtallationen als zweck-
entſprechender wie jene der Dampfmaſchine. Letztere arbeitet nicht nur deſto unökono-
[704] miſcher, je kleiner ihre Dimenſionen werden, ſondern erfordert auch eine eigene
Dampfkeſſelanlage und einen geprüften Heizer zu ihrer Bedienung. Die Anlage
von Dampfkeſſeln iſt aber an beſtimmte geſetzliche Anforderungen geknüpft, deren
Erfüllung häufig durch die Localität unmöglich gemacht wird oder doch einen zu
großen Koſtenaufwand erfordern würde. Die Bedienung eines Gasmotors iſt viel
einfacher und erfordert daher keinen geprüften Heizer. Die Gasmotoren nehmen
im Vergleiche mit gleichwerthigen Dampfmaſchinen einen kleineren Raum ein, ſind
daher leichter aufzuſtellen und erfolgt überdies ihre In- und Außerbetriebſetzung
einfacher und ſchneller. Es erfreuen ſich daher gegenwärtig die Gasmotoren und
unter dieſen am häufigſten der Otto’ſche Motor einer ſehr ausgedehnten Anwen-

Figure 520. Fig. 516.

Siemens’ſche Maſchine mit Brotherhood’ſchem Motor.


dung. Es läßt ſich übrigens mit einiger Beſtimmtheit eine ſtetige Zunahme in der
Anwendung von Gasmotoren zum Antriebe elektriſcher Maſchinen vorherſagen,
und zwar umſo ſicherer, als dieſe Motoren noch einer weiteren Ausbildung und
Vervollkommnung fähig ſind und auch die Darſtellung eines Gaſes, welches nur
zu Heizzwecken und nicht zur Beleuchtung beſtimmt iſt, ſich billiger geſtalten kann.


Nicht zu unterſchätzen iſt die Verwerthung der Waſſerkräfte. In Frankreich
wo die Waſſerwirthſchaft gegenüber Deutſchland und Oeſterreich bereits ſehr aus-
gebildet iſt, ſind zahlreiche Thalſperren und Sammelteiche angelegt, welche das Land
nicht nur vor Ueberſchwemmungen ſchützen, ſondern auch der Landwirthſchaft und
Induſtrie bedeutende Betriebskräfte ſichern. Zur Nutzbarmachung der Waſſerkraft
bedient man ſich der Waſſerräder und der Turbinen; letztere ſind eigentlich gleich-
falls Waſſerräder und unterſcheiden ſich von dieſen nur durch die Anordnung. Auf
[705] beiderlei Maſchinen wirkt das Waſſer durch ſeine lebendige Kraft und durch ſein
Gewicht. Die eigentlichen Waſſerräder haben immer horizontale Axen, die Turbinen
in der Regel verticale Axen. Zum Betriebe von Lichtmaſchinen wird man gewöhnlich
den Turbinen den Vorzug geben. Zwar können gut conſtruirte Waſſerräder einen
ebenſo hohen Wirkungsgrad erreichen als Turbinen, beſitzen aber bei langer
Betriebsdauer keinen ſo anhaltend regelmäßigen Gang. Die Waſſerräder erfordern
wegen ihres verhältnißmäßig langſamen Ganges eine ziemlich complicirte Ueber-
ſetzung, um den Lichtmaſchinen die erforderliche Tourenzahl zu ertheilen, ſind des-
halb und durch ihre Conſtruction ſelbſt häufigen Reparaturen ausgeſetzt. Eine gut
ausgeführte Anlage mit Waſſerrädern kommt auch nicht billiger zu ſtehen als eine

Figure 521. Fig. 517.

Gramme’ſche Maſchine mit Motor von Gwynne.


Turbinenanlage. Geringes Gefälle des zur Verfügung ſtehenden Waſſers iſt nur
dann ein Hinderniß für die Aufſtellung von Turbinen, wenn das Gefälle unter
1·25 Meter ſinkt. Die Erfahrung hat gelehrt, daß auch das Eis nur ſelten
Betriebsſtörungen veranlaßt, da das Grundeis in der Regel nur wenige Tage
geht. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß eine ausgedehnte Ausnützung der
Waſſerkräfte, namentlich unter Vermittlung elektriſcher Maſchinen, ganz unſchätzbaren
Gewinn erzielen läßt; allerdings ſetzt dies eine vernünftige und wohlgeregelte
Waſſerwirthſchaft voraus.


Die Windräder ſind zum Betriebe von Lichtmaſchinen nicht verwendbar;
die Urſache hiervon liegt in der Unregelmäßigkeit der Betriebskraft und auch darin,
daß die Dimenſionen im Verhältniſſe zur Arbeitsleiſtung ſehr groß werden. Der
Urbanitzky: Elektricität. 45
[706] Windmotor iſt, wie vielfache Erfahrungen gezeigt haben, nur bis zu einer Kraft-
leiſtung von vier Pferdekräften zu empfehlen. Zur Anlage einer elektriſchen Beleuchtung
könnte er höchſtens indirect Verwendung finden; man kann durch ihn eine Maſchine
treiben, welche Accumulatoren ladet, und letztere müßten dann den für die Beleuch-
tungsanlage nöthigen Strom liefern. Halladay’s Patent-Standard-Windrad
wird gegenwärtig ſehr häufig verwendet, namentlich zum Waſſerpumpen. Ueber
eine Benützung zum Laden von Accumulatoren liegen jedoch noch keinerlei praktiſche
Erfahrungen vor.


In einem vorhergehenden Abſchnitte haben wir eine ſtattliche Anzahl von
elektriſchen Maſchinen kennen gelernt, auch deren Wirkſamkeit betrachtet und
verglichen (S. 443, Conſtructions- und Betriebsverhältniſſe). Dem haben wir an
dieſer Stelle nur mehr Weniges beizufügen.


Bei den Lichtmaſchinen hat man in erſter Linie ſeine Aufmerkſamkeit auf
die Solidität und Dauerhaftigkeit derſelben in Bezug auf ihre mechaniſche Conſtruction
zu richten. Das Conſtructions-Princip iſt bei den Maſchinen verſchiedener Con-
ſtructeure kein gar zu verſchiedenes; die Differenzen hierin ſind nur zu häufig
Umgehungen beſtehender Patente, nicht immer Verbeſſerungen, zu öfterenmalen
aber ganz ohne Belang. Wichtig ſind aber der Bau und die Anordnung jener
Theile der Lichtmaſchine, welche der Abnützung durch den Gebrauch am meiſten
unterliegen. Zu dieſen gehören die Axenlager, der Stromabgeber — und auch der
rotirende Theil (entweder Anker oder Elektromagnete). Die Axenlager ſollen breit,
ſolid befeſtigt, leicht zugänglich und mit ausreichenden Schmiervorrichtungen verſehen
ſein. Der Stromabgeber iſt jener Theil, welcher der Abnützung am meiſten unter-
liegt. Die Abnützung befördernde Umſtände ſind ſtarke Funkenbildung und auch
Verunreinigungen durch das Schmieröl für die Axenlager. Erſtere iſt unter ſonſt
gleichen Umſtänden größer bei Erzeugung von Strömen hoher Spannung, als bei
ſolchen von geringer Spannung. Zur Abnützung des Stromabgebers durch Ver-
brennung in Folge der Funkenbildung kommt noch jene durch chemiſche und mechaniſche
Einwirkung, wenn das Schmieröl auf die Kupferſectoren fließt. Durch die elektriſchen
Funken bilden ſich Zerſetzungsproducte des Oeles, die den Stromabgeber raſcher
zerſtören helfen, und das Oel ſelbſt kann, mit Staub, Metalltheilchen ꝛc. vermengt,
die Iſolirungen zwiſchen den einzelnen Sectoren verderben. Es iſt deshalb darauf
zu achten, daß durch Conſtruction oder Anordnung der Zutritt des Schmieröles
zum Stromabgeber unmöglich gemacht wird. Da aber auch bei Beachtung dieſer
Punkte der Stromabgeber immer jener Theil bleibt, der ſich am raſcheſten abnützt,
ſo verdienen jene Maſchinen den Vorzug, welche ein raſches und einfach auszuführendes
Auswechſeln desſelben geſtatten.


Aehnlich verhält es ſich mit den rotirenden Spulen; dieſe können dadurch
unbrauchbar werden, daß der elektriſche Strom die Iſolirung durchſchlägt. Es wird
daher als Vorzug einer Maſchine gelten, wenn ſie in leichter Weiſe die Auswechslung
der ſchadhaften Spule geſtattet. Es iſt dies beiſpielsweiſe bei der Flachringmaſchine
von Schuckert der Fall; dieſelbe iſt auch in Bezug auf das über den Strom-
abgeber und die Lager Geſagte muſtergiltig. Hat man dieſen Umſtänden nicht
Rechnung getragen, ſo erfordert die Sicherheit des Betriebes einer Beleuchtungs-
anlage die Beigabe von Reſerve-Ankern zu der Maſchine, während es in dem
angeführten Beiſpiele genügt, einzelne Reſervetheile zu Verfügung zu haben. Schuckert’s
Lagerung des Ankers in dem auf einer Seite offenen Grundgeſtelle hat überdies
noch den Vortheil, daß die Lüftung weniger Schrauben hinreicht, um den Anker
[707] herausnehmen und ſo den ſchadhaft gewordenen Theil raſch und bequem durch einen
Reſervetheil erſetzen zu können.


Ein wichtiges Moment bei der Beurtheilung von Lichtmaſchinen iſt auch ihr
innerer Widerſtand, da von dieſem die Spannung der Ströme abhängt. (Siehe
S. 449.) Dieſe bedingt aber die Anzahl von Lampen, welche in den Stromkreis
einer Maſchine hintereinander geſchaltet werden können. Hohe Spannung läßt die
Einſchaltung vieler Lampen zu und gewährt hierdurch eine Erſparung an Leitungs-
material, veranlaßt hingegen leicht unruhiges Brennen der Lampen und ertheilt dem
Lichte eine bläuliche Färbung. Da bei Erregung hochgeſpannter Ströme auch der
innere Widerſtand der Maſchine ein verhältnißmäßig hoher ſein muß, ſo wird auch
ein größerer Theil des Stromes zur Ueberwindung dieſes Widerſtandes verbraucht,
geht alſo für die Lichterzeugung verloren. Hochgeſpannte Ströme bedürfen ſorg-
fältiger iſolirter Drähte in der Maſchine ſowohl, als auch außerhalb und können
daher leichter ein Durchſchlagen der Iſolirung herbeiführen, als Ströme geringer
Spannung. Auf die Vor- und Nachtheile der Ströme von hoher und von geringer
Spannung ebenſo wie auf jene der gleichgerichteten und der Wechſelſtröme werden
wir übrigens ſpäter noch einmal zurückkommen.


Die Zahl der für eine Anlage erforderlichen Lichtmaſchinen hängt, wie die
der Motoren, nicht blos von der Größe der Anlage, ſondern auch von der Sicher-
heit ab, welche man von der Function derſelben verlangt. Iſt eine Unterbrechung
der Beleuchtung abſolut unzuläſſig oder vielleicht gar mit Gefahren verbunden,
ſo reicht die Bereithaltung von Reſerve-Ankern oder Theilen allein nicht aus. Es
muß vielmehr für eine entſprechende Anzahl von Maſchinen geſorgt werden.


Die allgemeine Frage, ob es bei Bedarf mächtiger Ströme für ausgedehnte
Beleuchtungsanlagen zweckmäßiger ſei, den Lichtmaſchinen dem entſprechend koloſſale
Dimenſionen zu geben, oder die Größe derſelben nur bis zu einem beſtimmten
Grade feſtzuſetzen und dann eine nach dem Strombedarf bemeſſene Anzahl ſolcher
Maſchinen zur Stromlieferung in eine gemeinſchaftliche Leitung zu verbinden, muß
heute noch als unbeantwortet bezeichnet werden. Während John Perry der erſteren
Anſicht iſt, alſo die Lichtmaſchinen in rieſigen Dimenſionen ausgeführt ſehen will,
neigen ſich einige deutſche Gelehrte mehr der Meinung zu, es ſei mit der Ver-
größerung der Lichtmaſchinen nicht gar zu weit zu gehen, dafür ſollen aber dieſe
Maſchinen in ganzen Batterien zur Anwendung gelangen. Und in der That iſt
auch die Verbindung mehrerer Maſchinen mäßiger Dimenſion in einem Stromkreiſe
in der Praxis ſchon wiederholt zur Anwendung gelangt. (Siehe auch Seite 457.)


Die Stromregulirung, Leitung, Meſſung und Regiſtrirung haben wir bereits
in vorhergehenden Abſchnitten kennen gelernt. (Seite 557 und 580.)


Sehr verſchiedener Natur ſind die Anforderungen, welche man an die
Lampen
ſtellt; dieſe Anforderungen ändern ſich ſogar mit der Localität, die zu
beleuchten iſt. In einer Gießerei oder einem anderen mit Rauch, Ruß und Staub
erfüllten Fabrikslocale verlangt man nur eine hinreichende Erhellung des Raumes,
in einer Präciſionswerkſtätte hingegen nicht nur helles, ſondern auch gleichförmiges
und conſtantes Licht; in einer Buntweberei oder Druckerei ein weißes Licht, in
einer photographiſchen Anſtalt wird ein an ultravioletten Strahlen reiches Licht
vortheilhaft ſein, in Gemäldegallerien darf das Licht gar keine violetten Nuancen
zeigen, hier wird im Gegentheile der warme Ton eines röthlichen Lichtes die
günſtigſte Wirkung erzielen u. ſ. w. In Fabriken, wo nur grobe Arbeiten aus-
geführt werden, wird man daher Lampen wählen, die ſicher functioniren, die derbe,
45*
[708] ſolide, auch die Bedienung durch eine rauhe ungeſchulte Hand vertragende Con-
ſtructionen beſitzen, die keine durch Rauch, Staub oder Dämpfe leicht zerſtörbaren
Theile aufweiſen, während man ſich über ein etwa nicht ganz ruhiges Brennen
oder Farbenwechſel hinwegſetzen kann. In Präciſionswerkſtätten, Ateliers u. ſ. w.
muß die Lampe aber auch den früher angegebenen Bedingungen Genüge leiſten;
da hier geübtere Arbeiter zur Verfügung ſtehen und die Lampe keinen ſchädlichen
Einflüſſen ausgeſetzt iſt, können auch feinere Conſtructionen im Lampenmechanismus
Verwendung finden. Es kann aber auch nicht allgemein angegeben werden, ob
Einzellicht oder Theilungslicht, ob Glühlichter oder Bogenlicht zur Verwendung
kommen ſoll, ob man ſich für die Anwendung von Wechſelſtrömen oder von
Strömen gleicher Richtung zu entſcheiden habe. Die Vor- und Nachtheile dieſer
verſchiedenen Beleuchtungsarten werden uns ſpäter noch beſchäftigen.


Bedeutenden Einfluß auf das Gelingen einer Beleuchtungsanlage üben auch
die Zahl, Vertheilung und Aufhängehöhe der Lampen. Die Zahl der
Lampen wird nicht nur durch die Größe der Anlage, ſondern auch durch die Natur
des zu beleuchtenden Objectes beſtimmt. Einen großen Ladeplatz wird man nicht
mit Hunderten von Glühlichtern, eine Bühne nicht mit einer, wenn auch noch ſo
ſtarken Bogenlampe beleuchten wollen. Allerdings ſind Herſtellung und Betrieb
eines oder einiger großer Bogenlichter billiger, als Herſtellung und Betrieb vieler
kleiner Lichter; man muß aber auch bedenken, daß die Helligkeit mit dem Quadrate
der Entfernung von der Lichtquelle abnimmt, daß alſo bei der Anwendung eines
großen Lichtes in deſſen Nähe große, vielleicht unnöthige Helligkeit herrſcht, in
geringer Entfernung aber die Helligkeit ſchon bedeutend abgenommen hat; auch
müſſen die Lampen deſto höher angebracht werden, je intenſiver ihr Licht iſt, wes-
halb in einem beſtimmten Locale die Lichtſtärke einer Lampe auch von der Höhe
des Locales abhängt. Eine gleichförmige Beleuchtung des ganzen gegebenen Raumes
läßt ſich mit einem oder wenigen Lichtern ſchwerer erreichen als mit zahlreichen
Lampen. Auch die Aufhängehöhe und die Vertheilung der Lampen werden weſent-
lich von der Natur des zu beleuchtenden Objectes beſtimmt. Da die elektriſchen
Lampen (namentlich das Bogenlicht) eine bedeutend größere Lichtſtärke beſitzen als
unſere bisherigen Beleuchtungsmittel, ſo müſſen ſie auch bei rationeller Verwendung
höher angebracht werden. In der Praxis wird man nicht jene Höhe für die Lampe
wählen, bei welcher die zu beleuchtende Fläche die größte Summe von Lichtſtrahlen
empfängt, ſondern jene Höhe, bei welcher der Rand einer Kreisfläche, über deren
Mittelpunkt die Lampe brennt, die größte Helligkeit erhält. Rechnung und Verſuche
haben ergeben, daß jene Höhe die günſtigſte iſt, welche beiläufig 0·7 oder 0·66
des Radius der beleuchteten Kreisfläche bildet. Iſt die zu beleuchtende Localität derart,
daß man hiervon gar zu weit abgehen müßte, ſo thut man beſſer daran, das Licht
der Lampe auf die weiße Decke zu werfen und von dieſer durch Reflexion die
Beleuchtung zu bewirken. Bei der Anwendung mehrerer oder vieler Lampen iſt
natürlich auch die zweckmäßige Vertheilung derſelben für den günſtigen Erfolg von
hervorragender Bedeutung. Hängt man eine Lampe in einer Höhe gleich 0·7 des
Radius des zu beleuchtenden Kreiſes auf und beſitzt dieſe Lampe eine mittlere
Lichtſtärke von 450 Normalkerzen, ſo genügt eine Lampe zur Beleuchtung von
2000 Quadratmeter eines Hofes, von 1400 Quadratmeter einer Bahnhofhalle,
von 500 bis 600 Quadratmeter einer Gießerei, von 200 Quadratmeter einer
Maſchinenfabrik, Weberei und dergleichen, von 150 bis 200 Quadratmeter einer
lithographiſchen Anſtalt u. ſ. w.


[709]

Sehr wichtig für das ruhige und gleichmäßige Leuchten einer Lampe iſt die
Beſchaffenheit der Kohlenſtäbe. Die Eigenſchaften, welche man von einer guten
Kohle fordert, ſind der Hauptſache nach folgende: Feſtigkeit, eine gewiſſe Elaſticität,
vollkommen homogene Maſſe und regelmäßige Form. Ihre Feſtigkeit ſoll das Zer-
brechen beim Zuſammenſtoßen während der Regulirung und überhaupt bei der
Manipulirung mit derſelben verhindern. Aus demſelben Grunde wird auch die
Elaſticität der Kohle innerhalb gewiſſer Grenzen verlangt. Von der Homogenität
hängt aber die Beſchaffenheit des Lichtes weſentlich ab. Eine Kohle, die viele
unorganiſche Beimiſchungen enthält, brennt unruhig und ungleichmäßig, da ſich aus
dieſen geſchmolzene Kügelchen und Aſche bilden, oder auch Gaſe entwickeln, welche
zeitweiſe kleine Exploſionen bewirken, dadurch die Kohle theilweiſe zerſtören, kleine
Partikelchen herumſchleudern und ein kniſterndes, mit Geräuſch brennendes Licht
liefern. Daß auch ein veränderlicher Querſchnitt des Kohlenſtabes auf die durch
ſein Verbrennen entwickelte Lichtintenſität einwirken muß, iſt ſelbſtverſtändlich. Iſt
die Axe der einander gegenübergeſtellten Kohlen keine Gerade, ſo iſt ein genaues
Einſtellen der Kohlenſpitzen gegen einander unmöglich, und die Kohlen müſſen
ſchief abbrennen. Dies wird dann beſonders ſtörend, wenn man gleichgerichtete
Ströme anwendet, weil in dieſem Falle die Kraterbildung an der poſitiven Kohle
ſeitlich vor ſich geht und daher die Hauptmaſſe der Lichtſtrahlen auch ſeitlich
geworfen wird.


Nicht ohne Belang ſind ferner die Glasbedeckungen der Lampen und die
Beleuchtungskörper, wie z. B. Luſter, Candelaber, Ampeln u. ſ. w. Die Glas-
bedeckungen ſchützen den Lichtbogen gegen Zugluft oder im Freien gegen Wind und
Wetter. Sie werden aber außerdem nicht nur deshalb verwendet, weil das freie
Bogenlicht zu ſehr blenden würde, ſondern weil das Bogenlicht ohne Anwendung
zerſtreuender Gläſer von jedem unteren Lampentheile, ja ſelbſt von den Unregel-
mäßigkeiten in durchſichtigen Gläſern ſcharf begrenzte und ſehr ſtörende Schatten
bildet. Durch die Anwendung durchſcheinender Gläſer werden dieſe gewiſſermaßen
ſelbſt zur Lichtquelle, deren Oberfläche im Verhältniſſe zu jener des Voltabogens
außerordentlich groß iſt und daher keine derartigen Schatten veranlaſſen kann.
Natürlich geht aber hierdurch ein gewiſſer Procentſatz der geſammten Lichtintenſität
verloren. Dieſer Verluſt hängt von der Glasſorte ab und beträgt nach Angaben
Hefner’s von Alteneck etwa 15 Procent für Alabaſterglas, über 20 Procent
für Opalglas und 30 Procent für Milchglas. Der Verluſt bei letzterem kann
ſogar 60 Procent und darüber betragen; ſolche Sorten ſind natürlich vom Gebrauche
auszuſchließen. Die Form der Beleuchtungskörper wird durch die Conſtruction der
Lampe und durch den Ort, an welchem ſie leuchten ſoll, bedingt. Eine größere
Anzahl ſolcher Beleuchtungskörper iſt bereits bei den Beſchreibungen der einzelnen
Lampen abgebildet und einen Luſter für Glühlicht von E. Palme aus Steinſchönau
in Böhmen ſtellt Fig. 518 dar.


Zur Hintanhaltung einer Feuersgefahr durch elektriſche Lampen wurden
von den Feuerverſicherungsgeſellſchaften beſtimmte Vorſchriften gegeben. Jene der
deutſchen Verſicherungsgeſellſchaften lauten: Bogenlampen dürfen in Räumen, in
welchen entzündliche oder exploſive gasförmige oder feſte Körper vorhanden ſind,
beziehungsweiſe durch den Betrieb der Luft beigemiſcht werden können, nicht ange-
bracht werden. Für alle ſonſtigen Räume iſt die Anwendung von Bogenlichtern
geſtattet, doch ſind dieſelben in Räumen, in denen unter den Lampen leicht feuer-
fangende Gegenſtände lagern oder verarbeitet werden, mit Glocken oder Laternen
[[710]]

Figure 522. Fig. 518.

E. Palme’s Luſter für Glühlichtlampen.


[711] zu umgeben, die nach unten durch einen Aſchenteller vollkommen abgeſchloſſen ſind.
Wo hiernach offene Bogenlampen geſtattet ſind, iſt doch darauf zu beſtehen, daß
unterhalb der Lampen ein Aſchenteller von mindeſtens 20 Centimeter Durchmeſſer
angebracht wird. Glühlichtlampen ſind in allen Räumen geſtattet, doch müſſen ſie
überall da, wo entzündliche oder exploſive gasförmige oder feſte Körper vorhanden
ſind, beziehungsweiſe durch den Betrieb der Luft beigemiſcht werden können, mit
beſonderer Glasglocke umgeben werden, innerhalb deren auch die Contacte zwiſchen
Leitung und Glühlichtfaſſung anzubringen ſind.


Um bei irgend einer Beleuchtungsanlage die Lampen richtig vertheilen zu
können, muß deren Lichtſtärke bekannt ſein. Leider hat man ſich bisher noch über
keine allgemein giltige Maßeinheit zum Weſſen der Lichtſtärke geeinigt. In
Frankreich zählt man nach Carcelbrennern und verſteht darunter eine Flamme
von 40 Millimeter Höhe, die mit Hilfe eines Dochtes von 30 Millimeter Durchmeſſer
durch Verbrennen von 42 Gramm gereinigten Rüböles per Stunde erhalten wird.
In England gilt eine Spermaceti-Kerze, welche bei einer Flamme von 45 Milli-
meter Höhe 7·77 Gramm pro Stunde verbrennt, als Lichteinheit. In Deutſchland
rechnet man nach Paraffinkerzen (deutſche Vereinskerze) von 20 Millimeter
Durchmeſſer, die eine Flamme von 50 Millimeter Höhe erzeugen. Der Docht iſt
aus 24 Baumwollfäden geflochten und hat im trockenen Zuſtande pro Meter ein
Gewicht von 0·668 Gramm. Die Münchener Stearinkerze endlich verzehrt
bei einer Flammenhöhe von 52 Millimeter 10·2 bis 10·6 Gramm Stearin, welch
letzteres 76 bis 76·6 Percent Kohlenſtoff enthalten ſoll. Nachſtehende Tabelle zeigt
die numeriſchen Beziehungen zwiſchen dieſen Einheiten:

An Genauigkeit laſſen obige Zahlen und überhaupt die angegebenen Lichteinheiten ſehr
viel zu wünſchen übrig; es ergiebt ſich dies ſchon aus der Definition derſelben. Nicht nur
das Brennmaterial übt vermöge ſeiner nicht ſehr einfachen chemiſchen Zuſammenſetzung erheb-
lichen Einfluß auf die Lichtſtärke der Flamme aus, weil eben dieſe Zuſammenſetzung voll-
kommene Gleichheit des Materiales nicht erreichen läßt, ſondern auch andere Umſtände wirken
ſtörend ein; hierher gehören der mehr oder minder regelmäßige Zutritt des Sauerſtoffes zur
Flamme, das Verhalten des Dochtes, ob dieſer geputzt werden ſoll oder nicht u. ſ. w. Dieſe
Uebelſtände gaben zu mannigfachen Vorſchlägen neuer Lichteinheiten Veranlaſſung. Violle
ſchlug als Lichteinheit jene Lichtmenge vor, welche ein Quadratcentimeter bei Schmelzhitze
erhaltenen Platins ausſtrahlt, Draper und ſpäter in anderer Form Schwendler nahmen
als Einheit Platinbleche beſtimmter Dimenſionen und unter beſtimmten Bedingungen zum
Glühen gebracht, Preece will hierzu eine gleichförmig beleuchtete Fläche verwendet wiſſen
u. ſ. w. F. v. Hefner-Alteneck iſt nach langwierigen und eingehenden Studien und Experi-
menten zur Aufſtellung einer Lichteinheit gelangt, welche ebenſo leicht als auch mit vollkommen
ausreichender Genauigkeit überall herſtellbar ſein ſoll, die er folgendermaßen definirt: „Die
Lichteinheit iſt die Leuchtkraft einer frei brennenden Flamme, welche aus dem Querſchnitte
eines maſſiven mit Amylacetat geſättigten Dochtes aufſteigt, der ein kreisrundes Dochtröhrchen
aus Neuſilber von 8 Millimeter innerem, 8·2 Millimeter äußerem Durchmeſſer und 25 Milli-
[712] meter freiſtehender Länge vollkommen ausfüllt, bei einer Flammenhöhe von 40 Millimeter von
dem Rande des Dochtröhrchens bis zur Flammenſpitze und wenigſtens 10 Minuten nach dem
Anzünden gemeſſen.“


Um die Lichtintenſität irgend einer elektriſchen Lampe zu beſtimmen, ſie alſo
mit einer der Normalflammen zu vergleichen, kann man folgenden Weg einſchlagen:
Man beleuchtet eine weiße Fläche mit der Normalflamme, eine zweite eben ſolche
Fläche durch die zu meſſende Lichtquelle; beide Flächen ſind ſo angeordnet, daß
man ſie unmittelbar nebeneinander ſieht, und daß jede Fläche nur von der ihr
zugehörigen Lichtquelle beleuchtet wird. Hierauf ändert man die Entfernung der
Lichtquelle von der weißen Fläche ſo lange, bis beide Flächen gleich hell erſcheinen.
Die Helligkeit einer Fläche nimmt unter ſonſt gleichen Umſtänden mit dem Quadrate
der Entfernung der Lichtquelle von der Fläche ab; man kann alſo aus der Entfernung
der Lichtquelle beſtimmen, ob und um wie viel ſtärker oder ſchwächer die Intenſität
der fraglichen Lichtquelle im Vergleiche zu jener der Normalflamme iſt. Ein auf dieſem
Principe beruhendes Photometer wurde von Foucault angegeben; der weſentlichſte
Theil desſelben iſt eine Milchglasplatte, deren eine Hälfte durch die Normalflamme,
deren andere Hälfte durch die zu prüfende Lichtquelle beleuchtet wird. Die Trennung
beider Hälften kann dadurch bewirkt werden, daß man ſenkrecht auf die Milchglas-

Figure 523. Fig. 519.

Bunſen’ſcher Schirm.


platte in deren Mitte eine undurchſichtige Scheidewand
aufſetzt. Die zu vergleichenden Flächen ſind hierbei
allerdings nahe nebeneinander, doch wirkt der ſie
trennende Schattenſtreif, herrührend von der Scheide-
wand, immerhin ſtörend. Man zieht daher gegenwärtig
das Bunſen’ſche Photometer vor.


Das Bunſen’ſche Photometer wird in ſeiner
einfachſten Form auch von Ediſon zur Meſſung der
Lichtſtärke ſeiner Glühlichtlampen verwendet. Auf einem
Schirme A B (Fig. 519) aus weißem Papier befindet
ſich ein Stearinfleck m, welcher den Papierſchirm an
dieſer Stelle durchſcheinend macht. Stellt man nun auf jede Seite des Schirmes
eine Lichtquelle und betrachtet eine, z. B. die rechte Seite des erſteren, ſo erſcheint
dieſe im Allgemeinen ungleichförmig beleuchtet. Die ſtearinfreie Fläche reflectirt die
Strahlen der rechts geſtellten Lichtquelle in das Auge und erſcheint in der der
Menge dieſer reflectirten Strahlen entſprechenden Helligkeit; der Stearinfleck läßt
hingegen die Lichtſtrahlen der rechtsſeitigen Lichtquelle zum größten Theile durch
und erſcheint in einer Helligkeit, die der Menge jener Lichtſtrahlen entſpricht, welche
die linksſeitige Lichtquelle durch den Stearinfleck direct in das Auge ſendet. Sonach
wird der Stearinfleck heller erſcheinen als die ihn umgebende ungetränkte Papier-
fläche, wenn die hinter dem Schirme (links) befindliche Lichtquelle ſtärker iſt als
die vordere, dunkler, wenn das Umgekehrte der Fall iſt, und beide erſcheinen gleich
hell, wenn beide Lichtquellen gleich ſtark ſind; man erkennt dies daran, daß dann
der Stearinfleck unſichtbar wird. Der Lichtverluſt, den die durchgehenden Strahlen
durch Abſorption erleiden, iſt zwar nicht vollkommen gleich dem Lichtverluſte,
welchen die reflectirten Strahlen bei der Reflexion erleiden, doch braucht hierauf
für praktiſche Zwecke keine Rückſicht genommen zu werden. Sind die Lichtquellen
von ungleicher Intenſität, ſo kann das Verſchwinden des Stearinfleckens durch Ver-
ſchieben des Schirmes zwiſchen beiden Lichtern bewirkt werden, da ſich hierdurch
die Entfernungen ändern und, wie bereits erwähnt, die Intenſität einer beleuchteten
[713] Fläche im Quadrate mit der Entfernung abnimmt. Um gleichzeitig beide Flächen
des Papierblattes beobachten zu können, ſtellt man dieſes zwiſchen den beiden
Spiegeln M N und M' N' ſo auf, daß es den von letzteren eingeſchloſſenen Winkel
halbirt. Ediſon gab dem geſammten Meßapparate die in Fig. 520 dargeſtellte
Form. Der Schirm mit ſeinen beiden Spiegeln kann durch Rollen auf dem Meß-
lineale verſchoben werden und zeigt ſeine Stellung durch Einſpielen eines Zeigers
auf der Theilung an. Auf letzterer ſind der Bequemlichkeit halber nicht die Ent-
fernungen, ſondern gleich die entſprechenden Lichtſtärken angegeben. Die zu meſſende
Lampe und die Vergleichsflamme ſtehen an den entgegengeſetzten Enden des Meß-
lineales und die ganze Vorrichtung iſt durch einen geſchwärzten Kaſten gegen das
Eindringen fremden Lichtes geſchützt.


In dieſer oder auf ähnliche Weiſe die Leuchtkraft von Glühlichtlampen zu
meſſen, verurſacht keine Schwierigkeit. Anders verhält es ſich aber bei der Meſſung
von Bogenlichtern. Die Hauptpunkte, die hier berückſichtigt werden müſſen, ſind:
Die bedeutende Helligkeit der zu meſſenden Lichtquelle gegenüber der Lichteinheit,
das ungleichmäßige Ausſtrahlen des Lichtes einer mit gleichgerichteten Strömen
geſpeiſten Bogenlampe und die verſchiedene Farbe der zu vergleichenden Lichter.


Figure 524. Fig. 520.

Bunſen’ſches Photometer.


Die der Lichteinheit weit überlegene Intenſität eines Bogenlichtes würde behufs Meſſung
nach oben angegebenen Methoden die Verfügung über ſehr große Räume vorausſetzen, um
das Bogenlicht weit genug entfernen zu können, und dadurch auch ungenaue Meſſungen
bewirken. Dies zu verhüten ſchlug man verſchiedene Mittel vor; eines derſelben beſteht darin,
daß man die Normalflamme zunächſt mit einer anderen intenſiveren Lichtquelle, z. B. mit einer
Oellampe mit 3 bis 6 concentriſch angeordneten Dochten (wie ſolche auf Leuchtthürmen ver-
wendet werden) oder mit einem Intenſiv-Gasbrenner (z. B. Siemens’ Regenerativ-Gasbrenner)
vergleicht, d. h. die Lichtſtärke dieſes Zwiſchenlichtes von etwa 50 bis 200 Kerzen Lichtſtärke
beſtimmt und dieſes dann erſt mit der zu meſſenden Bogenlampe vergleicht. Es möge an
dieſer Stelle auch erwähnt werden, daß man ſelbſt zum Meſſen kleiner Lichter ſelten die
Normalkerze ſelbſt verwendet, ſondern mit Hilfe dieſer ſich zunächſt eine Vergleichsflamme
herſtellt und dieſe dann zur eigentlichen Meſſung benützt. Der Grund hiervon liegt darin,
daß man beim Meſſen nicht ſeine ganze Aufmerkſamkeit darauf richten kann, daß die Normal-
kerze genau die vorgeſchriebene Flamme erreicht, und wenn ſie dieſelbe zeigt, dieſe auch conſtant
erhält. Als Vergleichsflamme benützt man, wo dies möglich iſt, eine entſprechende Leuchtgas-
flamme, ſonſt, wie Hefner v. Alteneck und auch Dr. Krüß gezeigt haben, vortheilhaft
eine Petroleumlampe.


Ayrton und Perry umgehen die Anwendung großer Meßräume dadurch, daß ſie
das Bogenlicht zwar direct mit der Normalflamme vergleichen, erſteres aber ſchwächen, indem
ſie die Lichtſtrahlen desſelben durch eine Zerſtreuungslinſe (Concavlinſe) gehen laſſen. Hier-
durch wird eine Zerſtreuung der Lichtſtrahlen auf eine größere Fläche, alſo eine Lichtſchwächung
herbeigeführt; die Größe der Zerſtreuung läßt ſich leicht berechnen.


L. Pfaundler ſchlägt ein ſehr einfaches Mittel zur beliebigen Schwächung der Licht-
ſtärke auf mechaniſchem Wege vor. Dieſes beſteht darin, daß man zwiſchen der zu prüfenden
[714] intenſiven Lichtquelle und dem Bunſen’ſchen Fettfleck-Schirme eine Kreisſcheibe (Fig. 521 A)
in Rotation ſetzt, welche mit ſectorförmigen Ausſchnitten verſehen iſt. Die Lichtſchwächung
muß hierbei offenbar deſto ſtärker ſein, je kleiner die Geſammtfläche der ſectorförmigen Aus-
ſchnitte wird; ſie iſt beſtimmt durch das Verhältniß: Summe der Centriwinkel der Ausſchnitte
zu 360 Graden. Um jedoch nicht für verſchieden intenſive Lichtquellen ebenſo viele Scheiben
mit verſchieden großen Ausſchnitten verwenden zu müſſen, benützt H. Hammerl, welcher
Pfaundler’s Vorſchlag experimentell prüfte, eine Doppelſcheibe (Fig. 521 B), dieſelbe iſt aus
zwei gleich großen und mit gleich großen Sectorausſchnitten verſehenen Kreisſcheiben gebildet,
welche um eine durch ihre Mittelpunkte gehende Axe gegeneinander beliebig verdreht werden
können. Es iſt einleuchtend, daß mit Hilfe dieſer Doppelſcheibe die Sectorausſchnitte beliebig
vergrößert oder verkleinert werden können. Die Größe der Verſchiebung beider Scheiben
gegeneinander, oder richtiger die Summe der Centriwinkel der durch die beiden Scheiben
gebildeten Sectorausſchnitte kann an einer auf der einen Scheibe angebrachten Theilung ab-
geleſen werden, welche durch einen ſchlitzförmigen Ausſchnitt der andern Scheibe ſichtbar wird
(bei a). Gegenüber der Benützung eines Zwiſchenlichtes hat dieſes Verfahren den Vortheil,
daß es an Stelle von zwei Meſſungen nur eine ſetzt und daher die Beobachtungsfehler
bedeutend verkleinert. Hingegen muß hierbei das rothe Licht der Normalflamme mit dem weißen
Lichte der Bogenlampe direct verglichen werden, während durch das Zwiſchenlicht eine mittlere
Farbennuance eingeſchaltet wird.


Figure 525. Fig. 521.

Zur Photometrie des Bogenlichtes.


Ein zweiter Umſtand, der die Meſſung der Lichtſtärke von Bogenlampen ſehr erſchwert,
iſt die im Raume ungleichmäßige Ausſendung der Lichtſtrahlen. Bei der Meſſung der Glüh-
lichtlampen ſtellten wir dieſe und die Normalflamme in einer horizontalen Linie einander gegen-
über, d. h. wir maßen die Lichtſtärke in horizontaler Richtung; ebenſo werden auch die Flammen
von Kerzen, die Oel- und Gaslichter u. dgl. gemeſſen. Dieſe Art der Meſſung iſt für dieſe
Lichtquellen richtig, weil letztere einerſeits in horizontalen Richtungen ihre intenſivſten Strahlen
ausſenden, andererſeits die Intenſität der Lichtſtrahlen, gemeſſen unter verſchiedenen Winkeln,
ſich ſehr langſam ändert. Jedoch muß ſchon bei vielen Glühlichtlampen darauf Rückſicht
genommen werden, ob man deren Leuchtkraft in der Ebene des Kohlenbügels oder in einer
darauf ſenkrechten Ebene mißt. Bei Bogenlampen, die mit Wechſelſtrömen betrieben werden,
brennen beide Kohlen gleichmäßig ſpitz ab; das Licht, welches ſie ausſenden, iſt daher ein
nach allen Richtungen hin nahezu gleich intenſives. Die Verhältniſſe werden jedoch ganz
andere, wenn gleichgerichtete Ströme zur Speiſung der Lampen in Verwendung kommen. Die
poſitive Kohle brennt ſtumpf ab oder erhält ſogar eine kleine Aushöhlung, während ſich die
negative Kohle zuſpitzt. Die Folge hiervon iſt, daß der überwiegende Antheil des Geſammt-
lichtes von der poſitiven Kohle ausgeht und dieſe intenſiven Lichtſtrahlen nicht mehr horizontal
verlaufen, ſondern mit der Horizontalebene einen beſtimmten Winkel (von 50 bis 60 Graden
nach Fontaine, circa 37 Graden nach Hefner v. Alteneck) einſchließen. Hierbei iſt die
Helligkeitsdifferenz zwiſchen den Strahlen verſchiedener Neigung eine ſehr bedeutende. Die
eine Gleichſtromlampe umhüllende Glaskugel gewährt beiläufig den in Fig. 522 dargeſtellten
Anblick, wenn ſich die poſitive Kohle oben befindet. Der obere Theil der Kugel erſcheint
[715] verhältnißmäßig dunkel, der untere ſehr hell mit Ausnahme jener kleinen Fläche, auf welcher
der Schatten der unteren Kohle zur Geltung kommt. Die Ringfläche intenſivſter Helligkeit
iſt nun aber beinahe nie horizontal gerichtet, ſondern ſteht gewöhnlich ſchief, was davon herrührt,
daß nicht vollkommen gerade Kohlenſtäbe verwendet oder dieſe nicht genau übereinander
eingeſtellt werden. Alſo abgeſehen davon, daß bei einer derartigen Lampe ſehr bedeutend
differirende Meſſungsreſultate erhalten werden können, je nach dem Winkel, unter welchem
gemeſſen wird, kann auch die Seite, von welcher gemeſſen wird, erheblich voneinander ab-
weichende Reſultate geben. Würde man z. B. in der Horizontalen meſſen, ſo lehrt ein Blick
auf die Figur, daß bei a und b ganz verſchiedene Intenſitäten zur Meſſung kämen.


Es wurden auch in Bezug hierauf verſchiedene Vorſchläge gemacht, um eine gleich-
mäßige Ausführung der Meſſungen herbeizuführen und dadurch vergleichbare Angaben über
Lichtſtärke zu erhalten, aber leider wurde auch hierin keine Einigung erzielt. Die Angabe der
Leuchtkraft einer Lampe in Normalflammen iſt daher eine höchſt unſichere. Fontaine fand durch
zahlreiche Verſuche, daß die in der horizontalen Richtung gemeſſene Lichtſtärke ziemlich genau
die Hälfte der mittleren Lichtſtärke aus allen Richtungen um die Lampe herum beträgt. Er

Figure 526. Fig. 522.

Kugel einer Bogenlampe.


ſchlug daher vor, die Lampen in horizontaler Richtung zu meſſen und das hierdurch erhaltene
Reſultat mit 2 zu multipliciren; es könnte dieſes Verfahren allerdings nur mit Rückſicht auf
das über Fig. 522 Geſagte zu empfehlen ſein. Siemens \& Halske geben häufig die unter
25 bis 30° gemeſſene Lichtſtärke mit Bezeichnung der Glasſorte für die Lampenkugel an; dies
entſpricht jener Neigung, in welcher das Licht häufig benützt wird. Auch der Congreß der
Elektriker in Paris 1881 gelangte zu keiner beſtimmten Regel, ſondern faßte nur die Reſolution,
daß photometriſche Beſtimmungen von Lichtern ungleicher Ausſtrahlung die Beziehung zwiſchen
Leuchtkraft und Ausſtrahlungswinkel als weſentliches Moment enthalten müſſen.


Sehr beeinträchtigt wird jede photometriſche Meſſung durch die verſchiedene Färbung
der zu vergleichenden Lichtquellen. Im Allgemeinen erſcheint ein Licht deſto röthlicher, je
geringer ſeine Intenſität iſt; es nähert ſich deſto mehr dem weißen Licht der Sonne, je größer
ſeine Intenſität wird. Die Vergleichung zweier Lichtquellen wird daher umſo ſchwieriger,
je ſtärker ihre Intenſitäten voneinander abweichen. Die zu vergleichenden, von den beiden
Lichtquellen beleuchteten Flächen erſcheinen eben verſchieden gefärbt und das Auge hat dann
gleiche Helligkeit verſchiedener Farben zu beurtheilen. Hierzu ſind aber nicht nur die Augen
verſchiedener Beobachter ganz verſchieden befähigt, ſondern es iſt überhaupt jedes Auge
unſicher. Die Vorſchläge, welche zur Vermeidung dieſes Uebelſtandes gemacht wurden, beziehen
ſich auf die Anwendung gefärbter Gläſer oder Flüſſigkeiten, welche eben nur Lichtſtrahlen
[716] gleicher Farbe zur Beurtheilung gelangen laſſen. Es tritt dann aber, wie Dr. Krüß ganz
richtig bemerkt, nur eine andere Schwierigkeit ein, nämlich die, daß man zuvor beſtimmen
muß, wie viel Licht von jeder der beiden in Betracht kommenden Lichtquellen durch dieſes
farbige Mittel abſorbirt wird, und dieſe Arbeit iſt dieſelbe, welche man vermeiden wollte, da
hier wiederum die Beſtimmung der Helligkeit verſchiedener Farben nothwendig wird. Man
muß daher in der That von allen dieſen Hilfsmitteln Abſtand nehmen.


Wir geben in Fig. 524 (Seite 721) eine Anſicht jenes Locales, welches bei
der Ausſtellung für Elektricität in München (1882) zu photometriſchen Beobachtungen
diente. Dieſes Meßzimmer enthielt zwei Photometerlineale A B und B C (Schema,
Fig. 523) von ſechs, beziehungsweiſe zwölf Meter Länge. Bei A konnte man die
Normalkerze oder einen Argandgasbrenner (I) anbringen. In II wurde ein Ein-
lochbrenner aufgeſtellt, deſſen Oeffnung einen Millimeter im Durchmeſſer beſaß.
Bei B befand ſich ein Siemens’ſcher Intenſivgasbrenner oder eine Glühlichtlampe
und bei C die zu prüfende Bogenlampe. In a und b hat man ſich die verſchieb-
baren Bunſen’ſchen Papierſchirme zu denken und bei G G Gasmeß-Apparate, vor
welchen der Hauptregulator R eingeſchaltet war. Als Lichteinheit wurde die

Figure 527. Fig. 523.

Lichtmeſſung der Bogenlampen.


Spermaceti-Kerze zu Grunde gelegt. Dieſe verglich man vor jeder Meſſung mit dem
Einloch-Gasbrenner II durch das auf dem Lineale A B befindliche Photometer a;
dieſer Brenner erhält ſein Gas durch den für eine Kerze Leuchtkraft beſtimmten
Gasmeſſer. Man erſetzte dann die Normalkerze durch den Einlochbrenner und
verglich deſſen Flamme mit jener des in A aufgeſtellten Argandbrenners, der durch
einen Gasmeſſer für 16 Kerzen geſpeiſt wurde. Hierauf folgte die Vergleichung
der Lichtſtärken dieſes Argandbrenners in A mit einem in B aufgeſtellten Siemens-
ſchen Intenſivbrenner, der ſein Gas aus einem Gasmeſſer für 30 Flammen bezog.
Der Siemens-Brenner diente dann endlich als Maß für die bei C aufgehängte
Bogenlampe. Der ungleichförmigen Lichtausſtrahlung einer Bogenlampe wurde
durch Meſſen der Lichtſtärke in horizontaler Richtung, unter einem Winkel von
30 und einem von 60 Graden, Rechnung getragen; außerdem maß man auch
unter einem vom Fabrikanten ſpeciell angegebenen Winkel. Man bediente ſich hierzu
eines Spiegels s, welcher um eine horizontale Axe drehbar war, indeß die Lampe L
in genau beſtimmten Höhen aufgehängt wurde. Das Vergleichen von Lichtern ſehr
verſchiedener Intenſität wurde alſo durch Benützung von Zwiſchenlichtern vermieden
und eben hierdurch auch die Differenz der Farben nach Möglichkeit verringert.


[717]

Bevor man zur Ausführung einer elektriſchen Beleuchtungsanlage ſchreitet,
hat man aber nicht nur die techniſche Durchführung derſelben genau zu über-
legen, ſondern man muß vielmehr auch erwägen, ob mit Beachtung des im Vor-
ſtehenden Angedeuteten und der anderen möglichen Beleuchtungsarten die elektriſche
Beleuchtung überhaupt vortheilhaft anwendbar iſt. Hierüber können wir ein Urtheil
durch Vergleichung des elektriſchen Lichtes mit der Gasbeleuchtung
gewinnen. An Lichtfülle übertrifft das elektriſche Licht nicht nur das Gaslicht,
ſondern überhaupt alle uns gegenwärtig bekannten und in Gebrauch ſtehenden
Beleuchtungsmittel; ſein Glanz und die Reinheit der Farbe wetteifern mit dem
Sonnenlichte. Zwar wird häufig behauptet, das elektriſche Licht erſcheine bläulich,
bewirke mehr den Effect einer Mondbeleuchtung und entbehre des warmen Tones
einer Gasbeleuchtung; dies iſt aber nicht ganz begründet. Newton hat uns ein
unfehlbares Mittel an die Hand gegeben, die Farben eines Lichtes unzweifelhaft
feſtzuſtellen. Er hat uns gezeigt, wie man weißes Licht in ſeine farbigen Beſtand-
theile zerlegen kann, und daß nur die Geſammtheit aller Farben weißes Licht zu
geben im Stande iſt. Das Mittel zu dieſer Farbenanalyſe iſt ein dreiſeitiges Glas-
prisma. Leitet man durch dieſes die Strahlen irgend einer Lichtquelle, ſo gehen
letztere nicht unverändert durch, ſondern werden in Strahlenbüſchel verſchiedener
Farben zerlegt; fängt man letztere auf einem weißen Schirme auf, ſo erſcheinen
die Farben nebeneinander und in jener Reihenfolge, welche die Farben des Regen-
bogens zeigen. Davon, daß man es hier mit einer wirklichen Zerlegung des weißen
Lichtes in ſeine farbigen Beſtandtheile zu thun hat, kann man ſich dadurch leicht
überzeugen, daß man die farbigen Strahlen durch eine Sammellinſe wieder ver-
einigt; hierdurch bekommt man wieder weißes Licht. Die Phyſik hat uns jedoch
nicht nur Mittel an die Hand gegeben, die Farbe des Lichtes qualitativ zu unter-
ſuchen, ſondern ſie geſtattet auch quantitative Meſſungen. Man hat nun das Licht
der Sonne, das Gas- und das elektriſche Licht ſorgfältig unterſucht und dabei
gefunden, daß das Gaslicht reicher an rothen Strahlen iſt als das Sonnenlicht,
letzteres jedoch mehr violette Strahlen enthält als das erſtere; daß das Gaslicht
auch reicher an rothen und ärmer an violetten Strahlen iſt als das elektriſche Licht.
Man fand aber auch, daß das Sonnenlicht im Grün und Blau heller leuchtet
als das elektriſche Licht, letzteres aber in Roth und Violett überwiegen kann.
Daraus erhellt, daß das elektriſche Licht im Vergleiche zum Sonnenlichte noch
immer gelblich oder röthlich erſcheinen muß, was man auch in der That beobachten
kann, wenn gleichzeitig eine Fläche zum Theile vom elektriſchen Lichte, zum Theile
von der Sonne beleuchtet iſt. Die Farbe des elektriſchen Lichtes iſt daher jener
des Gaslichtes entſchieden vorzuziehen und nur die Gewohnheit von Jugend auf,
Abends Alles im röthlichen Lichte zu ſehen, läßt uns die elektriſche Beleuchtung kalt
und unnatürlich erſcheinen. Sollte es denn natürlicher ſein, daß Grün und Blau
bei Gasbeleuchtung betrachtet ſo ſehr denſelben Eindruck auf unſer Auge machen,
daß dieſe beiden Farben häufig gar nicht zu unterſcheiden ſind, als daß wir beide
Farben wohl erkennen, wie dies bei elektriſcher Beleuchtung der Fall iſt? Es iſt
aber nicht blos angenehm, die Gegenſtände in ihren natürlichen Farben zu ſehen,
ſondern in vielen Fällen unbedingt nothwendig. So können z. B. Spinnereien,
Webereien und Buntdruckereien gewiſſe Arbeiten nur bei Tageslicht machen, da die
bisher üblichen Beleuchtungsarten die Unterſcheidung gewiſſer Farben und Farben-
nuancen nicht geſtatten. Gegen dieſe Uebelſtände ſchafft die elektriſche Beleuchtung
Abhilfe. Trotzdem aber das elektriſche Licht im Vergleiche zum Lichte der Sonne
[718] röthlich erſcheint, enthält es immerhin noch mehr violette Strahlen als das Gas-
licht. Dieſe Eigenſchaft befähigt das elektriſche Licht zur Anwendung in photo-
graphiſchen Anſtalten, in welchen das Gaslicht ganz unbrauchbar iſt.


Unbeſtreitbar ſind die Vorzüge des elektriſchen Lichtes gegenüber dem Gas-
lichte in hygieniſcher Beziehung. Iſt nicht Jedermann die Ueberhitzung geſchloſ-
ſener Räume durch Gasflammen bekannt? Zu wie vielen Erkrankungen legt der
Austritt aus dem heißen Theaterlocale in die kalte Winterluft den Grund! Ball-
und Concertſäle, Gaſt- und Kaffeehauslocale ſind gleichfalls hiervon nicht aus-
genommen. Das Gas und überhaupt alle anderen Beleuchtungsmittel, mit Aus-
nahme der elektriſchen Beleuchtung, erhöhen aber nicht nur die Temperatur ſehr
bedeutend, ſondern veranlaſſen auch ein raſches Verderben der Luft. Indem ſie
Brennmateriale verzehren, verbrauchen ſie den Sauerſtoff der Luft und produciren
dafür bedeutende Mengen unathembarer Gaſe, von welchen die Kohlenſäure
die weitaus überwiegende Menge bildet. *) F. Fiſcher hat den Kraft-, beziehungs-
weiſe Stoffverbrauch und die hiermit verbundene Wärme- und Kohlenſäure-Entwicklung
für 16 verſchiedene Beleuchtungsarten ſehr eingehend ſtudirt; in nachſtehender
Tabelle iſt ein Theil der hierbei erzielten Reſultate zuſammengeſtellt.




Als im königlichen Reſidenztheater zu München das elektriſche Licht, und zwar Ediſon-
Glühlichtlampen, inſtallirt war, wurde M. v. Pettenkofer aufgefordert, vergleichende Ver-
ſuche zwiſchen der Glühlicht- und der Gasbeleuchtung vom hygieniſchen Standpunkte aus vor-
zunehmen. Dieſe erſtreckten ſich auf die Feſtſtellung des Kohlenſäuregehaltes und die Erhöhung der
Temperatur bei vollem und bei leerem Hauſe und ergaben mit voller Sicherheit folgende zwei
Sätze: 1. daß die elektriſche Beleuchtung in hohem Grade die Ueberhitzung der Luft im Theater
verhindert und 2. daß ſie allerdings an und für ſich nicht im Stande iſt, die Ventilation des
Theaters entbehrlich zu machen, daß ſie aber eine geringere Ventilation desſelben erfordert als
[719] die Gasbeleuchtung, bei welcher die Ventilation nicht nur gegen die Luftverderbniß durch
Menſchen, ſondern auch gegen die Hitze und die Verbrennungsproducte der Flamme gerichtet
werden muß, während ſie es bei elektriſcher Beleuchtung nur mit dem Athem und der Haut-
ausdünſtung der Menſchen und deren Folgen zu thun hat. Es ergab ſich, daß bei leerem
Hauſe die Differenz in der Temperaturerhöhung im oberſten Range bei Gasbeleuchtung zehn-
mal (9·2 zu 0·9) größer iſt als bei elektriſcher Beleuchtung. In den unteren Räumen des
Hauſes werden die Differenzen ſelbſtverſtändlich kleiner. Auch bei beſetztem Hauſe beträgt die
Differenz noch 6 Grad Celſius. Bei der elektriſchen Beleuchtung war die Temperatur im
III. Range nicht einmal ſo hoch wie bei der Gasbeleuchtung ſchon im I. Range, während über-
dies noch bei den Verſuchen mit Leuchtgas die Temperatur im Freien niedriger war als bei
jenen mit elektriſchem Lichte. Der Kohlenſäuregehalt nahm bei leerem Hauſe in der nachſtehend
angegebenen Weiſe zu:

Bei beiden Beleuchtungsarten betrug der Kohlenſäuregehalt der Luft im Zuſchauer-
raume zu Anfang des Verſuches 0·4 pro Mille.


Ein weiterer Vortheil des elektriſchen Lichtes iſt die Erhöhung der Sehſchärfe
überhaupt. So fand der Augenarzt Dr. Happe, daß, wenn man die Sehſchärfe bei Tages-
licht gleich 1 ſetzt, dieſelbe bei Gaslicht auf 0·5 bis 0·7 ſinkt, bei elektriſchem Lichte aber auf
1·2—1·5 ſteigt. Auch wurde die Sehſchärfe für die einzelnen Farben unterſucht und als
Geſammtreſultat gefunden, daß die Sehſchärfe bei elektriſcher Beleuchtung durchweg erhöht
wird, daß das Roth viel weiter noch als Roth, das Grün als Grün empfunden wird, daß
das Blau in bedeutend größerer Entfernung ſichtbar wird, der Sinn für die Empfindung
des gelben Lichtes verdoppelt, verdreifacht, ja ſelbſt verſechsfacht werden könne, wenn an Stelle
des Tageslichtes die elektriſche Beleuchtung tritt. Auch dieſer Umſtand iſt für die Praxis von
Belang, da durch das beſſere Sehen ein raſcheres und beſſeres Arbeiten erzielt wird. Sehr
geſundheitsſchädlich wirkt die ſtrahlende Wärme des Leuchtgaſes, indem ſie die Augen aus-
trocknet und Blutandrang nach dem Kopfe veranlaßt. Profeſſor Cohn fand, daß ein berußtes
Thermometer, welches 10 Centimeter von einer Gasflamme (zu 20 Normalkerzen) entfernt
aufgehängt wurde, bei 14 Grad Zimmertemperatur in 10 Minuten um 23·5 Grad geſtiegen war,
während es in derſelben Stellung zu einer Ediſon-Glühlichtlampe (à 20 Normalkerzen) in
derſelben Zeit nur um 12·8 Grad ſtieg. An dem Ueberhandnehmen der Kurzſichtigkeit trägt
außer dem Arbeiten bei ungenügender Helligkeit auch die Inconſtanz der Beleuchtung ſchuld.
Es iſt Jedermann bekannt, daß offene Flammen, wie ſie z. B. bei der Gasbeleuchtung ganz
allgemein verwendet werden, keine Secunde ruhig brennen, ſondern vielmehr ununterbrochen
in Bewegung ſind.


Die Anwendung des Leuchtgaſes bringt aber noch anderweitige Gefahren
mit ſich; es ſind dies die Exploſionsgefahr und die Möglichkeit einer Ver-
giftung durch Ausſtrömen
aus undichten Stellen, Offenlaſſen eines Hahnes ꝛc.
Schon ein Gehalt von 2 bis 3 Procent Leuchtgas in der Luft verurſacht bei
längerer Einathmung den Tod. Layet hat in der Sectionsſitzung des internationalen
Congreſſes für Hygiene zu Turin ein ſehr düſteres Bild von dem nachtheiligen
Einfluſſe der Gasbeleuchtung auf die Geſundheit entworfen und den Wunſch aus-
geſprochen, daß das elektriſche Licht baldmöglichſt die Gasbeleuchtung verdrängen
möge. Die ſchädliche Einwirkung der Verbrennungsproducte des Leuchtgaſes macht
ſich aber nicht nur auf die Geſundheit der Menſchen geltend, ſondern übt auch
[720] auf Gegenſtände einen ungünſtigen Einfluß aus. Das Verfärben oder Schwarz-
werden der Gemälde, das Mattwerden der Metallverzierungen iſt ebenfalls der
Einwirkung der Verbrennungsproducte des Gaſes zuzuſchreiben und wird bei
Benützung der elektriſchen Beleuchtung vermieden.


In welch hohem Grade die Feuergefährlichkeit durch Einführung des
Leuchtgaſes geſteigert wird, braucht nicht erſt hervorgehoben zu werden; die namentlich
in den letzten Jahren in erſchreckender Weiſe ſich mehrenden Theaterbrände geben
einen nur zu deutlichen Beweis hiefür. Dieſe Gefahr iſt weſentlich vermindert
durch Anwendung des elektriſchen Lichtes in der Form des Voltabogens, ganz
ausgeſchloſſen, wenn man ſich der Glühlichtlampen, wie ſie Ediſon, Swan, Maxim
und Andere conſtruirten, bedient.


Hingegen iſt nicht zu leugnen, daß das elektriſche Licht auch Nachtheile
mit ſich bringt, von welchen die Gasbeleuchtung frei iſt. Es wurde bereits weiter
oben betont, daß die Theilung des elektriſchen Lichtes auf Schwierigkeiten ſtößt,
welche die Gasbeleuchtung nicht kennt. Das von einer Erzeugungsſtelle gelieferte
Gas kann in ganz beliebig vielen und an beliebigen Orten befindlichen Brennern
verbrannt werden, ohne daß durch dieſe Vertheilung des Gaſes ein Verluſt herbei-
geführt würde. Der Verluſt durch undichte Stellen kommt hier nicht in Betracht,
da er nicht Folge der Theilung überhaupt, ſondern Folge einer ungenügend her-
geſtellten Leitung iſt, und ähnliche Verluſte auch bei der Leitung elektriſcher Ströme
eintreten. Anders verhält es ſich beim elektriſchen Lichte; wird auch die Leitung
noch ſo ſorgfältig hergeſtellt, ſo bringt doch die Theilung ſelbſt einen deſto größeren
Kraftverluſt mit ſich, je weiter man ſie treibt. Gegenwärtig befindet ſich die elek-
triſche Beleuchtung gegenüber der Gasbeleuchtung allerdings noch in einer viel
ungünſtigeren Lage; denn, während das Leuchtgas in großen Centralſtationen
erzeugt und von hier aus Tauſenden von Conſumenten zugeführt wird, iſt die Aus-
dehnung elektriſcher Beleuchtungsanlagen meiſt noch eine ſehr beſchränkte; im Großen
erzeugte Producte ſind aber immer billiger als ſolche, die in geringer Menge
erzeugt werden. Der Arbeitsverluſt bei der Theilung des elektriſchen Lichtes wird
daher weſentlich an Bedeutung verlieren, ſobald auch für die Erzeugung elektriſcher
Ströme große Centralſtationen in’s Leben treten.


Es wurde geſagt, daß durch Anwendung der elektriſchen Beleuchtung die
Feuersgefahr weſentlich vermindert oder auch ganz ausgeſchloſſen werde. Dem iſt
allerdings noch hinzuzufügen: wenn die Anlage tadellos ausgeführt wird. Iſt dies
aber nicht der Fall, dann können allerdings Lampen (mit Voltabogen oder frei
brennendem Glühlichte) und Leitungen Urſache eines Brandes werden. So lange
die elektriſchen Ströme durch hinreichend gute und genügend iſolirte Leiter fließen,
ſind ſie abſolut ungefährlich; gehen ſie aber durch ſolche von nicht ausreichender
Leitungsfähigkeit, ſo können ſie Glüherſcheinungen bewirken, die unter Umſtänden
Anlaß zu einem Brande werden. Dies kann eintreten, wenn z. B. ein kurzer
Stromſchluß dadurch entſteht, daß die Zu- und Ableitungen durch Metallſtaub,
dünne Drähte, mit Salzen imprägnirtes oder naſſes Holz theilweiſe miteinander
in leitende Verbindung geſetzt werden; dann erwärmen ſich dieſe unzureichenden
Leitungen und können ſich bis zur Verbrennung erhitzen. In den Lampen mit
Voltabogen kann durch ein übermäßiges Anwachſen des Stromes der Fall eintreten,
daß der Strom nicht zwiſchen beiden Kohlen, ſondern zwiſchen Metalltheilen über-
geht und dieſe zum Schmelzen bringt. Abſchmelzendes Metall und etwa abſpringende
glühende Kohlentheile können hier Feuersgefahr verurſachen. Wenn trotzdem früher
[721] die geringe Feuersgefahr als ein Vortheil der elektriſchen Beleuchtung angegeben

Figure 528. Fig. 524.

Dunkelkammer für photometriſche Meſſungen.


wurde, ſo liegt der Grund darin, weil alle hier erwähnten Gefahren nicht durch
Urbanitzky: Elektricität. 46
[722] den Betrieb ſelbſt, ſondern durch die fehlerhafte Herſtellung der Anlage
herbeigeführt werden; weil ferner dieſe Gefahren nicht ſtändige ſind, wie bei den
leichtbeweglichen Gasflammen, ſondern nur ausnahmsweiſe eintreten können; weil
endlich eine tadelloſe Herſtellung der Anlage viel leichter zu erreichen und zu
controliren iſt, als ein tadelloſer Betrieb. Erſtere ruht ja in den Händen von
Fachmännern, während letzterer in der Regel den Händen untergeordneter Perſonen
anvertraut werden muß.


Die Anwendung des elektriſchen Lichtes kann auch durch die phyſiologiſche,
Wirkung der elektriſchen Ströme
gefährlich werden. Dieſer Fall tritt jedoch
nur dann ein, wenn man ſich hochgeſpannter Ströme bedient. Es ſind leider
ſchon mehrere Fälle bekannt geworden, in welchen Perſonen durch Zufall oder
Unvorſichtigkeit mit den Leitungsdrähten in Berührung kamen und hierdurch augen-
blicklich getödtet wurden. Da derlei ernſte Gefahren nur durch Anwendung hoch-
geſpannter Ströme hervorgerufen werden, ſollte man von dieſen nur im Nothfalle
Anwendung machen und dann auf eine äußerſt ſorgfältige Iſolirung der Leitungs-
drähte und Klemmen ſtrenge ſehen.


Faſſen wir nun alle Vor- und Nachtheile, welche ſich für das elektriſche Licht
und jene, welche ſich für die Gasbeleuchtung ergeben, zuſammen, ſo gelangen wir
zu folgender Parallele: Bei Erzeugung großer, mächtiger Lichter, der Herſtellung
möglichſt großer Lichtintenſität auf möglichſt geringem Raume, iſt das elektriſche
Licht dem Gaslichte nicht nur vorzuziehen, ſondern überhaupt die einzig mögliche
Art, den angeſtrebten Zweck zu erreichen. Soll die Beleuchtung durch viele, aber
kleine Lichter erfolgen, ſo hat das Gaslicht gegenüber dem elektriſchen Lichte den
Vortheil, daß es leicht, beliebig und ohne Lichtverluſt getheilt werden kann. Hingegen
beſitzt das elektriſche Licht den Vorzug, die Gegenſtände alle in ihren natürlichen
Farben ſehen zu laſſen, während beim Gaslichte gewiſſe Farben gar nicht zu
erkennen ſind, andere aber geändert erſcheinen. Wo es auf chemiſche Wirkung des
Lichtes ankommt, iſt das Gas ganz unverwendbar.


In geſchloſſenen Räumen wird durch das elektriſche Licht die Luft kaum
merkbar erwärmt und in ihrer Zuſammenſetzung nahezu nicht geändert (bei
Anwendung geſchloſſener Lampen gar nicht); Zerſetzungsproducte, welche der Geſund-
heit ſchädlich ſind, oder auf Gemälde, Decorationen, Metallverzierungen ꝛc. zerſtörend
einwirken, können nicht entſtehen. Das Gaslicht erhöht die Temperatur oft zu einer
unerträglichen Hitze, welche ſelbſt ausgiebige Ventilationsanlagen nicht immer voll-
ſtändig zu beſeitigen vermögen. Außerdem entſtehen bei der Gasbeleuchtung irreſpirable
und zum Theile auch giftige Gaſe in großer Menge; die Gasbeleuchtung ver-
ſchlechtert daher die Luft nicht nur durch großen Sauerſtoffverbrauch, ſondern
auch durch die Erzeugung dieſer Gaſe (Kohlenſäure, Kohlenoxyd, Schwefel-
dioxyd ꝛc.).


Mit der Gasbeleuchtung iſt die Gefahr der Exploſion, Erſtickung und auch
die Feuergefährlichkeit verbunden. Bei der elektriſchen Beleuchtung exiſtiren die
erſteren überhaupt nicht und die letztere in weitaus geringerem Grade; ſie iſt gar
nicht vorhanden, wenn für eine tadelloſe Herſtellung und hinreichende Controle
geſorgt wird.


Man macht dem elektriſchen Lichte auch den Vorwurf der Unſicherheit des
Betriebes. Dieſer Vorwurf kann aber heutzutage kaum mehr als begründet angeſehen
werden, wenigſtens dann nicht, wenn bei der Herſtellung der Anlage alle jene
Vorſichten angewandt werden, deren Kenntniß man von einem Fachmanne fordern
[723] muß. Uebrigens iſt ja auch die Gasbeleuchtung nicht ſo abſolut verläßlich; wie
oft ſpringt ein Rohr, wie häufig erlöſchen ſämmtliche Flammen eines Locales in
Folge fehlerhafter Function der Gasuhr, wie oft iſt das Gas „eingefroren“!
Ferner tadelt man am elektriſchen Lichte das häufige Zucken und Wechſeln der
Lichtintenſität. Von dieſem Fehler ſind jedoch auch die Gasflammen nicht frei-
zuſprechen. Man beobachte nur einmal in irgend einem Locale oder gar auf der
Straße die einzelnen Flammen und man wird ſie kaum eine Secunde ruhig brennen
ſehen. Selbſt die mit Glascylinder verſehenen Rundbrenner ſind hiervon nicht ganz
auszunehmen. Allerdings iſt das Schwanken der Lichtintenſität beim Gaslichte nicht
ſo ſtörend wie beim elektriſchen Lichte, da die Schwankungen beim letzteren in Folge
ſeiner bedeutend größeren Intenſität innerhalb viel weiterer Grenzen erfolgen, als
beim Gaslichte. Dieſem Uebelſtande kann aber durch Anwendung der Glühlicht-
lampen oder ſolcher Bogenlampen, die derlei Schwankungen nicht zeigen, abgeholfen
werden; daß es deren giebt, haben die Ausſtellungen für Elektricität bewieſen.


Von hoher Wichtigkeit für den Vergleich beider Beleuchtungsarten iſt die
Erwägung der Inſtallations- und Betriebskoſten. Doch läßt ſich darüber im
Allgemeinen nicht viel ſagen. Der Grund hierfür liegt darin, daß die Elektricität,
wie bereits bemerkt, im „Kleinen“, wenn der Ausdruck hier geſtattet iſt, das
Leuchtgas aber zur Verſorgung ganzer Städte oder Stadttheile in der Fabrik erzeugt
wird. Der Vergleich der Koſten wird deshalb auch unter ſonſt gleichen Umſtänden
immer anders ausfallen, wenn die Größe der elektriſchen Beleuchtungsanlage eine
andere wird; er wird anders ausfallen, wenn Glühlichtlampen angewandt werden
und anders, wenn Bogenlichter zur Benützung gelangen; anders, wenn zum
Betriebe der Lichtmaſchine ein Gasmotor oder eine Dampfmaſchine aufgeſtellt wird,
anders, wenn Waſſerkraft zur Verfügung ſteht u. ſ. w. Bei beiden Beleuchtungs-
arten nehmen die Koſten ab, wenn die Größe der Anlage zunimmt. Man kann
ſagen, daß in Bezug auf die Koſten die Anlage einer elektriſchen Beleuchtung ſich
erſt dann empfiehlt, wenn es ſich mindeſtens um Aufſtellung von etwa 15 bis
20 Bogenlampen handelt; bei Anwendung von 20 bis 25 Bogenlampen dürfte
die elektriſche Beleuchtung ſchon in der Mehrzahl der Fälle billiger zu ſtehen
kommen als eine gleichwerthige Gasbeleuchtung. Dieſe Angaben können jedoch
durch locale Verhältniſſe oder andere Umſtände ſehr bedeutend ſowohl zu Gunſten
der einen als auch der andern Beleuchtungsart modificirt werden. Von weſent-
lichſtem Belange iſt aber die Form, in welcher die Elektricität der Beleuchtung
dienſtbar gemacht wird. Es iſt hierbei zu unterſcheiden zwiſchen Einzellicht und
Theilungslicht, Bogenlicht und Glühlicht und endlich ob gleichgerichtete oder Wechſel-
ſtröme angewandt werden.


Das Einzellicht hat gegenüber dem Theilungslichte den Vorzug der billigeren
Herſtellung, eine Thatſache, die allerdings zu Gunſten des Einzellichtes entſcheiden würde,
wenn nicht noch andere Umſtände in Betracht kämen, welche trotz des größeren Arbeitsauf-
wandes doch zu Gunſten des getheilten Lichtes ſprechen würden. Ganz abgeſehen davon,
daß viele Räumlichkeiten vermöge ihrer Bauart oder der darin befindlichen Objecte die Be-
leuchtung von einem Punkte aus unmöglich machen, nimmt auch die Beleuchtungsintenſität
einer Fläche in viel größerem Maßſtabe ab, als die Entfernung von der Lichtquelle
zunimmt. Daraus folgt, daß bei der Beleuchtung eines beſtimmten Raumes durch eine Licht-
quelle die nächſte Umgebung der letzteren allerdings ſehr kräftig beleuchtet wird, die Grenzen
des Raumes aber unter jener Helligkeit bleiben, welche man zu erreichen wünſcht; überdies
iſt noch die Beleuchtung des ganzen Raumes eine ſehr ungleichförmige. Auch muß bei An-
wendung nur eines Lichtes, ſoll deſſen Stärke entſprechend ausgenützt werden, die Aufhänge-
höhe eine bedeutend größere ſein, als jene für mehrere kleinere Lichter; dieſe Bedingung für
46*
[724] das Einzellicht zu erfüllen, hindert aber häufig die Höhe des zu beleuchtenden Raumes. Es
iſt ferner eine bekannte Thatſache, daß die Theilungslichter ruhiger brennen als die Einzellichter;
die Stromſchwankungen machen ſich im Lichtbogen eben weniger geltend, wenn im Stromkreiſe
noch ein Widerſtand eingeſchaltet wird. Dieſen bilden aber bei Theilungslichtern wechſelweiſe
die Lampen ſelbſt. Der vortheilhafte Widerſtand iſt alſo wieder Voltabogen, während, um beim
Einzellicht dasſelbe Reſultat zu erreichen, ein Widerſtand eingeſchaltet werden müßte, welcher
zur Beleuchtung nichts beiträgt, alſo unütz Kraft verzehrt. Ein bedeutender Vortheil des
getheilten Lichtes gegenüber dem Einzellichte liegt auch in der Erſparung an Leitungsmaterial.
Dieſe Erſparung beſteht nicht nur in der geringeren Anzahl von Drähten, ſondern auch darin,
daß der einzelne Draht bei Theilungslichtern ſchwächer ſein kann als bei Einzellichtern. Dies
kommt namentlich dann in Betracht, wenn Lichtmaſchinen und Lampen ſich in einiger Entfernung
voneinander befinden. Hierbei darf aber nicht außer Acht gelaſſen werden, daß die Theilung
des elektriſchen Lichtes bei jeder Maſchine für eine beſtimmte Anzahl von Lampen begrenzt
iſt, wenn nicht eine unverhältnißmäßige Erhöhung der Betriebskoſten eintreten ſoll.


Das Einzellicht wird aber mit Vortheil in Räumen angewendet werden können, welche
eine mehr oder weniger kreisrunde oder quadratiſche Begrenzung haben und gleichzeitig eine
hinlängliche Höhe beſitzen. Dann kann man die Lampe hoch hängen, und weil in dieſem Falle
die Augen nicht geblendet werden, kann der Voltabogen frei, ohne matte Glasbedeckung brennen.
Dies iſt aber ein nicht unbedeutender Gewinn in Bezug auf Lichtintenſität. Aehnliche Ver-
hältniſſe, die zu Gunſten des Einzellichtes ſprechen, treten auch bei der Verwendung des
elektriſchen Lichtes unter freiem Himmel ein. Die Einzellichter zeichnen ſich auch dadurch aus,
daß ſie keiner hochgeſpannten Ströme bedürfen und die Lampen eine einfachere Conſtruction
beſitzen können.


Wägt man die Vor- und Nachtheile der Wechſelſtröme und der gleichgerichteten
Ströme
gegenſeitig ab, ſo muß man ſich zu Gunſten der letzteren entſcheiden. Zahlreiche
Verſuche haben mit ziemlicher Sicherheit feſtgeſtellt, daß unter ſonſt gleichen Umſtänden mit
den Maſchinen für gleichgerichtete Ströme von der zu ihrem Betriebe angewandten Kraft um
35 % mehr Nutzeffect im Lichtbogen erzielt wird als mit Wechſelſtrom-Maſchinen. Hierzu
kommt noch, daß bei höheren Spannungen die phyſiologiſche Wirkung der Wechſelſtröme eine
viel gefährlichere iſt als jene der gleichgerichteten. Ferner brennen bei Anwendung von Wechſel-
ſtrömen beide Kohlen ſpitz ab und ſenden daher das Licht nach allen Richtungen ziemlich
gleichförmig aus, während bei Benützung gleichgerichteter Ströme die bereits erwähnte
Kraterbildung am poſitiven Pole eintritt. Letzteres hat zur Folge, daß die Strahlen mehr
nach einer Richtung concentrirt werden, was bei praktiſchen Anwendungen in der Regel
gefordert wird. In der Mehrzahl der Fälle handelt es ſich eben darum, eine beſtimmte
Bodenfläche zu beleuchten und für dieſen Zweck gehen dann die ſeitlich und nach oben gerichteten
Strahlen zum großen Theile verloren. Um dies zu verhindern, müſſen bei Anwendung von
Wechſelſtrömen eigene Reflectoren benützt werden. Das Wegfallen der Kraterbildung hat ferner
den Nachtheil, daß der größte Theil der Leuchtkraft im Flammenbogen und nicht, wie bei
Anwendung gleichgerichteter Ströme, in der kraterförmig ausgehöhlten Kohle ſich befindet,
wodurch bei Schwankungen der Stromſtärke zu violettem Lichte und auch zu Farbenwechſel
Veranlaſſung gegeben wird. Andererſeits rühmt man den Wechſelſtrömen nach, daß ſie bei
gewiſſen Lampen eine beſſere Function des Regulirungsmechanismus bewirken, da in Folge
der ſtets wechſelnden Stromrichtung die Eiſentheile der Lampe ohne remanenten Magne-
tismus bleiben.


Betrachtet man das Glühlicht als ein weiter getriebenes Theilungslicht, ſo hat es die
Vor- und Nachtheile des getheilten Bogenlichtes mit dieſem gemeinſam. Daraus ergiebt ſich
auch, daß die Herſtellung von Glühlicht im Vergleich zum Einzellicht einen noch größeren
Arbeitsaufwand erfordert als die Erzeugung einer gleichwerthigen Beleuchtung durch Theilungs-
lichter mit Voltabogen. Die geringe Lichtentwicklung durch das Glühlicht hat aber auch ihre
Vortheile. Sie macht dasſelbe zur Beleuchtung kleiner Räume geeignet, in welchen das kräftige,
blendende Bogenlicht nicht anwendbar erſcheint. Specielle Vortheile bieten die Glühlichtlampen
(Glühlichtlampen ohne Verbrennen von Kohle). Ihre unbedeutende Größe, die Abweſenheit
jedes Regulirungsmechanismus, das abſolut ruhige, etwas röthliche oder doch wenigſtens
nie violette Licht macht ſie vorzüglich geeignet zur Beleuchtung von Räumlichkeiten, die eine
reiche architektoniſche Gliederung beſitzen. Sie können in Folge dieſer Eigenſchaften ohne
Schwierigkeit in Form von Luſtern, Candelabern, Wandarmen, Ampeln und tragbaren Lampen
in Verwendung kommen. (Dies zeigen die Figuren 430, 432, 439 und 518.) Die Lampen
mit Voltabogen hingegen bieten durch ihre Größe und die Form ihrer Regulirungsvor-
richtungen bedeutende Schwierigkeiten, wenn ſie der architektoniſchen Gliederung eines Raumes
[725] harmoniſch eingefügt werden ſollen. Die in Rede ſtehenden Glühlichtlampen beſitzen ferner den
Vortheil einer ganz beliebigen Regulirungsfähigkeit ihrer Lichtſtärke. Dieſer Umſtand und ihre
abſolute Feuerungefährlichkeit machen ſie zur Beleuchtung von Theatern, ſpeciell Bühnen,
geeigneter als irgend ein anderes Beleuchtungsmittel.


Die Glühlichtlampen beſitzen die Vorzüge der Gasbeleuchtung, ohne deren
Uebelſtände zu theilen; ſie ſind es auch, welche dem Gaslichte Concurrenz machen
werden. Wo es ſich um Herſtellung großer Lichter handelt, iſt die Ueberlegenheit
des elektriſchen Lichtes gegenüber dem Gaslichte heute bereits unzweifelhaft feſt-
geſtellt. Die weitere Ausbreitung des elektriſchen Lichtes wird jedoch das Leuchtgas
keineswegs gänzlich verdrängen. Im Gegentheile, es wird vielleicht zu noch größerer
Bedeutung gelangen als es gegenwärtig beſitzt; aber die Form der Anwendung
dürfte ſich aller Wahrſcheinlichkeit nach ändern. Die Benützung des Leuchtgaſes
zur Beleuchtung iſt eine keineswegs rationelle Ausbeutung der Kohle, da bei
Verbrennung des Leuchtgaſes die Wärmeproduction der Lichtentwicklung weit über-
legen iſt. Dies zeigt die bedeutende Erhitzung der Luft in geſchloſſenen Räumen,
welche durch Leuchtgas erhellt werden und vielleich noch deutlicher folgende Er-
wägung: Größere Gasmaſchinen liefern für den Verbrauch von je einem Kubik-
meter Leuchtgas per Stunde eine Pferdekraft. Mit dieſer kann unter Anwendung
des elektriſchen Bogenlichtes eine Geſammtlichtſtärke von 1700 Normalkerzen
erzeugt werden. Wird hingegen dieſe Gasmenge in gewöhnlichen Gasbrennern ver-
brannt, ſo erhält man nur ſieben Flammen zu zehn Kerzen Lichtſtärke, alſo eine
Geſammtlichtintenſität von ſiebzig Kerzen. Es iſt daher wohl möglich, daß das
elektriſche Licht das Leuchtgas nach und nach ganz verdrängt, aber das Gas
wird damit nicht überflüſſig werden, ſondern vielmehr als Heizgas zu ausgedehnter
Anwendung gelangen, umſomehr, als die Herſtellung von Heizgas geringere Koſten
verurſacht als jene von Leuchtgas. Es würde dies die ſanitären Verhältniſſe unſerer
Wohnungen, namentlich in großen Städten, weſentlich verbeſſern, indem dadurch
eine geſündere und rauchfreie Luft erhalten werden könnte.


Die praktiſchen Anwendungen der elektriſchen Beleuchtung ſind
gegenwärtig bereits ebenſo mannigfaltig als zahlreich. Es iſt gewiß leichter, alle
jene Fälle aufzuzählen, in welchen das elektriſche Licht noch keine Anwendung
gefunden hat, als jene, wo es thatſächlich im Gebrauch ſteht. Alle Arten von
Werkſtätten und Fabriken, Häfen und Bahnhöfe, Eiſenbahnzüge und Schiffe,
Theater und Concertſäle, Straßen und Plätze, Leuchtthürme, ganze Stadttheile
ſowie einzelne Privatwohnungen, Alles bedient ſich bereits des elektriſchen Lichtes.
Wir finden es in photographiſchen Anſtalten, in den Tiefen der Bergwerke, bei
ſubmarinen Arbeiten, bei der friedlichen Feldarbeit wie bei kriegeriſchen Operationen,
ja ſelbſt der Arzt bedient ſich desſelben zur Beleuchtung der inneren Leibeshöhlungen
des Menſchen. Es leuchtet in öffentlichen Aemtern, wie in Waarenhäuſern und
Geſchäftslocalen, in den Speiſeſälen großer Hôtels, bei Tunnelbauten und nächt-
lichen Bahnarbeiten, es muß ſogar der Sonne helfen, Früchte zur Reife zu bringen.
Bei dieſer Fülle und Mannigfaltigkeit wird man es begreiflich finden, daß im
Nachſtehenden nur andeutungsweiſe auf einige der wichtigſten Anwendungen der
elektriſchen Beleuchtung hingewieſen werden kann.


Hierher iſt die elektriſche Beleuchtung öffentlicher Locale und in
erſter Linie jene von Theatern zu rechnen. Es iſt gegenwärtig wohl kaum
[726] mehr nothwendig, auf die ganz ungewöhnlich großen Gefahren und Nachtheile
hinzuweiſen, welche die Gasbeleuchtung in Theatern herbeiführt. Nach ſtatiſtiſchen
Ausweiſen ſind in den letzten
25 Jahren 290 Theaterbrände bekannt
geworden; von dieſen Theatern waren
28 Procent erſt 5 Jahre
eröffnet
, 15 Procent 6 bis 10 Jahre, 18 Procent 11 bis 20 Jahre
und
10 Procent 21 bis 30 Jahre. Das durchſchnittliche Alter der
abgebrannten Theater betrug
22 Jahre. Bei dieſen Bränden ſollen
10.000 Menſchen ihr Leben eingebüßt haben und der materielle
Schaden beziffert ſich auf
75,000.000 Gulden. Was ſogenannte feuerſichere
Conſtructionen oder Imprägnirungen zu leiſten im Stande ſind, haben wir an
den zahlreichen Theaterbränden nach der entſetzlichen Kataſtrophe im Wiener
Ringtheater erfahren. Alle die feuerſicheren, ſowie auch die imprägnirten ſind bis
auf die vier Mauern ausgebrannt. Aber wozu auch heute noch, bei dem gegen-
wärtigen Stande der elektriſchen Beleuchtung, ſo viele Hunderte von Flammen
und Flämmchen an einem Orte, dem an Feuergefährlichkeit kein zweiter gleichkommt?
Durch die Einführung der elektriſchen Beleuchtung iſt das Uebel bei der Wurzel
gefaßt, denn nicht der bereits eingetretene Brand wird in ſeinen verderben-
bringenden Wirkungen bekämpft, ſondern das Eintreten ſelbſt wird unmöglich
gemacht. In richtiger Würdigung dieſer Umſtände wurde die elektriſche Beleuchtung
bereits in eilf Theatern eingeführt und es wäre nur zu wünſchen, daß die leitenden
Perſonen anderer Theater von der ihnen durch das elektriſche Licht gebotenen
Feuerſicherheit für ihre Inſtitute Gebrauch machen möchten, bevor ſie durch die
ſchauerliche Beredſamkeit feuriger Zungen ſich belehren und überzeugen zu laſſen
gezwungen werden. Sie mögen ſich vor Augen halten, daß gegenwärtig einem
Theaterbrande zum Opfer fallende Menſchenleben ſchwer zu verantworten ſein
werden. Ohne auf die mannigfachen Sicherheitsvorkehrungen hinzuweiſen, welche
die Anwendung der Elektricität überhaupt bietet, möge an dieſer Stelle nur die
wichtigſte Maßregel, nämlich die Beſeitigung jeder Art offener Flamme aus Theatern
beſonders hervorgehoben werden.


Das erſte vollſtändig mit elektriſchem Glühlichte beleuchtete größere Theater
iſt das Savoy Theater in London. Hierauf erhielt, dank der Energie Winter-
holler’s
, des Bürgermeiſters der Stadt Brünn, das dort neuerbaute Stadt-
Theater ausſchließlich elektriſche Beleuchtung. Elektriſche Beleuchtungsanlagen wurden
ferner inſtallirt im Theater zu Havana auf Kuba, im Bijou-Theater zu Boſton,
im Théâtre du Parc in Brüſſel, in den Reſidenz-Theatern zu Stuttgart und
München, im Manzoni- und de la Scala-Theater zu Mailand und in den Theatern
zu Mancheſter und Budapeſt. Sämmtliche Beleuchtungsanlagen functionirten ſeit
ihrer Inbetriebſetzung ohne jedwede Störung.


Die Beleuchtungsanlage des Brünner Theaters wurde gemeinſchaftlich von der
Société électriqueEdiſon in Paris und der Commandit-Geſellſchaft Brückner, Roß \&
Conſorten
in Wien ausgeführt. Dieſes im November 1882 eröffnete Theater bedeckt eine
Grundfläche von etwa 2100 Quadratmeter, iſt nur für Sitzplätze eingerichtet und kann
1200 Menſchen faſſen. Das Maſchinenhaus iſt etwa 300 Meter weit vom Theater entfernt;
die Maſchinenanlage zeigt Fig. 525 im Grundriß und Längenſchnitt. Im Keſſelhauſe ſind
drei Röhrendampfkeſſel b (Syſtem Dupuis) eingemauert, die eine Heizfläche von zuſammen
168 Quadratmeter beſitzen. Zum regelmäßigen Betriebe der Beleuchtungsanlage genügen
jedoch zwei Keſſeln, ſo daß alſo einer als Aushilfe dient. Sie ſind auf ſieben Atmoſphären
Betriebsſpannung conceſſionirt und ſelbſtverſtändlich mit allen Heiz- und Sicherheitsarmaturen
ausgeſtattet. Ueber den Roſten der Keſſel wurden eigens conſtruirte Dampfgebläſe angebracht,
welche bei jeder Beſchickung in Thätigkeit geſetzt werden und die Rauchverzehrung bewirken.
[727] Im Grundriſſe iſt die Speiſevorrichtung mit c und der Vorwärmer, durch welchen der
Abdampf der Dampfmaſchine geleitet wird, mit d bezeichnet. Die Dampfmaſchine a iſt eine
110pferdige Hochdruck-Zwillingmaſchine (Syſtem Collmann), die mit 105 Touren per Minute
läuft und ſich durch einen ſehr ruhigen und regelmäßigen Gang auszeichnet. Das Schwung-
rad (von 4 Meter Durchmeſſer) überträgt durch ſieben je 40 Millimeter ſtarke Hanfſeile ſeine
Kraft auf eine Vorlegewelle e. Die Dampfmaſchine wird bei normalem Betriebe nicht auf ihre
volle Kraft ausgenützt; es kann vielmehr bei einer Reparatur der einen Maſchinenhälfte die
andere die ganze Arbeitsleiſtung übernehmen. Die Seilſcheibe der Vorlegewelle hat einen
Durchmeſſer von 1·1 Meter und macht 300 Umdrehungen per Minute. Baumwollriemen

Figure 529. Fig. 525.

Maſchinen-Anlage des Theaters in Brünn.


übertragen die Rotation auf vier Ediſon- und drei Gramme-Maſchinen. Die vier Ediſon-
Maſchinen A (Seite 390) laufen mit 900 Umdrehungen per Minute und können bei voller
Inanſpruchnahme je 250 Ediſon-Lampen à 16 Kerzen mit Strom verſorgen. Von dieſen
1000 Lampen ſind aber höchſtens 900 gleichzeitig in Thätigkeit, woraus ſich ergiebt, daß die
Maſchinen bei normalem Betriebe nicht vollſtändig ausgenützt werden. Hierdurch iſt aber für
den Fall der Unbrauchbarkeit einer Maſchine eine Reſerve in der Art geſchaffen, daß dann die
übrigen drei Maſchinen durch höhere Inanſpruchnahme die ganze Leiſtung übernehmen. Von den
Gramme’ſchen Maſchinen wird eine (B) zum Betriebe der fünf Bogenlampen (Syſtem Gramme),
die zweite (C) zur Erzeugung von Effectbeleuchtungen auf der Bühne und die dritte (D) zu
einer Kraftübertragung benützt, indem ſie unter Vermittlung einer auf dem Boden des Zu-
ſchauerraumes aufgeſtellten Secundärmaſchine einen Ventilator treibt. Sowohl die Arbeits-
[728] ſtromkreiſe als auch die im Nebenſchluſſe liegenden Elektromagnetwindungen der vier Ediſon-
Maſchinen ſind untereinander parallel geſchaltet. Zur Regulirung der elektromotoriſchen Kraft
dient der Regulator E, der durch Drehen einer Kurbel die Einſchaltung größerer oder geringerer
Neuſilberwiderſtände in den Stromkreis der Elektromagnete geſtattet.


Die Maſchinenanlage des Stuttgarker Hoftheaters umfaßt gleichfalls vier Ediſon-
Maſchinen (Modell K, wie in Brünn), zu deren Betrieb zwei liegende Compound-Receiver-
Dampfmaſchinen dienen. Um beim Schadhaftwerden einer Dampfmaſchine Betriebsſtörungen
hintanzuhalten, wurde eine ausrückbare Kupplung angebracht, welche die Ausſchaltung jeder
Maſchine geſtattet. Eine Dreicylinder-Maſchine betreibt eine kleine Ediſon-Maſchine, welche die
Beleuchtung während der tagsüber abzuhaltenden Proben beſorgt und Abends zur Speiſung
der in allen Räumen des Hauſes vertheilten Ediſonlampen der Nothbeleuch-
tung verwendet wird
.


Die Leitung, welche in Brünn die Ströme von den Maſchinen zum Theater führt,
wird durch Kabel beſorgt, wie ſolche (auf Seite 584 u. f.) bereits beſchrieben wurden. Dieſe
Kabelleitung dient für alle vier Ediſon-Maſchinen und mündet im Keller des Theaters aus,
wo ſie ſich in zwei Hauptleitungen ſpaltet. Einer dieſer Stromkreiſe enthält ſämmtliche Lampen,
welche keiner Regulirung ihrer Lichtſtärke bedürfen, alſo die Lampen der Vorhalle, der Treppen-
räume u. ſ. w.; es ſtehen hierzu 369 Lampen in Verwendung. In den zweiten Stromkreis
ſind die regulirbaren Lampen, d. h. jene der Bühne und des Zuſchauerraumes, 1432 an der Zahl,

Figure 530. Fig. 526.

Schaltvorrichtung für Stromabzweigung.


eingeſchaltet. Zur Beleuchtung während der Proben dienen vierzig Ediſon-Lampen à 6 Kerzen,
welche die früher erwähnte kleine Gramme’ſche Maſchine mit Strom verſorgt. Zu ihrem
Betriebe ſteht ein 6pferdiger Otto’ſcher Gasmotor in Verwendung, der im Kellerraume auf-
geſtellt iſt. Die letzteren beleuchtende Gasflamme iſt die einzige Gasflamme im ganzen Hauſe.
Fig. 526 ſtellt die Schaltvorrichtung für die Verzweigung des durch das Kabel zugeführten
Stromes dar; hierbei ſind den Leitungen für die in ihrer Lichtſtärke unregulirbaren Lampen
Pfeile ohne Fahnen, dem Stromkreiſe der regulirbaren Lampen Pfeile mit Fahnen beigeſetzt.
Bei Bs befinden ſich Sicherheitsdrähte aus Blei (ſiehe Seite 585). Innerhalb des Hauſes ſind
die zur Leitung benützten Kupferdrähte mit unverbrennlich gemachter Baumwolle umſponnen;
bei jeder Abzweigung oder doch mindeſtens in jeder ſechs bis zehn Lampen umfaſſenden
Lampengruppe iſt ein Blei-Sicherheitsdraht eingefügt.


Den ſchwierigſten Theil der Theaterbeleuchtung bildet die Beleuchtung
der Bühne
, da man gegenwärtig in Bezug auf Beleuchtungseffecte ſehr hohe
Anforderungen an dieſelbe ſtellt. Die Geſammtbeleuchtung muß ſowohl plötzliche
Uebergänge von der größten Helligkeit zur Dunkelheit als auch allmähliche Uebergänge
geſtatten; dieſe Anforderungen ſtellt man aber auch an jede einzelne Lampengruppe
(die der einzelnen Couliſſen, Soffitten u. ſ. w.), d. h. man fordert für jede der-
ſelben eine ſelbſtſtändige Regulirung. Hierzu kommen noch die verſchiedenen Farben-
[729] wirkungen, die ebenſowohl mit einer als auch mit mehreren Gruppen durchführbar
ſein ſollen. Die Regulirung der Lichtſtärke erfordert daher verhältnißmäßig com-
plicirte Apparate. Dieſe wurden für die Theater in München und Stuttgart nach
dem Muſter jenes Regulators hergeſtellt, welcher auf der Verſuchsbühne der
Münchener elektriſchen Ausſtellung in Verwendung ſtand. Fig. 527 ſtellt denſelben
in perſpectiviſcher Anſicht dar und Fig. 528 iſt das Schema eines Elementes. Er
beſteht im Weſentlichen aus einer Reihe von Hebeln M, deren jeder in einer ver-
ticalen Ebene über eine größere Anzahl von im Kreiſe angebrachten Contacten
geführt werden kann. Der zu regulirende Stromkreis (z. B. die Lampen einer Soffitte)
iſt einerſeits mit dem Hebel M, andererſeits mit dem Contacte x verbunden. Nimmt
daher der Hebel M eine derartige Lage ein, daß er mit x in Berührung ſteht, ſo iſt
gar kein Widerſtand eingeſchaltet und die Lampen brennen in voller Stärke. Bei
der gezeichneten Lage des Hebels ſind jedoch ſämmtliche Widerſtände zwiſchen x

Figure 531. Fig. 527.

Bühnenlicht-Regulator.


und A B eingeſchaltet; der bei a zufließende Strom kann nicht über x durch den
Hebel M nach b abfließen, ſondern muß vielmehr erſt die Widerſtände bis A B
durchfließen. Da man in ſolcher Weiſe durch Drehen des Hebels M den Wider-
ſtand nach Belieben verändern kann, hat man es hierdurch in ſeiner Macht, auch
die Lichtſtärke der Lampen des betreffenden Stromkreiſes beliebig zu ändern. Sollen
mehrere oder alle Hebel gleichzeitig bewegt, d. h. mehrere oder alle Lampengruppen
gleichzeitig regulirt werden, ſo zieht man die betreffenden Hebelgriffe heraus,
wodurch ſie mit einem horizontalen Rahmen in Verbindung kommen, der ſie alle
gleichzeitig dreht, ſobald er durch ein Handrad (ſiehe Fig. 527) in Bewegung geſetzt
wird. Die in München und Stuttgart in Verwendung ſtehenden Apparate ſind
noch mit einer Vorrichtung verſehen, durch welche ein momentanes, helles Auf-
leuchten der Lampen erzielt, d. h. die Blitzerſcheinung nachgeahmt werden kann.
Mit jeder Lampenſerie correſpondirt eine Handhabe N (Fig. 528), durch welche
ein Contact zwiſchen der Feder L und dem Contactſtücke D hergeſtellt werden
[730] kann. Hierdurch wird der Widerſtand, welcher ſich vorher in der betreffenden
Lampenſerie befand, einige Augenblicke ausgeſchaltet und dieſe leuchten daher blitz-
artig auf.


Beſondere Vorſorge muß noch für den Fall getroffen werden, daß eine große
Anzahl von Lampen gleichzeitig gelöſcht wird, weil ſonſt die übrigbleibenden Lampen
zu viel Strom erhalten könnten. Bei den nach Ediſon’s Syſtem ausgeführten Anlagen
wird zu dieſem Behufe der Maſchinenwärter vorher durch ein Glockenſignal auf-
merkſam gemacht und führt dann mit Hilfe eines Rheoſtaten (E in Fig. 525)
Widerſtand in den Stromkreis der Elektromagnete ein. In Stuttgart zeigt man

Figure 532. Fig. 528.

Bühnenlicht-Regulator.


die Schwächung des Stromes durch das Entzünden einer grünen, das Strom-
verſtärken durch jenes einer rothen Lampe von der Bühne aus dem Maſchinen-
wärter an.


Farbiges Licht bringt Obermaſchinenmeiſter Lautenſchläger in München
dadurch hervor, daß ſämmtlichen Lampen der betreffenden Gruppe rothe oder grüne
Gelatineſchirme vorgeſchoben werden; auch für die Theater in Stuttgart und Mailand
wurde dieſes Princip angenommen. Fig. 529 zeigt Lautenſchläger’s Anordnung
für eine Rampe. An dem Eiſenrohre T iſt der Reflector R befeſtigt, der mit
ſeinem unteren horizontalen Theile die Glühlichtlampen trägt. Das Rohr ruht mit
ſeinen Enden auf den kurzen Seitenwänden eines Holzkaſtens (oder einer Metall-
röhre) auf, deſſen Deckel C C' zur Hälfte nach der einen und zur Hälfte nach der
[731] anderen Seite zurückgeſchlagen werden kann, je nachdem die Lampen nach der einen
oder anderen Richtung hin leuchten ſollen. Die Lampen mit dem Reflector können
nämlich durch Drehen des Rohres T mit der Handhabe M beliebig gedreht und
dann durch die Schraube B feſtgeſtellt werden. Die Kreisſcheiben P P dienen zum
Aufſetzen eines Gelatinecylinders G G; dieſer iſt in einem Drittel ſeines Umfanges
offen, im Uebrigen aber in der gewünſchten Weiſe aus farbigen Gelatineſtreifen
zuſammengeſetzt. Licht verſchiedener Färbung wird dann in der Weiſe hervorgebracht,

Figure 533. Fig. 529.

Farbenrampe nach Lautenſchläger.


daß man dieſen Gelatinecylinder durch Drahtſeile und Rollen in entſprechender Weiſe
dreht. Obermaſchineninſpector Brandt in Berlin läßt hingegen die Lampen jeder
Gruppe in drei getrennten Stromkreiſen brennen, von welchen der eine weiße, der
zweite grüne und der dritte rothe Lampen enthält. Dies
geſtattet allerdings eine bequeme Farbenregulirung von
einer Centralſtelle aus, was bei Lautenſchläger durch die
Drahſeile erſchwert wird, vertheuert aber die Anlage ſehr
erheblich, da eben die Bühne dreimal ſo viele Lampen
erfordert.


Auch das Brünner Theater bringt die Farbeneffecte nach
Brandt’s Methode hervor. Das Nationaltheater in Budapeſt
erhielt durch die Firma Ganz \& Cie. ſeine Beleuchtungsanlage,
bei welcher vier Wechſelſtrom-Maſchinen (vergl. Seite 408) die
nöthigen Ströme liefern. Die Farbeneffecte werden hierbei
gleichfalls durch dreifache Stromkreiſe für jede Lampengruppe
hervorgebracht, und zwar in der Weiſe, daß immer eine Serie
von Lampen unbedeckt bleibt, die zweite durch rothe und die
dritte durch grüne Glasplatten bedeckt wird, wie dies Fig. 530
erkennen läßt. Die Verwendung der Wechſelſtrom-Maſchinen mit
je zwölf voneinander unabhängigen (alſo im Ganzen 48) Strom-
kreiſen ermöglicht in dieſem Theater die von den Inſtallationen

Figure 534. Fig. 530.

Farbenrampe.


anderer Theater vollkommen verſchiedene Art der Lichtſtärkeregulirung ohne Einſchaltung von
Widerſtänden. Jede Lampengruppe wird nämlich dadurch in Thätigkeit geſetzt, daß ihr die
Ströme einer beſtimmten Anzahl von (den 48) Stromkreiſen, deren jeder gewiſſermaßen eine
ſelbſtſtändige Stromquelle bildet, in paralleler Schaltung zugeführt werden. So werden
z. B. die Lampen des Auditoriums durch neun ſolche Stromquellen geſpeiſt und können daher
in neun verſchiedenen Helligkeitsgraden brennen, je nach der Zahl der durch die Stellung
eines entſprechenden Umſchalters eingeſchalteten Stromquellen. Die Rampen und die
Soffitten erhalten 21 Ströme, welche durch einen Commutator ſo geſammelt und ver-
theilt werden, daß man beliebig jede einzelne Partie der Lichter oder alle insgeſammt
reguliren kann.


[732]

Zur Nachahmung von Naturerſcheinungen oder für beſondere Lichteffecte
ſtehen gegenwärtig auf den größeren Bühnen eine Reihe von Apparaten in Ver-

Figure 535. Fig. 531.


Figure 536. Fig. 532.

Projections-Apparat für
Sonnenaufgang. Perſonenbeleuchtung.


Figure 537. Fig. 533.

Apparat zur Darſtellung des Regenbogens.


wendung, von welchen einige erwähnt werden ſollen. So zeigt Fig. 531 jenen
Apparat, welchen Duboscq zur Darſtellung des Sonnenaufganges in der Oper
„der Prophet“ angab. Der ganze Apparat beſteht aus einem Regulator von Foucault-
Duboscq, welcher mit einem paraboliſchen Hohlſpiegel verſehen iſt. Letzterer bildet
[733] aus den vom Voltabogen ausgehenden Lichtſtrahlen ein paralleles, cylindriſches
Strahlenbüſchel, welches, auf einem transparenten Schirme aufgefangen, eine hell
beleuchtete Kreisſcheibe erzeugen muß, die man durch Bewegen des Apparates
gleichfalls bewegen kann. In der Oper bildet eben die den Himmel darſtellende
Leinwand dieſen Schirm. Der gewöhnliche Apparat, der zur Beleuchtung einzelner
Perſonen verwendet wird, iſt in Fig. 532 abgebildet. Bei dieſem iſt die elektriſche
Lampe in einer Laterne aus Holz oder Metall eingeſchloſſen und ſendet ihre Licht-
ſtrahlen nur nach einer Richtung, nämlich durch die Linſen aus; eine verſtellbare
Blendung vor der Linſe geſtattet, die Beleuchtung auf eine größere oder kleinere
Fläche auszudehnen. Zur Beleuchtung größerer Flächen verwendet man auch eine
dem in Fig. 531 dargeſtellten Apparate ganz ähnliche Vorrichtung. Die Nach-
ahmung des Regenbogens wird durch die in Fig. 533 dargeſtellte Anordnung

Figure 538. Fig. 534.

Trouve’s leuchtende Juwelen.


erreicht. Das durch eine Linſe in ein Bündel paralleler Strahlen gebrachte Licht
des Voltabogens dringt durch eine die Form des Regenbogens nachahmende
Spalte, gelangt neuerdings auf eine Sammellinſe und tritt hierauf in ein ent-
ſprechend aufgeſtelltes Glasprisma ein, welches, die weißen Lichtſtrahlen in ihre
farbigen Beſtandtheile zerlegend, den Regenbogen erzeugt. (Vergl. Seite 717.) Die
Linſe zwiſchen dem Spalt und dem Prisma hat einerſeits den Zweck, die Licht-
ſtrahlen concentrirt dem Prisma zuzuführen und verſtärkt andererſeits die Krüm-
mung des Regenbogens.


Die Erzielung vollkommen neuartiger Lichteffecte geſtattet die Anwendung von Glüh-
lämpchen kleiner und kleinſter Dimenſionen. Trouvé umhüllt Glühlämpchen, deren Kohlenbügel
einen ſehr geringen Widerſtand beſitzen, mit mannigfachen durchbrochenen Metallfaſſungen und
verſchließt dieſe Oeffnungen mit verſchiedenfarbigen facettirten Glasſtücken (Fig. 534). Der
obere Theil der Umhüllung iſt, wie die Figur, welche eine Haarnadel in Anſicht und Schnitt
darſtellt, erkennen läßt, abhebbar und geſtattet dadurch die Auswechslung eines ſchadhaft ge-
wordenen Lämpchens durch ein neues. Die am unteren Ende austretenden Leitungsdrähte führen
[734] zu einer Batterie, beſtehend aus Zink- und Kohlenſtäben, welche in eine concentrirte Löſung
von doppeltchromſaurem Kali tauchen. Dieſe Batterie iſt in mehrfachen Hartgummikäſtchen
hermetiſch eingeſchloſſen, welche ſammt ihrer Füllung für kleine Nadeln nur 300 Gramm
wiegen und eine Lämpchen zu 2 bis 3 Volts beiläufig 30 Minuten ſpeiſen können. Das
Batteriekäſtchen iſt ein prismatiſches Gefäß von quadratiſcher Grundfläche; die kurzen Kanten
ſind beiläufig 3½, die langen 5 bis 6 Centimeter lang. Im Ballet der neuen Oper
„La Farandole” ſpielen auf den Köpfen der den Geiſtertanz ausführenden Tänzerinnen Irr-
lichter. Dieſe werden durch den in Fig. 535 dargeſtellten Apparat hervorgebracht. Auf einem
Metallreifen, den die Tänzerin auf ihrem Kopfe trägt, iſt ein Glühlämpchen befeſtigt, welches
mit einem kleinen ſternförmigen Metallſpiegel verſehen iſt. Auf dieſem ſind grüne geſchliffene
Glasſtücke befeſtigt, als Nachahmung von Smaragden, die ſammt dem Metallſpiegel das Licht

Figure 539. Fig. 535.

Leuchtendes Diadem.


des Lämpchens reflectiren. Die zwei Elemente, welche zur Speiſung des Glühlichtlämpchens
dienen, ſind in zwei am Gürtel befeſtigten Gefäßen a und b untergebracht. Von hier aus
führen die Leitungsſchnüre durch weiße Schleier verdeckt zu dem am Diadem befeſtigten Glüh-
lämpchen; bei c iſt ein kleiner Stromunterbrecher angebracht, welcher der Tänzerin geſtattet,
das Glühlicht in oder außer Thätigkeit zu ſetzen. Die Batterie beſteht aus Chlorſilber-Elementen
nach Scrivanow (vergl. Seite 500) und iſt in den beiläufig 1½ Centimeter dicken, 4½ Centi-
meter breiten und 6 Centimeter langen Gefäſſen a und b eingeſchloſſen.


Nicht minder wichtig als für Theater und überhaupt öffentliche Locale iſt
die elektriſche Beleuchtung für Fabriken, Werkſtätten und dergleichen;
ſie wird hier immer vortheilhaft zur Anwendung gelangen, wenn größere Räume
durch eine größere Anzahl von Lichtern zu erhellen ſind. Hierbei ſprechen nicht
[735] nur die Koſten häufig zu Gunſten des elektriſchen Lichtes, ſondern auch noch andere
Umſtände. Die Beleuchtung durch Elektricität iſt eine viel ausgiebigere und beſſere
und ermöglicht daher eine leichtere Ueberwachung der Arbeiter, während dieſe ſelbſt
beſſer arbeiten. Ferner machen ſich die ſchlechten Folgen für die Augen des Arbeiters
bei anhaltender Nachtarbeit weniger geltend, indem derſelbe nicht genöthigt iſt, ſein
Auge z. B. einmal der ſchwachen Beleuchtung ſeines Werkzeugkaſtens, ein nächſtes-
mal der hellen Beleuchtung ſeines Arbeitsplatzes zu accommodiren. Die auf die
Arbeiter erſchlaffend einwirkende Erhitzung des Arbeitsraumes und die Verſchlech-
terung der Luft durch die vielen Sauerſtoff verzehrenden Flammen iſt gänzlich ver-
mieden. In hohem Grade geſundheitsſchädlich wirkt die Gasbeleuchtung in Druckereien,
lithographiſchen Anſtalten und ähnlichen Localen, wo die heißen Flammen unmittel-
bar über dem Kopfe des Arbeiters angebracht ſind, deſſen Auge austrocknen und
noch überdies dadurch ganz abnorm in Anſpruch nehmen, daß der in ſolchen
Räumen nie zu vermeidende Luftzug die Flamme zum Flackern, alſo einem ſtän-
digen Wechſel der Lichtintenſität veranlaßt. Dieſe ſehr bedeutenden ſanitären Uebel-
ſtände werden noch erhöht, wenn der Arbeiter mit verſchiedenen Farben hantiren
muß, wie dies nicht nur in den genannten Ateliers, ſondern z. B. auch in Kattun-
druckereien und dergleichen der Fall iſt. Ganz abgeſehen davon, daß gewiſſe Arbeiten
bei Gasbeleuchtung nicht ausgeführt werden können, weil dieſe beſtimmte Farben-
nuancen nicht zu unterſcheiden geſtattet, wirkt das Flackern der Gasflammen ſtörend
für die Beobachtung des Druckes und erzeugt Augenleiden. Die Arbeiter ſehen oft
ſtundenlang nach vollendeter Arbeit noch immer das Zucken der Flammen vor ſich
— eine Folge der überreizten Nerven. Alle dieſe, namentlich vom humanitären
Standpunkte aus ſehr bedauerlichen Uebelſtände werden beſeitigt, durch Anwendung
des elektriſchen Glühlichtes.


Für eine andere Kategorie von Fabriken erweiſt ſich die Einführung der
elektriſchen Beleuchtung deshalb ſehr vortheilhaft, weil ſie feuerſicher hergeſtellt
werden kann. Iſt dies ein nicht zu unterſchätzender Vortheil für alle Räume, in
welchen überhaupt leicht brennbare Stoffe vorhanden ſind, ſo gewährt dies die
einzige Möglichkeit, bei künſtlicher Beleuchtung zu arbeiten in jenen Räumen, in
welchen exploſive Stoffe bereitet werden, wie z. B. in Pulverfabriken.


Die Druckerei der Gebrüder Jaenecke in Hannover wurde vor ungefähr fünf Monaten
durch Uppenborn und Gackenholz mit einer elektriſchen Beleuchtungsanlage verſehen. In
derartigen Etabliſſements haben namentlich die Setzer, welche über ihren Setzkaſten gebeugt
die Lampen mit der Stirne nahezu berühren, ſehr von der Hitze der Flammen zu leiden.
Dieſer Umſtand war es eben, welcher die Gebrüder Jaenecke zur Einführung der Beleuchtung
mit Ediſon-Glühlichtlampen veranlaßte. Die Maſchinenanlage umfaßt drei Schuckert’ſche
Flachring-Compound-Maſchinen, welche wie überhaupt die ganze Anlage von der obengenanten
Firma hergeſtellt wurden. Eine dieſer Maſchinen iſt im Erdgeſchoſſe aufgeſtellt, wird von
einem Otto’ſchen Gasmotor betrieben und dient als Reſerve. Sämmtliche Maſchinen ſind zu-
einander parallel geſchaltet und zur Vermeidung einer Umkehrung der Pole ihrer Elektro-
magnete mit ihren negativen Bürſten durch kurze Drähte untereinander verbunden. (Siehe
Seite 459: Gramme’ſche Verbindungsweiſe parallel geſchalteter Maſchinen.) Die Stromſtärke
jeder Maſchine kann durch Einſchalten von Widerſtänden in den inducirenden Stromkreis
regulirt werden. Der aus der Maſchine kommende Strom paſſirt zunächſt einen Unterbrecher
mit vier Contacten; derſelbe beſteht aus einem Ebonitcylinder mit zwei Metallcontacten und
je zwei Schleifbürſten auf jedem der letzteren. Der Unterbrechungsfunke wird dadurch in vier
Funken zerlegt und ſomit die Abnützung des Unterbrechers möglichſt verringert. Die Ströme
der Maſchinen gelangen hierauf in zwei Hauptleiter, von welchen aus die Leitungen in die
zu beleuchtenden Räume ausgehen. Zur Sicherung gegen Feuersgefahr ſind an entſprechenden
Stellen Bleieinſchaltungen angebracht Die Leitungen ſind ſämmtlich von einer doppelten Hülle
[736] unverbrennlich gemachter Baumwolle umgeben. Sie wurden an den Decken und an den

Figure 540. Fig. 536.

Maſchinenſaal der Druckerei Gebrüder Jaenecke in Hannover.


Wänden durch Holzleiſten befeſtigt (ſiehe Seite 587), deren Rinnen je fünf Centimeter von-
einander entfernt ſind; zum Schutze der tiefer liegenden Leitungen dienen Holzverkleidungen.


[737]

Die elektriſche Beleuchtung erſtreckt ſich auf die Maſchinenräume, zwei Setzerſäle und
ein lithographiſches Atelier. Hierzu dienen 125 Ediſonlampen à 8 Kerzen, 8 à 10 Kerzen und
4 à 16 Kerzen, und zwar in nachſtehender Vertheilung:

Bei der in Rede ſtehenden Anlage forderte man, daß die Beleuchtungskörper einfach, bequem
und billig ſeien ſowie auch genügende Sicherheit darbieten. Drei Lampen (zu 8 Normalkerzen) dienen
zur Beleuchtung des Mittelganges im Maſchinenſaale; dieſe Lampen ſind einfach an ſenkrecht
an der Saaldecke befeſtigten Gasleitungsröhren angeſchraubt, welche im Innern die Leitungs-
drähte führen und an ihren unteren Enden koniſche Schirme aus Weißblech tragen. Dieſe
Aufhängung der Lampen konnte bei den Preſſen nicht in Verwendung kommen, weil dort bald

Figure 541. Fig. 537.

Lampen im Setzerſaale.


die eine, bald die andere Stelle gut beleuchtet ſein ſoll, d. h. man verlangte bewegliche Lampen.
Dieſer Anforderung wurde in ebenſo einfacher als zweckmäßiger Weiſe Rechnung getragen.
Das vertical von der Decke herabhängende Gasrohr trägt nämlich an ſeinem unteren Ende
eine in Form eines Trapezes gebogene Stange, in welche die Glühlichtlampe mit ihrem
Reflector eingehängt iſt. Fig. 536, welche eine allgemeine Anſicht des Maſchinenſaales giebt,
läßt dieſe Aufhängung deutlich erkennen. Da nun der trapezförmige Lampenträger ſich im
Halbkreiſe um die Gasröhre drehen und die Lampe ſelbſt auf der Baſis des Trapezes ſich
verſchieben läßt, kann man der Lampe innerhalb einer Kreisfläche jede beliebige Stellung
geben. Die Verbindung der Lampe mit der aus der Gasröhre kommenden Stromleitung
beſorgt ein biegſames Kabel. Die großen Preſſen ſind mit einer derartigen Aufhängevorrichtung
für zwei Lampen verſehen. Ferner können beliebige Stellen des Maſchinenraumes durch An-
wendung von Setzlampen beleuchtet werden, wie dies gleichfalls Figur 536 (auf der linken
Seite) erkennen läßt. An jeden der 11 Fenſterpfeiler des Saales ſind nämlich Leitungen zu
Ediſon’ſchen Contactbüchſen geführt, die einer Hand- oder Setzlampe Strom zuführen, ſobald
der Contactſtöpſel, in welchem die an der Lampe befeſtigte Leitungsſchnur endet, in die Contact-
büchſe eingedreht wird. Jeder dieſer Contactſtöpſel enthält zur Sicherung gegen zu ſtarken
Strom einen Bleidraht.


Auch der Setzer verlangt von ſeiner Lampe eine gewiſſe Beweglichkeit; in den beiden
Setzerſälen erhielten daher die Lampen die in Fig. 537 dargeſtellte Anordnung. Die Träger
Urbanitzky: Elektricität. 47
[738] beſtehen aus Holzſäulen, welche auf den Pulten befeſtigt ſind; jede ſolche Säule trägt zwei
auf Gelenkarmen aufgeſchraubte und mit Schirmen verſehene Lampen. Das Leitungskabel iſt
um dieſe Arme geſchlungen. Die Correctoren haben bewegliche Lampen zu ihrer Verfügung,
während die Einrichtung im lithographiſchen Atelier jener im Maſchinenſaale gleich iſt.


Wenngleich die elektriſche Beleuchtung noch nicht zu jener Ausbildung gelangt
iſt, daß man ebenſo wie bei der Gasbeleuchtung von einer oder wenigen Anſtalten
aus die Beleuchtung ganzer Städte beſorgt, ſo nimmt doch die Zahl der Central-
ſtationen für elektriſche Beleuchtung
größerer Diſtricte allmählich zu. Die
erſte große Centralſtation wurde von Ediſon in New-York errichtet; hierauf
folgte die Centralſtation in Mailand. Gegenwärtig iſt eine Centralſtation in Boſton
in Ausführung begriffen, deren Herſtellung die Merchant’s Electric Light and
Power Co
. übernommen hat, ferner beabſichtigt man in Paris und in Berlin
ſolche Centralſtationen zu errichten.


Die Centralſtation in Mailand wurde von einem Comité in’s Leben gerufen,
welches ſich aus den hervorragendſten Banken dieſer Stadt bildete und Giuſeppe Colombo
und Guzzi als Sachverſtändige beizog; der Bericht, welchen dieſe beiden Männer über ihre
Studienreiſen nach Paris und England erſtatteten, veranlaßte das Comité zur Bewilligung
ausreichender Mittel für die Errichtung einer Central-Verſuchsſtation im großen Maßſtabe.
Erſt, wenn dieſe ihre Leiſtungsfähigkeit hinlänglich erprobt haben wird, ſoll eine Geſellſchaft
gegründet werden — gewiß ein Vorgang, der Nachahmung verdient!


Die Centralſtation ſelbſt wurde in der Straße Santa Radegonda errichtet, an Stelle
des alten Theaters gleichen Namens. Dieſe Lage derſelben iſt außerordentlich günſtig, da ſich
in der Galerie Vittorio Emanuele und in der Nähe derſelben die ſchönſten Kaufläden, die
größten Cafés, Theater und Clubs befinden, welche größtentheils die elektriſche Beleuchtung
einführten. Das für die Station aufgeführte Gebäude bedeckt einen Flächenraum von
624 Quadratmeter und beſteht aus drei Stockwerken, von welchen das unterſte drei Meter
unter dem Boden liegt. Dieſer Raum dient zur Aufnahme der Ediſon’ſchen „Dampfdynamos“
(ſiehe S 390) Von dieſen ſind gegenwärtig vier aufgeſtellt und kann jede 1000 bis 1200
Ediſonlampen à 16 Kerzen mit Strom verſorgen, wozu ſie eines Kraftaufwandes von 120 bis
140 Pferdekräften bedarf. Die Armaturen haben einen Durchmeſſer von 0·75 Meter und drehen
ſich mit 350 Touren per Minute. Die Lager aus Weißmetall, in welchem die Stahlaxen
laufen, werden durch ſtändig circulirendes Waſſer kühl gehalten. Die Kühlung der Armaturen
beſorgen auf ſie gerichtete Luftſtröme. Zwei der Lichtmaſchinen werden von Porter Allen-,
zwei von Armington \& Sims-Maſchinen in Bewegung geſetzt. Die Wellen der Dampf-
und Lichtmaſchinen ſind überall direct gekuppelt Sämmtliche Dampfdynamos ſind, wie Fig. 538
zeigt, parallel nebeneinander geſtellt. Der Dampf für die Motoren wird von Babcock- und
Wilcox-Keſſeln geliefert, welche fünf an der Zahl im Stockwerke oberhalb des Maſchinen-
raumes aufgeſtellt ſind. Jeder dieſer Keſſeln kann für zwei Dampfdynamos Dampf liefern*)
und ſind von gußeiſernen Säulen, die auf ſtarken Fundamenten ruhen, getragen. Die Speiſung
der Keſſel beſorgen Körting-Injectoren und eine Pumpe mit Riemenantrieb. Die zum
Betriebe der letzteren dienende Maſchine hat auch ein Centrifugalgebläſe in Thätigkeit zu ſetzen
und befindet ſich in einem gewölbten Raume unterhalb des Hofes. Die Potentialdifferenz der
Ströme wird auf 110 bis 120 Volts conſtant erhalten; bei Thätigkeit aller vier Maſchinen
reſultirt ein Strom von beiläufig 1200 Ampères. Die Stromregulirung wird in der bereits
weiter oben beſchriebenen Weiſe durch Ein- und Ausſchalten von Widerſtänden, die im ſelben
Raume wie die Dampfdynamos untergebracht ſind, bewerkſtelligt; daſelbſt iſt auch ein Probir-
apparat für 1500 Lampen aufgeſtellt. Die Maſchinen ſind zu einander parallel geſchaltet und
werden alle gemeinſchaftlich regulirt, um ſtets eine für alle Maſchinen gleichmäßige Regulirung
zu erhalten. Von den zwei Leitern aus, welche die Bürſten der Maſchinen verbinden, findet
die Stromvertheilung in die Hauptleitungen ſtatt. Die Leitungen ſind in der bereits beſchriebenen
Weiſe unterirdiſch geführt Eine Hauptconſumſtelle bildet das Theater de la Scala, in
welchem gewöhnlich 1600 Lampen in Thätigkeit ſind, während bei den Aufführungen des „Don
Carlos“ von Verdi ſogar 2062 benützt wurden. Die Leitung zu dieſem Theater iſt ungefähr
[739] 400 Meter lang und deren Stärke ſo berechnet, daß der Spannungsverluſt acht Volts nicht

Figure 542. Fig. 538.

Centralſtation für elektriſche Beleuchtung in Mailand.


überſchreitet. Die Beleuchtungsanlage functionirt dort ſeit Ende December 1883 zur vollen
Zufriedenheit.


47*
[740]

Von unzweifelhaft großer Bedeutung wird die elektriſche Beleuchtung für
Berg- und Tunnelbauten werden. Bei Tunnelbauten größerer Ausdehnung hat
man u. A. mit zwei ſchwer zu überwindenden Hinderniſſen zu kämpfen. Dieſe ſind
die Verſchlechterung der Luft durch die Verbrennungsgaſe der Grubenlichter und
die hohe Temperatur im Erdinnern, welche überdies noch durch die Lampen geſteigert
wird. Die Bohrarbeit ſelbſt wird gewöhnlich durch pneumatiſch betriebene Maſchinen
ausgeführt. Eine combinirte Anwendung der Elektricität zur Beleuchtung, zum
Betriebe der Bohrmaſchine, vielleicht auch zum Betriebe eines Ventilators und der
Förderanlage wird ſich in vielen Fällen vortheilhaft erweiſen. Abgeſehen von der
beſſeren Beleuchtung, iſt das Verunreinigen und Erhitzen der Luft durch die Gruben-
lichter vermieden und an Stelle der großen Raum beanſpruchenden pneumatiſchen
Maſchinen die kleine elektriſche geſetzt. Auch würden die elektriſchen Kraftmaſchinen
bei den verhältnißmäßig kurzen Leitungen eine höhere Arbeitsausbeute geſtatten, da
z. B. bei der Bohrung des St. Gotthard-Tunnels die pneumatiſch betriebene
Bohrmaſchine an Ort nur 4 bis 8 Procent Nutzeffect gab. Die Vortheile einer
elektriſchen Beleuchtung bei Berg- und Tunnelbauten ſind in vielen Fällen zu zahl-
reich und augenſcheinlich, um nicht zu einer vielſeitigen Anwendung aufzufordern.
Unſere wackeren Bergleute, die überhaupt ſtets eine offenes Auge für jeden Fort-
ſchritt bewahrten, zögerten auch nicht damit, wie zahlreiche im ununterbrochenen
Betriebe befindliche Inſtallationen beweiſen.


Das öſterreichiſche Salzwerk zu Maros-Ujvár (in Ungarn) umfaßt eine
Fläche von 24.000 Quadratmeter und beſitzt ein Arbeitsperſonale von 400 bis
500 Mann. Die Größe dieſes Werkes veranlaßte bereits im Jahre 1880 eine
Reihe von Verſuchen zur Einführung der elektriſchen Beleuchtung. Da dieſe ein
befriedigendes Reſultat ergaben, beſchloß man die definitive Einführung des elek-
triſchen Lichtes und übertrug dem Vertreter der Firma Siemens \& Halske,
J. Neuhold
, die Ausführung der Anlage. Eine zehnpferdige Locomobile, im
Maſchinenhauſe des Werkes neben der Fördermaſchine aufgeſtellt, betreibt die
Siemens’ſche Lichtmaſchine, ſowie auch die kleine Erregermaſchine. Zur Dampf-
zuführung dient eine für das Locomobil und die Fördermaſchine gemeinſchaftliche
Dampfleitung. Der Antrieb der elektriſchen Maſchinen wird durch Riemen bewirkt
und durch einen empfindlichen Regulator regulirt. Die Geſammt-Lichtintenſität der
fünfzehn Differentiallampen nach Siemens beträgt 4000 Normalkerzen. Da die
volle Beleuchtung nur während der achtſtündigen Arbeitsdauer nöthig iſt, in der
weiteren Zeit aber blos gefördert wird, hierzu aber ſieben Lampen genügen, ſo
iſt die Einrichtung derart getroffen, daß die Hälfte der Lampen ausgeſchaltet
werden kann; die Locomobile arbeitet dann nur noch mit fünf Pferdekraft. Die
Leitungsdrähte, Hin- wie auch Rückleitung, ſind meiſtentheils iſolirt (umſponnen);
in trockenen Theilen der Grube werden jedoch auch nicht iſolirte Drähte verwendet,
dieſe aber auf Iſolatoren in der Art wie Telegraphendrähte befeſtigt. Die Anord-
nung der Leitung und die Vertheilung der Lampen iſt folgende: Aus der Licht-
maſchine gehen zwei Leitungen. Die eine mit iſolirten Drähten iſt in Rinnen gelegt
und befeſtigt und wird unter dem Sturzboden der Saline in die einzelnen Abbau-
kammern geführt, ſenkt ſich 5 bis 7 Meter oberhalb der Sohle und bedient in
jeder Kammer je zwei auf Salzpyramiden ruhende Lampen, welche in je einem
Viertel des Kammerraumes aufgeſtellt ſind, alſo in vier Abbaukammern zuſammen
acht. Die zweite Leitung beſteht aus einem einfachen Leitungsdrahte, welcher, auf
Iſolirglocken geleitet, in je einer Abbaukammer außer den oben genannten je eine
[741] und in der Förderſtrecke außerdem noch drei Lampen bedient, zuſammen alſo ſieben.
Da die Richtung der Förderſtrecke auf die Länge der Kammer vertical iſt, ſo wird,
wenn die vorhin genannten acht Lampen ausgeſchaltet werden, der geſammte Gruben-
raum für die Förderungszwecke hinreichend beleuchtet. Mit der fortſchreitenden Teufe
werden auch die Lampen geſenkt, was ſeit zwei Jahren einmal vorgekommen iſt.
Die Differentiallampen erhalten Kohlenſtäbe von 20 Centimeter Länge und 0·5 Centi-
meter Dicke und erzeugen einen Lichtbogen von 3 bis 4 Millimeter. Während des
Einſetzens neuer Kohlen (nach je vier Stunden) wird der Strom durch einfache
Nebenlampen geleitet.


In der achtſtündigen Arbeitsſchicht werden 56 Stück Kohle conſumirt, per
Tag 84 und per Jahr 25.000. Rechnet man das Stück mit 15 Kreuzer ö. W.,
ſo macht dies im Jahre eine Ausgabe von 3750 Gulden. Die Bedienung der
Lampen koſtet jährlich 500 Gulden, Brennmaterial, Oel und andere zur Wartung
der Maſchinen nöthige Materialien 2000 Gulden. Die elektriſchen Maſchinen bedient
der auch ſonſt nöthige Maſchinenwärter, weshalb dadurch die elektriſche Beleuchtung
mit dieſer Poſt nicht belaſtet wird. Die Geſammtkoſten betragen alſo jährlich
6250 Gulden. Vergleicht man damit die Auslagen für die frühere Talg-, Oel-
und Photogenbeleuchtung, ſo ergiebt ſich, daß die elektriſche Beleuchtung nicht viel
mehr koſtet; hingegen iſt die Beleuchtung beſſer, der Geſundheit weniger
ſchädlich, und dient auch im Falle geringer Ventilation zur Erhaltung einer
reinen Atmoſphäre
, welche früher durch die Grubenlichter aufgezehrt, verun-
reinigt und verraucht wurde. Der Arbeiter leiſtet mehr, die Sicherheit iſt
größer und die Aufſicht leichter
.


Das Blenden der Lichter fällt außer Frage, da der Arbeiter der Sohle zu-
gekehrt, die Lampen nicht ſieht, weswegen auch die matten Schirme oder Glas-
kugeln weggelaſſen ſind. Das ungariſche Miniſterium hat die ganze Einrichtung
um den Preis von 10.000 Gulden angekauft: die Maſchinen arbeiten ſeit ungefähr
drei Jahren ohne Anſtand, und die elektriſche Beleuchtung iſt ſomit als vollkommen
gelungen zu betrachten. Anfangs befürchtete man, daß der empfindliche, zwar in
eine Metallkapſel gehüllte Mechanismus der Lampen durch den unvermeidlichen
Salzſtaub und durch die Waſſerdämpfe leiden würde; die Praxis zeigte aber, daß
man die Lampen halbjährig nur einmal zu reinigen braucht, welche Arbeit ein
Maſchinenſchloſſer verrichtet. Die Arbeiter gewöhnten ſich an die elektriſche Beleuchtung
ſo ſehr, daß ſie in einem Falle, als ſich die Locomobile in Reparatur befand, die
Arbeit bei der alten Beleuchtung nur gezwungen aufnahmen.


Fig. 539 ſtellt einen Theil der elektriſch beleuchteten Grube dar und iſt nach
einer Photographie angefertigt, welche der Verfaſſer durch die Güte des Herrn
Profeſſors H. Höfer, des Redacteurs der „Oeſterr. Zeitſchrift für Berg- und
Hüttenweſen“, erhielt; dieſer Zeitſchrift iſt auch obiger Bericht entlehnt.


Eine zweite Beleuchtungsanlage, über welche die genannte Zeitſchrift berichtet, iſt die
Hütte Gradenberg bei Köflach (Steiermark). Das Walzwerk erzeugt jährlich 50.000 bis
55000 Metercentner fertiges Stabeiſen. Die Adjuſtirung desſelben, d. h. das Geraderichten,
Befeilen der Enden und Binden in Buſchen beſorgt eine Arbeiter-Kür von ſechs Mann und
zwei Jungen. Da der den Einſchlägern zugewieſene Hüttenraum neben den Haupteingängen
der Hütte gelegen iſt, konnte wegen der dort herrſchenden Zugluft keine der gewöhnlichen
Lampenarten befriedigende Dienſte leiſten, ſondern verurſachte ſtändige Calamitäten mit den
Lampengläſern. Es wurden ſchließlich Pechabfälle benützt, die jährlich 180 bis 200 fl. koſteten.
Man führte daher im Herbſte 1881 für den genannten Raum und eine kleine Reparatur-
werkſtätte die elektriſche Beleuchtung ein. Die Ausführung der Anlage übernahm die Firma
Siemens \& Halske. Die Anlage beſteht aus einer Wechſelſtrom-Maſchine mit ihrer Erreger-
[742] Maſchine und vier Differentiallampen. Als Motor dient das oberſchlächtige Waſſerrad (von
6 Meter Durchmeſſer und 1½ Meter Radbreite), welches tagsüber den Antrieb einer großen
Rohſchienen- und Zaggelkaltſcheere beſorgt. Ein doppeltes Vorgelege und entſprechende Leer-

Figure 543. Fig. 539.

Elektriſch beleuchtete Grube im Salzwerke zu Maros-Ujvár in Ungarn.


ſcheiben geſtatten, die Kraft des Waſſerrades auf die Lichtmaſchinen oder auf die Werkmaſchinen
zu übertragen. Von den vier Lampen ſind zwei in einem Abſtande von 15 Meter, 5 Meter
hoch, über dem Einſchlägerraum angebracht, während die übrigen die Reparaturwerkſtätte
beleuchten. Die Lampen ſind ſämmtlich mit Weißblechſchirmen verſehen und können gleichzeitig
alle oder auch nur zwei betrieben werden, ohne den Maſchinengang zu verändern; dies wird
[743] bewirkt durch Einſchalten von Ausgleichswiderſtänden in den Stromkreis der Erregermaſchine.
Die Lampenkohlen haben einen Durchmeſſer von 10 Millimeter, eine Länge von 200 Milli-
meter und brenuen fünf Stunden; eine Glasſeele im Innern der Kohlen compenſirt den
bläulich-violetten Ton des Lichtes. Die Anlage functionirte bereits zwei Winter ohne irgend
welchen Anſtand.


Ein Beiſpiel für die elektriſche Beleuchtung eines Tagbaues bieten die Kupferminen
von Rio Tinto
(Provinz Huelva in Spanien), von welchen „La lumière électrique“ die
in Fig. 540 wiedergegebene perſpectiviſche Anſicht brachte. Der Hügel, auf welchem ſich die
Kupferlager befinden, iſt aus ſtark geneigten Bänken oder Abhängen zuſammengeſetzt. Die
tiefſte Ausweitung dieſer Bänke beträgt 106 Meter. Die Beleuchtungsanlage wurde von dem
Londoner Hauſe Siemens ausgeführt. Von den Maſchinen, welche in dem am Horizonte
links ſichtbaren Maſchinenhauſe aufgeſtellt ſind, werden die Leitungen auf Holzpfoſten fort-
geführt, die in entſprechenden Entfernungen von einander ſo aufgeſtellt ſind, daß ſie die Arbeiter
nicht hindern. Die Lampen ſind größtentheils mit mächtigen Reflectoren verſehen, durch welche
das Licht concentrirt und den Abbauorten zugeſandt wird. Einzelne Lampen brennen auch
ohne Reflector und dienen zur Beleuchtung größerer Flächen, andere erhellen die Werkſtätten
oder werden je nach Bedarf in Thätigkeit geſetzt.


Einer umfangreichen Anwendung erfreut ſich die elektriſche Beleuchtung im Grubenbetriebe
des Mechernicher Bergwerks-Actien-Vereins. Der Grubenbetrieb beſteht hier zum
Theile aus Tagbau, zum Theile aus unterirdiſchem Pfeiler- und Firſtenbau. Mit der Ein-
führung der elektriſchen Beleuchtung daſelbſt wurde nicht nur eine Förderung der Arbeit,
ſondern auch eine Sicherung der Arbeiter bezweckt und erreicht. In dem zuerſt beleuchteten
Tagbaue werden nämlich täglich 400 bis 500 Sprengſchüſſe abgefeuert, während die Nacht
faſt nur zur Förderung des losgeſprengten Geſteines benützt wird. Trotzdem nun den Berg-
leuten ſtrenge befohlen iſt, vor Verlaſſen ihrer Arbeitsſchicht das losgebrochene Geſtein zur
nächſten Förderbahn herabrollen zu machen, damit die Arbeiter der folgenden Schicht nicht
vom herabfallenden Geſtein getroffen werden können, wird dieſe Arbeit doch häufig unterlaſſen,
weil eben der ſchlechten Beleuchtung wegen eine Controle durch das Aufſichtsperſonale nicht
möglich iſt. Der in Rede ſtehende Tagbau, der öſtliche der Geſellſchaft, beſteht aus einer
Weitung, die am oberen Rande eine Länge von 650 und eine Breite von 340 Meter hat,
während ihre Tiefe 104 Meter beträgt. Der Sprengungen wegen konnte man die Lampen
nicht direct vor Ort anbringen, ſondern mußte die Abbauſtellen vom oberen Rande aus durch
Lampen mit Reflectoren beleuchten. Die Inſtallation wurde von der Firma Siemens \&
Halske
ausgeführt und im December 1881 in Betrieb geſetzt. Die Anlage beſteht aus zwei
Lampen à 3000 Normalkerzen, ausgerüſtet mit ovalen Spiegeln; die Ströme liefern zwei
Siemens’ſche dynamoelektriſche Maſchinen, welche in einem von der Grube 500 Meter weit
entfernten Gebäude aufgeſtellt ſind und, wenn nöthig, durch eine dritte erſetzt werden können.
Den Antrieb erhalten die Lichtmaſchinen durch eine eigens hiefür beſtimmte Dampfmaſchine.
Doch kann auch dieſe durch eine noch zu anderen Zwecken dienende Dampfmaſchine erſetzt
werden. Auch die Lampenſtationen haben doppelte Apparate. Die abſolute Sicherſtellung der
Function der Anlage iſt durch den Umſtand geboten, daß ſelbſt eine kurze Unterbrechung der
Beleuchtung für Bergleute und Pferde gefährlich werden kann.


Nach Angaben der Geſellſchaft ſind die mit dem elektriſchen Lichte erzielten Reſultate
vollkommen zufriedenſtellend und wurde auch finanziell ein günſtiges Ergebniß erreicht. Die
Betriebs- und Bedienungskoſten nebſt Zinſen und Amortiſation, zu 15 % gerechnet, ſtellen ſich
per Stunde zu 1 Mark 85 Pfennig. Hierdurch wurden 89 Petroleumlampen und 12 bis 15
Oellaternen erſetzt, die mit Bedienung und Reparatur auf 2 Mark 39 Pfennig zu ſtehen kamen;
ſomit iſt durch die Einführung der elektriſchen Beleuchtung eine Erſparung von 54 Pfennig
per Stunde erzielt.


Dieſe günſtigen Ergebniſſe veranlaßten einen ausgedehnteren Gebrauch des elektriſchen
Lichtes, und zwar beim unter irdiſchen Betriebe. Dieſe Anlage beſteht aus einer Wechſelſtrom
Maſchine ſammt ihrer Erregermaſchine und 10 Lampen à 350 Normalkerzen. Die Licht- und
Dampfmaſchine iſt, wie der Vertreter der Firma Siemens \& Halske, J. Böddinghaus,
welcher die Anlagen inſtallirte, berichtet, über Tag in dem Maſchinenhauſe der Waſſerhaltungs-
maſchine auf Virginia aufgeſtellt. Die Leitung geht von hier aus durch einen Wetterſchacht
bis zu einer Tiefe von 90 Meter auf die erſte Sohle des Bergwerkes, führt eine Strecke
über dieſe und geht dann durch ein Geſenk auf die zweite Sohle, von da aus auf die dritte
und von dieſer zurück zum Ventilationsſchacht. In der Hauptleitung iſt Bleikabel in An-
wendung gekommen. Da des Sprengens wegen die Lampen zeitweiſe entfernt werden müſſen,
beſtehen die Leitungen zwiſchen ihnen und dem Kabel aus beweglicher, mittelſt Guttapercha
[744]

Figure 544. Fig. 540.

Elektriſche Beleuchtung der Kupferminen von Rio-Tinto.


[745] iſolirter Kupferlitze. Die Geſammtleitung iſt nahezu 3000 Meter lang. Eine weitere Anlage
zu 10 Lampen, gleichfalls für den unterirdiſchen Betrieb, iſt in Auftrag gegeben. Ferner
dienen nenn Differentiallampen zur Beleuchtung der inneren und äußeren Räume einer
Bleihütte.


Die Anwendung des elektriſchen Lichtes im Eiſenbahnweſen hat
ſich in kürzeſter Zeit ſo vortheilhaft erwieſen, daß gegenwärtig ſchon beinahe alle
größeren Bahnhöfe elektriſche Beleuchtungsanlagen beſitzen. Die Beleuchtungsanlage
des neuen Centralbahnhofes zu Straßburg dürfte wohl die größte derartige
Anlage bilden. Im Jahre 1880, als dieſer Bahnhof noch im Baue begriffen war,
ließ die Generaldirection der Reichseiſenbahnen von Elſaß-Lothringen bereits Ver-
ſuche mit Wechſelſtrom-Maſchinen und Differentiallampen von Siemens im alten
Bahnhofe anſtellen. Dieſe Verſuche erſtreckten ſich zunächſt auf die Perrons und
Rangirgeleiſe, wurden aber, nachdem hier günſtige Reſultate erzielt waren, auch auf
die Warteſäle, Reſtauration, das Veſtibül und die Güter- und Eilgutſchuppen aus-
gedehnt. Ferner wurde nach der Pariſer Ausſtellung im Jahre 1881 auch das
Glühlicht (Syſtem Ediſon) in die Verſuche einbezogen. Das Reſultat, welches mit
dieſen Probeanlagen erzielt wurde, war ein ungemein günſtiges und veranlaßte die
Generaldirection, das elektriſche Licht unter gänzlicher Verzichtleiſtung auf die Gas-
beleuchtung im neuen Bahnhofe einzuführen.


Beim Entwerfen des Planes für die Beleuchtungsanlage ergab ſich ein Bedarf
von 60 Bogenlichtlampen für den Vorplatz, das Veſtibül, die Hauptwarteſäle mit
Reſtauration, ſämmtliche Perronhallen, Güter-, Zoll- und Eilgutſchuppen und
ſämmtliche Geleiſe; ferner von 400 Glühlichtlampen für die übrigen Räume des
Stationsgebäudes, die Tunnels, Perron-Warteſäle, Toiletten, Poſtanbau u. ſ. w.
und von 800 Lampen für das neben dem Stationsgebäude errichtete Verwaltungs-
gebäude. Die Inſtallirung dieſer Anlage wurde der „Elſäſſiſchen Elektricitäts-
geſellſchaft“ (Ungerer \& Schulze) übertragen. Die Maſchinen, Lampen, Leitungen ꝛc.
für das Bogenlicht lieferten Siemens \& Halske, für das Glühlicht die genannte
Geſellſchaft. Die Lieferung und Aufſtellung der Dampfmaſchinen und Keſſeln über-
nahm die Maſchinenfabrik Carlsruhe in Carlsruhe. Die Eröffnung des neuen
Bahnhofes erfolgte im Auguſt 1883. Die Lage der einzelnen Baulichkeiten und
der Geleiſe, ſowie auch die Vertheilung der Bogenlichtlampen iſt aus der Plan-
ſkizze Fig. 541 zu erſehen.


Die Maſchinenanlage iſt in einem leichten Fachwerkbau, der durch eine Zwiſchen-
wand in zwei Räume getheilt wurde, untergebracht. In der einen Abtheilung ſind fünf Röhren-
keſſel (Locomotiv-Conſtruction) aufgeſtellt, welche den Dampf für die Maſchinen und auch für
die Dampfheizung des Verwaltungsgebäudes liefern. Sie bedürfen zur Erzeugung einer
Pferdekraft 1·7 Kilogramm Saarkohlen zweiter Sorte und erfordern zu ihrer Anheizung
40 Minuten. Ein für alle Keſſeln gemeinſchaftliches Dampfrohr führt in den zweiten Raum
des Maſchinenhauſes, in welchem die Dampf- und Lichtmaſchinen aufgeſtellt ſind. Hier
zweigen auch die Dampfleitungen für die einzelnen Maſchinen und die Dampfleitung ab. Der
Maſchinenraum iſt durch einen Mittelgang der Länge nach abermals in zwei Theile getheilt.
Auf der einen Seite ſind 14 Gleichſtrom-Maſchinen von Siemens, zum Betriebe der 60
Bogenlichter, aufgeſtellt, auf der anderen Seite ſtehen gegenwärtig drei Ediſon-Maſchinen für
je 250 Lampen à 16 Normalkerzen und eine Maſchine für 450 ſolcher Lampen. Auf jeder
Seite ſtehen drei Compound-Maſchinen à 45 Pferdekraft bei 150 Touren in der Minute. Die
zwei Schwungräder jeder dieſer Maſchinen haben Durchmeſſer von 2·2 Meter, dienen gleich-
zeitig als Riemſcheiben und übertragen ihre Kraft durch 200 Millimeter breite Lederriemen
auf die entſprechenden Riemſcheiben der Transmiſſion; der Durchmeſſer dieſer Scheiben beträgt
1·1 Meter, jener der Transmiſſionswellen 80 Milimeter. Das Ausrücken der Dampfmaſchinen
iſt durch Leerſcheiben auf der Transmiſſion und durch eine entſprechende Breite der Dampf-
maſchinen-Riemſcheiben ermöglicht; Schraubenkupplungen geſtatten auch, jede Dampfmaſchine
[[746]]

Figure 545. Fig. 541.

Planſkizze des neuen Centralbahnhofes zu Straßburg.


[747] mit dem zu ihr gehörigen Theile der Transmiſſion allein laufen zu laſſen. Den Strom für
die 60 Bogenlichter liefern, wie bereits erwähnt, Siemens’ſche Gleichſtrom-Maſchinen, und zwar
je eine Maſchine für fünf Lampen (zu neun Ampères und ca. 45 Volts). Zwei ſolche Maſchinen
dienen als Reſerve. Die Maſchinen erhalten durch 90 Millimeter breite Lederriemen von der
Transmiſſion ihre Bewegung und ſind zur Erhaltung der richtigen Riemenſpannung auf Gleit-
ſchienen beweglich montirt. Sämmtliche Maſchinen ſind durch unterirdiſche Leitungen mit einem
Generalumſchalter verbunden, von welchem aus die Leitungen zu den einzelnen Lampenkreiſen
gehen. Die Schaltung iſt aus der in Fig. 542 für 5 Maſchinen und 25 Lampen entworfenen
Skizze zu entnehmen. Die poſitiven Schleifbürſten der Maſchinen ſind mit den Metallſchienen
1 bis 5 des Generalumſchalters +, die negativen Schleifbürſten mit den Metallſchienen
1 bis 5 des Generalumſchalters — verbunden. Die dieſe Metallſchienen unter rechten Winkeln
kreuzenden Metallſchienen ſind von den erſteren iſolirt und ſtehen mit den entſprechenden Polen
der Lampenkreiſe in Verbindung. Je zwei ſich kreuzende Schienen können durch Einſetzen eines
Metallſtöpſels an ihrer Kreuzungsſtelle leitend miteinander verbunden werden. Dieſe Anord-
nung erlaubt die Verbindung jedes beliebigen Lampenkreiſes mit jeder beliebigen Maſchine.
Wollte man z. B. die Lampen des Stromkreiſes B durch die Maſchine 4 mit Strom verſehen,
ſo hätte man im Generalumſchalter + an der Kreuzungsſtelle der Schienen B und 4 einen
Stöpſel einzuſetzen und dasſelbe an derſelben Stelle des Generalumſchalters — auszuführen.


Die Leitungen ſind ſämmtlich unterirdiſch geführt, aber verſchieden für Bogenlicht
und Glühlicht. Zu den Leitungen für erſteres, deſſen einzelne Kreiſe bis zu 1900 Meter lang

Figure 546. Fig. 542.

Schaltungs-Schema.


ſind, iſt überall Siemens’ſches Patentkabel verwendet worden. Dieſes beſteht aus einer Kupfer-
ader (von 2·5 bis 4·1 Millimeter Dicke), welche zunächſt mit einer getränkten Juteumſpinnung
umgeben iſt, über die ein Bleirohr gezogen iſt, welches eine asphaltirte Juteumſpinnung beſitzt,
worauf eine Eiſendrahtumſpinnung zum Schutze gegen äußerliche Verletzung und ſchließlich
abermals eine asphaltirte Juteumſpinnung folgt. Die Länge ſämmtlicher Kabel beträgt 13.000
Meter. Die zur Speiſung der Glühlichtlampen dienenden Ströme gehen zunächſt durch einen
Handregulator zur Erhaltung conſtanter Klemmſpannung und werden dann in den ſchon weiter
oben beſchriebenen Ediſon’ſchen Leitungen (mit Geſammtkupferquerſchnitten von 66 bis
888 Quadratmillimeter) den Glühlichtlampen zugeführt.


Die Lampen für das Bogenlicht ſind Siemens’ſche Differentiallampen für gleich-
gerichtete Ströme mit Kohlen von 11 Millimeter Durchmeſſer bei 380, beziehungsweiſe 200
Millimeter Länge; die Brenndauer derſelben beträgt 10 bis 11 Stunden. Die Vertheilung
der Bogenlichtlampen iſt aus Fig. 541 zu erſehen. Für die Lampen des Vorplatzes ſind
Laternen in der durch Fig. 543 dargeſtellten Form in Verwendung; in den Stationsgebäuden
und in den Perrons ſind ſogenannte Salongehänge (Fig. 544) mit ausbalancirten Flaſchen-
zügen zum bequemen Auf- und Ablaſſen angebracht, während in den Zoll- Güter- und Eil-
guthallen einfache, gußeiſerne (Fabriks-) Gehänge zur Anwendung gelangten. Die Lampen für
Geleiſebeleuchtung beſtehen aus ſechsſeitigen Laternen und dieſe werden durch eigens conſtruirte
umlegbare Maſten getragen Sämmtliche Laternen der Geleiſebeleuchtung haben gewöhnliches
Fenſterglas, die Laternen des Vorplatzes Mattglas und die übrigen Lampen Alabaſterglas-
kugeln von 40 bis 50 Centimeter Durchmeſſer. Der Brennpunkt der Lampen auf dem Vor-
[748] platze befindet ſich 5·5 Meter über dem Boden, im Veſtibül 10 Meter (bei 20 Meter Raum-
höhe), in den Wartſälen 6·5 Meter (bei 10 Meter Raumhöhe), in der Perronhalle im Mittel

Figure 547. Fig. 543.

Laterne für elek-
triſches Bogenlicht.


Figure 548. Fig. 544.

Siemens-Lampe
mit Aufhänge-Vorrichtung.


6·75 Meter, in den Seitenhallen
4 Meter, in den Güter- und Eilgut-
hallen 5 Meter, in den Zollhallen
3·3 Meter und endlich bei der Geleiſe-
beleuchtung 8·5 Meter (bei 100 Meter
Entfernung der einzelnen Lampen
voneinander) über dem Boden. Die
Lampenträger für die Ediſon-Glüh-
lichter lieferten Schäfer \& Hauſch-
ner
, theilweiſe in ſehr luxuriöſer
Ausſtattung. Zum Theile beſitzen
einzelne derſelben Ausſchalter, zum
Theile ſind für ganze Lampengruppen
an entſprechenden Stellen Ausſchalter
angeordnet. Sämmtliche Glühlicht-
lampen ſind für dieſelbe Klemm-
ſpannung conſtruirt und geben theils
16, theils 10 Normalkerzen. Letztere
dienen in Bureaux, Toiletten u. ſ. w.,
die Lampen zu 16 Kerzen für öffent-
liche Raumbeleuchtung. Es läßt ſich
jetzt ſchon ſagen, daß die für 800
Brennſtunden garantirte Dauer der
Lampen in Wirklichkeit eine bedeutend
größere ſein wird.


Der Betrieb der ganzen An-
lage iſt ein vollkommen regelmäßiger
und der damit erzielte Effect ein ſehr
befriedigender. Die Reiſenden wie
auch die Beamten ſprechen ſich
hierüber gleich lobend aus.


Die elektriſche Beleuchtung
von Bahnhöfen bildet jedoch nicht
die einzige Anwendung, für
welche ſich das elektriſche Licht
im Eiſenbahnweſen eignen würde;
die Anwendungen können ſich
vielmehr auch auf das rollende
Material erſtrecken. Wir erinnern
uns, eine Lampe kennen gelernt
zu haben, welche als für Loco-
motiv- und Schiffsbeleuchtung
beſonders geeignet bezeichnet
wurde. Es iſt dies die Loco-
motivlampe
von Sedlaczek-
Wikulill
(Seite 681). Dieſe
Lampe wird mit einem Reflector
verſehen, in eine Laterne, die
am Schornſteine der Locomotive
befeſtigt iſt, eingeſetzt. Die Laterne iſt vorne durch Glimmerplatten gegen den Luft-
zug geſchützt und ein hinter den Glimmerplatten angebrachtes Gitter, aus einigen
Eiſenſtäben beſtehend, verleiht erſteren hinreichende Feſtigkeit. Die Laterne kann vom
[749] Standpunkte des Locomotivführers aus ſeitlich gedreht werden, um beim Befahren
von Curven auch dieſe zu beleuchten. Bei einer Lichtſtärke von 4000 Normal-
kerzen erhellt ſie die Strecke ein bis zwei Kilometer weit, läßt Signale auf ſehr
bedeutende Entfernungen vollkommen ſcharf und deutlich erkennen, beeinflußt die
Farben der Signallichter abſolut nicht und brennt trotz der heftigen Stöße, die
ſie auf der Locomotive erleiden muß, vollkommen ruhig. Den Strom für die Lampe
liefert eine Schuckert’ſche Flachringmaſchine, welche von einer Brotherhood’ſchen
Dampfmaſchine in Bewegung geſetzt wird; letztere bezieht ihren Dampf aus dem
Keſſel der Locomotive und iſt mit der Lichtmaſchine durch directe Kupplung ver-
bunden. Die Lichtmaſchine iſt ſammt der Dampfmaſchine entweder hinter dem
Schornſteine auf dem Dampfkeſſel der Locomotive oder auf dem Geſtelle derſelben
montirt. Letztere Anordnung zeigt Fig. 545.


Figure 549. Fig. 545.

Locomotive mit Sedlaczek’s Lampe.


„Von großem Vortheile,“ ſchreibt Oberingenieur M. Pollitzer in ſeinem Berichte
über die Wiener elektriſche Ausſtellung, „iſt eine ſolche Beleuchtungseinrichtung für Tunnel-
Unterſuchungen und deren Reparatur, für Truppeneinwaggonirungen zur Nachtzeit, bei
dringenden Nachtarbeiten auf und an der Bahn, bei Verkehrsſtörungen und Hilfsfahrten ꝛc.;
nebenbei iſt dies die billigſte elektriſche Beleuchtungsart, welche bisher exiſtirt, ſie entbehrt die
ſeparate Dampferzeugung und deren geſetzlich vorgeſchriebenen Maſchinenwärter, weil hier der
überſchüſſige Dampf der Locomotive und der Locomotivführer zur Verfügung ſtehen, ohne daß
Letzterer von ſeiner eigentlichen Beſtimmung abgelenkt werden würde, da ſich ſeine Arbeit nur
auf die Einſetzung der Kohlenſtäbe und Füllung der Schmiervaſen beſchränkt.“


Schließlich hätten wir uns noch mit der Beleuchtung der Perſonenwagen
durch Glühlicht zu beſchäftigen. Wir wollen jedoch auf ein näheres Eingehen hierauf
verzichten, da diesbezügliche Verſuche zwar ſchon häufig und mannigfach angeſtellt
wurden, aber noch kein befriedigendes Reſultat ergeben haben. Die Schwierigkeit
der Löſung dieſes Problems liegt hauptſächlich darin, daß die Beleuchtung jedes
Wagens unabhängig ſein muß von der Beleuchtung der übrigen Wagen.


Die Anwendungen des elektriſchen Lichtes im Seeweſen erſtrecken
ſich bis nunzu auf Leuchtthürme, Schiffe mit elektriſcher Innen- und Außenbeleuchtung,
[750] Häfen, Docks u. dgl. Was zunächſt die Leuchtthürme anbelangt, ſo iſt zu
bemerken, daß die Anwendung ſolcher, beziehungsweiſe Leuchtfeuer, uralt iſt; ſchon
Homer erwähnt ihrer. In älteſten Zeiten wurde das Feuer durch Holz unter-
halten, ſpäter durch Kohlen, dann benützte man Oel, auch Magneſium und Drum-
mond’ſches Kalklicht ſowie auch Leuchtgas. Wie wir wiſſen, kann durch keine Methode
ſo helles und glänzendes Licht erzeugt werden wie durch den Voltabogen. Es kann
daher nicht wundernehmen, daß man bald verſuchte, das elektriſche Licht auch
auf Leuchtthürmen anzuwenden. In der That wurden auch bereits im Jahre 1857
auf Anregung und unter der Leitung Faraday’s auf dem Leuchtthurme Black-
wall
mit einer Maſchine von Holmes (erſtes Modell) diesbezügliche Verſuche
durchgeführt; ſie fanden ihre Fortſetzung im Jahre 1858 auf South-Foreland
und im Jahre 1862 auf Dungeneß, wo das elektriſche Licht 13 Jahre lang
inſtallirt blieb. Die Ergebniſſe dieſer Verſuche waren, entſprechend dem damaligen
Entwicklungsſtande der elektriſchen Maſchinen und Lampen, keine ſehr günſtigen. Die
Erfolge, welche die Alliance-Maſchine errang, waren erſt wieder im Stande, neuer-
dings die Aufmerkſamkeit auf das elektriſche Licht zu lenken. Dieſe Maſchine wurde
unter Anderem auf dem Leuchthurme la Hève im Hafen von Havre (1863) benützt
und veranlaßte durch ihre befriedigenden Leiſtungen zu neuerlichen Studien und Ver-
ſuchen; es folgte die Inſtallirung des elektriſchen Lichtes auf den Leuchtthürmen
von Gris-Nez und Odeſſa im Jahre 1866, auf South-Foreland im Jahre 1872,
auf Cap Lizard (mit Maſchinen von Siemens) 1878 u. ſ. w.


Die Leuchtthürme unterſcheiden ſich voneinander nicht nur durch die Stärke
ihres Leuchtfeuers, ſondern auch durch die Art der Entfaltung ihrer Leuchtkraft.
In Bezug auf die Stärke des Leuchtfeuers unterſcheidet man Leuchtthürme erſter,
zweiter, dritter u. ſ. w. Ordnung und benützt z. B. Leuchtthürme erſter Ordnung,
alſo mit größtem Leuchtfeuer, an beſonders wichtigen Küſtenpunkten oder Inſeln.
Andererſeits verlangt man von einem Leuchtthurme in einem Falle, daß er ſein
Licht nach allen Richtungen im Kreiſe herum ausſtrahlt, in anderen Fällen, daß
er nur drei Viertel, zwei Drittel u. ſ. w. des Horizontes beleuchtet. Hiernach
unterſcheidet man Leuchtthürme mit ganzem, Zweidrittel-Horizont u. ſ. w. Dem
Schiffer genügt es aber in vielen Fällen nicht, überhaupt Licht zu ſehen, er muß
auch die einzelnen Leuchtthürme, die in verhältnißmäßig geringer Entfernung von-
einander ſtehen, unterſcheiden können. Dies bewirkt man durch die Art, in welcher
die Strahlen nach beſtimmten Richtungen geſandt werden. So unterſcheidet man
in der deutſchen Marine folgende Leuchtfeuer: feſtes Feuer, weiß oder gefärbt,
aber ununterbrochen und von gleichbleibender Intenſität; feſtes Feuer mit
Blinken
, d. h. ein feſtes Feuer, welches in feſtgeſetzten Zwiſchenräumen weiße
oder rothe Blitze giebt und vor und nach dieſen auf kurze Zeit unſichtbar wird;
Wechſelfeuer, ein abwechſelnd rothes und weißes Feuer ohne Verdunklung; Dreh-
feuer
, ſteigt allmählich zur höchſten Intenſität und nimmt ebenſo wieder ab, und
zwar in regelmäßigen Zeiträumen; das Blinkfeuer giebt 1 bis 5 Blinken in der
Minute; das Funkelfeuer zeigt deren mehr; unterbrochenes Feuer dauert
einige Zeit an, verſchwindet dann plötzlich und wird nach einer beſtimmten Zeit
ebenſo plötzlich wieder ſichtbar. Wichtig iſt auch die Tragweite eines Leuchtthurmes,
d. h. die Entfernung, in welcher ſein Leuchtfeuer vom Meere aus ſichtbar iſt. Die
Tragweite hängt ab von der Intenſität des Feuers, der Höhe desſelben über dem
Meeresſpiegel und von der Durchſichtigkeit der Atmoſphäre. Die Tragweite wird
ſehr bedeutend verringert durch Nebel; dieſer vermindert die Tragweite einer Licht-
[751] quelle umſo mehr, je reicher letztere an violetten im Verhältniſſe zu den rothen
Strahlen iſt. Da nun das elektriſche Licht reicher an violetten Strahlen iſt als
das Licht der Oellampen, ſo wird auch erſteres verhältnißmäßig ſtärker geſchwächt.
Vom praktiſchen Standpunkte aus ſpricht dies aber für Seeleuchten nicht zu Ungunſten
des elektriſchen Lichtes, da deſſen dem
Oellichte bedeutend überlegene Geſammt-
Intenſität auch unter allen Umſtänden
erſterem eine erheblich überlegene Trag-
weite ſichert.


Wir erwähnten oben der verſchiedenen
Arten der Lichtentſendung und wollen nun die
hierzu angewandten Mittel kennen lernen. In
früherer Zeit bediente man ſich hierzu der
Hohlſpiegel, welche den concentrirten Lichtſtrahl
in die gewünſchte Richtung ſandten. Man
ging jedoch bald hiervon ab, da die Erfahrung
zeigte, daß ſolche Metallſpiegel unter dem
Einfluſſe der Atmoſphäre in verhältnißmäßig
kurzer Zeit erblinden. An Stelle dieſer katoptri-
ſchen Apparate ſind daher gegenwärtig aus-
ſchließlich dioptriſche Beleuchtungsapparate in
Verwendung, d. h. Apparate, die aus Glas-
linſen und Prismen zuſammengeſetzt ſind, und
zwar in der Weiſe, wie es der berühmte
Phyſiker Fresnel zuerſt lehrte. Der Fresnel’ſche
Apparat, deſſen Größe von der Lichtſtärke der
dazu gehörigen Lampe und von ſeiner ſpeciellen
Beſtimmung abhängt, beſteht aus einer Anzahl
kreisförmig angeordneter Glaslinſen und Pris-
men (Gürtellinſen und Prismenringen). Dieſe
umgeben die Lampe nach allen Seiten und
werden in ihrer gegenſeitigen Lage zueinander
durch Metallfaſſungen feſtgehalten. Derartige
Apparate wurden früher faſt ausſchließlich von
der Firma Sautter-Lemonnier \& Cie.
verfertigt, während neuerer Zeit auch die
Firma E. Kraft \& Sohn in Wien ſich damit
beſchäftigt. Die letztgenannte Firma hat bereits
für mehrere öſterreichiſche Seeleuchten die
Apparate, welche von der Pariſer Conſtruction
etwas abweichen, geliefert.


Fig. 546 ſtellt den optiſchen Apparat
dar, welcher von der Pariſer Firma für den
Leuchtthurm auf der Inſel Razza (Bai
von Rio Janeiro) geliefert wurde. Das Leucht-
feuer dieſes Thurmes iſt ein Blinkfeuer, be-
ſtehend aus zweimal Weiß und einmal Roth
mit 15 Secunden Intervallen. Unterhalb der
Laterne, welche einen Durchmeſſer von 3·5 Meter
beſitzt, befindet ſich der Motor, der das Drehen
des Leuchtfeuers zu bewerkſtelligen hat. Er

Figure 550. Fig. 546.

Optiſcher Apparat des Leuchtthurmes.


überträgt ſeine Bewegung durch das Rohr p p und entſprechend angebrachte Zahnräder. Durch
den Hebel bei A kann der optiſche Apparat, wenn nöthig, ausgerückt, alſo in ſeiner Drehung
gehemmt werden. Die Schrauben G dienen zur Centrirung des Apparates. Da das Licht
eines Leuchtthurmes abſolut nicht verſagen darf, ſind dementſprechend ſowohl bei den elektriſchen
und Dampfmaſchinen, als auch bei den Lampen entſprechende Vorſichtsmaßregeln getroffen.
Sollte die elektriſche Lampe verſagen, ſo kann ſie in einfacher und raſcher Weiſe durch eine
[752] Reſervelampe erſetzt werden. Das Lampenplateau iſt nämlich um eine verticale Axe derart
drehbar, daß, wie die Figur deutlich zeigt, durch eine Drehung um dieſe Axe die linksſeitige
Lampe an Stelle der unbrauchbar gewordenen gebracht werden kann. Um allen Eventualitäten
vorzubeugen, iſt überdies noch eine Oellampe auf einem ſeitlichen Träger angebracht, der
ebenfalls durch eine einfache Drehung die Lampe an die richtige Stelle zu bringen geſtattet.
(Die Oellampe iſt in die Figur punktirt eingezeichnet.)


Den elektriſchen Strom für das Leuchtfeuer liefern zwei Gramme’ſche Gleichſtrom-
Maſchinen, von welchen jedoch eine zum normalen Betriebe genügt und die zweite nur als
Reſerve dient. Als Motoren werden zwei zehnpferdige Dampfmaſchinen von Chaligny benützt.
Auf den franzöſiſchen Seeleuchten ſtanden früher und ſtehen theilweiſe heute noch Alliance-
Maſchinen in Verwendung, während man gegenwärtig magnetelektriſche Maſchinen von
Méritens vorzieht. Man glaubte früher überhaupt nur Wechſelſtrom-Maſchinen vortheilhaft
benützen zu können, wegen der Anwendung der optiſchen Apparate, für welche man die Gleich-
ſtromlichter wegen ihrer der Haupſache nach mehr einſeitigen Lichtſtrahlung als ungeeignet
erachtete; der Leuchthurm auf der Inſel Razza widerlegte jedoch dieſe Anſicht. Die Regulatoren,
welche in Frankreich zur Anwendung gelangen, ſind Serrin’ſche Lampen (großes Modell).


Die Leuchtthürme von la Hève ſtehen auf einem hohen Felſen des Caps gleichen
Namens und beſitzen daher ſelbſt eine verhältnißmäßig geringe Höhe, während der Leuchtthurm
von Planier (acht Seemeilen vom Hafen von Marſeille) 60 Meter hoch iſt. Die beiden erſt-
genannten Leuchtthürme ſind vierſeitige Thürme, welche beiläufig 60 Meter voneinander ent-
fernt ſtehen. Zwiſchen ihnen befindet ſich ein Gebäude, welches den Maſchinenraum und die
Wohnungen für die Wächter enthält Im Maſchinenraume ſtehen vier Alliance-Maſchinen, von
welchen je zwei für das Leuchtfeuer eines Thurmes beſtimmt ſind. Zum normalen Betriebe
genügt jedoch je eine Maſchine, indeß die zweiten als Reſerve dienen. Ein einfacher Umſchalter
geſtattet, den Strom der einen oder anderen oder auch beider Maſchinen der Lampe eines
Thurmes zuzuführen. Die gleichzeitige Benützung beider Maſchinen erfolgt, wenn große Stürme
die Erhöhung der Leuchtkraft nothwendig machen. Jeder Leuchtthurm iſt, übrigens wie ſich
herausgeſtellt hat, mit unnöthiger Vorſicht, mit vier Lampen verſehen. Der optiſche Apparat
beſteht nämlich aus zwei unmittelbar übereinander befindlichen Etagen und für jede derſelben
ſtehen zwei Lampen zur Verfügung. In jeder Etage laufen unter einem ſpitzen Winkel zwei
Geleiſe zuſammen, auf welchen die Lampen eingeführt werden können. Man kann alſo entweder
die eine Lampe einer Etage durch die zweite Lampe derſelben Etage in kürzeſter Zeit erſetzen
oder auch die Lampe einer Etage durch die Lampe der anderen Etage. Fig. 547 ſoll den
Anblick dieſer Leuchtthürme bei Nacht wiedergeben.


Einer allgemeinen Anwendung geht das elektriſche Licht auf Schiffen
entgegen; abgeſehen davon, daß ſämmtliche Kriegsmarinen mit elektriſchen Beleuch-
tungsanlagen bereits ausgerüſtet ſind, beſitzen gegenwärtig auch ſchon viele Schiffe
der Handels- und Verkehrsflotten derartige Einrichtungen. Die Anwendung des
elektriſchen Lichtes kann in zweifacher Weiſe erfolgen, nämlich als Innenbords-
Beleuchtung oder als kräftiges Außenlicht. Letzteres erhellt die Fahrbahn, ermöglicht
dadurch die Einfahrt in ſchlecht markirte oder weniger bekannte Häfen auch bei
Nacht, erleichtert die Arbeiten über Deck, was namentlich bei einer etwaigen Stran-
dung in der Nacht viele Menſchenleben retten kann und verhindert vermöge ſeiner bedeu-
tenden Leuchtkraft Zuſammenſtöße von Schiffen. S. Trott, Capitän des Dampf-
ſchiffes „Faraday“, erzählt in einem im Jahre 1876 in der „Times“ erſchienenen
Berichte ein bezüglich des letzterwähnten Umſtandes intereſſantes Erlebniß. Trott
commandirte einſt das genannte mit einem ſtarken elektriſchen Lichte verſehene Schiff
auf einer Reiſe von New-York nach London, als er in der Nähe der St. George
Bank (an der amerikaniſchen Küſte) am 18. Juli 1876 um 10 Uhr 30 Minuten
Nachmittags während eines dichten Nebels plötzlich den Ton einer Glocke vernahm,
die nahe vor dem Schiffe wüthend geläutet wurde. „Wir hielten ſofort unſere
Maſchinen an,“ berichtet Trott, „und ich befahl, annehmend, es ſei ein Fiſcher, der
vor Anker liege, das Ruder Backbord zu legen. Im ſelben Momente fiel unſer
ſtarkes Licht auf die Segel eines großen Schiffes, welches unſeren Bug ſüdwärts
[753] kreuzte. Es war nur durch dieſe zweite Warnung, durch die wir die Richtung, in
der das Schiff ſteuerte. beſtimmt ſahen und dadurch, daß wir ſchleunigſt Mittel

Figure 551. Fig. 547.

Leuchtthürme von La Hève


ergriffen, um unſeren Curs zu ändern, indem wir unſer Ruder Steuerbord legten,
unſere Steuerbordmaſchine voll Dampf vorwärts und die Backbordmaſchine voll Dampf
rückwärts ſetzten, möglich, daß wir bei nur einigen Fuß klar an dem Schiffe vor-
Urbanitzky: Elektricität. 48
[754] beikamen. … Zweifellos würde der Verluſt an Menſchenleben groß geweſen ſein,
da das Schiff voller Paſſagiere war; das Geſchrei der Weiber und Kinder werde
ich ſobald nicht vergeſſen.“


Daß bei Nebelwetter die gegenwärtig vorgeſchriebene Signaliſirung der
Schiffe vollkommen unzulänglich iſt, zeigt Wächter (in „Die Anwendungen der
Elektricität für militäriſche Zwecke“) in nachſtehender Weiſe. Gegenwärtig ſind vor-
geſchrieben: ein helles weißes Licht an dem Fockmaſte in einer Höhe von 6 Metern,
welches bei dunkler Nacht und klarer Luft auf 5 Seemeilen ſichtbar ſein muß; ein
grünes Licht an der Steuerbordſeite (rechts) und ein rothes Licht an der Backbord-
ſeite (links), welch letztere beiden auf zwei Seemeilen (2 × 1609 Meter) weit ſichtbar
ſein ſollen, klare Luft vorausgeſetzt. Die großen Dampfer fahren aber mit einer
Geſchwindigkeit von 12 Knoten per Stunde (5·3 Meter per Secunde). Es ſind
daher von dem Momente des Erblickens zweier ſich mit gleicher Geſchwindigkeit
begegnender Schiffe bis zum Momente des Zuſammentreffens nur 5 Minuten
Zeit zum Ausweichen gegeben. Bei Nebel dagegen, wo die Sichtbarkeit der Lampen
unter Umſtänden kaum auf 100 Meter reicht, wären bei gleicher Fahrgeſchwindig-
keit nur 10 Secunden Zeit zum Ausweichen gegeben, eine viel zu kurze Spanne
Zeit, um einem Unglücksfalle vorzubeugen.


Hier kann das elektriſche Licht Abhilfe ſchaffen, da es bei hinlänglicher Stärke
auf viel größere Entfernungen hin ſichtbar iſt. Hierbei darf aber nicht überſehen
werden, daß ein kräftiges Licht hauptſächlich bei Nebel wirken muß. Vergleicht man
das elektriſche Licht mit dem Oellichte, ſo zeigt ſich letzteres bezüglich ſeines Reich-
thumes an rothen Strahlen dem erſteren bedeutend überlegen. Nun wiſſen wir
aber, daß der Nebel vorzugsweiſe nur rothe Strahlen durchdringen läßt — er-
ſcheint ja ſelbſt die Sonne durch Nebel geſehen roth — folglich muß das elektriſche
Licht bedeutend heller ſein, als das Oellicht, wenn es bei Nacht ebenſo weit ſichtbar
ſein ſoll. Vielfache Verſuche haben gelehrt, daß bei Nebel erſt ein drei- bis fünf-
mal helleres elektriſches Licht als Oellicht mit letzterem gleichweit ſichtbar iſt. Gegen
den Vorſchlag, nur das Toplicht durch ein elektriſches Licht von etwa 4000 Nor-
malkerzen zu erſetzen, wurden verſchiedene Einwendungen erhoben. Die Schiffsleute
ſollen durch das intenſive Toplicht ſo geblendet werden, daß ſie die lichtſchwachen
Poſitionslaternen nicht mehr unterſcheiden können, was zur Vermeidung von Zu-
ſammenſtößen gerade das Wichtigſte iſt, weil hierdurch die Bewegungsrichtung des
Schiffes erkannt wird. Aus größerer Entfernung kann ein derartiges Toplicht mit
dem Lichte eines Leuchtthurmes oder Schiffes verwechſelt werden. Wenn von mehreren
in Sicht befindlichen Schiffen einzelne elektriſches, andere Oellicht haben, täuſche
die verſchiedene Helligkeit über die Entfernungen. Der letztangeführte Einwand
wird wohl im ſelben Momente hinfällig, als der Gebrauch elektriſcher Signallichter
ein allgemeiner geworden iſt. Die Gefahr einer Verwechslung mit Leuchtfeuern
iſt leicht dadurch zu verhindern, daß man an Orten, wo eine derartige Verwechs-
lung überhaupt möglich iſt, keine „feſten Feuer“ (vergl. Seite 750) anwendet.
Das durch das Blenden erſchwerte Erkennen der Poſitionslaternen kann in ver-
ſchiedener Weiſe behoben werden. Entweder verwendet man auch für die Poſitions-
laternen elektriſches Licht von entſprechender Lichtſtärke oder man beleuchtet gleich-
zeitig die eigenen Maſte und Bramsſegel, wodurch auch die Bewegung des Schiffes
kenntlich gemacht werden kann. Dies läßt ſich durch geeignete Einrichtung der
Projectionslaterne unſchwer erreichen. Die elektriſche Beleuchtung gewinnt noch ſehr
an Bedeutung an Bord der Kriegsſchiffe. Die große Tragweite des elektriſchen
[755] Lichtes ermöglicht die Beleuchtung jedes beliebigen Ortes aus großer Entfernung

Figure 552. Fig. 548.

Anwendung des elektriſchen Lichtes auf Kriegsſchiffen.


und dadurch bei Nacht die Beobachtung feindlicher Poſitionen, die Ueberwachung
48*
[756] des Ufers, erleichtert eine etwaige Landung, geſtattet auch bei Nacht feindliche
Stellungen zu beſchießen und ermöglicht das Austauſchen von Signalen auf die
größten Entfernungen. Die wichtigſte Miſſion des elektriſchen Lichtes wird aber
in einem nächſten Kriege wahrſcheinlich darin beſtehen, die Angriffe der Torpedo-
boote abzuwehren.


Die Torpedoboote, welchen jetzt von allen ſeefahrenden Nationen die größte Aufmerk-
ſamkeit gewidmet wird, ſind Fahrzeuge von 30 bis 40 Meter Länge bei circa 2 Meter Breite
und einem Tiefgange von weniger als 1 Meter. Ihre Fahrgeſchwindigkeit erreicht bis zu
28 Seemeilen pro Stunde. Im Vordertheile des Bootes ſind zwei Lancirrohre angebracht,
durch welche auf pneumatiſchem Wege der Fiſchtorpedo hinausgeſchleudert wird. Dieſer (z. B.
der Whitehead-Offenſiv-Fiſchtorpedo) iſt 4·5 Meter lang bei einem größten Durchmeſſer von
0·356 Meter, der in ſeinen Abtheilungen alle Apparate für die Fortbewegung, Steuerung,
Entladung und Sicherung der Abſender eingeſchloſſen trägt. Er läuft mit einer Geſchwindigkeit
von 22 Seemeilen und genügt, um mit ſeiner Ladung von 25 Kilogramm Schießbaumwolle
das ſtärkſte Panzerſchiff zu zerſtören. Bedenkt man nun noch, daß dieſe kleinen, meiſt ohne
Takelage, mit niedrigem Schornſteine und ohne Rauchentwicklung fahrenden Boote äußerſt
ſchwer zu ſehen ſind, ſo iſt die außergewöhnliche Gefährlichkeit dieſer kleinen, hurtigen Feinde
leicht einzuſehen. Man mußte daher auf Mittel denken, derartige Gefahren abzuwenden. Die
anfänglich aufgetauchte Idee, die Schlachtſchiffe durch ſtarke Netze, die von einem Spieren-
Apparate derart getragen werden, daß ſie das Schiff auf eine Entfernung von beiläufig
8 bis 10 Meter umgeben, zu ſchützen, wird mehr und mehr aufgegeben, da hierdurch die Manövrir-
fähigkeit beeinträchtigt wird und eine durch irgend einen Umſtand herbeigeführte Unordnung des
Netzes zu einer Verwicklung desſelben mit der Schraube führen könnte. Nun kann aber ein
Torpedo-Angriff nur dann gelingen, wenn es dem Torpedoboote gelingt, unbemerkt auf die
nothwendige Entfernung an das Schiff heranzukommen; wird es vor der Lancirung des
Torpedos bemerkt, ſo dürfte es wohl in den meiſten Fällen verloren ſein, da man einerſeits
bei den kleinen, ſchnellfahrenden Torpedobooten auf eine Panzerung verzichten muß, andererſeits
aber die großen Kriegsſchiffe gegenwärtig mit Revolvergeſchützen ausgerüſtet ſind, die ſich
ebenſo durch ihre hohe Treffſicherheit als auch durch ihre außerordentliche Feuergeſchwindigkeit
auszeichnen. Bemerkt alſo ein Schiff die Annäherung eines Torpedobootes und gelangt dieſes
in den Feuerbereich des erſteren, ſo dürfte das Torpedoboot wohl in der Regel in der kürzeſten
Zeit in den Grund gebohrt werden. Die erſte Bedingung einer erfolgreichen Abwehr beſteht
alſo in der Sichtbarmachung des Torpebootes; dies kann aber nur ein kräftiges elektriſches
Licht vermitteln, welches, mit einem entſprechenden Beleuchtungsapparate ausgeſtattet, die
Waſſerfläche im großen Umkreiſe erhellt. Die Unentbehrlichkeit dieſes Vertheidigungsmittels
wurde auch bald erkannt und gegenwärtig ſind daher auch die öſterreichiſche, deutſche, fran-
zöſiſche, engliſche, ruſſiſche, däniſche, ſpaniſche und italieniſche Kriegsmarine mehr oder minder
vollſtändig mit elektriſchen Beleuchtungsanlagen ausgerüſtet.


Der Inſtallirung der Beleuchtungsanlagen auf Kriegsſchiffen gingen vielfältige
Probebeleuchtungen mit den verſchiedenſten Lampen und Maſchinen bei den einzelnen
Marinen voraus. Die am häufigſten verwendete Lichtmaſchine iſt die Gramme’ſche
Gleichſtrom-Maſchine, nur die deutſche Marine hat Siemens-Maſchinen und
unlängſt erhielt das chineſiſche Panzerſchiff „Ting-Yuen“ eine Schuckert’ſche Maſchine.
In der Regel dienen ſchnelllaufende Dampfmaſchinen, deren Wellen mit den Wellen
der Lichtmaſchinen direct gekuppelt ſind, als Motoren und zwar vorwiegend die
Maſchinen von Brotherhood, Dolgoroucki und Abraham. Dieſe Motoren beziehen
ihren Dampf aus dem Keſſel der Schiffsmaſchinen oder beſſer aus einem eigenen
Dampfkeſſel, weil dann auch das elektriſche Licht benützt werden kann, wenn etwa
die Schiffskeſſel nicht in Thätigkeit ſind. Was die Lampen anbelangt, ſo hat man
ſich ziemlich allgemein für die Anwendung von Handregulatoren entſchieden. Es
hat dies darin ſeinen Grund, weil der Mechanismus vieler Lampen entweder bei
großen Schwankungen des Schiffes nicht verläßlich iſt, oder auch nicht in jeder
beliebigen Stellung functioniren kann und weil dieſe immer mit Projectionsapparaten
ausgerüſteten Lichter ohnehin ſtets einer Bedienung brauchen, um den Lichtſtrahl
[757] bei den Bewegungen des Schiffes immer in die gewünſchte Richtung zu dirigiren;
auch ermöglicht der Handregulator viel leichter die Vergrößerung oder Verkleinerung
des Lichtbogens je nach Bedarf. Für Signallichter hingegen iſt der Handregulator nicht
anwendbar, hier würde die Lampe von Sedlaczek-Wikulill ſehr gute Dienſte leiſten.


Die meiſten Kriegsmarinen benützen Handlampen von Sautter, Lemonnier \& Cie.
und Projectoren von Mangin. Dieſe ſind in den Figuren 549 und 550 abgebildet. Die

Figure 553. Fig. 549.


Figure 554. Fig. 550.

Handregulator und Projector von Mangin.


Handlampe iſt auf einer unter 30 Grad gegen den Horizont geneigten Platte des Metall-
gehäuſes g g angebracht. Dieſe Stellung iſt durch die ungleichmäßige Lichtausſtrahlung des
durch gleichgerichtete Ströme erzeugten Voltabogens bedingt. Um die Lampe in Thätigkeit zu
ſetzen, bringt man den oberen Kohlenträger k durch die Gelenke m und n in die gewünſchte
Stellung zur unteren Kohle, verbindet + p und — p (in der Figur gedeckt) mit den Leitungs-
drähten und führt durch Drehen der Doppelſchraube A A durch das Regulirrad B die beiden
Kohlen bis zur Berührung gegeneinander. Hierauf dreht man B in entgegengeſetzter Richtung
und bildet dadurch den Voltabogen Die beiden Kohlen müſſen ſich durch Drehen von B ſtets
in entgegengeſetzten Richtungen bewegen, weil die Schrauben A A mit einander entgegen-
[758] geſetzten Gewinden verſehen ſind. Um den Brennpunkt in conſtanter Höhe zu erhalten, müſſen
ſich die Gewindehöhen beider Schrauben dem ungleichförmigen Abbrennen der Kohlen ent-
ſprechend wie 1 : 2 verhalten. Sollte der Brennpunkt dennoch verſchoben werden, ſo kann
man durch die Schraube C neuerdings die Centrirung bewirken. Das Drehen der Schrauben-
muttern D D' verhindert die ſie durchſetzende Führungsſtange Z Z. Mangin’s Projector
beſteht aus dieſer Handlampe, welche in die gußeiſerne, gut ventilirte Trommel eingeſetzt wird.
Die vom Voltabogen ausgehenden Lichtſtrahlen werden durch den Hohlſpiegel A concentrirt
und durch die an der Vorderſeite bei G angebrachten Glasplatten oder Streuungslinſen
hinausgeſandt. Der Hohlſpiegel A iſt aus Glas und an ſeiner convexen Seite verſilbert.
Der ganze Apparat läßt ſich durch Vermittlung zweier Axen in jede beliebige Stellung
bringen und durch Anziehen entſprechender Hebel darin fixiren. Befindet ſich der Voltabogen

Figure 555. Fig. 551.

Projector von Schuckert.


genau im Brennpunkte des Spie-
gels, ſo ſendet der Projector ein
faſt vollkommen paralleles Licht-
büſchel aus, verſchiebt man jedoch
die Lampe in der einen oder
andern Richtung, ſo erzeugt der
Projector ein geſtreutes oder mehr
centrirtes Licht. Durch Anbringen
der Streuungslinſe erhält man
ein Lichtbüſchel, bei welchem die
Streuung nur nach der Breite
bewirkt iſt. Dieſe Lichtentfaltung
verlangt man ſehr häufig, ſo
z. B. zur Beleuchtung einer Küſte,
Abſuchen des Horizontes, über-
haupt zur Beleuchtung ausge-
dehnter Objecte. Die Wirkung
eines derartigen Projectors zeigt
Fig. 548.


Die bei der öſterreichiſchen
Marine benützten Mangin’ſchen
Projectoren ſind noch mit einem
kleinen Hilfsapparate, dem von
Marine-Ingenieur M. Burſtyn
angegebenen Auxiliar-Pro-
jector
, ausgerüſtet, welcher er-
laubt, unabhängig vom Haupt-
ſtrahle und zur Richtung desſelben
beliebig geneigt, Lichtbüſchel aus-
zuſenden. Dieſer Auxiliar-Pro-
jector beſteht der Hauptſache nach
aus einem Metallrohre, welches
am Mangin’ſchen Projector ſeitlich
angebracht iſt und in welchem ſich
ein nach allen Richtungen hin
beweglicher Planſpiegel befindet.
Dieſer reflectirt dann den Licht-
ſtrahl nach einer beliebigen Richtung und ermöglicht hierdurch die gleichzeitige Beleuchtung
eines vom Hauptſtrahle ſeitlich gelegenen Objectes.


Denſelben Zwecken wie Mangin’s Projector dienen auch die mit Linſenapparaten aus-
gerüſteten Projectoren, wie ſolche von Sautter, Lemonnier \& Cie., Siemens und
Schuckert hergeſtellt werden. Ein derartiger, von Schuckert für das chineſiſche Panzerſchiff
„Ting-Yuen“ gelieferter Projector iſt in Fig. 551 in ſeiner rückwärtigen Anſicht bei ab-
genommener Thüre abgebildet. Die Handlampe iſt, wie die Figur zeigt, in ganz ähnlicher
Weiſe conſtruirt wie die vorbeſchriebene. Die beiden Gleitſtangen ſind oben und unten iſolirt,
ebenſo iſt das untere Gleitſtück von der Schraubenſpindel iſolirt. Der Strom gelangt durch
die Metallmaſſe des Projectors in die Spindel und das obere Gleitſtück, geht durch die obere
und hierauf durch die untere Kohle und wird dann durch das untere Gleitſtück in die rechts-
ſeitige Führungsſtange geleitet, welche mit einem (in der Figur ſichtbaren) biegſamen Kabel
[759] in Verbindung ſteht; dieſes tritt in der Nähe des rechten Drehzapfens des Projectors aus
dieſem heraus und geht durch den gußeiſernen Arm bis zur Klemmſchraube hinab. Durch
Schlittenführung und Mikrometerſchrauben kann die Lampe behufs Centrirung des Lichtbogens
nach oben und unten, vorwärts und rückwärts bewegt werden. Die ganze Laterne kann um
eine horizontale Axe gedreht und grob eingeſtellt werden, wenn man den rechts ſichtbaren
Handgriff lüftet, ſie kann fein eingeſtellt werden durch das gleichfalls rechts befindliche Handrad,
wenn man den Handgriff anzieht. Eine gleiche Einrichtung geſtattet die Bewegung der Laterne
um eine verticale Axe. Die nach rückwärts gehenden Lichtſtrahlen werden durch einen an den
Führungsſtangen der Lampe befeſtigten (in der Figur weggelaſſenen) Spiegel auf die Linſen
geworfen. Die Stellung der Kohlen beim Einſetzen der Stäbe kann durch entſprechend an-
gebrachte Schaulöcher beobachtet werden, während zur Beobachtung des Lichtbogens eine kleine
Camera obscura mit Prisma dient. (In der Figur links ſichtbar.) Vor den Fresnel’ſchen
Linſen kann auch ein Disperſionsglas eingeſetzt werden, welches das Strahlenbüſchel in hori-
zontaler Richtung ausbreitet.


Bei der Anwendung des elektriſchen Lichtes zur Innenbordbeleuchtung
gewinnen die Vortheile desſelben, die Luft nicht zu verderben und die Feuersgefahr
ganz oder doch zum größten Theile auszuſchließen, noch weitaus größere Bedeutung
als bei anderweitigen Anwendungen. Derartige Beleuchtungsanlagen ſind daher
auch ſchon längere Zeit auf zahlreichen (namentlich engliſchen und amerikaniſchen)
Schiffen in ſtändigem Gebrauche. Nachſtehend einige Beiſpiele: Das Packetboot
„City of Richmond“ auf der Inman-Linie wird ſeit 1881 mit Swan-Lampen
elektriſch beleuchtet, die „Servia“ der Cunard-Compagnie mit Lampen von Swan
und Siemens, durch eine Siemens-Dynamomaſchine geſpeiſt, welche durch einen
dreicylindrigen Motor von Brotherhood getrieben wird; der Dampfer „Chateau-
Léoville“ im Dienſte zwiſchen Bordeaux und New-York, Eigenthum einer fran-
zöſiſchen Geſellſchaft, wird mit Swan-Lampen beleuchtet; der Dampfer „Arabic“
von der White-Star-Linie mit Swan-Lampen; die „City of Worcheſter“ der Linie
Norwich hat 270 Ediſon-Lampen; der Dampfer „Daphne“ vom Oeſterreichiſch-
Ungariſchen Lloyd hat ſeit 1881 elektriſches Licht; das Packet-Dampfboot „Antonio
Lopez“ der Transatlantiſchen Geſellſchaft in Barcelona, in England jüngſt gebaut,
hat Swan Lampen, wovon 62 in den Salons und auf den Gängen des Bootes
ſich befinden; das große Packetboot „Auſtral“ der Orient-Compagnie hat Siemens-
Lampen; alle Salons, der Maſchinenraum, die Bureaux und Gänge ſind damit
beleuchtet. Fünf Bogenlichter von Siemens befinden ſich im Maſchinenraum und
vier auf der Brücke, 170 Swan-Lampen brennen in den übrigen Schiffsräumen.
Den Strom liefern zwei Siemens-Wechſelſtrom-Maſchinen. Die Bogenlampen haben
3600 Normalkerzen Lichtſtärke, die Swan-Lampen 3400, zuſammen alſo 7000
Normalkerzen. Die Yacht „Namouna“, das größte und ſchönſte Dampfſchiff von
Amerika, das eigens für den Director des „New-York Herald“, Herrn J. Gordon
Bennet, erbaut wurde, iſt mit 120 Ediſon-B-Lampen von je 8 Normalkerzen
Lichtſtärke verſehen. Die Lichtmaſchine wird durch einen eigenen Motor betrieben,
welcher den Dampf aus den Schiffsdampfkeſſeln erhält. Die Lampen ſind auf die
Cabinen, die Salons und den Maſchinenraum vertheilt. Der große zwiſchen New-
York und Liverpool verkehrende Dampfer „Arizona“ wird durch 300 Swan-
Lampen beleuchtet, für welche zwei Siemens-Gleichſtrom-Maſchinen den Strom
liefern.


Zum Antriebe der letzteren dienen Shark’s Caledonian-Maſchinen, welche,
wie die Fig. 552 zeigt, ihre Kraft durch Seile auf die Lichtmaſchine übertragen.
Letztere ſind auf runden Gleitſtangen, durch Schrauben leicht verſchiebbar montirt,
damit die Seilſpannung ſtets richtig erhalten werden kann.


[760]

Das Packetboot „Normandie“ wurde durch das Londoner Haus Siemens
mit einer elektriſchen Beleuchtungsanlage verſehen. Dieſelbe umfaßt 16 Differen-
tiallampen, welche zur Außenbeleuchtung, im Maſchinen-, Keſſel- und Waaren-

Figure 556. Fig. 552.

Maſchinen zur Schiffsbeleuchtung auf dem Dampfer „Arizona“.


raume verwendet werden, und aus 390 Swan-Lampen zur Beleuchtung der Cabinen,
Gänge und Salons. Die Ströme liefern zwei Gleichſtrom- und eine Wechſelſtrom-
Maſchine, eventuell eine Secundär-Batterie von 50 Faure-Elementen. Jede der beiden
Gleichſtrom-Maſchinen kann 300 Swan-Lampen verſorgen, ſo daß alſo in der
Regel nur eine Maſchine zu laufen braucht, indeſſen die andere die Reſerve bildet.
[761] Die Wechſelſtrom-Maſchine ſpeiſt 90 Swan-Lampen und die 16 Bogenlampen, von
welchen 12 gleichzeitig betrieben werden können. Die Lichtmaſchinen werden durch
eigene voneinander unabhängige Dampfmaſchinen betrieben. Die Secundärelemente
dienen für eine Nothbeleuchtung bei Unfällen oder wenn eine Reparatur nothwendig
werden ſollte und können durch die eine oder die andere Gleichſtrom-Maſchine
geladen werden.


Es bedarf wohl keiner beſonderen Erwähnung, daß das elektriſche Licht auch
der Fluß-Schifffahrt gute Dienſte zu leiſten vermag, ſei es als Außenlicht oder
Innenbordbeleuchtung. Ein Beiſpiel für die Anwendung des erſteren bietet Menier’s
Yacht, welche dank der hellen Uferbeleuchtung durch einen mit elektriſchem Lichte
verſehenen Projector des Nachts leicht und gefahrlos die Krümmungen der Marne
und Seine zwiſchen Paris und der großen Chocolaterie in Noiſiel befahren kann.
Innenbordbeleuchtung durch Glühlichter beſitzen einzelne auf der Donau verkehrende
Schiffe.


Die Anwendungen des elektriſchen Lichtes ſind mit den oben angeführten
Beiſpielen keineswegs erſchöpft; das elektriſche Licht dient in ebenſo vortheilhafter
Weiſe zur Beleuchtung der Häfen, Docks, zu unterſeeiſchen Arbeiten u. ſ. w.


Eine ausgedehnte Beleuchtungsanlage beſitzt z. B. der Hafen von Havre, in
welchen die Schiffe nur zur Zeit der Fluth einlaufen können. Fällt nun von den zweimaligen
Fluthen eine in die Nacht, ſo konnte es geſchehen, daß ein Schiff, welches eben nach der
Tagesfluth ankommt, nahezu 23 Stunden bis zum Eintreten der nächſten Tagesfluth mit dem
Einlaufen in den Hafen warten mußte, da die Dunkelheit während der Nacht dasſelbe nicht
geſtattete. Aus dieſem Grunde ſuchten daher die Schiffer häufig lieber den Hafen von Cher-
bourg auf. Um dies zu vermeiden, entſchloß man ſich, den Hafen in ſeinen wichtigſten Theilen
bei jedem nächtlichen Eintritte der Fluth elektriſch zu beleuchten. Seit 1881 iſt dieſe Beleuch-
tungsanlage thatſächlich ausgeführt und fungirt ſeitdem immer eine Stunde vor Eintritt der
Fluth und eine Stunde darnach. Sie umfaßt gegenwärtig 24 Lampen, die in ſechs Strom-
kreiſen untergebracht ſind. Zwei Dampfmaſchinen à 35 Pferdekraft ſetzen vier ſich ſelbſt er-
regende Wechſelſtrom-Maſchinen von Gramme (Type 2) in Bewegung; eine Gramme’ſche
Maſchine arbeitet gewöhnlich im offenen Stromkreiſe und dient als Reſerve. Von jeder Licht-
maſchine gehen zwei Stromkreiſe aus, die ſämmtlich eine und dieſelbe Anordnung haben.
Fig. 553 iſt das Schema eines ſolchen Kreiſes. M bedeutet die Lichtmaſchine mit ihren
beiden Stromkreiſen C und C', R den in den Stromkreis der Elektromagnete eingeſchalteten
Widerſtandskaſten zum gleichzeitigen Reguliren der elektriſchen Ströme in den beiden Strom-
kreiſen. Die Leitung C führt dann zu den Stöpſeln P P' des Generalumſchalters für ſämmt-
liche Stromkreiſe, wodurch die Möglichkeit geboten wird, beim Untauglichwerden einer Maſchine
ſofort die Reſervemaſchine einzuſchalten. Die von E auslaufende Leitung muß zunächſt den
Widerſtandsrahmen S paſſiren, welcher den Zweck hat, die Stromſtärken der beiden Kreiſe
einer Maſchine gleich zu machen; dies iſt nothwendig, da bei der ungleichen Länge der beiden
Stromkreiſe jeder derſelben eine andere elektromotoriſche Kraft erfordert. Der Leiter L führt
dann zum Stromwechsler H mit zwei Contacten, von welchem aus die Leitung L″ und die
punktirt gezeichnete Leitung zu den Lampen F F F geht. (Der Einfachheit halber ſind nur drei
ſtatt ſechs Lampen gezeichnet.) Die Rückleitung des Stromes erfolgt durch die Leitung L'; in
dieſe iſt ein Elektromagnet A eingeſchaltet, welcher bei normaler Function der Anlage den
Anker D angezogen hält. Wird jedoch der Strom in der Lampenleitung durch irgend eine
Urſache, z. B. das Erlöſchen einer Lampe, unterbrochen, ſo fällt der Anker D ab und ſchließt
bei K einen Contact, mit deſſen Hilfe eine kleine Batterie das Klingelwerk T zum Tönen bringt.


Jede Lampe enthält vier Jablochkoffkerzen mit Kohlen zu 6 Millimeter; nur die
beiden erſten Lampen ſchließen zwei Träger zu je zwei Kerzen in ſich und beſitzen deshalb
auch zwei Rückleitungsdrähte. Im Fuße jedes Candelabers befindet ſich ein Commutator O O'
zu ſechs Platten, welchen der elektriſche Strom paſſiren muß. Dieſe anſcheinend complicirte
Einrichtung hat einen doppelten Zweck: erſtens kann man durch ſie bei normaler Function
der Anlage vom Maſchinenhauſe aus in jedem beliebigen Momente den Strom unter Be-
nützung des Stromwechslers H in die Kerzen 1 oder 2 ſchicken; zweitens können, wenn dieſer
Wechſel vorgenommen iſt, durch Umſtöpſelung in den Commutatoren O O' die Kerzen 3 für
[762] eine etwa durch einen Unfall nothwendig gewordene abermalige Umſtellung des Strom-
wechslers H mit der Leitung in Verbindung geſetzt werden.


Bei Beginn der Beleuchtung geht der Strom durch die Leitung L, den Strom-
wechsler H, die Leitung L″, und da im Commutator O O' durch Stöpſelung keine Ver-
bindung hergeſtellt iſt, in die Kerze 1 der erſten Lampe, von dieſer in die Kerze 1 der zweiten
Lampe u. ſ. w. und fließt durch L', A, P' zur Maſchine zurück. Sind die Kerzen 1 aus-
gebrannt oder aus einer anderen Urſache erloſchen, ſo iſt der Strom in den Leitungen L L'
unterbrochen und die Alarmglocke T ertönt; jedoch genügt die einfache Drehung des Hebels
am Stromwechsler H auf den zweiten Contact, um ſofort die Kerzen 2 an Stelle der
Kerzen 1 zum Brennen zu bringen. Der Strom ſchlägt dann folgenden Weg ein: von L
über H durch die punktirt gezeichnete Leitung in die Kerze 2 der erſten Lampe, von dieſer in
die Kerze 2 der zweiten Lampe u. ſ. w. und kehrt aus der letzten Lampe durch Leitung L zur
Maſchine zurück. Nun geht ein Mann von Candelaber zu Candelaber und verbindet durch
Stöpſelung die beiden oberſten Metallſtücke der Commutatoren O O' und bereitet ſo die Ein-
leitung des Stromes in die Kerzen 3 vor; denn, ſollten die Kerzen 2 erlöſchen, ſo genügt
abermals die Drehung des Hebels am Stromwechsler H (in die erſte Stellung) durch den
von der Alarmglocke aufmerkſam gemachten Maſchinenwärter, um ſofort die Kerzen 3 zu ent-

Figure 557. Fig. 553.

Einfacher Stromkreis der Beleuchtungsanlage in Havre.


zünden. Der Strom nimmt dann folgenden Weg: durch L, L″ in das linksſeitige oberſte
Metallſtück des erſten Commutators O O', durch den Stöpſel desſelben in das rechtsſeitige
Metallſtück, von dieſem zur Kerze 3 der erſten Lampe, dann durch die beiden oberen Metall-
ſtücke des Commutators des nächſten Candelabers und deſſen Kerze 3 u. ſ. w. und endlich
durch die Leitung L' zur Maſchine zurück.


Nach dieſen Beiſpielen wird man leicht den Weg des Stromes für die Kerzen 4 finden
können. Man hat alſo die Möglichkeit, alle vier Kerzen in einer Nacht brennen zu laſſen. Tritt
keine Störung ein, ſo bedarf man jedoch nur zwei derſelben, da die Beleuchtung blos drei
Stunden dauert. Um eine Lampe aus dem Stromkreiſe auszuſchalten, verbindet man das
obere linksſeitige Metallſtück und das untere rechtsſeitige mit den ihnen gegenüberliegenden
Mittelſtücken des Commutators durch Schraubenbolzen.


Wie der eine hier geſchilderte Stromkreis, ſo ſind auch alle übrigen angeordnet.
Sämmtliche Leitungen gehen zum Generalumſchalter E, der, wie auch die mit Ordnungs-
nummern verſehenen Elektromagnete A und Stromwechsler H, alle nebeneinander im Maſchinen-
hauſe angebracht ſind. Fig. 554 geſtattet, ſich eine Idee über den durch dieſe Anlage erzielten
Geſammteffect zu machen.


Die elektriſchen Beleuchtungsanlagen auf Straßen und öffentlichen
Plätzen
haben in Europa gegenwärtig noch keine große Verbreitung gefunden,
[763] indeß ſie ſich in Amerika immer weiter ausbreiten. „Es ſind gerade in dieſem
Jahre (1884) viel mehr Deutſche, als es ſonſt der Fall iſt, in Amerika und auch tiefer

Figure 558. Fig. 554.

Anſicht des elektriſch beleuchteten Hafens von Havre.


im Innern desſelben geweſen und alle berichten, daß die elektriſche Beleuchtung,
und zwar vornehmlich die durch Bogenlicht, dort bereits eine koloſſale Verbreitung
gewonnen hat, und daß nicht nur New-York, ſondern auch kleine angehende Städte
[764] und dieſe dann ausſchließlich und in Menge mit elektriſchem Bogenlichte beleuchtet
ſind. Dieſe Augenzeugen berichten ferner ebenſo einſtimmig, daß das elektriſche Licht
daſelbſt lange nicht die Gleichmäßigkeit und Betriebsſicherheit beſitze wie das bei
uns gebräuchliche, und beiſpielsweiſe das in der Leipzigerſtraße (Berlin). Wenn
man ferner bedenkt, daß elektriſche Straßenbeleuchtungen auf dem europäiſchen
Continente früher entſtanden ſind als in Amerika und daß ſpeciell in Berlin die
heute allein herrſchende Erzeugungsweiſe des elektriſchen Bogenlichtes durch die
Differentiallampe zuerſt und früher zur Durchbildung gelangt iſt als in Amerika,
ſo drängt ſich Einem unwillkürlich die Ueberzeugung auf, daß die verhältnißmäßig
geringere Verbreitung des elektriſchen Lichtes bei uns an anderen Urſachen liegen
muß als wie an dem erzielten Grade ſeiner Vollkommenheit in techniſcher Hinſicht.“


Vor und während jeder Ausſtellung wurden in den betreffenden Städten
die großartigſten Pläne gemacht. Die Iſar ſollte ganz München und noch etliche
Dörfer darüber durch gütige Vermittlung der Elektricität mit Licht und Kraft ver-
ſorgen, und in Wien — nun, warum flöſſe denn gerade hier die große, blaue
Donau vorbei? Es genügt, eine Batterie Maſchinen an ihrem Ufer aufzuſtellen
und etwa die Allgemeine öſterreichiſche Transportgeſellſchaft zu erſuchen, gegen ein
mäßiges Pauſchale den P. T. Conſumenten die mit Elektricität gefüllten Büchſen
in’s Haus zu ſtellen. „Wohin aber ſolche Uebertreibungen führen, kann man heut-
zutage wohl am beſten erkennen an den unmittelbaren Wirkungen derjenigen Ver-
anſtaltungen, bei denen ſie am häufigſten geübt werden, ich meine die internationalen
elektrotechniſchen Ausſtellungen, an welchen die Geſchichte unſerer Zeit ja bereits
ſehr reich iſt. Unterſucht man die Spuren, welche eine internationale elektriſche
Ausſtellung und das mit einer ſolchen verbundene, höchſt unerfreuliche Sichbreit-
machen des Laienthums und des Dilettantismus hinterlaſſen, ſo möchte man aller-
dings zu dem Schluſſe kommen, daß kein Gras mehr wächſt auf einem durch eine
internationale elektriſche Ausſtellung ausgetretenen Boden.“*)


Der erſte größere und auch zeitlich andauernde Verſuch einer Beleuchtung
öffentlicher Straßen und Plätze wurde vom Jahre 1877 an auf dem Opernplatze
und der Avenue de l’opéra in Paris angeſtellt. Wenngleich dieſem Verſuche
als Ausgangspunkt für die Straßenbeleuchtung unleugbar eine gewiſſe Bedeutung
zukommt, ſo konnte man hiervon auf die Dauer doch nicht befriedigt werden, da
die hierbei benützten Jablochkoffkerzen ein zu unſicheres und durch den häufigen
Farbenwechſel unangenehmes Licht gaben. Im Jahre 1879 veranſtalteten Sie-
mens \& Halske
eine Probebeleuchtung in der Kaiſergallerie (Berlin); dieſe iſt
deshalb bemerkenswerth, weil hier zum erſtenmale getheiltes Bogenlicht (unter An-
wendung der Differentiallampe) zur Verwendung kam. Die Differentiallampe er-
möglichte, wie wir wiſſen, durch ihr Regulirungsprincip und die automatiſche
Ausſchaltevorrichtung, die Lampen eines Stromkreiſes voneinander vollkommen unab-
hängig zu machen. Die bei dieſer Probebeleuchtung erzielten Reſultate waren
zufriedenſtellend.


Ohne auf die hierauf folgenden Probebeleuchtungen näher einzugehen, wollen wir unſere
Aufmerkſamkeit einer Beleuchtungsanlage zuwenden, welche gegenwärtig das zweite Jahr
in vollkommen befriedigender Weiſe functionirt. Es iſt dies die Beleuchtung in der
Leipzigerſtraße in Berlin
. Dieſe Anlage umfaßt vier dynamoelektriſche Maſchinen
[765] (von Siemens \& Halske), deren jede 12 Differentiallampen mit Strom verſehen kann. Zum
Antriebe dienten im erſten Probejahre vier Otto-Langen’ſche Gasmotoren à 12 Pferdekraft;
dieſe betreiben ganz unabhängig voneinander je eine Lichtmaſchine. Eine der Lichtmaſchinen
und der dazugehörige Gasmotor ſtehen immer außer Betrieb und dienen nur als Reſerve.
Ein Generalumſchalter erlaubt jedes beliebige Maſchinenſyſtem mit jedem beliebigen Lampen-
kreiſe in Verbindung zu ſetzen. Die ganze Maſchinenanlage iſt in einem Fachwerkbaue am
Durchbruche der Wilhelmſtraße (an der projectirten Verlängerung der Zimmerſtraße) unter-
gebracht. Die Leitungen beſtehen aus drei voneinander unabhängigen Stromkreiſen und ſind
ſämmtlich unterirdiſch geführt. Ihre Längen betragen 1974, 1887 und 1480 Meter. Die Ent-
fernung von dem Maſchinenhauſe bis zu der ihm am nächſten gelegenen Laterne beträgt
350 Meter. Auf eine Rückleitung der Ströme durch die Erde oder durch eine gemeinſame
nicht iſolirte Leitung wurde der hohen Spannung der Ströme wegen verzichtet. Das Kabel
für die Leitungen beſteht aus einer Kupferader von 3·4 Millimeter Durchmeſſer, welche mit
einer imprägnirten Juteumſpinnung, hierauf mit einer Bleiumpreſſung und ſchließlich mit
getheerter Jute verſehen iſt; zum Schutze gegen gewaltſame Verletzungen wurde das Kabel
mit Backſteinen belegt.


Die Vertheilung der Lampen iſt aus der Planſkizze Fig. 555 zu erſehen. Zur Aufſtellung
der Lampen wurden Candelaber benützt von der in Fig. 543 dargeſtellten Form. Die Cande-

Figure 559. Fig. 555.

Planſkizze der Beleuchtungsanlage in der Leipzigerſtraße.


laber der Leipzigerſtraße ſtehen in jeder der beiden Reihen meiſt 7·5 Meter voneinander
entfernt und haben, bis zur Laternenmitte gemeſſen, eine Höhe von 5·5 Meter. 25 Laternen
beleuchten ein 820 Meter langes und 22 Meter breites Stück der Leipzigerſtraße, 11 Laternen
erhellen den Potsdamerplatz. Die Kohlenſtäbe haben einen Durchmeſſer von 11 Millimeter
und eine Brenndauer von 9 Stunden, was genügt, da die Beleuchtung nur bis Mitternacht
zu fungiren hat. Die Leuchtkraft jeder Lampe, gemeſſen mit Beibehaltung des matten Laternen-
glaſes und unter einem Winkel von 30 Graden zur Horizontalen, beträgt 880 Normalkerzen.
Die Stadt Berlin hatte für das erſte Verſuchsjahr 26.040 Mark an die Firma Siemens
\& Halske zu zahlen. Die Selbſtkoſten betrugen im erſten Jahre (vom 20. September 1882
bis 20. September 1883) für Betriebskraft 13.906·41 Mark, für Reparaturen 540·41 Mark,
für Bedienung 3836·34 Mark und diverſe andere Auslagen (Miethe, Feuerverſicherung ꝛc.)
781 Mark. Für Lampenkohlen, zum Ausgangspreiſe gerechnet, wurden 5472·85 Mark gezahlt.
Die Geſammtausgaben betrugen alſo 24.537·01 Mark. Hierzu muß aber bemerkt werden, daß
die ganze Anlage, wie dies ja in der Natur proviſoriſcher Anlagen überhaupt liegt, durchaus
nicht ökonomiſch zu nennen iſt. Schon der Erſatz der Gasmotoren, die übrigens gute Dienſte
geleiſtet haben, durch ein circa 36pferdiges Locomobil, der für das zweite Probejahr bewerk-
ſtelligt wurde, dürfte eine Summe von 8000 bis 9000 Mark erſparen laſſen.


Die techniſchen Ergebniſſe des erſten Probejahres waren vollkommen zufriedenſtellende.
Lampen und Maſchinen zeigten ſich wenig abgenützt, ja ſelbſt die Commutatoren der Maſchinen
bedurften keiner Nacharbeitung oder Abdrehung. Auch die Conſtruction des Leitungskabels hat
ſich bewährt. Hingegen zeigte ſich der Schutz des Kabels durch Backſteinbelegung gegen gewalt-
[766] ſame Verletzung als unzulänglich. Dem kann jedoch durch beſſeren Schutz oder durch Tiefer-
legung des Kabels abgeholfen werden. (Das Kabel wurde bei dieſer Anlage 0·5 Meter
tief gelegt.)


Dammbrüche, Erdabrutſchungen, Bergſtürze, der Niedergang einer Lawine,
der Einſturz einer Brücke u. ſ. w. veranlaſſen häufig unaufſchiebbare Arbeiten.
Von möglichſt raſchem, energiſchem Eingreifen hängt hierbei nicht ſelten das Leben
vieler Menſchen, die Abwehr großer Verluſte ab; es muß auch bei Nacht gearbeitet
werden. Soll dies möglich ſein, ſo muß man für eine hinreichend helle und
ſchnell zu beſchaffende Beleuchtung ſorgen. Die hier geſtellte Aufgabe beſteht alſo
darin, transportable Beleuchtungsanlagen herzuſtellen. Derartige fahrbare

Figure 560. Fig. 556.

Beleuchtungswagen von Sautter, Lemonnier \& Cie.


Beleuchtungseinrichtungen können auch bei militäriſchen Operationen wichtige Dienſte
leiſten, z. B. für Artillerie-Angriffe bei Belagerungen, zur Recognoſcirung des
Vorterrains, zum Signalgeben, zur Beleuchtung ſchwieriger Paſſagen bei nächtlichen
Märſchen, zur Herſtellung zerſtörter Communicationen, für die Pionniertruppen zum
Brückenſchlag, zur Beleuchtung der Schlachtfelder nach der Schlacht behufs Auf-
ſuchung der Verwundeten und Abſchreckung der Leichenräuber u. ſ. w. Die mannig-
fachen Anwendungen, deren eine fahrbare elektriſche Beleuchtungseinrichtung nament-
lich im Kriegsweſen fähig iſt, werden wohl in kürzeſter Zeit zur allgemeinen
Einführung desſelben veranlaſſen. Die franzöſiſche und die deutſche Armee ſind
bereits im Beſitze ſolcher Beleuchtungswagen. Namentlich hatte die franzöſiſche
Armee bereits zur Zeit der Pariſer Ausſtellung (1881) drei Typen derſelben ein-
[767] geführt und ſoll gegenwärtig 40 Apparate größter Gattung, d. h. für eine Licht-
ſtärke von 30.000 Normalkerzen für den Feſtungsdienſt und die Küſtenvertheidigung,
12 Apparate mittlerer Größe (für 19.200 Normalkerzen) und 8 Apparate von
möglichſt leichter Transportfähigkeit (für 12.000 Normalkerzen) beſitzen.


Eine fahrbare Beleuchtungseinrichtung, wie ſie Sautter, Lemonnier \& Cie. bauen,
iſt in Fig. 556 dargeſtellt. Auf dem vierrädrigen Wagengeſtelle befindet ſich ein Field’ſcher
Dampfkeſſel, eine achtpferdige Dampfmaſchine von Brotherhood und eine Gramme’ſche
Gleichſtrom-Maſchine für 12.000 Normalkerzen. Neben der Gramme’ſchen Maſchine iſt ein
Mangin’ſcher Projector, die Kabelrolle und ein Werkzeugkaſten angebracht. Der Projector
iſt jedoch nicht mit dem Wagengeſtelle feſt verbunden, ſondern kann in einer kleineren oder
größeren Entfernung (bis zu 1000 Meter)
ſeparat aufgeſtellt werden. Die deutſche Armee
bedient ſich Siemens’ſcher Maſchinen,
welche von Dampfmaſchinen nach Dol-
goroucki
betrieben werden und mit Siemens-
ſchen Projectoren combinirt ſind.


Verſchieden von den vorerwähnten
Beleuchtungswagen iſt jener von Schuckert
und Mesthaler \& Cie. Bei dieſem iſt
auf einem vierrädrigen Geſtelle eine von der
letztgenannten Firma gebaute Dampf-
maſchine angebracht, die einer Schuckert-
ſchen Flachringmaſchine zum directen An-
triebe dient. Die Lampe (Syſtem Piete \&
Křižik) hingegen befindet ſich auf einem
ſeparaten Wägelchen in einem eigenartigen
Geſtelle befeſtigt. Dieſes bildet nämlich eine
vierſeitige Pyramide, deren Seitenflächen
aus ſcheerenförmig gekreuzten Eiſenſtäben
beſtehen. Letztere ſind an ihren Kreuzungs-
ſtellen und an ihren Enden, welche die vier
Seitenkanten der Pyramide bilden, drehbar
miteinander verbunden. Jede Seitenfläche
bildet alſo eine Art venezianiſcher Blumen-
ſcheere, die zuſammengeſchoben iſt, wenn der
Wagen transportirt werden ſoll (Fig. 557),
und geöffnet wird, wenn die Lampe in
Thätigkeit zu treten hat (Fig. 558). Das
Heben der Lampe, alſo Oeffnen der Scheere,
wird einfach mit Hilfe eines Zahnradgetriebes
und einer Schraube bewirkt. Beim Gebrauche
hängt die Lampe an Seilen, welche über
am oberen Ende des Geſtelles angebrachte
Rollen laufen, während des Transportes

Figure 561. Fig. 557.

Beleuchtungswagen von Schuckert.


ruht ſie in einer in der Mitte des Wagens angebrachten cylindriſchen Faſſung. Das Heben
der Lampe (bis beiläufig 10 Meter) erfordert nicht mehr Zeit als fünf Minuten. Bei einem
gelegentlich der Münchener Ausſtellung ausgeführten Verſuche war der ganze Beleuchtungs-
apparat bereits 20 Minuten nach der Ankunft desſelben auf dem Verſuchsplatze in voller
Thätigkeit.


Es kommen aber auch Fälle häufig vor, wo man keines ſo großen, kräftigen
Lichtes bedarf, ſondern nur eines Lichtes von ganz geringer Leuchtkraft, wobei aber
an das Licht die Anforderung geſtellt wird, daß es in einem kleinen vollkommen
luftdicht abgeſchloſſenen Raume leuchten kann. Solche Lichter können z. B. ſehr
gute Dienſte leiſten in Räumen, welche exploſible oder auch nur leicht entzündliche
Stoffe enthalten, wie etwa Magazine für Sprengſtoffe, Spiritus, Aether u. ſ. w.
Solcher Lichter bedarf man in Kohlengruben, zu den Minenrettungsapparaten u. dgl.
[768] Auch die Heilkunde hat ſich des elektriſchen Lichtes, welches eben obiger Bedingung
zu entſprechen im Stande iſt, bemächtigt, um mit ſeiner Hilfe unzugängliche Körper-
höhlen zu beleuchten und durch directes Sehen zu unterſuchen.


Figure 562. Fig. 558.

Beleuchtungswagen von Schuckert.


Zu den älteſten tragbaren
elektriſchen Lampen, wenn man
dieſen Apparat überhaupt ſo
nennen darf, zählt wohl die von
Dumas und Benoit angegebene
Lampe, welche in Fig. 559 dar-
geſtellt iſt. Sie beſteht aus einer
Geißler’ſchen Röhre, welche in
Spiralform gebogen und zum
Schutze gegen Verletzung in einem
ſtarkwandigen Glascylinder ein-
geſchloſſen iſt. Dieſe Röhre wird
durch einen Inductionsſtrom zum
Leuchten gebracht, welchen ein in
der Ledertaſche befindlicher, durch
zwei gleichfalls daſelbſt unter-
gebrachte Elemente erregter In-
ductionsapparat liefert. (Vergl.
Seite 301 und 310.) Für Räume,
welche explodirbare Gaſe enthalten,
iſt dieſer Apparat jedoch nicht an-
zuempfehlen, ſondern kann hier
ſogar gefährlich werden, da in
Folge der hohen Spannung der
Inductionsſtröme auch bei Be-
obachtung der ſorgfältigſten Iſo-
lirung doch durch irgend einen
Zufall ein Funke entſtehen kann,
der dann das Knallgas zur Ex-
ploſion brächte


Die bis nunzu conſtruirten
transportablen Beleuchtungs-
apparate, beſtehend aus einem
Glühlichtlämpchen, welches von
Accumulatoren, die man in ein
kleines Käſtchen einſetzt, den Strom
erhält, können nur als Spielerei
betrachtet werden und für die
oben angegebenen Zwecke keine
Verwendung finden.


Durch eine ſehr compen-
diöſe Anordnung zeichnet ſich die
tragbare Lampe von Puluj aus,
die in Fig. 560 dargeſtellt iſt
Sie beſteht aus einem kleinen
Holz- oder Ebonitkaſten von 20
Centimeter Breite und 25 Centi-
meter Höhe, in welchem 6 Daniell-
Elemente mit möglichſter Raum-
ausnützung angebracht ſind. Um
den inneren Widerſtand der Elemente zu vermindern, wurden die Thonzellen durch Leinwand-
ſäcke erſetzt. Die Zinke können, wenn die Lampe nicht benützt wird, aus der Schwefelſäure
herausgehoben und an einer unterhalb des Tragbügels befeſtigten Eiſenſtange aufgehängt
werden. An der Vorderwand des Kaſtens iſt in einer einfachen Metallfaſſung eine Glühlicht-
lampe eingeſetzt, welche zum Schutze gegen Verletzung von einem ſtarken Glascylinder umhüllt
wird. Zur Concentrirung des Lichtes kann hinter der Lampe ein kleiner Metallreflector
[769] angebracht werden. Die Lampe entwickelt eine Leuchtkraft von 6 bis 7 Normalkerzen und hat
beim kleinſten Batteriemodelle eine Brenndauer von 6 bis 7 Stunden; dieſes Modell wiegt
im gefüllten Zuſtande 7 Kilogramm. Puluj’s Lampe iſt für viele der oben angedeuteten
Zwecke jedenfalls zu empfehlen, eignet ſich jedoch ſpeciell für Minenrettungsapparate nicht,
weil einerſeits ein zufälliges Umwerfen des Kaſtens wegen des Ausfließens der Batterie-
flüſſigkeiten der Thätigkeit der Lampe ſofort ein Ziel ſetzt und andererſeits das Füllen und
Inſtandſetzen der Batterie wegen ihrer gedrängten Anordnung nicht nur verhältnißmäßig viel
Zeit, ſondern auch eine geübte Hand erfordert.


Für dieſe Zwecke und auch für Taucher dürfte ſich die von F. Wächter angegebene
Anordnung am beſten eignen und auch am verläßlichſten ſein. Die Minen-Rettungsapparate
haben den Zweck, den Eintritt in Minen zu ermöglichen kurz nach ſtattgehabter Exploſion, ſei
es, um etwa durch die Exploſionsgaſe betäubte Arbeiter herauszuholen, ſei es wegen der
Wiederherſtellung eingeſtürzter Theile. Da hierbei die Minengänge mit unathembaren Gaſen
gefüllt ſind, muß der in die Minengänge Eintretende mit einem Athmungsapparate und mit
einer Lampe verſehen ſein, welche in dieſen Räumen brennen kann. Bis vor kurzer Zeit wurden
Petroleumlampen, ausgerüſtet mit einem Luftreſervoir, welches der Mineur mittragen mußte,
verwendet. Dies brachte verſchiedene Uebelſtände mit ſich. Das Luftreſervoir erfordert zu ſeiner

Figure 563. Fig. 559.

Tragbare Lampe von Dumas.


Figure 564. Fig. 560.

Tragbare Lampe von Puluj.


Füllung auf etwa 25 Atmoſphären Druck eine beiläufig halbſtündige Arbeit von vier Mann
und dann brennt die Lampe, wenn ſie geſchickt behandelt wird, circa eine halbe Stunde. Bei
ungeſchickter Behandlung kann leicht ein Verlöſchen der Lampe eintreten. Dies zu vermeiden,
verſuchte man die Speiſung der Lampe durch denſelben Luftzuführungsſchlauch, durch welchen
die außerhalb des Minenganges aufgeſtellte Luftpumpe die zum Athmen nothwendige Luft
herbeiſchafft. Bei dieſer Art der Luftführung erhält jedoch entweder der Mineur zu viel Luft
in ſeine Lungen oder die Lampe zu wenig, und überdies zuckt dann die Flamme bei jedem
Athemzuge, was eine ſchlechte Beleuchtung bewirkt.


Dieſe Erwägungen veranlaßten Wächter zur Conſtruction des in Fig. 561 abgebildeten,
von ihm in nachſtehender Weiſe beſchriebenen Apparates: „Der zur rechten Seite des Soldaten
befindliche Cylinder mit Handhabe ſtellt den Blaſebalg dar, durch welchen die zum Athmen
erforderliche Luft zugepumpt wird. Von dem Blaſebalg führt ein dicker Kautſchukſchlauch, deſſen
Länge bis zu 100 Meter und darüber genommen werden kann, zu dem Leibriemen des Mineurs,
von wo ein dünnerer Schlauch über den Rücken des Mannes bis zum Mundverſchluſſe geleitet
iſt. Die kleine elektriſche Lampe hält der Soldat in ſeiner rechten Hand. Die Lampe iſt in
einen ſtarkwandigen Glascylinder mit Metallfaſſung eingeſchloſſen und kann mittelſt eines
Häkchens auch an den Leibriemen des Mineurs oder eventuell in ein Knopfloch eingehängt
werden. Da das Gewicht der Lampe nur 300 Gramm beträgt, ſo wird der Mineur oder
Urbanitzky: Elektricität. 49
[770] Taucher hierdurch in keiner Weiſe beläſtigt und hat beide Hände zur Arbeit frei. Eine kurze,
einerſeits an dem Leibriemen, andererſeits an dem Gehäuſe der Lampe befeſtigte Seidenſchnur
mit doppelter Metallader ermöglicht die freie Bewegung der Lampe. Die Zuführung des
elektriſchen Stromes geſchieht durch zwei iſolirte Kupferdrähte, welche innerhalb der äußeren
Leinwandumhüllung des Athmungsſchlauches geführt ſind. Um dem Mineur zu ermöglichen,
Signale nach außen zu geben, womit er anzeigen kann, ob er bei dem jeweiligen Tempo des
Luftpumpens nicht zu viel oder zu wenig Luft zum Athmen erhält (was ich für ſehr wichtig
erachte) iſt ferner an dem Gürtel des Mannes ein Taſter angebracht. Sobald auf denſelben
gedrückt wird, ertönt ein elektriſches Läutewerk L, welches an den Kaſten B der galvaniſchen
Batterie (oder an der kleinen Handmaſchine), welche ſich, wie aus der Figur zu erſehen, neben
der Luftpumpe befindet, angebracht iſt. Ebenſo giebt dies Läutewerk automatiſch ein ſehr ener-
giſches Allarmſignal, wenn durch irgend welchen Zufall die Lampe des Mineurs erlöſchen oder
zerbrechen ſollte, und es kann die Glocke nicht früher zur Ruhe gebracht werden, bevor die
entſtandene Störung nicht vollkommen behoben iſt.“


Figure 565. Fig. 561.

Wächter’s Minen-Rettungsapparat.


Als Stromquelle zieht Wächter,
und zwar mit vollem Rechte, eine kleine
Handmaſchine (z. B. Gramme’ſche Ma-
ſchine Seite 368, Fig. 239) jeder Batterie
vor. Die Maſchine iſt ſtets dienſtbereit
und bedarf zu ihrer Activirung gar keiner
Zeit; auch kann nicht leicht ein Verſagen
eintreten. Eine Batterie muß hingegen
erſt gefüllt werden und dann kann in
der Eile leicht eine falſche Schaltung
unterlaufen oder ein Contactfehler ſich
in kurzer Zeit geltend machen. Allerdings
koſtet eine für die gedachten Zwecke
ausreichende Batterie beiläufig nur
20 Gulden, indeß eine entſprechende
Handmaſchine vielleicht 250 Gulden und
mehr koſten kann. Uebrigens meinen wir,
daß in ſolchen Fällen, wo es ſich um
Menſchenleben handelt, der Koſtenpunkt
keine Rolle zu ſpielen hat, umſo weniger
als einerſeits die in Betracht kommen-
den Summen keine bedeutenden ſind,
andererſeits alljährlich viele Millionen
für Kanonen, Gewehre und dergleichen
weniger menſchenfreundliche Dinge aus-
gegeben werden.


Wir möchten an dieſer
Stelle auch die Aufmerkſamkeit
der Feuerwehren, der Leiter oder
Beſitzer großer Kunſtinſtitute
oder Vergnügungsetabliſſements, wie Theater, Concertſäle u. ſ. w., auf
Wächter’s Minen-Rettungsapparat lenken. Der Schlauch könnte hierbei zu
ſeinem Schutze mit einem Asbeſtgewebe umhüllt werden. Die naſſen
Schwämme vor dem Munde eines in ein raucherfülltes Locale eintretenden
Feuerwehrmannes ſind denn doch in vielen Fällen ein ganz unzuläng-
liches und etwas gar zu primitives Mittel!


Die Heilkunde verdankt dem Gebrauche künſtlicher Beleuchtung für ſolche
Körperſtellen oder Höhlungen, welche nicht direct geſehen werden können, weſent-
liche Fortſchritte. Wir erinnern an den Kehlkopfſpiegel, welchen bereits 1840
Liſton benützte, Czermak 1858 einführte, an den Augenſpiegel, mit welchem
Helmholtz zuerſt einen Einblick in den Bau des lebendigen Auges erhielt, u. ſ. w.
Als Lichtquelle für die Beobachtung mit derartigen Inſtrumenten dient das Tages-
licht oder eine entſprechend aufgeſtellte Lampe, deren Lichtſtrahlen etwa noch durch
[771] einen Hohlſpiegel concentrirt werden. Eine zweite Art, den zu unterſuchenden Körper-
theil ſichtbar zu machen, beſteht darin, daß man an Stelle des reflectirten Lichtes
die Lichtquelle ſelbſt einführt; dieſe Art der Beleuchtung ermöglicht nur das elek-
triſche Licht. Sie iſt in der Chirurgie ſchon ſo lange im Gebrauche als die Galvano-

Figure 566. Fig. 562.

Ohren- und Naſenſpiegel.


kauſtik, d. h. die Methode, mit Hilfe eines durch den
galvaniſchen Strom zur Gluth erhitzten Platindrahtes
zu operiren, welche Methode beſonders von Middel-
dorpf
ausgebildet wurde.


Der erſten Methode, nämlich des reflectirten Lichtes,
bedient ſich gegenwärtig u. A. auch Hedinger in Stuttgart,
und zwar vorwiegend zur Beleuchtung des Ohres oder der

Figure 567. Fig. 563.

Frontal-Photophor.


Naſe. Das hierzu von ihm verwendete einfache Apparatchen
iſt in Fig. 562 abgebildet. Es beſteht aus einem kleinen
Hohlſpiegel aus Metall, vor welchem eine feine Platinſpirale
ausgeſpannt iſt; die Enden derſelben ſind mit zwei von-
einander iſolirten Leitungsdrähten verbunden, durch welche
der Strom einer großplattigen Batterie geleitet werden kann.
Wird letzterer geſchloſſen, ſo geräth der Platindraht in Gluth
und ſendet durch den Hohlſpiegel ſein Licht auf die zu beleuch-
tende Stelle. Die Beobachtung derſelben ermöglicht die Durch-
bohrung des Spiegels in ſeinem optiſchen Mittelpunkte. In
jüngſter Zeit wurde für ſtärkere Beleuchtung von verſchiedenen Seiten ein Apparat vor-
geſchlagen, der die Namen Traumatoſkop (R. v. Moſetig-Moorhof), Frontal-Photophor
(Helſt, Dujardin-Beaumetz) und dergleichen erhielt; dieſer in Fig. 563 abgebildete Apparat
beſteht aus einer Glühlichtlampe, die in einen kurzen Cylinder, der vorne durch eine Linſe
und rückwärts durch einen Hohlſpiegel verſchloſſen iſt, eingeſetzt wird. Dieſer kleine Beleuch-
tungsapparat kann durch einen Riemen am Kopfe des Beobachtenden oder auch auf einem
eigenen Träger befeſtigt werden. Der ganze Apparat, wie er z. B. von Iirasko in Wien
49*
[772] verfertigt wird, wiegt 300 bis 400 Gramm und die Lampe beſitzt eine Leuchtkraft von
12 Normalkerzen.


Soll die Lichtquelle in die zu unterſuchende Körperhöhle, z. B. den Magen ſelbſt ein-
geführt werden, ſo würde die Anwendung eines frei glühenden Platindrahtes nicht oder nur
kurze Zeit möglich ſein, weil der Platindraht nicht nur Licht giebt, ſondern auch Wärme aus-
ſtrahlt. Um die ſchädlichen Wirkungen der letzteren zu vermeiden, ſah man ſich daher ver-
anlaßt, den glühenden Platindraht in eine Röhre einzuſchließen und dieſe mit einem zweiten
Gefäße zu umgeben, durch welches Waſſer circulirt; das Waſſer beſorgt alsdann die Ableitung
der Wärme und hält den Beleuchtungsapparat kühl. Es iſt Leiter in Wien nach mehr-
jährigem Bemühen gelungen, eine Reihe von Inſtrumenten herzuſtellen, welche zwar den ver-
ſchiedenen Zwecken entſprechend verſchiedene Formen erhalten haben, aber alle nach dem eben
angegebenen Principe conſtruirt ſind. An der Metallfaſſung k k (Fig. 564) iſt einerſeits
der Trichter 1, andererſeits der mit den drei Canälen a, b und f verſehene Silberſtab befeſtigt;

Figure 568. Fig. 564.

Leiter’s Elektro-Endoskope.


die Röhre a ſteht mit dem Waſſerleitungsrohre d und die Röhre b mit dem Ableitungs-
rohre e in Verbindung und bei c communiciren die beiden Röhren a und b untereinander.
Die Richtung des durchfließenden Waſſers zeigen die Pfeile an. In den Raum f des Be-
leuchtungsſtabes tritt bei i, durch Hartgummi von der Faſſung iſolirt, ein Silberdraht g ein,
der bei h in einer kleinen Hülſe endigt. Der Silberdraht iſt von den Wänden des ihn ver-
ſchließenden Stabes durch ein übergeſchobenes, feines Glasröhrchen iſolirt.


Die Hülſe h dient, wie das getrennt gezeichnete Stück A (Fig. 564) erkennen läßt, zur
Befeſtigung des einen Endes der Platinſchlinge durch einen in die Hülſe eingeſteckten Keil.
Das zweite Ende der Platinſchlinge wird in derſelben Weiſe befeſtigt, doch iſt die zweite
Hülſe von dem Silberſtabe nicht iſolirt, ſteht alſo auch mit der Metallfaſſung k k des Inſtru-
mentes in leitender Verbindung. Fig. 564 D ſtellt den Querſchnitt des Beleuchtungsſtabes C
vor und G zeigt das zum Gebrauche adjuſtirte Inſtrument; über den Beleuchtungsſtab b b
iſt die Beobachtungsröhre a a (bei H getrennt gezeichnet) geſchoben und der Waſſerlauf durch
die an i und h angeſetzten Kautſchukſchläuche hergeſtellt. Die Zuleitung des galvaniſchen
[773] Stromes wird durch die mit den Batterieſchnüren verbundene ſcheerenartige Doppelklemme e e
(die bei m n, Fig. 564 C, das Inſtrument faßt) durch einen leichten Druck nach Belieben
hergeſtellt oder unterbrochen. Der Beleuchtungsſtab nimmt, wie der Querſchnitt B erkennen
läßt, nur einen ſehr geringen Theil der Beobachtungsröhre ein, ſo daß man alſo durch den
Trichter und die Röhre ungehindert durchblicken kann. Damit hierbei der glühende Platindraht
nicht ſtört, iſt der Beleuchtungs-
ſtab an ſeinem unteren Ende ab-
geſchrägt, wodurch ein Abbiegen
des Platinbügels ermöglicht wird.
Hierdurch iſt der Platindraht
beim geraden Durchſehen gedeckt.
Fig. 564 F und E ſtellen ver-
ſchiedene Formen der Beobach-
tungsröhren vor. Das Gaſtro-
ſkop
, deſſen Einführung in den
Magen Fig. 565 darſtellt, iſt,
entſprechend den anatomiſchen
Verhältniſſen, mit einer Biegung
verſehen. Der Einblick durch
dieſes gebogene Rohr in den
Magen wird durch zwei Prismen
ermöglicht, die in der Nähe des
Platindrahtes und in der Biegung
des Rohres befeſtigt ſind und
eine zweimalige Reflexion be-
wirken. Der Anſchluß der Waſſer-
leitung und der Leitung für den
Strom iſt in derſelben Weiſe
bewerkſtelligt, wie vorbeſchrieben.
Außerdem beſitzt aber das Gaſtro-
ſkop noch einen feinen Canal, durch
welchen mit Hilfe von Kautſchuk-
ballons (wie aus der Figur
erſichtlich) Luft in den Magen
eingeführt werden kann; der
Magen muß zur Unterſuchung
eben aufgeblaſen werden.


Wir ſchließen hiermit
den Abſchnitt über elektriſches
Licht, nicht weil wir alle ſeine
Anwendungen bereits kennen
gelernt haben, ſondern weil
wir ſonſt den Rahmen vor-
liegenden Werkes zu ſehr
überſchreiten müßten. Wir
weiſen ſchließlich nur noch
hin auf die Anwendung des
elektriſchen Lichtes in der
Photographie nicht blos zur
Beleuchtung der photogra-

Figure 569. Fig. 565.

Einführung des Gaſtroſkopes in den Magen.


phiſch aufzunehmenden Objecte, ſondern auch zur Erzeugung aller Arten von
Lichtbildern, d. h. im Reproductionsverfahren. So haben z. B. die photographiſchen
Ateliers von Woodburg und Saxon \& Cie. die elektriſche Beleuchtung eingeführt,
wodurch ſie in den Stand geſetzt ſind, abſolut unabhängig von der Witterung die
Herſtellung der ſchärfſten photographiſchen Abdrücke innerhalb 24 Stunden nach
[774] erfolgter Aufnahme garantiren zu können. Wir weiſen hin auf die Anwendungen
des elektriſchen Lichtes in der Landwirthſchaft, auf die Pflanzenzucht bei elektriſcher
Beleuchtung, die Anwendung der letzteren in der Aſtronomie (zur Beleuchtung der
Fadenkreuze), in der Mikroſkopie zum Beleuchten und Durchleuchten der Prä-
parate u. ſ. w.


2. Elektrochemie, Metallurgie und Galvanoplaſtik.


Von dieſen drei Induſtriezweigen, welche faſt ausnahmslos auf der praktiſchen
Verwerthung der chemiſchen Wirkungen des elektriſchen Stromes beruhen, bildet
die Galvanoplaſtik den älteſten und daher auch einen verhältnißmäßig hoch ent-
wickelten Zweig. Die Vervollkommnungen der elektriſchen Maſchinen bewirken zwar
eine ſtets zunehmende Anwendung dieſer an Stelle der früher benützten Batterien,
brachten aber keine Abänderungen der galvanoplaſtiſchen Methoden mit ſich. Anders
verhält es ſich aber mit der Elektrochemie und Metallurgie. In dieſen Zweigen
konnte der elektriſche Strom keine ausgedehnte Verwendung finden, ſo lange Batterien
zur Erzeugung desſelben benützt werden, da ſich die Erzeugungskoſten im Vergleiche
zu dem Werthe des gewonnenen Productes viel zu hoch ſtellten. Die Elektrochemie
und die Elektrometallurgie wurden überhaupt erſt möglich, nachdem durch die elek-
triſchen Maſchinen billige und ausgiebige Elektricitätsquellen geſchaffen waren.
Allerdings befinden ſich dieſe beiden Zweige der Elektrotechnik, eben ihrer Neuheit
wegen, noch im Stadium der Kindheit, aber man kann doch gegenwärtig ſchon
mit voller Sicherheit behaupten, daß die Elektricität dazu beſtimmt iſt, eine ein-
greifende Umgeſtaltung der chemiſchen Großinduſtrie und der Reinmetallgewinnung
herbeizuführen.


Schon im Jahre 1789 wies Päts van Troſtwyck nach, daß die Elek-
tricität Waſſer zu zerſetzen im Stande iſt. Er ließ Golddrähte in beſtimmter Ent-
fernung voneinander in Waſſer tauchen, verband einen derſelben mit der äußeren,
den anderen mit der inneren Belegung einer Kleiſt’ſchen (Leydener) Flaſche und
führte dann den Entladungsſchlag durch das Waſſer herbei. Die ſich hierbei
entwickelnden Gasblaſen wurden aufgeſammelt und als Knallgas erkannt. Wollaſton
verband (1801) feine Golddrähte, die bis auf ihre Spitzen in dünne Glasröhrchen
eingeſchmolzen oder mit Siegellack umhüllt waren, einerſeits mit dem Reibzeuge,
andererſeits mit dem poſitiven Conductor einer Elektriſirmaſchine. Tauchten die
Spitzen in Waſſer, ſo wurde aus dieſem beim Drehen der Maſchine Knallgas
entwickelt; tauchten an Stelle der Wollaſton’ſchen Spitzen Silberdrähte in eine
Kupfervitriollöſung, ſo zeigte ſich jener Draht, welcher mit dem Reibzeuge in Ver-
bindung geſtanden war, nach einer größeren Anzahl von Umdrehungen der Maſchine
mit Kupfer überzogen (ſiehe Seite 153). Auch Faraday unterſuchte die Zerſetzungs-
wirkung, welche durch die Elektricität auf das Waſſer ausgeübt wird. Es gelang
aber erſt Armſtrong (1843), mit Hilfe der Dampfelektriſirmaſchine (Seite 102)
nachzuweiſen, daß die Elektricität das Waſſer in ſeine beiden Beſtandtheile, Waſſer-
ſtoff und Sauerſtoff, zerlegt, indem bei dem Durchgange des Stromes dieſer
Maſchine durch Waſſer an der Kathode doppelt ſo viel Gas auftrat als an der
Anode und das an der Kathode auftretende Gas ſtets Waſſerſtoff, jenes an der
Anode ſtets Sauerſtoff war.


Obzwar dieſe Verſuche vom wiſſenſchaftlichen Standpunkte aus des Intereſſes
keineswegs entbehren, knüpfte ſich an dieſe doch keinerlei praktiſcher Erfolg. Dieſer
[775] blieb der chemiſchen Wirkung des galvaniſchen Stromes vorbehalten; warum
gerade dieſer oder der ihm in ſeinem Verhalten ähnliche unſerer modernen elek-
triſchen Maſchinen für chemiſche Wirkungen geeignet iſt, wurde bereits erörtert.
(vergl. Seite 110). Die Verſuche, welche Carlisle im Jahre 1800, die Zer-
ſetzung des Waſſers durch den galvaniſchen Strom betreffend, ausführte, wurden
bereits mitgetheilt*) (Seite 241). Auch wurde Davy’s Arbeiten gedacht, welche
im Jahre 1807 zur Zerlegung der Alkalien führten (Seite 36 und 244). Von
jenen Männern, welche ſich elektrochemiſchen Studien widmeten, dürfen auch Bunſen
und Matthießen nicht unerwähnt bleiben. Faraday danken wir überdies noch
die auch gegenwärtig übliche Nomenclatur (Seite 242). Im Jahre 1805 zeigte
Brugnatelli, Profeſſor an der Univerſität zu Pavia, daß man ſilberne Münzen
unter Vermittlung des Stromes einer Voltaſäule mit einer feſthaftenden Gold-
ſchichte überziehen könne. Er bediente ſich hierzu einer ammoniakaliſchen Goldchlorid-
löſung, in welche er die zu vergoldenden Silbermünzen einhängte und durch einen
Silberdraht mit dem negativen Pole der Voltaſäule verband, indeß der poſitive
Pol direct mit dem Vergoldungsbade in leitende Verbindung geſetzt wurde. Dieſe
Methode der galvaniſchen Vergoldung blieb bis 1836 unbeachtet, in welchem Jahre
de la Rive in Genf ſeine Verſuche begann. Zur Erfindung der eigentlichen Galvano-
plaſtik gelangten faſt gleichzeitig Jacobi in Dorpat und Spencer in Liverpool.
Jacobi beobachtete im Februar 1837 bei Experimenten mit einer galvaniſchen
Batterie die Abſcheidung von zuſammenhängenden, leicht ablösbaren Kupferſchichten
aus einer Kupfervitriollöſung an den negativen Elektroden. Da ihm ſofort die
Genauigkeit auffiel, mit welcher dieſer Kupferniederſchlag die Formen der Elektrode
nachgebildet hatte, ſo dachte er auch allſogleich auf Verwerthung dieſes Experimentes
zur Herſtellung von Copien auf galvaniſchem Wege und führte für dieſes neue
Verfahren die „Galvanoplaſtik“ ein. Im Jahre 1838 konnte Jacobi der Peters-
burger Akademie bereits Kupferplatten vorlegen, welche vollkommen gelungene
Abdrücke tief gravirter Zeichnungen auf anderen Platten darſtellten. Kaiſer Nico-
laus
gewährte dem Erfinder (1840) die nöthigen Mittel, um das Verfahren aus-
zubilden und einer allgemeinen Anwendung fähig zu machen.**) Spencer hatte im
Jahre 1840 gleichfalls ſchon gute Reſultate erzielt. Die günſtigen Ergebniſſe, zu
welchen Jacobi und Spencer gelangt waren, lenkten auch neuerdings wieder die
Aufmerkſamkeit auf die älteren Verſuche, bei welchen Gegenſtände mit anhaftenden
metalliſchen Ueberzügen verſehen wurden. De la Rive gelang es auch in der That
zuerſt (1840), die galvaniſche Verſilberung und Vergoldung in die Praxis einzu-
führen. Boettger ſtellte im Jahre 1846 galvaniſche Eiſenniederſchläge her und
Jacquin erfand 1859 das Verſtählen der Kupferſtichplatten. In neuerer Zeit
wurde die Eiſengalvanoplaſtik namentlich von Klein in Petersburg zu einer hohen
Stufe der Vervollkommnung gebracht. Bei der Wiener elektriſchen Ausſtellung (1883)
erregten beſonders die von der Fabrik der kaiſerl. ruſſiſchen Staatspapiere aus-
geſtellten, zum Theil mit Eiſen bedeckten Basreliefs allgemeine Bewunderung. Vom
[776] Jahre 1844 an datirt ſich eigentlich die Ausbildung der Galvanoplaſtik zu einem
eigenen Induſtriezweige und gegenwärtig haben es namentlich Chriſtofle in Paris
und Elkington und Maſon in Birmingham zu einer bedeutenden Höhe künſt-
leriſcher Vollendung ihrer Arbeiten gebracht.


Die nun zu beſprechenden praktiſchen Anwendungen des elektriſchen Stromes
beruhen faſt alle auf der chemiſchen Wirkung desſelben. Die Galvanoplaſtik, als
ein ſehr ausgebildeter und bereits gegenwärtig hochwichtiger Induſtriezweig, erfordert
für ſeine Beſprechung naturgemäß einen eigenen Abſchnitt. Die übrigen hierher
gehörigen Anwendungen der Elektricität laſſen ſich am beſten in die beiden Gruppen
Elektrochemie und Elektrometallurgie ſcheiden, entſprechend den ſchon längſt üblichen
Bezeichnungen „chemiſche Technologie und Metallurgie“.


Elektrochemie.

Ein großer Theil jener Farbſtoffe, deren ſich heute die Induſtrie bedient,
wird durch verſchiedene Umwandlungsproceſſe aus dem Steinkohlentheer gewonnen;
es ſind dies die mannigfachen, prächtig ſchillernden Anilinfarbſtoffe. Ihre Herſtel-
lung erfolgt großentheils entweder durch Reduction (d. h. Sauerſtoffwegnahme)
oder durch Oxydation (d. h. Sauerſtoffzufuhr) gewiſſer Subſtanzen. Zu dieſen
bisher nach chemiſchen Methoden bewirkten Reactionen verwendet Goppelsroeder
in Baſel die Elektricität und erfand hierdurch die elektriſche Färberei. Dieſe
Anwendung der Elektricität zu verſuchen, wurde Goppelsroeder durch das kräftige
Oxydationsvermögen des Ozons und des Waſſerſtoffſuperoxydes veranlaßt, welche
Stoffe bekanntlich (ſiehe Seite 243) bei der Elektrolyſe des mit Schwefelſäure
angeſäuerten Waſſers entſtehen. Die betreffenden organiſchen Stoffe wurden in
Waſſer vertheilt und die beiden Elektroden, um eine Vermiſchung der verſchiedenen
durch die Elektrolyſe des Waſſers erzeugten Producte zu vermeiden, durch poröſe
Zellen voneinander getrennt. So wurden Anilinſchwarz, Blau, Violett, künſtliches
Alizarin u. ſ. w. dargeſtellt. Seidenſtoffe, welche mit auf dieſem Wege hergeſtellten
Farben gefärbt waren, ſah man bereits auf den elektriſchen Ausſtellungen zu Paris
und München in vielfältigen Muſtern.


Im weiteren Verlaufe ſeiner Verſuche gelangte Goppelsroeder 1. zur gleich-
zeitigen Bildung und Fixation von Farbſtoffen auf verſchiedenen Faſern, 2. zur
Zerſtörung der auf den Zeugen fixirten Farbſtoffe und zu der dadurch hervor-
gerufenen Production von weißen Zeichnungen auf einfarbigem Grunde; 3. eben-
falls zur Zerſtörung der auf den Zeugen fixirten Farbſtoffe, aber zu der dadurch
bewerkſtelligten gleichzeitigen Herſtellung von Zeichnungen in neuen Färbungen auf
einfärbigem Grunde, 4. zur Verhinderung der Oxydation der Farben während ihres
Aufdruckes und 5. zur Herſtellung der unter dem Namen „Küpen“ bekannten
Löſungen der reducirten oder hydrogenirten Farbſtoffe*) (Indigoküpe, Anilin-
ſchwarzküpe u. ſ. w.).


Zur gleichzeitigen Bildung und Fixirung von Anilin-Schwarz auf Zeugen oder Papieren
verfährt man in nachſtehender Weiſe. Das Zeug wird mit der wäſſerigen Löſung eines Anilin-
ſalzes (des Chlorhydrates) getränkt und auf eine Metallplatte gelegt, welche auf einer iſoliren-
den Unterlage, z. B. einer Kautſchuk- oder Glasplatte, aufruht. Dieſe Metallplatte muß für
[777] die nachfolgenden Reactionen unangreifbar ſein und wird mit dem einen Pole einer Batterie
oder einer elektriſchen Maſchine in Verbindung geſetzt. Auf das naſſe Zeug kommt die mit
dem zweiten Pole verbundene Metallplatte, welche die zu reproducirende erhabene Zeichnung
oder Schrift trägt. Geht hierauf, bei entſprechendem Drucke der letzterwähnten Metallplatte
auf das Zeug, der Strom durch, ſo entſteht eine ſchwarze Copie. Der Strom braucht höchſtens
eine Minute lang einzuwirken; die Zeitdauer hängt ab von der Leitungsfähigkeit der Anilin-
ſalzlöſung, der Säure, dem Verdickungsmittel, der Temperatur, Stromſtärke u. ſ. w. Ver-
bindet man den zweiten Pol der Batterie mit einem Stifte aus Kohle oder unangreifbarem
Metall, ſtatt mit einer Druckplatte, ſo kann man mit dieſem Stifte auf dem durchtränkten
Zeuge ſchreiben, und zwar beinahe ebenſo ſchnell wie auf gewöhnliche Art. Die hierbei ent-
ſtehende Schrift oder Zeichnung iſt auf der Faſer vollkommen fixirt. Um das Fließen der
Schrift zu vermeiden, ſetzt man der Anilinſalzlöſung Verdickungsmittel, wie Tragantgummi,
Fiſchleim u. dgl. zu. Dieſes Verfahren kann in Bleichereien, Färbereien und Druckereien zum
Zeichnen der Stücke Verwendung finden, weil dieſe Zeichnung den hierauf folgenden Operationen
Widerſtand leiſtet.


Umgekehrt kann auch ein Wegätzen oder Rongiren der Farben in ähnlicher Weiſe
bewirkt werden. Man taucht zu dieſem Behufe das z. B. mit Türkiſchroth oder Indigoblau
gefärbte Zeug in eine Löſung von Chloraluminium, Kochſalz oder Salpeter und verfährt
ſonſt in der gleichen Weiſe. Läßt man hierauf den Strom durchgehen, ſo entwickelt ſich am
poſitiven Pole bei Anwendung der beiden erſten Salze Chlor, bei Benützung von Salpeter
Salpeterſäure. Sowohl Chlor als Salpeterſäure verwandeln die Farbe in weiße Oxydations-
producte und erzeugen in dieſer Weiſe die gewünſchten Zeichnungen weiß auf gefärbtem
Grunde. Dieſe weißen Zeichnungen können in einer anderen Farbe als die des Grundes
erhalten werden, wenn man ſolche Salze wählt, aus welchen durch die Elektrolyſe Baſen
gebildet werden, die als ſogenannte Beizen, beim darauf folgenden Eintauchen des Zeuges in
ein Färbebad, neue Färbungen auf den geätzten Stellen hervorrufen.


Gleichzeitige Wegätzung der Grundfarbe und Färbung der geätzten Stellen gelang
Goppelsroeder z. B. auf türkiſchroth oder indigoblau gefärbtem Zeuge durch Imprägnirung
desſelben mit ſalzſaurem Anilin.


Hierbei ätzt der Strom die urſprüngliche Farbe weg und ſchlägt auf denſelben Stellen
Anilinſchwarz nieder, ſo daß man auf dieſe Weiſe ſchwarze Zeichnungen, Schriftzüge, Stempel-
abdrücke u. dgl. auf rothem oder blauem Grunde hervorrufen kann. Bekanntlich werden
auch verſchiedene ſchwere und edle Metalle in der Druckerei verwendet; auch dieſe können
elektrolytiſch auf der Faſer niedergeſchlagen und fixirt werden. Zu dem Ende wird das Zeug
mit der genügend verdickten Löſung des betreffenden Metallſalzes getränkt und hierauf der
Einwirkung der negativen Elektrode ausgeſetzt. Auch die Verhinderung der Oxydation einer
Farbe während des Aufdruckes kann durch Einwirkung der negativen Elektrode erreicht werden.
Es werden nämlich in der Färberei eine Reihe von Miſchungen benützt, welche ſich ſehr leicht
und raſch oxydiren und dadurch der Druckerei Schwierigkeiten bereiten. Man verhindert deren
Oxydation, indem man in den Farbtrog der Druckwalze die negative Elektrode einſenkt, die
poſitive Elektrode in ein kleines Gefäß mit irgend einer leitenden Flüſſigkeit taucht und dieſes
Gefäß mit dem Farbtroge durch eine einfache Röhre, eine poröſe Thonplatte oder durch Per-
gamentpapier verbindet. Der an der negativen Elektrode ſich entwickelnde Waſſerſtoff ver-
hindert dann die Oxydation des Gemiſches im Farbtroge.


Die Elektrolyſe kann ferner auch zur Bereitung der Küpen des Indigoblau, Anilin-
ſchwarz u. ſ. w. benützt werden, indem man den an der negativen Elektrode ſich entwickelnden
Waſſerſtoff an Stelle der ſonſt üblichen Reductionsmittel (Eiſenvitriol, Zink, Glukoſe u. dgl.)
wirken läßt. So giebt Goppelsroeder für die Darſtellung einer baſiſchen Indigoküpe nach-
ſtehendes Verfahren an. Fein gepulverter Indigo wird mit einer concentrirten Löſung von
Aetzkali gemiſcht und dieſes Gemiſch ſowohl in eine Thonzelle als auch in ein größeres
Kupfergefäß gebracht; hierauf wird die Thonzelle in das Kupfergefäß eingeſetzt, letzteres mit
dem negativen Pole einer Batterie oder elektriſchen Maſchine verbunden und der poſitive Pol
mit einem Platinbleche in Verbindung geſetzt, welches in die Thonzelle eingeſenkt wurde. Der
an dem den negativen Pol bildenden Kupfergefäße ſich unter ſtarker Schaumbildung ent-
wickelnde Waſſerſtoff verwandelt das Indigoblau in Indigoweiß, welches ſich in der alkaliſchen
Flüſſigkeit auflöſt. Dieſe Umwandlung geht ſchon bei der gewöhnlichen Temperatur vor ſich
und iſt ſo einfach durchzuführen, daß ihrer Anwendung im Großen kein Hinderniß entgegen-
ſteht. Baumwolle läßt ſich in der ſo erhaltenen Küpe ebenſo ſchön indigoblau färben wie unter
Anwendung der ſonſt üblichen Küpen. Wie derartige gefärbte Zeuge Zeichnungen auf elek-
triſchem Wege erhalten können, wurde bereits erwähnt.


[778]

Für Bleichzwecke wurde die chemiſche Wirkung des elektriſchen Stromes von Naudin
und ſpäter von W. A. Tichomiroff und A. P. Lidoff benützt. In der Papier- und Textil-
induſtrie ſpielt das Chlor als [Bleichmittel] eine wichtige Rolle. Da ſich jedoch das Chlor
weder als Gas, noch in ſeiner wäſſerigen Löſung zum Transporte eignet, ſo verwendet man
eine Sauerſtoffverbindung des Chlors, nämlich die unterchlorige Säure in Form ihrer Salze
zu oben genanntem Zwecke. Es ſind dies hauptſächlich die unterchlorigſauren Salze von
Calcium (Hauptbeſtandtheil des Chlorkalkes), Natrium und Kalium. Die beiden letzterwähnten
Bleichſalze ſtellt man durch Einleiten von Chlorgas in die Löſungen der ätzenden oder kohlen-
ſauren Alkalien dar und erhält das hierzu erforderliche Chlor, z. B. durch Behandlung von
Kochſalz und Braunſtein mit Schwefelſäure oder des Braunſteines mit Salzſäure. Tichomiroff
und Lidoff erzeugen nun das unterchlorigſaure Salz mit Hilfe des elektriſchen Stromes direct
aus den in der Natur vorkommenden Chloriden, z. B. aus dem Kochſalze. Leitet man nämlich
durch die Kochſalz- (Chlornatrium-) Löſung den elektriſchen Strom, ſo zerlegt dieſer das
Chlornatrium in ſeine beiden Beſtandtheile Chlor und Natrium; letzteres ſetzt ſich im Augen-
blicke ſeines Entſtehens mit dem Waſſer um und bildet Aetznatron. Auf dieſes wirkt nun das

Figure 570. Fig. 566.

Elektriſche Bleiche.


gleichfalls durch die Elektrolyſe in Freiheit geſetzte Chlor ein und bildet unterchlorigſaures
Natron. Die Menge des durch den elektriſchen Strom gebildeten Bleichſalzes hängt nicht nur
von der Intenſität des Stromes, ſondern auch von der Concentration, der Temperatur, der
chemiſchen Beſchaffenheit der Löſung u. dgl. ab. Da die meiſten Metalle durch Chlor angegriffen
werden, wendet man als Elektroden am zweckmäßigſten Kohlenplatten an.


Von den hier in Betracht kommenden Salzen eignet ſich zur elektrolytiſchen Darſtellung
einer Bleichflüſſigkeit am beſten das Chlorkalium. Einfluß übt auch die Entfernung der
Elektroden voneinander und ſelbſtverſtändlich auch die Zeitdauer der Stromeinwirkung. Das
Bleichen ſelbſt wird in der ſonſt üblichen Weiſe durchgeführt. Man befreit zunächſt die zu
bleichenden Gewebe von Fett, Harz u. dgl. und taucht ſie dann entſprechend lange Zeit in
die Bleichflüſſigkeit ein. Da hierbei ſtets Salzſäure (Chlorwaſſerſtoffſäure) entſteht und auch
Chlor in den Zeugen zurückbleibt, müſſen dieſe nach dem Herausnehmen aus der Bleichſalz-
löſung unter Zuſatz von Soda oder Pottaſche oder noch beſſer von Antichlor (Natriumbiſulfid,
Natriumhypoſulfit u. ſ. w.) ſorgfältig ausgewaſchen werden. Tichomiroff und Lidoff glauben die
oben angegebene Darſtellung von Bleichflüſſigkeiten in der Weiſe vortheilhaft zur Anwendung
bringen zu können, daß ſie die natürlichen Rückſtände von Salzſeen, Salzſoolen oder Meer-
waſſer der Einwirkung elektriſcher Ströme ausſetzen, welche elektriſche, durch Waſſerkraft
getriebene Maſchinen liefern.


[779]

Naudin und Bidet wollen die elektriſche Bleiche dadurch induſtriell verwerthbar
machen, daß ſie einen continuirlichen Betrieb ermöglichen. Zu dieſem Behufe leiten ſie durch
die Kufe M (Fig. 566), welche mit Kochſalzlöſung beſchickt wird, den Strom einer Maſchine D.
Die beiden Elektroden E ſind nicht weit voneinander getrennt, damit die durch die Elektrolyſe in
Freiheit geſetzten Stoffe aufeinander einwirken können. Das an der negativen Elektrode aus-
geſchiedene Natrium geht alſo in Aetznatron über und dieſes wird durch das an der poſitiven
Elektrode ausgeſchiedene Chlor zum Theile in unterchlorigſaures Natron verwandelt. Dieſes
Bleichſalz dient alsdann im Gefäße N zum Bleichen der dort eingeſetzten Zeuge. Hierbei
wird das unterchlorigſaure Salz zerſtört und es entſtehen neuerdings Chlornatrium, Salz-
ſäure u. dgl. Dieſe zum Bleichen unbrauchbar gewordene Flüſſigkeit ſchafft die Pumpe P
durch das Rohr B neuerdings in die Kufe M zurück, in welcher ſie durch den elektriſchen
Strom abermals zerſetzt wird. Von den Nebenproceſſen abgeſehen, iſt es alſo immer dasſelbe
Chlor, mit welchem durch den elektriſchen Strom das Bleichſalz gebildet wird, welches dann
die bleichende (d. h. oxydirende) Wirkung ausübt, in die urſprünglichen Chlorverbindungen
zurückverwandelt wird und neuerdings unter Einwirkung des elektriſchen Stromes Bleichſalz
bildet. Da dieſer continuirliche Proceß geſtattet, die beim Bleichen entſtehenden, hierzu bei
der bisherigen Bleichmethode nicht mehr verwendbaren Chlorverbindungen gewiſſermaßen zu
regeneriren, d. h. in wieder wirkſame Chlorverbindungen überzuführen, ſo kann er unter
Umſtänden praktiſch durchführbar erſcheinen.


Eine andere Anwendung der Elektrolyſe, die ſich auch ſchon in einem beiläufig
dreijährigen Großbetriebe praktiſch bewährt hat, beſteht in der Rectiſication des
Alkohols;
ſie wurde von Naudin erdacht und in der Fabrik Boulet’s in
Bapaume-lès-Rouen eingeführt. Zur Gewinnung von Alkohol benützt man
unter Anderm die Abfälle der Rübenzuckerfabrication, als: Zuckerſchaum und Melaſſen,
bei niedrigem Zuckerpreiſe auch den Rübenſaft ſelbſt, ferner Kartoffel, Gerſte,
Weizen u. ſ. w. Nun treten aber bei der weingeiſtigen Gährung nicht nur der
gewöhnliche Alkohol (Aethylalkohol), ſondern auch größere oder geringere Mengen
anderer (ſogenannter homologer) Alkohole auf, die dem Weingeiſte häufig einen
unangenehmen Geſchmack und Geruch ertheilen und mit dem Namen Fuſelöl
bezeichnet werden. Für viele Anwendungen des Spiritus iſt deſſen Fuſelgehalt
nachtheilig und muß daher beſeitigt werden. Die bisher angewandten Methoden
zur Entfuſelung beſtehen entweder in einer Oxydation der Fuſelöle oder einer Ueber-
führung in minder unangenehm riechende Stoffe oder endlich in einer gänzlichen
Entfernung derſelben z. B. durch gut ausgeglühte Kohle. Die verſchiedenen Reini-
gungsmethoden ſind jedoch mit bedeutenden Verluſten verbunden und erhöhen
dadurch den Erzeugungspreis. Naudin iſt es nun (nach Berichten in der Zeitſchrift
„La lumière électrique“) gelungen, die Entfuſelung des Alkohols durch Anwen-
dung der Elektricität in viel ökonomiſcherer Weiſe zu erreichen. Naudin ſieht nämlich
in gewiſſen unvollſtändigen Alkoholen, den ſogenannten Aldehyden, d. h. Verbin-
dungen, die erſt durch weitere Waſſerſtoffaufnahme in Alkohole übergehen, die
Urſachen des üblen Geruches und Geſchmackes. Die Ueberführung dieſer Aldehyde
in Alkohole kann durch Waſſerſtoff im Enſtehungszuſtande (status nascendi)*)
bewirkt werden.


Sonach zerfällt die Reinigungsmethode Naudin’s in folgende Operationen:
1. Behandlung des Lutters (erſtes Deſtillationsproduct der gegohrenen Flüſſigkeit)
durch eine Zink-Kupferſäule, d. h. Hydrogenirung. 2. Anſäuern (durch ein Tauſend-
theil Schwefelſäure) und Elektrolyſiren des Lutters in einer Reihe von Voltametern.
[780] 3. Neutraliſation der Säure durch Zink oder Eiſen. 4. Rectification nach einer
der gewöhnlichen Methoden.


Die Hydrogenirung des Lutters wird in dem Gefäße P (Fig. 567) aus
Holz oder Metall vorgenommen. In dieſem Gefäße ſind wellenförmig gebogene
Zinkplatten b b' b″ … übereinander angebracht und durch zwiſchengeſetzte flache
Zinke a a' a″ … voneinander getrennt.


Um das Ablöſen der Waſſerſtoffblaſen während der Reaction zu erleichtern,
ſind die Platten durchlöchert und gegen den Boden der Kufe leicht geneigt. Bei
einem Faſſungsraume der letzteren von 150 Hektoliter können 105 Reihen von
Zinkplatten eingeſetzt werden, welche eine hydrogenirende Fläche von 1800 Qua-

Figure 571. Fig. 567.

Hydrogenirungskufe.


dratmeter (oder 12 Quadratmeter pro
Hektoliter) geben. Die Zinkplatten
müſſen ſorgfältig gereinigt ſein, was
man dadurch erreicht, daß man ſie zu-
nächſt mit einer ſchwachen Aetznatron-
löſung abſpült, um das Fett zu ent-
fernen, welches ihnen noch vom Walzen
her anhaftet, dann mit einer Salzſäure-
löſung und endlich mit reinem Waſſer
abwäſcht. Die Zink-Kupfer-Batterie
(nach Gladſtone \& Tribe) wird dann
in der Weiſe erhalten, daß man auf
den gereinigten Zinkplatten Kupfer im
pulverförmigen Zuſtande niederſchlägt.
Zu dieſem Behufe wird durch die
Pumpe O eine Kupfervitriollöſung in
die Kufe P gepumpt, ſo daß dieſe
ganz damit gefüllt iſt. Man läßt
die Zinkplatten 24 Stunden mit der
Kupfervitriollöſung in Berührung und
erſetzt dann die Löſung durch eine neue;
dieſe Operation wird mehrmals wieder-
holt. Dann iſt die Säule dienſtbereit
und bleibt es 18 Monate oder zwei
Jahre ohne eine Erneuerung zu erfor-
dern, wenn für ihre Inſtandhaltung in
entſprechender, weiter unten anzugebender Weiſe geſorgt wird.


Das zu reinigende Lutter wird durch das Rohr E in die Kufe eingeführt
und verbleibt darin 6 bis 48 Stunden, je nach dem Grade ſeiner Verunreinigung
und der Höhe der Temperatur. Diesbezüglich iſt zu bemerken, daß die Säule unter
+ 5 Grad nicht functionirt, oberhalb + 35 Grad aber eine ſtürmiſche Reaction
erfolgt, welche auch den Kupferbeſchlag zerſtört. Bei normalem Gange tritt eine
ſtändige Entwicklung von Waſſerſtoff und Sauerſtoff durch Zerlegung des Waſſers
ein. Der Waſſerſtoff hydrogenirt die Aldehyde und bewirkt ſo die Entfuſelung des
Lutters, während der Sauerſtoff durch Bildung von Zinkoxyd unſchädlich gemacht
wird. Um die Reaction zu einer in der ganzen Kufe gleichförmigen zu machen,
ſaugt die Pumpe O ſtets Flüſſigkeit durch das Rohr F aus der Kufe heraus und
führt die Flüſſigkeit durch das Rohr D wieder zurück, in dieſer Weiſe einen
[781] ununterbrochenen Kreislauf bewirkend. Iſt die Operation beendet, ſo wird das
gereinigte Lutter durch das Rohr H in das Reſervoir R abgelaſſen. Das Rohr N
dient dazu, um den jeweiligen Stand der Flüſſigkeit in der Kufe anzuzeigen.


Im Verlaufe des Proceſſes wird alſo Zinkoxyd gebildet, welches ſich in
Form eines weißen Pulvers auf den Platten niederſchlägt und dann, wenn der
Niederſchlag ſtark genug geworden iſt, die Reaction hindert. Um dies zu vermeiden,
giebt man alle acht Tage einige Tauſendtheile Salzſäure zum Lutter in der Kufe
(5 Kilogramm Säure auf 150 Hektoliter Lutter) und läßt hierauf Lutter mit
Kupfervitriol (5 Kilogramm auf 150 Hektoliter Lutter) einfließen. Dies ſind die
früher erwähnten Bedingungen, unter welchen die Säule die oben angegebene Zeit
brauchbar bleibt. In dem Deckel der Kufe iſt noch ein Rohr eingeſetzt (in der
Figur nicht gezeichnet), durch welches der unverbrauchte Waſſerſtoff entweichen kann.
Damit aber die durch dieſen mit-
geriſſenen Alkoholdämpfe nicht ver-
loren gehen, mündet dieſes Rohr
in eine Kühlſchlange.


In den meiſten Fällen genügt
der vorgeſchilderte Reinigungsproceß,
um das Lutter zu entfuſeln, und
kann dieſes dann direct den Rectifi-
catoren zugeführt werden. Iſt dies
nicht der Fall, ſo läßt man das
Lutter eine Reihe von Voltametern
paſſiren, in welchen es der Ein-
wirkung eines kräftigen elektriſchen
Stromes ausgeſetzt wird. Die Volta-
meter beſtehen aus cylindriſchen
Glasgefäßen A A', Fig. 568, von
125 Millimeter Durchmeſſer und
600 Millimeter Höhe mit oben
umgebogenem Rande. Sie ſind
durch einen Ebonitdeckel, durch
welchen die beiden Rohre B C,
B' C'
und die Elektroden + E — E
eingeführt ſind, luftdicht verſchloſſen.

Figure 572. Fig. 568.

Naudin’s Voltameter.


Durch dieſe Rohre wird die Circulation des Lutters in der durch die Pfeile
angegebenen Weiſe bewirkt. Als Elektroden dienen gegenwärtig Kupferbleche an
Stelle des früher benützten Platins. Jene kleinen Oeffnungen im Deckel, durch
welche die ſtromzuleitenden Drähte eintreten, ſind durch Korkſtöpſeln verſchloſſen,
welche die Rolle von Sicherheitsventilen ſpielen, für den Fall, als ſich eine der
Lutterzulaufröhren verſtopfen ſollte.


Die Geſammtanordnung der Apparate iſt aus Fig. 569 zu erſehen; es iſt
dies eine Skizze der Inſtallation vor dem Brande der Fabrik im December 1881.
Das Lutter fließt aus dem Reſervoir A in die Batteriebottiche B, wo die erſte
Hydrogenirung vorgenommen wird (die Zinkplatten waren hierbei vertical
angeordnet). P1 iſt jene Pumpe, welche den Kreislauf des Lutters durch die Bottiche
bewirkt. Das hydrogenirte Lutter wird dann in die Bottiche C abgelaſſen und
von hier durch die Pumpe P in die Bottiche D gebracht, wo es durch ein Tauſend-
[782] theil Schwefelſäure angeſäuert wird. Von hier geht die Flüſſigkeit in die Voltameter F,
muß aber vorher eine kleine Kufe E paſſiren, die zur Regulirung des Zufluſſes
durch einen automatiſch wirkenden Hahn dient. Die aus den Voltametern abfließende
Flüſſigkeit gelangt dann in die Kufen G, wo ſie mit Zink zuſammentrifft, welches
die Säure abſättigt. Von hier aus wird das nunmehr vollkommen entfuſelte Lutter
den in der Figur nicht mehr gezeichneten Rectificatoren zugeführt. H iſt ein
Reſervoir für die Kupferſulfatlöſung und K ein Rohr für die Waſſerdampfleitung
zum Erwärmen der Flüſſigkeiten. Den elektriſchen Strom für die Voltameter
liefert gegenwärtig eine Siemens-Maſchine, deren Magnete in Nebenſchluß geſchaltet
ſind. Die Stromintenſität wird durch Drahtwiderſtände regulirt. Ein Commutator
geſtattet die beliebige Einſchaltung der Voltameter in den Stromkreis. Die Maſchine
erfordert eine Betriebskraft von 4 Pferdekräften.


Figure 573. Fig. 569.

Alkoholreinigung durch Elektricität.


Bezüglich der mit der elektrolytiſchen Reinigung erzielten Oekonomie giebt
Naudin in dem früher genannten Journale ausführliche Daten unter der Annahme,
daß Mais, ein auch nach den alten Proceſſen vortheilhaft zu verarbeitendes Roh-
materiale, zur Alkoholgewinnung verwendet wird, und gelangt dabei zu dem
Reſultate, daß der Hektoliter nach den älteren Methoden gereinigten Alkohols auf
11·77 Francs, des nach der elektrolytiſchen Methode entfuſelten auf 9·28 Francs
zu ſtehen kommt. Abgeſehen von dieſem gewiß ſehr günſtigen Ergebniſſe muß noch
bemerkt werden, daß aus gewiſſen Rohmaterialien gewonnener Alkohol nach den
alten Methoden überhaupt gar nicht vollſtändig entfuſelt werden kann.


Nicht ganz mit Stillſchweigen möchten wir im vorliegenden Werke die elektroſytiſche
Anaſyle
übergehen. Die Leichtigkeit, mit welcher durch den galvaniſchen Strom viele Metalle
aus ihren Löſungen ausgefällt werden können, veranlaßte ſchon vor geraumer Zeit zur Auf-
nahme dieſer Methode in die quantitative Analyſe. Zunächſt war es das Kupfer, welches
[783]Gibbs und Luckow durch elektrolytiſche Ausſcheidung quantitativ zu beſtimmen ſuchten.
Hierzu veranlaßte namentlich die ausgedehnte induſtrielle Verwerthung dieſes Metalles, die
ſehr häufig ganze Reihen von Kupfergehaltbeſtimmungen in möglichſt kurzer Zeit verlangt
(z. B. in galvanoplaſtiſchen und Metallſcheide-Anſtalten, in Hüttenwerken u. ſ. w.). Die elektro-
lytiſche Beſtimmung des Kupfergehaltes zeichnet ſich gegenüber anderen Methoden dadurch
aus, daß ſie trotz ihrer Genauigkeit bedeutend weniger Arbeit erfordert. An Stelle des
Fällens durch chemiſche Mittel, des Auswaſchens und Trocknens von Niederſchlägen, Ueber-
führens derſelben in andere wägbare
Verbindungen u. dergl. hat man bei
der elektrolytiſchen Beſtimmung die
zu unterſuchende Flüſſigkeit nur in
ein zweckmäßig angeordnetes Volta-
meter zu bringen und deſſen Klemm-
ſchrauben mit den Poldrähten einer
Batterie oder Maſchine zu verbinden.
Voltameter und Elektricitätsquellen
ſtehen in ſolchen Etabliſſements, wo
regelmäßig viele Kupferbeſtimmungen
zu machen ſind, ſtets dienſtbereit zur
Verfügung. Die Ausfällung des
Kupfers beſorgt dann der Strom
und der betreffende Chemiker kann
die hierdurch erſparte Zeit anderweitig
benützen. Das Vortheilhafte dieſes
Verfahrens veranlaßte auch bald
deſſen Einführung in allen größeren
Etabliſſements, wie z. B. bei der
Mansfeld’ſchen Ober-Berg- und
Hüttendirection, der Gold- und
Silberſcheide-Anſtalt in Frankfurt
a. M., bei Chriſtophle, Oeſchger und
Mesdach u. ſ. w.


Was die Durchführung der
elektrolytiſchen Kupferbeſtimmung
ſelbſt betrifft, bedient man ſich in den
verſchiedenen Laboratorien allerdings
verſchiedener Apparate, doch beruhen
alle darauf, daß der elektriſche Strom
aus Kupferlöſungen das Kupfer an
der negativen Elektrode abſcheidet.
Die Beſchreibung eines dieſer Volta-
meter wird daher genügen. Chriſtophle
bedienen ſich zur Beſtimmung des
Kupfergehaltes ihrer Bäder (für
Galvanoplaſtik) des in Fig. 570 dar-
geſtellten Apparates. Dieſer beſteht
aus der Platinſchale A, welche auf
dem metalliſchen Dreifuß B ruht,
der mit dem negativen Pole der
Elektricitätsquelle in Verbindung
ſteht. Die poſitive Elektrode wird
durch die Platinſpirale C gebildet.

Figure 574. Fig. 570.

Zur elektrolytiſchen Analyſe.


Um Verluſte durch Verſpritzen der Flüſſigkeit in Folge der Gasentwicklung zu vermeiden,
wird über die Schale ein Glastrichter D geſtülpt. Als Elektricitätsquelle dienen zwei hinter-
einander geſchaltete galvaniſche Elemente oder eine kleine Gramme’ſche Maſchine oder eine
Clamond’ſche Thermoſäule. Ebenſo bequem als zweckmäßig iſt für dieſe Zwecke Hauck’s
Thermoſäule (ſiehe Seite 556).


Die elektrolytiſche Analyſe iſt jedoch nicht nur auf die Beſtimmung des Kupfers
beſchränkt, ſondern kann ebenſo vortheilhaft zur Beſtimmung von Nickel, Kobalt, Silber,
Queckſilber und anderer Metalle dienen, ja ſogar auch zur Trennung mehrerer Metalle in
[784] einer Löſung Verwendung finden. So werden z. B. Kobalt und Nickel aus einer ſauren
Löſung durch den elektriſchen Strom nicht gefällt; man kann daher dieſe von Kupfer trennen,
indem man den Strom zunächſt auf die ſaure Löſung wirken läßt und dadurch das Kupfer
abſcheidet. Iſt die Abſcheidung vollendet, ſo wird die vom Kupfer getrennte Löſung durch
Zuſatz von Ammoniak alkaliſch gemacht und dann neuerdings der Stromwirkung ausgeſetzt.
Aus dieſer alkaliſchen Löſung wird dann ſowohl Nickel als auch Kobalt im metalliſchen
Zuſtande abgeſchieden.


Elektrometallurgie.

Obwohl auch noch im erſten Stadium der Entwicklung begriffen, hat die
Elektrometallurgie doch ſchon große und vielfältige Verbreitung gewonnen. Die
Elektricität, beziehungsweiſe der durch ſie erregte Magnetismus, dient bereits an
vielen Orten zur Aufbereitung der Erze, zur Reinmetallgewinnung und auch zur
Metallſcheidung. Die zahlreichen Anwendungen der Elektricität in der Metallurgie
geſtatten uns nicht mehr ausführlich hierüber zu berichten; einige wenige Beiſpiele
mögen daher genügen, die Aufmerkſamkeit auf einen Zweig der Elektrotechnik zu
lenken, der ohne Zweifel dazu beſtimmt iſt, einer der wichtigſten zu werden. Ob
dies in früherer oder ſpäterer Zeit erfolgen wird, hängt von der Ausbildung der
bisher noch ſehr ſtiefmütterlich behandelten Elektrochemie ab. Hier bietet ſich ein
ebenſo großes als ſchönes und dankbares Feld zur Bearbeitung dar; hier könnten
elektrotechniſche Verſuchsſtationen, mit Lehrkanzeln verbundene Laboratorien, unter
Heranziehung von Chemikern und Hüttenmännern höchſt Erſprießliches leiſten.


Die Fälle, in welchen man magnetiſche und nichtmagnetiſche Erze oder
Metalle voneinander zu trennen hat, kommen in der Praxis ſehr häufig vor. Daher
kommt es auch, daß man ſchon lange Zeit kräftige Magnete zu ſolchen Scheidungen
benützt. Chenot befaßte ſich ſchon im Jahre 1852 mit der Ausführung dieſer
Idee und conſtruirte auch gemeinſchaftlich mit Froment einen elektriſchen Erzſcheider
(électro-trieuse). Derlei Apparate, welche jetzt in allen Ländern in ausgedehnter
Anwendung ſtehen, conſtruirten dann Vavin, Siemens, Ediſon, Waſſer-
mann
u. A.


Der Erzſcheider von Siemens iſt in Fig. 571 in einem Längsſchnitte
abgebildet. Die ſtählerne Rotationsaxe iſt mit einer Riemenſcheibe zum Antriebe
verſehen und trägt eine Meſſingſpirale. Letztere umgiebt zunächſt ein Meſſingcylin-
der, der oben aufgeſchnitten, aufgebogen und mit einer Abſtreifvorrichtung ver-
ſehen iſt (ſiehe auch Querſchnitt), welch letztere ſich tangential an die Innenwand
der Trommel anlegt. Dieſe Trommel iſt nun aus lauter Eiſenſcheiben zuſammen-
geſetzt, die ſich in geringen Entfernungen voneinander befinden, während zwiſchen
ihnen Meſſingringe liegen. Außerhalb ſind die Eiſenringe durch Eiſenſtangen mit-
einander verbunden. Vor Anbringung der Eiſenſtangen werden zwiſchen die Eiſen-
ringe iſolirte Drähte gewunden, welche, ſobald ein Strom die Drahtwindungen
durchkreiſt, das Eiſen magnetiſiren. Die Eiſenringe bilden ſonach mit den Eiſen-
ſtangen eigenthümlich geformte Hufeiſenmagnete, deren Pole ringförmig geſtaltet
ſind. Die glatte Innenfläche der Trommel ſtellt ſich daher als eine ununterbrochene
Reihenfolge von Nord- und Südpolen dar. Wenn der Apparat in Gang geſetzt
wird, rotiren die Axe mit ihrer Spirale und die Trommel, während das Meſſing-
rohr feſtſteht. Die zu trennenden Erze werden durch einen Fülltrichter dem etwas
geneigt aufgeſtellten Erzſcheider zugeführt und fallen auf die von den Magnet-
polen gebildete Innenwand der Trommel. (Die magnetiſchen Theilchen ſind durch
[785] vollgezogene, die unmagnetiſchen durch punktirt gezeichnete Pfeile angedeutet). Die
Magnetpole ziehen die magnetiſchen Theile an und halten ſie feſt, während die
nichtmagnetiſchen nach und nach zur tiefſten Stelle der Trommel gleiten und dort
herausfallen. Die an den Magneten haftenden Theilchen der magnetiſchen Metalle
oder Erze gelangen durch die Umdrehung der Trommel nach oben und werden
dort durch den Abſtreifer in das feſtliegende Meſſingrohr abgeſtreift. Aus dieſem
ſchraubt ſie die Meſſingſchraube der rotirenden Stahlaxe hinaus.


Würde man bei dieſem Erzſcheider alle Magnetpole gleich ſtark machen, ſo
vollzöge ſich die Erzſcheidung gleich an den erſten (am höchſten gelegenen) Magnet-

Figure 575. Fig. 571.

Erzſcheider von Siemens.


ringen und es entſtünde dort eine Anhäufung der Erze. Dies zu vermeiden, verſieht
Siemens die erſten Ringe nur mit wenigen Drahtwindungen, die darauffolgenden
mit einer ſtets zunehmenden Anzahl von Windungen und erſt die letzten werden voll
gewickelt. In dieſer Weiſe erreicht man eine derartige Vertheilung des Magnetis-
mus, daß dieſer von der Eintrittsſtelle der Erze an bis zum Austritte derſelben
ſtändig zunimmt. Hierdurch iſt ein continuirlicher Betrieb und eine große Leiſtungs-
fähigkeit bei verhältnißmäßig geringen Dimenſionen des Erzſcheiders erreicht. Die
Stärke des zur Magnetiſirung zu verwendenden Stromes hängt natürlich von der
Natur der Erze ab und muß experimentell beſtimmt werden. Dieſer Erzſcheider
kann 20 Tonnen Erz per Tag ſcheiden. Siemens wurde zur Conſtruction desſelben
Urbanitzky: Elektricität. 50
[786] durch eine belgiſche Geſellſchaft veranlaßt, welche ſpaniſche Zinkerze verarbeitet. Der
hierbei benützte Galmei (kohlenſaures Zink) iſt von Spateiſenſtein (kohlenſaurem
Eiſen) umſchloſſen und ſchwer von letzterem ganz zu trennen. Die Miſchung des
zerkleinerten Materiales beſteht alſo aus Galmei und Spateiſenſtein, ein Gemenge,
welches durch keinerlei Aufbereitungsart geſchieden werden konnte. Man war daher
gezwungen, das Eiſen beim ganzen Deſtillationsproceſſe (zur Ausbringung des
Zinkes) mitzuſchleppen und erhielt dadurch einen bedeutenden Aufwand von Kohle.
Dies iſt nun durch den von Siemens conſtruirten Erzſcheider vermieden. Eine
Röſtung des Erzgemenges genügt, um die eiſenhältigen Erztheilchen paramagnetiſch
(ſiehe Seite 38) zu machen, wodurch dann die oben geſchilderte magnetiſche Auf-
bereitung ermöglicht iſt. Der Erzſcheider von Siemens iſt gegenwärtig namentlich in
Spanien in vielfacher Verwendung.


Figure 576. Fig. 572.

Erzſcheider von Vavin.


Vavin’s Erzſcheider iſt in Fig. 572 abgebildet; er beſteht aus zwei übereinander
angeordneten Cylindern A und B, welche im gleichen Sinne in Rotation geſetzt werden und
auf welche die zu ſcheidenden Erze auffallen. Die Oberfläche dieſer Cylinder iſt aus vor-
ſpringenden weichen Eiſenringen c c c … gebildet, die durch Kupferſtreifen o o o .. vonein-
ander getrennt ſind. Jede Eiſenlamelle ſteht mit hufeiſenförmigen Magneten a a a in Ver-
bindung, ſo daß eine Lamelle durch den einen, die benachbarte durch den anderen Pol mag-
netiſirt wird. C und D ſind rotirende Bürſten, welche das magnetiſche Erz abſtreifen. Die
Bewegung der rotirenden Theile wird durch die Riemenſcheibe G vermittelt, welche durch das
auf ihre Axe aufgekeilte Zahnrad J die mit den Cylindern verbundenen Zahnräder I und H
ſowie auch die mit den Bürſten verbundenen Sternräder K und L in Umdrehung verſetzt.
Die Zuführung des Materiales erfolgt durch den Fülltrichter E und die Schüttellade F,
welcher ihre vibrirende Bewegung durch die Rollen x und v und den dazu gehörigen
Schnurlauf ertheilt wird. Der obere Cylinder beſitzt vier, der untere fünf Eiſenringe; hierbei ſind
dieſe gegeneinander ſo angeordnet, daß die Eiſenringe des unteren Cylinders den Zwiſchen-
räumen (Kupferſtreifen) des oberen Cylinders gegenüberſtehen und umgekehrt. Es werden
daher jene magnetiſchen Theilchen, die nicht ſchon vom oberen Cylinder feſtgehalten werden,
[787] ſicher vom unteren angezogen. Von den Magneten, welche die Eiſenringe magnetiſiren, beſitzt
jeder eine Tragfähigkeit von 5 Kilogramm; ſolcher Magnete befinden ſich in dem oberen
Cylinder 15, im unteren 20. „La lumière électrique“ (1881) giebt an, daß mehr als 33 ſolcher
Apparate in verſchiedenen Etabliſſements zur Trennung von Metallſpähnen und Feilicht und
ſieben zur Erzſcheidung in Verwendung ſtehen.


Ediſon’s magnetiſcher Erzſcheider zeichnet ſich durch außerordentliche Einfachheit aus
und iſt auch nach einem von den vorbeſchriebenen Apparaten abweichenden Principe conſtruirt.
Eine perſpectiviſche Anſicht desſelben giebt Fig. 573. Anſtatt Elektromagnete in Contact mit
den Erzen auf dieſe die Anziehungskraft ausüben zu laſſen, bedient ſich Ediſon der magnetiſchen
Fernwirkung. Die Erze fallen aus dem Fülltrichter vertical hinab und paſſiren während ihres
Falles an den Polen eines Elektromagnetes vorbei. Durch dieſe werden die magnetiſchen
Erze während ihres Falles von der verticalen Fallrichtung abgelenkt, indeß die unmagnetiſchen
ihren Weg in unveränderter Richtung fortſetzen. (In der Figur umſchließt der auf der rechten
Seite des Apparates ſichtbare Kaſten den Elektro-
magnet.) Dieſer ſehr einfache Apparat ſteht gegen-
wärtig in Amerika in vielfacher Anwendung.


Obwohl nicht in die Metallurgie, ſondern
in die Keramik fallend, möge hier noch einer Vor-
richtung gedacht werden, die, auf demſelben Principe
wie die Erzſcheider beruhend, zur magnetiſchen
Reinigung der Porzellanmaſſen
dient. Es iſt
ebenſo ſchwierig als abſolut unerläßlich, die Porzellan-
maſſe von Eiſentheilchen vollkommen zu befreien,
wenn man tadellos weißes Porzellan erhalten will.
Pilliduyt \& Söhne in Mehun-ſur-Yèvre
und Creil überwinden dieſe Schwierigkeit auf
magnetiſchem Wege. Die dünnflüſſige Maſſe wird
nämlich an den Polen eines kräftigen Elektro-
magnetes vorbeigeführt. Es iſt zu dieſem Zwecke
ein kräftiger Elektromagnet in horizontaler Lage
befeſtigt, der durch eine kleine Gramme’ſche Maſchine
angeregt wird. Zwiſchen beiden in geringer Ent-
fernung voneinander befindlichen Magnetpolen läuft
eine Rinne, in welche oben durch einen Trichter
die Porzellanmaſſe zugeführt und durch ein unten
angebrachtes Ableiterohr weiter geleitet wird. Die
Maſſe fließt dann in dünner Schichte durch die an
den Magnetpolen anliegende Rinne; hierbei werden
die Eiſentheilchen durch die kräftige magnetiſche
Wirkung zurückgehalten. Der Apparat iſt im Stande,
täglich 500 bis 600 Kilogramm Porzellanmaſſe zu
reinigen. (Der Eiſengehalt ergab ſich zu je 1 Gramm
auf 12 Kilogramm.) Es genügt eine zweimalige
Reinigung täglich zur Entfernung der zurück-
gehaltenen Eiſentheilchen aus der Rinne. Nach

Figure 577. Fig. 573.

Ediſon’s Erzſcheider.


Abſtellen des elektriſchen Stromes kann dies durch Abſpülen mit Waſſer unter Druck bewirkt
werden.


Eine eigenartige Anwendung finden elektriſche Ströme bei der Gold-Silber-
gewinnung. Aus Mineralien, welche Gold oder Silber enthalten, werden dieſe
Metalle in der Weiſe erhalten, daß man das ganze Materiale pulvert und dann
mit Queckſilber behandelt; hierbei bildet ſich das Amalgam des betreffenden Metalles
(d. h. die Verbindung mit Queckſilber) und hieraus erhält man das Metall ſelbſt
durch Abdeſtilliren des Queckſilbers. Dieſes Verfahren bringt keine beſonderen
Schwierigkeiten mit ſich, ſo lange die Gangart nur aus Quarz beſteht, es wird
aber ſehr erſchwert und vertheuert, wenn, wie das bei vielen Erzen der Fall iſt,
auch Schwefelarten und andere Verbindungen das Edelmetall begleiten. Die An-
weſenheit ſolcher Subſtanzen verſchmiert und verunreinigt nämlich das Queckſilber
50*
[788] und beraubt dieſes ſeiner blanken Oberfläche, wodurch die Aufnahme der Gold-
theilchen durch das Queckſilber verhindert wird. So giebt Guerout an, daß z. B.
ein Quarz, der per Tonne 1250 Gramm Gold enthält, unter den genannten Um-
ſtänden die Goldgewinnung unmöglich machte. Man hat dieſen Uebelſtand durch
Zuſatz von Natrium zum Queckſilber oder Reinigen desſelben durch einen Chlor-
ſtrom zu beſeitigen vorgeſchlagen, aber, wie es ſcheint, keinen vollkommen befriedigen-
den Erfolg damit erzielt. Hingegen gelang es Richard Barker, durch Anwendung
der Elektricität den angeſtrebten Zweck zu erreichen. Er beobachtete nämlich die
merkwürdige Thatſache, daß bei Verbindung des Queckſilbers mit dem negativen
Pole einer Elektricitätsquelle und des darüber fließenden Waſſers mit dem poſitiven

Figure 578. Fig. 574.

Elektriſches Verfahren zur Goldgewinnung.


Figure 579. Fig. 575.


Pole die Verunreinigungen des die Kathode bildenden Queckſilbers von dieſem weg
und zur Anode (zum Waſſer) getrieben werden, wodurch alſo das Queckſilber
wieder ſeine blanke Oberfläche erhält.


Auf Grund dieſer Thatſache ließ ſich Barker das nachſtehend beſchriebene
elektriſche Verfahren zur Gewinnung von Gold und Silber patentiren.
Die gepulverten und in Waſſer aufgeſchlämmten Erze fließen wie gewöhnlich über
die ſchwach geneigte Fläche A A (Figur 574) und paſſiren bei ihrem Herabfließen
das in den die Fläche quer durchziehenden Trögen a a … befindliche Queckſilber.
Dieſes nimmt bei blanker Oberfläche die Goldtheilchen auf, während der Schlamm
der Gangart abfließt. Um nun die Queckſilberflächen blank zu erhalten, verbindet
Barker die Queckſilbertröge mit dem negativen Pole einer elektriſchen Maſchine
und macht ſie dadurch zu Kathoden. Der poſitive Pol der Maſchine wird mit dem
[789] über das Queckſilber fließenden Waſſer in Verbindung geſetzt und macht dieſes zur
Anode. Der vom negativen Pole der Maſchine kommende Strom tritt durch den
Draht m in die Queckſilberrinne 1 ein, fließt von dieſer durch den Verbindungs-
draht m zur Rinne 2 u. ſ. w. bis zur Rinne 10. Die Zuleitung des poſitiven
Stromes zeigt für die Rinnen 1, 2 und 3 (Fig. 575). Auf einer hölzernen, durch
die Schnurſcheibe C in Umdrehung verſetzten Walze ſind vier Metallſchienen s
parallel zur Axe der Walze befeſtigt, die durch drei Metallringe (in der Mitte
und an beiden Stirnſeiten) feſtgehalten werden. An dieſen Metallſchienen ſind der
ganzen Länge nach radial abſtehende Metalldrähte e angebracht, deren Länge ſo
bemeſſen iſt, daß ihre Enden während der Rotation der Walze in das über die
ſchiefe Ebene fließende Waſſer tauchen, aber die Queckſilberoberfläche nicht berühren.
Auf jenem Metallringe der Walze, welcher ſich auf dem von der Schnurſcheibe
abgewandten Ende befindet, ſchleift ein Contactſtift v, der mit dem poſitiven Pole
der elektriſchen Maſchine in leitender Verbindung ſteht; hierdurch werden die Metall-
ſchienen und ſomit auch die abſtehenden Drähte zu Anoden gemacht. Auf den
Holztheilen der Walze, welche zwiſchen den Metallſchienen liegen, ſind Holzſtäbe r
in gleicher Weiſe befeſtigt wie die Drähte; ſie ſind aber länger wie die letzteren
und tauchen daher bei Umdrehung der Walze in das Queckſilber ein, wodurch
letzteres, um die Amalgamirung zu erleichtern, in ſtändiger Bewegung erhalten wird.


Ueber den Queckſilberrinnen 4, 5 und 6 fungiren die Walzen b (Fig. 574)
mit ihren Holzſtiften r nur als Rührvorrichtungen; die Zuführung des poſitiven
Stromes in das Waſſer geſchieht nicht durch die Walze wie vorhin, ſondern durch
Drähte n, welche in das Waſſer tauchen und an den Matallſtangen f befeſtigt
ſind. Die Rinnen 7 und 8 beſitzen keine Rührvorrichtungen mehr; die Strom-
zufuhr erfolgt durch die auf den Walzen D aufgeſetzten Metallſtifte z. Da derartige
Paare von Metallſtiften (wie die Figur erkennen läßt) nur an den Enden eines
Walzendurchmeſſers angebracht ſind, ſo kann natürlich die Stromzufuhr nur inter-
mittirend ſein, alſo bei jeder vollen Umdrehung der Walze nur zweimal eintreten.
Ueber den Rinnen 9 und 10 endlich befinden ſich gar keine Walzen mehr, hier
erfolgt die Stromzuleitung durch die enge aneinander angeordneten, quer oder quer
und der Länge nach zu den Rinnen geſtellten Metalldrähte g; in 9 und 10 ſind
die Drähte wieder an Metallſtangen f befeſtigt. Die mit dieſem Verfahren erzielten
Reſultate ſollen ſehr zufriedenſtellende ſein.


Auch die Wärmewirkung des galvaniſchen Stromes ſuchte man für die Metallurgie
auszunützen. William Siemens conſtruirte nämlich einen Apparat zum Schmelzen
ſchwerflüſſiger Stoffe durch den Voltabogen.


Zur Erreichung ſehr hoher Temperaturen ſtanden bis jetzt zwei Mittel zur Verfügung:
Das Knallgasgebläſe und der Regenerativofen. Bei erſterem wird ein ſehr hoher Hitzegrad
durch die Vereinigung reinen Sauerſtoffes mit einem reichen brennbaren Gaſe unter Ein-
wirkung eines Gebläſes erzielt, während beim Regenerativofen die durch langſame Verbrennung
eines armen Gaſes erzeugte Wärme durch eine Art Aufſammlungsverfahren in Wärme-
magazinen in ihrer Wirkung geſteigert wird. Die bei beiden Verfahren erzielten Temperaturen
reichen jedoch beiweitem nicht an jene Temperatur hinan, welche durch den Voltabogen er-
reicht werden kann. Schon im Jahre 1807 war es Humphrey Davy gelungen, mittelſt
eines Stromes von 400 Wollaſton’ſchen Elementen Pottaſche zu zerſetzen; aber erſt die Ent-
wicklung und Ausbildung der elektriſchen Maſchinen bis zu ihrem heutigen Stande konnte die
Idee aufkeimen laſſen, die durch den Voltabogen erzeugte, alle durch die bisher bekannten
Mittel erreichbare, weit überſteigende Temperatur zur Schmelzung größerer Mengen ſchwer-
flüſſiger Stoffe zu benützen.


William Siemens hat nun in der That einen Apparat erſonnen, durch welchen er
in den Stand geſetzt wurde, ſchwerflüſſige Stoffe in größerer Menge durch den elektriſchen Strom
[790] zu ſchmelzen. Er beſchreibt denſelben in nachfolgender Weiſe: Der Apparat beſteht aus einem
gewöhnlichen Schmelztiegel T von Graphit (Fig. 576) oder anderem ſehr ſchwer ſchmelzbarem
Materiale, welches in ein auf einem Dreifuß ſtehendes metalliſches Gefäß oder Hülle H,
unter Ausfüllung des Zwiſchenraumes mit geſtoßener Holzkohle oder mit einem anderen
ſchlechten Wärmeleiter eingeſetzt iſt. Durch den Boden des Schmelztiegels iſt ein Loch gebohrt,
durch welches ein Stab von Eiſen, Platin oder von Gaskohle, wie ſolche zur elektriſchen Be-
leuchtung gebraucht wird, eingeführt iſt. Der Deckel des Schmelztiegels iſt ebenfalls durch-
bohrt, um die negative Elektrode aufzunehmen, als welche womöglich ein Cylinder von ge-
preßter Kohle von vergleichsweiſe beträchtlichen Abmeſſungen gewählt wird. An dem einen
Ende A eines in der Mitte unterſtützten Balkens A B iſt die negative Elektrode durch einen

Figure 580. Fig. 576.

Schmelzofen von Siemens.


aus Kupfer oder aus einem anderen guten
Leiter der Elektricität hergeſtellten Streifen
aufgehängt, während am anderen Ende B
des Balkens ein hohler Cylinder von weichem
Eiſen befeſtigt iſt, welcher ſich vertical in
einer Drahtſpule S frei bewegen kann, die
einen Geſammtwiderſtand von etwa 50 Ohm-
ſchen Einheiten darbietet. Durch ein Lauf-
gewicht G kann das Uebergewicht des nach
der Drahtſpule hin liegenden Balkenarmes
ſo verändert werden, daß es die magnetiſche
Kraft, mit welcher der hohle Eiſencylinder
in die Solenoidrolle S hineingezogen wird,
ausgleicht. Ein Ende der Drahtſpule iſt
mit dem poſitiven, das andere Ende mit
dem negativen Pole des elektriſchen Bogens
verbunden. Der Widerſtand des Bogens
wird dadurch nach Belieben beſtimmt und
innerhalb der Grenzen, welche die Kraft-
quelle zuläßt, feſtgeſtellt, indem man das
Gewicht auf dem Balken verſchiebt. Ver-
größert ſich aus irgend welcher Urſache der
Widerſtand des Bogens, ſo gewinnt der
durch die Drahtſpule gehende Strom an
Kraft, die magnetiſche Anziehung überwindet
das entgegen wirkende Gewicht und ver-
urſacht dadurch, daß die negative Elektrode
tiefer in den Schmelztiegel eintaucht, während,
wenn der Widerſtand unter die gewünſchte
Grenze ſinkt, das Gewicht den Eiſencylinder
in die Spule zurücktreibt, wodurch ſich die
Länge des Bogens ſo lange vergrößert, bis
das Gleichgewicht zwiſchen den wirkenden
Kräften wieder hergeſtellt iſt. Außer der
automatiſchen Regulirung des Lichtbogens
iſt es für das Gelingen der Schmelzung
von Wichtigkeit, das zu ſchmelzende Material
zum poſitiven Pole zu machen, da bekanntlich an dieſem die weitaus größte Wärmemenge
erzeugt wird.


In einem ſolchen elektriſchen Schmelztiegel brachte William Siemens 1 Pfund
zerbrochener Feilen in 13 Minuten zum Schmelzen. Der Tiegel hatte hierbei eine Tiefe von
20 Centimeter und der dazu angewandte Strom konnte in einer Regulatorlampe ein Licht
von 6000 Normalkerzen erzeugen. Bei Anwendung eines Kohlencylinders als negativen Pol
kann aber durch Loslöſung von Kohlentheilchen auch eine chemiſche Veränderung des zu
ſchmelzenden Materiales bewirkt werden; will man dieſe vermeiden, ſo muß für die negative
Elektrode ein Stoff gewählt werden, welcher keine Subſtanz an den Bogen abgiebt. Siemens
verwendet dazu einen ſogenannten Waſſerpol, das heißt ein Rohr aus Kupfer, durch welches
zur Abkühlung ein Waſſerſtrom fließt. (In der Figur getrennt gezeichnet.)


Bezüglich der Koſten der elektriſchen Schmelzung hat Siemens berechnet, daß beim
Gebrauche einer dynamoelektriſchen Maſchine, welche durch eine Dampfmaſchine getrieben wird,
[791] theoretiſch betrachtet, ein Pfund Kohle nahezu ein Pfund Gußſtahl ſchmelzen kann. Um eine
Tonne Stahl in Schmelztiegeln in dem in Sheffield benutzten gewöhnlichen Gebläſeofen zu
ſchmelzen, werden 2 ½ bis 3 Tonnen beſten Durham-Coaks gebraucht. Dieſelbe Wirkung
wird mit einer Tonne Kohle erzeugt, wenn die Schmelztiegel im Regenerativ-Gasofen erhitzt
werden, während, um große Mengen Gußſtahles im offenen Herde desſelben Ofens zu er-
zeugen, 12 Centner Kohle zur Gewinnung einer Tonne Stahl genügen.


Zu Gunſten dieſes Verfahrens ſprechen folgende Umſtände: 1. Daß der erreichbare
Hitzegrad theoretiſch unbegrenzt iſt. 2. Daß die Schmelzung in einer vollkommen neutralen
Atmoſphäre vor ſich geht. 3. Daß das Verfahren im Laboratorium ohne viel Vorbereitung
und unter dem Auge des Beobachters vorgenommen werden kann. 4. Daß bei Benützung der
gewöhnlichen, ſchwer ſchmelzbaren Materialien die praktiſch erreichbare Grenze der Hitze ſehr
hoch liegt, da im elektriſchen Schmelzofen das ſchmelzende Material eine höhere Temperatur
als der Schmelztiegel ſelbſt hat, während im gewöhnlichen Verfahren die Temperatur des
Schmelztiegels diejenige des darin geſchmolzenen Materiales überſteigt. Wenn demnach der
beſchriebene elektriſche Schmelzofen auch die bisher üblichen Schmelzöfen kaum verdrängen
dürfte, ſo werden die eben angegebenen Vortheile ihn doch zu einem zweckmäßigen Hilfsmittel
zur Ausführung chemiſcher Reactionen verſchiedenſter Art bei Temperaturen und unter Um-
ſtänden, die bisher nicht erreichbar waren, machen.


Eine viel ausgedehntere Anwendung als zu den oben beſchriebenen Zwecken
findet die Elektricität im hüttenmänniſchen Betriebe zur Reinmetallgewinnung
durch Elektrolyſe.
Siemens \& Halske haben ſich ſchon ſeit geraumer Zeit mit
dem Studium dieſer Induſtrie befaßt und auch Maſchinen conſtruirt (ſiehe
Seite 389), welche auf einzelnen Werken in ganzen Batterien aufgeſtellt Tag und
Nacht zur Metallabſcheidung verwendet werden. Gramme’ſche Maſchinen arbeiten
ſechs an der Zahl in der Norddeutſchen Affinerie-Actiengeſellſchaft in Hamburg.
Die elektrolytiſche Abtheilung dieſer Fabrik beſteht ſeit dem Jahre 1875. Haupt-
gegenſtand der Fabrication iſt die Herſtellung von Kupfer von faſt abſoluter
Reinheit. (Die Analyſen ergeben 99·95 Procent Kupfer.) Dasſelbe wird aus ſilber-
und goldhaltigem Rohkupfer auf elektriſchem Wege geſchieden, während man gleich-
zeitig den Geſammtgehalt an Edelmetall gewinnt. Nach einer Modification desſelben
Verfahrens werden auch Kupfer-Silberlegirungen bis zu 50 Procent Silbergehalt
direct in Silber und Kupfer zerlegt; in den Jahren 1877—1878 iſt auf dieſe
Weiſe ein großer Theil der deutſchen Scheidemünzen geſchieden und dabei neben
115.000 Kilogramm reinem Kupfer über 33 Kilogramm Silber und 23·5 Kilo-
gramm Gold gewonnen worden. Die tägliche Kupferproduction beträgt zur Zeit
(1881) bei 24ſtündiger Arbeit 1600 Kilogramm. Die ſechs Gramme’ſchen Maſchinen
werden durch eine circa 30pferdige Dampfmaſchine betrieben. Neben der Kupfer-
abſcheidung wird ſeit Ende des Jahres 1878 nach einer neuen elektrolytiſchen
Methode aus Legirungen, die neben Gold noch Blei, Silber, Kupfer, Platin,
Palladium u. ſ. w. in den verſchiedenſten Gewichtsverhältniſſen enthalten, ein Gold
von 1000 Promille Feingehalt gewonnen. Im Jahre 1880 ſind auf dieſe Weiſe
1200 Kilogramm Feingold dargeſtellt worden. In kleineren Quantitäten wird
chemiſch reines Silber auf elektriſchem Wege dargeſtellt und als Nebenproducte der
Elektrolyſe erhält man Bleiſuperoxyd, Nickelſulfat, Nickelammoniumſulfat, Platin,
Palladium, die Verbindungen dieſer Metalle u. ſ. w.


Die elektriſche Reinigung von Kupfer, welches bereits den Raffinirofen
paſſirt hat und höchſtens 2 Procent Verunreinigungen enthält, iſt wohl der ein-
fachſte Fall der Reinmetallgewinnung im Großen. Siemens ſpricht ſich hierüber
in nachſtehender Weiſe aus: Für dieſen Fall paſſen Dynamomaſchinen C1 (ſiehe
Seite 389, Fig. 264) und C2, von denen die erſte 6 Centimeter, die zweite 3
Centimeter Reinkupfer in 24 Stunden in 12 hintereinander geſchalteten Bädern
[792] liefert; der Arbeitsverbrauch beträgt bei C1 beiläufig 10, bei C2 beiläufig 5 Pferde-
kräfte. Die Elektrodenoberfläche in jedem Bade muß beiläufig 30 Quadratmeter
betragen (z. B. 30 Platten Rohkupfer von 0·5mal 1 Meter und gleich viele
Reinkupferplatten), der Querſchnitt der Leitung beiläufig 20 Quadratcentimeter.
Für jede Art von Metallniederſchlag durch den elektriſchen Strom, ja ſogar für
jeden elektrochemiſchen Proceß im Allgemeinen laſſen ſich Maſchinen conſtruiren,
welche die betreffende Zerſetzung in größerem Maßſtabe bewirken. Bedeutend
größere Maſchinen als C1 zu conſtruiren, iſt aus verſchiedenen Gründen unvor-
theilhaft; wenn Maſchinen dieſer Größe nicht genügen, iſt es zweckmäßiger, mehrere
ſolcher Maſchinen zu verwenden und jeder Maſchine einen eigenen Betrieb anzu-
weiſen. Enthält das zu reinigende Rohmetall viel mehr fremde Beſtandtheile, als
z. B. raffinirtes Kupfer, ſo muß für eine beſtimmte Niederſchlagsmenge umſo
mehr Arbeitskraft aufgewendet werden, je unreiner das Rohmaterial iſt. Am meiſten
Arbeitskraft iſt nöthig, wenn das Materiale nicht aus unreinem Metall, ſondern
aus einer Löſung ausgeſchieden werden ſoll; in dieſem Falle müſſen als Kathoden
Kohle, Platin, Blei oder andere ſchwer oxydirbare Stoffe verwendet werden, an
welchen alsdann Gasentwicklung ſtattfindet.


Die Elektrolyſe wird auch zur Entſilberung des Bleies benützt; Keith gießt
das Werkblei in dünne Platten, umgiebt dieſe mit Mouſſelin und benützt ſie dann als Anode
in einer Zerſetzungszelle, welche ſchwefelſaures Blei und eſſigſaures Natron in wäſſeriger
Löſung enthält. (70—85 Gramm Bleiſulfat auf 780 Gramm eſſigſaures Natron.) Als Katho-
den werden Bleiplatten verwendet. Das Blei wird dann an dieſen durch Elektrolyſe im
kryſtalliniſchen Zuſtande abgeſchieden, während in dem die Anode umgebenden Sack das Silber
und die übrigen Metalle zurückbleiben.


Um die Polariſation zu vermeiden, muß man die Lauge in ſtändiger Circulation er-
halten. Die Raffinirung ſilberhaltigen Schwarzkupfers wird in Elkington, Hamburg, Moabit,
Oker u. ſ. w. auf elektrolytiſchen Wege im Großen ausgeführt, jedoch hält man die hierbei
zur Anwendung kommenden Methoden geheim.


Gegenwärtig beſchränkt man ſich jedoch nicht mehr darauf, nur unreine
Metalle auf elektrolytiſchem Wege zu reinigen oder Metallegirungen zu ſcheiden,
ſondern hat vielmehr auch ſchon mit Erfolg die Abſcheidung der Metalle
direct aus den Erzen
verſucht. Ein diesbezügliches Verfahren, welches ſich Blas
und Mieſt patentiren ließen, beſteht in der elektrolytiſchen Verarbeitung der
Schwefelmineralien. Wendet man nämlich als Anode ein Schwefelmineral an,
welches dasſelbe Metall enthält als das Bad, ſo erhält man an der Kathode das
Metall des Bades, beziehungsweiſe des Minerals, während an der Anode Schwefel
niederfällt. Bei Erzen, welche Antimon und Arſen enthalten, fallen dieſe ebenfalls
an der Anode nieder, jedoch zumeiſt in der Form ihrer Oxyde, die man dann durch
weitere Elektrolyſirung leicht trennen kann. Blas und Mieſt preſſen bei ihrem Ver-
fahren die auf 5 Millimeter Korngröße zerkleinerten Schwefelverbindungen (z. B.
Zinkblende, Bleiglanz, Kupferkies) in Formen aus Stahl unter einem Drucke von
100 Atmoſphären zunächſt kalt und dann bei 600 Grad in Platten zuſammen
und nennen dieſe Procedur die Agglomeration. Die hierauf raſch abgekühlten Platten
werden dann an Eiſenſtangen befeſtigt, in das Bad eingehängt und mit dem
poſitiven Pole einer Maſchine in Verbindung geſetzt. Das Bad beſteht bei An-
wendung von Zinkblende aus Zinkſulfat, Nitrat oder Chlorid. Eine unlösliche
Metallplatte bildet die Kathode.


Die Darſtellung des Aluminiums durch Elektrolyſe iſt bereits Bunſen gelungen
unter Anwendung des bei 200 Grad ſchmelzenden Doppelſalzes Chlornatrium — Chloralu-
[793] minium. Die Trennung gelingt jedoch ſchwierig und erfordert eine ſorgfältige Regulirung der
Temperatur. Gewöhnlich wird das Aluminium durch Zerſetzen des genannten Doppelſalzes
mit Natrium gewonnen. Der Preis des Aluminiums hängt alſo direct von jenem des Natriums
ab. Ein Kilo des letzteren koſtet gegenwärtig beiläufig 40 Frcs. In jüngſter Zeit ſoll
es aber gelungen ſein (nach einer Mittheilung in Bulletin de la compagnie internationale
des téléphones
), das Natrium durch ein neues elektrolytiſches Verfahren zu 1 Frc. per Kilo
herzuſtellen. Da Aluminiumverbindungen in der Natur in großer Menge vorkommen, würde
dies den Preis (von gegenwärtig circa 300 Frcs. per Kilo) des für viele techniſche Ver-
werthungen höchſt ſchätzenswerthen Metalles bedeutend erniedrigen und dasſelbe zu einer aus-
gebreiteten Anwendung befähigen.


Für die elektrolytiſche Darſtellung des Aluminiums und Magneſiums (überhaupt für
die Elektrolyſe der alkaliſchen Erden) hat ſich Graetzel ein Verfahren patentiren laſſen, deſſen
Princip darin beſteht, daß durch einen geeigneten Apparat die Kathode einem reducirenden
Gaſe ausgeſetzt und vor der Einwirkung der an der Anode ſich entwickelnden Gaſe geſchützt
wird. Fig. 577 ſtellt im Schnitte den elektriſchen Apparat für den ſpeciellen Zweck der Alu-
miniumgewinnung dar. Er beſteht aus einem Schmelztiegel g, in welchem ein als Kathode
dienendes Metallgefäß b eingeſetzt iſt. Der Tiegel iſt aus Faïence oder einem anderen feuer-

Figure 581. Fig. 577.

Apparat zur Magneſiumgewinnung.


feſten Materiale verfertigt und wird gegen directe Berührung mit dem Feuer durch die Metall-
hülle h geſchützt. Bei Anwendung eines Graphittiegels entfällt dieſe Hülle. Der Tiegel wird
durch einen aus demſelben Materiale gefertigten Deckel geſchloſſen, welcher in der Mitte mit
einer großen Oeffnung zur Aufnahme des Gefäßes e und mit zwei Bohrungen zum Ein-
ſetzen der Röhren a a' verſehen iſt. Das Gefäß e (in der Figur auch ſeparat gezeichnet)
beſteht aus Porzellan und iſt oben durch einen Deckel verſchloſſen, welcher die Anode, ein
Stück Kohle c, trägt. Das Rohr f dieſes Gefäßes iſt zur Ableitung des an der Anode ſich
entwickelnden Gaſes beſtimmt. Die Oeffnungen im unteren Theile der Zelle ermöglichen die
Circulation des geſchmolzenen Salzes (Chloraluminiums). Durch das Rohr a wird ein
reducirendes Gas eingeleitet, welches bei a' wieder entweicht. In das Gefäß e werden auch
noch parallel zur Kohle prismatiſche Stücke d eingeſetzt, welche aus gleichen Theilen Thon-
erde und Kohle (für Magneſiumgewinnung aus Magneſia und Kohle) gebildet werden. Die
Kohle verbindet ſich dann mit dem Sauerſtoff der Thonerde und das Aluminium mit dem
an der Anode ſich entwickelnden Chlor. Das hierdurch erzeugte Aluminiumchlorid vereinigt
ſich mit der geſchmolzenen Maſſe. Es können auch mehrere dieſer Apparate verbunden werden,
welche eine gemeinſchaftliche Röhrenleitung für die Zu- und Ableitung des reducirenden
Gaſes erhalten. Die Darſtellung des Magneſiums nach dieſem Verfahren wird bereits in
größerem Maßſtabe betrieben, während hingegen für die Darſtellung des Aluminiums noch
einige Schwierigkeiten zu überwinden ſind.


[794]
Galvanoplaſtik.

Unter Galvanoplaſtik im weiteren Sinne des Wortes verſteht man die Er-
zeugung zuſammenhängender Metallniederſchläge durch Elektrolyſe; man kann hierbei
die Erreichung zweier voneinander principiell verſchiedener Zwecke anſtreben: Die
Ueberkleidung eines Gegenſtandes mit einer Metallſchichte, welche mit dem Körper
feſt verbunden iſt, oder die Herſtellung ablösbarer Metallüberzüge, welche eine
gewiſſermaßen negative Copie des benützten Körpers darſtellen. Das erſterwähnte
Verfahren bezeichnet man mit dem Namen Galvanoſtegie, das letzterwähnte
heißt Galvanoplaſtik im engeren Sinne. Der ſpeciellen Betrachtung dieſer beiden
Zweige wollen wir jedoch einige allgemeine Angaben vorausſchicken.


Die hohe induſtrielle Bedeutung, welche die Galvanoplaſtik ſchon ſeit längerer
Zeit beſitzt, noch ſpeciell hervorheben zu wollen, erſcheint allerdings überflüſſig;
immerhin dürften aber einige ſtatiſtiſche Angaben nicht ohne Intereſſe ſein. Wir
entnehmen dieſe einem Vortrage H. Bouilhet’s. Hiernach ſchlägt eine einzige
Fabrik, nämlich Chriſtofle in Paris, jährlich über 6000 Kilogramm Silber in
ihren Zerſetzungszellen nieder und hat auf dieſe Weiſe ſeit dem Jahre 1842 (dem
Jahre ihrer Gründung) mindeſtens 169.000 Kilogramm Silber verarbeitet, durch
welches Gegenſtände in unſchätzbarer Anzahl mit einer ihrem Gebrauche entſprechend
dicken Silberſchichte verſehen wurden. Die Dicke dieſer Ueberzüge wird im Mittel
derart bemeſſen, daß 3 Gramm Silber auf den Quadratdecimeter kommen. Die
von dieſer einzigen Fabrik mit Silber bedeckte Fläche umfaßt alſo mindeſtens
563.000 Quadratmeter, d. h. mehr als 56 Hektar. Nach ſicheren Angaben
ſchätzt Bouilhet die gegenwärtig in ganz Paris per Jahr erzeugten Silbernieder-
ſchläge auf 25.000 Kilogramm, die in Amerika und Europa zuſammen auf beiläufig
125.000 Kilogramm, welches Quantum einen Werth von 25 Millionen Frcs.
repräſentirt.


Die in der Galvanoplaſtik im Allgemeinen zur Verwendung kommenden
Elektricitätsquellen ſind galvaniſche Elemente, Thermoſäulen und elektriſche
Maſchinen. Von den galvaniſchen Elementen können nur jene verwendet werden,
welche einen hinlänglich ſtarken und gleichbleibenden Strom liefern, alſo nur con-
ſtante Elemente. Wir haben dieſelben bereits kennen gelernt und erwähnen nur
noch, daß für galvanoplaſtiſche Zwecke z. B. Elemente nach Daniell, Meidinger,
Bunſen, Grove, Smee u. ſ. w. beſonders geeignet ſind. Die Thermoſäulen ſind
zwar ſehr bequem in ihrer Anwendung, aber ziemlich theuer und liefern auch nur
verhältnißmäßig ſchwache Ströme. Sie werden alſo nur zu kleineren galvano-
plaſtiſchen Arbeiten zu empfehlen ſein. In großen galvanoplaſtiſchen Anſtalten
werden aber auch die galvaniſchen Elemente durch die Maſchinen immer mehr und
mehr verdrängt. Im Großbetriebe iſt natürlich die Anwendung von Maſchinen in
ökonomiſcher Beziehung rationeller als jene von Batterien; außerdem wiſſen wir
auch, daß der Strom ſelbſt conſtanter Elemente nicht ſehr lange ſich wirklich in
conſtanter Stärke erhält, indeß der Strom einer Maſchine leicht beliebig lange
vollkommen conſtant erhalten werden kann. Dieſer Umſtand allein ſpricht weſentlich
zu Gunſten der Maſchinen, da die Gleichartigkeit und Homogenität eines Metall-
niederſchlages durch die Unveränderlichkeit der Stromſtärke bedingt iſt.


Da für galvanoplaſtiſche oder überhaupt elektrolytiſche Arbeiten Ströme
geringer Spannung, ſogenannte Quantitätsſtröme, erforderlich ſind, hat man bei
Anwendung von Elementen ſolche mit großen Platten zu wählen oder kleinplattige
[795] parallel zu ſchalten. Kommen Maſchinen zur Verwendung, ſo müſſen dieſe mit
geringem inneren Widerſtande gebaut ſein. Wir haben derartige Maſchinen von
Gramme (Seite 370), Schuckert (Seite 374), Siemens (Seite 389) und Ferraris
(Seite 441) bereits kennen gelernt. Daran mögen hier noch die Beſchreibungen
einer großen Gramme’ſchen Maſchine für Kupferabſcheidung und einer Weſton-
Maſchine gereiht werden.


Die in Fig. 578 abgebildete Gramme’ſche Maſchine ſteht ſchon ſeit einer langen
Reihe von Jahren bei Wohlwill und Oeſchger \& Mesdach in Verwendung. Sie beſitzt gegen-
über dem gewöhnlichen Modelle (Seite 371) die doppelte Anzahl von Elektromagneten, daher
auch vier ſelbſtſtändige Pole, von welchen je zwei gleichnamig ſind, ein ſolches Paar iſt durch
den oberen, das andere durch den unteren Polſchuh vereinigt. Die Eiſenkerne dieſer Elektro-
magnete beſitzen einen Durchmeſſer von 120 Millimeter bei einer Länge von 410 Millimeter.
Um jeden derſelben iſt ein Kupferblech von 1·1 Millimeter Stärke 32mal gewunden. Der Wider-
ſtand dieſer Elektromagnet-Windungen beträgt bei Hintereinanderſchaltung 0·00142 Ohm, bei
Schaltung der 8 Magnete in zwei Gruppen 0·00028 Ohm. Die Polſchuhe der Elektromag-
nete umfaſſen einen Ring von eigenartiger Conſtruction, nämlich einen Doppelring, ähnlich
jenem, welchen wir ſchon bei einer Maſchine von Schuckert (Seite 347) kennen gelernt haben.
Dieſer Ring hat einen Durchmeſſer von 365 Millimeter und eine Länge von 442 Millimeter.
Er iſt aus 40 Abtheilungen gebildet, von welchen 20 mit den Sectoren des rechtsſeitigen,
20 mit jenen des linksſeitigen Stromſammlers verbunden ſind. Jede Spirale beſteht aus
7 Kupferbändern von 2·8 Millimeter Dicke und 10 Millimeter Breite, die voneinander durch
Luftzwiſchenräume iſolirt ſind. Je zwei aufeinander folgende Spiralen bilden eine Abtheilung
des Ringes. Der Widerſtand der Armatur beträgt bei Hintereinanderſchaltung beider Halb-
ringe 0·0004 Ohm und ſinkt auf 0·0001 Ohm bei Parallelſchaltung. Bei 500 Touren per
Minute erhält man bei Hintereinanderſchaltung einen Strom von 8 Volts, während bei
Parallelſchaltung die elektromotoriſche Kraft nur 4 Volts beträgt. Der Widerſtand der
geſammten Kupferwindungen (parallel geſchaltet) iſt gleich 0·00038 Ohm. Entſprechend den
zwei Stromſammlern beſitzt die Maſchine vier Schleifbürſten; jede dieſer Bürſten iſt doppelt
und jede Doppelbürſte hat eine Contactfläche von 24 Quadratcentimeter. Die Maſchine wiegt
2500 Kilogramm, wovon 735 Kilogramm auf das Kupfer entfallen. Bei einer Betriebskraft
von 15 Pferdekräften kann ſie per Tag 1000 Kilogramm Kupfer niederſchlagen.


Beim Betriebe galvanoplaſtiſcher Bäder oder überhaupt elektrolytiſcher Zer-
ſetzungszellen durch Maſchinen hat man auf die durch die Elektrolyſe hervorgerufene
Polariſation der Elektroden beſondere Rückſicht zu nehmen. (Vergl. Seite 250.)
Da nämlich beim Ingangſetzen einer dynamoelektriſchen Maſchine die Stroment-
wicklung bekanntlich durch den ſchwachen remanenten Magnetismus der Eiſenkerne
bewirkt wird, ſo hängt auch die Richtung der Ströme von der durch den rema-
nenten Magnetismus hervorgerufenen Polarität ab. Sobald die Maſchine ſtille
ſteht, hört jede Stromerzeugung auf und nun kann der durch die Polariſation der
Elektroden hervorgerufene Strom in die Drahtwindungen der Maſchine gelangen.
Da aber der Polariſationsſtrom ſtets die entgegengeſetzte Richtung hat wie jener
Strom, der die Polariſation hervorrief, ſo muß der Polariſationsſtrom die Schenkel
der Elektromagnete in entgegengeſetzter Richtung umkreiſen als der ſie früher erregende
Strom, d. h. die Polarität der Magnete wird umgekehrt. Setzt man dann eine
ſolche Maſchine abermals in Gang, ſo ſind ihre Pole verwechſelt, wodurch auch
die Anode des Metallbades zur Kathode und die Kathode zur Anode werden muß.
Der Strom würde dann an jener Stelle Metall löſen, an welcher er es vorhin
niedergeſchlagen hat. Eine Umkehr der Pole wird bei jeder abſichtlichen oder unab-
ſichtlichen Unterbrechung des Ganges einer dynamoelektriſchen Maſchine eintreten
müſſen, bei ſtarker Polariſation auch ſchon bei bedeutenderer Verminderung der
Tourenzahl eintreten können. Bei normalem Gange der Maſchine wird der Polari-
ſationsſtrom natürlich nicht im Stande ſein, die magnetiſche Polarität zu ändern,
[796]

Figure 582. Fig. 578.

Maſchine für Galvanoplaſtik von Gramme.


[797] weil ſelbſtverſtändlich nur ſolche Maſchinen zur Anwendung gelangen können, die
einen dem jeweiligen Zwecke entſprechenden Strom zu liefern im Stande ſind.


Um ſich gegen den Polwechſel ſicher zu ſtellen, hat man dreierlei Mittel:
1. Man macht die Magnete unabhängig vom Stromkreiſe der Zerſetzungszellen,
2. man ſchaltet die Magnete in Nebenſchluß und 3. man bedient ſich eines
Strombrechers. Die Magnete ſind unabhängig vom Stromkreiſe der Zerſetzungszellen,
wenn man Maſchinen mit permanenten (Stahl-) Magneten verwendet, wenn man
zur Erregung der Elektromagnete eine kleine Erregermaſchine benützt oder endlich,
wenn ein Theil der Armaturwindungen ausſchließlich zur Erregung der Elektro-
magnete (unter Anwendung des dynamiſchen Princips) nur mit den Drahtwin-
dungen dieſer verbunden wird. Dieſen Weg ſchlug Gramme bei ſeinen älteren

Figure 583. Fig. 579.

Schaltung für Nebenſchluß.


Maſchinen ein, und verfolgen heute noch z. B. Schuckert (Seite 374), Fein und
Andere durch Anwendung eines Doppelringes und zweier Stromabgeber. Die
Erregung der Elektromagnete durch eine eigene Maſchine kann natürlich des ökono-
miſchen Reſultates wegen nur bei großen Anlagen Anwendung finden. Liegen die
Magnete im Nebenſchluß, ſo kann eine Umkehr ihrer Pole durch den Polariſations-
ſtrom gleichfalls nicht eintreten. Man erkennt dies leicht aus Fig. 579. In A
theilt ſich der aus der Armatur kommende Strom bei f1 in zwei Zweige, von
welchen einer das Bad, der andere die Drahtwindungen der Elektromagnete durch-
fließt, worauf beide Zweige ſich bei f2 wieder vereinigen. In B gelangt der Polari-
ſationsſtrom, welcher die entgegengeſetzte Richtung beſitzt wie der Maſchinenſtrom,
nach f1, theilt ſich dort in zwei Zweige, die ſich gleichfalls bei f2 wieder vereinigen.
In beiden Fällen (A und B) werden die Elektromagnetſchenkel in derſelben Richtung
[798] von den Strömen umkreiſt, wodurch alſo eine Umkehr der Pole ausgeſchloſſen
erſcheint. Gramme vermeidet den Polwechſel durch Einſchaltung eines Strom-
brechers
. Dieſer beſteht aus einem Elektromagnete, der in den Stromkreis ein-
geſchaltet wird und deſſen Armatur, wenn ſie angezogen iſt, einen in dem Strom-
kreiſe angebrachten Contact herſtellt. Wird die Rotation der Maſchine aus irgend
welcher Urſache unterbrochen oder ſehr geſchwächt, ſo fällt der Anker ab und unter-
bricht die Stromleitung zwiſchen der Maſchine und der Zerſetzungszelle; der Polari-
ſationsſtrom kann ſomit gar nicht in die Elektromagnete kommen, alſo auch deren
Polarität nicht verändern.


Sehr beliebt, namentlich in Amerika, iſt Weſton’s Maſchine für Galvanoplaſtiß;
ſie wird, wie Gramme’s Maſchine, combinirt mit einem Strombrecher benützt. Fig. 580 iſt
eine perſpectiviſche Anſicht dieſer Maſchine (H) und des dazu gehörigen Strombrechers c,
Fig. 581 zeigt einige Conſtructionsdetails. Die Maſchine beſteht aus einem cylindriſchen,
gußeiſernen Mantel an deſſen Innenſeite ſechs radial geſtellte Magnete r (Fig. 581 B) be-
feſtigt ſind; ſie bilden die inducirenden Magnete der Maſchine, ſind in ihren Windungen alle
untereinander verbunden und ſo gewickelt, daß ein die letzteren durchfließender Strom

Figure 584. Fig. 580.

Weſton-Maſchine.


an den nach innen gekehrten Polen im Kreiſe
herum abwechſelnd Nord- und Südmagnetis-
mus erregt. Der Bau dieſer Magnete iſt
aus dem Querſchnitte (Fig. 581 A) eines
derſelben zu erſehen. Den hohlen Eiſenkern
e e umſchließen zu beiden Seiten Stahl-
platten s s und erſt auf dieſe kommen die
Drahtwindungen d d zu liegen. Die Eiſen-
kerne ſind hohl, damit man zur Kühlung
der Magnete Waſſer durchleiten kann; ſie
tragen Stahlplatten, die durch den Strom
in den Drahtwindungen natürlich perma-
nenten Magnetismus erhalten, um die Um-
kehr der Pole zu erſchweren. Die Armatur
beſteht gleichfalls aus ſechs radial geſtellten,
aber etwas kürzeren Elektromagneten r', die
auf der Rotationsaxe der Maſchine befeſtigt
ſind. Sie ſind ebenſo wie die inducirenden
Magnete gewickelt, aber nur zu je zweien
miteinander verbunden. Obwohl nun in
jedem Momente der Drehung in den der
Reihe nach aufeinander folgenden Spulen Ströme abwechſelnd der einen und der entgegen-
geſetzten Richtung inducirt werden und die Stromrichtung in jeder einzelnen Spule bei jeder
vollen Umdrehung der Maſchine ſechsmal wechſelt, geſtatten doch die angegebene Wicklung
und der Commutator dieſe Wechſelſtröme zu Strömen gleicher Richtung zu ſammeln. Der
Commutator iſt zu dieſem Zwecke aus ſechs Segmenten H zuſammengeſetzt, von welchen die
Segmente 1, 3 und 5 mit den Drahtenden eines und die Segmente 2, 4 und 6 mit den
Drahtenden des entgegengeſetzten Vorzeichens (+ —) verbunden ſind. Da nun jedem Sector
einer geraden Rangnummer ein Sector mit ungerader Rangnummer diametral gegenüberſteht,
ſo muß durch die ebenfalls diametral einander gegenüberſtehenden Bürſten auch ſtets ein Strom
gleicher Richtung in den äußeren Stromkreis abfließen.


Der Strombrecher (e Fig. 580 und 581 C) beſteht aus einer kreisrunden Scheibe S
welche um eine horizontale Axe in Rotation verſetzt werden kann. Sie iſt mit zwei diametral
einander gegenüberliegenden Ausſchnitten a a verſehen, in welchen ſich die Gleitſtücke g g ver-
ſchieben können. Wenn die Scheibe S ſtille ſteht, ſo drücken zwei mit Regulirſchrauben r r
verſehene Spiralfedern die Gleitſtücke gegen die Rotationsaxe der Scheibe und ſtellen dort einen
Contact her; derſelbe wird aufgehoben, wenn die Scheibe raſch rotirt, weil dann beide Gleit-
ſtücke durch die Centrifugalkraft von der Axe entfernt werden. Die Rotation des Strom-
brechers wird mit Hilfe des Treibriemens u durch die Maſchine bewirkt (Fig. 580). Wenn
nun noch hinzugefügt wird, daß die Polklemmen der Maſchine einerſeits mit den Elektroden
des Bades, andererſeits mit dem Strombrecher verbunden werden, ſo iſt die Wirkungsart
[799] des letzteren leicht einzuſehen. So lange die Maſchine mit normaler Tourenzahl läuft, hat
der von ihr erregte Strom keinen anderen Weg als durch das Bad, weil wegen der normalen
Rotation die Gleitſtücke des Strombrechers von ſeiner Axe weggetrieben werden und dadurch
ſeinen Stromkreis unterbrechen. Bleibt hingegen die Maſchine ſtehen oder vermindert ſich ihre
Tourenzahl zu ſehr, ſo werden die Gleitſtücke durch ihre Spiralfedern gegen die Axe des
Strombrechers gedrückt (weil nun dieſer auch ſtille ſteht oder langſam rotirt und daher gar
keine oder nur eine geringe Fliehkraft entwickelt) und ſchließen den Contact. Dem aus dem
Bade kommenden Polariſationsſtrome ſtehen nun zwei Wege offen, nämlich einerſeits durch
die Maſchine und andererſeits durch den kurzen Schluß des Strombrechers. Da dieſer nahezu
gar keinen Widerſtand bietet, wird der Strom hier durchgehen; ſollte übrigens ein Theilſtrom
(der aber in Folge der Widerſtandsverhältniſſe beider Stromkreiſe ſehr ſchwach ſein müßte
in die Elektromagnetwindungen eindringen, ſo kann dieſer äußerſt ſchwache Strom die Polarität
der Magnete doch nicht umkehren, weil deren Stahlplatten einen relativ ſtarken permanenten
Magnetismus beſitzen.


Die Stromleitung iſt gewöhnlich eine ſehr einfache, da die Stromquellen
meiſt in geringer Entfernung von den Niederſchlagszellen aufgeſtellt werden können.

Figure 585. Fig. 581.

Maſchine und Strombrecher von Weſton.


Man verwendet hierzu des geringen Widerſtandes wegen Kupferdrähte. Wo ſolche
untereinander, mit der Elektricitätsquelle oder mit der Zerſetzungszelle verbunden werden
müſſen, hat man auf guten Contact zu ſehen. Am beſten iſt es natürlich, die Ver-
bindungsſtellen zu löthen; da dies aber häufig aus praktiſchen Gründen unthunlich
iſt, ſo bedient man ſich kleiner Queckſilbernäpfchen, in welche die Kupferdrähte mit
ihren Enden eingeſenkt werden können, oder geeignet geformter Klemmſchrauben.
(Siehe Seite 505.) Die Contactſtellen der letzteren ſind vor jedem Gebrauche ſorg-
fältig blank zu machen. Die Stromſtärke hängt von der Natur des Bades
und von der Art der zu verrichtenden Arbeit ab. Gut leitende Bäder erfordern eine
geringere Stromſtärke als ſchlecht leitende, wie z. B. alkaliſche Bäder. Nach dem
Ohm’ſchen Geſetze erreicht ein galvaniſcher Strom allerdings dann ſeine Maximal-
wirkung, wenn der innere Widerſtand (der Stromquelle) gleich iſt dem äußeren
(der Zerſetzungszelle und Leitung); in der Praxis wird man aber gut thun, den
inneren Widerſtand kleiner, etwa zu ⅜ des äußeren feſtzuſetzen. Da bei Anwen-
dung galvaniſcher Batterien die Stromſtärke überhaupt nicht conſtant bleibt und
man die Stromſtärke während der Arbeit vergrößern oder verkleinern muß, bedient
[800] man ſich am bequemſten ſtärkerer Ströme als zu der jeweiligen Arbeit erforderlich
ſind und regulirt dieſe durch Ein- oder Ausſchaltung von Widerſtänden. Von der
Unveränderlichkeit der Stromſtärke hängt neben der Beſchaffenheit des Bades die
Gleichförmigkeit des Niederſchlages ab. Die Stromſtärke beſtimmt die Art der
Metallabſcheidung, indem durch einen zu ſtarken Strom die Abſcheidung z. B. der
Kupferkryſtalle zu raſch erfolgt, als daß dieſe ſich untereinander verbinden könnten,
während bei Anwendung eines ſchwachen Stromes die Abſcheidung langſam erfolgt
und den einzelnen Theilchen Zeit läßt, ſich zu einer zuſammenhängenden feſten
Maſſe zu verbinden. Zu Beginn einer galvanoplaſtiſchen Operation muß deshalb
immer ein ſchwacher Strom verwendet werden, damit die abgeſchiedenen Theilchen
ſich genau an die zu copirende Form oder an die mit Metall zu überziehende
Waare anſchmiegen können und ſich nicht an den vorragenden Stellen ablöſen. Zur
Verſtärkung des Niederſchlages kann nach Abſatz der erſten Schichte ein ſtärkerer
Strom verwendet werden, durch welchen die Arbeit beſchleunigt wird.


Figure 586. Fig. 582.

Stromſchwächer.


Aus obigen Betrachtungen folgt, daß man bei
galvanoplaſtiſchen Arbeiten immer ein Galvanometer zum
Erkennen der Stromſtärke und einen veränderlichen Wider-
ſtand („Stromſchwächer“ der Galvaniſeure) zum Reguliren
derſelben einzuſchalten hat. Als Galvanometer kann eine
einfache Buſſole Verwendung finden und als Strom-
ſchwächer benützt man den einfachen, in Fig. 582 ab-
gebildeten oder einen ähnlichen Apparat. Der dargeſtellte
Apparat beſteht aus einem Brettchen, auf welchem um
kleine Stiften Neuſilberdraht geſchlungen iſt. Ueber die im
Halbkreiſe angeordneten Contactpunkte der Drahtſchleifen
kann der Schleifhebel geführt werden, der je nach ſeiner
Stellung den Strom ganz unterbricht, ohne Widerſtand
ſchließt oder durch Aufſetzen auf den einen oder anderen
Contactpunkt einen größeren oder geringeren Widerſtand
einſchaltet.


Bezüglich der galvanoplaſtiſchen Apparate
(im engeren Sinne) kann man zwiſchen ſolchen unter-
ſcheiden, bei welchen Stromquelle und galvanoplaſtiſcher
Apparat zuſammen ein Ganzes bilden oder mit anderen Worten, bei welchen das
galvaniſche Element zugleich galvanoplaſtiſcher Apparat iſt, und jenen, bei welchen
die Niederſchlagszelle, alſo der eigentliche galvanoplaſtiſche Apparat ſelbſtſtändig für
ſich beſteht und zu ſeiner Activirung ebenfalls einer ſelbſtſtändigen Stromquelle
bedarf. Einen Apparat erſter Art ſtellt in ſeiner einfachſten Form Fig. 583 dar.
In einen Glascylinder wird durch einen Metallring mit drei Anſätzen ein Glasgefäß
eingehängt, welches oben offen und unten durch Blaſe, Haut oder Pergamentpapier
verſchloſſen iſt. An Stelle des inneren Glasgefäßes mit ſeinem poröſen Boden kann
auch ein Diaphragma, wie wir es bei den galvaniſchen Elementen kennen gelernt haben,
verwendet werden. In das innere Gefäß wird dann mit Hilfe eines ſtarken Drahtes
eine Zinkplatte horizontal eingeſetzt, während mit dem in das äußere Gefäß tauchenden
Draht die Platte oder der Gegenſtand leitend verbunden wird, worauf Metall nieder-
geſchlagen werden ſoll. Der äußere Draht erhält, ſoweit er in die Flüſſigkeit eintaucht,
einen nichtleitenden Ueberzug (Wachs, Guttapercha, Glas), damit ſich dort nicht un-
nöthigerweiſe Metall niederſchlägt. Die beiden Drähte verbindet man außerhalb der
[801] Flüſſigkeit durch eine Klemme. Das innere Gefäß erhält eine Füllung von verdünnter
Schwefelſäure, das äußere, wenn z. B. Kupferabſcheidung verlangt wird, eine
concentrirte Löſung von Kupfervitriol. Dieſer Apparat eignet ſich natürlich nur

Figure 587. Fig. 583.


Figure 588. Fig. 584.

Galvanoplaſtiſche Apparate.


Figure 589. Fig. 585.

Galvanoplaſtiſcher Apparat.


für Kupferniederſchläge auf kleinen Gegenſtänden, und zwar nur auf ſolchen, die
keine bedeutenden Erhöhungen und Vertiefungen zeigen und auf welchen die Metall-
abſcheidung nur einſeitig erfolgen ſoll; der Apparat iſt eben hauptſächlich nur in
der Richtung vom Zinke gegen den Gegenſtand wirkſam.


Urbanitzy: Elektricität 51
[802]

Zum Ueberziehen mannigfach geſtalteter Körper auf ihrer ganzen Oberfläche
oder zur Anfertigung einer galvanoplaſtiſchen Copie kann ein Apparat von der
in Fig. 584 dargeſtellten Anordnung verwendet werden. In die mit dem Metall-
bade, z. B. der Kupfervitriollöſung, gefüllte Kufe ſetzt man längs der Wandung
derſelben eine größere Anzahl poröſer Thonzellen ein, deren jede einen über die
Zelle herausragenden Zinkcylinder und als Flüſſigkeit verdünnte Schwefelſäure
enthält. Ein kreisförmig gebogener Draht verbindet ſämmtliche Zinke untereinander
und trägt unter Vermittlung zweier gekreuzter Metalldrähte den betreffenden
Gegenſtand, z. B. eine Büſte. Auf dieſe Weiſe kommt die Büſte in die Mitte
des von den Zinkcylindern eingeſchloſſenen Raumes, und die Kupferabſcheidung geht
auf allen Stellen gleichmäßig vor ſich.


Im Großbetriebe ſind Stromquelle und galvanoplaſtiſcher Apparat ſtets
voneinander getrennt. Der galvanoplaſtiſche Apparat beſteht dann aus ſäurefeſtem
Steinzeuge oder auch aus einem Holzkaſten, der innen mit Guttapercha aus-
gefüttert iſt, wie dies z. B. Fig. 585 darſtellt. Rund um den Trog herum laufen
am oberen flachen Rande desſelben zwei Drähte parallel nebeneinander. An dem
höher liegenden äußeren Drahtrahmen iſt die poſitive Klemme, an dem inneren
tiefer liegenden Rahmen die negative Klemme des Bades befeſtigt. In dieſes Bad
werden die Metall-, z. B. Silberplatten in einer Entfernung von 1 bis 2 Fuß
voneinander durch metallene Querſtäbe eingehängt, welche mit ihren beiden Enden
auf dem äußeren Drahtrahmen aufruhen. Zwiſchen den Silberplatten werden aber-
mals metallene Querſtäbe aufgelegt, die aber kürzer ſind als die vorerwähnten
und daher nur auf den inneren Drahtrahmen zu liegen kommen. An dieſe Stäbe
hängt man unter Vermittlung dünner Metalldrähte die zu verſilbernden Gegen-
ſtände auf.


Galvanoſtegie.

Man verſteht unter Galvanoſtegie, wie wir bereits gehört haben, das Ueber-
ziehen von Gegenſtänden mit zuſammenhängenden, feſthaftenden Metallſchichten. Das
erſte und wichtigſte Erforderniß für das gute Gelingen eines ſolchen Metallüber-
zuges beſteht in einer äußerſt ſorgfältigen Vorbereitung des zu galvaniſirenden
Körpers. Da zwiſchen dem Körper und dem Metallniederſchlage keinerlei chemiſche
Bindung eintritt, ſo kann das Haften des letzteren an erſterem nur dann erreicht
werden, wenn vollſtändig reines Metall auf vollſtändig gereinigten Körpern nieder-
geſchlagen wird. Jene Operationen, welche die Herſtellung reiner Körperoberflächen
bezwecken, nennt man das Decapiren. Man unterſcheidet ein Decapiren auf
mechaniſchem und auf chemiſchem Wege; im erſteren Falle benützt man verſchiedene
Arten von Bürſten, im letzteren ſogenannte Beizen. Kleinere Objecte werden
mechaniſch decapirt, indem man ſie mit kurzborſtigen, ſteifen Bürſten und Waſſer
oder feinem Sande, Bimsſtein oder Weinſtein fleißig abreibt, während man bei
größeren Objecten Kratzbürſten mit kurzen ſteifen Metalldrähten und eine Abkochung
von Seifenwurzel in Verwendung bringt. Einige Formen ſolcher Bürſten zeigt
Fig. 586. Das Decapiren auf chemiſchem Wege durch Beizen erfolgt in Gefäßen,
welche ſäurefeſt ſind, beziehungsweiſe durch alkaliſche Löſungen nicht angegriffen
werden. Größere Stücke führt man einzeln durch die Beizen, für kleinere Gegen-
ſtände bedient man ſich der Beize widerſtehender Siebe, wie ein ſolches in Fig. 586
abgebildet iſt.


[803]

Die Unreinigkeiten, von welchen die Metallgegenſtände vor dem Galvaniſiren
zu befreien ſind, beſtehen aus Oel oder Fett, herrührend von ihrer Bearbeitung,
aus mehr oder weniger ſtarken Oxydſchichten und können natürlich auch noch ander-
weitigen Schmutz enthalten. Von fettigen Verunreinigungen befreit man die Gegen-
ſtände durch Erhitzen, wobei das Fett zerſtört wird, oder, da dies in vielen Fällen
leicht zur Schädigung des Körpers führen kann, zweckmäßiger durch eine alkaliſche
Beize, alſo durch Kalilauge, Natronlauge oder auch durch Kalkmilch. Die Gegen-
ſtände werden mit dieſen Laugen je nach Erforderniß kalt oder warm behandelt;
im erſteren Falle auch unter Anwendung von Bürſten. Auch Benzin kommt als
Löſungsmittel für Fette in Verwendung. Das Decapiren mit Säuren, nicht nur
die Entfernung der Fette und ſonſtigen Schmutzes, ſondern auch der Oxydſchichte
bezweckend, erfordert Vorſicht in der Behandlung und Sachkenntniß in der Wahl
der Säure-Compoſitionen. Es iſt dies wohl einleuchtend, denn einerſeits wendet
man häufig ſehr concentrirte Säuren an und andererſeits verhalten ſich die ein-
zelnen Metalle und Metall-Legirungen ſehr verſchieden gegen eine beſtimmte Säure,
d. h. das eine Metall wird gelöſt, das andere gar nicht verändert, ein drittes in

Figure 590. Fig. 586.

Geräthe für Galvanoplaftik.


eine unlösliche Verbindung übergeführt. Das Säuregemiſch oder die Brenne, wie
der techniſche Ausdruck hiefür lautet, ſoll allerdings Staub, Fett, Oxydſchichten,
überhaupt Unreinigkeiten jeder Art entfernen, darf aber nicht den Gegenſtand ſelbſt
angreifen. So würde z. B. Schwefelſäure Blei oder bleireiche Legirungen an ihrer
Oberfläche in ein weißes, faſt unlösliches Salz, das Bleiſulfat, verwandeln, Salpeter-
ſäure aus Zink oder zinkreichen Legirungen Zinkoxyd bilden u. ſ. w. Wir ſehen
ſchon daraus, daß die Brennen für verſchiedene Metalle, beziehungsweiſe Legirungen,
auch verſchiedene Zuſammenſetzung und verſchiedene Concentration haben müſſen,
da auch verdünnte und concentrirte Säuren verſchieden wirken; man erſieht aber
auch hieraus, daß zu den Brennen reine Subſtanzen zu verwenden ſind. Auch für
Legirungen eines und desſelben Metalles kann nicht vorweg die eine oder die andere
Brenne als die beſte oder überhaupt als geeignet angegeben werden. So beſteht
z. B. eine Legirung des Kupfers, nämlich das Meſſing, aus Kupfer und Zink in
den mannigfachſten Miſchungsverhältniſſen. Zink und Kupfer bilden beide mit
Schwefelſäure, Salzſäure und Salpeterſäure lösliche Salze. Die verſchiedenen
Bronzen enthalten hingegen neben Kupfer Zinn, und da ſie häufig nicht rein ſind,
auch Mangan, Nickel, Eiſen, Zink u. ſ. w., ferner zur Ertheilung beſonderer
Eigenſchaften auch Spuren von Phosphor, Schwefel, Arſen. Die letztgenannten
51*
[804] Legirungen des Kupfers werden ſich alſo ganz anders gegen die Brennen verhalten,
wie die verſchiedenen Sorten von Meſſing. Das Decapiren der Meſſingbleche
erfolgt in zwei Operationen, der Vorbrenne und der Glanzbrenne.


Die Vorbrenne beſteht aus verdünnter Schwefelſäure, in welcher die Meſſing-
bleche eingelegt werden, um ihren ſchwarzen oder dunklen Ueberzug (Schwefel-
kupfer, Kupferoxyd) zu verlieren. Dann werden ſie gut mit Waſſer abgewaſchen
und kommen, wenn ſie einen hellen Glanz erhalten ſollen, in die Glanzbrenne.
Dieſe beſteht aus concentrirter Salpeterſäure oder auch aus einem Gemiſche von
Salpeterſäure und Schwefelſäure. Das Zumiſchen der letzteren hat gewöhnlich den
Zweck, die Salpeterſäure dadurch wirkſamer zu machen, daß ihr durch die Schwefel-
ſäure Waſſer entzogen wird. Der Glanzbrenne werden häufig auch organiſche Stoffe,
wie Kienruß, auch Schnupftabak, zugeſetzt, die durch Bildung kleiner Mengen
ſalpeteriger Säure aus der Salpeterſäure wirken ſollen; denſelben Dienſt leiſten
auch Sägeſpäne. Aeußerſt wichtig für das gute Gelingen der Brenne iſt ein raſches
Hantiren und ſorgfältiges Auswaſchen in fließendem oder, wenn dies unmöglich
iſt, in häufig gewechſeltem Waſſer.


Sowohl für die Vorbrenne als auch für die Glanzbrenne exiſtiren eine
große Anzahl von Recepten; es benützt ſogar beinahe jeder Brenner (die Perſon,
welche das Brennen ausführt) ſeine eigene Miſchung, mit deren Wirkung er ver-
traut iſt und daher günſtigere Reſultate erzielt, als wenn er eine neue, wenn auch
beſſere Brenne verſucht. An Stelle der oben angegebenen Vorbrenne wird auch
ſchon gebrauchte und daher ſchwache Glanzbrenne benützt. Auch Königswaſſer
(Gemiſch von Salzſäure und Salpeterſäure) kommt zur Verwendung; mit dieſer
Brenne muß aber äußerſt vorſichtig hantirt werden, da ſie ſehr raſch und kräftig
wirkt. Ebenſo ſind auch für die Glanzbrenne vielerlei Vorſchriften bekannt. So
wird z. B. ein Gemenge von Salpeterſäure, Schwefelſäure, Salzſäure, Salmiak
und Kienruß oder ein Gemenge von Salpeterſäure, Schwefelſäure und Kochſalz
empfohlen; hierbei wirkt die Schwefelſäure zunächſt waſſerentziehend auf die Salpeter-
ſäure, bildet aber auch andererſeits Salzſäure aus dem Kochſalze (Chlornatrium).
Die Glanzbrenne darf immer nur ſehr kurze Zeit verwendet werden, weil ſie ſonſt
die Gegenſtände zu ſtark angreift und dadurch anſtatt einer glänzenden eine matte
Oberfläche erzeugt. In einzelnen Fällen wünſcht man jedoch nicht hellglänzende,
ſondern matt geätzte Flächen; dieſe ruft man durch die Mattbrenne hervor. Als
ſolche wirkt jede Glanzbrenne, wenn ſie bei höherer Temperatur und längere Zeit
in Verwendung kommt, gleichwohl ziehen Praktiker einen Zuſatz von Zinkvitriol
vor. Man nimmt alſo z. B. eine Miſchung von Salpeterſäure, Schwefelſäure,
Kochſalz und Zinkvitriol. Wir können uns hier nicht auf die verſchiedenen Zu-
ſammenſetzungen der Brennen näher einlaſſen, welche bei den verſchiedenen Metallen
und deren Legirungen zur Verwendung kommen ſollen und bemerken nur nochmals,
daß die Brenne der Natur der zu decapirenden Objecte ſtets ſorgfältig angepaßt
ſein muß.


Die galvaniſche Verkupferung wird ſowohl deshalb ausgeführt, um Metallgegenſtände
gegen Oxydation zu ſchützen, als auch als Vorarbeit für Verſilberung oder Vergoldung. Man
überzieht mit Kupfer vorwiegend Gegenſtände aus Eiſen, Zink, wohl auch Zinn. Da aber
Eiſen und Zink das Kupfer aus ſeinen ſauren Löſungen ſchon ohne Anwendung eines elektriſchen
Stromes fällen, wofür dann eine entſprechende Menge des eingetauchten Metalles in Löſung
geht, ſo müſſen zur galvaniſchen Verkupferung dieſer Metalle Bäder anderer Zuſammenſetzung
verwendet werden. Einerſeits wird nämlich durch das Auflöſen der eingetauchten Metalle das
Abſcheiden eines cohärenten und haftenden Ueberzuges verhindert und andererſeits die Zuſammen-
[805] ſetzung des Bades in kurzer Zeit verändert. Man umgeht dieſen Uebelſtand dadurch, daß man
an Stelle ſaurer Kupferlöſungen alkaliſche oder überhaupt baſiſche Bäder anwendet. Ein ſolches
wird z. B. aus Kupfercyanür (Verbindung von Kupfer und Cyan), Cyankalium und Waſſer
bereitet. Für Zinn, Gußeiſen und große Gegenſtände aus Zink giebt Roſeleur (Kaſelowsky)
ein Bad an, welches aus Schwefelnatrium, Cyankalium, eſſigſaurem Kupfer, Ammoniak und
Waſſer bereitet wird. Um die äußerſt giftigen Cyanverbindungen zu vermeiden, hat man
ſich bemüht, cyanfreie Bäder herzuſtellen. Als ſolches empfiehlt Fr. Weyl kryſtalliſirtes
ſchwefelſaures Kupferoxyd (350 Gramm), kryſtalliſirtes Seignetteſalz (weinſaures Natron-Kali,
1500 Gramm), Aetznatron (800 Gramm) und Waſſer (10 Liter). Dieſes Bad wird zum
Verkupfern von Gußeiſen, Stabeiſen, Stahl und anderer Metalle als geeignet bezeichnet.


Für das Kupferbad können Gefäße aus gutem Steinzeuge oder Porzellan, Kufen aus
Holz, die innen mit Guttapercha überkleidet ſind, auch aus emaillirtem Eiſen in Verwendung
kommen. Die zu verkupfernden Gegenſtände werden an dünnen Kupferdrähten als Kathoden
in das Bad eingehängt und bleiben, je nach dem beabſichtigten Zwecke, 3 bis 24 Stunden
daſelbſt. Nach dem Herausnehmen ſpült man ſie mit Waſſer ab, behandelt ſie mit der Kratz-
bürſte, trocknet ſie in Sägeſpänen und in einem Trockenraume bei beiläufig 50 Grad.


In neuerer Zeit wird an Stelle des Verkupferns häufiger das Vermeſſingen oder
auch das Bronziren angewendet. Das Bad zum galvanoplaſtiſchen Ueberziehen mit Meſſing
kann in folgender Weiſe durch den Strom ſelbſt erzeugt werden (nach Jacobi \& Walker):
Man verbindet die in ein concentrirtes Cyankaliumbad eingeſenkte Kupferplatte mit dem
poſitiven Pole einer zweielementigen (Daniell’ſchen) Batterie und ſetzt eine zweite Platte aus
einem beliebigen Metalle mit dem negativen Pole in Verbindung. Dann löſt ſich zunächſt Kupfer
in der Cyankaliumlöſung auf und, wenn die Löſung hiermit geſättigt iſt, wird Kupfer an
der anderen Metallplatte (Probeplatte) niedergeſchlagen. Sobald dieſe Reaction eintritt, erſetzt
man die Kupferplatte durch eine Zinkplatte und läßt letztere ſo lange unter Einwirkung des
Stromes, bis auf der Probeplatte Meſſing ausgeſchieden wird. Das Meſſingbad iſt hiermit
hergeſtellt und man hängt jetzt an Stelle der Probeplatte jene Gegenſtände, welche mit Meſſing
überzogen werden ſollen, an Stelle der Zinkplatte eine Meſſingplatte. Mit einiger Uebung
und Geſchicklichkeit, auch in der Wahl der Stromſtärke, kann man ſehr ſchöne Meſſingüberzüge
erzielen und zwar in allen Nuancen vom hellſten Gelb, bis zu Rothgold und Tombackbraun.
Man kann die Farbentöne dadurch variiren, daß man in das Bad an Stelle der Meſſing-
platte eine Zink- und eine Kupferplatte einhängt; es kann dann auch jedes Kupferbad dazu
benützt werden, wenn man in dieſes an Stelle der Kupferplatte eine Zinkplatte einhängt. Die
Anwendung einer Zink- und Kupferplatte iſt namentlich dann nothwendig, wenn Eiſen mit
Meſſing zu überziehen iſt. Für Meſſingbäder werden ebenfalls wieder verſchiedene Vorſchriften
angegeben, von welchen nachſtehend eine beiſpielsweiſe angeführt werden möge. Morris und
Johnſon nehmen kohlenſaures Ammon (16 Theile), Cyankalium (16 Theile), Cyankupfer
(2 Theile), Cyanzink (1 Theil) und Waſſer (160 Theile). Dieſes Bad wird ſowohl kalt, als
auch warm verwendet. Der Glanz der mit Meſſing überzogenen Gegenſtände wird ſehr erhöht,
wenn letztere gleich nach dem Verlaſſen des Bades gut gewaſchen, mit der Kratzbürſte bearbeitet
und ſcharf getrocknet werden. In ähnlicher Weiſe bewirkt man das Bronziren; natürlich kommt
aber hier an Stelle des Zinkes, Zinn zur Anwendung.


Ausgedehnte Anwendung macht man von der galvaniſchen Vergoldung und Verſilberung;
es liegt dies in der Natur der Sache. Gegenſtände aus unedlen, wenig werthvollen Metallen
erhalten hierdurch nicht nur ein ſchöneres Ausſehen, ſondern werden auch ſelbſt werthvoller,
dauerhafter und widerſtandsfähiger. Zur galvaniſchen Vergoldung gelangen Gegenſtände
aus Silber, Kupfer, den Legirungen derſelben und aus Eiſen. Das Goldbad kann man durch
Auflöſen von Cyankalium (45 Gramm) in Waſſer (1 Liter), dem man in wenig Waſſer
gelöſtes Goldchlorid zuſetzt, bereiten. Dieſes Bad macht man häufig noch durch Zuſatz von
etwas Ammoniak alkaliſch; es iſt zwar auch ohne Erwärmung wirkſam, jedoch zeichnen ſich
heiß vergoldete Gegenſtände durch ſchönere Farbe aus. Auch iſt die heiße Vergoldung haltbarer,
weil ſich das Gold in Form eines engmaſchigen Netzes abſetzt (wie man unter dem Mikroſkope
ſehen kann), welches ſich dann, wenn der Gegenſtand abgekühlt wird, zuſammenziehen muß,
wodurch ſich die Maſchen jedenfalls verengen. Bei größeren Gegenſtänden, wie Aufſätze auf
Thurmſpitzen (Adler, Kugeln, Kreuze), Candelabern u. dgl. muß man ſich wohl mit dem
kalten Bade begnügen. Ebenſo wie beim Verkupfern bleibt auch beim Vergolden die Menge
des an der Anode in Löſung gehenden Metalles hinter jener, welche an den Gegenſtänden
(der Kathode) niedergeſchlagen wird, zurück; es iſt deshalb nöthig, bei der Vergoldung von
Zeit zu Zeit Goldchlorid oder dieſes und Cyankalium zuzuſetzen. Die Concentration der
Löſung, die Form und Stellung der Goldanode zum Gegenſtande, ſowie auch die Stromſtärke
[806] müſſen ſorgfältig ſtudirt und regulirt werden, wenn der Niederſchlag von Gold in der
gewünſchten Weiſe erfolgen ſoll. Man kann die Stromſtärke auch einfach dadurch reguliren,
daß man die Anode tiefer oder weniger tief in das Bad einſenkt. Da man hierdurch den
Querſchnitt verändert, welcher dem Strome zum Uebergange aus der Platte in die Flüſſigkeit
dargeboten wird, ſo muß auch der Widerſtand und ſomit auch die Stromſtärke eine ent-
ſprechende Aenderung erfahren. Wenn man die Stromſtärke in dieſer Art regulirt, muß man
aber wohl darauf achten, daß damit auch die Farbe des Niederſchlages variirt werden kann.
Will man abſichtlich Gold verſchiedener Farbe niederſchlagen, ſo wendet man kupferhaltige
Goldlöſung an, um eine röthliche Farbe zu erhalten, ſilberhältiges Bad, um grünliche
Färbung zu erzielen und man wendet Cyangold in Cyankalium an, wenn man helles Gelb
erhalten will. Ein ſilber- und kupferhältiges Goldbad läßt roſenfarbene Nuancen erzielen.
Dieſes Verhalten der verſchiedenen Bäder kann natürlich auch zur Vergoldung in zweierlei
oder mehreren Farben Verwendung finden. Nach der erſten Vergoldung wird zu dieſem
Behufe der Gegenſtand bis auf jene Stellen gefirnißt, welche eine andere Farbe erhalten
ſollen, oder man firnißt ihn ganz und gravirt dann die gewünſchten Zeichnungen ein, bevor
der Gegenſtand in das zweite Goldbad kommt, in welchem ſich dann das Gold natürlich nur
auf den ungefirnißten Stellen niederſchlägt.


Bouilhet giebt für theilweiſe Verſilberung oder Vergoldung nachſtehendes Verfahren
an. Die Zeichnung, welche in Gold oder Silber erſcheinen ſoll, wird zunächſt mit Bleiweiß
ausgeführt, während die übrigen Stellen des Gegenſtandes einen Firnißüberzug erhalten,
und dann ſenkt man den ganzen Gegenſtand als poſitiven Pol in ein Bad aus ſehr ver-
dünnter Salpeterſäure ein. Durch die Stromwirkung wird das Bleiweiß in Löſung gebracht
und hierauf erfahren auch die darunter liegenden Metallpartien eine Aetzung. Der Gegenſtand
wird, wenn die Aetzung den gewünſchten Grad erreicht hat, aus dem Bade genommen, gut
abgeſpült und hierauf als negative Elektrode in ein Gold- oder Silberbad gebracht. Der
Niederſchlag des Edelmetalles haftet in den durch die Säure eingeätzten Vertiefungen ſehr
gut. Nach Vollendung des Niederſchlages entfernt man den Firniß von dem Gegenſtande und
polirt letzteren, um Oberfläche des Gegenſtandes und Oberfläche des Niederſchlages in gleiche
Fläche zu bringen.


Gegenſtände, welche vergoldet werden ſollen, verſieht man vorerſt mit einer dünnen
Kupferſchichte; will man das doppelte Galvaniſiren vermeiden, ſo wendet man Bäder beſonderer
Zuſammenſetzung an, welche auch auf Stahl und Eiſen ein directes Vergolden geſtatten.
Als ſolches wird z. B. angegeben: phosphorſaures Natron (500 Gramm), Schwefelnatrium
(130 Gramm), Goldchlorid (20 Gramm), Cyankalium (5 Gramm) und Waſſer (10 Liter).


Zur galvaniſchen Verſilberung kann ein Bad dienen, welches man durch Auflöſen
von friſch gefälltem Chlorſilber in Cyankalium erhält. Gegenſtände, welche vor der Verſilberung
verkupfert werden, wie Stahl, Zinn und Zink, bringt man direct aus dem Kupferbade in das
Silberbad. Bei Gegenſtänden aus anderen Metallen wendet man vor dem Silberbade ein
Queckſilberbad an, um das Haften des Silbers zu unterſtützen. Das Queckſilberbad bereitet
man ſich durch Auflöſen von ſalpeterſaurem Queckſilberoxyd in Waſſer und Zuſatz von
Schwefelſäure zu dieſer Löſung, bis die anfänglich entſtandene Trübung wieder verſchwunden
iſt. Die Gegenſtände verbleiben in dieſem Queckſilberbade ſo lange, bis ſie einen vollkommen
weißen Ueberzug zeigen. Hierauf bringt man ſie in das Silberbad und erzeugt durch einen
ſchwachen Strom einen dünnen Niederſchlag. Dann werden die Gegenſtände herausgenommen,
mit der Kratzbürſte bearbeitet, gewaſchen und zur weiteren Verſilberung abermals in das
Silberbad gebracht. Die verſilberten Waaren zeigen gewöhnlich matte Flächen und erhalten
den Glanz erſt durch Poliren mit dem Polirſtahl oder bei unebenen Flächen durch Kratzbürſten.
Damit der Silberüberzug keine Streifung in Folge der Bewegungen in der Flüſſigkeit erhält,
werden die eingehängten Objecte von Zeit zu Zeit bewegt oder auch durch ein langſam gehendes
Uhrwerk dauernd in Bewegung erhalten. In der Fabrik von Elkington wurde zufällig die
Beobachtung gemacht, daß ein Zuſatz von Schwefelkohlenſtoff zum Silberbade glänzende
Verſilberung giebt. Dieſe Beobachtung iſt nicht nur deshalb werthvoll, weil ſie die glänzende
Verſilberung an ſolchen Stellen der Waaren ermöglicht, die für das Poliren ſchwer zugänglich
ſind, ſondern weil ſie das Poliren überhaupt erſpart und daher eine billigere Verſilberung
der Waare ermöglicht. Das Bad ſelbſt wird bereitet, indem man Cyankalium (1 Kilogramm)
und Cyanſilber (120 Gramm) in Waſſer (9 Liter) löſt und dieſer Löſung Schwefelkohlenſtoff
(75 Gramm) zufügt. Dieſe häufig zu ſchüttelnde Flüſſigkeit (30 Gramm) wird dann dem
gewöhnlichen Silberbade (9 bis 10 Liter) zugeſetzt. Dieſes Silberbad arbeitet jedoch ſehr
langſam; man verſilbert daher zuerſt in einem gewöhnlichen Bade und dann erſt in dem
Bade für Glanzverſilberung.


[807]

Die Verſilberung wird bei häufig in Gebrauch ſtehenden Gegenſtänden, wie z. B.
Löffel, im ausgedehnteſten Maße verwendet. Da nun hierbei namentlich die Ränder und
Kanten einer ſtarken und raſchen Abnützung unterliegen, ſo ſchlägt man an dieſen Stellen
eine dickere Silberſchichte nieder. Dies kann in der Weiſe ausgeführt werden, daß man die
bereits verſilberten Waaren mit einem Firniß bis auf eben dieſe Stellen bedeckt und ſie
abermals in das Silberbad bringt, oder in der Weiſe, daß man die betreffenden Gegenſtände
in Guttaperchaformen einlegt, welche erſtere bis auf die hervorragenden Theile bedeckt. Die
Ränder des verſtärkten Niederſchlages gleicht man dann durch Poliren aus.


Die oxydirte Verſilberung beſteht in der Herſtellung von Schwefelſilber (wird
alſo ganz falſch bezeichnet). Die polirten ſilbernen Gegenſtände kommen als poſitive Elektrode
in ein Bad, welches aus einer verdünnten Löſung von Schwefelammonium bereitet wird,
während ein Platindraht oder Blech die negative Elektrode bildet. Der Gegenſtand erhält
dann einen ſchönen ſtahlgrauen Ueberzug aus Schwefelſilber, der durch Abreiben mit weichem
Leder polirt wird. Die Herſtellung von Niello (Metallverzierungen auf andersfarbigem
Grunde), von Incruſtationen in Gold und Silber erfolgt in der von Bouilhet
angegebenen Weiſe (ſiehe bei Vergoldung).


Beim Ueberziehen von Gegenſtänden mit Gold oder Silber will man das Gewicht
des niedergeſchlagenen Metalles kennen. Um dies zu erfahren, kann man ſowohl die Anode
(Gold- oder Silberplatte), als auch die Waare vor und nach dem Galvaniſiren durch die
Wage prüfen. Das Wägen der Anode giebt jedoch nur angenäherte Reſultate, da nicht genau
ebenſoviel Metall an der Anode in Löſung geht als an der Kathode abgeſchieden wird. Das
Abwägen der Waare kann auch während des Galvaniſirens von Zeit zu Zeit ſtattfinden, um
Auskunft über die Dicke der abgelagerten Schichte zu erhalten; hierbei können aber leicht
Flecken in der Vergoldung oder Verſilberung entſtehen. Dies wird umgangen durch die An-
wendung einer Wage, wie ſie Roſeleur angab. Der Wagbalken einer empfindlichen Wage
trägt an einem Ende die Wagſchale S, an dem andern einen an einem Bügel befeſtigten
Metallring R (Fig. 587); an dieſem Ringe hängen an dünnen Drähten die einzelnen Gegen-
ſtände in das Metallbad B hinab. Auf derſelben Seite des Wagbalkens, an welcher die
Wagſchale ſich befindet, iſt ein Metallſtift m am Wagbalken angebracht, welcher in einen
Queckſilbernapf n taucht. Dieſer wird mit dem negativen Pole der Batterie verbunden, während
der poſitive Pol durch eine von der Wage iſolirte Klemmſchraube mit der Anode a (in der
Figur als einfacher Stab gezeichnet) in leitender Verbindung ſteht. Dieſe Wage wird in nach-
ſtehender Weiſe benützt: Nachdem man die Gegenſtände an dem Ringe R befeſtigt hat, bringt
man die Wage durch Auflegen von Tara auf die Wagſchale in’s Gleichgewicht. Iſt dieſes
erreicht, ſteht alſo der Wagbalken horizontal, ſo taucht der Draht m nicht in das Queckſilber,
ſondern befindet ſich mit ſeinem Ende knapp oberhalb des Queckſilberſpiegels. Hierauf legt
man jenes Gewicht auf die Wagſchale, welches das auf die Gegenſtände niederzuſchlagende
Metall betragen ſoll. Natürlich muß ſich hierdurch die Wage auf der Seite des Gewichtes
ſenken, und nun taucht der Metallſtift m auch in das Queckſilber bei n ein. Der Contact
des Stiftes mit dem Queckſilber ſtellt den Stromſchluß her und die Metallabſcheidung an
den Gegenſtänden beginnt. Hat ſie dann das verlangte Gewicht erreicht, ſo iſt auch der Wag-
balken wieder in ſeine normale (horizontale) Lage gelangt. Da aber bei dieſer Stellung der
Stift m außer Contact mit dem Queckſilber kommt, ſo wird der Strom unterbrochen, alſo
eine weitere Metallabſcheidung verhindert. Es kann auch die Einrichtung getroffen ſein, daß
bei Unterbrechung des Stromweges durch das Bad gleichzeitig ein neuer Stromweg durch ein
Klingelwerk hergeſtellt wird, welches auf die Vollendung des Niederſchlages aufmerkſam macht.


In jüngſter Zeit iſt das galvaniſche Vernickeln für die mannigfachſten Gegenſtände
zu einer ausgedehnten Anwendung gelangt. Es verdankt dieſe vielſeitige Verwendung der
bedeutenden Härte, welche galvaniſch niedergeſchlagenes Nickel beſitzt, dem hohen Glanze,
welchen es beim Poliren annimmt und ſeiner Widerſtandsfähigkeit gegen Oxydation. Eine
nicht zu umgehende Vorbedingung für das Gelingen der Vernickelung iſt eine mit peinlichſter
Sorgfalt durchgeführte Decapirung der Gegenſtände. Der Nickelüberzug erſcheint glänzend
oder matt, je nachdem der Gegenſtand polirt oder matt in das Bad eingebracht wird. Mit
Fett verunreinigt ſind namentlich polirte Gegenſtände, weshalb dieſe beſonders gut gereinigt
werden müſſen. Man bewirkt dies durch Auskochen in Lauge, oder wenn die betreffenden
Metallcompoſitionen dieſe Behandlung nicht vertragen, durch Ausziehen mit Benzin. Letztere
Methode iſt namentlich dann zu empfehlen, wenn hochpolirte Gegenſtände oder chirurgiſche
Inſtrumente vernickelt werden ſollen. Nach dem Ausziehen mit Benzin taucht man die Waare
in kochende Sodalöſung, hierauf wird ſie raſch in Spülwaſſer gebracht, etwa noch mit Wiener-
kalk geputzt und neuerdings in Spülwaſſer gebracht, bevor man ſie in das Nickelbad einſetzt.
[808] Für die Zuſammenſetzung des Vernickelungsbades ſind wieder ſehr viele Vorſchriften angegeben
worden Hierzu iſt zu bemerken, daß ein alkaliſches Bad dunkle Niederſchläge, ein ſchwach
ſaures oder nach Anderen ein neutrales Bad weiße Niederſchläge erzeugt. Nach Roſeleur
eignet ſich für Vernickelung von Eiſen und Stahl ein Bad, beſtehend aus ſchwefelſaurem
Nickel-Ammonium (1. Kilogramm), ſchwefelſaurem Ammonium (150 Gramm) und Waſſer
(24 Liter); für Kupfer, Zink, Zinn, Meſſing ein Bad, beſtehend aus ſchwefelſaurem Nickel-
Ammonium (1 Kilogramm), ſchwefelſaurem Ammonium (200 Gramm) und Waſſer (30 Liter).
Als Anode verwendet man eine gewalzte Nickelplatte. Es iſt wichtig, möglichſt reine Präparate
zur Darſtellung des Bades zu verwenden, und ſoll auch die Nickelanode an einem Nickel-
drahte eingehängt werden und nicht an einem Kupferdrahte, weil die geringſte Menge Kupfer
im Bade ſchon eine gelbliche Färbung des Niederſchlages bewirkt. Aus demſelben Grunde
muß auch das Bad von den durch die zu vernickelnden Gegenſtände hineingebrachten Metallen

Figure 591. Fig. 587.

Galvanoplaſtiſche Wage.


öfter gereinigt werden. Man erreicht dies durch Zuſatz von Schwefelnatrium, welches wohl
die übrigen Metalle, nicht aber das Nickel in Form von Schwefelverbindungen niederſchlägt.
Wendet man das Bad kalt an, ſo erhält man weniger glänzende Ueberzüge, als wenn das
Bad erwärmt wird; hingegen iſt der im warmen Bade erzeugte Ueberzug weniger haltbar.
Vernickelt man die Gegenſtände zunächſt im kalten Bade und verſieht ſie dann noch im heißen
Bade mit einer ganz dünnen Nickelſchichte, ſo erſcheinen die Gegenſtände haltbar und glänzend
vernickelt. Es wird als zweckmäßig angegeben, Gegenſtände aus Eiſen und Stahl vor der
Vernickelung mit einem dünnen Kupferüberzuge zu verſehen.


Außer den bisher angegebenen Metallüberzügen ſtellt man ſolche auch noch aus Platin,
Blei, Zink, Zinn, Eiſen, Kobalt
u. ſ. w. her. Da aber der Zweck vorliegenden Werkes
nicht darin beſteht, dem Leſer ein erſchöpfendes Lehrbuch in die Hand zu geben, ſondern ihm
nur ein allgemeines Bild über den gegenwärtigen Stand der Elektrotechnik entwerfen ſoll
[809] und überdies der Raum ein eng begrenzter iſt, muß hier auf eine weitere Ausführung des
Gegenſtandes verzichtet werden. Wir wollen uns daher nur noch mit einigen Anwendungen
und ſpeciellen Fällen der Galvanoſtegie beſchäftigen und dann die eigentliche Galvanoplaſtik
in ihren wichtigſten Theilen kennen lernen.


Das galvanoplaſtiſche Ueberziehen mit Metallen iſt nicht blos auf Metall-
körper beſchränkt, ſondern läßt ſich auch bei Körpern aus anderen Stoffen, z. B.
aus Glas oder Porzellan, in Anwendung bringen. Thon- und Porzellangegen-
ſtände werden nach dem Einbrennen der Glaſur oder des Emails galvanoplaſtiſch
mit Gold verziert, indem man die gewünſchten Ornamente ꝛc. mit Polirgold malt
und einbrennt. Hierauf kommt der Gegenſtand in ein Kupferbad, worin er ſo
lange bleibt, bis der Niederſchlag die Höhe der übrigen Emailmalerei erreicht hat.
Den Silber- oder Goldüberzug erzeugt man ſchließlich in einem der früher
angegebenen Gold- oder Silberbäder.


Metallröhren im Innern überzieht Towle auf galvanoplaſtiſchem Wege
in nachſtehender Weiſe. Die innen zu überziehende Röhre E F wird auf einem
Geſtelle A B C D (Fig. 588) mit geneigter Platte A B befeſtigt. In das Innere

Figure 592. Fig. 588.

Galvaniſiren von Metallröhren im Innern.


des Rohres wird ein Stab a b aus dem Metalle, welches niedergeſchlagen werden
ſoll, mit Hilfe eines bei b befeſtigten Kupferdrahtes c (der mit Kautſchuk über-
zogen iſt) eingeführt; an dem Ende bei a iſt ein Kautſchukpfropfen g befeſtigt.
Um den Metallſtab gegen Berührung mit der Röhrenwand zu ſchützen, wird er
durch durchbrochene Kautſchukpfropfen c f geführt. Dann bringt man in das Rohr
die entſprechende Metallſalzlöſung, ſo daß der Stab a b vollkommen bedeckt iſt,
verbindet den Kupferdraht c mit dem poſitiven und das Rohr durch den Draht d
mit dem negativen Pole einer Batterie G. Um den Ueberzug in der ganzen Röhre
gleichmäßig zu erhalten, bewegt man während des Niederſchlagens den Stab a b
auf und ab und dreht auch das Rohr öfter um.


Die „Pontal Telegraph Company” in New-York betreibt die Verkupfe-
rung von Stahl-Telegraphendraht
in großem Maßſtabe und verwendet
hierzu 200 Kupferbäder und 25 große dynamoelektriſche Maſchinen. Der Draht
geht, wie Japing (in ſeiner „Elektrolyſe und Galvanoplaſtik“) mittheilt, von
einem Leierwerke langſam vorwärts bewegt, durch eine Reihe von Bädern, bis ſich
genügend viel Kupfer niedergeſchlagen hat. Von jeder Tonne des zur Bereitung
der Bäder verwendeten Kupfers werden 15 bis 20 Unzen Silber durch den
[810] elektriſchen Strom ausgeſchieden, die zu Boden fallen. Nach dem „Engineering
and Mining Journal”
genügt dieſes Quantum, um die directen Koſten des Ver-
kupferungsproceſſes zu decken. Mit den gegenwärtigen (1883) Einrichtungen kann
pro Tag eine Länge von 10 engliſchen Meilen Stahldraht von 100 Kilogramm
Gewicht pro engliſche Meile mit 250 Kilogramm Kupfer überzogen werden; doch
ſoll die Leiſtungsfähigkeit auf 30 engliſche Meilen pro Tag geſteigert werden.


Ebenſo wie durch den elektriſchen Strom Metallniederſchläge erzeugt werden
können, benützt man ihn auch zur Befreiung von galvanoplaſtiſchen Nieder-
ſchlägen.
In welcher Weiſe man hierbei verfährt, iſt leicht zu errathen. Wir
haben geſehen, daß bei der Erzeugung galvanoplaſtiſcher Niederſchläge die Metall-
platte an der poſitiven Elektrode annähernd im ſelben Maße aufgelöſt wird, als
der Strom Metall gleicher Art aus dem Bade auf den Gegenſtand niederſchlägt.
Man wird alſo einen Metallniederſchlag offenbar in der Weiſe von einem Gegen-
ſtande entfernen können, daß man den Gegenſtand zur poſitiven und die Platte
zur negativen Elektrode macht. Das Entfernen galvanoplaſtiſcher Niederſchläge
durch den elektriſchen Strom, überhaupt das Auflöſen von Metallen durch Elektro-
lyſe hat in der Praxis ſchon verſchiedene Anwendungen gefunden. Wir wollen
hiervon die zum Juſtiren der Münzplättchen näher betrachten, über welche
C. R. v. Ernſt in der „Oeſterreichiſchen Zeitſchrift für Berg- und Hüttenweſen“
berichtet hat. Die Erzeugung der Münzen wird in der Weiſe ausgeführt, daß
man zunächſt die betreffenden Legirungen in Zaine (d. h. kleine Barren) gießt,
dieſe dann zu Schienen (ſchmale Blechſtreifen) auswalzt, hieraus durch Maſchinen
kreisrunde Plättchen ſchlägt und endlich dieſe mit der Prägung verſieht. Nun fallen
aber die Münzplättchen ſelbſt bei ſorgfältiger Arbeit ungleich ſchwer aus. Bei Gold-
und Silbermünzen darf aber die Gewichtsdifferenz zwiſchen den einzelnen Plättchen
nur äußerſt gering ſein, weil ſonſt bei einer großen Anzahl von Plättchen der
Werth ſehr bedeutend variiren würde. Um dies zu vermeiden, iſt es alſo unerläßlich,
die Plättchen auf das richtige Maß zu bringen, d. h. ſie zu juſtiren. Hierbei verfuhr
man früher in der Weiſe, daß man die Plättchen ſortirte, die zu ſchweren durch
Feilen oder Schaben auf das richtige Gewicht reducirte, die zu leichten aber wieder
einſchmolz. Es wäre irrig, anzunehmen, daß die Zahl der unrichtigen Plättchen
eine geringe ſei, denn z. B. in der Londoner Münze betragen dieſe Plättchen bis
zu 20 Procent.


Die früher gebräuchliche Juſtirmethode erforderte aber nicht nur erhebliche
Arbeit, ſondern führte überdies noch, wie auch leicht zu begreifen, zu Metallverluſten;
ferner konnte durch das zu tiefe Abſchaben auch die Reinheit der darauffolgenden
Prägung beeinträcht werden. W. F. Chandeler Roberts ſchlug daher vor, die
zu ſchweren, in Rollen aneinander gereihten Münzplättchen einem Löſungsmittel
auszuſetzen, welches durch den elektriſchen Strom zur Wirkſamkeit gebracht wird.
Da bei gleichbleibender Stromſtärke hierbei die aufgelöſte Metallmenge der Zeit
proportional iſt, kann die Entfernung des Uebergewichtes mit Sicherheit bewirkt
werden. Die elektrolytiſche Juſtirmethode iſt gegenwärtig in den Münzen zu Bom-
bay
und Calcutta in praktiſcher Verwendung. Man ſtellt die Plättchen in einen
ſtarken Holzrahmen und ordnet die Rollen derart nebeneinander an, daß die
Münzplättchen der einen Rolle in die Zwiſchenräume zwiſchen den Münzplättchen
der benachbarten Rolle etwas hineinragen und hierdurch ſämmtliche Plättchen des
Rahmens untereinander in metalliſche Berührung bringen. Der ſo beſchickte Rahmen
kommt dann in ein Gefäß, welches Cyankaliumlöſung und eine Silberplatte als
[811] negative Elektrode enthält, während die Münzplättchen mit dem poſitiven Pole
der Elektricitätsquelle verbunden werden. Als ſolche wird in den indiſchen Münzen
eine Siemens’ſche dynamoelektriſche Maſchine verwendet.


Juſtirt man Münzplättchen von nahezu gleichem Mehrgehalte, ſo kann man
ſich der galvanoplaſtiſchen Wage bedienen. Eine hierzu brauchbare Anordnung iſt
durch Fig. 589 dargeſtellt und bedarf nach dem weiter oben Mitgetheilten wohl
keiner weiteren Erklärung. Natürlich können auch die zu leichten Münzplättchen
durch galvanoplaſtiſchen Niederſchlag auf das normale Gewicht gebracht werden.
In den indiſchen Münzen führt man beiderlei Juſtirungen in einem Proceſſe durch.
Es werden in das Cyankaliumbad zwei Rahmen übereinander angebracht, von
welchen der eine die zu leichten, der andere die zu ſchweren Plättchen enthält. Die
zu leichten Plättchen verbindet man dann mit dem negativen, die zu ſchweren mit
dem poſitiven Pole und erhält dadurch das in der einen Plättchenſerie aufgelöſte
Metall auf den Plättchen der anderen Serie niedergeſchlagen. Die galvanoplaſtiſche

Figure 593. Fig. 589.

Juſtiren der Münzplättchen.


Wage kann auch hier zur Anwendung kommen, indem man nur einen der beiden
Rahmen an den Wagbalken hängt.


Der Werth dieſer Juſtirmethode geht daraus hervor, daß in der Münze zu
Bombay im Jahre 1879 von 1,320.800 Kilogramm vermünzten Silbers 5,000.000
Münzplättchen in der angegebenen Weiſe juſtirt wurden, und dieſe Methode gegen-
über den älteren Verfahren zu einer Erſparung von 1400 Pfund Sterling führte.


Die eigentliche Galvanoplaſtik.

Unter der eigentlichen Galvanoplaſtik oder Galvanoplaſtik im engeren Sinne
des Wortes verſteht man die Herſtellung von Metallniederſchlägen durch die Elektro-
lyſe, welche ſo ſtark ſind, daß man ſie von der Form abtrennen kann und daß
ſie dann ſelbſtſtändige Metallgegenſtände bilden. Der Proceß, welcher bei der galvano-
plaſtiſchen Nachbildung von Gegenſtänden vor ſich geht, iſt derſelbe wie in der
Galvanoſtegie: Die Löſung eines Metallſalzes wird durch den elektriſchen Strom
in der Weiſe zerlegt, daß ſich das Metall an der Kathode abſcheidet. Trennt man
[812] hierauf den Niederſchlag von der Kathode, ſo giebt erſterer ein vollkommen treues
Abbild der letzteren; die galvanoplaſtiſche Copie unterſcheidet ſich aber von der
Vorlage (der Kathode) dadurch, daß die erhabenen Stellen der letzteren vertieft,
die vertieften erhaben erſcheinen, daß alſo die Copie ein „Negativ“ der Vorlage
darſtellt. Will man eine poſitive Copie erhalten, ſo muß man von dem Negativ
nochmals einen galvanoplaſtiſchen Abzug machen. Das Negativ nennt man die
Form oder auch die Matrize. Wir haben hiermit bereits eine Art der Herſtellung
der Formen
für galvanoplaſtiſche Zwecke kennen gelernt. Dieſe Herſtellung der
Form beſteht alſo darin, daß man den nachzubildenden Gegenſtand, wenn er ein
Elektricitätsleiter iſt, einfach in ein Metallbad, gewöhnlich in eine ſchwach ſaure,
concentrirte Löſung von Kupfervitriol, einhängt und mit dem negativen Pole der
Elektricitätsquelle in Verbindung bringt, während als poſitive Elektrode eine Kupfer-
platte verwendet wird. Würde man dem Kupfer geſtatten, ſich auf der ganzen
Fläche des zu copirenden Gegenſtandes abzuſcheiden, ſo würde hierdurch ein
zuſammenhängender, den ganzen Gegenſtand umhüllender Niederſchlag entſtehen,
deſſen Ablöſung unmöglich wäre. Um dies zu verhindern, wird ein Theil der
Gegenſtandsoberfläche mit einer nichtleitenden Schichte, z. B. mit Wachs oder Firniß,
überzogen (alſo beim Abformen einer Münze die eine Seite derſelben). Iſt der
abzuformende Gegenſtand ſelbſt kein Leiter der Elektricität, ſo muß jener Theil,
welcher copirt werden ſoll, durch entſprechende Ueberzüge leitend gemacht werden.
Wie dies bewerkſtelligt wird, ſoll bei der Bereitung von Formen aus nichtleitendem
Materiale angegeben werden.


Obwohl die galvanoplaſtiſch hergeſtellten Matrizen ſehr genau und dauerhaft
ſind, verſchafft man ſich ſolche doch gewöhnlich in anderer Weiſe, weil die galvano-
plaſtiſche Herſtellung zu viel Zeit und Geld erfordert. Zur Herſtellung von Formen
können die verſchiedenſten leicht ſchmelzbaren oder plaſtiſchen Körper verwendet
werden. Thatſächlich in Anwendung kommen Legirungen, Blei, Siegellack, Wachs,
Miſchungen mit Wachs, Gelatin (Leim), Gyps, Guttapercha und verſchiedene plaſtiſche
Gemenge. Von den Legirungen können natürlich nur ſolche verwendet werden,
die einen niedrigen Schmelzpunkt haben. Eine ſolche Legirung iſt z. B. das Roſe-
ſche Metall, welches aus Wismuth (2 Theile), Blei (1 Theil) und Zinn (1 Theil)
beſteht und bei 94 Grad Celſius ſchmilzt. Die Wood’ſche Legirung ſchmilzt bei
76 Grad und wird gebildet aus: Kadmium (2 Theile), Wismuth (8 Theile),
Blei (4 Theile) und Zinn (2 Theile). Zum Abformen von Körpern, welche eine
Temperatur von 108 Graden aushalten können, empfiehlt Böttcher eine bei dieſer
Temperatur ſchmelzende Legirung, beſtehend aus Blei (8 Theile), Wismuth (8 Theile)
und Zinn (3 Theile). Dieſe Legirung ſoll beſonders ſchöne und ſcharfe Abdrücke
geben. Die Herſtellung einer Form mit Hilfe dieſer oder ähnlicher Legirungen wird
in verſchiedener Weiſe ausgeführt. Man kann z. B. die Legirung auf eine ebene
Unterlage ausgießen, ſie von etwa oberflächlich anhaftendem Oxyde durch Ueber-
ſtreifen mit einem Kartenblatte reinigen und dann die abzuformende Münze oder
Medaille ſtark aufdrücken mit oder ohne Anwendung einer Preſſe. Iſt die Legirung
vollkommen erſtarrt, ſo genügt ein leichter Hammerſchlag, um Form und Gegenſtand
voneinander zu trennen. Die Form erhält dann durch Ausſchmelzen einen Zuleitungs-
draht und wird als Kathode in des Metallbad gebracht. Fordert man keinen
beſonders ſcharfen Abdruck als Matrize, ſo kann auch eine glänzend reine Bleiplatte
Verwendung finden, in welcher man den Abdruck durch einen ſtarken Schlag oder
durch Preſſung erzeugt.


[813]

Auch bei Anwendung aller Vorſicht iſt jedoch nicht immer die Bildung einer
feinen Oxydſchichte auf der Legirung zu vermeiden; dies kann aber bei feinen
Gravirungen leicht zu Ungenauigkeiten in der Form Veranlaſſung geben. Auch iſt
nicht jeder Gegenſtand fähig, der Temperatur der geſchmolzenen Legirung zu wider-
ſtehen. In ſolchen Fällen iſt man zur Anwendung der bereits oben angegebenen
plaſtiſchen Formmaterialien genöthigt.


Zur Herſtellung von Formen aus Gyps iſt dieſer im friſchen Zuſtande zur
Anwendung zu bringen oder doch wenigſtens ein in gut verſchließbaren Gefäßen
aufbewahrter zu verwenden. Man nimmt hierzu den reinſten, bei feinen Arbeiten
wohl auch aus Alabaſter bereiteten Gyps. Er wird mit Waſſer (etwa 2½ Theile
Waſſer auf 1 Theil Gyps) zu einem Brei angerührt und giebt dann ein in
kurzer Zeit zu einer feſten Maſſe erſtarrendes Formmaterial. Der Gyps kann zum
Abgießen von Modellen verwendet werden, die ſelbſt aus Gyps beſtehen, oder
auch von ſolchen aus Marmor, Alabaſter, Metall und Holz. Um die Form vom
Modelle abheben zu können, wird letzteres, wenn es aus Metall beſteht, eingeölt,
ſonſt aber ſorgfältig eingeſeift oder mit Reißblei (Graphit) überzogen. Man erhält
nach Brandely z. B. die Form einer Münze, indem man dieſe an ihrem Rande
mit einem Streifen ſtarken Papieres mehrmals umgiebt und dieſen an der Münze
feſtbindet, ſo daß hierdurch ein flaches Gefäß entſteht, deſſen Wand durch den
Papierſtreifen, deſſen Boden durch die Münze gebildet wird. Dann wird die
letztere eingeölt, was am beſten durch Ueberſtreichen mit einem in Oel getauchten
Pinſel und hierauf durch Wegnahme des überflüſſigen Oeles durch einen trockenen
Pinſel geſchehen kann. Da beim Einbringen des Gypſes in das ſo vorbereitete
Modell leicht Luftblaſen zurückbleiben können, iſt es zweckmäßig, zuerſt durch einen
Pinſel eine dünne Gypsſchichte aufzutragen und dann erſt den Gypsbrei bis zur
erforderlichen Stärke einzufüllen. Iſt der Guß erſtarrt, ſo löſt man die Papier-
einfaſſung ab und kann dann leicht die Form von dem Modelle trennen. Man
legt dann erſtere mit der Seite des Abdruckes nach oben auf eine geeignete Unter-
lage und trocknet in der Sonne oder im Ofen. Man erhält ſehr glatte Flächen
auf der Form, wenn man dieſe in geſchmolzenes Wachs, Stearin u. dgl. eintaucht,
da durch dieſes alle Poren des Gypſes ausgefüllt werden.


Nicht ſo einfach geſtaltet ſich das Verfahren, wenn das Modell größere
Erhabenheiten und Vertiefungen oder verſchieden gebogene Flächen beſitzt, da dann
die Form nicht einfach abhebbar iſt, weil ſie an verſchiedenen Stellen das Modell
untergreift, oder wie man ſich in der Formerei ausdrückt, unterſchneidet. In
ſolchen Fällen iſt die Gypsform aus mehreren Stücken zuſammenzuſetzen. Natürlich
wird man hierbei trachten, ſo wenig Theile als möglich zu erhalten. Man beſtreicht
zunächſt ein möglichſt großes Stück des Modelles (nachdem es eingeölt oder ein-
geſeift iſt) mit Gypsbrei und trägt dann auf dieſem Gyps bis zu einer hinreichend
dicken Schichte auf. Iſt dieſe erſtarrt, ſo wird ſie abgehoben, an ihren Seiten
nach geraden Flächen beſchnitten und dort eingeſeift. Dann bringt man die Theil-
form wieder auf den Gegenſtand und gießt einen zweiten Theil des Gegenſtandes,
unmittelbar an der erſten Theilform, ab und verfährt mit der zweiten Theilform
ebenſo wie mit der erſten. Das Formen wird in dieſer Weiſe fortgeſetzt, bis das
ganze Modell abgeformt iſt.


Wenn es angeht, ſo werden dann ſämmtliche Theilformen ohne Zuhilfe-
nahme des Modelles aneinandergefügt und durch einen außen angebrachten Gyps-
mantel verbunden. In anderen Fällen werden die galvanoplaſtiſchen Abdrücke von
[814] den Theilformen einzeln hergeſtellt und die ſo erhaltenen Stücke durch Löthen
miteinander verbunden.


[Ohne] auf das weniger wichtige Abformen der Modelle in Wachs, Stearin
und Gemiſchen dieſer Körper einzugehen, möge hier nur eine Miſchung erwähnt
werden, welche ſehr gute Reſultate erreichen läßt. Sie wurde von Kreß angegeben
und wird in der Weiſe bereitet, daß man zu 4 Theilen geſchmolzenen Asphaltes
12 Theile weißes Wachs, hierauf 4 Theile Stearin und ſchließlich 2 Theile Talg
hinzufügt. Die durch fleißiges Umrühren innig gemengte, flüſſige Maſſe bekommt
noch einen Zuſatz von feinem Kienruß, bis das Ganze eine tiefſchwarze Farbe
zeigt. Das Ankleben dieſer Formmaſſe an den Modellen verhindert man durch
Einrühren von geſiebtem Gyps. Soll hiermit ein z. B. aus Gyps beſtehendes
Modell abgeformt werden, ſo legt man das Gypsmodell in laues Waſſer, bis
letzteres das erſtere ganz durchtränkt hat. Das Modell wird dann mit der Form-
maſſe übergoſſen und letztere nach dem Erſtarren abgenommen.


Ein äußerſt wichtiges und geſchätztes Formmaterial bildet die Guttapercha;
es iſt dies ein dem Kautſchuk ähnlicher Milchſaft, welcher von der Isonandra Gutta
gewonnen wird. Dieſer Baum (zur Familie der Sapotaceen gehörig) kommt auf
Singapur, an den Ufern der Meerenge von Malacca und auf Borneo vor. Man
gewinnt den Saft, indem man ihn durch Einſchnitte in den Baum zum Ausfließen
bringt, oder auch wohl den Baum ſelbſt fällt und entſchält. Die rohe Guttapercha
erſcheint als trockene, röthlich marmorirte Maſſe, während die gereinigte Gutta-
percha faſt weiß iſt. Sie löſt ſich weder in Waſſer oder Weingeiſt noch in ver-
dünnten Säuren oder Alkalien, wird in heißem Waſſer weich, klebrig und faden-
ziehend, hingegen bei Abkühlung wieder feſt. In dieſem Zuſtande bildet ſie einen
guten Iſolator für Elektricität. Ihre Anwendung in der Galvanoplaſtik zur Her-
ſtellung der Formen ergiebt ſich eigentlich ſchon aus der Angabe ihrer Eigen-
ſchaften. Hat man kleinere Gegenſtände abzuformen, ſo drückt man die durch Wärme
erweichte Maſſe durch die Hand in alle Vertiefungen des Modelles ein; iſt dann
die Guttapercha erhärtet, ſo läßt ſie ſich von dem Modelle leicht abheben, voraus-
geſetzt, daß man vor dem Auflegen der Guttapercha dieſe gut mit Graphit
überzogen hat. Beim Abformen größerer Gegenſtände muß eine Preſſe zur
Anwendung gelangen, in welcher man mit ebener Platte preßt, wenn der Gegen-
ſtand keine bedeutenden Erhöhungen und Vertiefungen beſitzt; iſt dies aber der Fall,
ſo würde durch die ebene Preßplatte eine Guttaperchaform gebildet, die an den
einzelnen Stellen in ihrer Dicke erheblich variiren würde. Dies zu vermeiden, höhlt
man die bleierne Preßplatte durch den Grabſtichel an den entſprechenden Stellen
aus. Würde man dies nicht thun, ſo könnten die ungleich dicken Stellen bei dem
durch das Abkühlen bewirkten Zuſammenziehen ein Verzerren der Form veranlaſſen.


Sind die Gegenſtände ſehr zart, ſo verwendet man zum Abformen derſelben
Leim (Gelatin). Man kann dann entweder die Leimform direct zur Erzeugung des
galvanoplaſtiſchen Niederſchlages benützen oder erſt mit Hilfe derſelben ſich eine
feſtere Form herſtellen. Der Leim wird gewöhnlich nicht allein, ſondern mit ver-
ſchiedenen Zuſätzen gebraucht; ſo erhält man z. B. eine brauchbare Leimlöſung,
indem man 10 Theile Leim und 1 Theil braunen Candis mit ſoviel heißem
Waſſer löſt, daß beim Erkalten eine feſte Gallerte entſteht. Um mit dieſer Maſſe
einen Körper abzuformen, wird die Leimlöſung im warmen Zuſtande aufgegoſſen
und dann erkalten gelaſſen. Hierauf kann man dann dieſe elaſtiſche Form abheben
und durch Ausgießen derſelben mit einer Wachsmiſchung eine feſte Form gewinnen.


[815]

Auf die Herſtellung folgt die Vorbereitung der Formen für das Bad;
dieſe Vorbereitung iſt eine ſehr einfache, wenn die Formen metalliſch ſind. Da
ſolche die Elektricität ſehr gut leiten, erſtreckt ſich die Vorbereitung nur darauf,
daß durch entſprechende Mittel ein leichtes Ablöſen des Niederſchlages von der
Form geſichert erſcheint. Hierzu genügt es, das Metall mit Oel zu beſtreichen,
jedoch ſo, daß an keiner Stelle Oelſchichten entſtehen, ſondern nur die ganze Ober-
fläche fett erſcheint. Statt die Form einzuölen, kann man ſie auch mit einem
Graphitüberzuge verſehen. Denſelben Dienſt leiſten auch dünne, hauchförmige,
pulverige Metallüberzüge. Solche ſtellt man z. B. auf Kupferplatten in der Weiſe
her, daß man auf die Platte kurze Zeit Joddämpfe einwirken läßt, die das Kupfer
in einer ſehr dünnen Schichte in Jodkupfer verwandeln; dann ſetzt man die Platte
der Einwirkung des Sonnenlichtes aus, wodurch das Jodkupfer wieder zerſetzt
wird, ſo daß gewiſſermaßen ein Hauch pulverigen Kupfers die Platte überzieht,
indeß das Jod entweicht.


Nicht ſo einfach ſtellt ſich das Verfahren, wenn man es mit Formen aus
nichtleitendem Materiale zu thun hat. Bei dieſen hat man zunächſt zu unter-
ſcheiden, ob das Material eine poröſe oder eine glatte Oberfläche hat. Poröſe
Formen, wie z. B. ſolche aus Holz oder Gyps, müſſen, bevor ſie leitend gemacht
werden, eine glatte Oberfläche erhalten. Dies kann man durch Eintauchen in
geſchmolzenes Wachs oder in Stearin erreichen. Holzformen werden zu demſelben
Zwecke wohl auch längere Zeit in Oel geſteckt. Glatte Formen (aus Elfenbein,
Porzellan, Glas) bedürfen dieſer Vorbereitung nicht. Das am häufigſten angewandte
Mittel, um die Formen leitend zu machen, beſteht im Ueberziehen mit Graphit.
Man hat hierzu die beſten Sorten zu verwenden, ſie ſorgfältig zu reinigen und
dann als äußerſt feines Pulver in Anwendung zu bringen. Auf Stearinformen
wird das feine Graphitpulver mit Hilfe eines Pinſels oder einer Bürſte aufgerieben.
Man muß dieſe Operation ſo lange fortſetzen, bis alle Stellen der Form, auf
welchen ein Metallniederſchlag erzeugt werden ſoll, einen gleichmäßigen Glanz und
eine dunkle Färbung angenommen haben. Von der Sorgfalt, mit welcher das
Graphitiren ausgeführt wurde, hängt das Gelingen des galvanoplaſtiſchen Nieder-
ſchlages ab, da ſich das Metall nur dann gleichmäßig abſetzt, wenn die Form auf
ihrer ganzen Oberfläche gleich gut leitend gemacht wurde.


Da aber Graphit im Vergleiche zu den Metallen immerhin noch ein ſchlechter
Elektricitätsleiter iſt, hat man verſucht, Metalle zum Leitendmachen der Formen
zu verwenden. Das Auftragen derſelben (z. B. von Goldbronze) auf trockenem
Wege hat keine beſonders guten Reſultate ergeben, da die verſchiedenen Metall-
pulver nicht ſo gut haften wie Graphit; hingegen hat der naſſe Weg, namentlich
in beſtimmten Fällen, das angeſtrebte Ziel vollkommen befriedigend erreichen laſſen.
Als leitende Ueberzüge werden Silber und einige ſeiner Verbindungen benützt.
Muß z. B. eine Leim- oder Gelatinform ſelbſt in das Kupferbad gebracht werden,
ſo iſt es, um correcte Abdrücke zu erhalten, nothwendig, daß ſich die erſte Kupfer-
ſchichte raſch abſetzt und die Form umhüllt, weil dieſe ſonſt aufquillt. Der Nieder-
ſchlag wird ſich aber unter übrigens gleichen Umſtänden deſto raſcher bilden, je
beſſer die Form leitet. In dieſem Falle wird alſo ein metalliſcher Ueberzug bedeu-
tend beſſere Dienſte leiſten als ein Graphitüberzug. Um die Form mit Schwefel-
ſilber zu überziehen, werden verſchiedene Verfahren angegeben. Man kann hiernach
einen derartigen Ueberzug erhalten, wenn man die Form in eine alkoholhältige
Löſung von Höllenſtein (Silbernitrat) taucht und durch Ueberfahren mit einem
[816] Pinſel dafür ſorgt, daß die Form in allen ihren Theilen vollkommen gleichmäßig
durch die Silberlöſung benetzt wird. Anſammlung von Flüſſigkeit in den Ver-
tiefungen der Form iſt zu vermeiden, weil dann Kryſtalliſationen eintreten können,
welche die Genauigkeit des Abdruckes ſtören. Die wieder getrocknete (nach Anderen die
noch feuchte) Form ſetzt man hierauf der Einwirkung von Schwefelwaſſerſtoffgas
aus, indem man ſie über ein Gefäß hält, in welchem aus Schwefeleiſen und ver-
dünnter Schwefelſäure Schwefelwaſſerſtoff entwickelt wird. Bei größeren Formen
kann man auch den Schwefelwaſſerſtoff in dazu geeigneten Apparaten entwickeln
und durch einen Kautſchukſchlauch auf die Form ſtrömen laſſen. Auch das Ueber-
ziehen mit ebenfalls gut leitendem Phosphorſilber wurde empfohlen, ebenſo wie
jenes mit metalliſchem Silber. Einen Ueberzug von metalliſchem Silber kann man
auf folgende Weiſe erhalten: Die Form wird zunächſt in eine Löſung von Phosphor
in Schwefelkohlenſtoff getaucht, dann abtropfen und trocknen gelaſſen. Der Schwefel-
kohlenſtoff verdampft und die Form bleibt mit einer dünnen Phosphorſchichte
überzogen zurück. Hierauf taucht man ſie in eine Löſung von ſalpeterſaurem Silber-
oxyd und verreibt dieſe durch einen Pinſel auf der ganzen Form. Da ſich der
Phosphor außerordentlich leicht oxydirt, wird er das ſauerſtoffreiche Silberſalz in
kurzer Zeit zerſetzen und das metalliſche Silber ausſcheiden. Sobald man (an der
Farbe) erkennt, daß dieſer Proceß vor ſich gegangen iſt, bringt man dann dieſe
Form in das galvanoplaſtiſche Bad. Dieſes Verfahren erfordert aber die Anwendung
äußerſte Vorſicht, da ſowohl Schwefelkohlenſtoff als auch Phosphor höchſt feuer-
gefährliche Stoffe ſind. Fällt ein Tropfen der Phosphorlöſung auf Bekleidungsſtücke,
Papier u. dgl., ſo entzündet er ſich, ſobald der Schwefelkohlenſtoff verdampft iſt.
Der Phosphor wird nämlich aus der Löſung in ſehr fein vertheiltem Zuſtande
abgeſchieden und oxydirt ſich dann ſo raſch, daß er ſich bis zur Entzündung erhitzt.
Alle Operationen mit der Phosphorlöſung müſſen daher auf einer Stein- oder
Blechplatte ausgeführt werden und darf abſolut keine Flamme in der Nähe ſein.
Schwefelkohlenſtoff verdampft ſehr raſch und dieſer Dampf kann ſich (natürlich
unſichtbar) ziemlich weit hin fortziehen. Trifft er auf ſeinem Wege auf eine Flamme,
ſo entzündet er ſich und pflanzt die Entzündung bis zur Stelle ſeiner Ausſtrömung
blitzſchnell fort. Schwefelkohlenſtoff giebt auch mit Luft gemiſcht Knallgas, kann
ſomit Exploſionen veranlaſſen. Man muß deshalb dieſe Arbeiten im Freien oder
unter einem gut ziehenden Kamine ausführen.


Iſt die Form an und für ſich leitend oder auf die eine oder andere Weiſe
leitend gemacht worden, ſo hat man noch, bevor ſie in das Bad eingebracht wird,
für eine entſprechende Verbindung der leitenden Oberfläche mit dem Zuleitungs-
drahte zu ſorgen. Bei Metallformen erreicht man dies durch Anſchmelzen des Drahtes
an die Form. Bei Formen aus Wachs, Stearin, Guttapercha u. ſ. w. kann die
mechaniſche Befeſtigung durch Eindrücken des warmen Drahtes an paſſenden Stellen
der Form erfolgen. Bei runden Gegenſtänden, z. B. Münzen oder Medaillen, wird
man deren Form durch den Draht kreisförmig umfaſſen. Die leitende Verbindung
bewerkſtelligt man dadurch, daß man die Graphit- oder Metallſchicht bis zum
Drahte führt oder dieſen durch Graphitſtriche mit der leitenden Fläche der Form
verbindet. Da die Metallabſcheidung ſtets am Drahte beginnt und von dieſem aus
ſich über die ganze Form verbreitet, müſſen größere Objecte an mehreren Stellen
mit dem Zuleitungsdrahte in Verbindung ſtehen, wenn man die Abſcheidung
beſchleunigen will. Es können zu dieſem Behufe mit dem Zuleitungsdrahte mehrere
feine Drähte verbunden ſein, deren Spitzen die Form an verſchiedenen Stellen
[817] (namentlich an den tiefer liegenden) berühren, oder man kann auch bei zuſammen-
geſetzten Formen ſchon beim Zuſammenſetzen der Stücke zwiſchen dieſe feine Metall-
drähte einlegen. Selbſtverſtändlich müſſen alle metalliſchen Theile, welche keinen
Niederſchlag erhalten ſollen, bevor ſie in das Bad kommen, mit einem nichtleitenden
Ueberzuge verſehen werden, was durch Ueberziehen mit Lack, Wachs, Stearin,
Guttapercha u. ſ. w. geſchehen kann. Der galvanoplaſtiſche Apparat ſelbſt muß
vollſtändig vorbereitet ſein, ſo daß durch das Einſenken der Form bereits der
Strom geſchloſſen wird; die Stromwirkung muß einer etwaigen chemiſchen Einwirkung
des Bades auf die Form oder deren Ueberzug gewiſſermaßen zuvorkommen.


Die Anwendungen der Galvanoplaſtik im engeren Sinne ſind bereits ſehr
zahlreich geworden. Die wichtigſten derſelben ſollen nachſtehend kurz ſkizzirt werden.
Zu den einfachſten galvanoplaſtiſchen Arbeiten gehört die Reproduction von
Münzen oder Medaillen.
Hierüber iſt nach dem Vorhergehenden nur wenig
mehr als Ergänzung zu bemerken. Benützt man die Münze ſelbſt als Modell, ſo
hat man, um den Niederſchlag ablöſen zu können, zunächſt nur auf einer Seite

Figure 594. Fig. 590.

Galvanoplaſtiſcher Apparat.


einen Niederſchlag zu erzeugen, indeß die andere durch Ueberziehen mit Wachs
u. dgl. nicht leitend gemacht wurde; hierauf erzeugt man in derſelben Weiſe den
Niederſchlag auf der zweiten Seite und kann dann beide Seiten durch Löthung
miteinander verbinden. Auch bei metalliſcher oder metalliſirter Form muß der
Niederſchlag in zwei Operationen gebildet werden. Hat man nur einzelne Stücke
zu reproduciren, ſo kann man ſich eines einfachen Apparates bedienen; für eine
größere Anzahl wird jedoch der in Fig. 590 abgebildete oder ein ähnlicher Apparat
vorzuziehen ſein. An der Kupferſtange a b ſind die vertical in den Trog A ein-
gehängten Kupferplatten K K leitend befeſtigt. Mit dem Zinkſtabe c d ſtehen Drähte
m m in leitender Verbindung, welche quer über den Trog gelegt ſind, und von
welchen an feinen Drähten die einzelnen Münzen und Medaillen herabhängen. Jene
Drahtenden m m, welche auf dem Kupferſtabe a b aufruhen, ſind natürlich von
dieſem entſprechend iſolirt. Den Strom für das Bad liefert die Batterie D D …,
deren negativer Pol (Zinkpol) mit dem Zinkſtabe, alſo auch mit den Münzen, und
deren poſitiver Pol mit dem Kupferſtabe und den Kupferplatten in Verbindung
ſteht. Um das Anſetzen von Luftbläschen, welche die Continuität des Kupfer-
niederſchlages ſtören würden, zu verhindern, taucht man die Münzen, beziehungsweiſe
Urbanitzky: Elektricität. 52
[818] die Formen, vor dem Einbringen in das Bad in Alkohol, oder erwärmt das
Bad mäßig oder entfernt die Bläschen durch einen Pinſel. Das Bad wird aus
reinem Kupfervitriol und deſtillirtem Waſſer bereitet und durch Schwefelſäure
ſchwach angeſäuert. Um es immer concentrirt zu erhalten, hängt man Säckchen
mit Kupfervitriolkryſtallen ein. Die auf dieſe Weiſe in Kupfer erhaltenen Reproduc-
tionen werden dann häufig nach einem der weiter oben angegebenen Verfahren
vergoldet oder verſilbert.


Zu den ſchwierigeren Aufgaben der Galvanoplaſtik gehört die Reproduc-
tion von Büſten, Statuen
u. dgl. welche in Hohlformen auszuführen ſind.
Lenoir gab hiefür das nachſtehende Verfahren an. Die Statue wird in einer
Längshälfte mit Gyps übergoſſen, ſo daß ſie, wenn der Gyps erſtarrt iſt, gewiſſer-
maßen in einer Gypsſchale liegt, etwa wie ein ſchwimmender Holzbalken im Waſſer.
Hierauf verſieht man dieſe Gypsſchale auf ihrem freien Rande (entſprechend der
Oberfläche des Waſſers) mit Vertiefungen und übergießt dann die freiliegende Hälfte
der Statue mit einem Gemenge von Guttapercha, Harz und Schweinefett. Iſt
dieſe Maſſe feſt geworden, ſo ſchlägt man die Gypsſchale von der Statue ab, auf
welcher nun die oben angegebene Maſſe zurückbleibt. Auf der Trennungsfläche dieſer
und der Gypsſchale ragen Zapfen hervor, welche durch Ausfüllung der in den
Gyps gemachten Vertiefungen entſtanden ſind. Hierauf wird auch die zweite Hälfte
der Statue mit der Maſſe übergoſſen. Iſt letztere erſtarrt, ſo kann man die aus
zwei Hälften gebildete Form abnehmen. Die Innenflächen der Form werden dann
durch Graphit leitend gemacht, beide Hälften mit Hilfe der Zapfen und Löcher
genau aneinander gepaßt und ſind dann zum Einhängen in das Bad vorbereitet.
Um aber ein gleichmäßiges Ablagern des Kupfers an den verſchiedenen erhöhten
und vertieften Stellen des Modelles zu ſichern, muß in dieſe Hohlform eine Anode
gebracht werden, deren Oberfläche annähernd den Krümmungen der Hohlform folgt,
damit überall Hohlform und Anode ziemlich gleich weit voneinander abſtehen. Die
Herſtellung einer Anode aus demſelben Metalle, welches im Bade gelöſt iſt, alſo
z. B. aus Kupfer, iſt jedoch aus verſchiedenen Urſachen nicht zu empfehlen. Um
nur einen Uebelſtand zu erwähnen, würde ſich die Kupferanode während des Nieder-
ſchlagsproceſſes löſen und durch dieſe Löſung kann es leicht geſchehen, daß einzelne
Metalltheilchen ſich lostrennen und auf die Hohlform fallen, wodurch ein fehler-
hafter Niederſchlag entſtehen kann. Lenoir wendet daher ein die Hohlform nach-
ahmendes Gerüſte aus Platindrähten an, welches ſo innerhalb der Hohlform
befeſtigt wird, daß es dieſe in keinem Punkte berührt. Etwaige nicht zu umgehende
Stützen werden aus Glasſtäben oder wohl iſolirten Drähten gebildet.


In den gut geſirnißten, mit der Kupfervitriollöſung gefüllten Holztrog A
(Fig. 591) wird die Form B mit ihrer Platinanode eingehängt. Die einzelnen
Platindrähte ſind bei a vereinigt und an einem der Metallſtifte s auf der Stange T T
befeſtigt; dieſe ſteht durch den Draht K mit dem poſitiven Pole der Elektricitäts-
quelle in Verbindung. Der vom negativen Pole derſelben kommende Draht Z führt
zur Klemmſchraube c, welche durch den Kupferſtreifen k mit der Graphitſchichte
an der Innenfläche der Form verbunden iſt. Die Concentration der Kupfervitriol-
löſung wird durch oben in der Kufe eingehängte Säckchen oder Käſtchen, welche
mit Kupfervitriolkryſtallen gefüllt ſind, erhalten. Scheidet ſich nun das Kupfer auf
der Graphitſchichte ab, ſo wird die Löſung im Innern der Hohlform immer reicher
an Schwefelſäure werden und dieſe müßte endlich allein die Flüſſigkeit bilden,
wenn nicht für neue Zufuhr von Kupfervitriollöſung geſorgt würde. Da die Hohl-
[819] form oben und unten offen iſt, und die verdünnte Schwefelſäure ein geringeres
ſpecifiſches Gewicht beſitzt als die Kupfervitriollöſung, ſo wird letztere immer unten
in die Form eindringen und die Schwefelſäure nach oben hinausdrängen. Dort
trifft aber dieſe auf die Kupfervitriolkryſtalle, löſt ſie auf und bildet in dieſer
Weiſe wieder eine concentrirte Kupfervitriollöſung, die zu Boden ſinkt. Dieſer Kreis-
lauf wird noch durch die reichliche Sauerſtoffentwicklung unterſtützt, welche die
Elektrolyſe an der Platinanode hervorruft.


Die Herſtellung ſolcher Platinſkelette iſt jedoch ziemlich koſtſpielig; Sonolet
(Ingenieur bei Chriſtofle) erſetzt daher das Platin durch Blei. Das Blei wird
nämlich bei der Elektrolyſe auch nicht angegriffen, oder richtiger, es bildet ſich an
ſeiner Oberfläche, wenn es als Anode dient, eine braune Oxydſchichte, welche das
Blei gegen weitere Einwirkung ſchützt und dann die Sauerſtoffentwicklung begünſtigt.
Der Bleikern, welcher als Anode dienen ſoll, wird in roher Geſtalt der Innen-
fläche der Hohlform nachgebildet, um der Flüſſigkeit freie Circulation zu geſtatten,
mehrfach durchbohrt und dann weiter
damit verfahren wie mit dem Platin-
ſkelette.


Iſt der Gegenſtand nicht zu ver-
vielfältigen, ſondern hat man ihn blos
einmal herzuſtellen, ſo können Wachs-
modelle (oder Modelle aus Stearin
und Gemiſchen) verwendet werden.
Man macht dieſes Modell leitend und
ſorgt dann dafür, daß ſich der Nieder-
ſchlag möglichſt gleichförmig abſetzt.
Hat er beiläufig Papierdicke erreicht,
ſo bringt man ihn ſammt dem Wachs-
modelle in heißes Waſſer. Das Wachs
ſchmilzt und fließt aus der dünnen
Kupferhülle heraus, die dann innen
durch Kalilauge und Alkohol ſorgfältig
gereinigt, hierauf außen mit Wachs

Figure 595. Fig. 591.

Galvanoplaſtiſcher Apparat.


überzogen und neuerdings in das Kupferbad eingebracht wird. Es ſchlägt ſich
nun Kupfer im Innern der Form nieder und verſtärkt dieſe bis zu dem verlangten
Grade der Feſtigkeit.


Die Herſtellung von Koloſſalfiguren auf galvanoplaſtiſchem Wege kann
auf zweierlei Weiſe durchgeführt werden; man erzeugt den Niederſchlag entweder
in einzelnen Stücken und vereinigt dieſe dann durch Löthung oder man bewirkt den
ganzen Niederſchag in einem Bade. Bei der erſten Methode verfertigt man ſich ein
Gypsmodell der Figur, ſchneidet dann von dieſem alle beſonders vorragenden Theile,
wie Arme, Füße oder auch Attribute ab, zertheilt, wenn der Rumpf noch zu groß
ſein ſollte, auch dieſen und bringt die ſo erhaltenen Theile einzeln in das Bad.
Hierauf glättet man die Ränder der galvanoplaſtiſch erzeugten Kupferniederſchläge,
fügt dieſe genau aneinander, ſichert ihr genaues Zuſammenhalten durch Umwinden
mit Draht und verlöthet die einzelnen Theile untereinander. Sind die Figuren ſehr
groß, ſo kann ihre Feſtigkeit durch Verſpreizungen im Innern erhöht werden.
Chriſtofle in Paris zieht es vor, den Kupferniederſchlag in Einem Stücke zu
erzeugen und bedient ſich hierzu des bereits oben angegebenen Bleikernes als Anode.


52*
[820]

Die Herſtellung von hohlen Figuren oder überhaupt von Kunſtwerken auf
galvanoplaſtiſchem Wege hat gegenüber jener durch Guß mancherlei Vortheile auf-
zuweiſen. Die galvanoplaſtiſche Herſtellung kommt bedeutend billiger, weil ſie einfacher
iſt, nach der Herſtellung keiner Ueberarbeitung bedarf und weniger Metall bean-
ſprucht. Sie iſt einfacher, weil ſie nur eines verhältnißmäßig einfachen und billigen
Apparates, nämlich des Bades bedarf, während der Guß die Aufſtellung eines
Schmelzofens erfordert. Die galvanoplaſtiſch erzeugten Figuren bedürfen keiner
Nacharbeitung, weil ſie ohnehin eine glatte Oberfläche beſitzen, die ſich mit abſoluter
Genauigkeit an die Form anſchmiegt. Beim Guß müſſen hingegen die Formen aus
mehr oder minder rauhem Sande hergeſtellt werden, damit ſie die hohe Temperatur
des geſchmolzenen Metalles aushalten können. Die Gußtheile ſind daher an ihrer
Oberfläche rauh und erfordern deshalb an ihrer ganzen Oberfläche eine ſorgfältige
Nacharbeitung. Dies hat nicht nur den Nachtheil, daß hierdurch das Product
vertheuert wird, ſondern macht auch den Künſtler ganz von der Geſchicklichkeit des
Ciſeleurs oder Retoucheurs abhängig. Es iſt einleuchtend, daß bei dieſer nachträglichen
Retouche, auch bei vollkommen gelungenem Guſſe, die Weichheit der Formen und
Schönheit der Linien erhebliche Einbuße erleiden kann, wenn der Retoucheur nicht
im Stande iſt, die Gedanken des Künſtlers vollkommen nachzudenken. Auch iſt der
Metallguß großer Figuren durchaus keine Operation, deren Gelingen im Vorhinein
verbürgt werden kann. Ferner können beim Abkühlen und Erſtarren der Gußmaſſe
durch ungleichförmige Zuſammenziehung des Metalles an verſchiedenen Stellen auch
Verzerrungen eintreten. Alle dieſe Uebelſtände fallen bei der galvanoplaſtiſchen
Herſtellung vollkommen weg.


Die galvanoplaſtiſchen Niederſchläge ſind überdies ſehr homogen, zäh und
hämmerbar. Bouilhet ſetzte zwei gleich ſtarke Kupferplatten, von welchen die eine
galvanoplaſtiſch, die andere durch Guß hergeſtellt war, einer hydrauliſchen Preſſe
aus. Durch die gegoſſene Platte drang das Waſſer bereits bei einem Drucke von
12 Atmoſphären, während es die galvanoplaſtiſche Platte erſt bei 20 Atmoſphären
durchdrang.


Der weitaus niedrigere Preis galvanoplaſtiſch erzeugter Kunſtwerke gegenüber
gegoſſenen iſt aber auch noch in anderen Umſtänden begründet. Eine galvanoplaſtiſch
erzeugte Metallplatte iſt allerdings theurer (etwa noch einmal ſo theuer) wie eine
gegoſſene Bronzeplatte von gleichem Gewichte; iſt aber z. B. eine antike Statue
in Metall nachzubilden, dann erfordert die Herſtellung dieſer Copie durch Metall-
guß einen ſehr bedeutenden Koſtenaufwand, da die Nachbildung auf dieſem Wege
Künſtlerhänden anvertraut werden muß. Für die galvanoplaſtiſche Nachbildung
bleibt aber der Preis unverändert, da der galvanoplaſtiſche Niederſchlag complicirte
oder edle Formen ganz in derſelben Weiſe nachbildet wie die einfachſten oder kunſt-
loſeſten Formen. Bei der Herſtellung von Kunſtwerken durch Guß iſt man beſtrebt,
den Guß möglichſt dünn zu erhalten, um an Metall zu ſparen; man gießt einzelne
Stücke nicht, um ihre Feſtigkeit zu erhöhen, 8 bis 15 Millimeter ſtark, ſondern
weil man ſie in dünnerem Guſſe nicht herſtellen kann. Auch für Werke großer Dimen-
ſionen, welche den Einflüſſen der Witterung auf unbeſtimmte Zeit hinaus zu
widerſtehen haben, genügt eine Metallſtärke von 1·5 Millimeter. Die Feſtigkeit
ſolcher Hohlformen kann durch innen angebrachte Metallgerüſte hinreichend geſichert
werden. Die auf galvanoplaſtiſchem Wege erzeugten Statuen erhalten gewöhnlich
eine Wandſtärke aus reinem Kupfer von 3 bis 5 Millimeter Dicke. Man kann
dieſe durch Eingießen von Metall (Blei-Zinn oder Kupfer-Zink) ganz beliebig ver-
[821] ſtärken. Natürlich kann auch die Dicke des galvanoplaſtiſch niedergeſchlagenen Metalles
ganz nach Wunſch bemeſſen werden, ſowohl ſehr gering als auch ſehr groß. Mit
dem Metallguſſe kann man aber unter eine gewiſſe Dicke nie herabgehen. Da nun
in vielen Fällen ſehr dünne Metallſchichten genügen, wie ſie eben nur durch das
galvanoplaſtiſche Verfahren erhalten werden können, und jede Verſtärkung der
Schichte dann eine Materialverſchwendung iſt, ſo wird das genannte Verfahren
natürlich viel vortheilhafter ſein als der Metallguß. Ferner können auch durch das
galvanoplaſtiſche Verfahren, ebenſo wie durch den Guß, verſchiedene Stellen des-
ſelben Modelles den Anforderungen entſprechend verſchieden ſtark gemacht werden.


Zu hoher Vollendung und ausgedehnter Anwendung iſt die Galvanoplaſtik
in den graphiſchen Künſten
gelangt. O. Volkmer, Vorſtand der techniſchen
Gruppe im k. k. militär-geographiſchen Inſtitute in Wien, hat über die diesbezüglichen
Arbeiten des genannten Inſtitutes einen ſehr intereſſanten Bericht veröffentlicht,
aus welchem nachſtehend das Wichtigſte mitgetheilt werden ſoll.


Zur Herſtellung der Druckplatten größerer, permanenter Karten-
werke
und überhaupt für die Arbeiten der Geſellſchaft der vervielfältigenden Künſte
in Wien kommt im militär-geographiſchen Inſtitute in neueſter Zeit ausſchließlich
die Heliogravure an Stelle des Kupferſtiches in Verwendung, da das erſtgenannte
Verfahren alle Vorzüge des Kupferſtiches beſitzt, aber frei iſt von deſſen Nachtheilen.
Das Verfahren iſt in ſeinen Hauptzügen folgendes: Zunächſt wird von der Original-
zeichnung, die ſehr ſcharf und mit ſchwarzer Tuſche hergeſtellt ſein muß, ein verkehrtes
und reducirtes photographiſches Negativ genommen. Die Reducirung auf vier Fünftel
oder drei Viertel der Orignalgröße ermöglicht eine ſchärfere Wiedergabe des Originals.
Dieſes Negativ dient dann zur Herſtellung eines Gelatinreliefs. Man nimmt
nämlich ein Pigment-Gelatin-Papier (d. h. ein mit gefärbter Gelatinlöſung über-
zogenes Papier) und behandelt dieſes mit einer Löſung von doppelt chromſaurem
Kali; hierdurch wird das Gelatinpapier in der Weiſe lichtempfindlich, daß ſich die
Gelatinmaſſe beim Eintauchen in Waſſer nur an jenen Stellen löſt, welche der
Einwirkung des Lichtes nicht ausgeſetzt waren, während die vom Lichte getroffenen
Stellen ungelöſt zurückbleiben. Um das Gelatinrelief zu erhalten, exponirt man das
Gelatinpapier unter dem photographiſchen Negativ dem Sonnen- oder elektriſchen
Lichte in einem gewöhnlichen Copirrahmen (wie ihn die Photographen benützen).
Die Entwicklung der belichteten Pigmentfläche erfolgt im dunkel gehaltenen Raume,
indem man den Pigmentbogen mit der Bildſeite auf eine verſilberte Kupferplatte
unter Waſſer auflegt, beide aus dem Bade heraushebt, den Pigmentbogen glattſtreicht,
mit Löſchpapier abtrocknet und etwa fünf Minuten liegen läßt. Die Platte kommt
dann abermals in ein kaltes Waſſerbad, um das doppelt chromſaure Kali von
den nicht belichteten Stellen zu entfernen und hierauf in ein warmes Bad (von
30 bis 35 Grad Réaumur), um die nicht belichtete Gelatinmaſſe zu löſen, d. h.
das Gelatinreliefbild auf der verſilberten Kupferplatte zu entwickeln. Das Papier
löſt ſich hierbei ab und ſchwimmt auf dem Bade oder wird ſorgfältig abgezogen.
Nun wird das Reliefbild in anderen Bädern von deſtillirtem warmen Waſſer ſo
lange behandelt, bis alle noch übrig gebliebenen Verſchleierungen, Ton, Unreinigkeiten
u. ſ. w. entfernt ſind, und ſich das Bild ſcharf von der hellen Silberfläche abhebt.
Nach einem zehn- bis zwölfſtündigen Trocknen der Platte haftet auf dieſer ein ſtahl-
hartes Gelatinreliefbild.


Das Gelatinrelief wird nun durch Graphit leitend gemacht und kommt
in ein Kupferbad; man ſorgt anfänglich für einen möglichſt raſchen Kupfernieder-
[822] niederſchlag, nimmt dann nach ungefähr einer Stunde die Platte heraus und reinigt
ſie von etwaigen Unreinigkeiten. Hierauf kommt ſie abermals in das Kupferbad,
in welchem ſie drei bis vier Wochen verbleibt, um durch langſames Niederſchlagen
von Kupfer die erforderliche Stärke zu erhalten. Nach Ablauf dieſer Zeit hebt
man ſie heraus, feilt ſie an den Rändern auf und trennt die Matrize von der
Patrize. Ein von der Platte genommener Abdruck zeigt die etwaigen Mängel;
feinere Striche werden mit der Nadel ergänzt, an den Effectſtellen durch den Grab-
ſtichel nachgeholfen. Es muß noch bemerkt werden, daß die Heliogravure immer
erſt nach einigen Abdrücken vollkommen ſcharfe Bilder giebt.


Die Heliogravure ermöglicht vollkommen getreue und ſcharfe Reproductionen;
die Fehler, welche zum Vorſcheine kommen, rühren äußerſt ſelten von dieſer Methode
her, ſind aber häufig Mängel des Originals. Die Heliogravure ſteht dem Kupfer-
ſtiche nicht nach, Schärfe und Weichheit der Töne können mit dem Grabſtichel nicht
beſſer wiedergegeben werden.


„Welch ungeheuren Gewinn an Zeit, daher auch an damit verbundenen
Koſten, die Heliogravure repräſentirt,“ ſagt Volkmer, „mag aus dem Umſtande
entnommen werden, daß mittelſt dieſes Verfahrens ſeit dem Jahre 1873, alſo in
circa 10 Jahren, im k. k. militär-geographiſchen Inſtitute nahezu 2500 heliographiſche
Kupferdruckplatten hergeſtellt wurden und hiervon circa 500 Platten dem epoche-
machenden großen Kartenwerke der neuen Specialkarte der öſterreichiſchen Monarchie
1 : 75.000 angehören, welches durch Kupferſtich hergeſtellt, Generationen zu ſeiner
Durchführung und Fertigſtellung erfordert hätte, ſo aber innerhalb der kurzen Friſt
von nur 16 Jahren beendet ſein wird.“


Die Kupferplatten unterliegen während des Druckes hauptſächlich durch das Wiſchen
der Farbe einer nicht unbedeutenden Abnützung. Will man daher die Heoligravure oder
überhaupt einen Kupferſtich erhalten, ſo nimmt man von der zum Drucke beſtimmten Tiefplatte
eine Hochplatte galvanoplaſtiſch ab, die dann aufbewahrt wird; von dieſer Hochplatte können
natürlich beliebig viele Tiefplatten für den Druck hergeſtellt werden. Die Abnützung der Kupfer-
platten wird auch in der Weiſe verringert, daß man die Platte oberflächlich, galvanoplaſtiſch
mit einem dünnen Eiſenhäutchen überzieht, da dieſes eine außerordentliche Härte beſitzt. Eben
aus dieſem Grunde nennt man dieſe Operation auch das Verſtählen der Kupferplatte. Man
iſt aber noch weiter gegangen; nützt ſich dieſes Stahlhäutchen ſchließlich doch auch ab, ſo legt
man die Platte in verdünnte Schwefelſäure, welche das Stahlhäutchen löſt, das Kupfer aber
unverändert läßt. Die Platte kann nun neuerdings verſtählt werden.


Der Landkartendruck erfordert nicht ſelten Correcluren der Druckplatten, in Folge
von Umlegung der Straßen, Veränderungen der Grenzen u. ſ. w. Sind derlei Correcturen
in größerer Zahl auf einer Platte auszuführen, ſo bedient man ſich hierzu ebenfalls der
Galvanoplaſtik und ſchlägt hierbei zweierlei Wege ein. Das erſte Verfahren beſteht darin, daß
man die zu corrigirende Druckplatte zunächſt durch Auskochen in einer Pottaſche-Löſung von
Druckfarbe, Fett u. dgl. reinigt und dann nach dem Abwaſchen durch Aufreiben einer Löſung
von Cyanſilber in Cyankalium verſilbert. Hierauf ſticht der Kupferſtecher mit dem Aushebeſtichel
die zu corrigirenden Stellen aus, wobei darauf geſehen werden muß, daß das Kupfer an den
ausgehobenen Stellen blank bleibt. Veranlaßt die große Zahl der Correcturen ein mehrtägiges
Arbeiten und dadurch eine oberflächliche Oxydation der blanken Kupferſtellen, ſo zieht man
die Platte durch verdünnte Schwefelſäure. Hierauf kommt ſie in ein Kupferbad als Kathode
und bleibt dort, bis der Kupferniederſchlag an den ausgehobenen Stellen die Ebene der Platte
etwas überragt. Dann nimmt man die Platte heraus, ſpült ſie mit Waſſer ab und ſchabt
das überflüſſige Kupfer an den corrigirten Stellen bis zur Ebene der Platte ab. Nach dem
Auffeilen der Ränder der Platte läßt ſich das Kupferhäutchen an allen verſilberten Flächen
leicht abheben, während es in den corrigirten Stellen feſt haftet. Dieſe werden dann polirt
und durch den Kupferſtecher corrigirt.


Iſt die Druckplatte (Tiefplatte) bereits ſehr ausgedruckt, d. h. giebt ſie ohnehin ſchon
mangelhafte Abdrücke, ſo nimmt man die Correctur an der deponirten Hochplatte vor. Dieſe
wird an den zu corrigirenden Stellen bis in die Ebene der Platte abgeſchabt und dann ver-
[823] ſilbert. Von dieſer verſilberten Hochplatte nimmt man dann galvanoplaſtiſch eine Tiefplatte ab.
Letztere wird natürlich vollkommen ſcharf erhalten, nur erſcheinen die zu corrigirenden Stellen
glatt. Man führt die Correcturen durch den Stich aus und erhält dadurch die druckfertige
Platte. Um aber im Falle der Abnützung dieſer Tiefplatte eine zweite corrigirte Tiefplatte her-
ſtellen zu können, nimmt man, bevor die zuerſt hergeſtellte und corrigirte Tiefplatte zum
Drucken verwendet wird, eine Hochplatte galvanoplaſtiſch von ihr ab und erhält dadurch eine
neue, corrigirte Hochplatte (Mutterplatte). Die alte Hochplatte wird dann natürlich caſſirt.


Die Galvanoplaſtik kann auch zur Reproduction von Kupferſtichplatten verwendet
werden, wodurch man im Stande iſt, werthvolle Kupferſtiche nicht nur in unbegrenzter Anzahl
zu reproduciren, ſondern überdies auch noch die Originalplatte erhalten bleibt. Zunächſt muß
von der Kupferſtichplatte eine Matrize abgenommen werden, die man ſich entweder durch Preſſen
mit einer Bleiplatte oder durch Copiren in Gyps oder Wachs, oder auch auf galvanoplaſtiſchem
Wege verſchafft. In letzterem Falle wird die Kupferſtichplatte vorerſt verſilbert und, um das
Ablöſen des hierauf gebildeten Kupferniederſchlages vollkommen zu ſichern, durch eine ſehr
verdünnte Jodlöſung (1 Theil Jod auf 20.000 Theile Alkohol) gezogen. Hierauf ſetzt man die
Platte der Einwirkung des Lichtes aus. Es entſteht dann eine äußerſt feine Schichte von Jod-
ſilber, die das Ablöſen des nachher erzeugten Kupferniederſchlages ſehr erleichtert. Hierzu iſt
noch zu bemerken, daß die Kupferplatte derart gravirt ſein muß, daß ſich alle Gravirungen
nach unten zu verjüngen, weil im Gegenfalle die Ablöſung des Kupfers unmöglich würde.
Die galvanoplaſtiſche Copie der auf irgend eine Art hergeſtellten Matrize giebt dann die
für den Druck zu verwendende, dem Originale vollkommen gleiche Reproduction. Dieſe,
obwohl ohnehin härter als die Originalplatte, falls letztere aus gewalztem Kupfer beſteht, kann
durch Verſtählen noch widerſtandsfähiger gemacht werden. Iſt das Orignal eine Stahlplatte,
ſo darf das Kupferbad nicht aus Kupfervitriollöſung beſtehen, weil aus dieſer das Kupfer
ſchon ohne Anwendung eines Stromes unter gleichzeitiger Auflöſung des Stahles gefällt wird.
In dieſem Falle benützt man daher eine Löſung von Cyankupfer in Cyankalium.


Unter Galvanographie verſtand man urſprünglich ein Verfahren, welches ſich darauf
gründet, daß der Kupferniederſchlag nicht nur an leitenden Stellen entſteht, ſondern unter
gewiſſen Umſtänden auch über dieſe hinaus wächſt. Man verfuhr hierbei in der Weiſe, daß
man auf einer verſilberten Kupferplatte z. B. mit Sepia malte. Die lichteſten Stellen ließ
man hierbei blank, die übrigen Stellen wurden mit einer deſto dickeren Farbenſchichte bedeckt,
je dunkler ſie werden ſollten. Dieſe Platte kam dann in ein Kupferbad. Hier ſchlug ſich zunächſt
das Kupfer an den blanken Stellen nieder, dann verbreitete ſich der Niederſchlag über die nur
ſchwach übermalten, hierauf über die nächſt dunkleren u. ſ. w., bis die ganze Platte überzogen
war. Der Kupferniederſchlag bildete dann, von der Originalplatte abgehoben, eine getreue
Copie. Dieſes Verfahren bot jedoch bedeutende Schwierigkeiten und wurde deshalb durch andere
Verfahren verdrängt. Gegenwärtig verſteht man unter Galvanographie eigentlich das Copiren
von Kupferſtichplatten auf galvanoplaſtiſchem Wege.


Die Glyphographie iſt gewiſſermaßen das umgekehrte Verfahren wie die Galvano-
graphie (im urſprünglichen Sinne). Sie liefert Hochdruckplatten, welche den theuren Holzſchnitt
erſetzen ſollen; es reſultirt durch dieſe Methode ein Metallhochſchnitt in Kupfer und ſie geſtattet,
die vom Künſtler ausgeführte Zeichnung direct in eine Typenplatte zu verwandeln. Eine
Kupferplatte, die mit Schwefelkalium geſchwärzt wurde, verſieht man mit einer dünnen Wachs-
ſchichte oder mit Aetzgrund. Die Zeichnung wird hierauf mit der Radirnadel eingeritzt und
erſcheint ſchwarz auf weißem Grunde (weil die geſchwärzte Kupferfläche an den geritzten Stellen
bloßgelegt wird). Von dieſer Radirung ſtellt man auf galvanoplaſtiſchem Wege einen Abdruck
her und befeſtigt dieſen auf einem Holzklotz, worauf er zum Drucken im Letternſatze bereit iſt.
Man hat mit dieſem Verfahren ganz gute Erfolge erzielt, doch wurde der Holzſchnitt hierdurch
nicht verdrängt.


Eine ſehr wichtige Anwendung der Galvanoplaſtik beſteht auch im Copiren
der Holzſchnitte.
Die Holzſtöcke nützen ſich durch Preſſen und Reiben ab, geben
dann unreine Abdrücke und ſind überdies der Gefahr des Zerſpringens ausgeſetzt.
Zur Vermeidung dieſer Uebelſtände und um die Holzſtöcke zu erhalten, ſtellt man
ſich von dieſen galvanoplaſtiſche Abdrücke, die ſogenannten Clichés oder Galvanos,
her. Zu dieſem Behufe verſchafft man ſich eine Matrize des Holzſtockes durch Ab-
formen desſelben in Guttapercha. Dieſe Form wird hierauf leitend gemacht und in
das Kupferbad eingebracht, in welchem man anfänglich für eine langſame Metall-
[824] abſcheidung ſorgt. Iſt ein dünnes Kupferhäutchen gebildet, ſo beſchleunigt man die
Abſcheidung, um den Niederſchlag raſcher zu verdicken. Nach dem Herausnehmen
des Niederſchlages ſammt der Form werden beide voneinander getrennt; dann
reinigt man den Kupferniederſchlag, verzinnt ihn auf der Rückſeite und gießt hier-
auf ſelbe mit Letternmetall aus. Durch letzteres erhält das Cliché hinreichende
Feſtigkeit, um in der Preſſe verwendet zu werden. Um dem Galvano die richtige
Höhe zu geben, wird es mit ſeiner, durch das Ausgießen mit Letternmetall eben
gemachten Rückfläche auf einem Holzſtock befeſtigt.


Das Lostrennen des dünnen Kupferniederſchlages von der Guttaperchaform
verurſacht häufig Schwierigkeiten und es kann bei dieſer Abtrennung leicht geſchehen,
daß das Galvano verbogen wird. Man bedient ſich daher in neuerer Zeit auch
wieder häufiger der Wachsformen. Man ſchmilzt Wachs unter Zuſatz von etwas
veretianiſchem Terpentin, gießt dieſes in Blechgefäße, die etwas größer ſind als
der abzuformende Holzſtock, und überzieht das erſtarrte, aber noch warme Wachs
mit einer Graphitſchichte. Hierauf preßt man den gleichfalls mit Graphit über-
zogenen Holzſtock durch eine Preſſe in das Wachs ein. Die ſo erhaltene Wachs-
form kommt hierauf in das Kupferbad. Die Trennung des Niederſchlages von der
Form kann dann einfach in der Weiſe erfolgen, daß man in den Niederſchlag
heißes Waſſer gießt.


In gleicher Weiſe ſtellt man ſich galvanoplaſtiſche Matrizen für Buch-
druckerlettern und Stereotypplatten
her. Früher mußten die Typen in Stahl-
ſtempeln geſchnitten werden, welche man dann in Kupfer einſchlug; in dieſe ver-
tieften Abdrücke wurde dann das Letternmetall gegoſſen. Jetzt werden die kupfernen
Matrizen über Bleitypen auf galvanoplaſtiſchem Wege hergeſtellt. Neue Typen
werden mit der Schrift nach oben gekehrt auf ein Kupferblech aufgelöthet und dann
alle Stellen, auf welchen kein Kupferniederſchlag entſtehen ſoll, mit Wachs über-
zogen. Hierauf bringt man das Ganze in ein Kupferbad und benützt ſodann den
Kupferniederſchlag als Form. In dieſer Weiſe werden jedoch nicht nur einzelne
Lettern hergeſtellt, ſondern man ſtellt häufig den ganzen Satz eines ganzen Werkes
galvanoplaſtiſch dar, während früher nur für Tabellenwerke oder Werke mit einer
ſehr großen Auflage ſogenannte Stereotypplatten gegoſſen wurden. Es wird der
Satz der ganzen zu copirenden Schriftſeite in Gyps oder Guttapercha abgeformt,
das Modell leitend gemacht und dann damit ſo verfahren, wie bei der Herſtellung
der Galvanos.


Der Naturſelbſtdruck iſt ein von dem Director der k. k. Staatsdruckerei
in Wien, Hofrath Auer, erfundenes Verfahren und bezweckt die vollkommen natur-
getreue Abbildung von Pflanzen, Spitzen, auch Inſecten u. ſ. w. ohne Vermittlung
eines Zeichners. Die Pflanze wird zu dieſem Zwecke zwiſchen Löſchpapier getrocknet
und gepreßt und dann wiederholt in Waſſer eingelegt und wieder trocknen gelaſſen.
Es hat dies den Zweck, der Pflanze alle löslichen Subſtanzen zu entziehen und
die Faſer zäh zu machen. (Bei Spitzen u. dgl. entfällt natürlich dieſe Vorarbeit.)
Die auf eine glatte Bleiplatte gelegte Pflanze wird dann mit einer Stahlplatte
bedeckt und ſammt dieſer unter ſtarkem Drucke durch ein Walzenpaar gezogen. Man
erhält hierdurch einen vollkommen getreuen Abdruck der Pflanze in Blei, den man
galvanoplaſtiſch oder durch Guttapercha abformt. Die von dieſer Form galvanoplaſtiſch
hergeſtellte Kupferplatte wird dann zum Drucke in der Kupferdruckpreſſe verwendet.


Schließlich möge noch das galvaniſche Aetzen von Druckplatten kurz
erwähnt werden. Das Aetzen wurde früher in der Weiſe ausgeführt, daß man auf
[825] der mit Aetzgrund überzogenen Metallplatte mit der Nadel die Zeichnung anfertigte
und ſo das Metall an den geritzten Stellen bloßlegte. Die Platte wurde dann mit
einem Rande von Wachs verſehen und mit verdünnter Salpeterſäure übergoſſen.
Dieſe löſte das Metall an den blanken Stellen auf und bildete dadurch der Zeichnung
entſprechende Vertiefungen. Wird dann die Platte vom Aetzgrunde gereinigt und
mit Druckerſchwärze verſehen, ſo bleibt dieſe in den vertieften Stellen zurück. Dieſe
Art der Aetzung iſt aber einestheils ſehr geſundheitsſchädlich für den Arbeiter, da
dieſer den Dämpfen der Unterſalpeterſäure ausgeſetzt iſt, anderntheils kann ſie
leicht unreine oder weniger ſcharfe Abdrücke liefern, da die Säure oft die radirten
Stellen ſeitlich angreift (unterfrißt). Beiderlei Uebelſtände fallen bei der galvaniſchen
Aetzung weg. Smée führte für dieſe nachſtehendes Verfahren ein. Auf der mit
Aetzgrund (welcher aus einem Gemiſch von Asphalt, Kolophonium, Pech und Wachs
beſtehen kann) verſehenen Kupferplatte wird mit der Nadel die Zeichnung aus-
geführt, ſo daß das blanke Kupfer zum Vorſchein kommt. Hierauf giebt man die
Platte als poſitive Elektrode in das Kupferbad. Der an der poſitiven Elektrode
ausgeſchiedene Sauerſtoff oxydirt das Kupfer an den blanken Stellen und dieſes
Oxyd löſt ſich in der Schwefelſäure. An der negativen Elektrode (einer Kupferplatte)
ſcheidet ſich das durch den Strom ausgefällte Kupfer ab. Will man nicht alle
Stellen gleich tief ätzen, ſo nimmt man die Platte heraus und bedeckt jene Stellen,
welche ſchon genügend geätzt ſind, mit einem Firniſſe und bringt dann zur ſtärkeren
Aetzung der übrigen Stellen die Platte neuerdings in das Bad. Der Vorgang
kann mehrmals wiederholt werden und geſtattet daher die Erzeugung der zarteſten
Töne ebenſowohl wie jene der ſtärkſten Aetzung.


3. Die Elektricität als bewegende Kraft.


Man verſteht gegenwärtig unter elektriſcher Kraftübertragung die Aus-
nützung einer an einem Orte zur Verfügung ſtehenden Kraft zu mechaniſcher Arbeit
an einem mehr oder weniger weit vom erſteren entfernten Orte, indem man
mechaniſche Arbeit in elektriſchen Strom umwandelt, dieſen zur Arbeitsſtelle leitet
und dort durch eine Maſchine wieder in mechaniſche Arbeit umſetzt; hierbei iſt man
von dem Beſtreben geleitet, die zu übertragende Kraft möglichſt vollkommen aus-
zunützen. Der letzterwähnte Umſtand unterſcheidet die elektriſche Kraftübertragung
von der Telegraphie, bei welcher zwar auch der elektriſche Strom auf weite Ent-
fernungen geleitet wird und am Endpunkte angekommen mechaniſche Arbeit zu leiſten
hat, bei welcher aber nicht die übertragene Arbeitsgröße maßgebend iſt. Die elek-
triſche Kraftübertragung im obigen Sinne iſt ein noch nicht ſehr altes und gegen-
wärtig nur theilweiſe gelöſtes Problem. Einestheils iſt die Theorie der elektriſchen
Kraftübertragung noch eine ſehr unſichere und anderntheils liegen hierüber, ſoweit
es große Entfernungen und bedeutende Kräfte betrifft, noch gar keine praktiſchen
Erfahrungen vor. Die äußerſt ſorgfältigen, namentlich von Marcel Deprez durch-
geführten Verſuche haben zwar allerdings ſehr intereſſante theoretiſche Reſultate
ergeben, doch dauerten ſie, wie dies ja in der Natur der Sache liegt, viel zu kurze
Zeit an, um daraus ſichere Anhaltspunkte für die Praxis gewinnen zu können. Dies
würde erſt ein länger andauernder Betrieb einer elektriſchen Kraftübertragungs-
anlage ermöglichen. Es kann jedoch keinem Zweifel unterliegen, daß der endgiltigen
Löſung dieſes Problemes eine hervorragende Bedeutung zuzuſchreiben iſt. Wir haben
[826] jedoch gegenwärtig ſchon die Löſung des Problemes ſo ziemlich erreicht, wenn wir
es auf die Uebertragung keiner allzu bedeutenden Kräfte auf verhältnißmäßig geringe
Entfernungen beſchränken. Entfernung iſt hier gleichbedeutend mit Größe des Wider-
ſtandes der Stromleitung. Hier liegen auch ſchon in der Praxis erzielte Reſultate
vor, die durch mehr oder minder langen, ununterbrochenen Betrieb von Kraftüber-
tragungsanlagen gewonnen wurden. Zu dieſen zählen z. B. die elektriſchen Eiſen-
bahnen.


Aber auch jene Beſtrebungen, welche darauf gerichtet waren, die Kraft des
elektriſchen Stromes ebenſo zu benützen wie die Dampfkraft, alſo die Elektricität
an ihrer Erzeugungsſtelle mechaniſche Arbeit verrichten zu laſſen, gehören im weiteren
Sinne in das Gebiet der elektriſchen Kraftübertragung oder ſchließen ſich doch am
ungezwungenſten an dieſes an. Jene Apparate oder Maſchinen, welche in Anſtrebung
dieſes Zweckes conſtruirt wurden, nennt man Elektromotoren, gleichwie man
mit den Namen Dampfmaſchinen jene Maſchinen bezeichnet, welchen der Dampf
ihre motoriſche Kraft verleiht. Die Erfindung ſolcher Elektromotoren iſt verhältniß-
mäßig weit zurückzudatiren. Die älteren Elektromotoren wurden in der Abſicht
conſtruirt, durch die Elektricität eine motoriſche Kraft zu erhalten; zur Erzeugung
der Elektricität dienten Batterien. Nun kann aber mit Hilfe elektriſcher Maſchinen
durch einen geringen Aufwand von mechaniſcher Arbeit dasſelbe Reſultat erzielt
werden, wie mit einer großen Anzahl von galvaniſchen Elementen; es iſt deshalb
auch umgekehrt mit einer großen Anzahl von Elementen nur ein geringer mechaniſcher
Effect erzielbar. Dieſer Umſtand war es eben, welcher es verhinderte, daß die älteren
Verſuche, alſo die Conſtructionen von Elektromotoren, keine praktiſchen Erfolge mit
ſich brachten.


Aeltere Elektromotoren.

Die Frage, werden erſten Elektromotor conſtruirt hat, iſt nicht mit voller Sicher-
heit zu beantworten. Schon das von Behrens (geb. 1775, geſt. 1813) erdachte
perpetuum mobile (ſiehe Seite 180) wird durch die von einer galvaniſchen Batterie,
nämlich einer trockenen Säule, erregte Elektricität in Bewegung geſetzt. Die Zeit-
ſchrift „l’Electrician” (von 1882) theilt mit, daß Dr. Schultheß im Jahre 1832
in einer Verſammlung von Mechanikern zu Zürich die Frage aufgeworfen haben
ſoll, ob eine ſolche Kraft, wie die, welche beim Schließen und Oeffnen eines
Stromkreiſes erhalten wird, nicht mit Vortheil in der Mechanik verwendet werden
kann. Ein auf dieſem Principe conſtruirter Motor wurde derſelben Geſellſchaft im
Jahre 1833 vorgeführt. Er war conſtruirt von Salvatore Dal Negro, Profeſſor
an der Univerſität Padua. Nach Mittheilungen der Zeitſchrift „La lumière élec-
trique”
(1883) laſſen es die Nachforſchungen, welche die italieniſche Commiſſion
der Pariſer Ausſtellung (1881) gepflogen hat, ſicher erſcheinen, daß der erſte Motor
Dal Negro’s bereits im Jahre 1830 conſtruirt worden iſt. Die genannte Zeit-
ſchrift brachte auch die Abbildung dieſes Motors und eines zweiten von demſelben
Conſtructeur, welche beide wir des hiſtoriſchen Intereſſes wegen in den Figuren
592 und 593 wiedergeben. Der Stahlmagnet A kann um eine, ungefähr im
Drittel ſeiner Länge angebrachte Axe ſchwingen. Sein oberes Ende muß ſich hierbei
zwiſchen den Polen des Elektromagnetes E (auch getrennt gezeichnet) bewegen.
Sobald ein Strom durch die Drahtwindungen des Elektromagnetes fließt, muß
ſich das obere Ende des permanenten Magnetes A offenbar ſo bewegen, daß es
[827] ſich dem ihm ungleichnamigen Pole des Elektromagnetes nähert und von dem ihm
gleichnamigen entfernt. Sorgt man nun dafür, daß die Pole des Elektromagnetes
fortwährend wechſeln, ſo wird auch der Magnet A in dauernde Schwingungen
verſetzt. Den Wechſel der Stromrichtung beſorgt der Commutator C, welcher durch
die Stange t und die Gabel F vom Magnete A ſelbſt in Bewegung geſetzt wird.
Dieſer mit dem Elektromagnete in denſelben Stromkreis geſchaltete Commutator
kehrt die Stromrichtung immer im ſelben Momente um, als ſich der permanente
Magnet gegen den einen oder anderen
Elektromagnetpol genähert hat.


Durch den zweiten Apparat
(Fig. 593) wird ſchon eine conti-
nuirliche Rotation hervorgerufen.
Hier wirkt der Elektromagnet E auf
einen Anker, der an dem horizon-
talen Hebel L angebracht iſt; durch
dieſen Hebel wird auch wieder die
Bewegung des Commutators C
vermittelt. Der bei M an dem
Hebel befeſtigte hammerartige Anſatz
wirkt durch eine Stange auf eine
Sperrklinke, die in das gezahnte
Rad eingreift und dieſes ſtoßweiſe
in Bewegung ſetzt. Dieſe Rotation
wird dadurch zu einer gleichmäßi-
geren, daß auf der Welle des
Zahnrades an radialen Stäben eine
Anzahl von Schwungkugeln be-
feſtigt iſt.


Im Jahre 1834 veröffent-
lichte Jacobi, der Erfinder der
Galvanoplaſtik, die Conſtruction
eines Elektromotors, der nach mehr-
fachen Abänderungen und Verbeſſe-
rungen in den Jahren 1838 und
1839 zum Betriebe eines Schiffes auf
der Newa benützt wurde. Fig 594
ſtellt dieſen Motor dar. Er beſteht
aus zwei Serien von Elektromagneten
in Hufeiſenform, welche auf zwei

Figure 596. Fig. 592.

Dal Negro’s erſter Elektromotor.


verticalen ſternförmigen Ständern befeſtigt ſind. Zwiſchen dieſen Ständern befindet
ſich, auf einer horizontalen Axe aufgeſetzt, ein ſechszackiges Sternrad. Jeder dieſer
Zacken trägt ein Paar gerader, zur Axe paralleler Elektromagnete. Auf derſelben Axe
iſt auch ein vierſcheibiger Commutator angebracht, welcher die Stromrichtung in den
Drahtwindungen der Elektromagnete immer in dem Momente ändert, in welchem
die geraden Elektromagnete den Polen der Hufeiſenmagnete gegenüberſtehen. Befinden
ſich die geraden Magnete zwiſchen zwei aufeinanderfolgenden Hufeiſenmagneten, ſo
wirkt immer einer der letzteren anziehend, der andere abſtoßend auf die geraden
Elektromagnete. Sobald daher die Klemmſchrauben des Motors mit den Polen einer
[828] Batterie in Verbindung geſetzt werden, geräth das Sternrad mit den geraden
Magneten für die Dauer der Verbindung in ununterbrochene Rotation. Th. du
Moncel
und Geraldy theilen (in L’électricité comme force motrice) über die
mit dieſem Motor zum Betriebe eines Schiffes auf der Newa angeſtellten Verſuche
Nachſtehendes mit. Bei den erſten Verſuchen kam eine Säule von 320 Daniell-
Elementen zur Verwendung, deren Kupfer- und Zinkplatten jede eine Oberfläche
von 225 Quadratcentimeter beſaß. Mit dieſer Kraft erreichte das Boot eine
Geſchwindigkeit von 2300 Meter pro Stunde. Zur zweiten Verſuchsreihe, im
Jahre 1839, hatte ſich Jacobi eine Säule von 128 Grove-Elementen mit ebenſo
großen Oberflächen zuſammengeſtellt und erreichte eine Geſchwindigkeit von 4170

Figure 597. Fig. 593.

Dal Negro’s zweiter Elektromotor.


Meter pro Stunde. Das 8·4 Meter lange und 2·25 Meter breite Boot trug
hierbei 12 Perſonen. Dieſe Experimente, deren Koſten Kaiſer Nicolaus trug, ſollen
60.000 Francs verſchlungen haben.


In dem Elektromotor von Elias, conſtruirt im Jahre 1842, ſehen wir
bereits einen Vorläufer des Pacinotti’ſchen Ringes, allerdings nur dem äußeren
Anſehen nach. Der Motor iſt aus zwei concentriſch angeordneten Eiſenringen
F und T, Fig. 595, gebildet, deren jeder mit ſechs Drahtgruppen umwunden iſt.
Der äußere Ring iſt unbeweglich und wird durch die Säulen C C' getragen. Durch
die ſechs, abwechſelnd nach der einen und nach der andern Seite gewundenen Draht-
lagen wird der ganze Ring in ſechs Elektromagnete zerlegt, deren Pole A A'
u. ſ. w. abwechſelnd Nord- und Südmagnetismus erhalten müſſen, ſobald ein
[829] Strom die Windungen durchfließt. In gleicher Weiſe iſt der innere Ring T gebaut
und erhält daher gleichfalls ſechs Pole a a' u. ſ. w. Der innere Ring iſt jedoch

Figure 598. Fig. 594.

Elektromotor von Jacobi.


Figure 599. Fig. 595.

Elektromotor von Elias.


beweglich; er kann um eine horizontale Axe, die auf den Säulen p p' gelagert iſt,
in Umdrehung verſetzt werden. Auf derſelben Axe iſt auch der Commutator c auf-
geſetzt. Dieſer beſteht aus ſechs gleich weit voneinander abſtehenden Metallſtreifen,
[830] von welchen drei, z. B. Streifen 1, 3 und 5 mit dem Drahte f, die Streifen 2,
4 und 6 mit dem Drahte f' verbunden ſind. Ueber dieſen Commutator ſchleifen
die Federn R R', welche mit den Klemmen B B' in Verbindung ſtehen. Der Strom
für den äußeren Ring wird durch die Drähte g g' zugeleitet.


Man kann den Motor in Gang ſetzen, indem man entweder für jeden der
Ringe eine Batterie benützt oder auch nur eine für beide Ringe zuſammen verwendet.
Im erſteren Falle werden die Poldrähte der einen Batterie an die Drähte g g'
angeſchloſſen, die der zweiten Batterie mit den Klemmen B B' verbunden. Der
Strom der erſten Batterie tritt durch g ein, theilt ſich bei C' in zwei Zweige,
deren einer die Drahtwindungen der oberen Ringhälfte, deren anderer die Draht-
windungen der unteren Hälfte durchfließt, worauf ſich beide Zweige wieder vereinigen
und durch g' zur Batterie zurückkehren. Der Strom der zweiten Batterie gelangt
durch die Klemme P, die Feder R und den Commutator entweder in die Draht-
gruppen 1, 3 und 5 oder in die Gruppen 2, 4 und 6, je nachdem ein Metallſtreif
einer ungeraden oder geraden Ordnungsnummer unter die Feder R kommt. Da
einer Metall-Lamelle gerader Nummer ſtets eine ſolche ungerader Nummer diametral
gegenüberſteht, muß die Feder R' immer auf eine Lamelle kommen, welche mit der
einen Windungsgruppe in Verbindung ſteht, wenn R mit der andern leitend
verbunden iſt. Da ferner jede der Federn immer abwechſelnd über Metallſtreifen
der einen und der anderen Gruppe ſchleift, muß auch die Stromrichtung in den
Spiralen des inneren Ringes fortwährend wechſeln, daher müſſen auch die Pole
a a' u. ſ. w. fortwährend ihr Vorzeichen ändern. Dies bewirkt aber eine con-
tinuirliche Rotation des Ringes T. Iſt z. B. A' ein Nordpol, ſo muß a ein
Südpol ſein; a wird daher von A' angezogen, von A (als Südpol) abgeſtoßen.
Iſt nun der Südpol a bei dem Nordpole A' angekommen, ſo verwandelt ſich der
Südpol a ſofort zu einem Nordpol, weil inzwiſchen auch die Federn R R' auf die
nächſten Metallſtreifen gelangt ſind und dadurch eine Umkehr der Stromrichtung
in den Drahtwindungen des drehbaren Ringes bewirkt haben; der Nordpol a wird
nunmehr von dem unverändert gebliebenen Nordpole A' abgeſtoßen und von dem
Südpole bei C' angezogen, d. h. der innere Ring ſetzt ſeine Rotation im ſelben
Sinne fort. Natürlich wirken in ganz analoger Weiſe auch die übrigen fixen Pole
des äußeren Ringes auf die veränderlichen Pole des drehbaren Ringes ein.


Zum Betriebe dieſes Motors reicht auch nur eine Batterie aus, wenn man
z. B. B mit g' und B' mit g verbindet. Der Strom wird dann eben in zwei
Zweige getheilt, deren einer die Drahtwindungen des äußeren, deren anderer die
Drahtwindungen des inneren Ringes durchfließt.


Eine lange Reihe von Jahren (1844 bis 1862) beſchäftigte ſich Froment
mit der Conſtruction von Elektromotoren und gab dieſen mannigfache Formen.
Zwei derſelben ſollen nachſtehend beſchrieben werden. Bezüglich der übrigen müſſen
wir auf Th. du Moncel’s und Geraldy’s Werk „L’électricité comme force
motrice”
verweiſen. Der im Jahre 1845 conſtruirte Motor iſt in Fig. 596 ab-
gebildet. Vier Elektromagnetpaare ſind auf einem entſprechenden Geſtelle in radialen
Richtungen befeſtigt. Zwiſchen den Polen dieſer Elektromagnete kann ſich ein Rad
drehen, welches auf ſeinem Umfange eine größere Anzahl weicher Eiſenſtäbe als Anker
dieſer Elektromagnete trägt. Die Anziehung, welche die Elektromagnete auf dieſe
Anker ausüben, verſetzt das Rad in continuirliche Umdrehung. Der Strom einer
Batterie wird zu dieſem Behufe zunächſt zu einem Commutator geleitet, welcher den
Strom ſucceſſive und alternirend den einzelnen Magnetpaaren zuführt. Dieſer Com-
[831] mutator beſteht aus einer Reihe von Contacten auf der Welle des Rades und aus
den über dieſe gleitenden Contacträdchen oder Knöpfchen, welche durch Federn an-
gedrückt werden. Der Commutator wirkt dann in der Weiſe, daß immer jene beiden
Elektromagnetpaare Strom erhalten, welchen eben Eiſenlamellen des Rades nahe
ſtehen. Dieſer Motor iſt gegenwärtig noch zu Spielereien oder als Demonſtrations-
object in phyſikaliſchen Cabineten in Verwendung.


Der große Elektromotor, welchen Froment zum Betriebe ſeiner Theil-
maſchine gebaut hatte, iſt in Fig. 597 abgebildet. An ſechs gußeiſernen Ständern,
welche gewiſſermaßen die Kanten eines verticalen ſechsſeitigen Prismas bilden, ſind
die Elektromagnete, radial nach innen gerichtet, befeſtigt. Die Axe dieſes Prismas
bildet eine verticale Welle, welche die Armaturſtäbe aus weichem Eiſen trägt. Oben
iſt auf die Welle ein kegelförmiges Zahnrad aufgeſetzt, welches in ein eben ſolches

Figure 600. Fig. 596.

Elektromotor von Froment.


verticales Rad von gleichem Durchmeſſer eingreift. Letzteres dient zur Bewegung
des Commutators. (In der Figur links oben ſichtbar.) Dieſer beſteht aus einer
doppelten Serie von Contactrollen, welche bei Drehung der Welle abwechſelnd
über iſolirte und leitende Stellen der darunter befindlichen Scheibe gleiten. Durch
entſprechende Verbindungen mit den Drahtwindungen auf den Elektromagneten
werden dieſe in ähnlicher Weiſe erregt wie bei dem vorbeſchriebenen Motor. Die
Zahnräder gegenüber dem Commutator (rechts oben) dienen zur Verlangſamung
der Bewegung, welche durch die Riemenſcheibe auf die Theilmaſchine übertragen
wurde. Die Leiſtung dieſes Motors ſoll trotz ſeiner Größe und ſeines maſſiven
Baues eine ſehr unbedeutende geweſen ſein.


Hjorth ließ ſich im Jahre 1849 einen Motor patentiren, der bei der Lon-
doner Ausſtellung im Jahre 1851 durch die große Medaille ausgezeichnet wurde.
Fig. 598 giebt eine Anſicht, Fig. 599 einen Schnitt dieſes Motors. Die Elektro-
[832] magnete A A ſind innen koniſch ausgehöhlt und ſitzen auf der Axe B auf, um
welche ſie ſchwingen können. Die Elektromagnete C C ſind außen koniſch geſtaltet,
können auf den Führungsſtangen D D auf- und abgleiten und übertragen ihre

Figure 601. Fig. 597.

Elektromotor von Froment.


Bewegungen durch eine Kurbel auf die das Schwungrad tragende Welle. Im
Innern der Hohlmagnete A A ſind verſchieden große Verlängerungen angebracht,
welche in entſprechende Vertiefungen der Magnete C C paſſen. Die Maſchine iſt
mit einem Commutator verſehen, der ähnlich dem Schieber der Steuerung einer
[833] Dampfmaſchine geſtaltet iſt und wie bei dieſer ſeine Bewegung von der Maſchinen-
axe durch einen Excenter erhält. Dieſer Schieber vermittelt abwechſelnd den Eintritt
des elektriſchen Stromes in die eine oder die andere der beiden Elektromagnet-
gruppen. Die Anziehung, welche in je einer Gruppe von dem Hufeiſenmagnete A
auf C ausgeübt wird, iſt eine ſtärkere als gewöhnlich, dank der eigenartigen Con-
ſtruction der Magnete. Hat in einer Gruppe von Magneten der bewegliche ſeine
Bewegung vollendet, ſo wird durch den Commutator der Strom in dieſer Gruppe
gewechſelt und in der andern Gruppe hergeſtellt, wodurch ein Aufwärtsbewegen
des Magnetes C in der erſten und eine Abwärtsbewegung des Magnetes C in

Figure 602. Fig. 598.


Figure 603. Fig. 599.

Elektromotor von Hjorth.


der zweiten Gruppe bewirkt wird. Man erhält dadurch eine Bewegung ähnlich
jener einer Dampfmaſchine.


Von jenen älteren Motoren, welche auf magnetiſche Anziehung, beziehungs-
weiſe Abſtoßung baſirt ſind, hätten wir nun des von Pacinotti erfundenen Motors
zu gedenken. Seine Beſchreibung und Abbildung haben wir bereits gegeben
(Seite 355).


Von jenen älteren Motoren, welche unter Benützung von Solenoiden con-
ſtruirt wurden, wollen wir jenen von Tage nachſtehend beſchreiben. Central zu
den Solenoiden A und B, Fig. 600, ſind an den beiden Zugſtangen des um F
drehbaren Balanciers E G die beiden Eiſenkerne C und D aufgehängt. Die Ver-
längerung des Balanciers trägt bei H eine dritte Zugſtange, welche durch eine
Kurbel K das Schwungrad in Bewegung ſetzt. Auf der horizontalen Axe des
Urbanitzky: Elektricität. 53
[834] letzteren iſt der Excenter L aufgekeilt, der durch ein entſprechendes Geſtänge einen
Contact derart verſchiebt, daß abwechſelnd die Drahtwindungen des Solenoides A
und B in den Stromkreis der Batterie eingeſchaltet werden. Die Wirkungsweiſe
dieſes Motors iſt ſonach leicht einzuſehen. Iſt der Strom durch B geſchloſſen, ſo
wird der Eiſenkern D in das Solenoid hineingezogen und es ſenkt ſich die linke
Seite des Balanciers. Iſt dann D in ſeiner tiefſten Stellung angelangt, ſo iſt
durch die Bewegung des Excenters indeſſen der Stromkreis über B unterbrochen
und über A hergeſtellt worden; es wird alſo C in A hineingezogen und D ſteigt
aus B wieder empor. Es ſenkt ſich die rechte Seite des Balanciers. Obwohl mit

Figure 604. Fig. 600.

Elektromotor von Page.


dieſem Motor viel Lärm gemacht wurde, leiſtete er doch ebenſo wenig, wie die
übrigen Motoren und iſt daher gleichfalls ohne Belang für die Praxis geblieben.


Umkehrbarkeit elektriſcher Maſchinen.

Verſetzen wir die Armatur einer magnetelektriſchen Maſchine, z. B. den Ring
einer Gramme’ſchen Maſchine, in Rotation, ſo entſtehen in den Drahtwindungen
des Ringes Ströme, welche in bereits beſchriebener Weiſe zur Erregung der
Elektromagnete und zu anderen Zwecken im äußeren Stromkreiſe verwendet werden
können. Die Maſchine verwandelt alſo mechaniſche Arbeit in elektriſche Ströme.
Verfährt man nun umgekehrt, d. h. verbindet man die Polklemmen einer derartigen
Maſchine mit den Poldrähten einer Elektricitätsquelle, ſo wird der Strom der
letzteren offenbar die Drahtwindungen der Maſchine durchlaufen müſſen. Die
[835] Elektromagnete dieſer werden dadurch erregt und müſſen daher auf die ſtromdurch-
floſſenen Spiralen der Armatur ihre anziehende, beziehungsweiſe abſtoßende Kraft
geltend machen. Die Armatur geräth hierdurch, wie dies weiter unten eingehend
erklärt werden ſoll, in Rotation, welche ſo lange andauert, als der Strom der
Elektricitätsquelle die Drahtwindungen der Maſchine durchfließt. Die Bewegung
der Armatur kann dann, etwa durch Riemſcheiben und Riemen, auf irgend eine
Arbeitsmaſchine übertragen, d. h. zur Leiſtung mechaniſcher Arbeit verwendet werden.
In dieſem Falle wird durch die elektriſche Maſchine Strom in mechaniſche Arbeit
umgewandelt, alſo der umgekehrte Proceß bewirkt, wie im erſten Falle. Dieſe
Eigenſchaft der magnetelektriſchen Maſchinen, durch Aufwand von mechaniſcher Arbeit
Strom zu liefern und, umgekehrt, durch Einleiten von elektriſchen Strömen dieſe
in mechaniſche Arbeit umzuſetzen, nennt man die Umkehrbarkeit der Maſchine.


Das Princip der Umkehrbarkeit iſt es, welches eine rationelle Verwendung
der Elektromotoren, welches die elektriſche Uebertragung der Kraft ermöglicht. Es
iſt dies eines der am längſten bekannten Principien und beſitzt allgemeine Geltung:
Wir führen Wärme zu und erhalten Bewegung (Dampfmaſchine); umgekehrt,
Bewegung erzeugt Wärme (Reibung). Durch Wärme werden chemiſche Verbindungen
zerſetzt; umgekehrt, bei der Vereinigung von Körpern zu einer chemiſchen Verbindung
wird Wärme erhalten. Jeder Wirkung entſpricht eine Gegenwirkung.


Die Giltigkeit dieſes Principes auch für die magnetelektriſchen Maſchinen
wurde zuerſt von Pacinotti (1861) erkannt und auch klar und deutlich aus-
geſprochen (vergl. Seite 357); Siemens beobachtete die Umkehrbarkeit im Jahre
1867. Die Umkehrbarkeit, ſpeciell der Gramme’ſchen Maſchine, wurde experimentell
gezeigt am 11. Juli 1873 in der Pariſer phyſikaliſchen Geſellſchaft. Die erſte
öffentlich vorgeführte Kraftübertragung fand im ſelben Jahre auf der Wiener
Weltausſtellung ſtatt. Eine Gramme’ſche Maſchine mit permanenten Hufeiſen-
magneten wurde durch eine Dampfmaſchine in Bewegung geſetzt und der hierdurch
erhaltene Strom einer zweiten ebenſolchen, etwa 500 Meter weit entfernten
Maſchine zugeleitet. Dieſe gerieth in Rotation und betrieb eine Pumpe. *)


53*
[836]

Zur erſten praktiſchen Anwendung gelangte die elektriſche Uebertragung
der Kraft in der Präciſionswerkſtätte von St. Thomas d’Aquin
im
Jahre 1876. (Zeitſchrift für angew. El. L. von Ph. Carl B. I.) Die Artillerie-
Officiere hatten eine ſehr gute Theilmaſchine, welche ſo eingerichtet war, daß ſie
ſelbſtſtändig arbeitete und ſich auch in einem beliebigen Momente ſelbſt arretirte;
die Maſchine ſollte nun durch die Dampfmaſchine des Etabliſſements, aber in ent-
ſprechender Entfernung von derſelben, in Betrieb geſetzt werden. Eine von der
Dampfmaſchine geführte Gramme’ſche Maſchine liefert einen elektriſchen Strom,
der eine zweite magnetelektriſche Maſchine in Rotation verſetzt. Dieſe letztere, welche
mit der erſteren durch zwei über den Hof geführte Leitungsdrähte von mäßigem
Durchmeſſer verbunden iſt, ſetzt die Theilmaſchine in Betrieb; die Anlage functionirte
gleich vom Beginne an ſehr gut.


Die zweite praktiſche Verwerthung der elektriſchen Uebertragung der Kraft
erfolgte durch Cadiat, dem Ingenieure der Société du Val d’Osne im Jahre
1878. In dem Etabliſſement der Geſellſchaft (Boulevard Richard Lenoir in Paris)
wurde eine mechaniſche Werkſtätte durch eine achtpferdige Dampfmaſchine betrieben,
während eine Locomobile in einer zweiten Werkſtätte (für galvaniſche Verkupferung)
eine Gramme’ſche Maſchine in Bewegung verſetzte. Cadiat ſtellte nun in der erſt-
genannten Werkſtätte eine Gramme’ſche Maſchine auf, welche durch den achtpferdigen
Dampfmotor betrieben wurde, leitete die hierdurch erhaltenen elektriſchen Ströme
durch (150 Meter lange) Kupferdrähte zu einer zweiten Gramme’ſchen Maſchine in
der galvanoplaſtiſchen Werkſtätte und ließ nun durch die letztgenannte Maſchine die
galvanoplaſtiſchen Maſchinen betreiben, wodurch die Locomobile überflüſſig wurde.
Die zu Sermaize ausgeführten Kraftübertragungsanlagen ſollen uns weiter unten
noch beſchäftigen, gleichwie auch die älteren Vorſchläge, elektriſche Bahnen betreffend,
bei Beſchreibung dieſer erwähnt werden ſollen.


Vorgänge bei der elektriſchen Uebertragung der Kraft.

Wir wollen nun die Vorgänge bei der elektriſchen Uebertragung mechaniſcher
Kraft näher betrachten. Eine dynamo-elektriſche Maſchine wird durch irgend einen
Motor in Bewegung geſetzt und ſendet die hierdurch erzeugten Ströme durch eine
Leitung in eine zweite Maſchine; dieſe geräth in Bewegung und kann zur Leiſtung
einer entſprechenden mechaniſchen Arbeit benützt werden. Die erſte Maſchine, alſo
die, welche den Strom liefert, nennen wir die primäre (die Franzoſen génératrice),
die zweite, alſo jene, welche mechaniſche Arbeit leiſten kann oder welche den Strom
empfängt, die ſecundäre Maſchine (motrice oder réceptrice). Verſetzen wir
die primäre Maſchine I (Fig. 601) in der Richtung in Bewegung, welche durch
den innerhalb des Ringes gezeichneten, mehrfach gefiederten Pfeil angedeutet iſt,
ſo müſſen, bei der durch die Buchſtaben S1 und N1 bezeichneten Polarität der
Magnete, in dem Ringe Ströme erzeugt werden, welche ſo gerichtet ſind, daß
poſitive Elektricität durch die bei a1 zu denkende Schleifbürſte austritt. (Der Kürze
und Deutlichkeit wegen wird hier wie bisher immer nur die Richtung des poſitiven
Stromes berückſichtigt.) Die Ströme fließen dann von der Schleifbürſte a1, welche
uns den poſitiven Pol darſtellt, in die Drahtwindungen der Elektromagnete und
gelangen von hier zur ſecundären Maſchine II, deren Drahtwindungen ſie in der
durch die Pfeile angezeigten Richtung durchſtrömen, worauf ſie bei b1, welches uns
den negativen Pol der Maſchine I darſtellt, zu dieſer zurückkehren, womit der
[837] Stromkreis geſchloſſen iſt. Der bei A in die ſecundäre Maſchine eintretende Strom
umkreiſt den erſten Elektromagnetſchenkel in der Richtung der Uhrzeigerbewegung,
muß alſo, wie wir aus früheren Betrachtungen uns erinnern (vergl. Seite 286),
in dem Elektromagnetſchenkel an jener Stelle Südmagnetismus erzeugen, welche
ſeiner Eintrittsſtelle am nächſten liegt. Ueberlegen wir in gleicher Weiſe die Wir-
kung des Stromes auf die übrigen Elektromagnetſchenkel der ſecundären Maſchine,
ſo werden wir leicht einſehen, daß der obere Polſchuh Nord-, der untere Süd-
magnetismus erhalten muß. Nun
gelangt der Strom zur Schleif-
bürſte a2, theilt ſich dort in zwei
Zweigſtröme, deren einer die
obere Hälfte der Armaturwindun-
gen, deren anderer die untere
Hälfte durchfließt, worauf ſich
beide Zweigſtröme wieder ver-
einigen und durch die Schleif-
bürſte b2 die ſecundäre Maſchine
verlaſſen. Wir haben nun in
der Ringarmatur eine ſtrom-
durchfloſſene Spirale oder, wenn
wir wollen, einen ringförmigen
Elektromagnet vor uns, welcher
ſich in unmittelbarer Nähe der
kräftigen Magnetpole N2 und S2
befindet und daher von dieſen
beeinflußt werden muß. In
welcher Weiſe wird nun der Ring
durch die ihn umkreiſenden Ströme
magnetiſirt? Betrachten wir,
wieder die Eintrittsſtelle a2 des
Stromes in den Ring als Stand-
punkt wählend, die Richtungen,
nach welchen die obere und die
untere Hälfte der Armatur von
Strömen durchfloſſen werden, ſo
ſehen wir, nach oben gewendet,
die obere Hälfte in der Rich-
tung der Uhrzeigerbewegung um-
floſſen und nach unten gewendet,

Figure 605. Fig. 601.

Elektriſche Uebertragung der Kraft.


den Strom auch die Richtung der Uhrzeigerbewegung verfolgend. Der Ring muß
daher bei a2 Südmagnetismus erhalten. Dieſelbe Betrachtungsweiſe auf die Aus-
trittsſtelle b2 des Stromes aus dem Ringe angewandt, lehrt uns, daß hier Nord-
magnetismus erregt werden muß. Und nun iſt wohl auch klar, daß ſich die
Armatur in Folge dieſer magnetiſchen Vertheilung unter Einwirkung der Pole N2
und S2 nach rechts (wie es der innen gezeichnete, mehrfach gefiederte Pfeil anzeigt)
drehen muß. Der Nordpol N2 zieht den Südpol bei a2 an und ſtößt den Nord-
pol bei b2 ab und der Südpol S2 ſtößt den Südpol bei a2 ab und zieht den
Nordpol bei b2 an. Die Drehung muß auch, unter der Vorausſetzung, daß der
[838] Maſchine II continuirlich Ströme zugeführt werden, eine continuirliche ſein, da
der Ring immer bei a2 Süd- und bei b2 Nordmagnetismus erhält, alſo hier
ebenſo ein Wandern der Magnetpole entgegengeſetzt der Drehrichtung des Ringes
eintritt, wie wir es bei der Erklärung der Gramme’ſchen Maſchine als Strom-
erzeuger kennen gelernt haben (Seite 366).


Aus Fig. 601 erſehen wir auch, daß die Drehrichtung in der ſecundären
Maſchine entgegengeſetzt iſt, wie jene in der primären Maſchine oder mit anderen
Worten, daß ſich die Armatur einer Maſchine, die als ſecundäre Maſchine ver-
wendet wird, nach rechts dreht, wenn die Armatur derſelben Maſchine, dieſe als
primäre verwendet, nach links gedreht werden muß, damit das Vorzeichen der Pole
dasſelbe bleibt.


Aus obiger Betrachtung und aus der Figur können wir aber noch eine
Erſcheinung erſchließen, welche bei der elektriſchen Uebertragung der Kraft eintritt. In
der ſecundären Maſchine rotirt die Armatur zwiſchen den beiden kräftigen Magnet-
polen N2 und S2, die Drahtwindungen der Armatur bewegen ſich in magnetiſchen
Feldern. Nun beruht ja aber hierauf die Stromerzeugung durch magnetelektriſche
Maſchinen; folglich müſſen auch in der Armatur der ſecundären Maſchine Ströme
inducirt werden, ſobald die Armatur dieſer ſecundären Maſchine durch die Ströme
der primären Maſchine in Bewegung geſetzt wird, da die Art, in welcher die
Armatur in Bewegung geſetzt wird, die Giltigkeit der Inductionsgeſetze offenbar
nicht beeinfluſſen kann. Welche Richtung werden nun dieſe Ströme haben, die in
der Armatur der ſecundären Maſchine in Folge der Bewegung derſelben entſtehen?
Die Antwort hierauf können wir etwa durch folgende Ueberlegung erhalten: Die
Elektromagnete der primären Maſchine beſitzen oben bei S1 einen Südpol, unten
bei N1 einen Nordpol; die Armatur wird nach links gedreht und ſomit muß
bei a1 der poſitive Strom austreten. Würden nun in der ſecundären Maſchine
Nord- und Südpol der Elektromagnete dieſelben Plätze (unten und oben) ein-
nehmen, ſo müßte wegen der Drehung der Armatur nach rechts (alſo in der
entgegengeſetzten Richtung wie in der primären Maſchine) die Austrittsſtelle des
poſitiven Stromes bei b2 ſein; weil aber auch die Lage der Magnetpole ver-
wechſel iſt, ſo muß auch der in der Armatur der ſecundären Maſchine durch
Induction erregte Strom bei a2 austreten, d. h. alſo dem bei a2 eintretenden,
aus der primären Maſchine kommenden Strome fließt ein in der Armatur durch
Induction erregter Strom entgegen. Durch die in Rede ſtehende Verbindung
zweier magnetelektriſcher Maſchinen, bei welcher eine derſelben als Stromerzeuger,
die andere als Empfänger oder Elektromotor benützt wird, erzeugt letzterer einen
Gegenſtrom.


Nachdem wir nun erfahren haben, daß in der ſecundären Maſchine ein
Gegenſtrom entſteht, tritt offenbar an uns die Frage heran, welche Wirkung dieſer
in dem geſchloſſenen Stromkreiſe, denn einen ſolchen bilden ja die beiden miteinander
verbundenen Maſchinen, hervorruft. Sendet man durch einen Leiter zwei gleich ſtarke,
aber entgegengeſetzt gerichtete Ströme, ſo heben ſich dieſe gegenſeitig auf, d. h. die
Geſammtwirkung iſt gleich Null. Bei ungleicher Stärke iſt das Endreſultat ein
Strom, deſſen Stärke gleich iſt der Differenz der Stärken beider Ströme und
deſſen Richtung mit der Richtung des ſtärkeren übereinſtimmt. Im Allgemeinen wird
die Stromſtärke beſtimmt durch die elektromotoriſche Kraft und den Widerſtand
des Stromkreiſes. (Seite 194 u. f.) Die elektromotoriſche Kraft einer beſtimmten
dynamo-elektriſchen Maſchine hängt ab von dem Widerſtande des Stromkreiſes und
[839] von der Tourenzahl der Armatur (vergl. auch Seite 446 u. f.). Wir wollen
nun das Verhalten zweier vollkommen gleicher, dynamo-elektriſcher Maſchinen, die
miteinander in der durch Fig. 601 angedeuteten Art verbunden ſind, betrachten,
wenn einerſeits die Tourenzahl der primären Maſchine und andererſeits die Arbeits-
leiſtung der ſecundären Maſchine verſchiedene Werthe erhält.


Laſſen wir zunächſt die primäre Maſchine mit einer beſtimmten Tourenzahl,
z. B. 1000 Umdrehungen pro Minute rotiren. Ein in den Stromkreis eingeſchaltetes
Galvanometer wird uns dann erkennen laſſen, daß die primäre Maſchine Ströme
entwickelt, deren Stärke in der bei dynamo-elektriſchen Maſchinen ſtets eintretenden
Weiſe raſch zunimmt. Die Ströme gelangen in die ſecundäre Maſchine und verſetzen
dieſe, wie oben erörtert, in Rotation. Im ſelben Momente aber, als ſich die ſecundäre
Maſchine zu bewegen beginnt, muß ſie auch, wie gleichfalls oben erörtert, Ströme
erzeugen, die in demſelben Maße an Stärke zunehmen werden, als die Rotations-
geſchwindigkeit zunimmt. In der That zeigt auch das Galvanometer, von demſelben
Momente an, in welchem ſich die ſecundäre Maſchine in Bewegung ſetzt, eine
ſtändige Abnahme der Stärke der von der primären Maſchine erregten Ströme.
Da die Umdrehungsgeſchwindigkeit der ſecundären Maſchine in demſelben Maße
wachſen muß, als die Stromſtärke der primären Maſchine zunimmt, ſo wird erſtere
ihr Maximum erreicht haben, ſobald die primäre Maſchine die der fixirten Touren-
zahl entſprechende Stromſtärke erlangt hat. Da wir angenommen haben, daß die
ſecundäre Maſchine gar keine Arbeit leiſtet (die kleine Arbeit, welche zur Ueber-
windung der Reibungswiderſtände geleiſtet wird, kann hier vernachläſſigt werden),
ſo wird offenbar die Rotationsgeſchwindigkeit der ſecundären Maſchine ſo lange
zunehmen, als die Stromſtärke der primären Maſchine größer iſt als jene des
Gegenſtromes aus der ſecundären Maſchine. Da nun aber beide Maſchinen einander
vollkommen gleich ſind, ſo muß die ſecundäre Maſchine dann Ströme ebenſolcher
Stärke entwickeln als die primäre, wenn ſie gleich ſchnell rotirt. Dieſer Zuſtand,
bei welchem dann die Galvanometernadel auf Null weiſt, tritt bei der angegebenen
Verbindung der Maſchinen auch wirklich ſehr raſch ein.*) Dieſer Fall iſt gleich
jenem, in welchem eine dynamo-elektriſche Maſchine mit offenem Stromkreiſe läuft.
Sie verbraucht keine Arbeit (von jener zur Ueberwindung der Reibungswiderſtände
abgeſehen), was auch an dem ſie bewegenden Motor, z. B. der Dampfmaſchine, zu
ſehen iſt, ebenſo wie auch die ſecundäre Maſchine keine Arbeit verbraucht.


Betrachten wir nun den entgegengeſetzten Fall: Die ſecundäre Maſchine ſoll
eine ſehr bedeutende Arbeit leiſten oder, um gleich den ganz entgegengeſetzten Fall zu
haben, wir halten den Ring der ſecundären Maſchine feſt, verhindern alſo gewaltſam
ſeine Rotation. In dieſem Falle kann die ſecundäre Maſchine natürlich keinen
Gegenſtrom erzeugen, ſondern bildet vielmehr einfach einen Schließungsbogen von
geringem Widerſtande für die primäre Maſchine. Wir wiſſen von früher her (Seite
417), daß in dieſem Falle, nämlich bei nahezu kurzem Schluſſe der Maſchine, die
Stromſtärke außerordentlich raſch zunimmt, während wir an der Dampfmaſchine
gleichzeitig eine bedeutende Arbeitsleiſtung beobachten können. Und wohin kommt
dieſe Arbeitsleiſtung? Sie tritt in den beiden Maſchinen als Wärme auf, ſo zwar,
daß man das Experiment in kürzeſter Zeit unterbrechen muß, wenn man nicht die
Maſchinen zerſtören will.


[840]

Nehmen wir jetzt an, die ſecundäre Maſchine habe eine Arbeit zu leiſten,
z. B. eine Laſt zu heben. Hierdurch muß das Verhalten beider Maſchinen ein
verſchiedenes werden, denn nun empfängt die primäre Maſchine Arbeit von der
Dampfmaſchine und liefert elektriſche Ströme, während die ſecundäre Maſchine
Ströme aufnimmt und Arbeit leiſtet. In Folge der Arbeitsleiſtung wird die Bewegung
der ſecundären Maſchine verlangſamt, und zwar in demſelben Maße, als die zu
leiſtende Arbeit (zu hebende Laſt) zunimmt. Im ſelben Maße muß aber auch die
Stärke des Gegenſtromes abnehmen, alſo die Stromſtärke im geſammten Strom-
kreiſe zunehmen. Hat die ſecundäre Maſchine nur eine geringe Arbeit zu leiſten,
ſo wird ihre Bewegung auch nur unbedeutend verlangſamt, alſo ihre Tourenzahl
unbedeutend geringer ſein als die der primären Maſchine, und daher muß auch
die Stromſtärke im Geſammtſtromkreiſe eine geringe ſein. Dieſes Verhalten nähert
ſich alſo jenem im erſtbetrachteten Falle, wo die ſecundäre Maſchine gar keine
Arbeit zu leiſten hatte. Hat jedoch die ſecundäre Maſchine eine erhebliche Arbeit zu
verrichten, ſo wird ihre Bewegung bedeutend verringert, ebenſo wie die Erzeugung
des Gegenſtromes, und daher die Stromſtärke im Geſammtkreiſe erhöht. Iſt endlich
die Arbeit ſo groß, daß ſie die Leiſtungsfähigkeit der ſecundären Maſchine überſteigt,
ſo bleibt dieſe ganz ſtehen und wir haben den in zweiter Linie betrachteten Fall
vor uns, in welchem die ſecundäre Maſchine feſtgehalten wird und die Stromſtärke
bis zur Zerſtörung der Maſchinen in Folge der Erhitzung wachſen kann.


Parallel mit dem Verhalten der ſecundären Maſchine geht auch jenes der
Dampfmaſchine, welche die primäre Maſchine in Bewegung ſetzt. Hat die ſecundäre
Maſchine nur eine geringe Arbeit zu leiſten, ſo wird auch die Dampfmaſchine nur
in geringem Maße beanſprucht; letztere wird zur ſtärkſten Inanſpruchnahme gebracht,
wenn die ſecundäre Maſchine in Folge der Arbeitsüberbürdung zu rotiren aufhört,
die ſich ihrer Rotation entgegenſetzenden Widerſtände nicht mehr überwinden kann.
In jedem Falle aber giebt die ſecundäre Maſchine jene Arbeit wieder, welche von
der Dampfmaſchine auf die primäre Maſchine übertragen wurde. Natürlich erhält
man an der ſecundären Maſchine nie die ganze Arbeit wieder, welche von der
primären aufgenommen wurde, ſondern nur einen Bruchtheil derſelben. Abgeſehen
davon, daß ein gewiſſer Theil der Arbeit der Dampfmaſchine zur Ueberwindung
der verſchiedenen Reibungswiderſtände verbraucht wird, liegt die Haupturſache des
Arbeitsverluſtes darin, daß der elektriſche Strom jeden Leiter, welchen er durch-
fließt, erwärmt.*) Die Arbeit der Dampfmaſchine wird alſo zum Theile in Wärme
umgeſetzt, ſo lange die arbeitsleiſtende ſecundäre Maſchine überhaupt noch läuft;
bleibt letztere ſtehen, weil ſie die zu große Arbeit nicht mehr leiſten kann, ſo wird
faſt die geſammte Arbeit der Dampfmaſchine in Wärme umgeſetzt.


Einflutz der Entfernung. Die im Geſammtſtromkreiſe entwickelte Wärme
hängt ab von dem Widerſtande desſelben und von der Stromſtärke. Sie iſt dem
Widerſtande und dem Quadrate der Stromſtärke direct proportional (Geſetz von
Joule, Seite 228). Die Berückſichtigung dieſes Umſtandes lehrt uns, daß die Größe
der übertragenen Arbeit durch die Länge des Stromkreiſes, alſo bei beſtimmten
Maſchinen durch die Länge der Leitung, welche beide Maſchinen (primäre und
ſecundäre) verbindet, beeinflußt wird, da der Widerſtand eines Leiters mit deſſen
Länge wächſt (Seite 195). Iſt die primäre Maſchine 3, 4 … mal ſo weit von
[841] der ſecundären Maſchine entfernt, ſo wird unter ſonſt gleichen Umſtänden auch
3, 4 … mal ſo viel Wärme in den Drähten erzeugt und folglich muß die Größe
der übertragenen Arbeit abnehmen. Der Leitungswiderſtand iſt aber auch umgekehrt
proportional dem Querſchnitte des Leiters. Will man deshalb trotz der doppelten
Entfernung doch nicht mehr Arbeit in Form von Wärme verlieren, ſo kann man
dies erreichen, indem man die Leitung doppelt ſo ſtark macht, denn der Widerſtand
einer Leitung iſt gleich dem Widerſtand einer doppelt ſo langen Leitung, wenn
letztere auch einen doppelt ſo großen Querſchnitt beſitzt. Es iſt jedoch unſchwer
einzuſehen, daß dieſes Mittel keinen praktiſchen Werth beſitzt, ſobald die Entfernungen
der beiden Maſchinen erhebliche werden, weil man hierbei ſchließlich zur Anwendung
maſſiver Leitungsſtangen gelangen würde, die das Anlagecapital weit über die
Grenzen der Rentabilität hinaus erhöhen würden.


Die entwickelte Wärmemenge hängt aber auch von der Stromſtärke ab. Wir
können die erſtere trotz der 4-, 9-, 16fachen Länge der Leitung conſtant erhalten,
wenn wir die Stromſtärke auf ½, ⅓, ¼ der urſprünglichen erniedrigen. Die
Veränderung der Stromſtärke ſoll natürlich den Arbeitsaufwand nicht verändern.
Nun wiſſen wir aber aus dem Vorhergehenden, daß die Stromſtärke im Geſammt-
ſtromkreiſe der verbundenen Maſchinen, alſo auch in der Leitung gleich iſt der
Differenz der Stromſtärken, welche der von der primären Maſchine erzeugte Strom
beſitzt und des Gegenſtromes (von der ſecundären Maſchine). Dieſe Differenz wird
kleiner, wenn die Differenz der elektromotoriſchen Kräfte beider Maſchinen kleiner
wird, was wieder durch Verringern der Differenz in der Tourenanzahl beider Maſchinen
erreicht werden kann. Will man alſo trotz geringer Differenz in der Tourenzahl
beider Maſchinen doch Arbeit in größerem Betrage auf erhebliche Entfernungen
übertragen, ſo müſſen die elektromotoriſchen Kräfte beider Maſchinen erhöht werden.
Dies läßt ſich aber erreichen, indem man entweder die Tourenanzahl erhöht oder
die Anzahl der Drahtwindungen auf der Armatur vermehrt oder endlich, indem
man Tourenanzahl und Drahtwindungen vermehrt. Mit Berückſichtigung dieſes
wäre es dann, wenigſtens theoretiſch, möglich, beliebig große Kräfte beliebig weit
zu übertragen und hierzu nur gewöhnlichen Telegraphendraht als Leitung zu benützen.
Die diesbezüglichen Verſuche haben bis jetzt leider noch kein praktiſch verwerthbares
Reſultat ergeben. Die Gründe hiefür liegen darin, daß einerſeits die Tourenzahl
einer Maſchine nicht beliebig vermehrt werden kann, wenn letztere nicht einer rapiden
Abnützung unterliegen ſoll, andererſeits auch die Erhöhung der elektromotoriſchen
Kraft (in der einen oder andern Weiſe) darin ihre Grenze findet, daß die
Iſolirungen der hohen Spannung der Ströme nicht mehr Stand halten. Dies
führt nicht nur zu großen Stromverluſten auf den Leitungen, ſondern gefährdet
auch die Maſchinen ſelbſt, wodurch alſo der Betrieb ſehr unſicher würde.


Die praktiſchen Anwendungen der elektriſchen Uebertragung der Kraft, welche
bisher gemacht wurden, beſchränken ſich daher auch auf Uebertragung mäßiger
Kräfte auf geringe Entfernung. Es wäre nun noch die Frage zu beantworten,
worin überhaupt der Vortheil elektriſcher Uebertragung beſteht. Man
braucht einen Motor, der die primäre Maſchine in Bewegung ſetzt, eine ſecundäre
Maſchine und die Leitung, welche beide Maſchinen miteinander verbindet. Alſo zwei
Zwiſchenmaſchinen und die Leitung, lauter Quellen für ganz bedeutende Kraftverluſte.
Man wird ſagen, es ſei doch zweckmäßiger und rationeller, den Motor direct die
verlangte Arbeit verrichten zu laſſen, als dieſe erſt aus dritter Hand, der ſecun-
dären Maſchine, zu erhalten. Allerdings, ſo lange der Motor am Arbeitsplatze ſich
[842] befindet oder dorthin gebracht werden kann. Iſt dies aber nicht möglich, ſo kann
die verlangte Arbeit auch an jener Stelle überhaupt nicht geleiſtet werden. Die
Uebertragung von Kraft durch Röhrenleitungen für comprimirte Luft, Dampf oder
Waſſer, durch Seile und Riemen iſt nicht nur auf verhältnißmäßig ſehr kleine
Entfernungen ausführbar, ſondern überdies auch noch für dieſe mit ſehr großen
Kraftverluſten und bedeutenden Koſten verbunden. Dieſe Hinderniſſe ſind nun durch
die elektriſche Uebertragung der Kraft, wenn auch, wie wir geſehen haben, nicht
vollkommen beſeitigt, ſo doch in hohem Grade verringert. Eine Reihe von Beiſpielen
praktiſcher Anwendungen der Kraftübertragung durch Elektricität, die weiter unten
folgen ſoll, wird obige Bemerkungen ergänzen.


Bevor aber praktiſche Anwendungen ſelbſt beſchrieben werden ſollen, wird
es am Platze ſein, durch eine Vergleichung der älteren Elektromotoren mit
den modernen Maſchinen
die Urſachen zu ſkizziren, warum die erſteren praktiſch
unverwerthbar ſind, die letzteren aber eine vielſeitige Verwendung ermöglichen. Die
Wirkungsweiſe der älteren Elektromotoren beſteht darin, daß wenige oder auch
viele Eiſenmaſſen abwechſelnd magnetiſirt und entmagnetiſirt werden; dieſe oder
auch Solenoide ziehen dann eine entſprechende Anzahl von Ankern oder Eiſenkernen
an, und veranlaſſen hierdurch Bewegung. Letztere kommt daher nicht durch con-
tinuirlich wirkende Kräfte, ſondern durch einzeln nacheinander ausgeübte Impulſe
oder Stöße zu Stande, was ſchon an und für ſich unvortheilhaft iſt. Hierzu
kommt aber überdies noch der ſehr ſchwer in die Wage fallende Uebelſtand, daß
die Magnetiſirung und Entmagnetiſirung von irgendwie größeren Eiſenmaſſen nicht
momentan herbeigeführt werden kann, ſondern immerhin eine gewiſſe Zeit erfordert.
Hierdurch wird aber ein großer Arbeitsverluſt bedingt, indem das Eiſen ſich bei
raſchem Wechſel des Magnetismus oder des magnetiſchen und unmagnetiſchen
Zuſtandes erwärmt (Seite 278). Derlei Motoren produciren daher viel Wärme,
die von ihnen nicht verlangt wird, nicht verwendet werden kann und daher einen
Arbeitsverluſt bedeutet. Ein weiterer Nachtheil der älteren Elektromotoren liegt
darin, daß die ſtärkſte Einwirkung der Elektromagnete nur auf eine äußerſt kurze
Zeit beſchränkt iſt, nämlich auf jenen Moment, in welchem der ſich bewegende
Anker dem Magnetpole gerade gegenüber zu ſtehen kommt. Sobald letzterer paſſirt
iſt, nimmt auch deſſen Wirkung auf den Anker rapid ab, weil eben die magnetiſche
Fernwirkung mit der Entfernung ſehr raſch abnimmt. Dies ſind die Hauptübel-
ſtände der älteren Elektromotoren und dieſe laſſen ſich etwa in nachſtehende drei
Punkte kurz zuſammenfaſſen: 1. Die Unzweckmäßigkeit einer durch einzelne Stöße
erzielten andauernden Bewegung. 2. Die bedeutende Wärme-Entwicklung in Folge
des fortwährend wechſelnden magnetiſchen Zuſtandes. 3. Die ſchlechte Ausnützung
der magnetiſchen Kräfte in Folge der Anordnung der wirkſamen Theile gegen-
einander.


Bei den modernen Maſchinen iſt der erſte Uebelſtand zwar nicht ganz beſeitigt,
denn auch hier (z. B. im Gramme’ſchen Ringe) ſetzt ſich die Bewegung der ſecun-
dären Maſchine oder die Stromerzeugung in der primären Maſchine aus einzelnen
Impulſen zuſammen. Doch folgen dieſe ſo raſch aufeinander, daß ſie ſich praktiſch
als continuirlich wirkend darſtellen (vergl. Erklärung des Gramme’ſchen Ringes
und Seite 393, 399). Der zweite Uebelſtand iſt dadurch beſeitigt, daß die Elektro-
magnete ſtändig und gleichartig magnetiſch bleiben und auch in der Armatur kein
[843] Magnetiſiren und Entmagnetiſiren, ſondern nur ein Wandern der Magnetpole
eintritt. Die weitaus beſſere Anordnung jener Theile, welche aufeinander wirken
ſollen, ergiebt ſich aus dem Anblicke irgend einer modernen Maſchine von ſelbſt.
Bei allen rotirt die Armatur in unmittelbarer Nähe an den Polen vorbei. Wir
erſehen hieraus, daß es zur Ermöglichung der Kraftübertragung nicht genügte, nur
die theuren Batterieſtröme durch billige Maſchinenſtröme zu erſetzen, ſondern daß
überdies noch die Umkehrbarkeit der Maſchinen hinzukommen mußte.


Praktiſche Anwendungen der elektriſchen Uebertragung der Kraft.

Zu den wichtigſten Anwendungen der elektriſchen Uebertragung der Kraft
zählen gegenwärtig die elektriſchen Bahnen. Kurz nach der Erfindung der elektro-
magnetiſchen Maſchinen bauten Stratingh und Becker in Gröningen (1835)
und Botto in Turin (1836) einen elektromagnetiſchen Wagen.*) Im Jahre 1838
wurde ein von Davenport gebautes Modell einer elektromagnetiſchen Maſchine
von Coombs aus Amerika eingeführt, Wagen, Locomotive, Batterie u. ſ. w.
ſollen zuſammen 75 Pfund gewogen haben, die Schienen 43 Fuß lang geweſen
ſein. Im Jahre 1842 wurde auf der Edinburgh-Glasgower Bahn ein Verſuch
mit einer elektromagnetiſchen Locomotive von Davidſon ausgeführt. Der vier-
räderige Wagen war 16 Fuß lang und 7 Fuß breit. Acht auf drei Eiſenſtäbe
wirkende Elektromagnete wurden paarweiſe abwechſelnd durchſtrömt und ſtromlos
gemacht. Die Batterie beſtand aus Eiſen- und Zinkplatten in verdünnter Schwefel-
ſäure. Die Geſchwindigkeit erreichte vier Meilen in der Stunde, die bewegte Laſt
betrug ſechs Tonnen. Im Jahre 1851 machte Dr. Page mit einer elektriſchen
Locomotive eine Probefahrt zwiſchen Waſhington und Bladensburg. Im ſelben
Jahre ſoll auch Amberger mit einem Vorſchlage zur Verwerthung des Elektro-
magnetismus als Zugkraft aufgetreten ſein. Während bei den vorſtehend erwähnten
Verſuchen meiſt die galvaniſche Batterie auf der Locomotive ſelbſt aufgeſtellt worden
zu ſein ſcheint, tritt der Gedanke, die Batterie bleibend an einem Orte der Bahn
aufzuſtellen und der Locomotive den Strom durch iſolirte, zwiſchen den Schienen
liegende Zuleitungsdrähte zuzuführen, beſtimmt bei dem 1865 in Verſailles aus-
geſtellten, von allen früheren ſehr weſentlich abweichenden Modelle von L. Bellet
und Ch. de Rouvre auf. An dem hinteren Räderpaare waren je 20 Elektro-
magnete angebracht, welche abwechſelnd nacheinander durchſtrömt, von den Schienen
angezogen wurden und die Axe in Drehung verſetzten. Zuletzt ſei noch eines
franzöſiſchen Patentes gedacht, welches der Militär-Unterintendant Boué in Belfort
auf eine elektriſche Eiſenbahn nahm.


Auf dieſe älteren Vorſchläge für elektriſche Eiſenbahnen wurde nicht näher
eingegangen, da keiner derſelben irgend eine praktiſche Bedeutung erlangte oder nach
den obigen Betrachtungen auch überhaupt erlangen konnte. Und ſo müſſen wir als
erſten gelungenen Verſuch die elektriſche Bahn verzeichnen, welche durch Siemens
\& Halske
im Jahre 1879 auf der Berliner Gewerbe-Ausſtellung in Betrieb
geſetzt wurde, wie überhaupt auch die Ausbildung der elektriſchen Bahnen vom
erſten Verſuche bis zum gegenwärtigen Stande dieſer Firma zuzuſchreiben und zu
verdanken iſt. Der hohen praktiſchen Bedeutung dieſes Verſuches wegen möge auch
nachſtehend eine kurze Beſchreibung gegeben werden.


[844]
Figure 606. Fig. 602.

Elektriſche Bahn auf der Berliner Gewerbe-Ausſtellung (1879).


[845]

Die Bahn auf der Berliner Gewerbe-Ausſtellung beſaß eine Streckenlänge von
300 Meter. Der Schienenweg bildete ein geſtrecktes, in ſich geſchloſſenes Oval, ſo daß der
Wagen nach dem Durchlaufen ſeiner Bahn wieder in der Ausgangsſtelle eintraf. Der Zug
beſtand aus der elektriſchen Locomotive und einer auf niedrigen Rädern laufenden Plattform,
welche zwei in der Richtung der Wagenlänge geſtellte Bänke zur Aufnahme der Perſonen
trug. Die perſpectiviſche Anſicht in Fig. 602 (aus Th. Du Moncel et Geraldy, L’électricité
comme force motrice
) ſtellt den ganzen Zug dar, während die Fig. 603 und 604 die elektriſche
Locomotive im Quer- und Längsſchnitte veranſchaulichen. Die Locomotive beſteht aus einem
vierräderigen Wagengeſtelle, auf welchem eine Siemens’ſche Maſchine (Seite 388) derart
angebracht iſt, daß die Rotationswelle parallel zu den Schienen liegt. Die Rotation der
Armatur übertragen die Zahnräder l, t, v und x auf die Räder der kleinen Locomotive. Der
auf der letzteren angebrachten (als ſecundären) Maſchine wurde der Strom der primären
Maſchine durch die Eiſenſchiene N zugeführt, welche von der Erde iſolirt und auf Holzunter-
lagen befeſtigt, in der Mitte der beiden Eiſenbahnſchienen dieſe in ihrer ganzen Länge
begleitete. Von dieſer Mittelſchiene wurde der Strom durch Reiber T, welche durch Spiral-

Figure 607. Fig. 603.


Figure 608. Fig. 604.

Elektrolocomotive von Siemens \& Halske.


federn in gutem Contacte erhalten wurden, der ſecundären Maſchine auf der Locomotive
zugeführt. Die Rückleitung erfolgte durch die Räder der Locomotive und durch die Eiſen-
bahnſchienen.


Dieſer Verſuch wurde mit gleich günſtigem Erfolge hierauf bei verſchiedenen
anderen Ausſtellungen wiederholt, z. B. in Frankfurt mit einer Bahnlänge von
250 Meter; hier ſtellte die elektriſche Bahn die Verbindung zwiſchen dem Bahn-
hofe und der Ausſtellung her. Im Jahre 1880 wurde eine dieſer ähnliche elektriſche
Bahn durch Egger in Wien bei der Gewerbe-Ausſtellung in Betrieb geſetzt.
Hierbei war die Mittelſchiene weggelaſſen worden und vermittelte die eine Eiſen-
bahnſchiene die Hin-, die andere die Rückleitung. Im Jahre 1881 wurde endlich
die erſte für andauernden Betrieb beſtimmte Bahn dem Verkehre übergeben; es iſt
dies die von Siemens und Halske erbaute Bahn zu Lichterfelde. Wir wollen
nun die gegenwärtig im Betriebe ſtehenden elektriſchen Bahnen an einigen Beiſpielen
näher betrachten.


[846]

Wir wählen hierzu zunächſt eine Anlage, die ſeit mehr als anderthalb Jahren
in Betrieb ſteht und ſich den älteren Vorſchlägen für elektriſche Bahnen inſoferne
nähert, als hierbei die Elektricitätsgeneratoren, ebenſo wie die galvaniſchen Batterien
auf den älteren elektriſchen Locomotiven, mittransportirt werden. Hierdurch iſt
allerdings ein Hauptvortheil des elektriſchen Transportes, nämlich nur den Motor
(die ſecundäre Maſchine), nicht aber den Krafterzeuger und die hierzu nothwendigen
Materialien (z. B. bei der Dampfmaſchine den Dampfkeſſel, Waſſer, Kohlen) mit-
führen zu müſſen, preisgegeben und überdies noch durch Anwendung von Secundär-
elementen ein bedeutender Kraftverluſt bedingt, aber die Anlage iſt doch eine zweck-

Figure 609. Fig. 605.

Locomotive der elektriſchen Eiſenbahn.


mäßige zu nennen, weil eben
ganz beſondere Umſtände, wie
Nachſtehendes zeigen wird, zur
Ausführung der Anlage in dieſer
Art geführt hatten.


In der großen Bleicherei
zu Breuil en Auge
(Calvados) des
Herrn Duchesne-Fournet ſind
ſeit längerer Zeit Maſchinen zur
elektriſchen Beleuchtung der Fabriks-
räume durch Glühlichtlampen von
Reynier im Betriebe. Der techniſche
Leiter dieſes Unternehmens, Clovis
Dupuy
, verfiel nun auf den Ge-
danken, die bereits vorhandenen Licht-
maſchinen auch während des Tages
zu verwerthen, welchen Gedanken
er auch thatſächlich mit Hilfe der
Accumulatoren ausführte. Zur Durch-
führung des Fabriksproceſſes iſt es
erforderlich, daß die Leinwand ſowohl
in der Fabrik verſchiedenen chemiſchen
Behandlungen unterworfen wird, als
auch, daß ſie längere Zeit der Ein-
wirkung freier Luft auf Wieſen aus-
geſetzt werde. Die chemiſchen Arbeiten
werden in der Art ausgeführt, daß
zwiſchen zwei aufeinanderfolgenden
Operationen immer ein fünf- bis
ſechstägiges Ausſetzen der Leinwand
auf den Wieſen erfolgt. Das Hinaus-
führen, Ausbreiten, Wiedereinſammeln
und Zurückbringen der Leinwand in
die Fabrik erfordert, wenn durch Menſchenhände ausgeführt, viel Zeit und Geld. Clovis Dupuy
trachtete daher darnach, die Handarbeit ſo viel als möglich durch Maſchinenarbeit zu erſetzen.
Heißluft- oder Dampfmaſchinen konnten aber zum Hinaus- und Hereinführen, zum Vertheilen
und Einſammeln der Leinwand nicht in Verwendung gebracht werden, da bei derartigen Maſchinen
die Erzeugung von Dampf, Rauch und Funken nicht zu vermeiden iſt. Dies veranlaßte Clovis
Dupuy, die Anlage einer elektriſch betriebenen Bahn in’s Auge zu faſſen; dieſer Gedanke lag
umſo näher, als, wie bereits erwähnt, elektriſche Maſchinen ſchon vorhanden waren und
während des Tages keine Verwendung fanden. Der Grund, warum man ſich der Accumula-
toren bediente, anſtatt direct die Maſchinenſtröme zu benützen, iſt darin zu ſuchen, daß bei
Anwendung der erſteren dieſe von der Locomotive mitgenommen werden können, während bei
Verwendung der Maſchinenſtröme wohl iſolirte Leitungen der geſammten Ausdehnung der
Bahn entlang zu führen wären.


Der Ausführung einer derartigen Stromleitung hätten ſich aber bei dem gegebenen
Terrain, nämlich ausgedehnten, feuchten Wieſengründen, mannigfache Schwierigkeiten in den
[847] Weg geſtellt. Die Erwägung aller dieſer Umſtände beſtimmte Clovis Dupuy dahin, die
Inſtallation in nachſtehend beſchriebener Weiſe herzuſtellen.


Ein Schienennetz umgiebt und durchzieht in ſeiner Geſammtlänge von beiläufig
2040 Meter den ungefähr 15 Hektar bedeckenden Wieſenplan. Das Rollmaterial beſteht aus
der Locomotive, dem Batteriewagen und den zur Aufnahme der Leinen beſtimmten Wagen,
deren gewöhnlich ſechs bis acht angehängt werden. Der Batteriewagen enthält die Accumula-
toren, welche zu je ſechs in Weidenkörben verpackt ſind, um ſie gegen die ſchädliche Einwirkung
von Stößen zu ſchützen. Jeder dieſer Faure’ſchen Accumulatoren wiegt 8 Kilogramm.
Ihre Ladung dauert ſieben bis acht Stunden und wird mit den Gramme’ſchen Lichtmaſchinen
bewerkſtelligt, welche Abends zur Beleuchtung der Fabrik verwendet werden. Die Locomotive
(Fig. 605) beſteht aus einem Wagen, auf welchem eine Siemens’ſche Maſchine aufgeſtellt iſt,
die ihre Bewegung durch die Ströme der Accumulatoren erhält und entweder auf die
Räder der Locomotive oder die Rollen und Walzen überträgt, welche das Einziehen der Lein-
wand zu beſorgen haben. Die auf der rechten Seite der Figur ſichtbaren Hebel dienen dazu,
dieſe verſchiedenen Bewegungen einzuleiten. Mit ihrer Hilfe kann [die] Locomotive in ſchnelleren

Figure 610. Fig. 606.

Elektriſche Bahn.


oder langſameren Gang verſetzt oder unter Mitwirkung einer Bremſe zum Stillſtande gebracht
werden. Die Umſtellung eines Hebels geſtattet auch, die Bewegung der Siemens’ſchen Maſchine
je nach dem Bedürfniſſe auf die Räder der Locomotive oder die Einziehvorrichtung zu über-
tragen. Die Locomotive hebt ein Gewicht von 935 Kilogramm und zieht nebſt dem Batterie-
wagen im Gewichte von 700 Kilogramm ſechs Waggons, deren jeder geladen 800 Kilogramm
wiegt, alſo eine Geſammtlaſt von beiläufig 6400 Kilogramm. Der Zug, in Fig. 606 Leinen
einſammelnd dargeſtellt, bewegt ſich mit einer Geſchwindigkeit von 12 Kilometer pro Stunde.
Mit Hilfe dieſer Einrichtung können 125 Meter Leinwand in 48 Secunden oder 5000 Meter
in 35 Minuten eingeſammelt werden, eine Arbeit, welche früher von 7 Menſchen in 4 bis
5 Stunden geleiſtet wurde.


Eine ähnliche Anlage wurde auch in einer Bleicherei in Berlin ausgeführt.
Wenngleich die Anwendung von Accumulatoren zum Betriebe einer elektriſchen
Bahn unter obigen oder ähnlichen, ganz ausnahmsweiſe gegebenen Bedingungen
vortheilhaft erſcheint, ſo ſteht doch einer allgemeineren Anwendung der Secundär-
elemente für den angebenen Zweck die geringe Leiſtungsfähigkeit derſelben hindernd
[848] im Wege. Die elektriſchen Bahnen werden daher gegenwärtig mit directer Benützung
des Maſchinenſtromes betrieben.


Die Lichterfelder Bahn, welche, wie bereits erwähnt, von Siemens \&
Halske
gebaut wurde und den Lichterfelder Bahnhof mit der Cadetenanſtalt ver-
bindet, beſitzt eine Länge von 2½ Kilometer. Die primäre Maſchine iſt mit der
zu ihrem Betriebe dienenden Dampfmaſchine in Lichterfelde aufgeſtellt. Die Lichter-
felder Bahn unterſcheidet ſich dadurch weſentlich von der oben beſchriebenen Ver-
ſuchsbahn auf den Gewerbe-Ausſtellungen, daß ſie keine eigene elektriſche Locomotive
beſitzt, ſondern jeder einzelne Wagen eine ſecundäre Maſchine mit ſich führt. Letztere
iſt am Geſtelle eines Wagens, der ſich, wie die Fig. 607 und 608 erkennen laſſen,
von den Wagen der in großen Städten befindlichen Pferdebahnen gar nicht unter-
ſcheidet, unterhalb des Wagenkaſtens bei D angebracht. Sie iſt ſo befeſtigt, daß

Figure 611. Fig. 607.

Wagen der elektriſchen Bahn zu Lichterfelde.


ihre Rotationsaxe zu den Radaxen parallel ſteht. Die Rotation der Armatur wird
durch ſogenannte Jarolimek-Schnüre auf die an den Radaxen befeſtigten Riemen-
ſcheiben R übertragen. (Dieſe Schnüre ſind in Fig. 607 durch Strichpunktlinien
angedeutet.) Am Führerſtande befindet ſich ein Hebel, durch deſſen Drehung der
Strom eingeleitet oder unterbrochen oder auch durch Einſchaltung von Widerſtänden
geſchwächt werden kann. Die Regulirung der Stromſtärke und ſomit auch der
Schnelligkeit des Wagens bedarf bei elektriſchen Bahnen nur theilweiſe beſonderer
Mittel (des Ein- und Ausſchaltens von Widerſtänden), da ſie ſich in Folge der
Wechſelwirkung zwiſchen primärer und ſecundärer Maſchine ohnehin ſelbſt regulirt.
Wie bereits ausführlich erörtert wurde, wird jede ſecundäre Maſchine während
ihres Betriebes auch zu einer ſtromerzeugenden Maſchine. Eine langſame Rotation
der ſecundären Maſchine erzeugt einen ſchwachen, eine ſchnelle einen kräftigen Gegen-
ſtrom. Soll der elektriſche Wagen in Gang geſetzt werden, ſo iſt, wie auch bei
[849] jedem anderen Wagen, zunächſt eine bedeutendere Kraft nothwendig, als dann zur
Inganghaltung des Wagens. In dieſem Momente rotirt die ſecundäre Maſchine
gar nicht, erzeugt alſo auch keinen Gegenſtrom, und folglich wirkt die volle Strom-
ſtärke der primären Maſchine. Dann ſetzt ſich der Wagen in Bewegung und die
ſecundäre Maſchine beginnt, einen Gegenſtrom zu erzeugen. Mit der zunehmenden
Geſchwindigkeit des Wagens nimmt auch der Gegenſtrom zu und der Wagen wird
ſich mit gleichmäßiger Schnelligkeit fortbewegen, ſobald die Differenz von Strom
und Gegenſtrom conſtant geworden iſt. Soll der Wagen nun eine Steigung über-
winden, ſo wird von ihm eine größere Arbeitsleiſtung beanſprucht und folglich
wird die Rotationsgeſchwindigkeit der ſecundären Maſchine abnehmen; dies ver-
urſacht aber auch eine Abnahme des Gegenſtromes, alſo eine Verſtärkung des
Betriebsſtromes und nach dem Conſtantwerden der Differenz abermals eine gleich-
mäßige Bewegung des Wagens. Der
umgekehrte Gang tritt ein, wenn ſich der
Wagen im Gefälle bewegt; hier wird
ihm durch das Gefälle eine Kraft zu-
geführt, er geräth in ſchnelleren Gang,
veranlaßt aber hierdurch eine Verſtärkung
des Gegenſtromes, bis eben auch unter
dieſer Bedingung wieder das Gleichgewicht
hergeſtellt iſt und der Wagen mit gleich-
mäßiger Schnelligkeit ſeinen Lauf fortſetzt.
Die Steigerung des Gegenſtromes bewirkt
ſogar durch ihre Rückwirkung auf die
primäre Maſchine von einer gewiſſen Grenze
an eine Bremſung des Wagens.


Die Stromleitung, d. h. die Ver-
bindung der primären mit der ſecundären
Maſchine, iſt bei der Bahn in Lichterfelde
durch die Schienen hergeſtellt, welche auf
Holzſchwellen gelegt ſind und mit Aus-
nahme der Wegübergänge oberhalb der
Erde ſtehen. Die einzelnen Schienen ſind
zur Sicherung einer ununterbrochenen
Leitung an den Schienenſtößen durch

Figure 612. Fig. 608.

Wagen der elektriſchen Bahn zu Lichterfelde.


elaſtiſche Kupferſtreifen miteinander verbunden. Die Ströme gelangen von der einen
Schiene in den eiſernen Radkranz, welcher das Holzſcheibenrad umfaßt und von
dieſem zu einer cylindriſchen Metallbüchſe, welche auf der Radaxe aufgeſetzt iſt. Auf
dieſer ſchleift eine Metallfeder als directe Verlängerung eines Poles der ſecundären
Maſchine. In gleicher Weiſe erfolgt die Stromrückleitung durch das zweite Rad
und die andere Schiene. Dieſe Art der Stromführung ſoll aber durchaus kein
Muſter für die Anlage von Straßenbahnen ſein, ſondern die Lichterfelder Bahn
ſtellt, wie ſich Siemens ausdrückt, gewiſſermaßen eine auf die Erde geſetzte Hoch-
bahn dar. Bei Straßenbahnen kann dieſe Art der Stromleitung nicht angewendet
werden, weil das Hohllegen der Schienen aus Rückſicht für den anderweitigen
Verkehr in den meiſten Fällen unzuläſſig erſcheinen wird, weil bei größeren
Anlagen, in Folge der Anwendung höher geſpannter Ströme, das gleichzeitige
Berühren beider Schienen durch Menſchen oder Thiere gefährlich werden kann
Urbanitzky: Elektricität. 54
[850] und weil überdies auch noch große Stromverluſte wegen der mangelhaften Iſolirung
der Leitung, namentlich bei naſſer Witterung, nicht zu vermeiden ſind. In welcher
Weiſe man die Stromleitung ohne Benützung der Schienen bewirkt, werden uns
die Beſchreibungen anderer Bahnen zeigen.


Der elektriſche Wagen in Lichterfelde macht ſeine Touren im regelmäßigen
Anſchluſſe an die ſämmtlichen Perſonenzüge der Anhalter Bahn und fährt mit einer
mittleren Geſchwindigkeit von 20 Kilometer. Er kann jedoch 35 bis 40 Kilo-
meter Geſchwindigkeit in der horizontalen und geraden Strecke bei voller Beſetzung
des Wagens mit 26 Perſonen erreichen. Vom 16. Mai 1881 bis 4. Januar 1882
verkehrte nur ein Wagen. Es waren in dieſer Zeit wiederholt Zweifel aufgetaucht,
ob das Befahren elektriſcher Eiſenbahnen mit mehreren Wagen überhaupt
möglich ſei. (Natürlich unter Vorausſetzung entſprechend erhöhter Leiſtung der
primären und der Dampfmaſchine, aber bei Benützung derſelben Leitung, alſo hier
der Schienen.) Theoretiſch lag kein Hinderniß vor und als am letztgenannten Tage
der Verſuch wirklich ausgeführt wurde, erhielt man auch die Beſtätigung der
Theorie durch die Praxis. Bei Parallelſchaltung der ſecundären Maſchinen und
bei doppeltem Arbeitsaufwande liefen beide Wagen mit jeder nur wünſchens-
werthen Gleichmäßigkeit einzeln oder zuſammen, hinter- oder gegeneinander, ohne
daß auch die Entfernung irgend einen Unterſchied in der Bewegung verurſacht hätte.
Das günſtige- Ergebniß dieſes erſten Verſuches, welches einen weiteren dem Hauſe
Siemens \& Halske zu verdankenden Fortſchritt in der Entwicklung und Aus-
bildung elektriſcher Bahnen darſtellt, iſt auch deshalb wichtig, weil gerade ein
ſolcher Betrieb, bei welchem die zu befördernde Laſt (die Nutzlaſt) weniger in
großen Zügen zuſammengeſtellt, als vielmehr auf viele einzeln laufende Wagen ver-
theilt iſt, der Natur eines elektriſchen Betriebes am beſten entſpricht. Letzteres iſt
deshalb der Fall, weil die elektriſche Locomotive als ſolche ſelbſt kein großes Gewicht
beſitzt (wie z. B. die Dampf-Locomotive), kein großes „Adhäſionsgewicht“ hat.
Natürlich iſt aber hierdurch die Verwendung des elektriſchen Betriebes für größere
Wagenzüge nicht ausgeſchloſſen; es hindert vielmehr nichts, mehrere kleinere
Maſchinen zu einer kräftigen elektriſchen Locomotive zu vereinigen oder gleich eine
ſolche durch eine große dynamo-elektriſche Maſchine zu ſchaffen. Den Bedingungen,
welchen die elektriſchen Bahnen gegenwärtig noch gewöhnlich zu genügen haben,
und welche zumeiſt gleich ſind jenen, welche man an Pferdebahnen ſtellt, entſpricht
natürlich der Verkehr einzelner Wagen beſſer als der langer Wagenzüge.


Wie bereits bemerkt, kann jene Art der Stromleitung, wie ſie in Lichter-
felde benützt wird, nur in einzelnen Fällen zur Anwendung gelangen. In der
That erhielt daher ſchon die zweite für den öffentlichen Verkehr von der Firma
Siemens \& Halske gebaute 2·3 Kilometer lange Bahn zur Verbindung von
Charlottenburg und Spandauerbock eine eigene, von den Schienen getrennte
Leitung.


Auch die elektriſche Bahn Mödling-Brühl, von welcher eine Theilſtrecke (Mödling-
Klauſen) bereits den ganzen Winter 1883/84 über in Betrieb war und die gegenwärtig in
einer Geſammtlänge von drei Kilometer befahren wird, erhielt eine von den Schienen unab-
hängige Hin- und Rückleitung des Stromes. Die Leitung beſteht aus eiſernen Röhren H
und R, Fig. 609 (Seitenanſicht) und 610, welche an ihrer Unterſeite der Länge nach auf-
geſchlitzt ſind, durch über Iſolatoren geführte Kabel K einerſeits und durch Iſolatoren J J
andererſeits getragen werden. Die Iſolatoren für die Kabel, welche gleichzeitig mit den Röhren
die Stromleitung beſorgen, ebenſo wie die Iſolatoren für die Röhren, ſind mittelſt eiſerner
Träger an kräftigen Holzſäulen S befeſtigt.


[851]

Die Verbindung dieſer Stromleitung mit der ſecundären Maſchine am Wagen ver-
mitteln in den Röhren gleitende Schiffchen s, welche durch Kabel k mit der Secundärmaſchine
in leitender Verbindung ſtehen. Dieſes Schiffchen iſt durch ein Zugſeil am Wagen befeſtigt
und wird von dieſem bei ſeiner Vorwärtsbewegung nachgezogen. Die Einrichtung desſelben
iſt aus Fig. 611 erſichtlich. R iſt die unten der Länge nach aufgeſchlitzte Eiſenröhre, C C . .
ſind die vier Contactſtücke, aus welchen ſich das Gleitſchiffchen zuſammenſetzt. Um dieſe Stücke
im ſicheren Contacte mit der Röhre zu erhalten, iſt jedes derſelben aus zwei Schalen
zuſammengeſetzt, welche durch eine innen angebrachte Feder an die innere Röhrenwandung

Figure 613. Fig. 609.


Figure 614. Fig. 610.

Stromleitungen der Brühl-Mödling-Bahn.


Figure 615. Fig. 611.

Contactſchiffchen.


angedrückt werden. Untereinander ſind dieſe Contactſtücke durch das Kabel K aus biegſamen
Kupferdrähten leitend verbunden. Das erſte und letzte Contactſtück C beſitzt je einen nach
abwärts gerichteten Anſatz P P, welcher durch den Schlitz der Röhre aus dieſer herausragt
und mit der elaſtiſchen Stahlſtange M feſt verbunden iſt. Auf dieſer gleitet die Muffe Q, an
der das Zugſeil S ſich anſchließt. Um das ſtoßweiſe Anziehen des Wagens durch das Seil S
zu mildern, iſt zwiſchen der Muffe Q und dem Anſatzſtücke eine Spiralfeder F eingeſchaltet.
Die Stromableitung aus dem Contactſchiffchen erfolgt durch das Kabel U, welches an den
Zapfen H befeſtigt iſt; letzterer ſteht durch die Kupferſeile N N und die Anſatzſtücke P P mit
dem Schiffchen in leitender Verbindung. Die Auflöſung des Contactſchiffchens in vier Contact-
ſtücke einerſeits und die Elaſticität der Stahlſtange M andererſeits ermöglicht das Paſſiren
54*
[852] von Krümmungen mit ſehr geringem Radius. Jeder Wagen oder Zug (es fahren auch bis
zu drei Wagen zuſammen) führt zwei ſolcher Schiffchen mit ſich, von welchen das eine in
der ſtromzuleitenden, das andere in der ſtromableitenden Röhre gleitet.


Da die Bahn eingeleiſig erbaut wurde, mußten, um das gleichzeitige Befahren der
Bahn in entgegengeſetzten Richtungen zu ermöglichen, Ausweichſtellen eingeſchaltet werden.
Für dieſe genügte es natürlich nicht, Weichen nach Art jener bei Dampfbahnen herzuſtellen,
ſondern es war auch für die Leitung des Stromes eine ähnliche Vorrichtung zu erſinnen. Die
von Siemens \& Halske angegebene elektriſche Weiche iſt in Fig. 612 abgebildet, und zwar
in einer Anſicht von unten. Bei der Weiche angelangt, theilt ſich die poſitive Leitungsröhre
+ E1 in zwei Zweige + E2 und + E3 und ebenſo die negative Röhre — E1 in die Zweige
E2 und — E3; bei H kommen alſo die negative und die poſitive Stromleitung zum
Durchſchnitte und würden die Stromleitung mit Ausſchluß der ſecundären Maſchine am
Wagen in ſich kurz ſchließen. Um dies zu vermeiden, ragen die ſich kreuzenden Leitungsröhren
nur zum Theile in den Block H aus hartem Holze hinein, ſo daß ſie untereinander, nämlich
+ E3 mit — E2, nicht in leitender Verbindung ſtehen. Für die ununterbrochene Leitung in
den gleichnamigen Theilen, nämlich + e3 und + E3 einerſeits und — e2 und — E2
andererſeits, iſt dadurch geſorgt, daß + e3 mit + E3 und — e2 mit — E2 durch je einen
Metallbügel verbunden ſind. Dieſe Metallbügel liegen innerhalb des Holzklotzes (in der

Figure 616. Fig. 612.

Elektriſche Weiche.


Zeichnung nicht ſichtbar) und übergreifen ſich derart, daß ſie vollkommen voneinander
iſolirt ſind.


An jenen Stellen, an welchen ſich die Röhren + E1 und — E1 theilen, ſind Zungen Z
angebracht, welche durch Federn in der gezeichneten Stellung feſtgehalten werden. Die Figur
zeigt beide Weichen, nämlich jene an der Eintrittsſtelle und jene an der Austrittsſtelle des
Doppelgeleiſes oder der Ausweichſtelle. Die Figur läßt leicht erkennen, daß jeder von links
kommende Wagen ſeine Contactſchiffchen in das Röhrenpaar I ſchleifen muß, weil das Röhren-
paar II durch die Zungen Z verſchloſſen iſt; ebenſo muß jeder von rechts kommende Wagen
ſeine Schiffchen in das Röhrenpaar II ziehen. Will nun z. B. der von rechts kommende
Wagen ſeinen Lauf fortſetzen, ſo gleiten die Schiffchen in den Röhren + E3 und — E3 weiter,
ſtoßen von rückwärts auf die Zungen Z Z, drücken dieſe dadurch ſeitwärts und ſetzen ihren
Weg durch + E1 und — E1 fort. Hat das letzte Contactſtück die Zungen verlaſſen, ſo ſchnellen
dieſe wieder in die gezeichneten Stellungen zurück. Die gleichen Vorgänge ſpielen ſich bei
Abgang des zweiten, nach entgegengeſetzter Richtung laufenden Wagens ab. Der Anblick der
Figur lehrt auch, daß jedes Schiffchen auf dem ganzen Wege durch die Weichen mit der Rohr-
leitung eines und desſelben Vorzeichens in Contact bleibt, womit eine Umkehr des Stromes
hintangehalten wird. Die Stellung des elektriſchen Wechſels findet alſo automatiſch ſtatt;
natürlich kann auch die Wechſelſtellung mit Hilfe einer einfachen Vorrichtung (z. B. einer
Zugſchnur) durch die Hand bewirkt werden, oder es kann die elektriſche Weiche mit der Weiche
der Laufſchienen ſo verbunden werden, daß die Weichenſtellung der letzteren immer gleichzeitig
auch eine correſpondirende Stellung der erſteren veranlaßt.


[853]

Die Wagen, primären und ſecundären Maſchinen ſind ebenſo conſtruirt wie jene der
Bahn zu Lichterfelde. Zum Betriebe der Maſchinen ſtehen zwei 12pferdige Locomobile und
eine eventuell 120pferdige feſtſtehende Locomotive zu Gebote.


Eine äußerſt intereſſante Anlage bildet die elektriſche Bahn von Portruſh in
Irland, weil ſie ein Beiſpiel der Verwerthung von Naturkräften durch elektriſche Ueber-
tragung der Kraft darbietet. Die Bahn hat eine Länge von 9600 Meter, theilweiſe erhebliche
Steigungen und ſcharfe Curven. Wir wollen jedoch auf die Beſchreibung der Bahn ſelbſt
nicht näher eingehen, ſondern nur die Anlage der Betriebsmaſchinen näher in’s Auge faſſen.
Fig. 613 (nach „La lumière électrique” 1883) läßt die Geſammtanordnung erkennen. Die
primären Maſchinen (dynamo-elektriſche von Siemens) erhalten ihren Antrieb durch zwei
Alcott-Turbinen, deren jede bei normaler Tourenzahl (225 T.) 50 Pferdekräfte entwickelt.
Man verwendet hierzu den Waſſerfall des Buſh-Fluſſes, welcher etwa 1 Kilometer von der
Bahnſtation entfernt iſt. Der 7·9 Meter hohe Fall wurde gefaßt und das Waſſer fließt in
einem hölzernen Aquäduct von 2·7 Meter Breite zu den Turbinen, welche durch eiſerne Fall-
rohre von 1·05 Meter Durchmeſſer mit der Waſſerleitung verbunden ſind. Die Geſchwindig-
keit der Turbinen wird durch einen, dem Watt’ſchen ähnlichen Regulator (mit zwei Schwung-
kugeln) automatiſch conſtant erhalten; es iſt jedoch auch möglich, die Regulirung vom Maſchinen-
hauſe aus vorzunehmen. Die Turbinenwellen tragen an ihren oberen Enden Zahnräder,
welche in die Zahnräder der horizontalen Wellen, zu denen ſie rechtwinkelig ſtehen, eingreifen,
und zwar das eine Rad von der rechten, das andere von der linken Seite. Die zwei Zahn-
räder an den entgegengeſetzten Enden der horizontalen Wellen ſetzen gemeinſchaftlich ein drittes
Rad in Bewegung, auf deſſen Welle die Riemenſcheibe im Innern des Maſchinenhauſes auf-
gekeilt iſt, welche den Antrieb der dynamo-elektriſchen Maſchine vermittelt. In der Mitte der
horizontalen Wellen iſt auf jeder derſelben zwiſchen den Zahnrädern eine Kuppelung angebracht,
welche geſtattet, die zu beiden Seiten jeder Kuppelung befindlichen Axenſtücke miteinander zu
verbinden oder voneinander zu trennen und ſo ein Leerlaufen der Turbinen zu veranlaſſen
oder den Betrieb der elektriſchen Maſchine zu bewirken.


Wir haben alſo hierin thatſächlich eine praktiſch durchgeführte Verwerthung der Kraft
eines Waſſerfalles zum Betriebe einer elektriſchen Bahn. Die Anlage iſt überdies eine ein-
fache. Sie dürfte jedoch in Folge der vielen Arbeiten im Felſen eine verhältnißmäßig koſt-
ſpielige ſein.


Eine hervorragende Bedeutung wird die elektriſche Uebertragung der Kraft
im Berg- und Hüttenweſen, ſowie auch im Tunnelbau in kurzer Zeit gewinnen.
Elektriſche Bahnen, wie ſie gegenwärtig bereits in verſchiedenen Bauen eingeführt
ſind, bilden nicht die einzige Anwendung. Die Wetterführung, Förderung, Waſſer-
haltung, das Betreiben von Bohrmaſchinen u. ſ. w., Alles erfordert Kraft, und zwar
tief unter der Erde in engen, oft ſchwer ventilirbaren Räumen. Maſchinen, die
Rauch erzeugen oder großen Raum beanſpruchen, ſind in der Regel unverwendbar.
Man muß ſich daher häufig der mechaniſchen Uebertragung der Kraft eines Motors
bedienen, welcher oftmals in bedeutender Entfernung von der Arbeitsſtelle betrieben
wird; hierzu dienen Seiltransmiſſionen, pneumatiſche Röhrenleitungen u. dgl. Die
Ausführung dieſer ſtößt in den ſich oft mannigfach verzweigenden Gängen nicht
ſelten auf ſehr bedeutende Schwierigkeiten und kann ſogar dazu zwingen, daß man
das Weitervorgehen in die Tiefe aufgeben muß. Ferner iſt, abgeſehen von der
Koſtſpieligkeit derartiger Anlagen, die Kraftausbeute an Ort (d. h. an der Arbeits-
ſtelle) ſo gering, daß die Arbeitskoſten kaum die Gewinnung der Erze lohnen oder
ſogar ſich ſo weit erhöhen, daß aus dieſem Grunde die Erzgewinnung aufgegeben
werden muß.


Hier iſt nun die elektriſche Uebertragung der Kraft bereits gegenwärtig im
Stande, Abhilfe zu ſchaffen. Die elektriſche Uebertragung gewährt den Vortheil,
daß nicht nur außerhalb des Bergbaues ſtehende Dampfmaſchinen, ſondern auch
Naturkräfte, wie z. B. Waſſergefälle, die ja gerade an ſolchen Orten häufig zur
Verfügung ſtehen, zur Arbeitsleiſtung im Bergbaue herangezogen werden können.
Die Aufſtellung der ſecundären Maſchine im Baue ſtößt auf keine beſonderen
[[854]]

Figure 617. Fig. 613.

Maſchinenanlage der elektriſchen Bahn zu Portruſy


[855] Schwierigkeiten, da dieſe wenig Raum einnimmt, keines Feuerungsmateriales bedarf
und keine die Luft verderbenden Verbrennungsproducte erzeugt. Die Leitung für die
elektriſche Kraftübertragung iſt bei den Leitungen mechaniſcher Uebertragung der Kraft
in noch höherem Maße überlegen; für erſtere giebt es nämlich keine Terrainſchwierig-
keiten, ſie läßt ſich ebenſo leicht durch Waſſer, wie durch die Luft oder unter
der Erde führen und wird überdies in der Regel weitaus billiger herzuſtellen ſein.


Wenden wir zunächſt unſere Aufmerkſamkeit elektriſch betriebenen Gruben-
bahnen zu. Einem Berichte in der „Elektrotechniſchen Zeitſchrift“, Januar (1883),
über die Grubenbahn im königlich ſächſiſchen Bergwerke zu Zankerode
entnehmen wir nachſtehende Angaben. Es handelt ſich bei dieſer Bahn um eine

Figure 618. Fig. 614.

Grubenbahn zu Zaukerode.


700 Meter lange, 260 Meter tief unter der Erde liegende Strecke, auf welcher
die elektriſche Locomotive mit einer Geſchwindigkeit von etwa 12 Kilometer in der
Stunde eine Laſt von 8000 Kilogramm in 10 Wagen befördert. Die Einrichtung
ſtieß namentlich dadurch auf Schwierigkeiten, daß die zu befahrenden Gänge nur
eine ſehr geringe Breite haben und deshalb auch eine äußerſt kleine Locomotive
erforderlich iſt. Dieſelbe wurde von Siemens \& Halske conſtruirt und beſitzt bei
einer Geſammtlänge von 2·4 Meter, einer Höhe von 1 Meter und einem Gewichte
von 1550 Kilogramm nur eine Breite von 80 Centimeter und eine Spurweite
von 56·6 Centimeter. Die Anordnung der Maſchine auf der Locomotive und die
Art, in welcher die Rotation der Armatur auf die Räder übertragen wird, iſt
ähnlich wie bei der Locomotive der Berliner Gewerbe-Ausſtellung (S. 845). Ihre
äußere Form läßt Fig. 614 erkennen.


[856]

Zur Erzeugung des elektriſchen Stromes iſt außerhalb der Grube eine
mittelſt einer kleinen Cylinderdampfmaſchine betriebene dynamo-elektriſche Maſchine
aufgeſtellt. Mit Hilfe eines Kabels wird der Strom durch den Schacht den an
der Decke der Gänge angebrachten, aus T-Eiſen gebildeten Stromleitungsſchienen
zugeführt und gelangt durch Vermittlung kleiner auf den T-Schienen gleitender
Contactwagen, die von der elektriſchen Locomotive an Leitungsdrahtſeilen mitgezogen
werden, in die ſecundäre oder Locomotiv-Maſchine. Der Führer kann durch Drehen
einer Einſchaltkurbel die Vor- oder Rückwärtsbewegung veranlaſſen. Die ganze
Einrichtung hat ſich ſeither als völlig lebensfähig erwieſen und es darf mit Sicherheit
angenommen werden, daß die Locomotive bei entſprechender Einrichtung das Doppelte
der gegenwärtig ihr zugemutheten Arbeit zu leiſten, alſo 15.000 bis 16.000 Kilo-
gramm Laſt mit einer Geſchwindigkeit von etwa 12 Kilometer pro Stunde zu befördern
im Stande iſt. (In derſelben Grube wird auch ein Ventilator durch elektriſche
Uebertragung der Kraft betrieben.)


Die obengenannte Zeitſchrift berichtet auch über die elektriſche Grubenbahn der
Hohenzoſſern-Grube
bei Beuthen, O.-S., welche gleichfalls von der Firma Siemens
\& Halske
gebaut wurde. Von der Förderſtrecke dieſer Grube ſind vorläufig 800 Meter
mit Schienen verſehen; zwiſchen dem ſogenannten Bremsſchachte und dem Förderſchachte,
einer 680 Meter langen Strecke, findet die Hauptförderung ſtatt. Die doppelgeleiſige Bahn
kann nach Bedarf mit einer oder zwei Locomotiven der bereits beſchriebenen Conſtruction
(Fig. 614) befahren werden. Die eiſernen Kipplowrys beſitzen jeder geladen ein Geſammt-
gewicht von 900 Kilogramm. Gegenwärtig fördert man per Stunde 500 bis 600 Centner
(will jedoch bis zu 1000 Centner gehen) in Zügen mit 10 bis 14 Wagen, die in Zeiträumen
von je 10 Minuten verkehren und eine Fahrgeſchwindigkeit von durchſchnittlich 14 Kilometer
pro Stunde erreichen. Die über Tag (d. h. außerhalb der Grube) ſtehende Compound-
Maſchine wird von einer 50pferdigen Dampfmaſchine betrieben, macht 1000 Touren pro
Minute und entwickelt einen Strom von 37 Ampères und 350 Volts. Die Dampfmaſchine
und überhaupt die ganze Anlage iſt auf Aufſtellung einer zweiten dynamo-elektriſchen Maſchine
berechnet. Die primäre Maſchine ſendet ihre Ströme durch zwei 230 Meter lange Kabel in
die T-förmigen Leitungsſchienen, von welchen aus durch Gleitcontacte die Weiterleitung zur
ſecundären Maſchine erfolgt.


Um ohne Umdrehen der Locomotive nach jeder Richtung fahren zu können, ſind nicht
nur beiderſeits Führerſitze angebracht, ſondern es befinden ſich auch beiderſeits ein Hebel für
die Bremſe und einer zum Ein- und Ausſchalten des Stromes; die hierzu nöthigen Wider-
ſtände ſind zu beiden Seiten auf der Locomotive angebracht, während zwei Paare von Schleif-
bürſten beim Einſchalten je nach der Fahrtrichtung abwechſelnd und in entgegengeſetzter
Richtung ſich an den Stromſammler der ſecundären Maſchine anlegen, während zugleich der
Widerſtand allmählich verringert wird. Der Stromſchluß oder die Stromunterbrechung darf
nicht momentan erfolgen, da dies ſtarke Funkenbildung zur Folge hat und die Iſolirungen
der Maſchine gefährden kann, indem durch das plötzliche Unterbrechen eines kräftigen Stromes
auch äußerſt kräftige Inductionserſcheinungen bewirkt werden. Man wird deshalb zum Bremſen
einer Locomotive immer eine ſelbſtſtändige Bremſe anwenden und die weiter oben (S. 849)
erwähnte, allerdings außerordentlich kräftige Bremſung durch Stromumkehr nur in Fällen
anwenden, wo man um jeden Preis ſofort anhalten will, gleichviel, ob die Maſchine zerſtört
wird oder nicht, alſo wenn z. B. ein Menſchenleben in Gefahr iſt.


Die Elektrolocomotive leiſtet beiläufig zehn Pferdekräfte und iſt ebenſo leicht als ſicher
beim Rangiren wie auch beim Durchfahren der Weichen mit verſchiedenen Geſchwindigkeiten
zu führen. Ueberhaupt bewähren ſich alle Einrichtungen der Bahn ſo gut, daß man auch den
elektriſchen Betrieb für das zweite Geleiſe einzuführen gedenkt und dann gleichzeitig die
Strecke mit 40 Glühlichtern beleuchten wird. Nach einer vorläufigen Berechnung erwartet
man eine jährliche Erſparniß von 4000 Mark gegenüber dem bisherigen Pferdebetrieb. —
Gegenwärtig werden auch fünf kleinere Locomotive des abgebildeten Modells für die Staß-
furter Werke gebaut.


Die Verwendung elektriſch betriebener Bahnen iſt jedoch keineswegs die einzige Form,
in welcher die elektriſche Uebertragung der Kraft in Bergbauen zur Förderung dienſtbar
gemacht werden kann. So bildet gleich ein Beiſpiel anderer Art die elektriſche Förderung
[857] in der Grube La Peronnière bei Grand-Croix.
Hier geht die Hauptförderſtrecke vom
Förderſchachte St. Antoine aus und theilt das Abbaufeld in zwei annähernd gleiche Partien.
Der anſteigende Theil iſt bereits ſo ziemlich abgebaut, weshalb man gezwungen wurde, nach
abwärts zu weiter zu arbeiten. Die Kohle wurde dann durch Pferde auf ſchiefer Ebene zur Haupt-
förderſtrecke hinaufbefördert. Bei zunehmender Ausdehnung wurde jedoch dieſe Förderung zu
koſtſpielig. Die Betriebsleitung von La Peronnière ſah ſich vor die Wahl geſtellt, entweder den
Schacht St. Antoine um 70 Meter weiter abzuteufen und einen 400 Meter langen Querſchlag
zu treiben oder maſchinelle Förderung auf geneigter Bahn einzurichten. Sie entſchied ſich für
letzteres und wählte hierzu die elektriſche Kraftübertragung, weil ſich jede andere Uebertragungs-
art der bedeutenden Länge wegen als praktiſch undurchführbar darſtellte. Die Betriebs-Dampf-
maſchine wurde über Tag (am Schachte „Chêne“) aufgeſtellt und überträgt ihre Bewegung durch
Frictionsräder auf zwei Gramme’ſche Maſchinen. Von dieſen führen ſorgfältig iſolirte Kabel die
elektriſchen Ströme in die Grube, indem ſie durch den 390 Meter langen Schacht „Chêne“ und
einen 380 Meter langen Querſchlag gehen, hierauf abermals einen Schacht von 30 Meter
Länge und dann mehrere Strecken von zuſammen 375 Meter Länge zurücklegen. Alle dieſe
Wege, welche die Kabel zu machen haben, ſind von ſehr unregelmäßiger Beſchaffenheit und
haben häufig wechſelnde Niveauverhältniſſe und viele Krümmungen. Von der Hauptförder-
ſtrecke aus verläuft die geneigte Bahn, an deren oberem Ende auf einem Fundamente von
Beton die Fördervorrichtung aufgeſtellt iſt. Letztere bilden zwei ſecundäre Maſchinen (derſelben
Conſtruction wie die primären), die Seiltrommel und Ueberſetzungen. Durch dieſe, beſtehend
aus Riemenſcheiben und Frictionsrädern, wird die Bewegung der Armatur in der Dynamo-
maſchine auf die Seiltrommel übertragen und dabei auf 1/37 verlangſamt. In die Ueber-
ſetzung ſind ferner Zahnräder eingeſchaltet, mit deren Hilfe die Drehung der Seiltrommel
ſowohl in dem einen als auch im entgegengeſetzten Sinne bewirkt werden kann. An dem über
die Trommel geſchlagenen Seile werden die Förderwagen derart angehängt, daß die leeren
hinunterlaufen, wenn die vollen heraufgezogen werden. Für vier geladene Wagen am Seile
ſtellte ſich der Nutzeffect auf 26·1 Procent, hingegen bei einem Wagen auf nur 12·2 Procent;
es rührt dies daher, daß die Widerſtände in den Transmiſſionen für beide Fälle dieſelben
bleiben. Dieſe Inſtallation iſt jedoch unter keineswegs günſtigen Bedingungen ausgeführt,
wenn man bedenkt, wie viel Kraft durch die ſehr bedeutenden Ueberſetzungen, die Reibung des
Seiles auf der geneigten Bahn u. ſ. w. verloren geht, und daß auch der in Verwendung
ſtehende Dampfmotor unvollſtändig ausgenützt wird. Trotzdem arbeitet dieſe Anlage beſſer,
als eine beiſpielsweiſe pneumatiſch betriebene, da für letztere durch Unterſuchungen feſtgeſtellt
wurde, daß dieſe bei langen Leitungen einen Nutzeffect von 20 bis 25 Procent nicht überſteigt.


Bei der Erbauung des Gotthardt-Tunnels nutzte man das Gefälle der
Reuß in folgender Weiſe aus: Einige hundert Schritte vor der Mündung des
Tunnels bei Göſchenen wurden 1000- bis 1200pferdige Turbinen betrieben,
welche Luft zu comprimiren hatten. Die comprimirte Luft leitete man dann in
Röhrenleitungen, die beim Fortſchreiten der Arbeit immer weiter verlängert werden
mußten, zur Bohrmaſchine. Die Compreſſoren zu ſieben Atmoſphären Druck gaben
70 Procent der dem Gefälle der Reuß entſprechenden Arbeit ab. Die Leiſtung
einer mit der comprimirten Luft arbeitenden Maſchine (Locomotive) betrug 23 Procent
der in der Waſſerkraft enthaltenen Arbeit. Die Bohrmaſchine im Stollen gab jedoch
nur eine Leiſtung von vier bis acht Procent.


Geſteinsbohrer werden angewendet bei der Sprengarbeit in Bergbauen,
Steinbrüchen, bei der Regulirung von Flüſſen und beim Baue von Straßen zum
Wegſprengen der Felſen, im Tunnelbau, zum Abteufen von Schächten u. ſ. w.
Die zahlreichen Bohrmaſchinen kann man eintheilen in ſolche, welche ſtoßend wirken
(Percuſſionsmaſchinen), und in drehend wirkende (Rotationsmaſchinen). Eine durch
das erſterwähnte Princip wirkende Bohrmaſchine für elektriſchen Betrieb hat
Siemens conſtruirt, eine Rotationsbohrmaſchine Taverdon.


Caverdon’s elektriſcher Geſteinsbohrer bietet doppeltes Intereſſe dar,
weil ſowohl zu ſeiner eigenen Herſtellung als auch zu ſeinem Betriebe die Elek-
tricität dienſtbar gemacht wird. Zur Erzeugung von Bohrlöchern im harten Geſteine
[858]

Figure 619. Fig. 615.

Geſteinsbohrer von Taverdon.


[859] wendet man gegenwärtig bei den Rotationsmaſchinen faſt nur Diamantbohrer an,
weil Bohrer mit Bohrköpfen aus Stahl nicht leiſtungsfähig genug ſind. So beſteht
z. B. Leſchot’s Bohrkopf aus einer eiſernen cylindriſchen Hülſe, deren vorderes
Ende acht ſchwarze Diamanten trägt, von welchen vier an der Innen- und vier
an der Außenſeite befeſtigt ſind. Die Befeſtigung ſelbſt, durch eine einfache Faſſung
hergeſtellt, ließ jedoch viel zu wünſchen übrig und führte häufig zu einem Aus-
brechen der Steine. Statt die Steine, wie es bei dieſer Art der Befeſtigung nicht
anders ſein kann, nur an einzelnen Stellen zu faſſen, befeſtigt Taverdon dieſelben
durch Löthung. Da aber die Diamanten nicht direct verlöthet werden können, verſieht
ſie Taverdon auf galvanoplaſtiſchem Wege mit einer ganz dünnen Kupferſchichte,
welche dann ein Verlöthen geſtattet. An
jenen Stellen, mit welchen der Diamant
arbeitet, reibt ſich die dünne Kupferſchichte
natürlich ſofort von ſelbſt ab. Der Betrieb
des Bohrers erfolgt auf elektriſchem Wege,
wie es die Fig. 615 (nach „La lumière
électrique”
) zeigt, oder auch durch com-
primirte Luft, Dampf oder Waſſer unter
Druck. Die erſterwähnte Betriebsart iſt es,
die uns hier intereſſirt. Bohrmaſchine und
Motor ſind auf getrennten Wagengeſtellen
angebracht. Der Bohrer iſt an einer Muffe,
die auf einer Säule auf- und abwärts
geſchoben werden kann, drehbar befeſtigt,
damit dem Bohrer jede erforderliche Höhe
und Richtung gegeben werden kann. Die
Feſtſtellung der Tragfäule erfolgt durch
eine oben angebrachte Schraube, die ſich
durch Herausdrehen gegen den Firſt des
Stollens preßt. Der Bohrkopf erhält ſeine
rotirende Bewegung durch einen Rollen-
mechanismus, der in einer am entgegen-
geſetzten Ende der Bohrmaſchine angebrach-
ten Büchſe eingeſchloſſen iſt; die Einrich-
tung der letzteren kann aus der Fig. 616
erſehen werden. Das Triebſeil a a' iſt
nicht direct über die Rolle e geführt,
welche den Bohrer in Rotation verſetzt,

Figure 620. Fig. 616.

Taverdon’s Geſteinsbohrer.


ſondern muß die Schnurſcheiben b b' paſſiren. Dieſe Anordnung ermöglicht ein
Drehen der Bohrmaſchine, ohne das Triebſeil in Unordnung zu bringen. Als Motor
oder ſecundäre Maſchine wird eine Gramme’ſche Maſchine (S. 372) verwendet,
von deren Riemenſcheibe aus das Triebſeil über eine Rolle mit horizontaler Axe
(zum Betriebe der Waſſerpumpe) und eine verſtellbare Rolle zur Bohrmaſchine
läuft. Auf dem Wagengeſtelle der ſecundären Maſchine iſt auch ein Windkeſſel
nach Art derjenigen bei Feuerſpritzen befeſtigt, durch welchen Waſſer unter Druck
dem Bohrer zugeführt wird. Der in das Bohrloch eingeleitete Waſſerſtrahl hat
den Zweck, den Bohrſand im Maße ſeines Entſtehens aus dem Bohrloche zu
entfernen.


[860]

Der elektriſche Hammer oder Percuſſionsbohrer von Siemens hat, kurz
angedeutet, nachſtehend beſchriebene Conſtruction. Von drei übereinander angeordneten Sole-
noiden wird das mittlere ſtets von Strömen gleicher Richtung durchfloſſen, während durch
das obere und das untere Solenoid Wechſelſtröme kreiſen. Innerhalb der Solenoide kann ſich
eine Eiſenröhre oder Stange, mit entſprechenden Führungen verſehen, auf- und abwärts bewegen.
Der Strom gleichbleibender Richtung im mittleren Solenoide macht die Eiſenröhre oder Stange
magnetiſch und dieſe geräth dann zwiſchen dem oberen und unteren Solenoide, in welchem die
Stromrichtung fortwährend wechſelt, in hin- und hergehende Bewegung, welche bei hinlänglich
ſtarken Strömen kräftig genug iſt, um den Apparat als Hammer oder Bohrer benützen zu können.


Der elektriſche Hammer von Deprez, Fig. 617, beſteht gewiſſermaßen aus einem
gerade geſtreckten Gramme’ſchen Ringe, in welchem der Eiſencylinder beweglich iſt. Die Säule A B

Figure 621. Fig. 617.

Elektriſcher Hammer von Deprez.


iſt nämlich aus 80 flachen (circa 1 Centimeter
dicken) Solenoiden oder Drahtſpulen aufgebaut,
die miteinander und mit dem Commutator ſo ver-
bunden ſind, wie im Gramme’ſchen Ringe, d. h.
Ende und Anfang je zweier benachbarter Spulen
ſtehen in Verbindung und von dieſer Verbindungs-
ſtelle aus führt ein iſolirter Draht zum Commutator,
der, weil der Ring gewiſſermaßen zu einer geraden
Säule aufgebogen iſt, um einen Contactſtreifen
mehr beſitzen muß, als Verbindungsſtellen der
einzelnen Spulen exiſtiren. Ueber die Metallſtreifen
G F des Commutators können durch die Handhabe
H J die federnden Metallſtreifen E D geführt werden.
Der Streifen E läßt ſich gegen D in einen beliebigen
Winkel verſtellen und dann in dieſer Stellung
durch Anziehen einer Schraube feſthalten. Stellt
man ihn alſo z. B. derart, daß zwiſchen E und D
zehn Contactſtreifen liegen, ſo wird der in den
Apparat eingeleitete Strom immer zehn Spiralen
oder Solenoide durchfließen, gleichgiltig, in welchem
Sinne der Commutator gedreht wird. Iſt der
Strom hinlänglich ſtark, ſo wird er den durch
ihn magnetiſch gewordenen Eiſencylinder im Innern
dieſer zehn Spiralen ſchwebend erhalten. Er wird
ſich nach der einen oder andern Richtung (auf-
wärts oder abwärts) bewegen, wenn der Commu-
tator in der einen oder andern Richtung gedreht
wird. Die Kraft ſeiner Bewegung wird ſich unter
ſonſt gleichen Verhältniſſen als Function der
Stromſtärke des in den Solenoiden circulirenden
Stromes darſtellen. Deprez hat einen Hammer
gebaut, deſſen Eiſenkern 23 Kilogramm wiegt, der
aber einen Effect von 70 Kilogramm giebt, wenn
durch 15 Spulen ein Strom von 43 Ampères kreiſt.
Der Apparat zeichnet ſich dadurch aus, daß der
Strom nie unterbrochen, nie in ſeiner Stromſtärke oder Richtung geändert und auch der
Magnetismus des Eiſenkernes ſtets unverändert erhalten wird.


Eine ſehr vortheilhafte Anwendung der elektriſchen Kraftübertragung iſt in
dem elektriſchen Betriebe von Aufzügen und Krahnen gegeben. Dies erhellt
aus folgendem von Uppenborn gegebenen Beiſpiele: Auf dem Centralbahnhofe zu
Hannover befindet ſich eine Anzahl hydrauliſcher Aufzüge, deren jeder nicht mehr
als zwei Pferdekräfte beanſprucht. Zum Füllen der (hydrauliſchen) Accumulatoren
wird jedoch eine 40pferdige Dampfpumpe benöthigt. Erfahrungsgemäß benutzt man
höchſtens zwei Aufzüge gleichzeitig. Hätte man nun ſtatt der hydrauliſchen Aufzüge
elektriſche gewählt, ſo würde eine 6pferdige Dampf- oder Gasmaſchine genügt haben
und es wären Anlage und Betrieb ganz erheblich billiger.


[861]

In ähnlicher Weiſe wies Hoſpitalier darauf hin, daß die Anwendung des
hydrauliſchen Druckes zur Kraftübertragung für den gemeinſchaftlichen Betrieb der
Krahne eines Docks Nachtheile bietet, welche durch den elektriſchen Betrieb beſeitigt
werden. Bei dem bisher angewandten hydrauliſchen Syſteme pumpt eine entſprechend
ſtarke Dampfmaſchine Waſſer unter hohem Drucke, in Marſeille z. B. unter einem
Drucke von 55 Atmoſphären, in einen Behälter, von dem aus die Pumpen der
einzelne Krahne durch Röhrenleitungen geſpeiſt werden; hierbei tritt durch Reibung,
Undichtigkeit u. ſ. w. ein Kraftverluſt von 50 Procent ein, der, wie nachſtehendes
Beiſpiel zeigen wird, auf mehr als 80 Procent anwachſen kann.


Hat ein Krahn von 2000 Kilogramm Maximaltragkraft dieſe Laſt 4 Meter
hoch zu heben, ſo wird, da ſeine Conſtruction darauf berechnet iſt, das verbrauchte
Waſſer einer Arbeitsleiſtung von 2000 × 4 = 8000 Kilogramm entſprechen und die
höchſte Ausnutzung der Kraft ſtattfinden. Beträgt hingegen die Belaſtung des Krahnes
nur 500 Kilogramm, ſo iſt ſeine Arbeitsleiſtung gleich 500 × 4 = 2000 Kilo-
gramm. Da nun aber im zweiten Falle eine gleich große Waſſermenge von dem-
ſelben Drucke verbraucht worden iſt wie im erſten, alſo auch ein gleich großer
Arbeitsaufwand ſtattgefunden hat, ſo werden im zweiten Falle nur ungefähr
12 Procent der urſprünglichen Kraft ausgenützt worden ſein. Bei der elektriſchen
Uebertragung der Kraft, die ſich überdies in Anlage und Betrieb viel einfacher
geſtalten würde, kann dieſer Uebelſtand nicht eintreten, wie ſofort klar wird, wenn wir
uns des über die inneren Vorgänge bei der Kraftübertragung Geſagten (S. 839)
erinnern. Die ſecundäre Maſchine wirkt auf die primäre durch Erzeugung des Gegen-
ſtromes ſtets zurück; hat die ſecundäre Maſchine eine geringe Arbeit zu leiſten, ſo
läuft ſie raſcher und erzeugt einen kräftigen Gegenſtrom, die Stromſtärke im Geſammt-
ſtromkreiſe nimmt ab und die primäre Maſchine verlangt einen geringeren Arbeits-
aufwand; die ſie treibende Dampfmaſchine arbeitet mit geringerer Kraft. Das Ent-
gegengeſetzte tritt ein, wenn die ſecundäre Maſchine eine bedeutende Arbeit zu leiſten
hat. Mit einem Worte, das elektriſche Syſtem arbeitet immer mit demſelben Güte-
verhältniſſe, die aufgewandte Kraft wird immer dieſem entſprechend vollſtändig
ausgenützt.


Hoſpitalier ſagt am Schluſſe ſeiner Betrachtung: „Um den Vorſchlag zu
verwirklichen, handelt es ſich nur noch darum, wie der Strom für den in Rede
ſtehenden Zweck zu erzeugen und die Theilung desſelben in viele verſchiedene ungleiche
und in jedem Augenblicke veränderliche Zweige zu bewirken iſt, eine Aufgabe, die zur
Zeit (1880) einer befriedigenden Löſung noch harrt.“ Wir glauben, daß gegenwärtig
dieſe Löſung durch die Conſtruction der Compoundmaſchinen gefunden iſt.


Ein elektriſcher Aufzug wurde zum erſtenmale bei der Ausſtellung in Mann-
heim
(1880) durch die Firma Siemens \& Halske in Thätigkeit geſetzt; ein zweiter Aufzug
fungirte in der Pariſer Ausſtellung. Die Einrichtung desſelben iſt eine ganz einfache. Unter-
halb des Fahrſtuhles, welcher zur Aufnahme von Perſonen beſtimmt iſt, befindet ſich eine
dynamo-elektriſche Maſchine A, Fig. 618, deren Rotationsaxe vertical geſtellt und an einer
Seite mit einer Schraube ohne Ende verſehen iſt. Durch die Umdrehung der letzteren werden
die Zahnräder B B und durch dieſe die Räder C C' in Umdrehung verſetzt. Die Zähne der
letzteren greifen in die Sproſſen der eiſernen Leiter D D ein und bewirken dadurch ein Hinauf-
oder Hinabklettern der Maſchine und mit ihr des ganzen Fahrſtuhles; E E' ſind Führungs-
rollen. Ein an dieſen angebrachter Hebel geſtattet, einen Commutator ſo zu ſtellen, daß der
Strom die ſecundäre, d. h. am Fahrſtuhle befeſtigte Maſchine in der einen oder anderen
Richtung durchfließt oder auch ganz unterbrochen iſt. In dieſer Weiſe wird das Auf- und
Abwärtsgehen, ſowie auch das Stillſtehen bewirkt. Um die Arbeit beim Aufwärts- und
Abwärtsgehen annähernd gleich zu machen und die Arbeit zu erſparen, welche die Hebung
[862] des Fahrſtuhlgewichtes erfordert, iſt das Gewicht dieſes und ſeiner mittleren Belaſtung durch
Gegengewichte P P, welche an den Führungsſtangen G H gleiten, ausbalancirt. Die Draht-
ſeile, welche dieſe Gegengewichte tragen, dienen gleichzeitig zur Stromleitung. Ein Herab-

Figure 622. Fig. 618.

Siemens’ elektriſcher Aufzug.


ſchnellen des Aufzuges bei Unterbrechung
des Stromes oder Reißen der Drahtſeile
kann nicht eintreten, da die Ganghöhe der
Schraube ohne Ende ſehr klein gemacht wird.


Wir laſſen hier die Schilderung eines
elektriſch betriebenen Elevators folgen,
deſſen Anlage auch deshalb Intereſſe verdient,
weil ſie zeigt, wie bisher unbenützte Maſchinen-
kräfte verwerthet werden können. Die in Rede
ſtehende und eine hierauf zu beſprechende
Anlage wurde durch die Ingenieure Chré-
tien
und Felix in der Zuckerfabrik zu
Sermaize (Departement Marne) aus-
geführt. Die „Campagne“, d. h. die Arbeits-
zeit einer Zuckerfabrik iſt nur auf einen
kleinen Theil des Jahres beſchränkt, nämlich
auf die Zeit unmittelbar nach der Ernte der
Zuckerrüben. Der Saft derſelben erfordert,
wenn er nicht verderben ſoll, eine ſehr raſche
Verarbeitung. Dies hat zur Folge, daß die
Maſchinen einer derartigen Fabrik den größten
Theil des Jahres über ſtillſtehen, alſo ſehr
ſchlecht ausgenützt werden. Nun ſind aber
ſolche Zuckerfabriken in der Regel mit mehr
oder minder ausgedehnten Oekonomien ver-
bunden, in welchen die Hauptarbeiten gerade
außerhalb der Fabriks-Campagne fallen. Es
iſt daher einleuchtend, daß es Vortheile ge-
währen muß, die ſonſt in der Fabrik brach
liegende Maſchinenkraft außerhalb derſelben
zu verwerthen. Hierzu benützen nun die
genannten Ingenieure die elektriſche Ueber-
tragung der Kraft und verwenden ſo die
ſonſt unbenützte Dampfmaſchine und die
während der Campagne zur elektriſchen Be-
leuchtung benützten Lichtmaſchinen.


Der größte Theil der in der Fabrik
zur Verarbeitung gelangenden Runkelrüben
wird durch Schiffe auf dem Marne-Rhein-
Canal zugeführt. Die Rüben werden im
Hafen von Sermaize, der in gerader Linie
beiläufig 100 Meter von der Fabrik entfernt
iſt, ausgeladen und dann in die Fabrik ge-
führt. Während nun früher das Ausladen
durch Handarbeit beſorgt wurde, dient ſeit
ungefähr fünf Jahren hierzu ein elektriſch
betriebener Elevator; die hiermit gegenüber
der Handarbeit erzielte Erſparniß beträgt
beiläufig 40 Procent. Der Elevator ſtellt,
wie die Fig. 619 (nach Th. du Moncel \&
Geraldy) erkennen läßt, eine Art Bagger-
maſchine dar. Auf einem fahrbaren Gerüſte
iſt ein kräftiger Stamm drehbar befeſtigt, der
an ſeinem unteren Ende und beiläufig in der Mitte die Trommeln zur Führung und Be-
wegung der endloſen mit Schaufeln oder Platten verſehenen Kette trägt, oben durch ein Gegen-
gewicht ausbalancirt iſt und durch Seile in der verlangten Stellung feſtgehalten wird. Um
ein Schiff auszuladen, wird der Elevator bis zu erſterem hingerollt und hierauf ſein Balken
[863]

Figure 623. Fig. 619.

Elektriſch betriebener Elevator.


[864] ſammt der Kette in das Schiff eingeſenkt, bis er den Boden berührt. Setzt man hierauf die
Kette in Bewegung, ſo nehmen die nach aufwärts gehenden Schaufeln die in den unten
angebrachten Fülltrichter eingeworfenen Rüben mit und laſſen ſie, am oberen Wendepunkte
der Kette angekommen, durch eine Holzrinne in die darunterſtehenden Wagen der Bahn
fallen. Zur Bewegung der Trommeln mit der Kette dienen zwei Gramme’ſche Maſchinen,
von welchen die eine (die primäre) in der Fabrik ſteht und durch die dort befindliche ſtabile
Dampfmaſchine betrieben wird, die andere (ſecundäre) aber auf dem Gerüſte des Elevators
angebracht iſt. Die Verbindung beider Maſchinen iſt durch eine Kupferdrahtleitung von drei
Millimeter Drahtſtärke hergeſtellt. Somit wird alſo eigentlich durch die Fabriksdampfmaſchine
die Ausladung der Rübenſchiffe bewirkt.


Die zweite Anwendung, für welche eben dieſe Fabriksdampfmaſchine herangezogen
wurde, beſteht in dem elektriſchen Pſiugſyſteme. Dasſelbe beſteht aus zwei Wagengeſtellen
mit je zwei Gramme’ſchen Maſchinen, von welchen das eine auf der einen Seite des Feldes,
das andere auf der gegenüberliegenden Seite desſelben aufgeſtellt wird. Durch Auf-, beziehungs-
weiſe Abwinden eines Drahtſeiles auf Trommeln, welchen die Gramme’ſchen Maſchinen die

Figure 624. Fig. 620.

Elektriſcher Pflug.


Bewegung ertheilen, wird der Pflug quer über das Feld hin- und hergezogen. Ein derartiger
Wagen iſt in den Fig. 620 und 621 in Quer- und Längsanſicht abgebildet. Auf dem eiſernen
Geſtelle des Wagens ſind die beiden Gramme’ſchen Maſchinen G G um die horizontalen
Axen a a drehbar befeſtigt. Die Rotationsaxen der beiden Gramme’ſchen Maſchinen tragen an
ihren beiden Enden Frictionsſcheiben und werden mit dieſen an die großen Frictionsräder R R
durch eine Zugſtange mit Kautſchukfedern F angedrückt. Die Frictionsräder R R übertragen
dann durch Zahnräder z z ihre Rotation auf die Seiltrommel S, welche durch Aufwinden des
Drahtſeiles den Pflug zieht. Die Größe der Frictionsräder R und das Uebertragen ihrer
Bewegung durch kleine Zahnräder auf die großen Zahnräder der Trommel muß deshalb
erfolgen, weil die raſche Rotation der Gramme’ſchen Ringe in eine langſame der Seiltrommel
zu verwandeln iſt. Durch geeignet angebrachte koniſche Räder kann die Rotation der Gramme-
ſchen Maſchinen unter Vermittlung der Kette K auf die Räder des Wagens übertragen werden,
ſo daß dann nicht die Seiltrommel gedreht, ſondern der ganze Wagen nach der einen oder
andern Richtung in Bewegung geſetzt wird.


Den Strom für die ſecundären Maſchinen auf dem eben beſchriebenen Wagen liefern
primäre in der Fabrik aufgeſtellte Maſchinen, die wie beim Elevator durch die ſtabile Fabriks-
[865] Dampfmaſchine betrieben werden. Die Leitung, welche die primären mit den ſecundären
Maſchinen verbindet, iſt nach Art der Telegraphenleitungen auf Pfählen iſolirt geführt. Im
Vergleiche zu den Dampfpflügen beſitzt der elektriſche Pflug den Vortheil, daß er weder
Waſſer noch Heizmaterial mitzuführen braucht, daß eine ſtabile, ſonſt nicht benützte Dampf-
maſchine zu ſeinem Betriebe verwendet werden kann und daß er ein bedeutend geringeres
Gewicht hat.


Schon vor ziemlich langer Zeit tauchten Vorſchläge auf, nach welchen das
Bremſen eines Eiſenbahnzuges durch elektriſche Ströme, beziehungsweiſe
den durch ſie erregten Magnetismus beabſichtigt wurde. Es war namentlich Achard,
der die elektriſche Bremſe zum Gegenſtande ebenſo ausgedehnter als eingehender
Studien machte. „Die Vortheile der elektriſchen Eiſenbahnbremſe,“ ſagt Uppen-
born
, „werden durch einen dem Verviers-Brüſſel-Expreß zugeſtoßenen Unfall
ſehr gut illuſtrirt. Beſagter Zug war mit der automatiſchen Wagenbremſe von

Figure 625. Fig. 621.

Elektriſcher Pflug.


Weſtinghouſe ausgerüſtet. Etwa 100 Meter vor der Station Ans brach ein
Rohr, wodurch die Bremſung momentan eintrat. Die Folgen waren ſehr fatal;
Reiſende und Gepäck wurden mit Vehemenz gegen die Wände und Decken der
Waggons geſchleudert. Mehrere Paſſagiere und Beamte wurden ernſtlich verletzt.
Was wäre wohl paſſirt, wenn die Bremſung bei voller Fahrgeſchwindigkeit ein-
getreten wäre? Die Bremſung muß ſich naturgemäß ſucceſſive durch den ganzen
Zug fortpflanzen; es ſind daher noch einige Wagen frei, wenn die anderen ſchon
gebremſt ſind. Hieraus folgt mit Nothwendigkeit eine heftige Contuſion. Bei
elektriſchen Bremſen können derartige Zuſammenſtöße der einzelnen Wagen nicht
ſtattfinden, da die Bremſung überall im ſelben Momente beginnt.“


L. Regray hat über die von der franzöſiſchen Oſtbahn-Geſellſchaft angeſtellten
zahlreichen Verſuche mit elektriſchen Bremſen in „La lumière électrique” (1883)
eingehenden Bericht erſtattet. Um eine beiläufige Vorſtellung dieſer Anwendung
elektriſcher Ströme zu ermöglichen, wollen wir nachſtehend eine der erprobten
Anordnungen ſkizziren. Die Conſtruction des die Bremſe in Thätigkeit ſetzenden
Elektromagnetes iſt aus Fig. 622 zu erſehen. Auf der in den Trägern T T'
Urbanitzky: Elektricität. 55
[866] drehbaren Axe c c' iſt bei a und b unter Vermittlung von Bronze-Zwiſchenſtücken
der Elektromagnet mit ſeinen Polſchuhen f f' aufgeſetzt. Die Drahtenden e ſeiner
Windungen gehen durch Bohrungen in der Axe c c' zu den von dieſer Axe iſolirten
Contactſtücken g g'. Als Stromquelle dient eine Gramme’ſche Maſchine, die ſammt
ihrem Motor, einer Brotherhood-Maſchine, auf der Locomotive montirt iſt.


Die Anordnung und Wirkungsweiſe des Magnetes am Wagen läßt Fig. 623
erkennen. Die Träger T, in welchen der Magnet M vor den Wagenaxen A herab-
hängt, ſind unterhalb am Boden des Waggons in Gelenken befeſtigt. Sendet

Figure 626. Fig. 622.

Elektriſche Eiſenbahnbremſe.


Figure 627. Fig. 623.

Elektriſche Bremſe.


man durch den Magnet einen Strom und ertheilt hierdurch ſeinen Polſchuhen
kräftige magnetiſche Polarität, ſo wird in Folge der hierdurch hervorgerufenen
Anziehung zwiſchen dem Magnete und der Radaxe der erſtere ſich gegen die letztere
bewegen und von ihr feſtgehalten werden. Der Magnet wird dann durch Friction
genöthigt, ſich zu drehen, windet hierbei eine über die Rolle R gehende Kette K
auf ſeiner Axe auf und bewirkt hierdurch und mit Hilfe der Hebel und Zug-
ſtangen G G das Anlegen der Bremsklötze B B an die Räder des Wagens. Soll
die Bremſung aufgehoben werden, ſo ſorgen entſprechend angebrachte Federn für
die Entfernung der Bremsklötze von den Rädern.


[867]
Neuere kleine Elektromotoren und deren Anwendungen.

Unter kleinen Elektromotoren verſteht man ſolche, deren Leiſtungsfähigkeit
etwa 10 Secunden-Kilogramm-Meter nicht überſteigt. Man verfertigt für ſolche
Leiſtungen beſonders conſtruirte Maſchinen, ſtatt die uns bereits bekannten in
kleinem Maßſtabe auszuführen, weil einzelne Theile der Großmaſchinen bei ſo
ſtarker Verkleinerung zu zart ausfallen würden und überhaupt in kleinen Dimen-
ſionen nicht immer dieſelben Anordnungen ein gutes Reſultat geben wie bei ihrer
Ausführung im Großen.


Solche kleine Motoren wurden z. B. von Deprez conſtruirt; einer derſelben
iſt in Fig. 624 abgebildet. Dieſer Motor iſt, wie ein Vergleich mit Fig. 223
(Seite 345) lehrt, eine Siemens’ſche Maſchine, bei welcher die Cylinder-Armatur
parallel zu den Schenkeln der Elektromagnete liegt. Dieſer Motor, der natürlich
auch umgekehrt als Elektricitätsgenerator verwendet werden kann, giebt bei nach-
ſtehend angegebenen Dimenſionen die Wirkung von drei Bunſen-Elementen. Als

Figure 628. Fig. 624.

Motor von Deprez.


Motor benützt, erhielt Deprez folgende Reſultate: Bei Anwendung eines Elementes
0·04 Secunden-Meter-Kilogramm, bei

Die Magnete dieſes Modells waren 145 Millimeter lang, deren Pole
33 Millimeter voneinander entfernt, die Armatur hatte eine Länge von 60 und
einen Durchmeſſer von 32 Millimeter und der ganze Apparat wog 2·85 Kilo-
gramm. Dieſer Motor diente z. B. in der Pariſer Ausſtellung zum Betriebe vieler
Nähmaſchinen im Deprez’ſchen Stromvertheilungs-Syſteme.


Ebenſo ſtellt auch der Motor von Crouvé eine kleine Siemens’ſche Maſchine
dar. Die Drahtſpule C, Fig. 625, iſt auf einem Geſtelle E befeſtigt und beſitzt
zwei nach aufwärts gerichtete Polplatten A A. Zwiſchen dieſen rotirt eine Siemens’ſche
Cylinder-Armatur. Die Stromzuleitung erfolgt durch die Klemmen bei E und H.
Am entgegengeſetzten Ende iſt eine kleine Riemenſcheibe angebracht, um durch einen
Schnurlauf die Bewegung des Ankers auf andere Apparate übertragen zu können.
Der Anker zeigt nur darin von der ſonſt gebräuchlichen Form eine Abweichung,
55*
[868] daß deſſen Polflächen ſpiralig gekrümmt ſind. Der Zweck dieſer abgeänderten Form
iſt, todte Punkte bei der Drehung der Armatur zu vermeiden, d. h. Punkte, über
welche hinaus kein Anlaß zur Weiterdrehung vorliegt. Wo ſich dieſe befinden,
zeigt Fig. 228 (Seite 351). Die Armatur hat keine Veranlaſſung, ſich weiter zu
drehen, ſobald der Nordpol n der Armatur dem Südpole S des Magnetes und s
gerade N gegenüberſteht. Bei der Spiralform iſt ein Theil der Armatur ſchon
über dieſe Stellung hinaus, wenn der andere eintritt.


Trouvé’s Motor iſt gleichfalls im Stande, eine Nähmaſchine, ein Velociped oder ein
kleines Boot zu treiben, ſobald der Strom einiger Chromſäure-Elemente durch ſeine Draht-

Figure 629. Fig. 625.

Motor von Trouvé.


Figure 630. Fig. 626.

Motor von Trouvé.


windungen geſendet wird. Auf eine Nähmaſchine überträgt Trouvé die Rotation ſeines
Motors dadurch, daß er deſſen Axe mit einer kleinen Frictionsſcheibe verſieht, welche auf
die Axen des oberen Riemenrades der Nähmaſchine einwirkt. Die Anordnung des Motors
zum Betriebe eines Bootes zeigt Fig. 626. Der Motor iſt hierbei oberhalb des Steuerruders
auf dieſem ſelbſt befeſtigt und theilt ſeine Bewegung mittelſt Riemenſcheibe und Schnurlaufes
der Propellerſchraube mit, deren Lager gleichfalls am Steuerruder angebracht find. In dieſer
Weiſe ausgerüſtet, ſah man in der Pariſer Ausſtellung für Elektricität ein Boot im Central-
baſſin, in deſſen Mitte das große Modell eines Leuchtthurmes ſtand, herumſchwimmen. Das
Boot, vom Erfinder „Telephon“ getauft, hatte eine Länge von 5½ und eine Breite von
1·2 Meter; ſein Geſammtgewicht betrug 80 Kilogramm. Den Strom zum Betriebe des Motors
lieferte eine Chromſäure-Batterie von 12 Elementen, welche in der Mitte des Bootes auf-
geſtellt war. Ihr Gewicht betrug 24 Kilogramm. Zwei Kabel leiteten den Batterieſtrom in
[869] den Motor und dienten gleichzeitig zur Lenkung des Steuerruders. Trouvé machte mit ſeinem
Boote auch größere Probefahrten auf der Seine und erreichte hierbei, wenn das Boot mit
drei Perſonen belaſtet war, eine Geſchwindigkeit von 1 Meter per Secunde, als er ſtrom-
aufwärts fuhr und eine Geſchwindigkeit von 2·5 Meter per Secunde bei der Thalfahrt.


Griscom’s Motor iſt in Fig. 627, angewandt zum Betriebe einer Näh-
maſchine, und in Fig. 628 ſchematiſch dargeſtellt. Die Cylinder-Armatur A A iſt
von dem röhrenförmigen Elektromagnete E E, der bei N und S ſeine Pole hat,
eingeſchloſſen. Der Stromwechſel wird durch den Commutator C beſorgt. Der aus
der Batterie B kommende Strom gelangt durch die Schleiffeder f' und das links-
ſeitige Commutatorſegment in die Drahtwindungen der Armatur, von dieſer durch
das rechtsſeitige Segment und die Schleiffeder f in die Drahtwindungen des Elektro-

Figure 631. Fig. 627.


Figure 632. Fig. 628.

Griscom’s Motor.


magnetes E E und kehrt wieder zur Batterie zurück. Die hiermit bewirkte Pol-
vertheilung im Elektromagnete und Anker iſt durch die der Figur beigeſetzten
Buchſtaben gekennzeichnet. Iſt die Armatur durch die Anziehung der ungleichnamigen
und durch die Abſtoßung der gleichnamigen Pole in die Richtung der Linie x y
gekommen, ſo tritt in Folge der gleichzeitigen Drehung des Commutators ein Wechſel
der Stromrichtung und ſomit auch ein Polwechſel ein, welcher die Armatur zur
Forſetzung ihrer Rotation veranlaßt.


Griscom’s Motor hat eine Länge von beiläufig 10 Centimeter und wiegt
1150 Gramm. Zu ſeinem Betriebe verwendet man eine Chromſäure-Batterie von
ſechs Elementen, die in einem Kaſten, welcher gleichzeitig als Sitz der mit der
Nähmaſchine arbeitenden Perſon dienen kann, angeordnet iſt. Um den Motor und
ſomit auch die Nähmaſchine ſchneller oder langſamer gehen zu machen, taucht man
die Platten der Elemente mehr oder weniger tief in die Chromſäure ein, was
[870] durch einen Hebel, der mit einem Trittbrette in Verbindung ſteht, durch den Fuß
der arbeitenden Perſon bewerkſtelligt werden kann.


Die bisher betrachteten Motoren beſitzen alle einen Siemens-Anker; in Folge
deſſen arbeiten alle mit zweimaligem Polwechſel während jeder Umdrehung. Da
ferner eine ſehr raſche Rotation oder ſehr große Tourenzahl in der Minute
gefordert wird, müſſen die Polwechſel außerordentlich raſch aufeinanderfolgen. Darin
liegt aber ein Nachtheil dieſer Motoren, da der raſche Polwechſel mit Kraftverluſt
verbunden iſt. Das weiche Eiſen braucht, wie wir wiſſen, eine gewiſſe Zeit zur
Aenderung ſeines magnetiſchen Zuſtandes. Es tritt daher bei raſcher Rotation des
Ankers bei jedem Polwechſel der Fall ein, daß das Eiſen noch die Polarität der
einen Art beſitzt, wenn der Strom in den es umgebenden Drahtwindungen bereits
die Richtung gewechſelt hat, alſo das Eiſen in der entgegengeſetzten Art zu polari-
ſiren ſtrebt. Die Folge davon iſt, daß ein Theil des letzterwähnten Stromes dazu

Figure 633. Fig. 629.

Motor von Borel.


verwendet werden muß, die frühere Polarität des Eiſens zu vernichten und nur
der übrig bleibende Stromantheil zur entgegengeſetzen Polariſirung des Eiſens,
alſo zur eigentlichen Arbeitsleiſtung benützt wird. Von dieſen Uebelſtänden ſind die
Motoren von Bürgin, Borel und Jablochkoff frei, da bei dieſen kein Pol-
wechſel im Eiſen eintritt. Die beiden erſten ſind dem Principe nach in maſſiver
Art ausgeführte Galvanometer und verhalten ſich auch nach Art dieſer Inſtrumente.
Hängt man innerhalb einer Drahtſpule eine Magnetnadel auf und ſchickt dann
durch die Windungen der erſteren einen hinlänglich ſtarken Strom, ſo dreht ſich
die Magnetnadel ſo lange, bis ſie zur Richtung der Spuldrähte ſenkrecht ſteht.
Dabei wird ſich der Nordpol der Magnetnadel jener Stirnſeite der Spule nähern,
auf welcher der elektriſche Strom in der Richtung der Uhrzeigerbewegung kreiſt,
der Südpol der Nadel der entgegengeſetzten Stirnſeite. Würde man nun in dem
Momente, in welchem die Nadel die angegebene Stellung erreicht hat, die Strom-
richtung in der Drahtſpule umkehren, ſo müßte ſich die Nadel abermals drehen,
[871] und zwar um 180 Grade. Dann ſtehen ſich wieder Nordpol der Nadel und
Südpol der Spule einander gegenüber.


Figure 634. Fig. 630.

Motor von Bürgin.


Wie dieſes Princip von Borel zur Conſtruction eines Elektromotors aus-
genützt wurde, zeigt Fig. 629. Die Magnetnadel iſt hierbei durch einen von
Drahtwindungen umgebe-
nen Eiſenkern erſetzt, der
durch die in erſteren ſtets
in derſelben Richtung ver-
laufenden Ströme magneti-
ſirt wird. Er iſt innerhalb
einer Drahtſpule drehbar
angebracht und bewirkt
mittelſt eines Commutators
den fortwährenden Strom-
wechſel in der Spule.


Auf demſelben Prin-
cipe beruht der Motor
von Bürgin, welcher in
Fig. 630 abgebildet iſt.
Der auf einer horizontalen
Axe befeſtigte Eiſenkern B
iſt derart mit Draht M M
bewickelt, daß er nach außen
zu kugelförmig begrenzt
erſcheint. Eine kugelför-
mige, dieſe Drahtlagen in
geringer Entfernung um-

Figure 635. Fig. 631.

Jablochkoff’s l’écliptique.


hüllende Kapſel iſt ebenfalls mit Draht bewickelt. Der auf der Rotationsaxe des
Elektromagnetes M B M befeſtigte Commutatur C bewirkt bei jeder halben Um-
drehung des Elektromagnetes einen Wechſel der Stromrichtung in den äußeren Draht-
windungen und veranlaßt in dieſer Weiſe eine continuirliche Rotation, die ſehr
raſch erfolgt, weil in der ganzen Maſchine kein die Bewegung hemmender Wechſel
des Magnetismus eintritt.


[872]

In ähnlicher Weiſe iſt der magnetiſche Polwechſel bei dem Motor von
Jablochkoff, Fig. 631, ausgeſchloſſen. Der Motor, l’écliptique genannt, be-
ſteht aus einer vertical geſtellten, feſtſtehenden Spule und einer um eine horizontale
Axe beweglichen Spule, welche auf dieſer Axe, unter einem beſtimmten Winkel zur
Horizontalen geneigt, befeſtigt iſt. Der günſtigſte Neigungswinkel der beweglichen Spule
wird durch Verſuche beſtimmt und iſt zum Theile auch von den Bedingungen ab-
hängig, unter welchen die Maſchine fungiren ſoll. Dieſe Spule iſt auf einen Kern
aus weichem Eiſen gewunden und an beiden Stirnflächen durch kreisrunde Platten
desſelben Materiales abgeſchloſſen. Dieſe Platten bilden, ſobald ein Strom die Draht-
windungen durchfließt, die Pole eines kurzen Magnetes. Die feſtſtehende Spule
enthält kein Eiſen, ſondern iſt auf einen kupfernen Rahmen gewickelt. Die Strom-
zuleitung erfolgt durch zwei Schleifbürſten unter Vermittlung eines auf die Rota-
tionsaxe der beweglichen Spule befeſtigten Commutators in der Weiſe, daß die
Stromrichtung in der beweglichen Spule ſtets conſtant bleibt, in der feſtſtehenden
aber bei jeder halben Umdrehung wechſelt. Jablochkoff’s Motor, der übrigens unter

Figure 636. Fig. 632.

Elektriſche Briefpoſt.


Beibehaltung desſelben Principes in verſchiedener Weiſe ausgeführt wird, kann
ebenfalls auch als Elektricitätsgenerator dienen.


Von verſchiedenen Seiten wurde vorgeſchlagen, kleine elektriſche Bahnen zur
Beförderung der Briefe in großen Städten zu verwenden. Sie hätten hier an
Stelle der pneumatiſchen Briefpoſt zu treten und würden vor dieſer den bedeutend
geringeren Kraftaufwand voraus haben. Die pneumatiſche Poſt in Paris erfordert
zu ihrem Betriebe 120 Pferdekräfte; den elektriſchen Betrieb glaubt man durch etwa
12 Pferdekräfte erhalten zu können. Die von Siemens gegebene Anordnung einer
elektriſchen Briefpoſt verſinnlicht Fig. 632. Die Elektrolocomotive iſt ein Wagen-
geſtelle mit einer Siemens’ſchen Maſchine gewöhnlicher Conſtruction im ſehr ver-
kleinerten Maßſtabe. Es zeigte ſich eben, daß dieſe Maſchine auch bei bedeutender
Herabminderung ihrer Dimenſionen leiſtungsfähig bleibt.


Zu den Elektromotoren kleinſter Sorte gehört Ediſon’s elektriſche Feder (Fig. 633);
das elektriſche Maſchinchen derſelben iſt beiläufig 4 Centimeter hoch und 2 Centimeter
breit. An dem bügelförmigen Geſtelle A A iſt der Elektromagnet E E unverrückbar befeſtigt
und ein kleines Schwungrädchen R mit ſeiner horizontalen Axe bei b und d gelagert. Das
Schwungrädchen R, welches ſich unmittelbar vor den Polen des Elektromagnetes E dreht,
[873] trägt einen in der Richtung ſeines Durchmeſſers angebrachten Stabmagnet n s. Auf der Rad-
axe b d iſt bei c ein Commutator aufgeſetzt, durch welchen die Richtung der in die Draht-
windungen des Elektromagnetes geſandten Ströme zweimal bei jeder vollen Umdrehung des
Rades gewechſelt wird. Die Verbindung der Drahtwindungen mit der Batterie wird durch
Klemmen, welche bei p und p' angebracht ſind, hergeſtellt. Eine dieſer Klemmen ſteht durch
die Feder f, deren Stellung durch die Schraube t regulirbar iſt, mit dem Commutator in
Verbindung. Die Welle b d iſt an jener Stelle, an welcher der Stab S S vorbeikommt, nach
Art einer Daumenwelle geſtaltet und veranlaßt daher durch ihre Rotation ein raſches Auf-
und Abbewegen dieſes Stabes und der an deſſen unterem Ende befeſtigten Nadel N. Den
eigentlichen Federhalter bildet das
Rohr F, welches mit ſeinem Gewinde
bei y in den Metallbügel bei x ein-
geſchraubt wird. F iſt an ſeinem
unteren Ende mit einer Oeffnung
verſehen, um die Nadel N durchzu-
laſſen.


Die Function des Apparat-
chens iſt ſehr einfach. Sobald ein
Strom durch die Drahtwindungen
des Elektromagnetes fließt, zieht die-
ſer den Magnetſtab entſprechend ſeiner
eigenen Polarität und jener des Sta-
bes an und veranlaßt dadurch eine
Drehung des Rädchens in beſtimmter
Richtung; ſtehen ſich in Folge dieſer
Bewegung die ungleichnamigen Pole
einander gegenüber, ſo wird der
Strom im Elektromagnete durch den
Commutator unterbrochen und das
außerordentlich leicht bewegliche Räd-
chen ſetzt vermöge des Beharrungs-
vermögens ſeine Drehung fort. Hier-
durch ſtellt aber der Commutator
neuerdings den Stromſchluß her und
erregt abermals den Elektromagnet;
doch da jetzt die Ströme denſelben in
umgekehrter Richtung durchfließen, ſo
hat er ſeine Polarität gewechſelt, ſo
daß jetzt gleichnamige Pole (z. B. n
des Stabes und N des Elektro-
magnetes) ſich nahe aneinander be-
finden. Es tritt daher Abſtoßung ein
und dieſe bewirkt die Fortſetzung der
Raddrehung in derſelben Richtung.
Da ſich dieſes Spiel fortwährend
wiederholt, geräth das Rädchen in
dauernde Rotation. Es macht pro
Secunde 65 Touren und hebt, be-
ziehungsweiſe ſenkt hierdurch die Nadel

Figure 637. Fig. 633.

Ediſon’s elektriſche Feder.


in derſelben Zeit etwa 130mal. Führt man die Feder in beliebigen Linien über ein Papier,
ſo erſcheinen in dieſem, gegen das Licht betrachtet, alle Linien durch feine Nadelſtiche gezeichnet,
die mehr oder weniger enge aneinander ſich befinden, je nachdem man die Feder ſchneller
oder langſamer über das Papier geführt hat. Die Feder wird derart regulirt, daß die Nadel
nicht mehr als 0·2 bis 0·3 Millimeter aus dem Federhalter herausſtößt.


Die Anwendung der Feder iſt die eines Vervielfältigungsapparates. Man ſchreibt oder
zeichnet mit ihr gerade ſo wie mit jeder anderen Feder, trägt aber hierbei dafür Sorge, daß
man ſie möglichſt ſenkrecht hält. Die in dieſer Weiſe hergeſtellte Matrize oder Patrone wird
dann auf ein Blatt Papier aufgelegt und mit einer Farbenwalze Farbe durch die enge aneinander
befindlichen Stiche durchgedrückt. Das darunter befindliche Papier zeigt dann eine vollkommen
ſcharfe Copie. Man kann auf dieſe Weiſe von einer Matrize 4000 bis 5000 Copien herſtellen.
[874] Zum Betriebe der Feder genügt eine kleine, zweielementige Chromſäure-Batterie. Die meiſten
Regierungsabtheilungen der einzelnen Departements Nordamerikas, ſowie viele Geſchäftsleute
und Induſtrielle bedienen ſich derſelben mit beſtem Erfolge.


Ein kleiner Elektromotor, der ſich durch die außerordentliche Regelmäßigkeit ſeines
Ganges auszeichnet, iſt das phoniſche Rad von Paul La Cour (Fig. 634). Ein Zahnrad
aus weichem Eiſen iſt vor dem einen Pole eines geraden Elektromagnetes um eine verticale
Axe drehbar aufgeſtellt, ſo daß die Zähne des Rades zwar ſo nahe als möglich an den
Magnetpol vorbeikommen, denſelben aber nicht berühren. Sendet man durch die Draht-
windungen des Elektromagnetes eine Reihe von Strömen in gleichen Zwiſchenpauſen, ſo erhält

Figure 638. Fig. 634.

Das phoniſche Rad.


Figure 639. Fig. 635.

La Cour’s Stimmgabel-Apparat.


das Rad in Folge der Anziehung, welche der Magnetpol auf die Eiſenzähne des Rades
ausübt, eine Reihe von Impulſen, die eine äußerſt regelmäßige Rotation des Rades ver-
anlaſſen. Die Bewegung dieſes Rades hängt nur von der Zahl der Stromimpulſe und der
Breite, beziehungsweiſe Zahl der Radzähne ab


Die fortgeſetzten Stromimpulſe oder den vibrirenden Strom, durch welchen der Magnet
erregt wird, bringt La Cour mit Hilfe einer Stimmgabel zu Stande. Die Stimmgabel wird zu
dieſem Ende in horizontaler Lage derart befeſtigt, daß ihre Zinken zwiſchen die Pole eines
hufeiſenförmigen Elektromagnetes zu ſtehen kommen (Fig. 635), ohne jedoch in ihren Schwin-
gungen verhindert zu werden. Zwiſchen den Zinken ſind Platincontacte angebracht, die den
Stromkreis einer Batterie, welche mit dem Apparate verbunden iſt, dann ſchließen, wenn ſich
[875] die Stimmgabel in Ruhe befindet. Hierdurch wird aber der im ſelben Stromkreiſe befindliche
Elektromagnet erregt und zieht nun die Zinken der Stimmgabel an; im ſelben Momente, als
dieſe ſich nach außen bewegen, iſt aber auch der Contact unterbrochen und die magnetiſche
Anziehung aufgehoben. Die Zinken ſchwingen daher wieder in ihre urſprüngliche Stellung
zurück und ſchließen den Strom neuerdings. Es iſt einleuchtend, daß auf dieſe Art ein fort-
währendes Stromöffnen und Schließen entſtehen und die Gabel in andauernde Schwingungen
gerathen muß. Eine auf einen beſtimmten Ton abgeſtimmte Stimmgabel kann aber nur dieſen
Ton geben, d. h. immer nur mit einer und derſelben Geſchwindigkeit ſchwingen, woraus folgt,
daß der den Stromkreis durchfließende Strom auch genau mit derſelben Regelmäßigkeit und
Schnelligkeit intermittiren muß; La Cour nennt einen derartigen Strom einen phono-
elektriſchen Strom
und verwendet ihn in der bereits angegebenen Weiſe zum Betriebe
ſeines Rades, welches in Folge der äußerſt regelmäßigen Intermittenz der magnetiſchen Kraft
auch äußerſt regelmäßig rotirt. Dieſe Regelmäßigkeit wird weiter noch dadurch geſichert, daß
man auf das Rad eine hölzerne Büchſe aufſetzt, in welche man Queckſilber giebt, das dann
die Rolle eines Schwungrades ſpielt (Fig. 634).


Da die Geſchwindigkeit der Raddrehung nur von dem phonoelektriſchen Strom und
der Breite, beziehungsweiſe Zahl der Radzähne abhängt, ſo folgt daraus, daß alle derartigen
Räder von gleicher Größe und gleicher Zahnzahl genau gleich ſchnell rotiren müſſen, wenn
ſie von einem und demſelben phonoelektriſchen Strome durchfloſſen werden. Somit ſtellt das
phoniſche Rad einen eben ſo ſicheren als einfachen Apparat dar, durch welchen der Syn-
chronismus, d. h. die genaue Uebereinſtimmung des Ganges zweier oder mehrerer Apparate,
z. B. Uhren, erhalten werden kann. In der Telegraphie, wo in beſtimmten Fällen (die wir
ſpäter noch kennen lernen werden) der Synchronimus der Apparate Grundbedingung iſt, kann
das phoniſche Rad ebenſo wie zu mancherlei anderen Zwecken, deren Beſprechung zu weit
führen würde, vortheilhafte Verwendung finden.


4. Die Celephonie.


Es müßte ein müßiges Beginnen genannt werden, gegenwärtig noch die
Bedeutung der Telephonie hervorheben zu wollen. Welche Verbreitung das Telephon
im Verlaufe weniger Jahre gefunden hat, erhellt aus einigen beiſpielsweiſe auf-
gegriffenen Zahlenangaben. Das ausgedehnteſte Netz, das der Central-Union
Telephone Company
in Chicago, zählt jetzt nicht weniger als 17.000 Abon-
nenten, das von Habana 650; die Melbourne Telephone Exchange Company
hat in Melbourne 650, in Ballarat 81 und in Sandhurſt 37 Abonnenten. Die
durch die auſtraliſche Regierung inſtallirte Telephon-Station von Sidney hat bereits
260 Abonnenten; in Neuſeeland beſtehen Telephonnetze in Dunadia von 237 Abon-
nenten, in Auckland von 151, in Chriſtchurch von 125 und in Wellington von
60 Abonnenten. Die China und Japan Telephone Company beſitzt jetzt in Shang-
hai 77 und in Hongkong 40 Telephone.


„New-York-Review of the Telegraph and Telephone” vom Juli 1882
bringt über die Verbreitung des Telephones nachſtehende Angaben: In 7 Städten
Frankreichs waren zuſammen 2620 Theilnehmer, von welchen 1780 auf Paris
entfielen; 10 Städte Englands beſaßen 2898 Theilnehmer (1561 in London), in
Oeſterreich beſaß nur Wien eine Centralanſtalt mit 334 Theilnehmern, in drei Städten
der Schweiz betrug die Zahl der Theilnehmer 770, in ſechs Städten Belgiens 1961,
in 13 Städten Italiens 1890 und in 10 Städten Deutſchlands 1950 Theilnehmer.
Das erſte Fernſprechamt wurde im November 1877 zu Friedrichsberg bei Berlin
dem Verkehre übergeben; im Jahre 1881 zählte das deutſche Reichspoſtgebiet bereits
1280 Fernſprechämter. Wir begnügen uns mit dieſen Zahlenbeiſpielen und wollen
nun unſere Aufmerkſamkeit der geſchichtlichen Entwicklung des Telephones zuwenden.


[876]
Hiſtoriſche Entwicklung der Celephonie.

Da in den Rahmen vorliegenden Werkes nur die Anwendungen der Elektricität
und des Magnetismus zu behandeln ſind, entfällt die Aufgabe, jene Verſuche
eingehend zu beſprechen, die auf nicht elektriſchem Wege die Hörbarmachung des
geſprochenen Wortes über jene Entfernung hinaus bezweckten, welche die Kraft der
menſchlichen Stimme zu überwinden im Stande iſt. Es ſollen daher die dies-
bezüglichen, theilweiſe gegenwärtig noch in Anwendung ſtehenden Methoden nach-
ſtehend nur kurz erwähnt werden. Schon im Jahre 1667 theilte R. Hooke mit,
daß ein geſpannter Faden ſowohl Töne als auch geſprochene Worte auf ziemlich
große Diſtanzen fortzuleiten vermag. Gegenwärtig bildet das Fadentelephon
ein allgemein bekanntes und verbreitetes Kinderſpielzeug. Es beſteht aus zwei
koniſchen Bechern aus Metall oder Pappe, deren Böden durch einen geſpannten
Faden miteinander verbunden ſind. Spricht man in den Becher an einem Ende
des Fadens hinein, ſo können die Worte am andern Ende des Fadens vernommen
werden, wenn man den dort befindlichen Becher an das Ohr hält. Wem die
Erfindung dieſes Fadentelephones zuzuſchreiben iſt, blieb unbekannt. Es ſoll in
Spanien ſchon lange Zeit zur Correſpondenz zwiſchen Verliebten benützt worden
ſein. Andererſeits wird die Erfindung desſelben Ad. L. Weinhold zugeſchrieben.
Das Sprachrohr, wie bekannt, noch gegenwärtig vielfach in Anwendung, erfand
Morland im Jahre 1670. Im Jahre 1819 producirte Wheatſtone ſeine
magiſche Lyra. Zur Schall-Leitung diente hierbei ein Stab aus Tannenholz in
Verbindung mit Reſonanzkäſten.


Den grundlegenden Verſuch für das elektriſche Telephon bildet das gal-
vaniſche Tönen
, welches im Jahre 1837 von Page entdeckt und ſeither durch
Wertheim, de la Rive u. A. eingehend ſtudirt wurde. Das galvaniſche Tönen
kommt dadurch zu Stande, daß man einen Eiſenſtab in ſehr kurzen Intervallen
magnetiſirt und entmagnetiſirt. Dieſes Experiment bildete auch die Grundlage für
die Conſtruction des erſten Telephones durch Philipp Reis. Zwar iſt die Priorität
des deutſchen Erfinders vielfach in Zweifel gezogen worden, doch glauben wir, daß
in dem ganzen vorliegenden ſehr umfangreichen Materiale*) nichts enthalten iſt,
was zur ernſtlichen Beſtreitung eine annehmbare Grundlage bieten würde. So
wollte man in jüngſter Zeit für Ch. Bourſeul die Priorität reclamiren, wegen
eines Berichtes, den Dr. Lunckenbein in „l’Illustration” vom 26. Auguſt 1854
veröffentlicht hatte; nachſtehend folgen die diesbezüglichen Stellen dieſes Berichtes.


.... „Ich habe mich z. B. gefragt, ob es nicht möglich ſei, die Sprache auf elek-
triſchem Wege zu übertragen; mit einem Worte, ob man nicht das in Wien Geſprochene in
Paris hören könne. Die Sache iſt ausführbar, und zwar folgendermaßen: Die Töne werden,
wie man weiß, durch Schwingungen gebildet und dem Ohre durch Schwingungen der Luft
vermittelt (Schallwellen). Aber die Intenſität dieſer letzten Schwingungen vermindert ſich
äußerſt ſchnell mit Zunahme der Entfernung, ſo daß ſogar bei dem Sprachrohre beſtimmte
Grenzen gezogen ſind, welche man nicht überſchreiten kann. Denken wir uns nun, daß man
gegen eine Metallplatte ſpräche, welche derart beweglich und biegſam wäre, um alle durch
die Stimme erzeugten Schwingungen wiederzugeben, und würde dieſe Platte mit einem
elektriſchen Strome ſo verbunden werden können, daß ſie je nach den Luftſchwingungen, von
denen ſie getroffen wird, dieſen elektriſchen Strom abwechſelnd herſtelle und unterbreche — ſo
[877] würde es dadurch auch möglich, eine zweite ähnlich conſtruirte Metallplatte dazu zu bringen,
gleichzeitig genau dieſelben Schwingungen zu vollführen.“ Es iſt alſo ausdrücklich geſagt,
wenn die Platte ſo und ſo beſchaffen wäre, ſo würde es möglich ſein …, dies iſt unſeres
Dafürhaltens doch nicht mehr als der Wunſch, das Telephon zu erfinden.


Daß Bourſeul dieſer Wunſch nicht erfüllt wurde, zeigen nachſtehende Stellen: „Frei-
lich würde die Intenſität der erzeugten Tonſchwingungen an der Stelle, wo die Metallplatte
durch die Stimme vibrirt, eine wechſelnde ſein, während ſie an der Stelle, wo die
Metallplatte vermittelſt der Elektricität vibrirt, eine conſtante bleibt. Aber es iſt bekannt,
daß dieſes an der Tonhöhe nichts ändert. So iſt es klar, daß die Töne ſich in der-
ſelben Tonhöhe der Tonleiter reproduciren werden. Der augenblickliche Stand der

Figure 640. Fig. 636.

Philipp Reis.


akuſtiſchen Wiſſenſchaft geſtattet es nicht, a priori auszuſprechen, daß es mit
den ausgeſprochenen Silben der menſchlichen Sprache ſich ebenſo verhalte. Man
kennt noch nicht die Art und Weiſe, wie jene Laute hervorgebracht werden .... Wie dem
auch ſei, die Silben laſſen ſich genau wiedergeben durch Schallwellen; reproducirt genau
dieſe Schallwellen und ihr werdet auch genau die ſie erzeugenden Silben
reproduciren
.“ Aus dieſen Stellen ſcheint uns doch vollkommen klar hervorzugehen, daß
Bourſeul nicht wußte, wie die Platte beſchaffen ſein müſſe, wie ſie elektriſch mit einer zweiten
Platte zu verbinden ſei und wie die Schallwellen genau reproducirt werden ſollen, damit
ſie die Silben wiedergeben, geſchweige denn, daß er ein geeignetes Inſtrument geſchaffen
hätte. In dem citirten Aufſatze heißt es am Schluſſe auch: „Ich habe mit Experimenten ange-
fangen, ſie ſind ſchwierig und erfordern Zeit und Geduld, aber die erreichten Fortſchritte laſſen
[878] ein günſtiges Reſultat vorausſehen“. Alſo erhalten wurde es noch nicht, und auch die
Angabe der Mittel und Wege zur Erreichung der angeſtrebten Reſultate ſind nirgends zu
erkennen, und zwar umſo weniger, wenn man bedenkt, daß man nach der damals herrſchenden
Theorie allgemein annahm, eine Platte müſſe für verſchieden hohe Töne durch Spannungs-
verſchiedenheiten geſtimmt werden.


Die Priorität von Reis wurde auch in der Art angegriffen, daß man
behauptete, Reis habe allerdings ein Inſtrument erfunden, durch welches man
Töne auf große Entfernungen fortleiten und wiedergeben kann, welches aber
nicht im Stande iſt, die menſchliche Sprache zu reproduciren. Doch läßt ſich
auch dieſe Anſicht nicht aufrecht erhalten, wenn man die vorhandenen Documente
und Publicationen einer unparteiiſchen Würdigung unterzieht. Reis iſt, wie Grah-
winkel
vollkommen zutreffend bemerkt, nicht der Erfinder eines Telephones,
ſondern des Telephones.


Figure 641. Fig. 637.

Reis’ſches Telephon.


Philipp Reis
wurde am 7. Januar 1834
in der Reichsſtadt Geln-
hauſen
geboren. Sein
Vater, der Bäckermeiſter
und Ackerbürger Reis, er-
kannte bald die hervor-
ragenden Geiſtesanlagen
ſeines Sohnes und ſandte
daher dieſen in das Gar-
nier’ſche Erziehungsinſtitut
zu Friedrichsdorf bei Ham-
burg. Letzterer verließ das-
ſelbe im Alter von 14 Jah-
ren und genoß dann eine
weitere Ausbildung im In-
ſtitute Haſſel in Frankfurt
a. M. Obwohl ſeine Lehrer
dem jungen Reis zum Be-
ſuche der polytechniſchen
Schule in Karlsruhe rie-
then, mußte er ſich doch,
dem Einfluſſe ſeines Onkels nachgebend, dem Kaufmannsſtande zuwenden. Er trat,
16 Jahre alt, als Lehrling in ein Farbwaarengeſchäft ein, ſtudirte aber in ſeinen
freien Stunden mit Vorliebe Chemie, Phyſik und Mathematik und beſuchte
naturwiſſenſchaftliche Vorleſungen an der Handelsſchule. Als er ſeine Lehrjahre
vollendet hatte, gab er jedoch die kaufmänniſche Laufbahn auf und trat in die
Lehranſtalt des Dr. Poppe zu Frankfurt ein, um ſich dem Lehrerſtande zu widmen.
Im Jahre 1855 mußte er ſich nach Caſſel begeben, um ſeiner Militärpflicht
Genüge zu leiſten, worauf er im Jahre 1858 am Garnier’ſchen Inſtitute eine
Lehrerſtelle erhielt. Schon frühzeitig, nämlich im Jahre 1852, beſchäftigte ſich Reis
mit Verſuchen, betreffend die Schallübertragung. Da ihm keine Hilfsmittel zur Ver-
fügung ſtanden, mußte er ſich mit ſehr primitiven Apparaten behelfen. Der erſte
Apparat beſtand nach Mittheilungen Dr. Meſſel’s aus einer Biertonne, in
deren Spundloch ein kleiner Konus eingeſetzt wurde. Den Verſchluß des letzteren
an ſeiner engeren Mündung bildete eine thieriſche Membrane, auf welcher durch
[879] einen Tropfen Siegellak ein kleiner Platinſtreifen oder Draht befeſtigt war. Dieſer
Streifen beſorgte entſprechend den Schwingungen der Membrane das Strom-
öffnen und Schließen. Gleich einfach wurde der Receptor oder Empfänger ge-
ſtaltet, d. h. jener Apparat, welcher die Stromimpulſe aufnimmt und die Töne
wiedergeben ſoll. Er beſtand aus einer auf einer Violine befeſtigten Stricknadel,
welche von einer Drahtſpule umgeben war; die Violine diente als Reſonanzkaſten.
Später gab er ſeinem Sender, d. h. jenem Apparate, welcher die Stromimpulſe
dem Receptor ſendet, alſo die Schallwellen aufnimmt und in elektriſche Impulſe umſetzt,

Figure 642. Fig. 638.

Reis’ſches Telephon.


die Form des menſchlichen Ohres, wie dies in Fig. 637 dargeſtellt iſt. Bei dieſem
aus Holz roh geſchnitzten Modelle war auf der Membrane M der Platindraht f
mit einem Ende durch Siegellak befeſtigt und ſtellte ſo gewiſſermaßen den Hammer
im menſchlichen Ohre dar. Dieſem war an ſeinem freien Ende, auf der Feder R
befeſtigt, der Platineontact L gegenübergeſtellt. Die Schraube V ermöglichte die
Regulirung dieſer Feder. Die Drähte P P' vermittelten die Verbindung des Apparates
mit der Batterie. Wurde alſo die Membrane M durch Schallwellen in Schwin-
gungen verſetzt, ſo mußte dem entſprechend der Stromkreis P f L R und P' geöffnet
oder geſchloſſen werden, je nachdem f und L außer Contact ſtanden oder ſich berührten.


[880]

Der Apparat machte im Laufe der Zeit mannigfache Wandlungen durch, die
alle zu beſchreiben zu weit führen würde. Auch gaben die Verſuche mit den
erſt conſtruirten Apparaten keine befriedigenden Reſultate. Dies die Veranlaſſung,
warum hier gleich zu der Beſchreibung des endgiltigen Apparates übergegangen
wird.*)


Dieſer beſteht, wie Fig. 638 erkennen läßt, aus drei Theilen, nämlich dem
Zeichengeber A, dem Zeichenbringer C und der galvaniſchen Batterie B, welche
drei Beſtandtheile durch Leitungsdrähte untereinander verbunden ſind. Der obere
Theil des Zeichengebers A, in D ſeparat dargeſtellt, beſteht aus einem parallelo-
pipediſchen Holzkörper von 9 Centimeter Seitenlänge und 2·8 Centimeter Höhe.
In der Höhlung dieſes Holzkörpers iſt die Membrane m m befeſtigt, auf welcher
das ſchaufelförmige Platinſtreifchen n s im Mittelpunkte der Membrane bei s durch
Klebwachs aufgeklebt iſt; dieſes Platinſtreifchen ſteht mit einer bei n angebrachten
Klemmſchraube in Verbindung. Das Blättchen s bildet mit einem Stahl- oder
Platinſtiftchen, das von dem Meſſingwinkel a s b gehalten wird, den Contact zur
Weiterleitung des Stromes. Der Meſſigwinkel hat einen Stützpunkt in a und
taucht bei b in ein Queckſilbernäpfchen, welches an der zur Weiterleitung des
Stromes beſtimmten Klemmſchraube angebracht iſt. Der untere Theil des Appa-
rates in Form eines Holzkäſtchens von 6·8 Centimeter Höhe und 7·7 Centimeter
Breite trägt zur Aufnahme der Töne den trichterförmigen Anſatz S. Den Zeichen
bringer C bildet eine 21·5 Centimeter lange und 0·9 Millimeter dicke Eiſennadel,
über welche die Magnetiſirungsſpirale M geſchoben iſt. Die Nadel ruht unter
Vermittlung der Stege T T' auf dem Reſonanzkaſten R auf; über dieſen kann
ein zweiter Reſonanzkaſten R' in Form eines Deckels geſetzt werden. Der Reſonanz-
kaſten R iſt 22·9 Centimeter lang, 9·6 Centimeter breit und 2·5 Centimeter hoch.
Die Vorrichtungen e v am Apparate A und f am Apparate C ſtellen eine Art
elektromagnetiſchen Telegraphenapparates dar, welcher mit dem Telephone ſelbſt
nichts zu ſchaffen hat, ſondern nur eine bequeme Correſpondenz zwiſchen den
beiden Perſonen an der Aufgabs- und Empfangsſtation vermitteln ſoll. Reis gab
auch hiefür ein Zeichenſyſtem an.


Iſt der Contact bei s geſchloſſen, ſo geht der Strom von der Batterie aus
durch den Platinſtreifen n s, den daſelbſt aufruhenden Platinſtift in das Winkel-
ſtück s b, von hier durch den Telegraphenapparat e v, gelangt dann durch einen
Verbindungsdraht in die Spirale M und von dieſer zur Batterie zurück. Zeichen-
geber und Bringer ſind alſo von dem Batterieſtrome durchfloſſen. Spricht oder
ſingt man in den Schalltrichter S hinein, ſo geräth die im Käſtchen eingeſchloſſene
Luft in Schwingungen, an welchen auch die Membrane m Antheil nehmen muß.
Die Schwingungen der letzteren bewirken dann, wie leicht einzuſehen, Verände-
rungen des Contactes bei s und ſomit Stromſchwankungen im Schließungsbogen.
Dieſe rufen dann die Veränderungen des magnetiſchen Zuſtandes der Eiſennadel her-
vor, welche dadurch in Schwingungen geräth und ſo die Schallwellen reproducirt,
welche die Schwingungen der Membrane veranlaßten.


Das erſtemal und noch in ſehr primitiver Form zeigte Reis ſeinen Apparat
der phyſikaliſchen Geſellſchaft zu Frankfurt a. M. im Jahre 1861, in der durch
[881] die Fig. 638 dargeſtellten Form derſelben Geſellſchaft am 4. Juli 1863. Diesmal
waren Zeichengeber und Zeichenbringer 300 Fuß voneinander entfernt. Im Jahre
1863 wurde der Apparat durch Profeſſor Böttger der Naturforſcher-Verſamm-
lung zu Stettin vorgeführt. Der Apparat wurde von Albert in Frankfurt und
ſpäter von Hauck in Wien angefertigt und jedem Apparate ein von Reis ver-
verfaßter Proſpectus beigegeben.


Der Proſpectus lautet*): Telephon. Jeder Apparat beſteht, wie aus Fig. 638 erſicht-
lich, aus zwei Theilen, dem eigentlichen Telephon A und dem Reproductionsapparat C. Dieſe
beiden Theile werden in ſolcher Entfernung voneinander aufgeſtellt, daß das Singen oder
das Tönen eines muſikaliſchen Inſtrumentes auf keine andere Weiſe, als durch den Apparat
von einer Station zur andern gehört werden kann Beide Theile werden unter ſich und
mit der Batterie B wie gewöhnliche Telegraphen verbunden. Die Batterie muß hinreichen,
auf Station A die Anziehung des Ankers an dem ſeitlich angebrachten Elektromagnete (v) zu
bewirken (3—4 ſechszöllige Bunſen’ſche Elemente genügen für mehrere Hundert Fuß Ent-
fernung). Der galvaniſche Strom geht alsdann von R nach der Klemme bei n, von hier durch
das Kupferſtreifchen an das Platinplättchen auf der Mitte der Membrane, alsdann durch den
Stift bei s des Winkels nach der Schraube b, in deren kleine Grube man ein Tröpfchen
Queckſilber bringt. Von hier geht der Strom alsdann durch den kleinen Telegraphir-
apparat e v, dann zum Schlüſſel der Station C und durch die Spirale nach B zurück.


Werden nun hinreichend ſtarke Töne vor der Schallöffnung S erzeugt, ſo kommen
durch die Schwingungen derſelben die Membrane und das auf ihr liegende winkelförmige
Hämmerchen in Bewegung; die Kette wird für jede volle Schwingung einmal geöffnet und
wieder geſchloſſen und hierdurch werden auf Station C in dem Eiſendraht der Spirale ebenſo
viele Schwingungen hervorgebracht, welche man dort als Ton oder Tonverbindung (Accord)
wahrnimmt. Durch feſtes Auflegen des Oberkäſtchens auf die Spiralmaſſe werden die Töne
auf C ſehr verſtärkt. Außer der menſchlichen Stimme können (nach meinen Erfah-
rungen) noch ebenſo gut die Töne guter Orgelpfeifen von F — c und die des Claviers
reproducirt werden. Zu letzterem Zwecke ſtellt man A auf den Reſonanzboden des Claviers.
(Von 13 Dreiklängen konnte ein geübter Experimentator 10 ganz genau wieder erkennen.
Was den ſeitlich angebrachten Telegraphirapparat anbelangt, ſo iſt derſelbe zur Production
der Töne offenbar unnöthig; aber er bildet eine zum bequemen Experimentiren ſehr angenehme
Zugabe. Durch denſelben iſt es möglich, ſich mit dem vis-à-vis recht gut und ſicher zu ver-
ſtändigen. Es geſchieht dies etwa auf folgende einfache Weiſe: Nachdem der Apparat voll-
ſtändig aufgeſtellt iſt, überzeugt man ſich von der Continuität der Leitung und der Stärke
der Batterie durch Oeffnen und Schließen der Kette, wobei auf A Anſchlagen des Ankers und
auf C ein ſehr vernehmliches Picken der Spirale gehört wird. Der Proſpectus giebt hierauf
eine Art Alphabet an, durch welches die gegenſeitige Verſtändigung ermöglicht wird.


Es iſt viel und lebhaft darüber geſtritten worden, ob das Reis’ſche Telephon
nur Töne oder auch Worte zu übertragen im Stande war. Wir erachten es nach
den vorliegenden Documenten für unzweifelhaft, daß auch Worte übertragen wurden
und fügen zum Beweiſe deſſen zu dem Materiale, welches Thompſon in ſeiner
Biographie über Reis mit außergewöhnlicher Sorgfalt zuſammengeſtellt hat, einen
Brief in Form eines Autographes (Fig. 639) bei, welcher am 18. October 1863
von Reis an F. J. Pisko geſchrieben wurde.**) Wir heben aus dieſem nach-
ſtehende Stelle hervor: „Der Apparat giebt ganze Melodien, die Tonleiter zwiſchen
C und c ganz gut und ich verſichere Sie, daß, wenn Sie mich hier
Urbanitzky: Elektricität. 56
[[882]]

Figure 643. Fig. 639.

Reis’ Schreiben an F. J. Pisko.


[883]beſuchen wollen, ich Ihnen zeigen will, daß man im Stande iſt,
allerdings auch Worte zu verſtehen
.“


Reis war ſich aber auch der Bedeutung ſeiner Erfindung, die damals als
„Spielzeug“ bezeichnet wurde, bewußt, wie aus einer Aeußerung erhellt, die er
Garnier gegenüber machte: „Daß er der Welt den Weg zu einer großen Erfin-
dung gezeigt habe, nun aber Anderen überlaſſen müſſe, denſelben zu verfolgen.“
Im Jahre 1862 wies ſogar Poggendorff eine ihm eingeſandte Beſchreibung
des Apparates für die Annalen zurück, da er die Uebertragung von Sprachlauten
durch Elektricität für eine „Mythe“ hielt. Im Jahre 1864, nachdem das Telephon
bereits mehrfach in verſchiedenen Verſammlungen gezeigt worden war, erſuchte
Poggendorf um einen Bericht. Da antwortete aber der enttäuſchte arme Schul-
lehrer: „Ich danke Ihnen recht ſehr, Herr Profeſſor, es iſt zu ſpät. Jetzt will
ich ihn nicht mehr ſchicken. Mein Apparat wird auch ohne Beſchreibung in den
Annalen bekannt werden.“


Seiner Zeit weit vorausgeeilt, unverſtanden und ungenügend unterſtützt, voll-
endete ein Lungenleiden, was Kränkung und Entmuthigung begonnen hatten: im
Jahre 1873 warf ſein Leiden den bedauernswerthen Erfinder auf das Kranken-
lager, nachdem er ſchon im Jahre 1871 die Sprache verloren hatte, ſich aber
wieder ſcheinbar erholte und neuerdings ſeine Lehrthätigkeit aufnahm. Er ſtarb am
14. Januar 1874 und ruht am Kirchhofe zu Friedrichsdorf, wo ihm vom phyſi-
kaliſchen Vereine in Frankfurt a. M. ein Denkmal geſetzt wurde.


Obgleich die Priorität des deutſchen Erfinders Ph. Reis nicht beſtritten
werden kann, darf doch keineswegs überſehen werden, daß das Reis’ſche Telephon
noch mannigfache und ſehr bedeutende Wandlungen durchmachen mußte, bis es
unter den Händen Graham Bell’s jene Geſtalt und Leiſtungsfähigkeit erhielt,
die ſeine ausgedehnte praktiſche Anwendung ermöglichten. An der Vervollkommnung
des Telephones arbeiteten S. Yeates (1865), Wright (1865), C. Varley (1877),
C
. und L. Wray (1876), E. Gray (1874), van der Weyde (1868), Pollard
und Garnier. So hat z. B. Yeates neben anderen Abänderungen des Reis’ſchen
Telephones auch die angegeben, zwiſchen dem Platinplättchen auf der Membrane
und dem Contactſtifte einen Tropfen angeſäuerten Waſſers zu bringen. Hierdurch
wurden an Stelle der Stromöffnungen und Schließungen Stromſchwankungen
geſetzt, weil jetzt bei Entfernung des Stiftes von dem Plättchen das angeſäuerte
Waſſer die Stromleitung übernimmt; ſtatt der Unterbrechung erfolgt alſo nur die
Einſchaltung eines größeren oder geringeren Widerſtandes in den Stromkreis. Es
ſoll zwar Yeates gelungen ſein, Worte ziemlich deutlich zu übertragen, doch wurden
die Verſuche nicht weiter verfolgt. Van der Weyde änderte das Reis’ſche Tele-
phon in nachſtehender Weiſe ab. Der Eiſenſtab mit ſeiner Drahtſpule wurde
gewiſſermaßen in der Mitte entzweigeſchnitten, ſo daß alſo zwei gerade Elektro-
magnete entſtanden, deren Axen in eine Linie fielen. Der Tonſender erhielt ſtatt
der kubiſchen Form die eines Doppel-Schreibpultes; die eine geneigte Fläche ent-
hielt in einem kreisförmigen Ausſchnitte die Membrane mit der Contactvorrichtung,
die zweite ſchiefe Fläche blieb unbedeckt. Hingegen war von der Zuſammenſtoßkante
der beiden geneigten Flächen gegen den Boden des Pultes eine Kautſchukmembrane
geſpannt. Wright und Varley conſtruirten Telephone, welche auf dem elektriſchen
Condenſator beruhten.


Der ſingende Condenſator, durch Pollard \& Garnier in einfachere Form gebracht,
machte unter dem Namen „Das ſingende Buch“ ſeinerzeit ziemlich großes Aufſehen.
56*
[884] Fig. 640 iſt eine ſchematiſche Darſtellung desſelben. Der Condenſator d d iſt in ähnlicher Weiſe
gebildet, wie ein ſolcher Seite 305 bereits beſchrieben wurde. Zwiſchen 30 übereinander
gelagerten Papierblättern ſind 28 Blätter Zinnfolie eingelegt, ſo daß das Ganze eine Art
Heft oder Buch bildet. An einer Seite ſind die paaren, an der entgegengeſetzten Seite die
unpaaren Zinnblätter leitend miteinander verbunden und bilden, wie bei Franklin’ſchen Tafeln,
die Belegungen für die Papierblätter. Entſprechend angebrachte Papierſchleifen ſorgen für das
Zuſammenhalten der Blätter untereinander und mit dem als Unterlage dienenden Carton. Bei

Figure 644. Fig. 640.

Pollard \& Garnier’s ſingendes Buch.


d d iſt der Condenſator mit Kupferfaſſungen verſehen, welche
Klemmſchrauben zur Befeſtigung der Leitungsdrähte tragen.
Der Uebergangsapparat oder Transmitter beſteht aus einem
hölzernen Ringe, welcher oben durch die dünne Eiſenplatte c c
geſchloſſen iſt; über dieſe Platte iſt das Mundſtück e an-
gebracht. Der engen Oeffnung dieſes Mundſtückes gegenüber,
alſo im Mittelpunkte dieſer Platte, trägt dieſe das Contact-
ſtück K aus Retorten- oder Batteriekohle oder auch aus Platin.
Das zweite dieſem gegenüberſtehende Stück K1 aus demſelben
Materiale ſitzt auf dem Holzſtäbchen h, welches auf einer
Seite des Ringes befeſtigt iſt, auf der andern durch die
Schraube V verſtellt werden kann; letzteres bezweckt, die beiden
Kohlenſtücke K K1 in die richtige Lage zu einander bringen
zu können. Dieſe beſteht darin, daß ſich K K1 nicht berühren,
ſo lange die Eiſenplatte c c ſich in Ruhe befindet, aber bei
der geringſten Schwingung derſelben einen Contact bilden, der
dem Strome der Batterie B (beſtehend aus etwa 6 Leclanché-
Elementen) den Durchgang geſtattet. Zu dieſem Behufe iſt
nämlich die eine Klemmſchraube p mit dem Kohlenſtücke K und die andere Klemmſchraube p
mit dem Kohlenſtücke K1 verbunden. Der eine Pol der Batterie iſt mit einer dieſer Klemm-
ſchraube in Verbindung, der andere mit den primären Windungen der Inductionsſpule S.

Figure 645. Fig. 641.

Janſſens’ Apparat.


Das andere Ende dieſer Windungen ſteht mit der zweiten Klemm-
ſchraube p des Transmitters in Verbindung. Von den Kupferfaſſungen
des Condenſators führen Drähte zu der ſecundären Spirale. Sonach
iſt das Spiel des ganzen Apparates folgendes: Wird die Platte c c,
z. B. durch Hineinſingen in das Mundſtück e, in Schwingungen ver-
ſetzt, ſo werden hierdurch vibrirende Ströme durch die primäre Spirale
geſandt. Hierdurch entſtehen ähnliche Inductionsſtröme in der ſecundären
Spirale und bewirken durch Verbindung der letzteren mit dem Conden-
ſator den Schwingungen der Eiſenplatte entſprechende Ladungen des-
ſelben. Der Condenſator beginnt zu tönen und giebt den Geſang mehr
oder minder gut wieder, je nachdem der Sänger der Natur des
Apparates mehr oder weniger Rechnung zu tragen verſteht.


Eine weitere Vereinfachung, welche dem Apparate durch Janſſens
gegeben wurde, ſtellt Fig. 641 dar. Der Transmitter iſt in eine Holz-
büchſe eingeſchloſſen, welche eine ähnliche Form hat wie die der jetzt
gebräuchlichen Telephone, und trägt ein nach abwärts gerichtetes Rohr,
das die Inductionsrolle m enthält. Mit c c iſt in der Figur wieder die
Eiſenmembrane bezeichnet, k und k1 ſind die beiden Kohlenſtücke und h
iſt der das untere Kohlenſtück tragende Hebel, der durch die Schraube V
und die Feder f in die geeignete Stellung gebracht werden kann. Um die
Schwingungen der in der Büchſe eingeſchloſſenen Luft nicht zu hemmen,
iſt die erſtere mit ſeitlichen Oeffnungen verſehen. Die an der unteren
Fläche des Rohres angebrachten Klemmſchrauben geſtatten, die gewünſchten
Drahtverbindungen bequem herzuſtellen.


Wir begnügen uns mit obigen Angaben über Telephone, welche ausſchließlich
oder wenigſtens vorwiegend doch nur zur Uebertragung von Tönen, nicht aber
von geſprochenen Worten geeignet ſind und deshalb auch mit dem Namen Muſik-
Telephone
bezeichnet wurden und gehen nunmehr zu jenen von Graham Bell
durchgeführten Unterſuchungen über, welche zur Conſtruction des endgiltigen, magnet-
elektriſchen Telephones, zu der des Fernſprechers führten. Bell, aus Edinburg
[885] ſtammend, kam im Jahre 1868 als Taubſtummenlehrer nach Boſton. Bekanntlich
ſind die Taubſtummen nicht deshalb ſtumm, weil ihre Sprechwerkzeuge fehlerhaft
ſind, ſondern weil ſie in Folge ihrer Taubheit das geſprochene Wort nicht hören
können. Es iſt ebenfalls bekannt, daß man ſich in neuerer Zeit bemüht, und zwar
mit Erfolg bemüht, den Taubſtummen den Mechanismus des Sprechens auf anderem
Wege als durch das Gehör zur Kenntniß zu bringen. Erreicht man dies, ſo kann
der Taubſtumme in der Regel auch ſprechen lernen, weil, wie bereits erwähnt, die
Sprechorgane normal entwickelt ſind. Zur Ausbildung dieſer Lehrmethode ſtudirte
nicht nur Graham Bell, ſondern auch ſchon deſſen Vater Alexander Melville
Bell
eingehend den Mechanismus des Sprechens, die Bildung der Vocale und den
Zuſammenhang zwiſchen Ton und der graphiſchen Darſtellung desſelben. Vater und
Sohn ſtudirten gemeinſchaftlich die Beziehungen zwiſchen den Elementen der Worte
verſchiedener Sprachen und zwiſchen den Vocalen und Tönen. Graham Bell wurde
durch dieſes Studium zur künſtlichen Darſtellung der Vocale durch Stimmgabeln
geführt und durch das Studium der Arbeiten und Forſchungen von Helmholtz
(1859 bis 1862) zur Anwen-
dung der elektriſchen Ströme
bei dieſen Verſuchen angeregt.


Muſikaliſche Klänge ent-
ſtehen durch harmoniſche Vereini-
gung von Tönen und ebenſo
entſtehen auch die Vocale, die
eben auch nichts Anderes als
harmoniſche Tonverſchmelzungen
darſtellen; die Conſonanten hin-
gegen ſetzen ſich aus Geräuſchen
zuſammen, welche raſch und un-
regelmäßig aufeinander folgen.
Es gelingt daher auch verhältniß-
mäßig leicht, die Vocale künſtlich
zu erzeugen, indeß die Erzeu-
gung der Conſonanten bedeutende
Schwierigkeiten bereitet. Die

Figure 646. Fig. 642.

Bell’s elektriſche Harmonika.


Klangfarbe, alſo auch die menſchliche Stimme, wird, wie Helmholtz gezeigt hat, durch die
Zahl und relative Stärke jener Obertöne beſtimmt, welche den Grundton begleiten. Derartige
Studien, ſowie auch ſolche über Telegraphie veranlaßten Bell (wie auch Andere) zunächſt zur
Erfindung einer Art elektriſchen Harmonika, in der Abſicht, die Zeichen des Morſe-Telegraphen
hörbar zu machen. Bell hatte hierbei (wie auch ungefähr zur ſelben Zeit Lacour, E. Gray,
Ediſon
und Varley) den Hintergedanken, durch dieſe Methode die gleichzeitige Beförderung
mehrerer Depeſchen auf einem und demſelben Drahte zu ermöglichen. Dieſe erſte Form eines
Bell’ſchen Telephones iſt in Fig. 642 ſchematiſch angedeutet. Eine Stabharfe H H' iſt an
den Polen des permanenten Magnetes N S befeſtigt. Verſetzt man irgend einen der magnetiſchen
Harfenſtäbe H in Schwingung, ſo werden in den Drahtwindungen des Elektromagnetes E
Ströme inducirt (weil die Schwingung eines ſolchen Stabes ein Annähern und Entfernen
eines Magnetes an oder von den Drahtwindungen E darſtellt; vergl. Seite 290). Da die
Drahtwindungen eines zweiten Elektromagnetes e durch die Leitung l und die Erdleitung L L'
mit dem erſten in Verbindung ſtehen, muß auch dieſer erregt werden und einen der Stäbe h
auf dem permanenten Magnete n s anziehen und abſtoßen, d. h. in Schwingung bringen.
Die Impulſe, welche der Elektromagnet e erhält, ſind aber genau dieſelben, welche in E durch
die Schwingung des Stabes erregt werden; folglich muß auch in h eine vollkommen gleiche
Schwingung eintreten. Da ferner jeder Stab nur die ihm eigenartige Schwingung vollführen
kann und keine andere, ſo kann auch von den Stäben in h nur jener Stab in Schwingung
gerathen, welcher jenem Stabe in H gleichartig iſt, durch deſſen Schwingung in den Draht-
windungen von E die Inductionsſtröme hervorgerufen wurden. Es iſt ein bekanntes Experi-
ment, daß ein geöffnetes Clavier, gegen deſſen Saiten man einen Ton hineinſingt, dieſen
[886] wiedergiebt, und zwar deſto getreuer, je mehr Saiten das Clavier enthält. Durch das Hinein-
ſingen gelangen nämlich jene Saiten in Schwingung, welche den Grundton geben; es ſchwingen
aber auch jene Saiten mehr oder minder kräftig mit, welche die Obertöne geben. Je mehr
derartige Saiten vorhanden ſind, deſto genauer wird alſo auch die Klangfarbe des hinein-
geſungenen Tones wiedergegeben werden können. Dasſelbe gilt nun auch für die elektriſche
Harmonika und daher kann dieſe in der durch Fig. 642 angedeuteten Weiſe zur Uebertragung
der Töne ſammt ihrer Klangfarbe verwendet werden. Die Koſten der Herſtellung eines ſolchen
Apparates hielten Bell von der Conſtruction und weiteren Verfolgung der Idee ab.


Die Fortſetzung ſeiner Arbeiten bildete dann ein eingehendes Studium der
verſchiedenſten Arten von Schwingungen, welche durch verſchiedene Arten der Strom-
einwirkung erhalten werden können, und Bell unterſchied dreierlei Stromarten, oder
richtiger Arten der Stromgebung. Um einen fixen Anhaltspunkt zu haben, nehmen
wir an, der in Schwingung zu verſetzende Körper ſei eine Eiſenplatte, der die
Schwingung derſelben veranlaſſende Körper ein Elektromagnet. Wird nun dieſer
in der Weiſe magnetiſirt und entmagnetiſirt, daß man den ihn erregenden Strom
ſchließt und unterbricht, daß alſo Stromſchließungen und Stromunterbrechungen
raſch aufeinander folgen, ſo nennt Bell dies einen intermittirenden Strom.
Verfährt man der Hauptſache nach in derſelben Weiſe, ſorgt aber bei der Oeffnung
des Stromkreiſes dafür, daß dieſen immer noch ein Strom von beſtimmter, wenn
auch geringer Stärke durchfließt, ſo werden dieſe Ströme als Impulſionsſtröme
bezeichnet. Dieſe beiden Arten der Ströme wurden in den älteren, uns bereits
bekannten, Telephonen benützt, und zwar der letztere von Yeates; durch die Ein-
ſchaltung des Waſſertropfens an der Contactſtelle wurde zwar wie bei Reis der
Stift von der Platte während der Schwingungen derſelben abgehoben, hingegen
aber der Stromkreis nicht ganz unterbrochen, ſondern nur ein größerer oder
geringerer Widerſtand (der Waſſerſchichte) eingeſchaltet und ſomit auch der Strom
nie ganz unterbrochen, ſondern nur in größerem oder geringerem Grade geſchwächt.
Stellt man die Schwingungen der Platte, welche nach einer der obigen Methoden
in Bewegung geſetzt wird, graphiſch dar, indem man mit der Platte in geeigneter
Weiſe ein Federchen verbindet, welches auf einer raſch vorüber geführten berußten
Fläche ſchleift, ſo erhält man ſcharf und kantig gebrochene Linienzüge, entſprechend
der plötzlichen Schließung oder Unterbrechung, beziehungsweiſe Verſtärkung oder
Schwächung jenes Stromes, durch welchen der Magnet auf die Platte zu wirken
befähigt wird. Da nun die menſchliche Sprache eine ununterbrochene Aufeinander-
folge von Klängen und Geräuſchen iſt, ſo wird man jetzt auch leicht einſehen, daß
weder die Impulſionsſtröme noch die intermittirenden Ströme im Stande ſein
können, Worte zu reproduciren oder die Sprache an Orten wiederzugeben, welche
von der Erregungsſtelle mehr oder minder weit entfernt ſind. Zwar hat auch
Reis ganz richtig erkannt, daß die Sprache nur dann reproducirt werden kann,
wenn es gelingt, an jenem Orte wo die Reproduction ſtattfinden ſoll, genau
dieſelben Schwingungen hervorzurufen, doch iſt es erſt Bell gelungen, das Mittel
hierzu in der Anwendung jener Ströme zu finden, welche er mit dem Namen
Undulationsſtröme (Wellenſtröme) bezeichnete. Dieſe charakteriſiren ſich dadurch,
daß ſie im Allgemeinen nicht plötzlich auftreten oder verſchwinden, zur Maximal-
ſtärke anwachſen oder zur Minimalſtärke herabſinken, ſondern allmählich anſchwellen
oder abnehmen. Dieſer Charakter tritt bei der graphiſchen Darſtellung der
durch ſolche Ströme bewirkten Schwingungen dadurch zu Tage, daß die Linien-
züge einen wellenartigen Verlauf zeigen. Raſche, kräftige Schwingungen werden
ſteile Wellenberge erzeugen, ſchwache, langſame Schwingungen ſanft verlaufende
[887] Wellenzüge. Die Undulationsſtröme werden daher eine genaue Copie der menſchlichen
Sprache geben können, da ſie ſowohl langſam als auch raſch verlaufende Wellen wieder
zu erregen im Stande ſind, während die intermittirenden Ströme nur gewiſſer-
maßen Stöße reproduciren können; ſie werden daher Töne ganz gut reproduciren,
nie aber deren Klangfarbe geben können, ſie werden Worte nur unverläßlich und
ſchwer verſtändlich, viele aber gar nicht wiedergeben können. Die Impulſionsſtröme
ſtehen zwiſchen den intermittirenden und den Undulationsſtrömen in der Mitte; ſie
können ſich zwar nicht jeder Art von Schwingungen anſchmiegen und dieſe wieder
erregen, ſind aber, weil der Stromſchluß nie ganz unterbrochen wird, doch befähigt,
bis zu einem gewiſſen Grade der Art der Schwingungen zu folgen. Dies iſt auch
die Urſache, warum Yeates mit ſeinen Sprechverſuchen beſſeren Erfolg hatte als Reis.


Obige Betrachtungen glaubten wir hier in der Vorgeſchichte des Telephones
bereits einſchalten zu müſſen,
einerſeits um das Verſtändniß
der einzelnen Entwicklungs-
ſtadien ſelbſt zu erleichtern,
andererſeits um die Verdienſte
keines Erfinders zu ſchmälern.


Von obigen Gedanken
geleitet, conſtruirte Bell den
in Fig. 643 dargeſtellten
Apparat. Der Konus C wurde
an ſeiner engeren Oeffnung
durch ein Goldblättchen M
verſchloſſen, mit welchem durch
ein Stäbchen die Armatur a b
des Elektromagnetes E dreh-
bar verbunden war. Wurde
die Membrane M durch Schall-
erregung in Schwingungen
verſetzt, ſo inducirte die mit-
ſchwingende Armatur Undu-
lationsſtröme in E, welche,
wenn der Apparat C mit dem

Figure 647. Fig. 643.

Bell’s Telephon.


ihm ganz gleichen Apparate C' in Verbindung geſetzt wurde, durch den Magnet E'
und deſſen Armatur a' b' die Membrane M' zu genau denſelben Schwingungen
veranlaßte, durch welche die Membrane M die Undulationsſtröme eben hervorgerufen
hatte, d. h. alſo, die Membrane M' gab die Schallſchwingungen wieder, welche
die Membrane M aufgenommen hatte.


Dieſe Form des Apparates war es auch, welche Bell in ſeinem Patente vom
Jahre 1876 angab. Schon im Jahre 1875 wurde Brown von Bell beauftragt,
im Namen des Letzteren die europäiſchen Patente zu nehmen. Da aber die Gelehrten
in London, welchen Brown den Apparat zeigte und erklärte, die Sache nicht für
wichtig genug hielten, zögerte Brown, die nöthigen Schritte zu thun. Bell ſchrieb
und drängte zur Anmeldung der Patente, konnte ſie aber doch nicht erhalten, da
inzwiſchen Brown ermordet wurde. Bell entſchloß ſich nun, zunächſt in Amerika
ein Patent zu erwerben und überreichte am 20. Januar 1876 die Beſchreibung
ſeines Telephones; die officielle Anmeldung erfolgte jedoch erſt am 14. Februar 1876.


[888]

Es iſt als ein merkwürdiger Zufall zu bezeichnen, daß ungefähr zwei Stunden
nach Einreichung von Bell’s Patent durch den Agenten von Elisha Gray
die Bitte um ein „Caveat“, gleichfalls ein Telephon betreffend, welches auch Worte
zu übertragen im Stande iſt, im amerikaniſchen Patentamte geſtellt wurde. Gleich-
zeitig erfolgte die Uebergabe eines Modelles und einer präciſen Beſchreibung. Bei
Gray’s Telephon ſind, wie Fig. 644 zeigt, Sender und Empfänger verſchieden
geſtaltet. Der Sender, alſo jener Apparat, gegen welchen die Perſon ſpricht,
beſteht aus einer Büchſe B, welche unten durch eine dünne Membrane aus irgend
welcher Subſtanz abgeſchloſſen iſt. Dieſe Membrane trägt an ihrer Unterſeite einen
Metallſtab t, deſſen Fortſetzung die Schraube t' bildet, welche durch den Boden
des den Stab t umgebenden Gefäßes G dringt. Das Gefäß G iſt mit einer ſchlecht

Figure 648. Fig. 644.

Telephon von E. Gray.


leitenden Flüſſigkeit gefüllt. Der Empfänger beſteht aus dem Schallbecher B', welcher
auf einer Seite durch die Membrane m' abgeſchloſſen erſcheint; an jener Stelle,
welcher der Elektromagnet e gegenüberſteht, trägt die Membrane ein Stück weichen
Eiſens. Beide Apparate ſind durch den Draht l und die Erdleitung L L' mit-
einander verbunden und in den Stromkreis einer Batterie geſchaltet. Das Verhalten
dieſes Telephones iſt dasſelbe wie jenes von Yeates. Die durch das Sprechen in
Schwingungen verſetzte Membrane m ſchaltet durch Vermittlung des Stabes t
ſchneller oder langſamer einen größeren oder geringeren Widerſtand in den Strom-
kreis ein und erregt dadurch, wenn wir die Bell’ſche Bezeichnung beibehalten,
Impulſionsſtröme, welche, in den Elektromagnet des Empfängers geleitet, die Mem-
brane m' zu denſelben Schwingungen veranlaſſen, welche die Membrane m im
Sender gemacht hat.


[889]

Wie vorauszuſchen, entſpann ſich zwiſchen Bell und Gray ein Patentſtreit,
über welchen hier zu berichten der Raum zu enge begrenzt erſcheint. Es mag daher
nur mitgetheilt werden, daß derſelbe zu Gunſten Bell’s entſchieden worden iſt.


Die Reſultate, welche Bell mit dem in Fig. 643 dargeſtellten Apparate
erhielt, waren keineswegs vollkommen befriedigende. Bell ging daher unverweilt
daran, ſein Telephon weiter auszubilden. Hierbei erhielten Sender und Empfänger
wie Fig. 645 zeigt, voneinander verſchiedene Formen. Erſterer beſteht aus dem
Elektromagnete m m, der durch eine Schraube von dem auf dem Grundbrette des
Apparates befeſtigten hölzernen Träger in horizontaler Lage gehalten wird. Auf
demſelben Brette iſt der Metallring e in verticaler Stellung aufgeſchraubt. Die
Schrauben V V, welche dieſen Metallring durchſetzen, dienen ſowohl dazu, eine Mem-
brane aus Pergamentpapier in ihrer Lage gegenüber den Magnetpolen zu erhalten,
als auch deren Spannung zu reguliren. Auf der Membrane iſt als Anker für den
Elektromagnet ein Plättchen aus weichem Eiſen aufgekittet. Die Drahtwindungen
des Elektromagnetes ſind mit ihren Enden an die auf dem Grundbrette angebrachten
Klemmſchrauben angeſchloſſen, welche zur Aufnahme der Leitungsdrähte dienen.
Letztere ſind mit ihren anderen Enden in den Klemmſchrauben des Empfängers

Figure 649. Fig. 645.

Bell’s Telephon.


eingeſchraubt. Der Empfänger beſteht aus einem graden Elektromagnet, welcher
von einem cylindriſchen Eiſenrohre d umſchloſſen iſt (vergl. S. 279), und der auf
dieſem Rohre einſeitig befeſtigten Eiſenplatte c, die als Anker dient. Die ganze
Vorrichtung iſt unter Vermittlung einer Reſonanzbrücke g auf dem Grundbrette
des Empfängers befeſtigt.


Wird gegen die Membrane des Senders geſprochen, ſo geräth dieſelbe mit
ihrem Eiſenplättchen in Schwingungen, im Elektromagnetewelche m m Undulations-
ſtröme hervorrufen; dieſe fließen durch die Leitung zum Empfänger, erregen daſelbſt
den Elektromagnet und verſetzen die Eiſenplatte C in ebenſolche Schwingungen,
wie ſie die Membrane des Senders gemacht hat. In der durch Fig. 645 dar-
geſtellten Form gelangte das Bell’ſche Telephon auch im Jahre 1876 in Phila-
delphia zur Ausſtellung. Ebendort war auch ein Bell’ſcher Transmitter zu ſehen,
deſſen Conſtruction mit jener des Transmitters von Elisha Gray (Fig. 644)
identiſch iſt.


Das Bell’ſche Telephon in der zuletzt beſchriebenen Form erwies ſich zwar
ganz geeignet zur Uebertragung der Sprache, hatte aber den Nachtheil, daß deſſen
Empfänger nur eine einſeitige Anwendung, nämlich nur als Empfänger, nicht
aber als Sender zuließ, wodurch man, um von einem Orte zum andern und
[890] umgekehrt ſprechen zu können, genöthigt wurde, an beiden Orten einen Sender und
einen Empfänger aufzuſtellen. Um auch dieſe Unbequemlichkeit zu beſeitigen, ſetzte
Bell ſeine Verſuche neuerdings fort und gelangte endlich zu jenem Apparate, der
als definitives Modell gegenwärtig in ausgedehnteſter Anwendung ſteht und uns
im nächſten Abſchnitte beſchäftigen wird. Bell’s Telephon kam im November 1877
zum erſtenmale nach Europa*) und gewann außerordentlich raſch eine ausgedehnte
Verbreitung. So wurde z. B. ſchon 12. November 1877 zu Friedrichsberg bei
Berlin das erſte Fernſprechamt eröffnet.


Bevor jedoch die Telephonie jene hervorragend praktiſche Bedeutung erlangen
konnte, die ſie gegenwärtig beſitzt, war noch eine Aufgabe zu löſen. Die Bell’ſchen
Telephone in ihrer endgiltigen Form übertragen zwar die Sprache vollkommen
exact, ſo lange die Entfernung beider Stationen voneinander keine zu große iſt,
zeigen ſich jedoch in ihrer Wirkung zu ſchwach, wenn die Diſtanz eine bedeutende
wird. Dieſer Uebelſtand wurde endlich durch die Erfindung des Mikrophones
beſeitigt. Hughes bezeichnet als das Weſentliche eines Mikrophones das Vor-
handenſein eines Leiters, welcher ſeinen Widerſtand genau im Einklange mit tönenden
Schwingungen zu ändern vermag. Ein derartiger Apparat erlaubt die Anwendung
von Batterieſtrömen und daher eine kräftigere Wirkung. Das wiſſenſchaftliche
Princip, welches darin beſteht, daß beim Uebergange eines elektriſchen Stromes
durch den Berührungspunkt zweier Körper die elektriſche Leitungsfähigkeit ſich ändert
mit der Veränderung des Berührungsdruckes dieſer beiden Körper, wurde bereits
im Jahre 1856 vom Grafen Th. du Moncel entdeckt. Zur praktiſchen Anwen-
dung kam dieſes Princip jedenfalls ſchon beim Reis’ſchen Telephone, da durch die
Schwingungen der Membrane offenbar nicht nur plötzliche Stromöffnungen und
Schließungen bewirkt wurden, ſondern auch einfache Veränderungen der Berührungs-
[891] punkte zwiſchen Platinſtift und Platinplättchen eintraten. Veränderungen des Durch-
gangswiderſtandes wurden auch bei den Apparaten von Yeates, E. Gray und
Bell durch die eingeſchaltete Flüſſigkeit bewirkt.


Die für Contacte von veränderlichem Leitungswiderſtande beſenders geeignete
Kohle wurde zuerſt von Ediſon praktiſch für die Telephonie verwerthet, und zwar
durch Conſtruction ſeines Kohlentelephones, deſſen Beſchreibung in einem nächſten
Abſchnitte folgen ſoll. Er befeſtigte auf der Platte eines Bell’ſchen Telephones ein
Platin- oder Graphitſtückchen und ließ gegen dasſelbe durch eine Feder abermals
ein Graphitſtückchen mit ſchwachem Drucke aufruhen. Ediſon’s Kohlentelephon
zeichnet ſich zwar durch eine kräftige Wirkung aus, iſt aber nicht empfindlich genug.
(Wie wir bereits erfahren haben, wurde der Kohlencontact auch ſchon von Pollard
und Garnier zur Uebertragung von Muſik benützt; S. 883.)


Am 16. October 1877 erhielt E. Berliner in Boſton ſein amerikaniſches Patent
(datirt vom 7. Juli 1877) auf den mikrophoniſchen Apparat, welcher durch Fig. 646 ſchematiſch
dargeſtellt iſt. Hierbei ſind die Apparate an der Abſende- und an der Empfangſtation einander
gleich conſtruirt. Die ſecundären Spiralen der Inductionsrollen j j' verbindet die Leitung L L';
die primären Spiralen ſind in je einen die Batterie B, beziehungsweiſe B', und den Kohlen-
contact s, beziehungsweiſe s' enthaltenen Stromkreis geſchaltet. Dr. R. Lüdtge erhielt am
12. Januar 1878 ein deutſches Reichspatent auf ſein Univerſaltelephon; in der Patent-

Figure 650. Fig. 646.

Berliner’s Transmitter (1877).


beſchreibung heißt es: „Wenn man in den Stromkreis einer Batterie eine Unterbrechungsſtelle
hervorbringt, etwa durch ein einfaches Zerſchneiden des Leitungsdrahtes, und die beiden
Schnittflächen gegeneinander legt, ſo iſt freilich der Strom wieder geſchloſſen; jedoch findet
an der Schnittfläche ein Uebergangswiderſtand ſtatt, der um ſo geringer wird, je ſtärker man
die beiden Schnittflächen aneinander drückt … Conſtruirt man die eine Schnittfläche nun
ſo, daß ſie durch Sprechen oder andere Geräuſche in Schallſchwingungen verſetzt wird, ſo
wird ſie gegen die andere berührende Schnittfläche verſchieden drücken, je nach Intenſität und
Form der einzelnen Schwingung. Der Uebergangswiderſtand an dieſer Stelle wird genau
durch Intenſität, Form und Anzahl der Schallſchwingungen der tönenden Schnittfläche in
ſeiner Größe beeinflußt und beſtimmt, mithin auch die Intenſität des im Stromkreiſe vor-
handenen Batterieſtromes … und ein in den Stromkreis eingefügtes Bell’ſches Telephon
wird der Amplitude der Schallſchwingung entſprechende Vergrößerung der Intenſität des
Stromes wieder in die entſprechende Schallwirkung überſetzen. Im Bell’ſchen Telephon als
Empfangs-Apparat wird man alle die Schwingungen hören, welche von der einen
Schnittfläche an der Unterbrechungsſtelle als Aufgabe-Apparat ausgeführt werden, und
zwar mit allen Feinheiten, da kein Schließen und Oeffnen des Stromes, ſondern ein An-
und Abſchwellen der Intenſität ſtattfindet … Bei der Conſtruction ſollen die beiden —
bisher als Schnittflächen bezeichneten — Enden der Unterbrechungsſtellen in dauernder
Berührung miteinander ſein, ſo daß der Stromkreis ſtets geſchloſſen iſt; ſie dürfen ſich aber
nur ſo berühren, daß an der Berührungsſtelle ein merklicher Uebergangswiderſtand der
Elektricität ſtattfindet, und daß die Innigkeit dieſer Berührung ſich ändert, ſobald das eine
der beiden Enden oder beide in Schallſchwingung gerathen. Die Berührung darf auch des-
wegen nicht eine zu innige ſein, damit die Schallſchwingungen des einen Endes wenigſtens
merklich ſtattfinden können.“


In der Zeichnung zu dieſer Patentbeſchreibung iſt der Aufgabe-Apparat durch ein
Blättchen aus Metall, verſilbertem Glaſe oder dergleichen dargeſtellt, welches in einem Holz-
[892] ringe gefaßt erſcheint. Das eine Drahtende einer Batterie wird mit dem Blättchen verbunden,
das andere mit einem Metallſtifte, welcher durch eine Mikrometerſchraube gegen das Blättchen
ſo geſtellt werden kann, daß er mit dieſem in leichte Berührung kommt und den Strom-
kreis ſchließt.


Es würde uns zu weit führen, aller mikrophoniſchen Verſuche zu gedenken,
welche ausgeführt wurden, bevor David Eduard Hughes ſeine eingehenden und
ausgedehnten Verſuche über das Mikrophon durchführte (1877) und ſeine Mikro-
phone conſtruirte. Der Name „Mikrophon“ ſoll ſagen, daß man mit Hilfe eines
ſolchen Apparates auch die ſchwächſten Töne oder Geräuſche (Schallwellen im All-
gemeinen) hörbar machen kann. Das von Th. du Moncel entdeckte Verhalten eines
veränderlichen Contactes im Stromkreiſe einer galvaniſchen Batterie wurde aller-
dings ſchon früher mit Vortheil in der Telephonie verwendet, doch hat erſt Hughes,
der Erfinder des Typendrucktelegraphen, die mikrophoniſchen Erſcheinungen einer
zuſammenfaſſenden und ſyſtematiſchen Behandlung unterzogen und gilt daher als
der Erfinder des Mikrophones. Hughes’ Arbeiten wurden im Jahre 1878 durch
Huxley in der Royal Society in London bekannt gemacht. Hughes bezeichnet
in denſelben als Weſen des Mikrophones das Vorhandenſein eines Leiters, deſſen

Figure 651. Fig. 647.


Figure 652. Fig. 648.

Mikrophoniſche Verſuche von Hughes.


Widerſtand ſich in genauer Uebereinſtimmung mit Schallſchwingungen zu ändern
vermag, und giebt als zu dieſem Zwecke geeignete Körper, Leiter in Pulverform
(Eiſenfeile, Bronzepulver u. ſ. w.) oder auch in Flächenform an, die durch gelinden
Druck in Contact gebracht werden.


Von den Verſuchen, welche Hughes durchgeführt hat, mögen nachſtehend
einige beſchrieben werden. Ein Glasrohr, von ungefähr 8 Centimeter Länge, wurde
mit Bronzepulver gefüllt und an beiden Enden durch Pfropfen aus Retortenkohle
ſo geſchloſſen, daß das Metallpulver leicht zuſammengedrückt war. Die an den
Kohlenpfropfen befeſtigten Drähte bildeten mit einer Batterie und einem Galvano-
meter einen geſchloſſenen Stromkreis. Faßte man das Rohr an den Enden mit
beiden Händen an und übte auf dasſelbe einen Zug oder Druck aus, ſo zeigte
das Galvanometer einen kräftigen Ausſchlag. Auch zur Herſtellung eines einfachen
telephoniſchen Apparates erwies ſich dieſes Rohr geeignet. Hierbei wurde letzteres
(x, y, Fig. 647) auf einen Reſonanzkaſten gelegt, ein Ende oder Pfropfen des-
ſelben mit einem Bell’ſchen Telephone T, das andere mit der Batterie B und
dieſe mit dem Telephone verbunden. Gegen den Reſonanzkaſten geſprochene Worte
konnten in dem beliebig weit entfernten Telephone T ganz deutlich gehört werden.
Dieſelben Reſultate wurden erhalten, wenn an Stelle des Glasrohres ein Stäbchen
[893] Zeichenkohle geſetzt war, welches man zuvor zur Weißgluth erhitzt und dann in
Queckſilber getaucht hatte; mit Platinchlorid getränkte Holzkohle oder durch Eiſen
metalliſirte Kohle erwieſen ſich ebenfalls als brauchbar. Eine, wenn möglich, noch
einfachere Anordnung veranſchaulicht Fig. 648; zwei Drahtſtiften ſind parallel
nebeneinander und ein
dritter quer darüber gelegt.
Die unterhalb liegenden
Stifte ſind bei x und y
in den Stromkreis ein-
geſchaltet. Bei dieſer An-
ordnung bilden die Con-
tacte des quergelegten
Stiftes mit den beiden
darunter liegenden Stiften
den veränderlichen Wider-
ſtand, welcher die Er-
reichung der oben an-
gegebenen mikrophoniſchen
Wirkungen ermöglichte.


Mikrophone von
großer Empfindlichkeit zei-
gen die in den Fig. 649
und 650 abgebildeten
Formen. In Fig. 649
iſt auf dem Grundbrette D
ein Reſonanzboden vertical
befeſtigt. Dieſer trägt die
beiden Kohlenklötzchen C C,
welche an den einander
zugewandten Flächen kleine
Aushöhlungen zeigen, in
deren unterer der beider-
ſeits zugeſpitzte Kohlenſtab
A aufruht, während die
obere dazu dient, den
Kohlenſtab in einer verti-
calen Stellung zu erhalten.
An die beiden Kohlen-
klötzchen C C ſind die
Drähte x y zur Ein-
ſchaltung in den Strom-
kreis angebracht. Um mit

Figure 653. Fig. 649.


Figure 654. Fig. 650.

Mikrophone von Hughes.


dieſem Mikrophone zu experimentiren, ſtellt man dasſelbe auf ein mehrfach zu-
ſammengelegtes Tuch, oder auf eine Unterlage aus Watte oder endlich auf zwei
Stücke eines Kautſchukrohres. Man verhindert hierdurch die Aufnahme fremder
Schwingungen durch das Mikrophon. Die Drähte x y werden ebenſo mit einem
Bell’ſchen Telephone und einer Batterie (von 1 bis 2 Leclanché- oder 3 Daniell-
Elementen) verbunden, wie bei den vorbeſchriebenen Anordnungen. Dieſes Mikrophon
[894] iſt ſo empfindlich, daß man durch das Telephon die Bewegungen eines ſich auf
dem Brette D bewegenden Inſectes ſehr vernehmlich hören kann; Worte werden
verſtanden, ſelbſt wenn ſie in einer Entfernung von acht bis zehn Meter vom
Mikrophon gegen dieſes geſprochen wurden. Da die Leiſtungsfähigkeit eines Mikro-
phones von der Art des Contactes ſehr ſtark beeinflußt wird, iſt es zweckmäßig,
dieſen regulirbar zu machen. Man erreicht dies z. B. in bequemer Art durch die
in Fig. 650 dargeſtellte Anordnung. Die zwei durch Klemmen gehaltenen Kohlen-
ſtücke ſtoßen mit ihren ſpitzen Enden zuſammen und die Art ihrer Berührung kann
durch die Schraube regulirt werden, welche eine Klemme durchſetzt und auf der
andern mit der Spitze aufruht. Die wirkſamſte Stellung beider Kohlen gegen-
einander erhält man in der Weiſe, daß man z. B. eine Taſchenuhr auf den Reſo-
nanzboden des Mikrophones legt, das Ticken derſelben im Telephone beobachtet
und dabei die Stellung der beiden Kohlen ſo lange durch die Schraube regulirt,
bis man durch das Telephon die kräftigſte Wirkung erhält.


Haben wir im Vorſtehenden verſucht, die geſchichtliche Entwicklung der Tele-
phonie in ihren wichtigſten Stadien zu ſkizziren, ſo ſollen uns nun die gegenwärtig
in praktiſcher Verwendung ſtehenden Apparate beſchäftigen. Wie in den vorher-
gehenden Abſchnitten vorliegenden Werkes, wird auch im Nachſtehenden keine
erſchöpfende Behandlung angeſtrebt, ſondern nur durch Beſchreibung der wichtigſten
Apparate ein allgemeiner Ueberblick zu vermitteln geſucht.


Das Bell’ſche Telephon und ſeine Modificationen.

Die definitive Form, welche Bell ſeinem Inſtrumente gab, veranſchaulicht
der in halber natürlicher Größe gezeichnete Längsſchnitt, Fig. 651. Magnet, In-
ductionsſpule und Einſenmembrane (oder Diaphragma, wie Bell die Eiſenplatte
nennt) ſind in einer handlich geformten Holzfaſſung eingeſchloſſen. Der Magnet m
iſt ein kräftiger Stabmagnet, deſſen in die büchſenförmig erweiterte Holzfaſſung f f
hineinragendes Ende von der Inductionsſpule b b umgeben iſt; die Windungen
der letzteren ſind ſehr zahlreich und beſtehen aus feinem, mit Seide umſponnenen
Kupferdraht. Die Enden der Inductionsſpirale ſind an dicke Kupferdrähte d d an-
gelöthet, welche parallel zum Stabmagnete die Holzfaſſung durchſetzen und in
Klemmſchrauben V V endigen. In dieſe werden die Leitungsdrähte LL eingeklemmt.
Zwiſchen den Klemmen V V befindet ſich noch eine Schraube, durch welche die
Stellung des Magnetes m zur Eiſenmembrane c c regulirt werden kann. Die
Membrane ruht auf dem ringförmigen Rande der Holzbüchſe f f auf und wird
durch einen mit Schrauben befeſtigten Holzdeckel, der bei e eine trichterförmige
Schallöffnung beſitzt, in ihrer Lage erhalten. Die Membrane beſteht aus dünnem
Eiſenblech und iſt auf jener Seite, welche durch den Schallbecher e geſehen werden
kann, mit Firniß überzogen oder verzinnt, um Roſtbildung zu vermeiden, welche
ſonſt durch die feuchte Luft, welche durch das Sprechen auf die Platte gelangt,
leicht eintreten kann. Die Stärke und Länge des Drahtes auf der Inductionsſpule
muß in Uebereinſtimmung mit dem Widerſtande bemeſſen werden, welcher im Strom-
kreiſe des Telephones vorhanden iſt.


Das Telephon wirkt im Allgemeinen deſto beſſer, je kräftiger der Magnet
iſt, je zahlreicher die Windungen der Inductionsſpirale ſind und je näher die
Membrane dem Magnete ſteht. Obwohl die Entfernung der beiden letzteren von-
einander möglichſt gering gemacht werden muß, hat man den Zwiſchenraum doch
[895] immerhin ſo zu bemeſſen, daß die Membrane ſelbſt bei ihren kräftigſten Schwin-
gungen nicht mit dem Magnete in Berührung kommt, weil ſie ſonſt in ihren
Schwingungen gehindert würde. Aus demſelben Grunde iſt auch der Holzdeckel an
ſeiner Innenſeite nicht flach geſtaltet, ſondern ſo weit vertieft, daß die Membrane
in ihren Schwingungen nicht gehemmt werden kann. Den Raum zwiſchen der
Innenſeite des Deckels und der Membrane größer zu machen, iſt aber gleichfalls
unzweckmäßig, da in dieſem Falle Schallreflexionen ſtattfinden können, welche die
Deutlichkeit der Wiedergabe, z. B. eines Wortes, beeinträchtigen. Das Telephon
gewinnt an Bequemlichkeit in der Handhabung, wenn man die Klemmeſchrauben V V
durch eine übergeſchraubte Holzkapſel bedeckt, wie dies die perſpectiviſche Anſicht in
Fig. 652 erkennen läßt. Die voneinander iſolirten Leitungsdrähte L L werden
dann durch eine gemeinſchaftliche
centrale Bohrung in dieſer Kapſel
nach außen geführt.


Bezüglich der Wirkungs-
weiſe der Telephone möge in
Ergänzung des bereits früher
(Seite 886) Geſagten noch Nach-
ſtehendes beigefügt werden. Das
Bell’ſche Telephon kann ſowohl
als Sender oder Uebertrager
(transmitter), als auch als Em-
pfänger (receiver) benützt werden.
In Fig. 653 ſind zwei einander
vollkommen gleiche Bell’ſche
Telephone ſchematiſch gezeichnet,
von welchen jedes ſowohl zum
Sprechen als auch zum Hören
benützt werden kann. b b' ſtellen
die Inductionsſpulen, N S und
N' S' die Magnete und e e die
Schalltrichter mit den Membranen
dar. Die Drahtenden der beiden
Inductionsſpulen ſind einerſeits

Figure 655. Fig. 651.

Bell’s Telephon.


Figure 656. Fig. 652.

Bell’s Telephon.


durch einen Draht verbunden, welcher die Linie bildet, auf welcher correſpondirt
werden ſoll, andererſeits durch die Platten E E mit der Erde in leitende Verbindung
geſetzt, da ſich die Benützung der Erdleitung als vollkommen brauchbar erwies.
Wird nun die Membrane eines Telephones durch Schallwellen, alſo z. B. durch
Sprechen zum Schwingen gebracht, ſo wird hierdurch die Stellung der Membrane
zum Magnetſtabe fortwährend verändert. Die Veränderungen der Lage von Magnet
und Membrane zueinander bewirken aber dieſen Veränderungen entſprechende Ver-
änderungen im Magnetismus des Eiſenſtabes. Letzterer iſt nun aber von einer
Drahtſpirale b umgeben, die mit einer zweiten ebenſolchen Spule b' in der Empfangs-
ſtation durch den Liniendraht und die Erdleitung zu einem Stromkreiſe vereinigt
iſt. Es müſſen ſich alſo die in der Spule b durch die Veränderung des Magnetismus
in N S bewirkten Stromimpulſe durch den ganzen Stromkreis fortpflanzen und
daher auch in der Inductionsſpule b' der Empfangsſtation auftreten. In dieſer
werden die Stromimpulſe Veränderungen des magnetiſchen Zuſtandes von N' S'
[896] veranlaſſen und dadurch bewirken, daß dieſer Magnet mit wechſelnder Stärke ſeine
Eiſenmembrane anzieht. Uebt der Magnet eine ſtarke Anziehungskraft aus, ſo
nähert ſich die Membrane demſelben, übt er eine geringe Kraft aus, ſo entfernt
ſich die Membrane vermöge ihrer Elaſticität wieder, d. h. alſo die Membrane
geräth in Schwingungen. Daß die Schwingungen dieſer Membrane (in der Em-
pfangsſtation) dieſelben ſein müſſen wie jene der Membrane in der Abſende- oder
Sprechſtation, iſt leicht einzuſehen. Die Schwingungen, welche die Membrane in der
Sprechſtation macht, entſprechen den eben durch das Sprechen erregten Schallwellen.
Es entſprechen letzteren folglich auch die Veränderungen des magnetiſchen Zuſtandes
von N S und die Erregung der Inductionsſtröme oder Stromimpulſe in b. Da
aber b und b' in einem und demſelben Stromkreiſe angeordnet ſind, müſſen in b'
dieſelben Stromimpulſe auftreten wie in b; es muß daher auch der magnetiſche
Zuſtand von N' S' in der Hörſtation ſich ebenſo verändern, wie von N S in der
Sprechſtation. Und da endlich eben dieſe magnetiſchen Veränderungen die Membrane
der Hör- oder Empfangsſtation in Schwingungen verſetzen, ſo müſſen die Schwin-
gungen dieſer Membrane eben ſolche ſein, wie die der Membrane in der Sprech-
ſtation, d. h. alſo, die Membrane der Hörſtation geräth in Schwingungen, welche

Figure 657. Fig. 653.

Verbindungen zweier Telephone.


genau den Schallſchwingungen in
der Sprechſtation nachgebildet ſein
und daher denſelben Eindruck auf
das Ohr des Hörers machen müſſen,
oder mit anderen Worten, in der
Empfangsſtation werden jene Worte
gehört werden, welche in der Sprech-
ſtation geſprochen wurden. *)


Der Stromkreis, welchen die
Stromimpulſe durchlaufen müſſen,
bietet dieſen einen größeren oder
geringeren Widerſtand und wirkt
daher ſchwächend; dies erklärt auch,
warum die Worte leiſer — wie aus der Entfernung klingen. Was den Ge-
brauch des Telephones anbelangt, ſo wurde bereits erwähnt, daß ſelbes ſowohl
als Sender als auch als Empfänger Verwendung finden kann. Im erſteren Falle
hält man das Telephon ſo, daß der Schalltrichter dem Munde zugekehrt iſt und
ſpricht, ſich einer deutlichen Ausſprache befleißigend, jedoch ohne zu ſchreien, in den
Schalltrichter hinein; im letzteren Falle legt man das Telephon mit dem Schall-
trichter unmittelbar an das Ohr. Obwohl nach Obigem ein Telephon in jeder
Station ausreicht, um eine Correſpondenz zu führen, iſt es doch bequemer, je zwei
Telephone zu verwenden, von welchen eines zum Sprechen, das andere zum Hören
benützt wird, während beide mit dem Liniendrahte in Parallelſchaltung verbunden
ſind. Es gewährt dies auch den Vortheil, die Stellung der betreffenden Magnete
auf die größte Empfindlichkeit des Telephones reguliren zu können. Die Einſchaltung
mehrerer Telephone in der Empfangsſtation ermöglicht auch, daß gleichzeitig mehrere
Perſonen die an der Abſendeſtation geſprochenen Worte hören können. Durch Ein-
[897] ſchaltung mehrere Telephone, welche in der Abſende- und Empfangsſtation oder
auch zwiſchen beiden auf der Linie vertheilt ſind, wird mehreren, innerhalb gewiſſer
Grenzen, beliebig von einander entfernten Perſonen die Möglichkeit geboten, mit
einander zu ſprechen, ohne daß die ſich kreuzenden Fragen und Antworten unver-
ſtändlich werden. Hingegen werden die Stimmen verſchiedener Perſonen von einem
und demſelben Telephone nicht gleich gut wiedergegeben. Klangvolle Stimmen ſind
beſſer zu verſtehen als andere, wie auch die Vocale beſſer übertragen werden als
die aus unregelmäßigen Geräuſchen gebildeten Conſonanten. So fand Wilmot, daß
namentlich die Buchſtaben g, j, k und q verhältnißmäßig undeutlich reproducirt werden.


Verbeſſerungen des Bell’ſchen Telephones wurden
zunächſt in der Richtung angeſtrebt, daß man die in der
Empfangsſtation reproducirten Worte auch in einiger Ent-
fernung vom Telephone hörbar machen wollte, daß alſo die
Nothwendigkeit, das Empfangstelephon an das Ohr zu halten,
entfällt. Zur Erreichung ſolcher kräftiger Wirkungen wurden
ſchon von Bell beſondere Telephone conſtruirt, durch deren
Anwendung es gelang, wenigſtens Muſik an jeder Stelle
eines größeren Zimmers hörbar zu machen. Eine dieſer
Anordnungen iſt durch Fig. 654 dargeſtellt. In dem Deckel
eines (in der Figur weggelaſſenen) Käſtchens iſt eine kreis-
förmige Oeffnung ausgeſchnitten, welche durch die eiſerne
Membrane bedeckt wird. Letztere hat eine Dicke von 0·4 bis
0·8 Millimeter und iſt durch Schrauben an dem Deckel
befeſtigt. An der Außenſeite des letzteren, gegenüber dem
Mittelpunkte der Membrane befindet ſich ein Schalltrichter,
deſſen Rohr, um eine kräftige Wirkung zu erzielen nicht zu
kurz ſein darf. Auf der Innenſeite der Membrane ſtehen
dieſer die Pole eines kräftigen Hufeiſenmagnetes gegenüber,
der parallel zum Deckel angeordnet iſt. Die beiden Pole tragen
ſenkrecht gegen die Membrane gerichtete Eiſenſtücke, welche von
je einer Inductionsſpirale umgeben ſind. Um die Stellung
dieſer gegen die Membrane entſprechend reguliren zu können,
ruhen die Magnetſchenkel auf halbrunden Anſätzen an der
Innenſeite des Deckels ſchaukelartig auf und können durch
Anziehen, beziehungsweiſe Lüften der zwiſchen den Magnet-
ſchenkeln durchgehenden Schrauben mehr oder weniger gegen
die Membrane geneigt werden. Man iſt mit der Verſtärkung
der Wirkungsfähigkeit eines derartigen Apparates auch noch

Figure 658. Fig. 654.

Bell’ſches Telephon.


weiter gegangen. Niaudet hat z. B. an den Magnetpolen vier Eiſenanſätze
angebracht und die vier darüber geſchobenen Inductionsrollen im Quadrate
angeordnet.


Wir gehen nun zu den von anderen Erfindern geſchaffenen Modificationen
des Bell’ſchen Telephones über und beſchreiben von dieſen zunächſt das Telephon
von Siemens. Dieſes in Fig. 655 im Längsſchnitte dargeſtellte Telephon unter-
ſcheidet ſich im Weſentlichen nicht von jenem Bell’s, wirkt aber vermöge der kräf-
tigeren Conſtruction ſeiner Beſtandtheile und der Anwendung eines Hufeiſenmagnetes,
deſſen beide Pole der Membrane gegenüber geſtellt ſind, kräftiger. In der Figur
ſtellt H H den Hufeiſenmagnet dar, von deſſen Polen unter Vermittlung von Quer-
Urbanitzky: Elektricität. 57
[898] ſtücken jene Eiſenanſätze gehalten werden, welche die beiden Inductionsſpulen J
tragen. Dieſen gegenüber befindet ſich die Membrane M M. Die Drahtenden der
Inductionsſpulen ſind mit den ſtarken Kupferdrähten d d vereinigt, welche unten
in biegſame Leitungsſchnüre L übergehen. Durch die Schraube S kann die Stellung
des Magnetes ſo geregelt werden, daß deſſen Pole in die wirkſamſte Entfernung
von der Membrane kommen. Das Siemens-Telephon giebt nicht nur bei gewöhn-
lichem Gebrauche die Worte ſehr deutlich wieder, ſondern auch dann, wenn man
in einiger Entfernung (bis zu 1 Meter) von dem Schallbecher gegen dieſen ſpricht.

Figure 659. Fig. 655.

Telephon von Siemens.


Auch erfordert es, als Empfangsapparat benützt, kein
vollkommenes Anlegen an das Ohr.


Das Siemens’ſche Telephon zeichnet ſich ferner
dadurch aus, daß es mit einer höchſt einfachen, durch
das Telephon ſelbſt zur Wirkſamkeit zu bringenden
Anruf-Vorrichtung ausgerüſtet iſt. Dieſelbe beſteht
aus dem kleinen Zungenpfeifchen P, welches in die
untere Oeffnung des Schallbechers eingeſteckt werden
kann. Ein Anblaſen dieſes Pfeifchens genügt dann, um
die darunter befindliche Membrane in ſo lebhafte
Schwingungen zu verſetzen, daß die hierdurch erregten
Inductionsſtröme die Membrane des Empfangs-Tele-
phones gleichfalls in kräftige Schwingungen verſetzen
und dadurch einen hinlänglich lauten Trompetenton
erzeugen. Dieſes Anruf-Signal läßt ſich noch dadurch
verſtärken, daß man im Pfeifchen ein an einem Drahte
leicht bewegliches Kügelchen anbringt, welches auf der
Membrane aufruht und lebhaft auf und ab ſpringt,
wenn die Membrane in Schwingungen geräth. Will
man, nachdem das Signal abgeſandt iſt, ſprechen, ſo
entfernt man das Pfeifchen aus dem Schallbecher und
verfährt wie beim Bell’ſchen Telephone.


Auch Gower’s Telephon erregte, namentlich
unmittelbar nach ſeinem Bekanntwerden, Aufſehen durch
ſeine außerordentlich kräftige Wirkung. Allerdings tritt
dieſe Wirkung nur bei einzelnen dieſer Inſtrumente auf
und wird häufig auf Koſten der Deutlichkeit erreicht. Auch
iſt ein metalliſcher Klang ziemlich auffallend. Dieſes
Telephon iſt in Fig. 656 in ſeiner Innen- und Außen-
anſicht und mit ſeiner Anrufvorrichtung abgebildet.
Der hufeiſenförmige Magnet N O S iſt halbkreisförmig
gebogen und die Enden ſeiner Schenkel ſind ſenkrecht zur Ebene des Magnetes
aufgebogen. Dieſe aufgebogenen Theile tragen die oval geformten Inductionsſpulen.
Der ſo geformte Magnet iſt äußerſt kräftig und kann, wie Th. du Moncel angiebt
ein Gewicht von 5 Kilogramm tragen. Die Drahtenden der Inductionsſpulen ſind
mit Klemmſchrauben verbunden, welche außen an der den Apparat einſchließenden
Metallbüchſe befeſtigt ſind. Die Membrane e iſt größer und aus ſtärkerem Bleche
gefertigt als gewöhnlich für Telephone verwendet wird. Eine Anzahl von Schrauben
halten ſie am Deckel der Büchſe derart feſt, daß ſie mit ihrer Mitte unmittelbar
über den Magnetpolen zu ſtehen kommt.


[899]

Die Anruf-Vorrichtung Gower’s beſteht aus dem wagrechten auf der Faſſung
der Membrane angebrachten und an ſeinem freien Ende gegen die Membrane
ſenkrecht aufgebogenen Rohre a, welches eine vibrirende Zunge (Harmoniumzunge)
enthält. Selbe kann in kräftige Schwingungen verſetzt werden, wenn man in das
biegſame mit einem Mundſtücke verſehene Rohr, welches an der Rückſeite der Tele-
phonbüchſe angebracht iſt, ſtark hineinbläſt. Die Schwingungen der Zunge theilen
ſich dann der Membrane mit und erzeugen in der Empfangsſtation einen Ton
gleich jenen eines Kindertrompetchens.


Figure 660. Fig. 656.

Gower’s Telephon.


Aehnlich dem eben beſchriebenen Telephone iſt jenes von W. Fein in Stutt-
gart, welches in Fig. 657 dargeſtellt und zwar einerſeits nach Abnahme des den
Schalltrichter e enthaltenden Deckels g und der Membrane und andererſeits im
Querſchnitte. Der Magnet m hat gleichfalls Hufeiſenform, iſt jedoch ſo gebogen
und angeordnet, daß nur ſeine Pole ſich innerhalb des Telephongehäuſes befinden,
indeß der bügelförmige Theil außerhalb zu ſtehen kommt und eine bequeme Hand-
habe oder einen zweckmäßigen Aufhängering bildet. An den beiden Polen des Huf-
eiſenmagnetes ſind wie bei Gower die Eiſenkerne ſenkrecht zur Ebene des Magnetes
angebracht. Um dieſe für die Einwirkung der Inductionsſtröme empfindlich zu
machen, verfertigt Fein dieſelben nicht maſſiv ſondern ſetzt ſie aus dünnen Platten
57*
[900] oder Drähten zuſammen. Sie erhielten, wie auch die ſie umgebenden Inductions-
ſpulen b, halbkreisförmige Querſchnitte, um ihre Einwirkung auf die Membrane
zu einer regelmäßigen zu machen, da bei dieſer Form beide Spulen zuſammen nur
eine Kreisfläche als Querſchnitt beſitzen. Die Drahtwindungen der Inductionsſpulen
ſind mit den Klemmen p p1 verbunden.


Zur Regulirung oder Einſtellung des Telephones auf ſeine beſte Wirkſamkeit
dient der Meſſinghebel f, welcher um eine durch die Schraube w befeſtigte Axe
drehbar iſt, durch Drehung der Schraube v bewegt werden kann und auf die
Eiſenkerne wirkt. Die Schraube v, deren Kopf innerhalb des Telephongehäuſes
gelagert iſt, beſitzt eine nach außen reichende Verlängerung, durch welche ſie mittelſt
eines Schraubenſchlüſſels gedreht werden kann. Todte Gänge dieſer Schraube
werden durch die ſie in ihrem unteren Theile umgebende Spiralfeder verhindert.

Figure 661. Fig. 657.

Fein’s Telephon.


Das Gehäuſe des Telephones, früher aus Holz gefertigt, wird in neuerer Zeit
aus Meſſingblech hergeſtellt.


Cl. Ader hat ein kräftig wirkendes Telephon hergeſtellt unter Anwendung
eines Principes, welches nachſtehend erläutert werden ſoll. Wir wiſſen von früher
her (Seite 43), daß ein einem Magnete genähertes Stück Eiſen (Armatur) durch
Influenz gleichfalls magnetiſch wird. Die Polvertheilung iſt hierbei folgende: Jene
Seite der Armatur, welche dem Nordpole des Magnetes am nächſten ſteht, wird
ſüdmagnetiſch, die von ihm abgewandte nordmagnetiſch. Bringt man nun zwiſchen
den Magnetpol und die Armatur eine dünne Eiſenplatte, ſo lehrt das Experiment,
daß hierdurch die Polvertheilung in der Armatur nicht geändert wird, daß alſo
die magnetiſchen Kraftlinien die dünne Eiſenplatte durchdringen. Nach den Geſetzen
der Induction ſollte eigentlich auf jener Seite der Eiſenplatte, welche dem Nord-
pole des Magnetes zugekehrt iſt, Südmagnetismus, auf der abgewandten Seite
[901] Nordmagnetismus entſtehen und das der Platte zugekehrte Ende der Armatur Süd-
magnetismus zeigen. Das Experiment (z. B. Herſtellung der magnetiſchen Curven
durch Eiſenfeile) zeigt aber, daß die dünne Eiſenplatte zwiſchen dem Nordpole des
Magnetes und dem Südpole der Armatur ausſchließlich ſüdmagnetiſch iſt. Dieſes
Verhalten erklärt ſich dadurch, daß in der ſehr dünnen Platte durch den Nordpol
des kräftigen Magnetes Südmagnetismus erregt wird, der ſich von Theilchen zu
Theilchen fortpflanzt und ſo die Platte in ihrer ganzen ſehr unbedeutenden Dicke
durchdringt, wodurch eine Ausbildung von Nordmagnetismus an der dem Nordpole
abgewandten Fläche der Eiſenplatte unmöglich wird.


Obiges Verhalten dünner Eiſenplatten erklärt nun auch nachſtehendes Experi-
ment. Den Polen eines kräftigen Hufeiſenmagnetes wird eine dünne Eiſenplatte
in einer ſolchen Entfernung gegenübergeſtellt, daß der Magnet ſelbe noch nicht an-
zuziehen vermag. Wird nun ein maſſives Eiſenſtück (Armatur) ſo vor die beiden

Figure 662. Fig. 658.

Ader’s Telephon.


Magnetpole geſetzt, daß die Eiſenmembrane ſich zwiſchen den Magnetpolen und der
Armatur befindet, ſo wird die Eiſenmembrane ſofort durch den Magnet angezogen
werden. Die durch Hinzubringen einer Armatur erreichte kräftige Wirkung rührt
nach Obigem davon her, daß nun die Platte zwiſchen dem Nordpole des Magnetes
und dem Südpole der Armatur ſüdmagnetiſch, zwiſchen dem Südpole des Magnetes
und dem Nordpole der Armatur nordmagnetiſch iſt, d. h. den Polen des Magnetes
ſtehen ungleichnamige Pole der Platte gegenüber und den Polen der Armatur
gleichnamige. Folglich wird jetzt die Platte durch den Magnet angezogen und durch
die Armatur abgeſtoßen, alſo, da ſich die Eiſenplatte zwiſchen beiden befindet, mit
verſtärkter Kraft gegen den Magnet bewegt.


Die Anwendung dieſes Principes zur Conſtruction eines Telephones zeigt
Fig. 658 in einer Seitenanſicht und einem Querſchnitte (nach x y). Der kreisförmig
gebogene Hufeiſenmagnet M iſt an ſeinen Polanſätzen von den Inductionsſpulen s s
umgeben; dieſen ſteht die Membrane m m gegenüber. a a iſt ein Ring aus weichem
Eiſen, der in das Mundſtück des Telephones eingeſetzt iſt und die Armatur des
[902] Hufeiſenmagnetes bildet. Die Figur läßt ganz deutlich erkennen, daß die Membrane
ſich zwiſchen den Magnetpolen und der Armatur befindet; ſie muß alſo wirklich
der eben angegebenen kräftigen magnetiſchen Einwirkung unterliegen. Ader rundet
den Magnet ſorgfältig ab und vernickelt ihn, ſo daß das ganze Telephon eine
ebenſo handliche als gefällige Form bekommt.


Figure 663. Fig. 659.

D’Arſonval’s Telephon.


D’Arſonval ſucht durch Anwendung eines Glocken-
magnetes (Seite 279) eine kräftige magnetiſche Wirkung
zu erhalten. Der Magnet m m (Fig. 659) iſt nahezu
kreisförmig geſtaltet. Der eine Pol desſelben iſt mit dem
cylindriſchen Eiſenſtücke d armirt, über welches die Induc-
tionsſpule b b geſchoben wird. Das Anſatzſtück des zweiten
Poles erhielt die Form eines hohlen Cylinders, welcher
die Inductionsſpule umſchließt. Das Telephon von
d’Arſouval wiegt nur 125 Gramm, giebt die Worte klar
und deutlich und ſoll an Kraft ſelbſt das Gower’ſche
Telephon übertreffen. An Stelle des Schalltrichters wird
auch bei dem in Rede ſtehenden Telephone ein biegſames
Rohr zum Hineinſprechen benützt; man will hierdurch
Störungen durch Reſonanz vermeiden.


Schiebeck und Planz verwenden einen geſtreckten Huf-
eiſenmagnet und verſehen einen Pol desſelben mit einem Eiſen-
ringe, welcher an zwei einander gegenüberliegenden Punkten
Eiſenkerne trägt, die mit Inductionsſpulen verſehen ſind. Der
zweite Pol iſt ſo gebogen, daß er durch den Mittelpunkt des
Eiſenringes geht. Er trägt gleichfalls eine Inductionsſpule und
zwar in gleicher Höhe und in derſelben Linie mit den beiden
erſterwähnten Spulen. Dieſe drei in einer Linie ſtehenden Inductionsſpulen wirken auf die
Membrane. Ayres legt zwei Hufeiſenmagnete unter Zwiſchenlage eines dünnen Holzbrettchens
mit ihren gleichnamigen Polen aufeinander und ſetzt die zwei Inductionsſpulen auf Eiſen-
ſtäbchen auf, welche zwiſchen je zwei gleichnamigen Magnetpolen eingeklemmt ſind. Eaton

Figure 664. Fig. 660.

Böttcher’s Telephon.


combinirt ſogar ſechs Hufeiſenmagnete in ſternförmiger
Anordnung und verſieht deren Pole mit Inductionsſpulen.


Böttcher’s Telephon weicht hauptſächlich dadurch
von den anderen Conſtructionen ab, daß der Magnet
nicht unbeweglich iſt, ſondern ſich gleichfalls an den
Schwingungen betheiligen kann; zu dieſem Behufe iſt er
durch feine Stahlſchlingen aufgehängt Durch die Schrauben
a a (Fig. 660) kann er nach aufwärts, durch die Schraube a'
nach abwärts gezogen werden. Die Polſchuhe, auf welchen
die Inductionsſpulen b b ſitzen, ſind nicht aus einem
maſſiven Eiſenſtücke, ſondern aus drei voneinander etwas
abſtehenden Eiſenſtäbchen gebildet um einen raſchen und
leichten Wechſel des Magnetismus zu ermöglichen. Das
Gehäuſe des Telephons beſteht ganz aus Metall, weil das
Holz ſich leicht verziehen kann und dadurch die Stellung
der Magnetpole gegen die Membrane verändert. Eine ein-
malige Einſtellung auf die richtige Entfernung iſt daher für
lange Zeit brauchbar. Als Schalltrichter fungirt das ſtumpfwinkelig abgebogene Rohr e. Die
Wirkung des Telephons iſt eine ſehr kräftige, der Ton jedoch nicht ſo rein wie bei Bell,
Ader u. dgl. Man hört in einiger Entfernung von dem Schalltrichter beſſer, als wenn das
Ohr an denſelben angelegt wird. Beim Sprechen, alſo bei der Benützung des Telephons als
Sender ſpricht man unmittelbar in die Schallöffnung hinein. An Orten, welche gegen Geräuſch
oder Lärm nicht geſchützt werden können, iſt Böttcher’s Telephon nicht gut zu gebrauchen.


Gleichwie man die Wirkſamkeit der Telephone durch Verſtärkung des Magnetes oder
durch Vermehrung der Magnetpole zu erhöhen ſuchte, erprobte man auch die Wirkſamkeit
[903] mehrerer voneinander unabhängiger Membranen. Dieſer Gedanke lag nahe, denn wenn durch
die Schwingungen einer Membrane eine Gehörswahrnehmung gewiſſer Intenſität ermöglicht
wird, ſo wird durch das gleichzeitige und gleichartige Schwingen zweier oder mehrerer Mem-
branen die Schallerregung offenbar eine kräftigere werden müſſen. Der kräftigeren Wirkung
zweier oder mehrerer Membranen wirken jedoch die durch die Combinirung derſelben zu
einem Inſtrumente unvermeidlichen Nebenumſtände
entgegen. Hierbei muß nämlich nothwendiger-
weiſe auch der Raum vergrößert werden, welcher
zwiſchen dem Schallbecher und den Membranen
liegt, und dies kann, wie bereits angegeben wurde,
leicht zu Schallreflexionen führen, welche dann die
Wirkſamkeit eines ſolchen combinirten Telephons
ſtören. Die Berichte über Verſuche mit derartigen
Telephonen lauten daher auch in der That nicht
ganz übereinſtimmend.


Ein Telephon mit zwei Membranen wurde
unter Anderem auch von Eliſha Gray conſtruirt.
Es beſteht, wie Fig. 661 erkennen läßt, aus zwei
unter ſpitzem Winkel miteinander vereinigten Tele-
phonen. Der Hufeiſenmagnet N m S iſt an jedem
ſeiner Pole mit einem cylindriſchen Polſchuhe A
verſehen, welchen die Inductionsſpule b b umgiebt.
Jedem dieſer Polſchuhe iſt eine Membrane in
darauf ſenkrechter Lage gegenübergeſtellt. Für beide
Membranen iſt nur ein Schallbecher e vorhanden,
von deſſen unterer Oeffnung die gleichfalls normal
gegen die Membrane gerichteten Rohre a ausgehen.
An dieſe können die beiden Telephone durch ihre
Deckel L L angeſchraubt werden. Die Verbindung
der Drähte beider Inductionsrollen iſt bei d er-
ſichtlich.


Figure 665. Fig. 661.

Telephon von E. Gray.


Phelps’ Kronentelephon als einfachesInſtrument iſt in Fig. 662 dargeſtellt. Dieſes
beſitzt nur eine Membrane, welcher alle Pole eines Vorzeichens von ſechs ringförmig
gekrümmten Magneten gegenüberſtehen. Die Pole des entgegengeſetzten Vorzeichens ſind gegen
den Rand der kreisförmigen Membrane geführt. Phelps’ Doppelkronen-Telephon beſteht

Figure 666. Fig. 662.


Figure 667. Fig. 663.

Phelp’s Telephone.


aus zwei Telephonen der eben beſchriebenen Art, welche ſo miteinander vereinigt ſind, daß
beide Membranen einander parallel gegenüberſtehen und die ringförmigen Magnete zu beiden
Seiten nach außen gerichtet ſind Der Schallbecher mündet dann in den Raum zwiſchen beiden
Membranen ein. Da aber die Praxis lehrte, daß mit einfacheren Telephonen dasſelbe Reſultat
zu erreichen ſei, kehrte Phelps zu dieſen zurück und conſtruirte ein Telephon von der in
Fig. 663 dargeſtellten Form, welches als Ponny-Telephon bezeichnet wird und wohl
keiner weiteren Erklärung bedarf.


[904]

Wir ſchließen hiermit die Beſchreibung von Telephonen, deren Wirkſamkeit
durch magnetiſche Veränderungen ermöglichſt iſt, und zwar umſo mehr, als ſchon
eine Vergleichung der bisher beſchriebenen Telephone mit Bell’s Telephon zeigt,
daß dieſes einfache und urſprüngliche Inſtrument eigentlich keine nennenswerthen
Abänderungen, geſchweige denn Verbeſſerungen erfahren hat. Wenngleich manches
der oben beſchriebenen Telephone an Kraft ſeiner Wirkung das Bell’ſche übertrifft,
ſo hat doch keines derſelben die zarte und präciſe Accentuirung des erſteren erreicht
oder gar übertroffen. Es geht hier ſo, wie mit der Conſtruction der dynamo-
elektriſchen Maſchinen: neue Conſtructionen wurden geſchaffen, um neue Patente
zu erhalten. Die Güte eines Telephones iſt weniger don den kleinen Aenderungen
der einzelnen Fabrikanten, als von der exacten und ſoliden Herſtellung abhängig.


Batterie-Telephone und Mikrophone.

Es wurde bereits in der Vorgeſchichte der Telephonie bemerkt, daß das
Bell’ſche Telephon ſowohl als Sender wie auch als Empfänger gute Dienſte leiſtet
und bisher durch kein anderes Telephon übertroffen wird; es wurde jedoch hierzu
bemerkt: ſo lange man auf gut iſolirten und nicht zu langen Linien ſpricht. Sind
aber die Abſende- und Empfangsſtation weit voneinander entfernt, ſo wird das
Sprechen ſehr erſchwert oder gar unmöglich gemacht. Wie leicht einzuſehen, ſind
die im Sender erregten Inductionsſtröme ſehr ſchwach und erleiden noch eine
weitere Schwächung durch den Widerſtand einer langen Leitung. Es treten Strom-
verluſte durch Ableitung an den Stützpunkten der Leitung ein; in dieſer ſelbſt
werden in Folge der Nachbarſchaft von Telegraphendrähten Inductionsſtröme erregt,
welche dann im Hör-Telephone ununterbrochene Geräuſche hervorrufen. Man lernte
die Schwierigkeiten durch Anwendung von Batterieſtrömen umgehen und gelangte
ſo zur Conſtruction der Batterie-Telephone oder Mikrophone.*) Die vorzügliche
Eignung der Kohle zur Conſtruction derſelben wurde zuerſt von Ediſon erkannt.


Ohne auf die erſten Verſuche oder die älteren Conſtructionen von Ediſon’s
Kohlen-Telephon
näher einzugehen, wollen wir uns gleich mit den neueren
Formen beſchäftigen. Eine derſelben zeigt Fig. 664 im Querſchnitte. Das Gehäuſe
dieſes Senders iſt aus Metall und in der gewöhnlichen Weiſe mit einem Schall-
trichter verſehen. Dieſem gegenüber befindet ſich die Membrane D. Hinter der
Membrane iſt, durch eine Schraube in der Rückwand des Transmitters befeſtigt,
eine Metallplatte angebracht, auf welcher die kreisrunde Kohlenplatte C aufruht;
ſie wird in ihrer Lage durch einen ſie umgebenden Ebonitring erhalten. Die gegen
die Membrane gekehrte Fläche der Kohlenſcheibe iſt zunächſt von einem Platin-
plättchen p bedeckt und auf dieſes die Glasſcheibe G gekittet. Letztere und die
Membrane ſtehen durch den Aluminiumknopf A in Verbindung, ſo daß alſo die
Schwingungen der Membrane auf die Kohle C übertragen werden und auf dieſe
einen, den Schwingungen entſprechenden Druck von wechſelnder Stärke ausüben.
Ein durch die Kohle geleiteter Batterieſtrom wird daher durch dieſe Druckänderungen
in einen Wellen- oder Undulationsſtrom verwandelt. Je ſtärker nämlich die Platte D
in Folge ihrer Vibrationen auf die Kohle drückt, deſto geringer wird ihr Wider-
[905] ſtand, alſo deſto ſtärker der ſie durchfließende Batterieſtrom; die Stärke des letzteren
nimmt hingegen ab, wenn der Druck auf die Kohlenplatte abnimmt; es geht aber
auch dann noch ein Strom beſtimmter Stärke durch die Kohle, wenn auf dieſe
gar kein Druck ausgeübt wird. Die Leitung des Stromes durch die Kohle wird
dadurch vermittelt, daß man die Batteriedrähte einerſeits mit dem metalliſchen
Gehäuſe des Telephones verbindet, andererſeits von dem Gehäuſe iſolirt zu dem
Platinplättchen p führt, welches auf der Vorderſeite der Kohle aufruht (Fig. 664).


Eine zweite Conſtruction Ediſon’s zeigt ſich in ihrer äußeren Form ähnlich
dem Bell’ſchen Telephone. Die Kohlenſcheibe k (Fig. 665) iſt zwiſchen zwei Platin-
plättchen in einer Art Büchſe o i eingelagert. Zwiſchen der Membrane c c und
einer Elfenbeinſcheibe, welche auf dem oberen Platinplättchen aufruht, befindet ſich
ein Stück Kautſchukrohr g. Jedes der beiden Platinplättchen iſt mit einer Schrauben-

Figure 668. Fig. 664.


Figure 669. Fig. 665.

Ediſon’s Kohlen-Telephone.


klemme zur Aufnahme der Leitungsdrähte verbunden. Die Schwingungen der Mem-
brane werden unter Vermittlung des Kautſchukrohres und der Elfenbeinplatte
durch das obere Platinplättchen auf die Kohle übertragen. Zur Regulirung des
Telephones, alſo zur Erreichung der günſtigſten Stellung der einzelnen Theile
gegeneinander dient eine Schraube, deren Kopf unten aus dem röhrenförmigen
Theile des Apparates herausragt. Das Kautſchukrohr dient als Dämpfung für
die Membrane und ſoll dieſe ſofort zur Ruhe bringen, ſobald keine ſie erregenden
Schallwellen auftreffen. Ediſon will auf dieſe Weiſe Interferenzen vermeiden, welche
durch längeres Schwingen der Membrane entſtehen können.


Righi’s Telephon, mit welchem im Jahre 1878 in Italien viel Lärm gemacht wurde,
bietet eigentlich gar nichts Originelles, als ſeine ungewöhnlich großen Dimenſionen, durch
welche es ermöglicht wurde, die übertragene Muſik oder Sprache in einem großen Raume
an allen Stellen zu hören. Den Empfänger bildet ein Bell’ſches Telephon mit einem geraden,
aber ſehr großen und kräftigen Magnete, welchem eine aus Pergamentpapier gefertigte
[906] Membrane von entſprechender Größe gegenüber geſtellt iſt. Dieſe trägt in ihrer Mitte eine
kreisförmige Scheibe aus Eiſenblech.


Die Conſtruction des Senders kann man ſich mit Hilfe der Fig. 644 (Seite 888)
klar machen, wenn man ſich das in Flüſſigkeit tauchende Stäbchen mit einem Metallblättchen
verſehen und die Flüſſigkeit durch ein Gemenge von Graphit- und Silberpulver erſetzt denkt.
Durch die Schwingungen der Membrane wird der Druck auf das Pulver ein dieſen Schwin-
gungen entſprechend wechſelnder und der durch das Pulver geſandte Batterieſtrom ein Un-
dulationsſtrom.


Ader conſtruirte gleichfalls einen Empfänger nach Art des oben beſchriebenen von
Righi. Als Sender diente der in Fig. 666 dargeſtellte, von Ader als Elektrophon bezeichnete
Apparat. Eine hölzerne, mit Handhabe verſehene Kapſel iſt in ihrer Axe cylindriſch ausgebohrt.
In dieſer Bohrung befindet ſich ein Holzſtift, welcher an einem Ende einen Schallbecher trägt,
am entgegengeſetzten mit dem kleinen Kohlencylinder a verſehen iſt. Der Schallbecher iſt mit der
Kapſel derart verbunden, daß er in ſeinen Schwingungen nicht gehemmt wird, wenn Schall-
wellen [auf] ihn auftreffen. Das abgerundete Ende des Kohlencylinders ruht auf dem in der
Kapſel befeſtigten Kohlenſtücke b auf, welches mit einer der beiden Klemmſchrauben leitend
verbunden iſt. Die zweite Klemmſchraube ſteht mit dem Kohlencylinder a in Verbindung, ſo
daß alſo der Batterieſtrom den Contact zwiſchen a und b paſſiren muß, welcher in Folge der,

Figure 670. Fig. 666.

Ader’s Elektrophon.


durch [auftreffende] Schallwellen veranlaßten, Vibrationen des
Schallbechers und des daran befeſtigten Holzſtäbchens zu einem
veränderlichen wird.


Einer großen Beliebtheit erfreut ſich, und zwar mit
Recht, Berliner’s Mikrophon (oder Transmitter), im
halbgeöffneten Zuſtande dargeſtellt durch Fig. 667. Der
wichtigſte Theil dieſes Mikrophones, nämlich der ver-
änderliche Kohlencontact, iſt durch die beiden Kohlenſtücke a
und b gebildet, von welchen das erſtere in der Mitte der
an dem Deckel des Mikrophones angebrachten Eiſen-
membrane befeſtigt iſt, indeß das zweite in der Faſſung
bei b ſteckt, welche durch den beweglichen Arm c bei d
an dem oberen Rande des Deckels pendelartig aufgehängt
iſt. Der Contact beider Kohlenſtücke wird alſo durch die
Schwere des Kohlenſtückes b bewirkt. Der Träger d dient
aber gleichzeitig auch dazu, um die Membrane zu befeſtigen,
welche bei geöffnetem Deckel auf keine andere Weiſe in
ihrer Lage erhalten wird. Die Membrane liegt jedoch
nicht unmittelbar an dem Metalldeckel mit ſeinem Schall-
becher e auf, ſondern iſt an ihrem Rande mit Kautſchuk umhüllt, welcher für die
Schwingungen der Membrane als Dämpfung dient. Eine weitere Dämpfung wird
durch die Feder f' bewirkt, welche zwiſchen der Membrane und dem Kohlenſtücke a
befeſtigt iſt, und bei geſchloſſenem Apparate gegen die Schraube v drückt, welche
durch den Anſatz f mit dem Metallſtücke i verbunden iſt. An dieſes ſchließt ſich das
eine Drahtende der primären Spirale der Inductionsſpule F, deren zweites Ende
zur Klemmſchraube p2 führt. Die Inductionsrolle iſt in der Büchſe eingeſchloſſen,
deren Deckel eben die Membrane und den Kohlencontact trägt.


Beim Gebrauche dieſes Senders werden die Klemmſchrauben p1 und p2 mit
den Batteriepolen (gewöhnlich ein Leclanché-Element) verbunden und hierdurch
folgender Stromgang eingeleitet: Von der Klemme p1 läuft der Strom durch das
Metallſtück k und das Charnier des Gehäuſes nach d und c, gelangt in die
Kohlenſtücke b und a, fließt durch die Feder f', die Schraube v und durch f i in
die primäre Spule des Inductorimus F; von hier aus gelangt der Strom zur
Klemme p2 und wieder zur Batterie zurück. Die Klemmen p3 und p4 nehmen die
[907] Drahtenden der ſecundären Spirale auf und werden mit dem Liniendrahte, beziehungs-
weiſe mit der Erdleitung verbunden. Wird die Membrane durch Schallwellen in
Schwingungen verſetzt, ſo müſſen hieran auch die beiden Kohlenſtücke a und b theil-
nehmen und erzeugen hierdurch jene Veränderungen des Contactes zwiſchen ihnen,
welche den Batterieſtrom in einen Undulationsſtrom verwandeln. Dieſer circulirt
nun auch, in Folge der angegebenen Verbindungen, in der primären Spirale der
Inductionsrolle F. Es werden daher in der ſecundären Spirale dieſer Rolle
wellenförmige Inductionsſtröme entſtehen müſſen, welche durch die Linien beziehungs-
weiſe Erdleitung in den Empfänger, z. B. ein Bell’ſches Telephon, der zweiten
Station gelangen und dort die Schallwellen reproduciren. Mit Berliner’s Mikro-
phon kann jedes beliebige, gut fungirende Telephon als Empfänger verbunden
werden. Sind die Abſende- und Empfangsſtation weit voneinander entfernt, iſt
alſo ein großer Leitungswiderſtand zu überwinden, ſo wendet Berliner Mikro-
phone mit drei Contacten an; hierbei
ſind die beweglichen Kohlen verſchieden
ſchwer. Da ihr Gewicht die Innigkeit
des Contactes beſtimmt, wird dasſelbe
überhaupt der Länge der Leitung an-
gepaßt; ebenſo gelangen auch größere
Inductorien zur Anwendung, wenn die
Leitung eine längere wird.


Die Beſchreibung des Mikro-
phones von Berliner, bei welcher wir
zum erſtenmale der Anwendung eines
Inductoriums zu mikrophoniſchen
Apparaten begegnen, läßt es zweckmäßig
erſcheinen, auch über den Zweck, welcher
hierbei verfolgt wird, an dieſer Stelle
Aufklärungen zu geben. Die vorzügliche
Eignung des mikrophoniſchen Principes
für Zwecke der Telephonie wurde bereits
erörtert; doch iſt noch nicht darauf
hingewieſen worden, daß dieſe Eignung

Figure 671. Fig. 667.

Berliner’s Mikrophon.


nur innerhalb gewiſſer Grenzen ſtatt hat, daß auch hier beim Telephoniren auf
größere Entfernung ähnliche Schwierigkeiten auftauchen wie bei Anwendung
Bell’ſcher oder ähnlicher Telephone. Wie wir wiſſen, erzeugt das Mikrophon
dadurch Wellenſtröme, daß es in den Stromkreis einer Batterie einen Leiter
(die Kohlen) einſchaltet, welcher ſeinen Widerſtand genau im Einklange mit Schall-
ſchwingungen ändert. Die Größe dieſer Widerſtandsänderungen wird nun offen-
bar von der Länge der Leitung ganz unabhängig ſein und unter ſonſt gleichen
Umſtänden nur von den Schallwellen abhängen. Iſt nun die Entfernung zwiſchen
Abſende- und Empfangsſtation eine bedeutende, ſo muß auch der Widerſtand,
der durch die Leitung in den Stromkreis eingeſchaltet wird, ein bedeutender ſein.
Je größer aber dieſer Widerſtand wird, deſto unbedeutender müſſen offenbar im
Verhältniſſe zu ihm die gleich groß bleibenden Widerſtandsänderungen im Mikro-
phon werden, d. h. alſo, ſie werden bei großem Leitungswiderſtande (langer Leitung)
nicht mehr zur Geltung kommen können, das Mikrophon wird ſeine Leiſtungs-
fähigkeit verlieren.


[908]

Nun iſt wohl auch der Zweck des Einſchaltens von Inductions-Apparaten
leicht zu erkennen. Den Stromkreis des Mikrophones bilden nur dieſes ſelbſt, die
Batterie, die primäre Spirale des Inductions-Apparates und einige Verbindungs-
drähte. Der Widerſtand dieſes Stromkreiſes iſt daher ein verhältnißmäßig geringer
und bleibt unbeeinflußt von der Länge der Leitung zwiſchen beiden Stationen.
Dieſe bildet vielmehr mit der ſecundären Spirale einen zweiten Stromkreis. Hiermit
iſt alſo dem Mikrophone auch für die längſten Leitungen ſeine Empfindlichkeit
gewahrt. Seine Wirkſamkeit aber, bezüglich der Uebertragung, iſt durch die größere
Kraft der Inductionsſtröme geſichert, welche nach Bedarf durch Vergrößerung des
Inductions-Apparates geſteigert werden kann. Der Inductions-Apparat hat alſo
den Zweck, die primären Wellenſtröme des localen oder Mikrophonſtromkreiſes in
undulatoriſche Inductionsſtröme von hoher Spannung zu verwandeln, welche dann
leicht einen großen Leitungswiderſtand überwinden können.


Wenig verſchieden von Berliner’s Transmitter iſt jener von F. Heller in
Nürnberg, welchen Fig. 668 in Anſicht (bei geöffnetem Kaſten) und im Quer-

Figure 672. Fig. 668.

Transmitter von F. Heller.


ſchnitte zeigt. Der Deckel D des Käſtchens iſt kreisförmig ausgeſchnitten und in
dieſe kreisförmige Oeffnung iſt eine Scheibe M M aus Reſonanzholz (Fichtenholz)
als Membrane eingeſetzt. Dieſe ruht zwiſchen den beiden Kautſchukringen g g' und
wird durch den übergeſchraubten Meſſingring R R in ihrer Lage erhalten. Am
oberen Rande des Deckels iſt ein Metallanſatz A angebracht, von welchem der an
der Feder F befeſtigte Kohlencylinder K' herabhängt. Seine Berührung mit dem
in der Mitte der Membrane aufgeſetzten Kohlenknopfe K wird durch die Stell-
ſchraube r regulirt. Der Metallanſatz A ſteht durch den Meſſingſtreifen a und
einen kurzen Draht mit der Klemmſchraube P4 in Verbindung, der Kohlenknopf K
durch den Streifen b b mit der primären Spirale des Inductions-Apparates S.
Das zweite Ende dieſes Drahtes iſt mit der Klemme P3 verbunden. An den
Klemmen P1 und P2 ſind die Drahtenden der ſecundären Spirale befeſtigt.


Verbindet man die Klemmen P3 und P4 mit den Polen einer Batterie, ſo
fließt der Strom von Klemme P4 durch a, A, F, den Kohlencylinder K' den
Kohlenknopf K, den Meſſingſtreifen b b und kehrt, nachdem er die primäre Spirale
des Inductoriums durchlaufen hat, durch die Klemme P3 zur Batterie zurück. Wird
die Membrane M M in Schwingungen verſetzt, ſo wird der Batterieſtrom zum
[909] primären Wellenſtrome und erregt in der ſecundären Spirale undulatoriſche In-
ductionsſtröme, welche durch die Klemmen P1 und P2 dem Empfangsapparate in
in der Hörſtation zugeführt werden.


Das Mikrophon von F. Blake verdient einer Einrichtung wegen, die es
faſt von allen anderen Mikrophonen unterſcheidet, unſere Aufmerkſamkeit. Dieſe
Einrichtung beſteht darin, daß keines der beiden, den veränderlichen Contact bilden-
den Stücke mit der Membrane feſt verbunden iſt, ſondern daß vielmehr beide
beweglich ſind. Blake traf dieſe Einrichtung, um jene Störungen im Mikrophone
zu vermeiden, welche in Folge von Temperaturſchwankungen eintreten und darin
beſtehen, daß ſich die Membrane ausdehnt oder
zuſammenzieht, wodurch natürlich der Contact
verändert werden muß, wenn eines der Contact-
ſtücke mit der Membrane unverrückbar verbunden
iſt; eine ſolche Veränderung verurſacht dann im
Mikrophone ein ſehr ſtörendes Knacken. Die
Anordnung des Blake’ſchen Transmitters iſt aus
dem Querſchnitte in Fig. 669 zu erſehen. Gegen-
über dem Schallbecher B befindet ſich, zwiſchen
Kautſchukringen gelagert, die Eiſenmembrane M M.
Dieſe Lagerung iſolirt die Membrane von den
übrigen Theilen des Mikrophones und verhindert
die Einwirkung anderer Schwingungen als jener,
welche ſie zu übertragen hat. Das eine Contact-
ſtück, ein kleines Cylinderchen p aus Platin iſt
an der Feder f befeſtigt und wird durch dieſe
gegen das zweite Contactſtück, eine Kohlenſcheibe
(in der Figur als ſchwarzes Rechteck ſichtbar) ge-
drückt, welche in dem Metallſtücke m gefaßt iſt
und von der Feder F getragen wird; dieſe drückt
die Kohle ſammt den Platincylinderchen gegen die
Membrane. Die Regulirung des Contactes wird
in folgender Weiſe ermöglicht: Die Feder F iſt
an dem Winkelſtücke W befeſtigt, welches ſelbſt
wieder von der an dem Anſatze A aufgeſchraubten
Feder F' gehalten wird. Gegen die ſchiefe Fläche
des Winkelſtückes W drückt die Schraube S und
deren Drehung in dem einen oder andern Sinne
ermöglicht die Regulirung des Contactes.


Figure 673. Fig. 669.

Mikrophon von Blake.


Blake’s Transmitter wird gewöhnlich mit einem Leclanché-Elemente betrieben,
wobei der Stromgang folgender iſt: Der Strom tritt durch die Klemmſchraube K
in die primäre Rolle des Inductionsapparates J ein, gelangt durch die Feder f in
das Platincylinderchen p, geht über die Kohle bei m in die Feder F, von hier
in das Winkelſtück W und durch die Schraube S zur Batterie zurück. Die beiden
(in der Figur nicht ſichtbaren) mit den Drahtenden der ſecundären Spirale des
Inductoriums verbundenen Klemmſchrauben dienen zur Verbindung des Trans-
mitters mit dem Empfänger in der Hörſtation.


Ein ſehr empfindliches Mikrophon, vom Erfinder Pantelephon genannt, hat L. de
Locht-Labye
conſtruirt. Dieſes Mikrophon iſt auch dann noch zur Uebertragung der Schall-
[910] wellen geeignet, wenn letztere aus größerer Entfernung gegen dasſelbe geſandt werden. Der
telephoniſche Empfangs-Apparat reproducirt Geſpräche, welche etwa 20 Meter vom Mikrophone
entfernt geführt werden, ganz deutlich. Die Conſtruction des Pantelephones iſt aus der
ſchematiſchen Zeichnung (Fig. 670) erſichtlich. Von der Metall-Leiſte s s hängt an ſtählernen

Figure 674. Fig. 670.

Pantelephon von L. de Locht-Labye.


Bandfedern r r eine Platte aus Kork (auch Metallblech oder
Marienglas) herab, welche rechteckig geſchnitten, 10 Centi-
meter breit und 15 Centimeter lang iſt. An ihrer unteren
Kante trägt ſie bei f ein Kohlenſcheibchen, mit welchem ſie
ſich gegen das Silberplättchen x (in der Detailzeichnung)
lehnt. Dieſes Silberplättchen iſt an der bei w befeſtigten
Feder f angebracht. Die Schraube V, welche das Quer-
ſtück q q durchſetzt, dient zur Regulirung des Contactes.
Der Batterieſtrom gelangt z. B. durch den Draht L in
das Querſtück q, von dieſem durch die Feder f in den
Silber-Kohlencontact, durchfließt dann die Drähte n n,
die Federn r r und kehrt durch die Metall-Leiſte s s und
die Klemmſchraube T zur Batterie zurück. Verſetzen Schall-
wellen die leicht bewegliche Platte in Schwingungen, ſo
wird der Contact ein veränderlicher und die hierdurch er-
zeugten Undulationsſtröme erregen in einem Inductions-
Apparate undulatoriſche Inductionsſtröme, welche die
Schallwellen in der Empfangsſtation reproduciren.


Ein ſehr wirkſamer Transmitter wurde bereits auf
der Pariſer elektriſchen Ausſtellung von Machalski
exponirt. Hierbei kommen die Wellenſtröme dadurch zu
Stande, daß die durch Schallwellen in Schwingungen
verſetzte Membrane auf ſehr feines Graphitpulver wirkt
und hier durch Druckveränderungen den Leitungswider-
ſtand entſprechend den Schallwellen ändert. Natürlich
kann Machalski’s Mikrophon auch mit einer Inductions-
ſpule combinirt werden.


Auf der Wiener elektriſchen Ausſtellung erregte
das Phonophor von Wreden die Aufmerkſamkeit der
Beſucher; eine ſeiner mannigfachen Formen, nämlich die
Doſenform, iſt in Fig. 671 dargeſtellt. Es beſteht aus
einer Kork-, ſeltener Hartgummiplatte K, welche den einen Contactkörper a trägt, der durch
einen kurzen Draht mit der Klemmſchraube P verbunden iſt. Der zweite Contactkörper b
ſitzt auf einem Ende des Hebels G H m, während am anderen Ende das Gegengewicht G

Figure 675. Fig. 671.

Wreden’s Phonophor.


aufgeſchraubt wird. Man regulirt den Contact zwiſchen
den beiden Stücken a und b dadurch, daß man das Ge-
wicht G mehr oder weniger hinaufſchraubt und dadurch
dieſes mehr oder weniger dem Drehpunkte des Hebels
nähert. Die Regulirung kann auch durch Zufügen von
Uebergewichtchen, deren mehrere jedem Apparate beigegeben
werden, erfolgen. Einmal auf die günſtigſte Stellung
regulirt, erhält ſich dieſelbe dauernd. Wreden hat auch
Mikrophone conſtruirt, welche drei, vier, ſechs und mehr
Contacte beſitzen. Bei dem beſchriebenen Mikrophone durch-
läuft der Batterieſtrom folgenden Weg: Von der Klemme
P zu den Contactſtücken a und b, durch den Hebel m H
und durch die Klemme P1 zur Batterie zurück.


Mikrophone mit mehreren Contacten, und zwar
ſolche, die ſich eigentlich als Combinationen mehrerer
Hughes’ſcher Mikrophone zu einem Apparate dar-
ſtellen, wurden von Croßley, Ader und Gower conſtruirt. Bei allen dreien dient
eine größere rechteckige Platte aus Reſonanzholz als Membrane, welche die Schall-
ſchwingungen aufzunehmen hat. Dieſe Platte iſt gewöhnlich in einem entſprechenden
Ausſchnitte eines ſtarken Holzrahmens befeſtigt und bildet mit dieſem eine Art
[911] kleinen Schreibpultes, deſſen Inneres die Kohlencontacte enthält. Dieſe beſtehen bei
Croßley, wie Fig. 672 erkennen läßt, aus vier Kohlenſtäbchen, die mit ihren
Enden in Vertiefungen geeignet angeordneter Kohlenklötzchen aufruhen. Die Ver-
bindung der Kohlencontacte mit der Batterie erfolgt durch zwei an ſymmetriſch
gelegenen Kohlenklötzchen angebrachte Metallſtreifen.


Gower verwendet für ſein Mikrophon ſechs Kohlenſtäbchen, welche ſtern-
förmig angeordnet ſind; die nach außen gerichteten Enden dieſes Kohlenſternes
ſind mit je einem Kohlenklötzchen verſehen und je drei der letzteren, und zwar je
drei nebeneinanderliegende, durch einen Metallſtreifen mit einer Klemmſchraube ver-

Figure 676. Fig. 672.

Transmitter von Croßley.


Figure 677. Fig. 673.

Ader’s Transmitter.


bunden. Die nach innen gerichteten Enden der Kohlenſtäbchen ruhen auf einem
allen gemeinſchaftlichen, ſechsſeitig geformten Kohlenklötzchen.


Ader ordnet acht bis zehn Kohlenſtäbchen B C D an, wie dies Fig. 673
zeigt. Als Ader die Uebertragung der Opernmuſik in den Induſtriepalaſt (während
der Ausſtellung im Jahre 1881) inſcenirte, ſetzte er ſeine Mikrophonkäſtchen auf
dicke Bleiplatten P, um hierdurch die Aufnahme der Erzitterungen des Bodens, in
Folge des Hin- und Hergehens der Schauſpieler, durch das Mikrophon zu ver-
hindern.


P. Bert und d’Arſonval haben gleichfalls Mikrophone mit mehreren Contacten
conſtruirt und dieſe in Parallelſchaltung angeordnet wie Ader, Croßley und Gower. Eines
dieſer Mikrophone beſteht aus einem viereckigen flachen Reſonanzkäſtchen (ähnlich jenem eines
Saiteninſtrumentes), auf deſſen Oberfläche an einem parallel zur Längskante des Käſtchens
befeſtigten Metallſtabe eine größere oder geringere Anzahl von cylindriſchen und vernickelten
[912] Kohlenſtäben parallel zur Oberfläche des Käſtchens herabhängen. Dieſe Kohlenſtäbe liegen mit
ihren freien Enden auf einem Kohlenſtabe auf, der parallel zu dem Metallſtabe am Käſtchen
befeſtigt iſt, alſo ſämmtliche Kohlenſtäbchen unter rechten Winkeln kreuzt. Das Reſonanz-
käſtchen iſt ſammt den Kohlencontacten auf ein mit Gelenk verſehenes Stativ nach Art eines
Leſepultes aufgeſetzt und kann durch Drehung um das Gelenk beliebig ſtark geneigt werden.
Es iſt einleuchtend, daß bei dieſer Anordnung die Innigkeit der Contacte von dem Neigungs-
winkel des Reſonanzkäſtchens abhängen muß, daß man alſo in der Veränderung desſelben ein
einfaches Regulirungsmittel für das Mikrophon beſitzt. Der Batterieſtrom wird durch den
Metallſtab den Kohlenſtäbchen zugeführt, durchläuft dieſe und kehrt durch den quer gelegten
Kohlenſtab zur Batterie zurück. Dieſes Mikrophon nimmt auch mit leiſer Stimme und in
einiger Entfernung von ihm geführte Geſpräche ſehr leicht auf.


Auch Boudet conſtruirte Mikrophone mit mehreren Contacten und ordnete dieſe ſowohl
parallel nebeneinander als auch auf Spannung, d. h. hintereinander an. Eines derſelben, und

Figure 678. Fig. 674.

Boudet’s Mikrophon.


zwar mit der letztangegebenen Schaltungsweiſe, iſt in Fig. 674 abgebildet und ſoll nachſtehend
beſchrieben werden.


Ein Glasrohr R, von 7·5 Centimeter Länge und 1 Centimeter innerem Durchmeſſer,
iſt durch eine in ſeiner Mitte angebrachte Metallfaſſung auf einem mit Gelenk verſehenen
Stative befeſtigt. Auf dem einen Ende des Glasrohres ſitzen die Kupferträger T T, welche
den Schallbecher B tragen; der engen Oeffnung desſelben iſt die Membrane m m aus Hart-
gummi gegenübergeſtellt. Der im Mittelpunkte der Membrane mit dieſer verbundene Kupfer-
cylinder K ragt einige Millimeter weit in das Glasrohr hinein und ruht mit ſeiner etwas
ausgehöhlten Grundfläche auf der erſten der ſechs Kohlenkugeln in dem Rohre auf. Das
andere Ende des letzteren iſt mit dem Metallanſatze A verſehen, welcher die Regulirungs-
vorrichtung für die Kohlencontacte trägt. Dieſen Anſatz durchdringt nämlich die Schraube S,
welche mit ihrem Ende an dem Cylinder C befeſtigt iſt. Auf dieſem iſt unter Vermittlung
der Spiralfeder F das Kupferſtück K' angebracht, welches die letzte Kohlenkugel zum Theile
umfaßt. Wird alſo die Schraube S im einen oder andern Sinne gedreht, ſo gleitet der
[913] Cylinder C ſammt F und K' aufwärts und ſteigert oder vermindert in dieſer Art die Innig-
keit der Contacte zwiſchen den Kohlenkugeln. Auch die verſchiedene Neigung des Glasrohres
mit Hilfe des Gelenkes am Stative ermöglicht eine Regulirung der Contacte. Die Durch-
leitung des Batterieſtromes, beziehungsweiſe die Verbindung des Mikrophones mit einer
Inductionsrolle, erfolgt durch die Klemmſchrauben P P'.


Telephone und Mikrophone beſonderer Conſtruction.

Für die Praxis belanglos, aber theoretiſch nicht ohne Intereſſe, iſt das von Ader con-
ſtruirte Eiſendraht-Telephon. Ader verſuchte ein Telephon ohne Membrane zu conſtruiren

Figure 679. Fig. 675.


Figure 680. Fig. 676.

Ader’s Eiſendraht-Telephone.


und benützte zu dieſem Zwecke Eiſenkerne von verſchiedener Stärke; die beſten Reſultate gaben
ganz dünne Eiſenkerne, d. h. Eiſendrähte. Eine derartige ſehr einfache Vorrichtung zeigt
Fig. 675. Sie beſteht aus einem Brettchen B, durch welches der Eiſendraht E geſteckt iſt,
den man bei e umbiegt. Dieſer Draht iſt von der auf einen Federkiel E gewundenen Induc-
tionsſpirale S umgeben. K ſtellt ein maſſives Kupferſtück dar, das mit dem freien Ende des
Eiſendrahtes verlöthet iſt. Zur Aufnahme der Leitungsdrähte dienen die mit den Drahtenden
der Inductionsſpule verbundenen Klemmſchrauben p p'. Um mit dieſem Empfangs-Apparate
zu hören, legt man das Brettchen mit dem umgebogenen Eiſendrahte bei e an das Ohr.
Man verſteht die Worte auch dann noch, wenn das Brettchen 10 bis 15 Centimeter weit vom
Ohre entfernt wird.


Urbanitzky: Elektricität. 58
[914]

Später brachte Ader ſein Eiſendraht-Telephon in die durch Fig. 676 dargeſtellte Form.
Der Eiſendraht m wird hierbei einerſeits an das maſſive Kupferſtück f, andererſeits an das
Kupferſtück d angelöthet, welch letzteres mit dem Kupferſtücke g verbunden iſt. Das obere
Kupferſtück verſchließt die obere Oeffnung jenes Rohres, welches den ganzen Apparat ein-
ſchließt, und iſt mit einem Schallbecher e durch eine Schraube verbunden. Der Schalltrichter
iſt ähnlich geformt wie beim Bell’ſchen Telephone, beſitzt aber keine centrale Oeffnung. Die
Kupferſtücke d g bilden einen Cylinder, der nahezu die ganze Rohrbreite einnimmt, aber von
den Wandungen derſelben durch ein übergeſchobenes Kautſchukrohr h iſolirt iſt. Gleichfalls iſolirt
ſind durch dieſe beiden Kupferſtücke die Drähte c und o geführt, welche die Enden der bei b
angebrachten, den Eiſendraht umhüllenden Inductionsſpirale bilden. Das Rohr iſt an ſeinem
unteren Ende durch die Ebonitſcheibe i verſchloſſen, auf welcher die beiden Klemmſchrauben
aufgeſetzt ſind.


Die Wirkungsweiſe der beiden letztbeſchriebenen Telephone möge nach Th. du Moncel
in nachſtehender Weiſe erklärt werden. Es wurde angegeben, daß das Bell’ſche Telephon
Worte in der Weiſe reproducire, daß die im Empfänger anlangenden Undulationsſtröme deſſen
Membrane in genau dieſelben Schwingungen verſetze, zu welchen die Membrane des Senders
durch die Schallwellen veranlaßt wurde. Dieſe Erklärung iſt jedoch keine vollſtändige; ſie läßt
vielmehr noch die Frage offen: welcher Art ſind die Schwingungen, welche die Membrane
macht? Schwingt dieſe als Ganzes (in Transverſalſchwingungen) oder ſchwingen ihre einzelnen
Eiſentheilchen (moleculare Schwingung)? Th. du Moncel tritt für die letztere, alſo für die
Molecularſchwingung ein. Ader wurde zur Conſtruction der letztbeſchriebenen Telephone dadurch
geführt, daß er durch ſeine Verſuche entſcheiden wollte, welche der beiden Anſchauungen die

Figure 681. Fig. 677.

Breguet’s Queckſilber-Telephon.


richtige ſei. Er conſtruirte daher ein Telephon ohne
Membrane, alſo ein Telephon, bei welchem die Trans-
verſalſchwingungen ausgeſchloſſen waren. Als ihm ſeine
Verſuche gelangen, trat er auch der Anſchauung
Th. du Moncel’s bei; jedenfalls iſt durch dieſelben
bewieſen, daß die Reproducirung der Schallwellen
nicht ausſchließlich den Transverſalſchwingungen zu-
geſchrieben werden darf. Wir begnügen uns mit dieſen
Andeutungen, da es uns zu weit führen würde, an
dieſer Stelle auf die noch nicht vollſtändig geklärte
Theorie des Telephones näher einzugehen.


Nach Th. du Moncel kommt die Wirkung des
Ader’ſchen Draht-Telephones in folgender Weiſe zu
Stande: Die durch die Spule b (Fig. 676) kreiſenden
Undulationsſtröme verſetzen den Eiſendraht in moleculare Vibrationen. Dieſe wirken haupt-
ſächlich in der Längsrichtung und pflanzen ſich ſchneller fort als die Schwingungen, welche
der trägen Maſſe d g mitgetheilt werden; hieraus reſultiren kleine Stöße, die den mechaniſchen
Effect der Schwingungen des Eiſendrahtes ſtark vergrößern; dieſe werden dann mechaniſch
auf die Maſſe f übertragen und pflanzen ſich von dort aus durch den Schallbecher als Schall-
wellen fort. Es mag ſchließlich noch bemerkt werden, daß Ader’s Eiſendraht-Telephon große
Aehnlichkeit mit dem Reis’ſchen Empfänger (Fig. 638 C, Seite 879) zeigt; nur iſt der
Reſonanzkaſten durch die Kupfermaſſen, deren Mitſchwingen die Wirkung verſtärkt, erſetzt.


Fig. 677 ſtellt ſchematiſch Breguet’s Queckſilber-Telephon dar. Die beiden Gefäße
enthalten Queckſilber, über welches angeſäuertes Waſſer A gegoſſen wurde. In dieſes tauchen
die mit Queckſilber nahezu ganz gefüllten Röhren B, deren untere Enden zu feinen Spitzen
ausgezogen wurden. Sowohl die Queckſilberſäulen in den Röhren, als auch die Queckſilber-
ſchichten in den Gefäßen ſtehen untereinander durch Drähte, wie es die Figur zeigt, in leitender
Verbindung. Die Wirkſamkeit des Apparates beruht auf einer von Lippmann entdeckten
phyſikaliſchen Thatſache. Lippmann beobachtete nämlich, daß in jedem geſchloſſenen Stromkreiſe
obiger oder ähnlicher Art elektriſche Ströme auftreten, wenn durch mechaniſche Einwirkungen
die Form der gekrümmten Begrenzungsfläche (des Meniskus) des Queckſilbers geändert wird
und daß umgekehrt elektriſche Ströme die Form des Meniskus ändern. Dieſe capillar-
elektriſchen Erſcheinungen ſind es nun, auf welchen die Wirkſamkeit des Breguet’ſchen Tele-
phones beruht. Die Röhren B B ſind oben durch Membranen abgeſchloſſen und mit Schall-
becher verſehen. Gelangen auf die Membrane des einen Apparates Schallwellen, ſo wirken
dieſe mechaniſch auf das Queckſilber ein und veranlaſſen dadurch das Auftreten capillar-
elektriſcher Ströme. Dieſe bewirken im zweiten Apparate mechaniſche Beränderungen des
Meniskus und verſetzen die Membrane dieſes Apparates (des Empfängers) in ebenſolche
[915] Schwingungen, als die Membrane des erſten Apparates gemacht hat, d. h. die auf den erſten
Apparat auftreffenden Schallwellen werden durch den zweiten Apparat reproducirt. Das
Breguet’ſche Queckſilber-Telephon kann ſowohl mit gleichzeitiger Einſchaltung einer Batterie,
als auch ohne dieſelbe benützt werden; im letzteren Falle iſt aber eine beſondere Anordnung
der Queckſilber- und Waſſerſchichten erforderlich.


Das chemiſche Telephon von Ediſon beruht auf einer noch nicht ſicher
erklärten elektrochemiſchen Erſcheinung. Dieſe diente Ediſon ſchon im Jahre 1872
zur Conſtruction eines Relais, welchem er den Namen Electro-Motographe
gab. Die fragliche Erſcheinung beſteht in Folgendem: Man bedeckt eine mit dem
poſitiven Pole einer Batterie verbundene Metallplatte mit Papier oder einem andern
poröſen Körper und befeuchtet dieſen mit Kalilauge. Fährt man hierauf mit einem
Stifte aus Platin oder Blei, welcher mit dem negativen Pole derſelben Batterie
verbunden iſt, über die mit Kalilauge befeuchtete Fläche, ſo beobachtet man hierbei,
ſo lange der Stromkreis unterbrochen iſt, einen gewiſſen Reibungswiderſtand;
ſobald jedoch der Strom durch die feuchte Fläche und den Stift fließt, verſchwindet

Figure 682. Fig. 678.


Figure 683. Fig. 679.

Ediſon’s chemiſches Telephon.


dieſer Widerſtand. Dieſe auffällige Erſcheinung verſuchte man in der Weiſe zu
erklären, daß der Strom elektrolytiſch auf die Kalilauge einwirke, dadurch eine dünne
Gasſchichte zwiſchen der Fläche und dem Stifte erzeuge und in dieſer Weiſe die
Reibung aufhebe.


Hierauf gründete nun Ediſon ſeinen telephoniſchen Apparat. Eine Metall-
feder a (Fig. 678) iſt im Mittelpunkte der Glimmerſcheibe D (von etwa 10 Centi-
meter Durchmeſſer) befeſtigt. Das mit einem Platincontacte verſehene Ende dieſer
Feder ſchleift auf dem Cylinder A, welcher in der durch den beigeſetzten Pfeil
angedeuteten Richtung durch ein Uhrwerk in Umdrehung erhalten wird. Den
Cylindermantel bildet eine feuchte mit Aetzkali und eſſigſaurem Queckſilber imprägnirte
Gypsmaſſe. Die Feder a ſteht mit dem negativen, der Cylinder mit dem poſitiven
Pole einer Batterie in Verbindung, während gleichzeitig irgend ein Transmitter
in den Stromkreis geſchaltet iſt. Iſt der Stromkreis unterbrochen, ſo wird in
Folge der Reibung zwiſchen der Feder a und dem Cylinder A erſtere ſoweit von
letzterem mitgenommen, als es die Elaſticität der Glimmerplatte D geſtattet. Tritt
Stromſchluß ein, ſo hört die Reibung auf, die Platte und die Feder weichen
58*
[916] vermöge der Elaſticität der erſteren wieder zurück. Wechſeln Stromöffnungen und
Stromſchließungen miteinander ab oder treten überhaupt Stromſchwankungen ein,
ſo muß ſich dieſen entſprechend auch die Reibung zwiſchen Feder a und Cylinder A
ändern und dementſprechend wird die Glimmerplatte D in Schwingungen gerathen.
Werden daher die Stromſchwankungen durch Sprechen vor dem Transmitter hervor-
gerufen, ſo muß die Glimmerplatte die auf den Transmitter wirkenden Schallwellen
wiedergeben. In Fig. 679 iſt die Geſammtanordnung dieſes chemiſchen Telephon-
Syſtemes ſkizzirt. Hierbei ſtellt S den Kohlentransmitter dar, der mit der primären
Spirale der Inductionsrolle I und der Batterie B zu einem Stromkreiſe geſchaltet iſt,
während die ſecundäre Spirale einerſeits mit der Erdleitung E, andererſeits durch
den Liniendraht mit der auf der Glimmerplatte P befeſtigten Feder G verbunden iſt.
Der Gypscylinder, auf welchem die Feder ſchleift, ſteht mit der Erde E in Verbindung.


Figure 684. Fig. 680.

Dolbear’s Empfänger.


Dolbear gelang die Conſtruction eines
Empfängers, deſſen Wirkſamkeit auf elektro-
ſtatiſchen
Erſcheinungen beruht (vergl. ſingender
Condenſator, Seite 883). Dieſer Empfänger
beſteht in ſeiner einfachſten Form aus zwei
Metallſcheiben von beiläufig 5 Centimeter Durch-
meſſer, welche derart einander parallel gegenüber-
geſtellt ſind, daß ſie ſich nicht berühren. Es
wird dies, wie Fig. 680 erkennen läßt, durch
eine Faſſung (aus Hartgummi) erreicht, in welcher
zur Aufnahme der Scheiben entſprechende Rinnen
angebracht ſind. Die Hartgummifaſſung iſt einer-
ſeits mit einem Deckel verſchraubt, welcher den
Schallbecher C trägt, andererſeits mit einer Art
Knopf H verſehen, welcher als Handhabe zum
Halten des Empfängers dient. In die Mitte
des letzteren iſt eine Schraube S eingelaſſen,
deren Ende jene Scheibe berührt, welche der
Handhabe zunächſt liegt. Da dieſe Scheibe an
ihren Rändern durch die Hartgummifaſſung, in
der Mitte durch die Schraube gehalten wird,
kann ſie natürlich keine Schwingungen ausführen.
Die gegen den Schallbecher zu gelegene Scheibe
iſt jedoch nur an den Rändern befeſtigt und kann daher in Schwingungen verſetzt
werden. Der Zweck der Schraube S beſteht jedoch nicht nur darin, die erſterwähnte
Scheibe am Schwingen zu verhindern, ſondern auch darin, die Entfernung beider
Scheiben voneinander regulirbar zu machen.


Jede der, voneinander durch die Hartgummifaſſung iſolirten, Metallſcheiben
ſteht mit einer Klemmſchraube A in leitender Verbindung. In letztere ſind die
Enden der ſecundären Spirale eines Inductions-Apparates eingeſpannt, ſo daß
alſo die beiden Scheiben gewiſſermaßen die Pole des Inductoriums bilden und
ſich als einen Condenſator darſtellen, bei welchem Luft die iſolirende Zwiſchenſchichte
bildet. Die beiden Scheiben erhalten daher einander entgegengeſetzte elektriſche
Ladungen, ſobald durch den Inductions-Apparat in irgend einer Weiſe Inductions-
ſtröme erregt werden. Eine Reihenfolge von Inductionsſtrömen wird auch eine
Reihenfolge von Ladungen bewirken, und da die entgegengeſetzten elektriſchen
[917] Ladungen der beiden Scheiben jedesmal eine Anziehung zwiſchen dieſen beiden hervor-
rufen, ſo muß auch eine Reihenfolge von Anziehungen
eintreten, d. h. die bewegliche (gegen den Schallbecher zu
gelegene) Scheibe muß in Schwingungen gerathen. Dieſe
Schwingungen zeigten ſich nun hinlänglich kräftig, um für
das Ohr als Schallſchwingungen wahrnehmbar zu ſein.
Wird daher in den Stromkreis des in Rede ſtehenden
Apparates ein Sender irgend welcher Conſtruction ein-
geſchaltet und werden dann durch dieſen und den Induc-
tions-Apparat undulatoriſche Inductionsſtröme erzeugt,
ſo verſetzen dieſe die freie Membrane in Dolbear’s
Apparat in Schwingungen und dieſer fungirt als Hör-
Apparat oder Empfänger.


Die beſten Reſultate wurden unter Anwendung einer
Inductionsſpule erhalten, deren Widerſtand 4000 bis
5000 Ohms beträgt. Hierdurch erlangt die elektro-
motoriſche Kraft der Inductionsſtröme eine bedeutende
Höhe, weßhalb die gewöhnliche Iſolirung der Drähte
(wie bei Telegraphenleitungen) nicht mehr ausreichen
würde. Dieſer Uebelſtand kann jedoch dadurch umgangen
werden, daß man die Inductionsſpule nahe dem Empfänger
anbringt, ſtatt ſie mit dem Sender zu combiniren. Dann

Figure 685. Fig. 681.

Dunand’s Torſions-Mikrophon.


werden eben nur die verhältnißmäßig ſchwachen primären Ströme durch die Leitung
geſandt und erſt in der Empfangsſtation die hochgeſpannten Inductionsſtröme erregt.


Figure 686. Fig. 682.

Thermophon.


Bei Dunand’s Torſions-Mikrophon (Fig. 681) ſind zwei Eiſenmembranen A A'
mit einer entſprechenden Holzfaſſung zu einer Art Büchſe verbunden. Innerhalb derſelben,
und dadurch vor dem Verſtauben gut geſchützt, befinden ſich die beiden Kohlencontacte. In
[918] der Mitte der Membranen ſind nämlich die Kohlenſcheibchen B B befeſtigt, gegen welche ſich
ein beiderſeits koniſch abgerundetes Kohlenſtück von beiläufig 12 Millimeter Länge unter
regulirbarem Drucke ſtemmt. Um das Kohlenſtück iſt nämlich in ſeiner Mitte der Draht
F F geſchlungen, deſſen eines Ende an der Holzfaſſung feſtgemacht wurde, während das andere
Ende in dem Knopfe E endigt. Da durch Drehen dieſes Knopfes und ſomit auch des Kohlen-
ſtückes, die Neigung des letzteren gegen die Kohlenſcheibchen B B verändert wird, ändert ſich
auch die Innigkeit der Contacte und daher die Empfindlichkeit des Mikrophones. Da dasſelbe
zwei Membranen beſitzt, können auch gleichzeitig zwei Stimmen in bequemer Weiſe über-
tragen werden.


Wie bereits mitgetheilt wurde (Seite 913), iſt es Ader gelungen, die Sprache dadurch
zu reproduciren, daß er Wellenſtröme durch einen geſpannten Eiſendraht leitet, welcher mit
größeren Metallmaſſen in Verbindung ſteht. Wildbrant zeigte, daß die Reproducirung auch
mit Drähten aus irgend einem anderen Materiale gelingt, wenn nur die Wellenſtröme
hinlänglich ſtark ſind. Als ſich nun Preece von der Richtigkeit dieſer Thatſachen durch eigene
Experimente überzeugen wollte, gelangte er zur Conſtruction des in Fig 682 abgebildeten
Termophones. F. J. Pisko beſchreibt dasſelbe in ſeiner Telephonie*) in nachſtehender
Weiſe:


„Urſprünglich beſtand dieſes Inſtrument aus einem dünnen, zwiſchen einer Membrane
und einer Stellſchraube geſpannten Platindrahte. Die durch letzteren geleiteten Wellenſtröme
erzeugen, je nach ihrer wechſelnden Stärke, eine undulirende Wärmewirkung, welche ſich als
Ausdehnung und Zuſammenziehung des Drahtes und mithin als Vibration der Membrane
äußert. An der jüngſten Form des Thermophones von Preece ſieht man jedoch (in der Fig.
links) eine mit einem Korkſtöpſel geſchloſſene Glasröhre. Durch jenen gehen zwei Drähte in
die letztere, wo zwiſchen denſelben eine etwa fünf Centimeter lange, möglichſt dünne Platin-
ſpirale geſchaltet iſt. Die undulirenden Ströme rufen in der letzteren Wärmewellen, und in
Folge deſſen Ausdehnungen und Zuſammenziehungen des Drahtes hervor, wodurch die Luft
in der Röhre in Schwingung geräth. Daher kommt es, daß man das Inſtrument wie ein
Telephon benützen kann, indem man es mit ſeinem unteren Schalltrichter dicht an’s Ohr
legt. Bisher konnte jedoch damit nur ein ſchwaches Hören erzielt werden.“


Die Telephon-Anlagen.

A.Doppelſtationen.

Um zwiſchen zwei Stationen einen telephoniſchen Verkehr zu ermöglichen,
genügt es nicht, in jeder der Stationen ein Telephon aufzuſtellen und beide durch
eine Doppelleitung oder durch eine einfache Leitung und die Erde, wie dies in
Fig. 653 (Seite 896) dargeſtellt wurde, miteinander zu verbinden. Würde ſchon
die Aufſtellung von nur je einem Telephone in jeder Station den bereits ein-
geleiteten Verkehr ſehr unſicher machen, weil es dann ſehr leicht vorkommen kann,
daß beide Perſonen gleichzeitig ihr Telephon an’s Ohr halten oder gleichzeitig in
dasſelbe hineinſprechen, ſo fehlt bei dieſer Verbindung überdies auch noch jedes
Mittel, um der einen Station mitzutheilen, daß man von der anderen her zu
ſprechen wünſche. Um den erſten Uebelſtand zu beſeitigen, hat man deshalb in
jeder Station zwei Apparate, nämlich einen zum Hören und den andern zum
Sprechen anzubringen; zur Beſeitigung der zweiten Unzukömmlichkeit muß jede
Station mit einem Alarm-Apparate oder einer Anrufvorrichtung verſehen werden.
Das Studium der Schaltung und Verbindung von Telephonen zu einer Doppel-
ſtation wird daher unſere nächſte Aufgabe bilden müſſen.


Die Verbindung magnetelektriſcher Telephone zu einer Doppelſtation A B
zeigt ſchematiſch Fig. 683. Hierbei ſtellen S S' die Sprechtelephone, H H' die
[919] Hörtelephone, K K' Klingelwerke, T T' Taſter und V V' Batterien dar; E E'
ſind in die Erde verſenkte Platten. Will A mit B ſprechen, ſo wird zunächſt der
Taſter T niedergedrückt, wodurch bei a ein Contact hergeſtellt wird, der für die
Batterie V folgenden Stromkreis ſchließt: V a T durch die Linienleitung in die
Station B nach T' b' über den Hebel C' und den Contact c' in das Klingel-
werk K', von hier durch den Contact d' und die Erdleitung E' E zur Batterie V
zurück. Die Klingel K' wird daher ſo lange läuten, als der Taſter T in Station A
auf den Contact a niedergedrückt bleibt.*) Iſt auf dieſe Weiſe B davon verſtändigt,
daß A ſprechen will, ſo giebt B das Glockenzeichen zurück, um anzuzeigen, daß
das Signal vernommen wurde. Es wird nämlich T' auf a' niedergedrückt und

Figure 687. Fig. 683.

Telephon-Doppelſtation.


dadurch die Klingel K zum Tönen gebracht, weil jetzt der Strom der Batterie V'
über a' T' und die Linienleitung nach T fließt und von hier, da der Taſter
[920] mittlerweile losgelaſſen wurde, über b C c in das Klingelwerk K gelangt, von
wo aus er durch die Erdleitung E E' zur Batterie V' zurückkehrt. (Bei ent-
ſprechender Schaltung genügt natürlich eine Batterie in einer der Stationen.)
Nehmen hierauf die Perſonen in A und B ihre Hörtelephone H und H' von den
letztere tragenden Hebeln C C' herab, ſo kann die telephoniſche Correſpondenz
beginnen. Durch das Abnehmen der Hörtelephone kommen nämlich die Federn f f'
zur Geltung und ziehen die Hebel derart nieder, daß die Contacte n n' geſchloſſen
werden. Wird in A geſprochen, ſo gelangen die in S hierdurch erregten Wellen-
ſtröme zu dem Contacte n und wegen der Berührung desſelben mit C nach b,
fließen durch T und die Linienleitung nach T', über b' nach C' n' und S' zum
Hörtelephon H' in der Station B und kehren von hier aus durch die Erdleitung
E' E und das Telephon H nach S zurück. Die durch Sprechen in der Station B

Figure 688. Fig. 684.


Figure 689. Fig. 685.

Weinhold’s Ruf-Apparat.


im Telephone S' erregten Wellenſtröme durchlaufen in umgekehrter Richtung den-
ſelben Stromkreis. Iſt das Geſpräch beendigt, ſo werden die Telephone H H'
wieder auf ihre Haken gehängt; es wird alſo die urſprüngliche, zur Signalgebung
erforderliche Schaltung wieder hergeſtellt.


Die Anwendung magnetelektriſcher Apparate ſowohl als Empfänger, als auch
als Sender und in Folge deſſen die Combinirung von ausſchließlich magnetelektriſchen
Telephonen zu Doppelſtationen kommt jedoch in der Praxis aus den bereits
mehrfach (Seite 890, 904, 907) erwähnten Gründen ſeltener vor. Man bedient ſich
vielmehr gewöhnlich eines Batterietelephones oder Mikrophones als Sende-, und
eines magnetelektriſchen Telephones als Empfangs-Apparat. Hierdurch erleidet jedoch
das in Fig. 683 ſkizzirte Schaltungsſchema keine weſentliche Aenderung; nur müſſen
durch die Hebel C beim Herabnehmen des Telephones zwei Contacte geſchloſſen
werden, da nunmehr zwei Wellenſtröme, nämlich der primäre und der ſecundäre,
vorhanden ſind.


[921]

Bevor wir zur Beſprechung der praktiſchen Durchführung der im Obigen
ſchematiſch dargeſtellten Schaltungsweiſe übergehen, wollen wir noch einem Apparate
einige Aufmerkſamkeit widmen, der bisher nur nebenbei erwähnt wurde; es iſt
dies der Ruf-Apparat oder Wecker. Wir lernten einen ſolchen bereits beim
Siemens’ſchen Telephone (Seite 898) in Form einer Zungenpfeife und bei der
ſchematiſchen Darſtellung der Doppelſtation in Form einer einfachen elektriſchen
Klingel kennen. Zum Betriebe ſolcher Klingel werden häufig Magnet-Inductoren
(Seite 345) an Stelle der Batterien benützt. In neuerer Zeit wurden Läute-
Inductoren ſehr einfacher Conſtruction unter Anderen von Fein, A. Weinhold
und Abdank-Abakanowicz conſtruirt.


Figure 690. Fig. 686.

Läute-Apparat von Abdank-Abakanowicz.


Die Rufglocke von Weinhold iſt in Fig. 684 in zwei aufeinander ſenk-
rechten Schnitten abgebildet. Am oberen Ende des Metallfußes A ſitzt die durch
eine Schraube befeſtigte eiſerne Glockenſchale G. An demſelben Fuße iſt der Elektro-
magnet M angebracht, welcher bei S1 und S2 Inductionsſpulen trägt; die abgerundeten
Polſchuhe derſelben ſtehen innerhalb der Glocke in unmittelbarer Nähe des Glocken-
randes. Die Inductionsrollen ſind untereinander und durch die Drähte d1 d2 mit
Klemmſchrauben verbunden, an welche die Linien-, beziehungsweiſe Verbindungs-
drähte der übrigen telephoniſchen Apparate angeſchloſſen werden können. (Eine
dieſer Klemmen iſt bei K1 ſichtbar.) Durch das Holzſtück V iſt ferner der hölzerne
Hammer K an dem Geſtelle befeſtigt und wird durch die Feder F gegen die
Glocke gedrückt. Zieht man den Hammer von der Glocke ab und läßt ihn dann
[922] los, ſo wird er durch die Feder F auf die Glocke geſchleudert und verſetzt dieſe
in kräftige Schwingungen. Hierdurch wird aber ein wechſelndes Annähern und
Entfernen der eiſernen Glockenränder in Bezug auf die Inductionsſpulen mit ihren
Polſchuhen bewirkt, wodurch in den Spulen Inductionsſtröme hervorgerufen
werden. Dieſe gelangen dann durch die Leitung in die entfernte Station und ver-
ſetzen dort die Telephonmembrane in ſo heftige Schwingungen, daß ſie einen Ton
hören läßt, der durch einen auf den Schallbecher des Telephones aufgeſetzten
koniſchen Reſonator (Fig. 685) entſprechend verſtärkt wird; dies gilt unter der
Vorausſetzung, daß dieſer Reſonator mit ſeiner Stimmung bis auf mindeſtens einen
halben Ton mit dem Tone der Glocke übereinſtimmt. Dieſer Rufglocke iſt dem
Principe nach jene von Fein ähnlich.


Der Läute-Apparat von Abdank-Abakanowicz iſt in Fig. 686 dargeſtellt
und zeichnet ſich durch überraſchende Einfachheit aus. An der Krümmung eines
kräftigen, vertical geſtellten Hufeiſenmagnetes A A iſt eine breite Stahlfeder C
mit ihrer Ebene parallel zur Ebene der Magnetſchenkel befeſtigt. Dieſe Feder trägt
an ihrem unteren Ende die Inductionsſpule B mit ihren Armaturen F, welche
den im Inneren der Spule befindlichen Eiſenkern nach außen abſchließen. In der
Ruhelage ſteht die Feder C parallel zu der Magnetſchenkelebene und die Spule in
der Mitte zwiſchen beiden Schenkeln. Führt man die Spule aus dieſer Lage mit
Hilfe der Handhabe D heraus (wie dies die Figur zeigt) und läßt ſie dann los,
ſo ſchwingt ſie äußerſt lebhaft zwiſchen den Magnetpolen A A hin und her.
Hierdurch entſtehen in der Spule Inductionsſtröme wechſelnder Richtung, welche
einerſeits durch die Feder C und die Klemmſchraube K, andererſeits durch die
Spiralfeder R und die Klemmſchraube K1 in die Linie und das Läutewerk der
entfernten Station geleitet werden können. Jenes iſt eine ſogenannte polariſirte
Klingel
, welche, wie die Figur erkennen läßt, dem Läute-Inductor ganz analog
conſtruirt wurde; nur tritt hier an Stelle der Handhabe eine geſtielte Kugel.
Zwei Hufeiſen ſind mit ihren Polen vertical aufwärts gebogen; zwiſchen dieſen
befindet ſich ein federnd angebrachtes flaches Eiſenſtück, welches in ſeinem mittleren
Theile mit einer Drahtſpule verſehen iſt. Gelangen nun in letztere die durch den
Inductor erzeugten Wechſelſtröme, ſo wird der flache Eiſenkern offenbar abwechſelnd
nach rechts und nach links ſchwingen und daher auch der Knopf abwechſelnd an
die eine und die andere Glocke ſchlagen. Wie Verſuche gezeigt haben, reicht die
Kraft der durch den Inductor erregten Ströme aus, um die Klingel bis auf eine
Entfernung von 250 Kilometer in Thätigkeit zu ſetzen.


A. Münch ließ ſich eine Rufvorrichtung patentiren, welche ſich ſpeciell dort leicht
anwenden läßt, wo Telephone mit Hufeiſenmagnet in Verwendung ſtehen. (Der Apparat iſt
übrigens auch, unbedeutend modificirt, als ſelbſtſtändige Klingel verwendbar.) Fig. 687 zeigt,
zum Theile in Schnitt und zum Theile in Anſicht gezeichnet, dieſe Rufvorrichtung, adapirt
an ein Telephon nach Art des Siemens’ſchen (Seite 898). In dem wie gewöhnlich geformten
Telephongehäuſe T T befindet ſich der Hufeiſenmagnet H H mit ſeinen Polſchuhen p1 p2 und
den Inductionsſpulen s1 s2, welchen gegenüber die Membrane E E angebracht iſt. Dieſe
Inductionsſpulen und der Hufeiſenmagnet des Telephons ſelbſt ſind es nun, die zur Ruf-
vorrichtung verwendet werden. Die Polſchuhe p1 p2 ſind zu dieſem Behufe halbcylindriſch
ausgehöhlt, wie dies der getrennt gezeichnete Schnitt (nach der Linie x y in der Hauptfigur)
erkennen läßt. Ferner ſind auf den Schenkeln des Hufeifenmagnetes H H Metallplatten M M1
befeſtigt, welche das Räderwerk r g h i tragen. Auf der Axe a des Sternrades r ſitzt das
Metallſtück m m, das an zwei einander diametral gegenüberliegenden Flächen durch halb-
cylindriſch geformte Stücke e e1 aus weichem Eiſen begrenzt wird. Ein ſolches Eiſenſtück
füllt in der durch die Figur verſinnlichten Stellung den halbcylindriſchen, von den Polſchuhen
p1 p2 gebildeten Hohlraum nahezu ganz aus und bildet mit den Polſchuhen zuſammen einen
[923] faſt ununterbrochenen Anker (p1 e p2), der die Pole des Hufeiſenmagnetes H H direct mit-
einander verbindet. Hierdurch werden die Eiſenkerne der Spulen s1 und s2 gewiſſermaßen aus-
geſchloſſen, was ihren Magnetismus bedeutend ſchwächt. Dreht man aber das Metallſtück m m
um ſeine Axe a, etwa um einen rechten Winkel, ſo wird der Anker p1 e p2 unterbrochen,
indem dann die Eiſenſtücke e e1 an den Enden eines horizontalen Durchmeſſers zu ſtehen
kommen; der Magnetismus der Eiſenkerne in den Spulen s1 s2 wächſt folglich wieder zu
ſeiner urſprünglichen Stärke an. Verſetzt man nun das Metallſtück m m durch Drehen der
Kurbel k in ſchnelle Rotation, ſo wird der Magnet in raſcher Aufeinanderfolge abwechſelnd
kurz geſchloſſen und wieder geöffnet werden; ein ſolcher Wechſel wird bei der gezeichneten
Anordnung zweimal für jede volle Umdrehung eintreten. Es hindert natürlich nichts, durch
Anbringung mehrerer Eiſenſtücke e einen häufigeren Wechſel herbeizuführen. Die Folge dieſes

Figure 691. Fig. 687.

Münch’s Ruf-Apparat.


Wechſels und der hiermit verbundenen Aenderungen des magnetiſchen Zuſtandes der Eiſen-
kerne in s1 und s2 iſt aber das Auftreten ſehr kräftiger Inductionsſtörme in s1 und s2. Dieſe
Inductionsſtröme gelangen dann in das Telephon der entfernten Station und verſetzen dort
die Membrane in deutlich hörbare Schwingungen. Eine weitere Verſtärkung des Tones
kann in verſchiedener Weiſe erreicht werden. Münch läßt z. B. die Schwingungen der Mem-
brane auf eine Glocke übertragen. Zu dieſem Ende iſt in den Schallbecher B B eine kleine
Büchſe eingeſetzt, in welcher der die Kugel b tragende Stab t, deſſen unteres Ende auf der
Membrane E E aufruht, geführt wird. An einem gabelförmigen Anſatze dieſer Büchſe iſt ferner
durch einen Metallbügel die Glocke d befeſtigt, deren Stellung durch die Schraube f regulirt
werden kann. Geräth nun die Membrane in Schwingungen, ſo bringt die auf- und nieder-
hüpfende Kugel die Glocke zum Tönen.


Zu den Telephonſtationen ſelbſt zurückkehrend, wollen wir nun die Ein-
richtung einer ſolchen, und zwar zunächſt unter ausſchließlicher Anwendung
[924]magnetelektriſcher Telephone, genauer anſehen. Bei der praktiſchen Anwendung
hat man darauf zu ſehen, daß die einzelnen Apparate compendiös zuſammengeſtellt
und gegen Verſtaubung oder anderweitige Beſchädigung hinreichend geſchützt werden.
Man erreicht dies durch Einſchließung der Apparate in entſprechend geformte Käſten,
aus welchen nur jene Apparate oder Theile von Apparaten herausragen, die beim
Gebrauche zugänglich ſein müſſen. Als Beiſpiel einer ſolchen Einrichtung laſſen
wir nachſtehend die Beſchreibung eines deutſchen Fernſprechamtes (oder Telephon-
Bureaus) folgen, an Hand der von Grahwinkel*) veröffentlichten Angaben.


Fig. 688 zeigt die äußere Anſicht des ganzen Apparates, Fig. 689 die
innere Anſicht des Kaſtens K. Von außen ſieht man nur das Hörtelephon T,

Figure 692. Fig. 688.


Figure 693. Fig. 689.

Deutſche Fernſprechſtation.


welches an dem aus dem Kaſten herausragenden Haken h hängt, das Mundſtück M
des Sprechtelephones S, das Käſtchen E, welches den Elektromagnet des Weckers
einſchließt, die Glocke G desſelben mit dem dazu gehörigen Klöppel und den
Taſter t; die übrigen Beſtandtheile des Apparates ſind in den Kaſten K ein-
geſchloſſen. Dieſer enthält außer dem Sprechtelephone S den Contacthebel, die zu
dem Taſter gehörige Contactvorrichtung und einen Blitzſchutz-Apparat.


Die Contactvorrichtung für den Wecker beſteht aus der auf der Innen-
ſeite der Kaſtenvorderwand angebrachten Holzplatte B, auf welcher die drei Meſſing-
ſtücke m1 m2 und m3 befeſtigt ſind. m3 trägt den federnden Metallſtreifen F, der
an ſeinem oberen Ende mit dem wagrechten cylindriſchen Stücke t' verſehen iſt,
[925] welches als Taſter t durch die Vorderwand des Kaſtens herausragt. In der
axialen Richtung dieſes Cylinders iſt auf der Rückſeite der Feder F ein Contact-
ſtift befeſtigt, welcher aber für gewöhnlich das im Bügel b angebrachte Contact-
blättchen nicht berührt. Drückt man jedoch auf den Taſter t, ſo wird dieſer Contact
geſchloſſen und hierdurch der Strom einer Batterie (von fünf bis ſechs Leclanché-
Elementen) durch die Linienleitung in den Wecker der entfernten Station geſandt,
alſo daſelbſt die Klingel in Thätigkeit geſetzt.


Der Contacthebelc c, deſſen eines Ende als Haken h durch die Kaſten-
wand herausragt, iſt um die Axe o drehbar und an ſeinem anderen Ende mit
zwei Contacten verſehen. Dieſen gegenüber iſt einerſeits das Contactſtück p1, anderer-
ſeits die Contactſchraube p an einem entſprechenden Träger befeſtigt; letzterer und
der gabelförmige Ständer für die Axe o ſind mit dem Brette B verſchraubt. Die
Spiralfeder f ſtrebt, das nach innen gerichtete Hebelende nach abwärts zu ziehen,
alſo den Contact bei p1 zu ſchließen. So lange das Telephon T an ſeinem Haken
hängt, iſt durch den Contacthebel c c der Contact p geſchloſſen, jener bei p1 unter-
brochen. Der Hebel muß dieſe Stellung haben, wenn man die entfernte Station
durch den Wecker anrufen will (vergl. Schaltungsſchema Fig. 683). Nimmt man
hingegen das Hörtelephon T von ſeinem Haken herab, ſo zieht die Feder f den
Hebel nach abwärts und ſchließt den Contact bei p1, wodurch das Klingelwerk
ausgeſchaltet und die Verbindung der Telephone beider Stationen miteinander
hergeſtellt wird.


Die Blitzſchutzvorrichtung hat den Zweck, ſowohl den Apparat als auch
anweſende Perſonen und überhaupt das ganze Locale gegen Ströme atmoſphäriſcher
Elektricität zu ſchützen, die bei Gewittern in die Linienleitung und ſomit auch in
den Fernſprech-Apparat gelangen können. Eine einfache derartige Vorrichtung beſteht
z. B. aus drei voneinander iſolirten, aber mit ihren gezähnten Rändern ſich nahe-
ſtehenden Meſſingplatten a1 b1 c1;*) die Platte b1 ſteht mit der Linienleitung, die
Platte c1 mit der zu den Apparaten führenden Leitung in Verbindung und die
Platte a1 iſt zur Erde abgeleitet. Die Platten b1 und c1 ſind überdies noch durch
einen dünnen Draht miteinander verbunden. Die Wirkſamkeit einer derartigen Ein-
richtung beruht darauf, daß hochgeſpannte Elektricität, alſo auch die atmoſphäriſche,
ſtets den kürzeſten Weg einzuſchlagen ſucht und Luftzwiſchenräume leicht als Funken
überſpringt. Während alſo die ſchwachen Betriebsſtröme den dünnen Verbindungs-
draht zwiſchen c1 und b1 durchlaufen, wird ein aus der Leitung nach b1 kommender
hochgeſpannter Strom den Zwiſchenraum zwiſchen a1 und b1 überſpringen und ſo
auf dem kürzeſten Wege zur Erde abfließen. Sollte dennoch ein Zweigſtrom in den
dünnen Verbindungsdraht zwiſchen b1 und c1 eindringen und dadurch die an c1
angeſchloſſenen Apparate bedrohen, ſo wird er dadurch unſchädlich gemacht, daß er
beim Durchfließen des dünnen Drahtes deſſen Iſolirung zerſtört oder ihn ſelbſt
abſchmilzt und dadurch wieder zur Erde abgeleitet wird.


Die Detailconſtruction des Blitzableiters (eines ſogenannten Spindelblitzableiters)
iſt aus Fig. 690 zu erſehen, in welcher die Spindel und die Spindel in ihrer Lage zu den
übrigen Theilen des Blitzableiters in Längsſchnitten dargeſtellt ſind. Die Spindel beſteht aus
einem Meſſingcylinder M, welcher zu beiden Seiten bei m m etwas abgedreht iſt. Das eine
Ende desſelben iſt in das Ebonitſtück e eingeſchraubt, das andere mit dem Ebonitſtücke e1
durch eine Schraube verbunden. Das Ebonitſtück e iſt an ſeinem äußeren Ende durch den
Meſſingcylinder m1, das Ebonitſtück e1 durch den Meſſingcylinder m2 abgeſchloſſen. Die
[926] Spindel beſteht ſonach aus den drei voneinander iſolirten Meſſingcylindern m1 M und m2.
Die abgedrehten Theile m m des mittleren Cylinders ſind, wie an der eingeſchobenen Spindel
erſichtlich, mit Drahtwindungen verſehen; hierzu wird 0·1 Millimeter dicker Kupferdraht ver-
wendet, der mit Seide ſorgfältig überſponnen iſt. Die Drahtenden der Spulen ſind durch
die ſpiralförmigen Nuthen n iſolirt geführt und verbinden dadurch die beiden Spiralen unter-
einander und ebenſo die beiden Meſſingcylinder m1 und m2, indem ſie durch die Schrauben s s1
an erſtere feſtgeklemmt ſind. Die mittleren Theile der Spindel, ſoweit ſie mit Drahtwin-
dungen d d umhüllt ſind, berühren den Hohlraum h h des Meſſingſtückes a1 an keiner Stelle;
hingegen wird in den Meſſingſtücken b1 a1 und c1 für gute Contacte zwiſchen dieſen und den
Meſſingcylindern m1 M und m2 dadurch geſorgt, daß die durch die Schrauben r r1 r2 befeſtigten
und rechtwinkelig in die cylindriſchen Bohrungen hineingebogenen Federn f f1 f2 gegen die
Spindel drücken.


Die Betriebsſtröme gelangen alſo durch b1 in den Blitzableiter, von hier in den
Meſſingcylinder m1, gehen dann durch s n d n d n s1 in das Meſſingſtück c1 und zu den Apparaten
(vergl. Fig. 689). Gelangt aber, z. B. in Folge eines Gewitters, ein hochgeſpannter Strom
durch die Linienleitung nach b1, ſo wird der Hauptantheil, ſtatt die dünnen Drähte d d zu
durchfließen, zwiſchen den Zähnen von b1 und a1 (Fig. 689) überſpringen und zur Erde
abfließen. Iſt der durch d d eindringende Zweigſtrom trotzdem noch kräftig, ſo zerſtört er den

Figure 694. Fig. 690.

Spindelblitzableiter.


dünnen Draht der Windungen oder doch mindeſtens deſſen iſolirende Seidenumſpinnung und
ſtellt dadurch eine metalliſche Verbindung mit dem zur Erde abgeleiteten Stücke a1 her
(Fig. 690), wodurch er ebenfalls, ohne in die Apparate zu gelangen, zur Erde abfließt.


Iſt eine Blitzſchutzvorrichtung zerſtört worden, ſo ſetzt man den Apparat einfach dadurch
wieder in Stand, daß man die Spindel aus den Stücken b1 a1 c1 herauszieht und dafür eine
neue (Reſerve-) Spindel einführt. Damit nun auch während dieſer Manipulation die Linie
nicht unterbrochen wird, iſt an dem Stücke b1 durch Schrauben eine ſtarke Meſſingfeder F
befeſtigt, die bei c mit einem Contactſtifte und an ihrem freien Ende mit dem ſchief
abgeſchnittenen Ebonitſtücke E verſehen iſt. So lange die Spindel ſich an ihrem Platze
befindet, ſtemmt ſich die Feder F mit ihrem Ebonitklotze E gegen den Kopf K der Spindel,
wodurch der Contactſtift bei c außer Berührung mit dem Metallſtücke c1 gehalten wird.
Zieht man aber die Spindel heraus, ſo drückt die Feder F den Contactſtift nieder, weil nun
der Kopf K das Ebonitſtück E nicht mehr zurückhält, und verbindet dadurch b1 direct mit c1.
Wird hierauf die neue Spindel eingeſchoben, ſo wird durch Heben der Feder F der Blitz-
ableiter als ſolcher wieder hergeſtellt.


Die Wirkſamkeit dieſer Blitzableiter betreffend, mögen nachſtehend noch folgende Angaben
Raum finden. In Leipzig, wo ſich zur Zeit 285 Fernſprechſtellen befanden, ging am
19. Mai 1884 ein ungewöhnlich heftiges Gewitter nieder; trotzdem wurden doch nur zwei
(weiter unten zu beſchreibende) Klappenſchrank-Elektromagnete durch Zerſtörung des Wicklungs-
[927] drahtes beſchädigt, hingegen mußten 41 Spindeln ausgewechſelt werden. Außerdem wurde
durch einen Blitzſchlag auch von einem Iſolator ein Stück abgeſprengt und an demſelben
Geſtänge eine Leitung zerriſſen. Die ganze gewaltige Elektricitätsmenge, welche auf den
Leitungsſtänder, der auf dem Dache eines Hauſes befeſtigt iſt, niederging, floß, ohne ander-
weitigen Schaden anzurichten, auf drei verſchiedenen Wegen zur Erde ab. Es darf hieraus
wohl der Schluß gezogen werden, daß die oben beſchriebene Blitzſchutzvorrichtung ihren Zweck
vollſtändig erfüllt.


Figure 695. Fig. 691.

Böttcher’s


Figure 696. Fig. 692.

Ader’s


und
Telephonſtation.


Die Einrichtung einer Telephonſtation mit Apparaten von Böttcher, zum ſpeciellen
Gebrauche in Bergbauen, iſt in Fig. 691 dargeſtellt. Hierbei handelte es ſich hauptſächlich
darum, die Oxydation von Eiſentheilen in Folge der Einwirkung feuchter Luft zu vermeiden,
und ebenſo auf die Anwendung von Holz zu verzichten. Deshalb hat man auch die Ver-
kleidung der Hörtelephone, deren zwei jeder Station beigegeben werden, aus verzinktem Eiſen-
bleche dargeſtellt, während Eiſentheile, ſo weit als möglich, durch ſolche aus Meſſing erſetzt
wurden. Eines der Telephone hängt an dem Haken eines Contacthebels. Die Inductionsſpulen
ſind ſämmtlich in Paraffin getränkt und gleichwie der Magnet-Inductor, denn ein ſolcher
wird an Stelle der Batterie benützt, in einem verſperrbaren Kaſten eingeſchloſſen. Dieſer,
[928] ſowie auch der darüber befindliche, durch einen Drücker einfach zu öffnende Kaſten, beſtehen
aus verzinktem Eiſenbleche. Das Klingelwerk iſt nicht mit den übrigen Apparaten vereinigt,
ſondern kann an einem beliebigen Orte aufgehängt werden; bei Anfertigung desſelben wurden
dieſelben Mittel zum Schutze gegen die ſchädliche Einwirkung feuchter Luft in Anwendung
gebracht.


Ader’s Stationseinrichtung zeigt Fig. 692 in einer Anſicht und von unten nach
abgenommenem Boden. Die einzelnen Apparate ſind theils in einem pultförmigen Kaſten ein-
geſchloſſen, theils an dieſem befeſtigt. Außen erkennt man bei B einen Blitzſchutz-Apparat, den
Taſter T, um einen Weckruf in die entfernte Station entſenden zu können, das Hörtelephon H,
welches an dem Haken h des Contacthebels hängt und die Membrane M aus Reſonanzholz.
Die Innenanſicht zeigt das uns bereits bekannte Ader’ſche Mikrophon, beſtehend aus 12 Kohlen-
ſtäben K, welche mit den quer geſtellten Kohlenprismen 24 Contacte bilden. Die Inductions-
rolle iſt bei J gelagert und neben dieſer auf einem Brette der Contacthebel C befeſtigt. Das

Figure 697. Fig. 693.

Telephonſtation von Locht-Labye.


Klingelwerk wird getrennt von dem Apparate aufgehängt und durch eine Batterie in Thätig-
keit geſetzt.


Das Mikrophon von de Locht-Labye haben wir bereits kennen gelernt; es wurde
mit den übrigen Apparaten zu einer Sprechſtation in der durch Fig. 693 dargeſtellten Weiſe
verbunden. In dem Käſtchen links ſieht man die dünne, aber verhältnißmäßig große Kork-
platte P, welche von einer Metall-Leiſte unter Vermittlung zweier Bandfedern herabhängt.
Am unteren Theile iſt die Kohlenſcheibe K befeſtigt, gegen welche ſich der in einem Kugel-
gelenke bewegliche Contactſtift legt. Rechts im Käſtchen befindet ſich der Elektromagnet W des
Weckers mit ſeiner ſelbſtthätigen Stromunterbrechung, während die Glocke G außerhalb
angebracht iſt. Mit dem Elektromagnete iſt auch noch die Fallſcheibe S1 verbunden, durch
deren Herabfallen von S gleichzeitig mit dem Glockenzeichen ein optiſches Signal gegeben
wird. Das Hörtelephon oder der Empfänger wird wieder an dem Haken h, welcher an dem
Contacthebel C befeſtigt iſt, aufgehängt. Bei J iſt die Inductionsrolle angebracht und endlich
bei t der Taſter zum Schließen der Wecker-Batterie.


[929]

Obwohl es in vielen Fällen vortheilhaft erſcheinen wird, zwei voneinander
entfernte Punkte telephoniſch untereinander zu verbinden, alſo eine Doppelſtation
zu errichten, ſo ſind doch die Telephon-Centralſtationen ungleich wichtiger, da dieſe
die telephoniſche Correſpondenz zwiſchen je zwei ganz beliebigen Theilnehmern ermög-
lichen. Daß dieſes Reſultat nur unter Vermittlung eines ſpeciellen Amtes geſchehen
kann, iſt wohl einleuchtend, da ja ſonſt von der Sprechſtation einer Perſon aus
zu jeder Perſon, mit welcher erſtere zu ſprechen wünſcht, Leitungen führen müßten,
was, abgeſehen von anderen Uebelſtänden, durch die hohen Herſtellungskoſten
unmöglich gemacht würde. Bei Errichtung von Centralſtationen (Fernſprechämtern)
geſtaltet ſich das Unternehmen weſentlich einfacher; jeder Theilnehmer ſteht durch
einen Draht mit der Centrale in Verbindung, kann dieſer Signale geben und
telephoniſch ſeine Wünſche mittheilen. In der Centrale wird dann der Draht des
Theilnehmers mit dem Drahte jenes zweiten Theilnehmers verbunden, mit welchem
der erſte zu ſprechen wünſcht. Haben beide ihr Geſpräch beendet, ſo wird dies der
Centrale bekanntgegeben, worauf die urſprüngliche Schaltung wieder hergeſtellt,
d. h. die Verbindung zwiſchen den beiden Theilnehmern gelöſt und der Anſchluß
jedes Theilnehmers an die Centrale wieder hergeſtellt wird. Welche ungeheure
Erſparniß an Zeit und Schreibarbeit dadurch erzielt wird, daß Behörden, Geſell-
ſchaften, Geſchäftsleute und Private einer großen Stadt in jedem Momente ſich
untereinander beſprechen können, braucht wohl nicht erſt betont zu werden. Auch
ſpricht die beiſpielloſe Schnelligkeit, mit der ſich das neue Verkehrsmittel, das
Telephon, bei allen civiliſirten Völkern Eingang verſchaffte, hinlänglich deutlich
für deſſen Wichtigkeit.


Um dieſe Erfolge zu erzielen, iſt natürlich eine Reihe von Apparaten und
Einrichtungen nothwendig; die Leiſtungsfähigkeit eines Centralamtes hängt weſentlich
von der ſachkundigen Einrichtung und Leitung desſelben ab. Nachdem wir bereits
die Einrichtung einer einfachen Station kennen, wollen wir nun die einer Central-
ſtation kennen lernen und uns mit der Thätigkeit in derſelben näher bekannt
machen.


In das Centralamt münden die Drähte ſämmtlicher Abonnenten ein; in
welcher Weiſe die Leitungen von den Theilnehmern zum Fernſprechamte geführt
werden und wie ſie daſelbſt einmünden, wird uns weiter unten noch beſchäftigen.
Da jeder Theilnehmer im Stande ſein muß, mit dem Fernſprechamte und mit
jedem anderen Theilnehmer zu verkehren, ſo muß im Centralamte ein General-
umſchalter
aufgeſtellt ſein, durch deſſen Vermittlung den genannten Anforderungen
entſprochen werden kann. Dieſer Umſchalter hat alſo einen doppelten Zweck zu
erfüllen: er muß aus einem Indicator, d. h. einem Apparate beſtehen, durch
welchen jeder Theilnehmer anzeigen kann, daß er zu ſprechen wünſche; ferner muß
ein Commutator vorhanden ſein, d. h. ein Apparat, der die Verbindung jedes
Theilnehmers mit jedem Theilnehmer ermöglicht. Generalumſchalter, welche dieſen
Anforderungen entſprechen, ſind nun in verſchiedenen Formen conſtruirt und in
Anwendung gebracht worden. Doch hat man dem Principe nach nur zwei Haupt-
typen zu unterſcheiden; der eine, und zwar der ältere Typus iſt durch die An-
wendung des Schweizer Umſchalters oder Wechſeltiſches charakteriſirt, der
andere durch Anwendung von Contactklinken, die urſprünglich nach Art der
Klappmeſſer conſtruirt wurden und daher die Bezeichnung Jack-knifes erhielten.


Das Princip des Schweizer Amſchalters veranſchaulicht uns Fig. 694.
Auf einem, gewöhnlich in Form eines Pultes, angebrachten Grundbrette ſind die
Urbanitzky: Elektricität. 59
[930] Metallſchienen a b c d . . . . T und E befeſtigt; über dieſen und von ihnen
ſorgfältig iſolirt befinden ſich die Schienen 1, 2, 3, 4 . . . . Man nennt die
Schienen a b c d … Horizontalſchienen oder Lamellen, die Schienen 1, 2, 3 …
Verticallamellen; T wird als Telephon- und E als Erdlamelle bezeichnet, weil T
mit dem Sprechapparate des Beamten in der Centrale und E mit einer Erdleitung
in Verbindung ſteht. An den Verticalſchienen enden bei 1, 2, 3 … die Leitungen
der Abonnenten, nachdem ſie vorher die Indicatoren i1 . . i4 … paſſirt haben.
Die Horizontallamellen bilden im Ruhezuſtande lauter einzelne, iſolirte Metall-

Figure 698. Fig. 694.

Schweizer Umſchalter.


ſtreifen. An allen Kreuzungsſtellen der
horizontalen mit den verticalen Lamellen
ſind beide durchſetzende Bohrungen an-
gebracht, ſo zwar, daß ein in ein ſolches
Bohrloch geſteckter Metallſtöpſel die be-
treffende Verticallamelle mit der ent-
ſprechenden Horizontallamelle leitend
verbindet.


Die Manipulation mit dieſem
Umſchalter iſt folgende: Wünſcht keiner
der Abonnenten zu ſprechen, ſo ſtecken
ſämmtliche Stöpſel in der Erdſchiene E
(wie die Figur bei III erkennen läßt),
d. h. die Leitungen ſämmtlicher Abonnenten
gehen durch die betreffenden Indicatoren
und hierauf durch ihre Verticallamellen
und die Erdlamelle E zur Erde. Wünſcht
nun ein Abonnent mit einem zweiten
Abonnenten zu ſprechen, ſo ruft er mit
Hilfe ſeines Apparates das Centralamt
an.*) Hier fällt die Klappe des betreffen-
den Abonnenten herab und läßt deſſen
Nummer erſcheinen. Erkennt auf dieſe
Weiſe der Stationsbeamte, daß ein Abon-
nent, z. B. Nr. 4, zu ſprechen wünſcht, ſo
zieht er den Stöpſel, welcher die Vertical-
ſchiene 4 des Abonnenten mit der Erd-
ſchiene E verband, heraus und ſetzt ihn
bei IV ein. Hierdurch wird die Schiene 4
mit der Telephonſchiene verbunden, alſo
das Telephon t in die Leitung des Abonnenten eingeſchaltet, welcher nun um ſeine
Wünſche befragt werden kann. Iſt in dieſer Weiſe der Centrale bekannt gegeben
worden, daß z. B. Abonnent A1 mit A2 zu ſprechen wünſcht, ſo wird der Stöpſel
von A1 aus der Erdſchiene genommen und etwa in I eingeſtellt, während man
den Stöpſel von A2 aus der Erdlamelle nach II verſetzt. Bei dieſer Art der
[931] Verbindung der Leitungen zweier Abonnenten iſt es gleichgiltig, welche Horizontal-
lamelle gewählt wird, nur muß hierbei berückſichtigt werden, daß einerſeits beide
Stöpſel in dieſelbe Horizontallamelle geſetzt werden ohne ihre Verticallamelle zu
verlaſſen und daß andererſeits nur eine ſolche Horizontallamelle gewählt werden darf,
die noch nicht beſetzt iſt. Hat man z. B. A1 mit A2 dadurch verbunden, daß
man bei I und II die Stöpſel einſetzte, ſo kann, wenn gleichzeitig A3 mit A4 zu
ſprechen wünſcht, nicht mehr die Horizontalſchiene c benützt werden, ſondern man

Figure 699. Fig. 695.

Berliner’s Centralſtation.


hat die Schiene a, b oder d zu wählen. Die Fig. 694 ſtellt die Verbindung
der Abonnenten A1 und A2 durch die Horizontalſchiene c dar, nämlich von A1
durch die Verticallamelle 1 bis zur Horizontallamelle c in den Stöpſel I, durch
dieſen in die Horizontallamelle c, aus dieſer durch den Stöpſel II in die Vertical-
lamelle 2 und von hier nach A2; man erſieht hieraus zugleich auch, daß während
der Verbindung von A1 mit A2 das Telephon der Centralſtation ausgeſchaltet iſt.


Ein Generalumſchalter, wie ihn J. Berliner in Hannover, auf dem
Principe des Schweizer Umſchalters beruhend, herſtellt, iſt in Fig. 695 für
25 Theilnehmer in perſpectiviſcher Anſicht dargeſtellt. Der Commutator befindet
59*
[932] ſich hierbei auf einem pultförmigen Aufſatze des Tiſchgeſtelles; ein verticaler kleiner
Schrank über dem Pulte enthält die Indicatoren. Auf die Einrichtung der letzteren
wird hier nicht näher eingegangen, weil der ohnehin zunächſt zu beſprechende
Generalumſchalter zur eingehenden Beſchreibung ähnlicher Apparate Gelegenheit
geben wird. Berliner ordnet die Horizontalſchienen oberhalb und die eigenthümlich
geformten Verticalſchienen unterhalb an. Rechts auf dem Tiſche ſieht man einen
Wechſelſtöpſel liegen, welcher durch zweierlei Contacte geſtattet, entweder das
Läutewerk oder die Fernſprechapparate jener Station, mit der man verkehren will,
einzuſchalten. Auf der linken Seite des Tiſches ſtehen die Hör- und Sprechapparate
der Centralſtation. Rechts unterhalb der Tiſchplatte iſt ein Kaſten angebracht,
welcher den Läute-Inductor enthält; natürlich kann auch an Stelle des letzteren
eine Batterie in Verwendung kommen. In der Figur iſt angenommen, daß 4 mit
8, 9 mit 22 und 16 mit 18 ſpricht. Die Stöpſeln der übrigen Theilnehmer

Figure 700. Fig. 696.

Klinkenumſchalter.


ſtecken in der unterſten Horizontalſchiene, der ſogenannten Erdlamelle.*) Das Syſtem
des Schweizer Umſchalters kam in Nordamerika, bei der Gower-Geſellſchaft in
Paris, bei der Telephongeſellſchaft in Wien und an anderen Orten, allerdings in
conſtructiv verſchiedenen Ausführungen in Anwendung.


Die Jack-knifes oder Klinkenumſchalter, in neuerer Zeit von den Ameri-
kanern Wilſon und Haskins erdacht, gewinnen gegenwärtig ſehr an Verbreitung.
Ihr Princip möge an Fig. 696 erläutert werden, in welcher der Indicator weg-
gelaſſen iſt. Man hat ſich alſo zu denken, daß der mit „Linie“ bezeichnete Draht,
welcher den Abonnenten mit der Centrale verbindet, vor ſeinem Anſchluſſe an a
[933] den Indicator bereits paſſirt habe. Da, wie die Figur zeigt, in der Ruhelage h2
die um a drehbare Metallklinke h1 auf der unbeweglich feſtgeſchraubten Klinke
aufruht und letztere durch eine Leitung mit der Erde in Verbindung ſteht, ſo kann
der betreffende Abonnent durch Niederdrücken ſeines Taſters die Centrale anrufen.


In der Centrale ſind die Klinken-
ſchalter und die dazu gehörigen Indicatoren
ſämmtlicher Theilnehmer in paſſenden
Schränken, den ſogenannten Klappen-
ſchränken
, vereinigt. Fig. 697 iſt die
ſchematiſche Darſtellung eines ſolchen, wie
er in den deutſchen Fernſprechämtern in
Verwendung ſteht.*) Der Unterſatz, zur
Hälfte geöffnet gezeichnet, iſt mit Fächern
verſehen, welche zur Aufnahme der Batte-
rien B dienen; dieſe werden aus Leclanché-
Elementen vereinfachter Form (beiläufig
wie ſie Fig. 320, Seite 483 darſtellt)
zuſammengeſetzt. Auf dieſem Unterſatze erhebt
ſich der kaſtenförmige Aufſatz G G, welcher
durch Querleiſten in fünf übereinander-
liegende Fächer getheilt wird. Mit n ſind
auf die Holzleiſten aufgeſchraubte Eiſenleiſten
bezeichnet. Die fünf Fächer ſind durch
Scheidewände in je 10 Räume abgetheilt,
ſo daß der ganze Schrank 50 ſolcher
Räume enthält, deren jeder einen Elektro-
magnet aufnimmt. Die Einrichtung der ein-
zelnen Fächer ſelbſt iſt aus Fig. 698 zu
erſehen, in welcher die untere Ecke des
Klappenſchrankes von der Vorderſeite geſehen
und der Querſchnitt durch eine Zelle dar-
geſtellt iſt. Der von den Holzleiſten G mit
ihren Eiſenſchienen n frei gelaſſene Raum
wird durch die Eiſenplatten p nach vorne ab-
geſchloſſen; jede dieſer Eiſenplatten trägt eine
Nummer, ſo zwar, daß die Nummern in der
Kaſtenecke links oben mit 1 beginnen und rechts
unten mit 50 abſchließen. Dieſe Nummern
ſind jedoch, wenn der betreffende Theilnehmer
nicht ſpricht, durch die Klappen K verdeckt;
ſie werden gegen die Stifte i herabgeſchlagen,
ſobald die Centrale angerufen wird.


Figure 701. Fig. 697.

Klappenſchrank.


Unterhalb jeder Klappenreihe iſt ſtets eine Reihe von Bohrungen angebracht,
welche mit Meſſing ausgefüttert ſind; die Bohrungen tragen dieſelben Nummern,
wie die darüber befindlichen Klappen (z. B. bei der umgelegten Klappe 42 zu
[934] ſehen). Solche Bohrungen ſind aber auch an den ſeitlichen Verticalleiſten des Kaſtens
zu je 25 angebracht; die Nummern derſelben ſind aber ſo vertheilt, daß ſich die
geraden Zahlen auf der einen, die ungeraden Zahlen auf der andern Seite
befinden. Der Zweck dieſer Einrichtung ſoll ſpäter angegeben werden.


Im Innern der Zellen iſt die horizontale eiſerne Grundplatte g durch
Schrauben am unteren Ende der Platte p befeſtigt; auf dieſer Grundplatte ruht
unter Vermittlung der Holzleiſte v der Elektromagnet auf, von welchem nur der
Schenkel E mit Drahtwindungen verſehen iſt, während der Kern E1 ohne Um-
windungen bleibt. Dieſer trägt den Meſſingwirkel w, an welchem die Feder f mit
dem Anker a des Elektromagnetes befeſtigt iſt. Die Stellung des Ankers kann

Figure 702. Fig. 698.

Klappenſchrank.


durch die Schraube R regulirt werden. An dem gegen die Platte p gerichteten
Ende des Ankers ſitzt, durch zwei Schrauben feſtgehalten, der Haken h, welcher
durch eine Oeffnung der Platte p herausragt. Die um c drehbare Klappe K,
welche gewöhnlich die Nummer auf der Platte p verdeckt, iſt in dem Querſchnitte
umgelegt und ruht auf dem Stifte i auf. Auch dieſe Klappe iſt mit einer ent-
ſprechenden Oeffnung verſehen, durch welche der Haken h durchgreift und die
Klappe geſchloſſen erhält, ſo lange kein Strom durch die Drahtwindungen des
Elektromagnetes fließt. Die Drähte des letzteren enden in den iſolirten Meſſing-
plättchen m (im Querſchnitte nur eines ſichtbar), von welchen eines mit dem
Liniendrahte des betreffenden Abonnenten, das andere mit der Erdleitung in Ver-
bindung geſetzt iſt.


[935]

Sobald die Drahtwindungen des Elektromagnetes von einem Strome durch-
floſſen werden, zieht E ſeinen Anker a an und ſenkt dadurch den Haken h. Nun
fällt die Klappe K, theils in Folge ihres Gewichtes, theils in Folge des Druckes,
welchen die kleine Bandfeder b ausübt, auf den Stiften i herab und deckt die auf
der Platte p befindliche Nummer auf. Hierdurch erfährt der Stationsbeamte, daß
der betreffende Abonnent zu ſprechen wünſcht. Erſterer wird nun ſeinen Fernſprech-
Apparat mit jenem des Correſpondenten verbinden. Es mag hier bemerkt werden,
daß die deutſchen Fernſprechämter für die Theilnehmer faſt ausſchließlich Telephone,
ſowohl als Sender als auch als Empfänger, verwenden (wie in den Fig. 683,
688, Seite 919 und 924 dargeſtellt) und nur in den Vermittlungsämtern
(Centralen) Mikrophone (von Blacke oder von Berliner) als Sender in Verwen-
dung bringen, weil dieſe ein leiſeres Sprechen der Beamten ermöglichen und
dadurch deren Dienſt erleichtern; auch iſt in den Fernſprech-Apparat des Beamten
kein Wecker eingeſchaltet.


Bevor wir nun an den Fig. 699 und 700 die im Vermittlungsamte vor-
zunehmenden Schaltungen näher in’s Auge faſſen, möge eine Einrichtung noch
erklärt werden, auf welche weiter oben bereits hingewieſen wurde: die 25 Bohrungen
in den Verticalleiſten zu beiden Seiten des Klappenſchrankes. Würde man zwei
Abonnenten, die miteinander zu ſprechen wünſchen, dadurch in Verbindung ſetzen,
daß man die beiden Endſtöpſel einer Leitungsſchnur in die betreffenden unter den
Klappen befindlichen Bohrungen ſtecken würde, ſo hätte man dadurch in die Linie
dieſer beiden Abonnenten die Indicatoren beider eingeſchaltet und dadurch den
Widerſtand der Leitung in ganz unnützer Weiſe vermehrt. Dies zu vermeiden, iſt
nun der Zweck der zu beiden Seiten des Klappenſchrankes angebrachten Bohrungen.
Hinter letzteren ſind nämlich keinerlei Indicatoren, ſondern nur Contactklinken
angebracht; da hierdurch für die Verbindung jedes Abonnenten mit jedem Abon-
nenten zweierlei Stöpſelungen, nämlich eine mit Einſchaltung des Indicators und
eine ohne Einſchaltung desſelben, zur Verfügung ſtehen, ſo kann jederzeit bei der
Verbindung zweier Abonnenten untereinander der Indicator eines derſelben, als
nicht nur unnöthig, ſondern ſogar ſtörend, ausgeſchaltet werden.*).


Wir wollen nunmehr die in der Centrale auszuführenden Schaltungen an
Hand der ſchematiſchen Figuren 699 und 700 verfolgen. Abonnent A wünſcht
mit dem Abonnenten B zu ſprechen. A drückt zu dieſem Behufe den Taſter t
[936] ſeines uns bereits bekannten Fernſprech-Apparates (Fig. 699) nieder und ver-
anlaßt hierdurch die Entſendung eines Stromes ſeiner Batterie B nach der Cen-
trale auf folgendem Wege: Der Strom geht von einem Pole der Batterie B
(deren anderer Pol mit der Erde in Verbindung ſteht) durch den Liniendraht zur
Klemme A1, welche auf der oberen Kante des Klappenſchrankes in der Centrale
befeſtigt iſt. Hier ſtehen ihm zwei Wege offen, nämlich über b, den Elektromagnet E,
die Klinke k, den mit ihr in Berührung ſtehenden Contact 1 und zur Erde, oder

Figure 703. Fig. 699.

Verbindung eines Theilnehmers mit der Centrale.


über c durch die Feder f in einen Fortſatz der Meſſingfaſſung m m des Bohr-
loches. Da aber dieſe Meſſingfaſſung iſolirt in der Holzleiſte G ſteckt (der Stöpſel
iſt vorläufig nicht eingeſchoben zu denken), kann er hier nicht weiterfließen; der
vom Abonnenten A entſandte Strom wird daher den erſten Weg, alſo durch den
Elektromagnet E wählen müſſen. Dieſer zieht in Folge deſſen ſeinen Anker h an
und bringt die Klappe K zum Herabfallen. Hierdurch wird, wie oben angegeben,
die Nummer jenes Abonnenten (A) bloßgelegt, welcher zu ſprechen wünſcht.


Der Stationsbeamte ſteckt jetzt den einen Stöpſel einer Leitungsſchnur in
das unter der aufgedeckten Nummer befindliche Loch m m (wie durch punktirte
[937] Linien angedeutet), den anderen Stöpſel in das Loch a (vergleiche Fig. 697 und
698 unterſte, horizontale Lochreihe). Hierdurch wird die Klinke k von l abgehoben
und mit dem Stifte des einen Stöpſels in Contact gebracht, indeß der Stift
des Stöpſels in a die Klinke u von der Erdleitung e abhebt und hierdurch den
Fernſprechapparat des Abonnenten A mit dem Fernſprechapparate C der Centrale
verbindet. (Den Wecker W in derſelben hat man ſich wegzudenken; er wurde nur
deßhalb in der Figur aufgenommen, um gleichzeitig ein vollſtändiges Schema
einer Station mit Mikrophon M zu geben.) Der Stationsbeamte kann nun den
Abonnenten um ſeine Wünſche fragen und deſſen Aufträge entgegennehmen, ſobald
er das Hörtelephon H von dem Schalthebel herabgenommen hat. Dieſer muß bei
Anwendung eines Mikrophons, wie oben bereits erwähnt (S. 920), gleichzeitig
zwei Contacte I und II ſchließen,
weil zwei Ströme, der primäre
und der ſecundäre, auftreten.
Es iſt zu dieſem Zwecke unterhalb
des Schalthebels nicht nur der
Contact II angebracht, ſondern
auch noch der Contact I; auf
dieſen wird durch die Drehung
des Schalthebels, unter Ver-
mittlung des vom letzteren iſolirten
Stiftes x, eine Metallfeder nieder-
gedrückt, welche auf einem mit
dem primären Drahte im Mikro-
phone M verbundenen Metall-
ſtücke befeſtigt iſt. Das andere
Ende des primären Drahtes ſteht
mit der Batterie B1 in Verbin-
dung; der primäre Strom der
Batterie B1 geht ſomit, wenn der
Schalthebel die Feder bei x nieder-
drückt, von B1 über d d1 in die
primäre Spirale von M, aus
dieſer heraus durch die Metall-
feder zum Contacte I und von

Figure 704. Fig. 700.

Verbindung zweier Theilnehmer.


hier durch g g1 zur Batterie zurück. Die ſecundären Ströme verlaufen von der
ſecundären Spule aus über 2, den Contact II, den Schalthebel 3, 5, 6, 7,
8 und 9 zur Klinke u, die in bereits angegebener Weiſe mit dem Fernſprechapparate
des Abonnenten A in Verbindung ſteht.


Hat Abonnent A dem Fernſprechamte mitgetheilt, daß er mit B zu
ſprechen wünſcht, ſo ſtellt der Beamte den einen Stöpſel der Leitungsſchnur in
das Bohrloch unter der Nummer des anzurufenden Abonnenten B und ſetzt deſſen
Wecker in Thätigkeit. Hierauf wird der zweite Stöpſel der Leitungsſchnur in
die Schaltvorrichtung für A geſteckt und auf dieſe Weiſe A mit B in Ver-
bindung geſetzt.


Die Verbindung der Abonnenten A und B in der Centrale zeigt Fig. 700.
A1 und B1 ſind die Klemmen, an welche die Liniendrähte der beiden Abonnenten
angeſchloſſen ſind. Würde man nun zwei gleichartige Stöpſel S S1 nehmen, und
[938] zwar von der in Fig. 696 dargeſtellten Conſtruction, ſo wären die Elektromagnete
E E1 beider Abonnenten in die Leitung eingeſchaltet. Es erſcheint aber nur der
Elektromagnet E eingeſchaltet, wenn S ein Stöpſel gewöhnlicher Conſtruction iſt,
S1 aber an dem Stücke m m durch einen Metallcylinder umhüllt iſt, der mit der
Spitze des Stöpſels in Verbindung ſteht. In dieſem Falle iſt nämlich der verbin-
dende Stromweg zwiſchen A1 und B1 folgender: Von A1 über den Elektromagnet
E zur Klinke k, durch den mit ihr in Berührung ſtehenden Contactſtift des Stöpſels
S und durch die Leitungsſchnur l zum Stöpſel S1. (Von A1 aus durch die punktirt
gezeichnete Leitung nach n kann kein Strom gehen, weil der Stift des Stöpſels S
nur mit k in Berührung ſteht.) Von S1 aus ſtehen aber dem Durchgange des
Stromes zwei Wege offen, nämlich: erſtens durch den Contactſtift des Stöpſels S1
über die Klinke k1 und den Elektromagnet E1 nach B1 und zweitens von der
mit dem Stifte verbundenen Metallfaſſung dieſes Stöpſels über m n1 nach B1.
Da auf dem erſten Wege der Widerſtand der Drahtwindungen des Elektro-
magnetes E1, auf dem zweiten Wege aber nahezu gar kein Widerſtand zu über-
winden iſt, ſchlägt der Strom den letztbeſchriebenen Weg ein, d. h. der Elektro-
magnet E1 iſt ausgeſchaltet, während E eingeſchaltet bleibt.


Haben die beiden Perſonen ihr Geſpräch beendet, ſo giebt A abermals ein
Anrufzeichen in das Vermittlungsamt und ſetzt hierdurch den Beamten hiervon in
Kenntniß. Dieſer zieht beide Stöpſeln heraus und ſtellt derart wieder den an-
fänglichen Zuſtand her.


Die Klappenſchränke der deutſchen Fernſprechämter, wie ſie im Vorſtehenden
beſchrieben wurden, lieferte die Firma Siemens \& Halske. Es bedarf wohl
kaum einer Erwähnung, daß Klappenſchränke unter Anwendung von Klinkenumſchaltern
auch von anderen Firmen conſtruirt wurden; doch würde die Beſchreibung der-
ſelben über den Rahmen des vorliegenden Werkes hinausreichen. In Bezug hierauf,
ſowie auch auf die Einrichtung von Telephonzwiſchenſtationen, die Verbindung
mehrerer Fernſprechämter untereinander u. dergl. muß vielmehr auf die ſchon
erwähnten Specialberichte und Werke verwieſen werden.


Um von den Einrichtungen und der Wirkſamkeit einer Centralanſtalt ein
vollſtändiges Bild zu erhalten, erübrigt uns noch die Beſchreibung der Telephon-
leitungen,
welche die einzelnen Sprechſtationen mit dem Vermittlungsamte ver-
binden. Eine ſyſtematiſche und wohldurchdachte Anlage des Leitungsnetzes gehört
mit zu den wichtigſten Bedingungen für eine gedeihliche Entwicklung der ganzen
Fernſprechanlage. Sind die Hauptlinien urſprünglich ſchlecht gewählt, ſo werden
hierdurch die Anſchlüſſe ſehr erſchwert und unnöthig vertheuert. Die Umlegung
bedeutenderer Linien iſt nur mit erheblichen Störungen und namhaften Koſten
möglich. Die Hauptbedingungen, welche beim Entwurfe des Leitungsnetzes zu be-
rückſichtigen ſind, beſtehen in Folgendem: Das Vermittlungsamt ſoll möglichſt central
liegen und von dort aus ſollen die Linien radienförmig auslaufen, wodurch die
ſeitlichen Anſchlüſſe an die einzelnen Häuſer in einfacher Weiſe ausführbar werden;
die Anlage muß derart hergeſtellt werden, daß ſie eine bedeutende Steigerung ihrer
Leiſtungsfähigkeit ermöglicht; man wird deshalb Hauptlinien in der Regel mit
doppelten, wohl auch dreifachen Geſtängen ausrüſten, da einfache Geſtänge eine
bedeutende Erhöhung ihrer Belaſtung nicht vertragen. Drahtdurchkreuzungen ſind
ſtets zu vermeiden, weil dieſe in Folge eines Drahtbruches bedeutende Betriebs-
ſtörungen verurſachen können. Bei Errichtung mehrerer Vermittlungsämter in einer
Stadt iſt für jedes derſelben ein beſtimmter Bezirk abzugrenzen und innerhalb des-
[939] ſelben auf dieſelben Punkte Rückſicht zu nehmen, wie bei der Errichtung nur einer
Centralſtation.


Ebenſo vorſichtig wie bei der Beſtimmung des Leitungsnetzes hat man bei
der Wahl der Stützpunkte vorzugehen; bei oberirdiſchen Leitungen, wie ſie in den
meiſten Städten ausgeführt wurden, benützt man hierzu die Dächer, deren Con-
ſtruction man ſorgfältig zu unterſuchen hat, ob ſie feſt genug iſt, um ohne
Gefährdung das Geſtänge tragen zu können. Da theils in Folge der Neuheit
der Sache, theils verſchiedener Vorurtheile von den Hauseigenthümern der Be-
nützung des Daches häufig Schwierigkeiten in den Weg gelegt werden, wird man
gut thun, ſich zunächſt die Benützung öffentlicher Gebäude oder ſolcher von Geſell-
ſchaften zu ſichern und dann in erſter Linie jene Häuſer in Betracht ziehen, welche
Theilnehmern an der Fernſprechanlage angehören. Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß die

Figure 705. Fig. 701.

Telephon-Geſtänge.


Unternehmung für jeden durch Herſtellung der Leitung etwa verurſachten Schaden
bereitwilligſt die Ausbeſſerung desſelben zuſagen muß.


Eine Haupturſache, aus welcher ſich die Hauseigenthümer der Anbringung
von Geſtängen auf ihren Häuſern widerſetzen, beſteht in der vollkommen falſchen
Anſchauung: es werde hierdurch die Blitzgefahr vergrößert. Es herrſcht leider
noch vielfach die abſolut unrichtige Meinung, daß die Wirkſamkeit eines Blitz-
ableiters in der Herabziehung des Blitzes und Ableitung desſelben zur Erde
beſtehe. Hiernach würden dann die eiſernen Geſtänge ohne Ableitung zur Erde
ſehr gefährlich ſein. In Wirklichkeit beruht aber die Wirkſamkeit eines Blitzableiters
auf der Spitzenwirkung (Seite 95 u. f.). Eine z. B. poſitiv elektriſche Gewitter-
wolke erregt in dem Gebäude, über welches ſie hinzieht, negative Influenzelektricität;
iſt die Spannung hinlänglich groß, ſo erfolgt die Ausgleichung beider Elektricitäten
in Form eines elektriſchen Funkens — des Blitzes. Iſt nun dieſes Gebäude mit einer
[940] Spitze, d. h. einem Blitzableiter verſehen, ſo ſtrömt durch dieſen die negative
Influenzelektricität gegen die Wolke aus und bewirkt dadurch eine theilweiſe Ent-
ladung derſelben, während die Erdleitung des Blitzableiters der poſitiven Influenz-
elektricität Gelegenheit giebt, zur Erde abzufließen. Zwiſchen dem Gebäude tritt
ſonach ein continuirlicher Ausgleich beider Elektricitäten (der poſitiven der
der Wolke und der negativen Influenzelektricität) ein und dies verhindert die
plötzliche Ausgleichung — den Blitzſchlag. Der Ausgleich in continuirlicher Weiſe
erfolgt allerdings nicht immer hinreichend ſchnell und dann ſchlägt der Blitz —
aber immerhin in geſchwächter Kraft — in den Blitzableiter ein und in dieſem
Falle kann allerdings die Erdleitung eine unſchädliche Ableitung bewirken. Sind
alſo die Ständer und Leitungen einer Telephonanlage auch in Bezug auf die Blitz-
gefahr ſachgemäß hergeſtellt, ſo bilden ſie — weit entfernt die letztere zu erhöhen —
vielmehr einen ausgiebigen Schutz gegen dieſelbe. Wo man gegen Belehrung ſich
ablehnend verhält, wird es angezeigt ſein, dem betreffenden Hauseigenthümer einen

Figure 706. Fig. 702.

Telephon-Geſtänge.


Figure 707. Fig. 703.

Iſolator-Stütze.


Blitzableiter aufzuſtellen, damit nicht eine etwa nachträgliche Kündigung des
Benützungsrechtes zur Umlegung der Leitung nöthigt.


Als Leitungsmateriale ſtehen Eiſen- und Phosphorbronzedrähte in An-
wendung; letztere z. B. in Wien. Bei den deutſchen Fernſprechanlagen wird ver-
zinkter Gußſtahldraht von 2·2 Millimeter Durchmeſſer verwendet, welcher eine
Spannweite bis zu 400 Meter geſtattet. Er beſitzt eine Leitungsfähigkeit von
9·5 Procent jener eines Kupferdrahtes von gleichem Querſchnitte und ein Gewicht
von 30 Kilogramm per 1000 Meter. Als Iſolatoren verwendet man Doppel-
glocken, wie wir ähnliche bereits kennen gelernt haben (Seite 582).


Die Geſtänge können aus Eiſen, ſowie auch aus Holz beſtehen. Erſtere
werden aus ſchmiedeiſernen cylindriſchen Röhren von 6·7 bis 7·5 Centimeter
äußerem Durchmeſſer und 0·5 Centimeter Wandſtärke hergeſtellt. Geſtänge mit
einem Rohrſtänder werden zur Befeſtigung von höchſtens 12 Leitungen benützt,
während für eine größere Anzahl von Drähten Geſtänge mit zwei, drei, ſeltener
vier Rohrſtändern zur Aufſtellung gelangen. Derartige Geſtänge mit einem und zwei
[941] Röhrenſtändern ſind in Fig. 701 abgebildet, woraus auch zugleich die entſprechenden
Dimenſionen (in Metern) zu erſehen ſind. Die Befeſtigung der Querträger Q Q an
dem Rohrſtänder R und der Stützen S S (für die Iſolatoren) an den Querträgern
zeigt Fig. 702 in Ober- und Seitenanſicht. Man erſieht hieraus, daß die Quer-
träger aus zwei miteinander vernieteten Flachſchienen zuſammengeſetzt ſind und durch
ein U-förmig gebogenes Eiſenband R an dem Rohrſtänder verſchraubt werden.
Hölzerne Geſtänge werden ſowohl als einfache Maſten, als auch als Doppel-
geſtänge verwendet. Bei Uebergängen von Dachleitungen auf derartige Geſtänge
müſſen die Maſten oft bedeutende Längen erhalten; man verwendet ſolche bis zu
24 Meter Länge. Die gewöhnlich benützten Iſolatorſtützen ſind gerade (S S Fig. 702);
an Stelle dieſer treten U-förmig gekrümmte (Fig. 703), wenn es ſich um eine
nahezu ſenkrechte Drahtabzweigung handelt, weil hierdurch die Berührung des
Drahtes mit eiſernen Beſtandtheilen des Geſtänges leichter zu vermeiden iſt.


Bei Aufſtellung der eiſernen Geſtänge zieht man Balkenwerk dem Mauer-
werke vor, weil bei letzterem das Tönen der Leitungen viel heftiger auftritt. Es
iſt ſtrengſtens darauf zu ſehen, daß die Geſtänge äußerſt ſolid befeſtigt werden, da

Figure 708. Fig. 704.

Oberbund.


Seitenbund.


ſie nicht nur die Laſt der Drähte zu tragen haben, ſondern auch den ſtärkſten
Stürmen erfolgreichen Widerſtand entgegenzuſetzen im Stande ſein müſſen. Es
ſchadet nichts, in dieſer Richtung etwas zu viel zu thun. Durch eine unzureichende
Befeſtigung kann nicht nur ein bedeutender localer Schaden entſtehen, ſondern ein
derartiger Unfall kann ſelbſt die ganze Anlage in Mitleidenſchaft ziehen, indem er
eine größere Anzahl von Hauseigenthümern veranlaßt, das Benutzungsrecht ihrer
Dächer zu kündigen. Man wird daher in Fällen, wo die Befeſtigung der Geſtänge
z. B. an den Balken eines Dachſtuhles nicht vollkommen ausreichend erſcheint,
die Geſtänge durch Anker aus Leitungsdraht oder Stabeiſen ſichern. Zu dieſem
Behufe verſieht man die Rohrſtänder mit Ringklemmen, von welchen aus drei-
bis achtfach zuſammengedrehter, vier Millimeter dicker Leitungsdraht zum Holz-
oder Mauerwerke geführt und dort durch Ankerhaken ſicher feſtgelegt wird.


Zum Schutze der Dächer werden die Geſtänge auch mit Laufbrettern aus-
gerüſtet, damit die Arbeiter nicht auf dem Dache ſelbſt herumgehen müſſen. An
jenen Stellen, an welchen das Geſtänge die Bedachung durchſetzt, muß für eine
ſorgfältige Verdichtung Sorge getragen werden, um das Eindringen des Regen-
waſſers zu verhindern.


[942]

Das Aufbringen der Leitungen, d. h. die Befeſtigung der Drähte auf
den Iſolatoren, erfolgt in nachſtehender Weiſe: Nachdem die Geſtänge mit ihren
Iſolatoren befeſtigt ſind, poſtirt man bei jedem Geſtänge einen Arbeiter und rüſtet
ihn mit einer hinreichend ſtarken Leine aus. Die Arbeiter beim erſten und letzten
Geſtänge verſieht man mit leichten Holztrommeln, auf welchen der Leitungsdraht
aufgerollt iſt. Nun wirft jeder Arbeiter das eine Ende ſeiner Leine in der Richtung
auf die Straße, in welcher die Leitung geführt werden ſoll. Je zwei auf dieſelbe
Straße geworfene Enden werden dann durch einen bereitſtehenden Arbeiter mit-
einander verknüpft und durch Wiederholung dieſes Vorganges in allen zu über-
ſetzenden Straßen eine ununterbrochene Leine über die Dächer hinweg hergeſtellt.
Hierauf wird der Leitungsdraht beim erſten Geſtänge an die Leine befeſtigt und
durch dieſe über alle folgenden Geſtänge gezogen; gleichzeitig läßt man noch eine
zweite Leine mitlaufen. Iſt der erſte Draht am letzten Geſtänge befeſtigt, ſo

Figure 709. Fig. 705.

Mittel gegen das Summen.


Figure 710. Fig. 706.

Mittel gegen Juductionswirkungen.


wird daſelbſt ein zweiter Leitungsdraht an die Leine geknüpft und durch die zweite
Leine zum erſten Geſtänge herüberzogen u. ſ. w., bis alle Leitungen gezogen ſind.
Das Feſtbinden der Leitungen auf die Iſolatoren erfolgt durch gewöhnlichen
Bindedraht (verzinkten Eiſendraht) von zwei Millimeter Durchmeſſer. In Fig. 704
iſt ein ſogenannter Oberbund und Seitenbund dargeſtellt; erſteren benützt
man in gerader Strecke, letzteren wendet man bei Curven und Winkeln an.


Das Tönen, Summen oder Surren der Leitungen, welches wohl Jedermann ſchon
an Telegraphenleitungen beobachtet hat, tritt bei den oft in großer Anzahl über die Häuſer
geführten Telephondrähten häufig in äußerſt beläſtigender Weiſe auf. Man ſchreibt dies den
Schwingungen der Drähte, hervorgerufen durch Winde, oder molecularen Schwingungen in
Folge von Temperaturſchwankungen oder endlich (wie Zacharias) dem Mitſchwingen der
Porzellanglocken (Iſolatoren) zu und bedient ſich zur Beſeitigung dieſes Uebelſtandes verſchiedener
Mittel. So werden z. B. die Rohrſtänder nicht direct, ſondern unter Zwiſchenlage einer
beiläufig 8 Millimeter dicken Bleiſchichte an ihre Unterlagen befeſtigt. (Blei ſcheint beſſere
Reſultate zu geben als Kautſchuk.) Die Rohrſtänder ſelbſt werden mit Aſche, Schutt und
dergleichen ausgefüllt, und wo möglich an Holz- und nicht an Mauerwerk befeſtigt. Außerdem
[943] hat die deutſche Poſtverwaltung die in Fig. 705 dargeſtellte Befeſtigungsweiſe der Leitungs-
drähte an den Iſolatoren eingeführt. Man umgiebt den Leitungsdraht an jener Stelle, mit
welcher er im ſeitlichen Drahtlager zu befeſtigen iſt, mit einem 10 Centimeter langen und
1·5 Centimeter ſtarken Gummicylinder. Dieſer beſitzt eine hinreichend weite centrale Bohrung,
um den Draht aufzunehmen und iſt der Länge nach aufgeſchlitzt (um das Aufſchieben auf
den Draht zu ermöglichen). Der Gummicylinder, der mit ſeinem Schlitze vom Iſolator
abgekehrt aufgeſchoben iſt, wird dann ſeiner ganzen Länge nach mit Bleiſtreifen umwunden
und ſchließlich durch gewöhnlichen Bindedraht an dem Iſolator feſtgebunden. Langt dieſes
Mittel nicht aus, ſo verſieht man den Leitungsdraht in einer Entfernung von 1 bis 1 5 Meter
vom Iſolator, zu beiden Seiten desſelben, mit einer ähnlichen Gummi-Umhüllung. Nach
Zacharias beſeitigt man das Tönen am einfachſten durch Umlegen von doppelt beſponnenem
und gewachſtem Kupfer- oder Bleidraht, welcher beiläufig 20 bis 30 Millimeter vom unteren
Rande des Iſolators feſtgewürgt wird. Ein vollkommen ſicher wirkendes, aber koſtſpieliges
Mittel beſteht in der Einſchaltung einer Kette an jener Stelle des Leitungsdrahtes, an welcher
dieſer an dem Iſolator befeſtigt werden ſoll. Hierbei wird dann die Kette unter Kautſchuk-
zwiſchenlage im Seitenbunde feſtgebunden. Die beiden Anſchlußſtellen des Leitungsdrahtes
an die Kette verbindet man durch einen über den Kopf des Iſolators geführten Hilfsdraht.


Laufen zwei oder wenige Telephonleitungen auf große
Strecken miteinander parallel, ſo treten nicht ſelten Störungen
durch Induction
ein, die ſo ſtark ſein können, daß man auf
der zweiten Linie Alles hört, was auf der erſten geſprochen
wird. Dem kann abgeholfen werden durch Anbringung einer
Nebenſchließung zum Leitungsdrahte vor deſſen Eintrittsſtelle in
den Sprechapparat. Die Größe des Widerſtandes dieſer Neben-
ſchließung, die aus einer kleinen mit feinem Drahte hergeſtellten
Widerſtandsrolle beſteht, iſt für jeden ſpeciellen Fall beſonders zu
reguliren. Hierdurch bringt man es dahin, daß das im Nebendrahte
Geſprochene nicht mehr hörbar wird, was aber allerdings auch
die Empfindlichkeit des Fernſprechers etwas vermindert. Ein
anderes Mittel beſteht darin, daß man die Leitungsdrähte an
jeder dritten oder vierten Stütze ſich durchkreuzen läßt, wie dies
Fig. 706 zeigt Man verwendet hierzu Doppelconſolen und läßt
die Drähte an den Iſolatoren endigen; die kreuzweiſe Verbindung
wird dann durch iſolirte um die Stange geführte Drähte hergeſtellt.


Ob Blitzableiter an den Geſtängen anzubringen ſind,
iſt wohl nicht mit Sicherheit zu entſcheiden, da wahrſcheinlich auch
die vielen Leitungsdrähte mit ihren zahlreichen Erdleitungen in den
Fernſprechſtationen denſelben Dienſt thun. Man wird jedoch zur
Herſtellung eigener Blitzleitungen häufig durch die Hauseigen-
thümer, auf deren Dächern die Geſtänge aufgeſtellt ſind, genöthigt.
Es wird deshalb gewöhnlich jedes vierte Geſtänge in einen Blitz-

Figure 711. Fig. 707.

Einführungsglocke.


ableiter verwandelt, indem man dasſelbe durch ein Drahtſeil (beſtehend aus drei zuſammen-
gedrehten Leitungsdrähten von 4 Millimeter Durchmeſſer) mit feuchter Erde in gut leitende
Verbindung ſetzt. Jene Geſtänge, welche keine derartige Ableitung erhalten, verbindet man
mit den in Blitzableiter umgewandelten Geſtängen durch 4 Millimeter ſtarke Leitungsdrähte. In
jedem Falle ſind aber am Hauſe etwa vorhandene Metallmaſſen (z. B. Reſervoirs) oder Blitz-
ableiter mit den Geſtängen auf dem kürzeſten Wege in gut leitende Verbindung zu ſetzen.
Sind Waſſerleitungen vorhanden, ſo können die Blitzleitungen mit dieſen verbunden werden.


Für die zu den Blitzableitern gehörigen Erdleitungen hat das k. preußiſche Ingenieur-
Comité nachſtehende Vorſchriften angegeben: „Jede Ableitung erhält eine Platte, welche unter
den niedrigſten Grundwaſſerſpiegel zu verſenken iſt; ein Brunnen darf hierzu nur benützt
werden, falls derſelbe nicht im Hauſe liegt. Wo kein Waſſer zu erreichen iſt, legt man eine
längere Leitung, wenigſtens 60 Centimeter unter die Erdoberfläche und zweigt abwechſelnd
alle 5 Meter eine 3 Meter lange Ader ab; Erdplatten ſind hier nicht nothwendig. — Als
Erdplatten verwendet man 2 Millimeter dicke Kupferplatten, im Waſſer 0·25 Quadratmeter,
in feuchter Erde 0·5 Quadratmeter groß. Bei mehreren Platten für ein Gebäude kann man die
Dimenſionen etwas kleiner wählen.


Das Einführen der Leitung zur Fernſprechſtelle eines Theilnehmers
erfolgt durch Abzweigung eines Drahtes von der zunächſt gelegenen Hauptlinie
[944] und Weiterführung dieſes Drahtes auf Iſolatoren, welche unter Benützung des
Mauerwerkes der Häuſer befeſtigt ſind. In dieſer Weiſe wird die Leitung, wenn
irgend möglich, bis an die Außenſeite jenes Raumes geführt, in welchem ſich der
Fernſprech-Apparat befindet. Unterhalb des Iſolators, an welchem die Leitung
endigt, wird die Mauer durchbohrt, um das zur Verbindung der Außenleitung
mit der Zimmerleitung beſtimmte Bleirohrkabel durchſtecken zu können. Die Ver-
bindungsſtelle des Bleirohrkabels mit der Außenleitung ſchützt man gegen die

Figure 712. Fig. 708.

Einführungsthurm eines Centralamtes.


Einwirkung feuchter Witterung durch eine Schutzglocke aus [Hartgummi] (Fig. 707).
In den Kopf dieſer Glocke iſt verzinkter Eiſendraht vollkommen waſſerdicht ein-
gelaſſen, deſſen äußeres Ende um den Leitungsdraht mehrfach gewunden und mit
dieſem verlöthet wird, während man das in die Glocke ragende Ende zu einer
Oeſe formt. Durch dieſe ſteckt man den blank gemachten Kupferdraht des Blei-
kabels, windet ihn mehrfach um den Draht oberhalb der Oeſe und verbindet
ebenfalls durch Löthung. Die Glocke muß vertical ſtehen und darf das Bleirohr-
kabel nicht ihre Ränder berühren. Im Telephonzimmer ſelbſt verwendet man zur
Leitung einen 1 Millimeter ſtarken Kupferdraht, der mit Baumwolle umſponnen und
[945] dann mit Wachs getränkt iſt (Wachsdraht). Die Erdleitung wird aus Kupfer-
draht von 1·5 Millimeter Durchmeſſer hergeſtellt, den man an die Gas- oder
Waſſerleitungsröhren verlöthet. Sind ſolche nicht vorhanden oder nicht leicht erreich-
bar, ſo legt man eine beſondere Erdleitung an, beſtehend aus drei zuſammen-
gedrehten Eiſendrähten von je vier Millimeter Durchmeſſer, die bis in das Grund-
waſſer reicht.


Zur überſichtlichen und leicht zugänglichen Einführung einer großen Anzahl
von Leitungsdrähten in das Vermittlungsamt errichtet man auf dem Dache jenes
Hauſes, in welchem ſich das Vermittlungsamt befindet, einen hölzernen Thurm
(Fig. 708), an deſſen Außenwänden die Iſolatoren reihenweiſe befeſtigt ſind. Dieſer
wird in möglichſt geringer Entfernung von den ringsum im Viereck oder Achteck
aufgeſtellten Endgeſtängen (Abſpanngeſtängen) umgeben. Der Thurm iſt mit
einem weit vorſpringenden Blechdache bedeckt, mit zwei Oberlichtfenſtern und mit
einer auf die ihn umgebende Plattform führenden Thüre verſehen. Die Leitungs-
drähte auf den Abſpanngeſtängen ſind mit den Iſolatoren auf dem Thurme durch
Eiſendrähte verbunden. Im Inneren des Thurmes werden die Leitungen in vier-
drähtigen Bleirohrkabeln weitergeführt, welche an den Wänden des Thurmes
befeſtigt ſind. An den oberen Enden ſind die Kabeln von den Bleiröhren befreit,
um die einzelnen, iſolirten Kupferdrähte durch die Holzwand führen und mit den
auf den Iſolatoren befeſtigten Leitungsdrähten verbinden zu können. Vom Thurme
reicht ein Holzſchacht bis in das Vermittlungsamt herab, in welchem die Drähte
zu den einzelnen Klappenſchränken geleitet werden.


Während die Telephonleitungen in den meiſten Städten zum weitaus größten Theile
oberirdiſch geführt werden, ſtehen in Paris faſt nur unterirdiſche Kabelleitungen in Ver-
wendung. Die Herſtellung der letzteren iſt allerdings koſtſpieliger und beſonders dann, wenn
ausgedehnte Erdarbeit ausgeführt werden muß; auch müſſen hierbei ſtets beſondere Ein-
richtungen getroffen werden, um die Inductionswirkungen unſchädlich zu machen. Anderer-
ſeits iſt aber in manchen Städten, und zwar auf beſonders ſtark beſetzten Linien, alſo z. B.
namentlich in der Nähe der Centralen, die Zahl der Luftleitungen ſo ſehr angewachſen, daß
ſelbſt drei- und vierfache Geſtänge nicht mehr ausreichen und daß man deshalb mit der Ver-
mehrung der Drahtleitungen nicht mehr weiter gehen kann. Man wird ſich daher wenigſtens für
derartige ſtark beſetzte Linien wohl oder übel doch zur Anwendung von Kabeln entſchließen müſſen.


Paris beſitzt den Vorzug eines ausgedehnten und vielfach verzweigten Canalſyſtemes;
der Telephon-Geſellſchaft wurde geſtattet, ihre Kabel an den Wölbungen dieſer Canäle zu
führen, wodurch die Erdarbeiten faſt ganz wegfallen. Die hier zur Anwendung gelangten
Kabel ſind Bleirohrkabel, welche durch eiſerne, in die Gewölbe der Canäle eingelaſſene drei-
fache Haken zu je 15 (alſo im Ganzen 45) getragen werden. Jedes Bleirohrkabel enthält
7 Doppelleitungen (Hin- und Rückleitung), alſo 14 Einzelleitungen. Jede der letzteren beſteht
aus drei zuſammengedrehten 0·5 Millimeter ſtarken Kupferadern und iſt mit Guttapercha
von den anderen Drähten iſolirt; ein auf dieſe Weiſe gebildeter Leitungsdraht hat ſammt
ſeiner Guttapercha-Umhüllung einen Durchmeſſer von beiläufig 2·2 Millimeter. Jeder Draht
iſt mit Baumwolle beſtimmter Färbung umſponnen, ſo zwar, daß je zwei Drähte (Tour-
und Retourdraht eines Abonnenten) ſtets gleiche Farbe zeigen. Dieſe werden dann zuſammen-
gedreht und bilden auf dieſe Weiſe 7 Doppeldrähte verſchiedener Färbung; dieſe 7 Doppel-
drähte werden abermals zuſammengedreht, mit Band umwickelt und durch das Bleirohr
umhüllt. Die Doppelleitung für jeden Abonnenten und das wiederholte Zuſammendrehen haben
den Zweck, die Inductionswirkungen auszuſchließen, die verſchiedene Färbung erleichtert die
Unterſcheidung der einzelnen Leitungen. Ein 7 Doppelleitungen enthaltendes Bleirohrkabel
hat einen Durchmeſſer von 18 Millimeter, während ein Bleikabel mit nur einer Doppelleitung
(zur Verbindung mit einem Abonnenten) 8 Millimeter dick iſt. Von den Kabeln mit 7 Doppel-
leitungen wird keinerlei Abzweigung gemacht; man ſchließt vielmehr die Abzweigungen für
die Abonnenten an das Ende des 14drähtigen Kabels an.


Die Einführung der Leitung in das Haus eines Abonnenten geſtaltet ſich ganz einfach.
Das die Doppelleitung enthaltende Kabel wird durch den Hauscanal eingeführt und gelangt
Urbanitzky: Elektricität. 60
[946]

Figure 713. Fig. 709.

Einführung der Kabel in die Centrale.


[947] aus dieſem an einer Mauer des Hauſes zum Sprech-Aparate; die Zimmerleitungen beſtehen
aus Kupferdraht, der mit Seide umſponnen iſt. Die Einführung der Kabel in ein Centralamt
veranſchaulicht Fig. 709, in welcher der Keller des Centralamtes in der Avenue de l’Opéra
dargeſtellt iſt. Von dieſem Keller aus iſt ein Durchbruch in den Canal, durch welchen die
Kabel geführt werden, hergeſtellt; das zur linken Seite des Canales ſichtbare, durch ein
Gitter verſchließbare Thor geſtattet den Eintritt in den Canal Im Keller ſind achtſeitige
Häuschen aus Holz aufgeſtellt, deren vier große Flächen je einen Drahtvertheilungs-Apparat,
die ſogenannten Roſen (rosaces) enthalten, indeß auf den ſchmalen Flächen Thüren angebracht
ſind. In der Figur iſt eine ſolche Thüre offen gelaſſen, um das Innere der Kammer ſichtbar
zu machen. In dieſe Holzkammern werden nun die Bleikabel eingeführt, geöffnet und deren
7 Doppelleitungen zertheilt. Die einzelnen Doppeldrähte bilden ſo mit ihren Enden große
Kreiſe auf den Außenwänden der Kammern, wie dies Fig. 709, oder beſſer die Detailfigur 710
erkennen läßt. Man erſieht aus dieſer, das jedes an der Innenſeite der Holzwand anlangende
Kabel mit einer Ordnungsnummer (563 und 564) verſehen iſt und daß ſeine 7 Doppel-
drähte hierauf die Holzwand bei H H durchſetzen. Von hier, alſo von der Peripherie der
Roſen aus, verlaufen die Doppeldrähte radial gegen die in der Mitte der Holzwand kreis-
förmig ausgeſchnittene Oeffnung und werden dann im Innern des Häuschens, zu Leitungs-
ſträngen vereinigt, in verticaler Richtung dem Umſchalter des Centralbureaus im Erdgeſchoſſe

Figure 714. Fig. 710.

Theil einer Drahtroſe.


zugeführt (Fig. 711). Die runden Scheibchen der äußeren Kreiſe (Fig. 710) ſind Beintäfelchen,
auf welchen die Namen der betreffenden Abonnenten verzeichnet ſind, jene kleineren der
inneren Kreiſe enthalten die Nummer des Abonnenten. Der Zweck dieſer Einrichtung iſt eine
überſichtliche Anordnung der Drähte, wodurch die Herſtellung der Verdindungen zwiſchen dem
Centralamte oder dem Abonnenten einerſeits und den Kabelleitungen andererſeits ſehr
erleichtert wird.


Zum Fernſprechen auf langen Linien, alſo zum telephoniſchen Ver-
kehre zwiſchen weit voneinander entfernten Orten, erwieſen ſich die bisher
beſchriebenen Apparate und Schaltungen häufig als unzulänglich. Wie ſich durch
vielfache Verſuche herausgeſtellt hat, waren die Mißerfolge nicht ſo ſehr der etwa
zu geringen Leiſtungsfähigkeit der Fernſprech-Apparate, als vielmehr der Inductions-
wirkung langer Leitungsdrähte aufeinander zuzuſchreiben. Werden ausſchließlich
magnetelektriſche Telephone verwendet, ſo gelingt, unter der Vorausſetzung guter
Apparate, eine Verſtändigung noch auf 40 bis 45 Kilometer Entfernung. Dieſe
wird bedeutend größer, wenn das Telephon mit dem Mikrophone combinirt iſt.
Derartige Verſuche wurden z. B. gelegentlich der Münchener Ausſtellung (1882)
60*
[948]

Figure 715. Fig. 711.

Telephonbureau in der Avenue de l’Opéra (Paris).


[949] unter Benützung Bell’ſcher Telephone und Mikrophone von Berliner und Blake
durchgeführt. Hierbei gelang es ganz leicht, ſich zwiſchen München und Regens-
burg (Entfernung 137 Kilometer) zu verſtändigen; auch München und Bayreuth
(Entfernung 282 Kilometer) konnten miteinander ſprechen; es gelang jedoch nicht
mehr, ſich mit dem 450 Kilometer weiten Dresden zu verſtändigen.


Sehr gute Reſultate erzielte Cornelius Herz, welcher die Wirkung des
Mikrophones durch Vermehrung der Contacte und durch die Schaltung desſelben
in eine Nebenſchließung zu einer kräftigen Batterie erhöhte, ſowie auch die In-
duction, ausgeübt von benachbarten Linien, dadurch aufhob, daß er in die Telephon-
linie einen Condenſator einſchaltete, alſo die Telephonlinie an dieſem Punkte
unterbrach. Herz gab ſeinen Apparaten ſehr verſchiedene Formen, von welchen
wir eine näher betrachten wollen, die in Fig. 712 theils im Schnitte, theils
ſchematiſch dargeſtellt iſt. Der Transmitter beſteht aus der Platte b b, welche

Figure 716. Fig. 712.

Mikrophon Herz.


um die Axe a a ſchaukelförmig beweglich auf der Grundplatte M M befeſtigt
iſt. Auf der einen Seite iſt die Platte b b durch ein Winkelſtück d mit der
Membrane c c verbunden, ſo daß alſo die Schwingungen der Membrane ein
Schaukeln der Platte b b veranlaſſen müſſen. Auf b b ſind vier Paare von
Kohlenſcheibchen k1 k2 k3 k4 angebracht; die oberen vier Scheibchen werden
durch aufgelegte Bleigewichte g g mit den unteren in Contact erhalten. Die
beiden oberen Scheibchen auf der linken Seite ſind einerſeits mit den Leitungs-
drähten der Batterie, andererſeits mit den oberen Kohlenplättchen auf der rechten
Seite verbunden, indeß die unteren Kohlenplättchen durch zwei ſich kreuzende
Drähte untereinander in Verbindung ſtehen.


Der Stromlauf in dem mit einer Inductionsrolle ausgerüſteten Transmitter
und dem mit ihm durch die Linienleitung verbundenen Telephone T, beziehungs-
weiſe Condenſator C, als Empfänger iſt folgender: Von der Batterie B gelangt
der Strom in das obere Kohlenplättchen k4, durchfließt die primäre Spirale des
Inductoriums in der durch den Pfeil bei d angezeigten Richtung, kommt in die
[950] untere Platte von k4 und kehrt dann durch die obere Platte k4 zur Batterie zurück.
Wegen der bereits angegebenen Verbindung der Platten untereinander geht der
Strom von der Batterie aus, aber auch in die obere Platte k4, dann in die
obere Platte bei k2, von hier durch die untere Platte zur unteren Platte in k3
und durch die hier befindliche obere Platte zur Batterie zurück; ferner ein Strom
von der Batterie in die obere Platte k4, in die untere gleichnamige Platte, in
die untere Platte von k1, durch deſſen obere Platte zur oberen Platte von k3
und zur Batterie zurück. Dieſe Batterieſtröme werden in undulirende verwandelt,
wenn man gegen die Membrane c c ſpricht, weil dieſe ihre Schwingungen der
Platte b b mittheilt und ſo die Kohlencontacte k1 k2 k3 k4 verändert. Schwingt

Figure 717. Fig. 713.

Telephonſtation Herz.


z. B. die Membrane c c nach abwärts,
ſo bewegt ſich b b mit ſeiner linken Seite
gleichfalls nach abwärts, mit ſeiner
rechten Seite aber nach aufwärts. Wegen
der außerordentlichen Schnelligkeit der
Schwingungen und in Folge des Träg-
heitsvermögens kann man annehmen,
daß bei dieſer Bewegung von b b die
oberen vier Kohlenplättchen mit ihren
Gewichten g unbeweglich bleiben, weil
ihnen nicht Zeit gelaſſen wird, der
Bewegung der unteren Plättchen zu
folgen. Die Abwärtsbewegung der
linken Seite von b b wird daher die
Innigkeit des Contactes in k3 und k4
vermindern, jene in k1 und k2 ver-
mehren; hieraus reſultiren natürlich
auch unmittelbar aufeinanderfolgende,
aber einander entgegengeſetzte Strom-
impulſe, welche ſich in ihrer Wirkung
auf die ſecundäre Spirale des Induc-
toriums aufheben müßten, wenn nicht
ihre Richtung durch die kreuzweiſe Ver-
bindung je zweier Kohlencontacte unter-
einander in Uebereinſtimmung gebracht
würde. Da dies aber geſchieht, ſo
bewirkt die Bewegung der Membrane
nach abwärts zwei unmittelbar aufeinanderfolgende gleichartige Impulſe, alſo eine
Verſtärkung der Mikrophonwirkung. Dasſelbe, aber in umgekehrter Ordnung, gilt
auch für die Bewegung der Membrane nach oben, alſo überhaupt für alle Schwin-
gungen der Membrane. Die ſecundäre Spirale ſteht, wie man aus der Figur
entnehmen kann, einerſeits mit der Erde, andererſeits mit der Linie in Verbindung.
Als Empfangs-Apparat kann ſowohl ein magnetelektriſches Telephon (T), als auch
ein Condenſator (C), bereits weiter oben beſchriebener Conſtruction, benützt werden.
Somit erſcheinen die Inductionsſtröme, herrührend von fremden Strömen (in
benachbarten Linien), einerſeits durch die kräftigere Wirkung des Mikrophones und
andererſeits in Folge der Unterbrechung der Telephonleitung durch einen Condenſator
unſchädlich gemacht.


[951]

Die Zuſammenſtellung zu einer Telephonſtation zeigt Fig. 713, zum Theile
in Vorder- und Seitenanſicht, zum Theile im Längs- und Querſchnitte. Die
Inductionsrolle iſt hierbei weggelaſſen; man ſchaltet ſie nur ein, wenn man mit
verhältnißmäßig ſchwachen Batterien arbeiten will. Von den vier Kohlencontacten
ſind nur zwei ſichtbar, da die rückwärtigen zwei gedeckt erſcheinen müſſen. Als
Empfänger dienen Condenſatoren, welche in Holzfaſſungen, nach Art eines Hand-
ſpiegels, eingeſchloſſen ſind.


Herz gelangte mit ſeinem Syſteme zu ungewöhnlich guten Reſultaten; er
ſprach zwiſchen Orléans, Blois, Tours, Poitiers, Angoulême und Bordeaux auf
Entfernungen von 300 bis 457 Kilometer ohne Schwierigkeit, ja ſogar auf
1100 Kilometer von Tours über Paris nach Breſt, aber allerdings nur in der
Nacht bei vollſtändiger Ruhe in den benachbarten Drähten.


Es iſt natürlich auch von großem Werthe, die Fernſprechämter zweier
Städte derart miteinander zu verbinden, daß jeder Theilnehmer des Fernſprech-
amtes einer Stadt mit jedem Theilnehmer des Fernſprechamtes der zweiten Stadt
verkehren kann. Da aber in dieſem Falle wenige Drähte lange Strecken mit-
einander parallel laufen würden, ſo treten der Löſung dieſer Aufgabe abermals
die durch die Induction hervorgerufenen Störungen hindernd in den Weg. Dieſe

Figure 718. Fig. 714.

Nyſtröm, Verbindung zweier Fernſprechämter.


laſſen ſich nun allerdings dadurch beſeitigen, daß man für die Verbindung der
beiden Fernſprechämter untereinander keine Erdleitung, ſondern vollſtändige
Doppelleitungen (Hin- und Rückleitung) benützt. Dann müßte aber behufs An-
ſchluſſes eines Abonnenten an dieſe Doppelleitung auch die locale Leitung (zwiſchen
dem Abonnenten und ſeinem Fernſprechamte) eine doppelte ſein, falls nicht beſondere
Einrichtungen vorgeſehen werden. Die Herſtellung von Doppelleitungen zwiſchen
ſämmtlichen Abonnenten und der Centrale iſt nun allerdings nicht undurchführbar
(wie wir bei der Pariſer Anlage geſehen haben), vertheuert aber die Anlage des
Telephonnetzes ſehr bedeutend.


Man kann nun dieſem Uebelſtande begegnen, indem man ſich verſchiedener
Schaltungen bedient, die den Anſchluß der einfachen Theilnehmer-Leitung an eine
zwei Fernſprechämter verbindende Doppelleitung ermöglichen. Solche Schaltungen
wurden z. B. von Bennet, Nyſtröm und Elſaſſer angegeben. Nyſtröm’s
Schaltung iſt aus Fig. 714 zu erſehen. In den zu verbindenden Vermittlungs-
ämtern werden die Inductionsſpulen J1 J2 mit den Leitungen in folgender Weiſe
verbunden: Das eine Ende der primären Spirale von J1 iſt an die Erdleitung
angeſchloſſen, das zweite Ende an die einfache Telephonleitung des Theilnehmers.
Die Enden der ſecundären Spirale ſtehen mit den Linienleitungen 1, 3 in Ver-
bindung und bilden mit einer Spirale des Inductions-Apparates im zweiten Fern-
ſprechamte einen vollkommen geſchloſſenen Stromkreis. Die zweite Spirale der
Inductionsſpule dieſes Amtes iſt wieder einerſeits mit der Erde, andererſeits mit
der einfachen Telephonleitung des betreffenden Theilnehmers verbunden. Die durch
[952] Sprechen in der Telephonſtation I erregten Undulationsſtröme erzeugen in der
Inductionsſpirale J1 des betreffenden Fernſprechamtes undulirende Inductions-
ſtröme, welche durch die Leitung 1, 3 in die Inductionsſpule J2 des ent-
fernten Fernſprechamtes gelangen; dort erregen ſie undulirende Inductionsſtröme
höherer Ordnung, durch welche im Telephon II des betreffenden Abonnenten
dieſes Fernſprechamtes die Worte reproducirt werden. Obwohl nun bei dieſer
Schaltung eine zweimalige Umſetzung der Undulationsſtröme eintritt, ſind hiermit
doch auf der 18 Kilometer langen Leitung zwiſchen Malmoe und Lund Verſuche
mit Erfolg angeſtellt worden.


Bei der von Elſaſſer angegebenen Schaltung, Fig. 715, gelangt nur eine
Inductionsſpule zur Anwendung. Die diesbezüglichen Verſuche wurden mit Hilfe
eines vieraderigen Kabels, welches Cöln mit Elberfeld (57 Kilometer) verbindet,
durchgeführt. Hierbei wurde der Fernſprech-Apparat in Barmen einerſeits an die
Erde gelegt, andererſeits mit einer Kabelader 1 verbunden; die Kabelader 3 ſtand
in Elberfeld mit der Erdleitung in Verbindung. In Cöln wurden die Kabel-
adern 1 und 3 durch die primäre Spirale einer Inductionsſpule vereinigt. Die
ſecundäre Spirale ſtand einerſeits mit der Erde, andererſeits mit einem Fern-
ſprech-Apparate durch eine einfache Leitung in Verbindung. Dieſe Schaltung erfor-
dert alſo nur eine einmalige Umſetzung der Undulationsſtröme (in der Inductions-

Figure 719. Fig. 715.

Elſaſſer, Verbindung zweier Fernſprechämter.


ſpule Cöln). Man erhielt bei dieſen Verſuchen gute Reſultate, wenn die Adern
1 und 3 des Kabels, d. h. die einander diametral gegenüber liegenden Adern,
benützt wurden; die Induction durch die übrigen beiden Adern trat jedoch ſtörend
auf, wenn zwei nebeneinander liegende Adern, z. B. 1 und 2, benützt wurden.


Ermöglichen nun auch obige Schaltungen das Sprechen zwiſchen beiden Stationen,
ſo würde doch das Anrufen der einen oder andern Station nur unter Anwendung ſehr
kräftiger Ströme gelingen, weil die Weckſtröme durch die ein-, beziehungsweiſe zweimalige
Umſetzung in den Inductionsſpiralen zu ſehr an Kraft verlieren, um ein ſicheres Wecken
zu bewirken. Um dieſes Ziel zu erreichen, bedarf es der Anwendung beſonderer Einrichtungen.
Eine von Elſaſſer angegebene Einrichtung dieſer Art, welche den Weckruf unter Vermittlung
des Fernſprechamtes abzuſenden geſtattet, ſtellt Fig. 716 ſchematiſch dar. Hierzu bedarf es in
jedem Fernſprechamte außer den gewöhnlichen Vorrichtungen im Klappenſchranke noch einer
Inductionsſpule J, eines Relais R und einer Batterie B. Die beiden Doppelleitungen enden
in den Klinken k1 k2 k3 k4. Von den zu dieſen Klinken gehörigen Contacten ſtehen c1 und c3
mit der Inductionsrolle J1, beziehungsweiſe J2 in Verbindung, die Contacte c2 und c4 mit
den Relaiscontacten und die Contacte v v mit der Erde.


Im Ruhezuſtande befinden ſich die Stöpſel U1 und U2 der Schnüre a1 und a2 in den
zu den Klinken k2 und k4 gehörigen Löchern (wie dies für Stöpſel U2 in der Figur dargeſtellt
iſt. Wünſcht nun der Theilnehmer M des Fernſprechamtes in der Stadt I mit dem Theil-
nehmer N des Fernſprechamtes in der Stadt II zu ſprechen, ſo ſendet er zunächſt einen
Weckſtrom in ſein Fernſprechamt (I), welcher durch den Magnet m und von hier durch die
dazu gehörige Klinke und deren Contact (weil U1 noch nicht eingeſteckt iſt) zur Erde abfließt;
die Klappe S m fällt, worauf der Beamte der Station I den Wunſch von M vernimmt.
[953]M wird nun durch Einſetzen des Stöpſels U1 in die zu S m gehörige Klinke mit dem
Umſchalte-Apparat und der Doppellinie 1 2 verbunden. Da auch das Fernſprechamt II
hiervon in Kenntniß geſetzt wurde, ſtöpſelt man in dieſem die zu S n gehörige Klinke und
die Klinke k3 durch die Endſtöpſeln einer Leitungsſchnur.


Ein nunmehr von M abgeſandter Weckſtrom geht durch S m über U1 a1 durch J1 in
das Relais R1 und zur Erde. Hierdurch ſchließt das Relais den Contact 1 der Weckbatterie
B1, deren Strom nun einerſeits über 1, die Linie 2 2, die Klinke k4 und durch die mit dem
Contacte v in Berührung ſtehende Feder zur Erde abfließt, andererſeits folgenden Weg
einſchlägt: Von B1 über c1 k1, durch die Linienleitung 1 1 in die Klinke k3, durch die
Leitungsſchnur 1 und über S n zu dem Theilnehmer N, bei welchem die Klingel zum Tönen
gebracht wird.


Die Undulationsſtröme, welche durch Sprechen von M erregt werden, nehmen folgenden
Weg: von M über S m, U1 a1, die primäre Rolle von J1 und die Elektromagnete R1 des
Relais zur Erde. Die hierdurch in der ſecundären Spirale von J1 erregten Inductions-

Figure 720. Fig. 716.

Elſaſſer, Verbindung zweier Fernſprechämter.


ſtröme verlaufen einerſeits über den Relaishebel nach c2 k2, durch die Linie 2 2, k4 und v zur
Erde, andererſeits fließen ſie über c1 k1 durch die Linie 1 1, die Klinke k3, die Leitungsſchnur 1
den Elektromagnet S n in den Hör-Apparat des Theilnehmers N und endlich von dort zur
Erde. Genau denſelben Weg aber in umgekehrter Richtung werden die durch Sprechen von
N erregten undulatoriſchen Ströme nehmen, d. h. ſowohl N als M ſprechen unter Vermittlung
der Inductionsrolle J1; auch kann bei der dargeſtellten Verbindung nur von M aus ein
Weckruf ergehen, wie die nähere Betrachtung der Figur lehrt. Der letzterwähnte Umſtand iſt
kein Nachtheil, da es bei den deutſchen Fernſprechämtern als allgemeine Regel gilt, daß die
anrufende Perſon das den Schluß des Geſpräches anzeigende Weckzeichen zu geben hat. Geht
der urſprüngliche Anruf von N aus, ſo kehren ſich die eben angegebenen Verhältniſſe
natürlich um, d. h. es wird nur die Inductionsſpule J2 benützt und kann nur von N aus
ein Weckruf ergehen.


Die telephoniſchen Sprechverſuche auf große Entfernungen wurden jedoch
nicht nur auf die Benützung eigener Telephonleitungen, oder auch Telegraphen-
leitungen, die außer Dienſt geſetzt waren, beſchränkt, ſondern man verſuchte auch auf
[954] einem und demſelben Drahte geichzeitig telephoniſche und telegraphiſche Depeſchen
zu befördern, und auch dieſe Verſuche waren von Erfolg gekrönt. Die Möglich-
keit der gleichzeitigen Benützung einer Linie für einen Morſe-Apparat und das
Telephon wurde nach Angabe Zetſche’s*) zum erſtenmale in Dresden auf einer
Reichstelegraphenleitung am 17. December 1877 dargethan. Auf dieſen erſten
Verſuch folgten kurze Zeit darauf weitere Verſuche und im Jahre 1879 aus-
gedehnte Proben, durch welche die Möglichkeit der Doppeltelegraphie unzweifelhaft
dargethan wurde. Ferner iſt hier auch jener Verſuche zu erwähnen, welche im
Jahre 1881 auf den Linien Sandthor und Weleslawin, ſowie zwiſchen Sandthor
und Wejhybka (in Oeſterreich) angeſtellt wurden. Auch Eliſha Gray berichtete
im Jahre 1877 über Verſuche, welche er mit ſeinem urſprünglich zur telegraphiſchen
Beförderung muſikaliſcher Töne beſtimmten Telephon oder elektroharmoniſchen
Telegraph in ſeiner Einrichtung zur Wiedergabe von Morſeſchrift in einer gleich-
zeitig mit einem gewöhnlichen Morſe-Telegraphen beſetzten Leitung gemacht habe.


Sehr günſtige Erfolge mit dem Doppelſprechen erhielt der Meteorologe
Franz van Ryſſelberghe; ſeine Methode zur gleichzeitigen Benützung eines
Drahtes für irgend einen Telegraphen-Apparat und einen telephoniſchen Apparat
beruht auf der Anwendung ſogenannter „gradueller“ Ströme für den Betrieb
des Telegraphen-Apparates und der Trennung dieſes von dem Telegraphen-Apparate
durch Einſchaltung von Condenſatoren. Daß letztere telephoniſche Impulſe fort-
zupflanzen vermögen, haben wir bereits wiederholt erfahren (Seite 883 und 949);
gleichzeitig bilden ſie aber für Batterieſtröme oder auch Inductionsſtröme, alſo
die zum Telegraphiren verwendeten Ströme, eine Unterbrechung der Leitung. Beim
Telegraphiren in der gebräuchlichen Art circuliren in dem Stromkreiſe intermittirende
Ströme, d. h. Ströme, die plötzlich unterbrochen oder geſchloſſen werden. Dieſe
momentanen Unterbrechungen und Herſtellungen des Stromes ſind es eben, welche
ſo kräftige Inductionswirkungen in den benachbarten Drähten hervorrufen, daß in
dieſen der telephoniſche Verkehr unmöglich wird. Dieſe ſtörenden Inductionswirkungen
verſchwinden aber, wenn man Stromſchluß und Stromunterbrechung nicht plötzlich,
ſondern allmählich „graduell“ bewirkt; hierdurch wächſt bei Stromſchluß der
Strom nur allmählich an und nimmt bei Stromunterbrechung nur allmählich
ab, wodurch auch die Inductionsſtröme in Folge der Verlängerung ihrer Dauer
ſo weit geſchwächt werden, daß ſie eine telephoniſche Correſpondenz nicht mehr zu
ſtören vermögen. Allerdings darf hierbei nicht überſehen werden, daß durch die
Anwendung gradueller Ströme zum Telegraphiren die Geſchwindigkeit des letzteren
leiden muß, was offenbar einen Nachtheil des Syſtemes van Ryſſelberghe’s darſtellt.


Die Umwandlung von gewöhnlichen Strömen, z. B. Batterieſtrömen, in
graduelle, erreicht van Ryſſellberghe auf verſchiedene Art, und zwar durch Ein-
ſchaltung von Elektromagneten, Condenſatoren oder eines eigenthümlich conſtruirten
Taſters. Muß nämlich der Batterieſtrom erſt durch die Drahtwindungen eines
Elektromagnetes gehen, bevor er den Telegraphen-Apparat in Bewegung ſetzt, ſo kann
er nur allmählich ſeine volle Stärke erlangen, weil zu Beginn elektriſcher Strom
zum Magnetiſiren des Eiſenkernes verbraucht wird, und erſt wenn dieſer magnetiſch
iſt, der Strom ſeine volle Stärke erlangen kann; umgekehrt kann bei Stromunter-
brechung die Intenſität des Stromes nicht ſofort gleich Null werden, weil der
Magnetismus nicht momentan aufhört. Auch ein Condenſator kann nicht plötzlich
[955] ſeine volle Ladung annehmen oder verlieren, wenn der Strom geſchloſſen oder
unterbrochen wird, ſondern nur allmählich, und bewirkt alſo auch ein ſucceſſives
Anſchwellen oder Abſchwellen. Die eigenthümliche Conſtruction des Taſters eines
Telegraphen-Apparates, durch welche gleichfalls graduelle Ströme in die Leitung
geſandt werden können, beſteht darin, daß dieſer den Stromſchluß, beziehungsweiſe
die Stromunterbrechung nicht unter Vermittlung eines metalliſchen Contactes, ſondern
unter Zuhilfenahme eines Kohlencontactes bewirkt. Der allmähliche Uebergang von
einem ſtarken Drucke in dieſem bis zur gänzlichen Unterbrechung des Contactes
bewirkt (ähnlich wie beim Mikrophon) ein allmähliches Abnehmen oder Zunehmen
der Stromſtärke.


Die praktiſche Ausführung dieſer Principien veranſchaulicht in ſchematiſcher
Darſtellung Fig. 717. A iſt das Telegraphenbureau, B das Telephonbureau.
M ſtellt den Taſter, R den Telegraphen-Apparat irgend welcher Conſtruction dar,
P die Batterie. E1 und E2 ſind zwei Elektromagnete (graduateurs), von welchen
der erſtere zwiſchen der Säule P und dem Schlüſſel M, der letztere zwiſchen M und
der Linienleitung L eingeſchaltet iſt. C ſtellt einen Condenſator dar, geſchaltet in

Figure 721. Fig. 717.

Syſtem van Ryſſelberghe.


eine Nebenſchließung zur Verbindung der beiden Elektromagnete, und C' einen
Condenſator, der einerſeits mit der Telephonſtation, andererſeits mit der Telegraphen-
leitung in Verbindung ſteht. Man erſieht aus dieſer Schaltungsweiſe, daß einerſeits
die durch die Linie L kommenden oder durch ſie abgehenden Telegraphirſtröme nicht
in das Telephon T gelangen können, weil ſie von der Leitung desſelben durch den
Condenſator C' getrennt ſind, und andererſeits, daß die zum Telegraphiren verwendeten
Ströme der Batterie P wegen Einſchaltung der Magnete E1 und E2 in graduelle
verwandelt werden müſſen. Für die durch L anlangenden oder abgehenden Telephon-
ſtröme bildet aber der Condenſator, wie bekannt, kein Hinderniß.


Für die Verbindung zweier Telegraphenleitungen L1 und L2 zu einer
geſchloſſenen Telephonleitung hat van Ryſſelberghe die durch Fig. 718 dargeſtellte
Schaltung angegeben. C1 und C2 ſind zwei Condenſatoren zum Abſchluſſe der
Telegraphenleitung gegen die Telephonleitung; B1 B2 ſtellen zwei Differentialſpulen
dar, welche auf die dritte Spule B3 inducirend wirken. Ein Ende jeder dieſer
Spulen ſteht mit der Erde in Verbindung, während das andere Ende von B1 mit der
Telegraphenlinie L1, das andere Ende der Spule B2 mit der Telegraphenlinie L2
verbunden iſt. B3 ſteht einerſeits mit der Erde, andererſeits mit der Telephonlinie
[956] in Verbindung. Während hier durch Einſchaltung der beiden Condenſatoren für
Telegraphirſtröme die Verbindung zwiſchen L1 und L2 unterbrochen iſt, hindern
dieſe Condenſatoren keineswegs die Fortpflanzung der telephoniſchen Impulſe. Es
iſt auch einleuchtend, daß die durch die Spule B3 verlaufenden telephoniſchen
Impulſe einander entgegengeſetzte Inductionswirkungen auf die Spulen B1 und B2
ausüben müſſen, daher ſich zueinander wie + und — verhalten werden und
folglich mit L1 L2 eine geſchloſſene Telephonleitung darſtellen.


Die erſten Verſuche mit dieſem Syſteme fanden im Januar 1882 in Brüſſel
ſtatt; dann wurden ſolche zwiſchen Brüſſel und Paris (Entfernung 335 Kilometer)
angeſtellt; hierbei ſandte Banneux eine telephoniſche Depeſche an Cochéry (den
Miniſter des Poſt- und Telegraphenweſens in Paris) ab, und gleichzeitig wurde
durch denſelben Draht eine telegraphiſche Depeſche an Caël, gleichfalls in Paris,
befördert. Van Ryſſelberghe erzielte mit ſeinem Syſteme ſo günſtige Erfolge, daß

Figure 722. Fig. 718.

Van Ryſſelberghe’s Schaltung.


man gegenwärtig daran geht, das ganze Telegraphennetz Belgiens (d. h. 29.122 Kilo-
meter Telegraphendrähte) der Verwendung zur telephoniſchen Correſpondenz zuzu-
führen.


C.Telephoniſche Muſikübertragung.

Bei allen Ausſtellungen für Elektricität erfreuen ſich namentlich jene Räume
eines beſonderen Andranges von Seite des Publicums, welche behufs Uebertragung
von Muſik mit Theatern oder Concertſälen in telephoniſche Verbindung geſetzt
werden. Wie bereits erwähnt (Seite 890), wurden die erſten öffentlichen und
gelungenen Verſuche in Europa an der Wiener techniſchen Hochſchule durch
F. Niſſl und den Verfaſſer vorliegenden Werkes im Jahre 1877 durchgeführt.
Natürlich dienten damals Bell’ſche Telephone ſowohl als Sender, als auch als
Empfänger. Als hierauf das Mikrophon eine praktiſch verwerthbare Form er-
halten hatte, konnten derartige Muſikübertragungen in größerem Umfange
inſcenirt werden. So hatte man auch bei der Pariſer Ausſtellung (1881) in
[957] ſpeciell zu dieſem Zwecke adaptirten Räumen Gelegenheit, die Opern und die
Aufführungen im Théâtre français durch das Telephon zu hören. Die dies-
bezüglichen Inſtallationen wurden von Cl. Ader unter Benützung des auf Seite 901
beſchriebenen Telephones und des auf Seite 911 beſprochenen Mikrophones aus-
geführt.


Die Mikrophone wurde zu beiden Seiten des Souffleurkaſtens in zwei Serien
aufgeſtellt, wie dies Fig. 719 erkennen läßt. Bei der Aufſtellung von Mikrophonen zu
derartigen Uebertragungen hat man darauf Rückſicht zu nehmen, daß die Muſik des
Orcheſters ebenſo wie der Geſang der Sänger gleich gut aufgenommen wird,
damit nicht der eine oder andere Theil zu ſtark hervortritt; ferner muß der
Geſang ſtets gleich gut aufgenommen werden, unabhängig von der jeweiligen
Stellung des Sängers; endlich darf das Mikrophon keinerlei Geräuſche, herrührend
von der Bewegung der Acteure oder von Arbeiten auf der Bühne, aufnehmen.
Für die gleichmäßige Aufnahme der Muſik und des Geſanges ſorgte Ader durch
verſchiedene Stellungen, welche er den Schallöffnungen der Mikrophone gab,

Figure 723. Fig. 719.

Ader’s Muſikübertragung.


während die gleichmäßige Aufnahme des Geſanges bei verſchiedenen Stellungen
des Sängers durch gleichmäßige Vertheilung der Mikrophone zu beiden Seiten
des Souffleurkaſtens erreicht wurde. Gegen die Aufnahme fremder Geräuſche oder
Erſchütterungen wurden die Mikrophone, wie l. c. bereits angegeben, durch ihre
dicken Bleiunterlagen und Kautſchukfüße geſichert.


Damit aber auch der Zuhörer, unabhängig von der jeweiligen Stellung
des Sängers oder der Sängerin, ſtets gleich gut hört, muß auch die Verbindung
zwiſchen Mikrophon und Telephon eine entſprechende ſein. Wie dieſe Aufgabe
gelöſt wurde, und überhaupt die Geſammtanordnung der ganzen Anlage erſehen
wir aus dem Schema in Fig. 720 (nach Th. du Moncel). Hierin bedeuten M M
die zu beiden Seiten des Souffleurkaſtens S auf der Rampe aufgeſtellten Mikro-
phone, P p und P' p' die Batterien, C C' die Commutatoren und J J' die Induc-
tionsrollen. Von der Oper aus wurden dann die Leitungen durch die Kabel K K'
in das Ausſtellungsgebäude (Palais de l’Industrie) geführt, wo in zwei Sälen
die Hörtelephone angebracht waren; c c' ſind Commutatoren, um den einen Saal
[958] einſchalten zu können, wenn das Publicum den andern Saal verließ, und für
eine neue Abtheilung von Zuhörern Platz machte.


Um die Ueberſichtlichkeit zu wahren, wurde nur für zwei Mikrophone der
ganze Stromlauf gezeichnet. Zu jedem Mikrophone gehören drei Batterien (wovon
nur je zwei gezeichnet ſind) und eine Inductionsſpule. Die Batterien wurden aus
Leclanché-Elementen zuſammengeſetzt, die bei andauerndem Schluſſe bekanntlich nicht
lange conſtant bleiben; man mußte daher dafür ſorgen, daß die Elemente wieder-
holt gewechſelt werden können und dies wurde eben durch Anwendung je dreier
Batterien und dazu gehöriger Commutatoren erreicht. Der Stromlauf für das
Mikrophon n iſt folgender: Von P über b durch den Commutator C nach d e f

Figure 724. Fig. 720.

Ader’s Muſikübertragung.


durch das Mikrophon n, über g h durch die primäre Spirale der Inductions-
ſpule J' und über l zur Batterie P zurück. Wird die Batterie P unconſtant, ſo
tritt die Batterie P' an ihre Stelle, und dann iſt der Stromlauf folgender: Von
P' aus durch den Commutator C', dann über d e f n g h J' l nach x und nach
P' zurück. Für das Mikrophon m liefert die Batterie p, beziehungsweiſe p' den
Strom, in deſſen Schließungsbogen die Inductionsſpule J eingeſchaltet iſt.


Durch die bisher angegebenen Einrichtungen erſcheint zunächſt nur eine
gleichförmige Aufnahme der Schallwellen durch die Mikrophone, alle zuſammen
als einen Empfangs-Apparat betrachtet, unabhängig von der Dauer der Vor-
ſtellung und von der jeweiligen Stellung der Sängerin geſichert. Die gleichförmige
Wiedergabe der Schallwellen in den Telephonen der einzelnen Zuhörer aber
wird erſt durch die beſondere Verbindungsweiſe der Telephone mit den ſecundären
[959] Spiralen der Inductionsrollen bewirkt. Die Drahtenden jeder ſecundären Spirale,
alſo z. B. von J', ſind mit der entſprechenden Kabelleitung K' verbunden, welche
von der Oper zu den Hörſälen führt. Je einer von den beiden zu derſelben
Inductionsrolle gehörigen Drähten iſt ſowohl mit dem Commutator c als auch
mit c' verbunden, der andere einfach an die zu den Telephonen führende Leitung
angeſchloſſen. Iſt nun z. B. durch den Commutator c' die Verbindung der
Kabelleitung mit dem Saale 2 hergeſtellt, ſo gelangen die undulirenden Inductions-
ſtröme aus der Spule J' in die mit II bezeichnete Telephonreihe und durchlaufen
den Stromkreis derſelben in der durch die einfachen Pfeile angedeuteten Richtung;
die Ströme aus der Spule J gelangen in die Telephonreihe I und durchlaufen
deren Stromkreis in der Richtung der Doppelpfeile. Da nun J' durch die
undulirenden Ströme des Mikrophones n und J durch jene des Mikrophones m

Figure 725. Fig. 721.

Muſikübertragung in Wien (1883).


erregt wird und jeder Hörer ein Telephon der Reihe I und ein ſolches der
Reihe II erhält, ſo wird er immer gleich gut hören, ob ſich der Sänger rechts
oder links vom Souffleurkaſten oder dieſem gerade gegenüber befindet. Da ſämmt-
liche Mikrophone in dieſer Weiſe mit den Telephonpaaren verbunden ſind, gilt
dies natürlich für jeden Hörer.


Eine große Anlage für telephoniſche Uebertragung von Muſik wurde von der Wiener
Privat-Telegraphen-Geſellſchaft
während der Wiener elektriſchen Ausſtellung (1883)
nach den Plänen ihres Directions-Ingenieurs A. Kittel ausgeführt und betrieben.*) Für
die telephoniſche Verbindung der Hofoper mit der Rotunde (dem Ausſtellungsgebäude) waren
auf der Bühne der erſteren längs der Beleuchtungsrampe zwölf Mikrophone (Patent der
genannten Geſellſchaft) aufgeſtellt. Dieſe Mikrophone beſtehen im Weſentlichen aus drei in
ihren Axenlagern leicht beweglichen Metallhebeln, welche Kohlenpiſtons tragen; letztere legen
[960] ſich mit leichtem Drucke gegen drei auf einer Metallmembrane befeſtigte Kohlencylinder. Die
Membrane wird an dem Gehäuſe durch eine gabelförmige Feder feſtgehalten, welche außerdem
noch als Dämpfer wirkt und die leitende Verbindung mit der Membrane herſtellt. Die
Mikrophone wurden auf hohlen, 50 Centimeter hohen Metallträgern nach allen Richtungen
drehbar aufgeſetzt. Die Träger gingen durch Ausſchnitte in dem Bretterboden der Bühne und
waren unter Vermittlung von Kautſchukunterlagen an dem Gebälke einer Verſenkung feſt-
gemacht. Wurden die Mikrophone hierdurch vor mechaniſchen Erſchütterungen geſichert, ſo
ſorgte man durch ihre verſchiedenen Stellungen gegen das Orcheſter und die Bühne für die
gleichförmige Aufnahme von Muſik und Geſang. Die Batterien, Umſchalter u. ſ. w. wurden
unterhalb der Bühne in einer Verſenkung untergebracht; die Leitungen, zwei Doppelleitungen
für die Muſikübertragung und eine Doppelleitung für den dienſtlichen Verkehr, wurden als
Kabel von beiläufig 300 Meter Länge durch das Gebäude auf deſſen Dach geführt, allwo ſie
ſich an die Luftleitungen anſchloſſen. Letztere, aus 1 Millimeter ſtarkem Patent-Silicium-
Bronzedraht hergeſtellt, durchliefen, auf ſtarken Holzſäulen befeſtigt, einen Weg von 6⅓ Kilo-
meter Länge.


Die Schaltung der Mikrophone M M mit ihren Batterien B B und Inductions-
ſpulen J J, ſowie auch die Verbindung mit den Telephonen H R O iſt aus Fig. 721 zu
erſehen. Die zwölf in der Oper aufgeſtellten Mikrophone waren in zwei Gruppen zu je ſechs
Apparaten geſchaltet; jede Gruppe beſtand ihrerſeits wieder aus drei Paaren derart parallel
geſchalteter Mikrophone, daß jedes Paar aus einem auf der linken und einem auf der rechten
Seite der Bühne aufgeſtellten Mikrophone gebildet war. (In der Figur ſind nur acht Mikro-
phone gezeichnet und deshalb zwei Gruppen zu nur je zwei Paaren gebildet.) Um den Strom
für die Mikrophone und die dazu gehörigen Inductionsſpulen conſtant zu erhalten, ſind
Commutatoren S S in den primären Stromkreis geſchaltet, welche die Einſchaltung einer
friſchen an Stelle der gebrauchten Batterie geſtatten. Der Stromlauf iſt in der Figur leicht
zu verfolgen.


In der Rotunde mündeten die Leitungsdrähte zunächſt in die Dienſtzelle ein, in welcher
ſich die Controltelephone C und der für die dienſtliche Correſpondenz beſtimmte Apparat
befanden. Hier wurden auch mittelſt Kurbelumſchalter die für die Telephon-Auditorien noth-
wendigen Verbindungen hergeſtellt. Zur Uebertragung der Oper ſtanden zwei Zellen O O zur
Verfügung, von welchen jede 16 Telephonpaare enthielt. Eine Zelle R mit 30 Telephonpaaren
war für die Uebertragung der Muſik aus dem Wiener Rollſchuhclub (Entfernung 3½ Kilo-
meter) beſtimmt, während eine Hofloge H mit ſieben Telephonpaaren für beſondere Beſuche
reſervirt blieb. In jedem Auditorium waren die Telephone eines Stromkreiſes hintereinander
geſchaltet und jedes Telephonpaar enthielt ein Telephon des einen und ein Telephon des
andern Stromkreiſes.


D.Specielle Anwendungen des Telephones und Mikrophones.

Die Telephone und Mikrophone haben nicht nur für den allgemeinen Ver-
kehr der Bewohner großer Städte untereinander eine hervorragende Bedeutung
erlangt, ſondern ihre Anwendung erwies ſich auch in vielen anderen Fällen als
äußerſt nutzbringend. So braucht wohl kaum hingewieſen zu werden auf den großen
Nutzen, welchen die telephoniſche Verbindung der einzelnen Abtheilungen eines
großen Etabliſſements untereinander gewähren kann, welche Erſparung an Zeit
und Geld die telephoniſche Verbindung einer Fabrik mit dem Adminiſtrations-
oder Wohngebäude erreichen läßt. Hervorragend wichtige Dienſte kann ferner das
Telephon im Eiſenbahndienſte, im Berg- und Hüttenweſen, zu militäriſchen Zwecken,
für die Polizei und Feuerwehren leiſten u. ſ. w. Derartige und ähnliche An-
wendungen fand das Telephon ſchon an vielen Orten; einige derſelben mögen
nachſtehend beſchrieben werden.


Hierher zählt z. B. das Polizei-Telephon in Chicago. Zwar ſpielen
die telegraphiſchen Einrichtungen faſt in allen größeren Städten ein höchſt wichtiges
Hilfsmittel für die Polizei, doch dürften ſich Telephon und Telegraph kaum irgend-
wo einer ausgedehnteren Anwendung erfreuen als in Chicago, wo ſie geradezu
[961] einen weſentlichen Theil des Polizeiſyſtemes bilden. Man bezweckt hierdurch nicht
nur eine Beſchleunigung der Hilfe, wo ſolche Roth thut, ſondern erſpart auch an
Mannſchaft, indem man den Wirkungskreis des einzelnen Mannes, ſowie auch der
Polizeiſtationen vergrößert. Jeder Wachmann wird in die Lage verſetzt, ſofort oder
doch in wenigen Minuten mit ſeiner Station oder auch mit der Centrale verkehren
zu können, und ſelbſt einer großen Anzahl vertrauenswürdiger Bürger ermöglicht
man, die Wachleute herbeizurufen. Da bekanntlich Wachleute dort gewöhnlich
nicht ſind, wo man ihrer bedarf, ſo läßt ſich der Werth einer derartigen Einrichtung
ſehr gut begreifen. Diebe wiſſen in der Regel ſehr genau, wo und wann Wach-
leute zugegen ſind und bauen hierauf ihre verbrecheriſche Thätigkeit. Dies kommt
nicht nur in amerikaniſchen Städten, ſondern auch bei uns vor. Allerdings kann

Figure 726. Fig. 722.

Polizei-Telegraph.


dieſem Uebelſtande durch Vermehrung der Sicherheitswache abgeholfen werden,
jedoch verurſacht dies einen bedeutenden Koſtenmehraufwand. Chicago hat daher
die Wirkſamkeit ſeiner Polizei durch ausgedehnte Anwendung des Telephones erhöht.


An entſprechend gewählten Punkten jedes Bezirkes ſind Polizeipoſten er-
richtet; in jedem derſelben befinden ſich ſtets dienſtbereit drei Mann, ein Pferd
und ein Wagen, welcher entſprechend ausgerüſtet iſt, um Verwundete, Kranke,
verlorene Kinder oder auch Verbrecher transportiren zu können. Die Polizeipoſten
ſtehen in telephoniſcher Verbindung mit öffentlichen Alarmſtationen, die in ihrer
Form ähnlich den Schilderhäuschen gerade Raum genug bieten, um einer Perſon
den Eintritt zu ermöglichen. Solche Häuschen ſind in den einzelnen Straßen von
Strecke zu Strecke aufgeſtellt und können durch Schlüſſel ſowohl von dem Wach-
manne, als auch von achtungswürdigen Bewohnern der Stadt geöffnet werden.
Urbanitzky: Elektricität. 61
[962] Um Mißbräuche zu verhüten, ſind die Schlüſſel numerirt und können, einmal in
das Schloß hineingeſteckt, nur mehr von der Polizei herausgezogen werden. Auf
dieſe Art iſt es der Bewohnerſchaft ermöglicht, an dem Sicherheitsdienſte ſelbſt-
thätigen Anthėil zu nehmen, ohne Mißbrauch treiben zu können.


Das Innere des Häuschens enthält einen Zeiger-Apparat und im verſperrten,
nur dem Wachmanne zugänglichen Schranke eine Telephonſtation. Der Zeiger-
Apparat, in Fig. 722 abgebildet, geſtattet 11 verſchiedene Signale zu geben,
nämlich: Polizeiwagen, Diebe, Gewaltthat, Aufſtand, Betrunkene, Mörder, Unfall,
Einbruch, Streit, Leitungsprüfung oder Brand. Der Signalgebende hat nur den
Zeiger auf das betreffende Signal zu ſtellen, den Hebel H niederzudrücken und
wieder loszulaſſen, worauf automatiſch die Abſendung des Signales, ſowie auch
der Nummer des Häuschens an den nächſten Polizeipoſten erfolgt. Der Empfangs-
Apparat des Polizeipoſtens iſt ein gewöhnlicher Morſe-Telegraph mit Selbſtauslöſung.
Fig. 723 zeigt das im Wächterhäuschen angebrachte Käſtchen geöffnet; dieſes ent-

Figure 727. Fig. 723.

Polizei-Telephon.


hält das Telephon und Mikrophon und dient dem Wachmanne zu anderweitigem
dienſtlichen Verkehre mit ſeinem Poſten. Das Mikrophon, an der Innenſeite des
Deckels angebracht, gelangt durch Oeffnen des Käſtchens dem Munde gerade
gegenüber.


Der in beſtimmten Zeiträumen die Runde machende Inſpicient berichtet
gleichfalls durch das Telephon an den Commandanten, wodurch der Dienſt außer-
ordentlich vereinfacht wird. Auch die Wohnungen von Privaten oder deren
Geſchäftsräume werden auf Wunſch der Beſitzer mit Alarm-Apparaten verſehen,
die entweder für ſich oder mit Telephonſtationen combinirt eingerichtet werden. In
dieſem Falle iſt bei dem betreffenden Polizeipoſten der Wohnungsſchlüſſel im ver-
ſiegelten Couvert deponirt. Auf dieſe Weiſe iſt jeder Abonnent in die Lage verſetzt,
vorkommendenfalls Hilfe herbeizurufen, und der Wachmann kann bei Tag wie bei
Nacht ohne Beihilfe des um Hilfe Rufenden in deſſen Wohnung eindringen.


Schon im Jahre 1881 beſaß Chicago beiläufig 100 Alarmſtationen, welche
man, da ſich die Einrichtung ſehr gut bewährte, auf die doppelte Anzahl zu
[963] bringen beſchloß. Gleich nach Einführung derſelben nahm die Zahl der Arretirungen
zu, während ſich die Anzahl der Verbrechen entſprechend verminderte. Mit Hilfe
der Alarm-Apparate iſt eine geringe Anzahl von Wachleuten im Stande, dasſelbe
zu leiſten, wie eine zahlreiche Mannſchaft.


Der Vortheil des Telephones gegenüber den Telegraphen-Apparaten, keiner
geſchulten Bedienungsmannſchaft zu bedürfen, macht erſteres auch zur Anwendung
für militäriſche Zwecke vortheilhaft verwendbar. Hierzu kommt noch der im
Verhältniſſe zu den Telegraphen-Apparaten verſchwindend geringe Anſchaffungs-
preis, die leichte Aufſtellung und Inſtandhaltung, ſowie, in Anbetracht auf die
Transportfähigkeit, ſein geringes Gewicht. Für gewiſſe Zwecke iſt es allerdings ein
Nachtheil des Telephones, daß die überſandten Depeſchen durch keine bleibenden Zeichen
fixirt werden. Auch darf nicht überſehen werden, daß man telephoniſche Depeſchen
bei großem Lärm nicht vernehmen kann. Fälle, in welchen hingegen das Telephon
gute Dienſte leiſten kann, ſind z. B. bei den Uebungen der Infanterie im Gefecht-
ſchießen, beim Scheibenſchießen zur Verbindung des Schießſtandes mit den Zielern,
im Vorpoſtendienſte, zur Verbindung eines „ballon captif” mit der Erde u. ſ. w.
Für den letzterwähnten Zweck hat z. B. die franzöſiſche Armee das Syſtem Gower-
Siemens adoptirt. Vorzügliche Dienſte können Telephone und Mikrophone auch
bei der Vertheidigung feſter Plätze leiſten.


Der Zweck des Gefechtsſchießens iſt, ein dem Ernſtfalle möglichſt ähnliches Gefechts-
bild darzuſtellen, um dem Infanteriſten Gelegenheit zu bieten, die Feuerdisciplin zu üben.
Zu dieſem Behufe läßt man eine größere Truppenabtheilung längere Zeit eine Anzahl be-
weglicher Scheiben mit ſcharfen Patronen beſchießen, während man dafür ſorgt, daß die den
Feind markirenden Scheiben zur entſprechenden Zeit und an entſprechenden Orten auftauchen
und verſchwinden. Um ein der Wirklichkeit möglichſt nahe kommendes Bild zu erhalten,
müſſen die auf den verſchiedenſten Punkten des Terrains aufgeſtellten Scheiben bezüglich ihrer
Bewegungen zuſammenwirken; der die Schießübungen leitende Commandant muß hierauf
unmittelbaren Einfluß üben können. Soll dieſen Anforderungen entſprochen werden, ſo muß
offenbar zwiſchen dem Commandanten und den die Scheiben Bewegenden, den Anzeigern,
eine Verbindung hergeſtellt werden. Hierzu eignet ſich nun, wie Premier-Lieutenant von Laffert
berichtet, das Telephon ſehr gut.


Man benützt Siemens’ſche Telephone ſowohl als Sender, wie auch als Empfänger und
verbindet beide durch ein Kabel, welches als Hin- und Rückleitung zwei 0·8 Millimeter ſtarke
Kupferdrähte enthält, deren jeder mit einer mit Zwirn umwickelten Kautſchukumhüllung verſehen
iſt. Beide ſind zuſammengelegt, die gegenüberliegenden Winkel durch je eine Zwirnlitze aus-
gefüllt (um einen runden Querſchnitt zu erhalten) und durch eine gewachſte Zwirnumſpinnung
zu einem Ganzen vereinigt Dieſes Kabel wird in Längen von je 500 Meter auf eine
Transportrolle aufgewunden, wie ſie Fig 724 in Vorderanſicht und Längsſchnitt darſtellt. Auf
dem (40 Centimeter langen) Blechcylinder a a ſind Scheiben b b aus hartem Holze aufgeſetzt
und durch Schrauben mit erſterem verbunden. Dieſer Blechcylinder iſt durch die eingelöthete
Scheibe d in zwei gleiche Räume getheilt, deren jeder eine der Blechbüchſen e e aufnimmt,
in welche man die Telephone eingeſetzt hat. An den Holzſcheiben b b ſind Winkeleiſen g1 g2
durch Schrauben befeſtigt, um die die Handgriffe l m tragenden Eiſenſchienen h k einſchieben
zu können. Letztere ſind bei h mit einem Anſatze, bei k mit einem Sperrhaken verſehen.
Beim Einſchieben dieſer Schienen verhindert h das gänzliche Durchgleiten, während der
Sperrhaken bei k in eine daſelbſt auf der Holzſcheibe befeſtigte Feder einſchnappt und dadurch
die Schiene feſthält Bei einem der beiden Handgriffe ragt der mittlere Eiſenſtab aus der
Holzumkleidung heraus und iſt daſelbſt vierkantig geformt, um eine Kurbel aufſetzen zu
können. Bei f iſt in der Blechkapſel eine Oeffnung gemacht, die groß genug iſt, um das
Kabel durchzulaſſen. An der Außenſeite jener Holzſcheibe, welche dieſer Oeffnung zunächſt
liegt, befindet ſich die Klemmſchraube p. Wird der Handgriff mit ſeiner Eiſenſchiene ein-
geſchoben, ſo faßt er auch die Blechöſe q auf, welche an das früher erwähnte Blechgefäß e
angelöthet iſt und zum Herausziehen desſelben aus dem Blechcylinder dient.


Das Kabel wird mit einem Ende durch die Oeffnung f in einem etwa 2 Meter
langen Stücke geſchoben und durch einen Knoten feſtgehalten, während man den übrigen
61*
[964] Theil des Kabels auf den Blechcylinder a a aufrollt. Das Ende befeſtigt man an der Schraube p,
den Anfang (der ſich innerhalb des Cylinders befindet) an die Klemmſchrauben des Telephones.
Hängt man noch bei g1 g2 Tragriemen ein, ſo kann ein Mann den ganzen Apparat tragen.


Die Handhabung des Apparates iſt gleichfalls eine einfache; man ſchiebt den Handgriff
ab, zieht jene Büchſe heraus, welche das mit dem Kabel nicht verbundene Telephon enthält,
und löſt das Kabelende von der Schraube p los. Während dann dieſes Telephon mit
dem freien Kabelende verbunden und die Telephonſtation hergerichtet wird, ſetzt man den
abgenommenen Handgriff wieder auf, läßt die Kabelrolle durch einen Mann mit der linken,
durch einen zweiten Mann mit der rechten Hand an den Griffen faſſen und beide im raſchen
Schritte an den für die zweite Station beſtimmten Platz abgehen. Hierbei wird durch das
ſich abrollende Kabel die Verbindung hergeſtellt. Dieſe Art der Kabelauslegung geſtattet auch
während der Auslegung mit den die Auslegung beſorgenden Infanteriſten zu ſprechen, da der
Ton der am Siemens’ſchen Telephone angebrachten Anrufpfeife ſtark genug iſt, um durch den
Blechcylinder hindurch vernommen zu werden. Die Träger brauchen dann nur die eine
Handhabe abzunehmen und das mit dem Kabel ohnehin in ſtändiger Verbindung bleibende
Telephon herauszuheben.


Das Einziehen des Kabels erfolgt unter Vermittlung der an einer Handhabe auf-
zuſetzenden Kurbel. Für Entfernungen über 500 Meter kommt eine zweite Rolle in Verwen-
dung, indem man das eine Kabelende dieſer mit einem Kabelende der erſten Rolle einfach

Figure 728. Fig. 724.

Das Telephon im Felddienſte.


durch Klemmſchrauben verbindet. Natürlich geſtattet die Verwendung mehrerer Apparate auch
die Errichtung und Verbindung mehrerer Stationen, die alle hintereinander geſchaltet ſind.
Für den obengedachten Zweck bringt dies den Vortheil mit ſich, daß die Anzeiger bei den
verſchiedenen Scheiben alle gleichzeitig jeden Befehl vernehmen, der vom Commandanten
gegeben wird, wodurch ein geeignetes Zuſammenwirken ſehr leicht zu erreichen iſt.


Bei der praktiſchen Erprobung bewährte ſich dieſes Syſtem ſehr gut, denn wenn auch
das Gewehrfeuer die Verſtändigung mitunter erſchwerte, ſo boten doch in der Regel das Zelt
einerſeits und die Eingrabungen bei den Scheiben andererſeits genügenden Schutz gegen
äußere Geräuſche.


Eine andere Anwendung des Telephones, und zwar in Combination mit dem Mikro-
phone, ſchlug A. Axt vor. Es ſoll hierdurch der äußerſt beſchwerliche und aufreibende Vor-
poſtendienſt der in feſten Plätzen eingeſchloſſenen Truppen der Mannſchaft abgenommen,
beziehungsweiſe erleichtert werden. Hat man z. B. den Punkt A (Fig. 725) auf eine Diſtanz
von 4000 Meter auf einem Bogen U V von 65 Grad zu decken, ſo verſenkt man von 400
zu 400 Meter Mikrophone etwa einen Meter tief in den Boden und führt die daran
geſchloſſenen Leitungen gleichfalls unterirdiſch nach dem Punkte A, wo ſie mit einem Telephone
verbunden werden. Das Mikrophon ſelbſt erhält die durch Fig. 726 dargeſtellte Form. Es
wird nämlich aus drei Millimeter ſtarkem, verzinntem Eiſenbleche ein auf einer Fläche offener
Würfel mit einer Seitenlänge von beiläufig 15 Centimeter gebildet und in demſelben die
Metallmembrane m m in ähnlicher Weiſe wie bei Telephonen geſpannt. Auf der Oberſeite
dieſer Membrane befeſtigt man einen kleinen Kohlencylinder k, gegen welchen ſich ein zweiter
[965] Kohlencylinder k' unter einem Winkel von 80 Grad lehnt. Um die Berührung der beiden
Kohlen zu einer leicht veränderlichen zu machen, hängt die Kohle k' an dem ſpiralförmig
gebogenen Ende des Leitungsdrahtes l, der ſowohl in das Metallkäſtchen iſolirt eingeführt iſt
als auch unter der Erde von dieſer iſolirt weitergeführt wird.


Die Leitungsdrähte ſämmtlicher Mikrophone führt man bis zu dem Punkte A und
verbindet ſie daſelbſt mit der einen Schienenlage 1 bis 12 eines Generalumſchalters (Fig. 727),
während die Schienen der zweiten Lage mit dem Telephone T, der Batterie B und einem
Galvanometer G in Verbindung ſtehen. Ueberdies iſt eine der erwähnten Schienen mit einer
Erdplatte E verbunden. Iſt dann z. B. Schiene 1 mit a und b mit der Erdleitung geſtöpſelt,
ſo geht der Batterieſtrom einerſeits von der Batterie aus durch das Galvanometer, das
Telephon, die Schiene a und in die Erde; andererſeits von der Batterie durch die Schiene a
in die Leitung 1, in das mit ihr verbundene Mikrophon und von deſſen Kohlencylinder k

Figure 729. Fig. 725.


Figure 730. Fig. 726.


Figure 731. Fig. 727.

Das Mikrophon im Vorpoſtendienſte.


durch die Metallmaſſe des Käſtchens in die Erde. Durch das Telephon wird man dann bei
irgendwelcher Uebung leicht zu unterſcheiden im Stande ſein, ob einzelne Menſchen, Truppen-
körper im Marſchſchritte, Cavallerie oder Geſchütze ſich dem Standorte des betreffenden
Mikrophones nähern. Ebenſo ſicher wird auch das Mikrophon etwa ſich nähernde feindliche
Mineurs anzeigen und dadurch die Richtung, in welcher dieſe zu bekämpfen ſind, verrathen.
Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, daß man in einer Karte des Vorterrains den Ort
der einzelnen Mikrophone genau einträgt, und daß die Abhorchung ſämmtlicher Mikrophone
durch entſprechendes Verſetzen der Stöpſel des Generalumſchalters erfolgt. Auch können an
Stelle eines Telephones deren mehrere an den Umſchalter angeſchloſſen werden.


Das Telephon kann auch im Eiſenbahndienſte mannigfach verwendet
werden. So verband z. B. die öſterreichiſche Südbahn-Geſellſchaft ihren Wiener
Bahnhof mit dem Heizhauſe durch eine Telephon-Doppelleitung unter Benützung
[966] des etwas modificirten Syſtemes Gower-Bell. Ein Hauptvortheil dieſer Einrichtung
liegt darin, daß hierdurch ein Telegraphiſt entbehrlich wird.


Dasſelbe Syſtem verwendet im größeren Maßſtabe die South-Western
Railway Company.
Es wird nämlich auf dem Drahte mit eingeſchaltet, auf
welchem die ſogenannten Blockſignale gegeben werden, da die ſtarken Blockſtröme
und die viel ſchwächeren Telephonſtröme ſich gegenſeitig durchaus nicht ſtören.
Man kann dabei den Lärm, welchen die Abfahrt eines Zuges von einer entfernten
Station verurſacht, zugleich mit der Glocke hören, welche die Abfahrt verkündet.


Auf der der öſterreichiſchen Localbahn-Geſellſchaft gehörigen Localbahn Czaslau-
Zawratec-Tremosnitz und entlang der Drahtſeilbahn von Tremosnitz nach Pracho-
witz wurde eine Telephonverbindung hergeſtellt. Die Apparate ſind derart ein-
geſchaltet, daß die einzelnen an der Linie liegenden Stationen ſowohl beliebig
untereinander ſprechen können, als auch, daß jede einzelne Station eine Circular-
depeſche abſenden kann, die auf allen Stationen gleichzeitig gehört wird. Die
Stations-Apparate beſtehen aus einem an der Wand angebrachten ſogenannten

Figure 732. Fig. 728.

Telephon für Taucher.


Kaſtentelephone mit kräftigem Hufeiſenmagnete; der eigent-
liche Sprech-Apparat beſteht aus einem auf den Tiſch
aufgeſchraubten vertical ſtehenden Hörtelephone, einem mit
Relais verbundenen Ruf-Apparate, einem Taſter und
einer Blitzſchutzvorrichtung. Dieſe Telephoneinrichtungen
ſind ausſchließlich für den Bahndienſt beſtimmt.


Für den Taucher bildet das Telephon ein ſehr
bequemes Verſtändigungsmittel zum Verkehre mit auf dem
Lande oder Schiffe befindlichen Perſonen, erſpart Zeit und
Mühe und erlaubt dem Taucher, falls ihm Gefahren
drohen, um Hilfe zu rufen. Ein hierzu tauglicher, ſehr
einfacher Apparat wurde von dem franzöſiſchen Fregatten-
Capitän Des Portes angegeben. Das ſowohl als Hör-,
ſowie auch als Sprech-Apparat dienende Telephon erhält
die Form einer runden Büchſe B (Fig. 728), in welcher
der gekrümmte Magnet Raum findet. Dieſe Büchſe wird
von der Platte a b getragen, welche im Innern des Taucherhelmes an der linken
Seite befeſtigt iſt. Von der einen Klemme führt der Draht zum Helm, der
die Erdplatte erſetzt, während durch den von S ausgehenden Draht die Verbin-
dung mit dem Kabel K, welches auf das Schiff hinaufführt, hergeſtellt wird. Der
von S ausgehende Draht durchdringt nämlich die Platte a b und geht dann durch
eine ſtarke Kautſchukplatte c, welche in dem mit Schraubengewinde verſehenen
cylindriſchen Rohranſatze R eingeſetzt iſt. Bei n trägt dieſer Draht ein kleines
Metallplättchen. In gleicher Weiſe durchdringt das Kabel K die Ueberwurf-
ſchraube M und eine Kautſchukplatte c1, während das Ende des Drahtes mit
einem ebenſolchen Plättchen verſehen iſt. Schraubt man dann R und M zuſammen,
ſo ſorgen die Kautſchukplatten für einen waſſerdichten Verſchluß und drücken die
Metallplättchen bei n zuſammen, ſo daß die Stromleitung geſchloſſen erſcheint.


Hat der Taucher ſeinen Apparat angelegt, ſo befindet ſich das Telephon in
unmittelbarer Nähe ſeines linken Ohres und läßt ihn Alles hören, was man oben
in das Telephon ſpricht. Da der ganze Kopf durch den Taucherhelm eingeſchloſſen
iſt, verſteht man umgekehrt auch den Taucher oben ganz gut, trotzdem ſich deſſen
Telephon nicht ſeinem Munde gegenüber befindet. Als Anruf kann ein dem Munde
[967] des Tauchers gegenüber im Helme angebrachtes Pfeifchen dienen. Denſelben Dienſt
leiſtet übrigens auch eine dem Taucher mitgegebene einfache Leine.


Die große Empfindlichkeit des Mikrophones veranlaßte bald, auf deſſen
Verwendung zu ärztlichen Zwecken zu denken. Dieſes Streben führte auch in
der That zur Conſtruction einer größeren Anzahl von Inſtrumenten, deren einige
nachſtehend beſchrieben werden ſollen.


Das Miophon wurde von Boudet conſtruirt, um die Muskelgeräuſche zu unter-
ſuchen. Hinter der engen Oeffnung des Schallbechers B (Fig. 729) iſt eine Pergament-
membrane m m geſpannt, welche auf ihrer Unterſeite den Unterſuchungsknopf K und auf
ihrer oberen Seite die Kohle H trägt. Die zweite Kohle D wird von dem Schlitten A

Figure 733. Fig. 729.

Miophon.


Figure 734. Fig. 730.

Sphygmophon.


Figure 735. Fig. 731.

Uebertragungs-Mikrophon.


gehalten, der durch die Mikrometerſchraube V auf- und abwärts bewegt werden kann. Der bei I
angebrachte eingeknickte Papierſtreifen wirkt als Feder, welche die Kohle D leicht gegen H
drückt. Die Kohle D ſteht durch den Schlitten-Apparat, deſſen Träger und einen kurzen Draht
mit der Klemmſchraube S in Verbindung, während ein Queckſilbertropfen in einer kleinen
Höhlung von H und der eingehängte Draht die Verbindung der Kohle H mit der Klemme S1
vermitteln. Um das Geräuſch eines Muskels zu beobachten, legt man das Miophon mit
ſeinem Unterſuchungsknopfe K auf den betreffenden Muskel auf. Man erfuhr in dieſer Weiſe,
daß bei einem menſchlichen Muskel die Tonart des Geräuſches plötzlich ſteigt, gleichzeitig mit
der Intenſität der freiwilligen Zuſammenziehung dieſes Muskels. Das Miophon ſtellt ein
ſehr brauchbares Inſtrument zur Beobachtung pathologiſcher Fälle dar, wie z. B. der Lähmung
und Muskelſtarre; es kann auch zur Unterſuchung der Muskeln auf ihre Reizbarkeit für
ſchwache elektriſche Ströme verwendet werden.


Eine der erſten Anwendungen des Mikrophones für ärztliche Zwecke war die zur
Unterſuchung des Pulsſchlages; derartige Inſtrumente, gewöhnlich Sphygmophon benannt,
[968] wurden in verſchiedenen Conſtructionen hergeſtellt. Zu den empfindlichſten zählt Boudet’s
Sphygmophon, welches in Fig. 730 abgebildet iſt. Auf einem Hartgummiplättchen von 5 und
2·5 Centimeter Seitenlänge ſind zwei Federn E und F befeſtigt, von welchen eine den Unter-
ſuchungsknopf K, die andere die Kohle H trägt. Zur Regulirung der Entfernung beider
Federn voneinander und ſomit auch des Druckes von K auf die Arterie dient die Schraube G.
Die bewegliche Kohle D wird durch die Papierfeder I an die Kohle H gedrückt und iſt in
der Gabel B durch die Schraube C horizontal verſchiebbar befeſtigt. Die Gabel ſammt der
Kohle läßt ſich durch Drehen der Schraube V an der Säule A auf und ab bewegen. An
den ſeitlichen Anſätzen L L ſind Bänder angebracht, um das Inſtrument auf dem Arme oder
einem andern Körpertheile befeſtigen zu können.


Das Inſtrument eignet ſich vorzüglich zur Unterſuchung der Pulsader und läßt die
intraateriellen Geräuſche ſehr gut erkennen, ohne daß die durch die Blutwellen hervorgerufene
Bewegung eine Störung verurſachen würde. Es zeigt alle Geräuſche innerhalb der Gefäße
an und bei einiger Uebung kann man es dahin bringen, den Unterſchied im Rhythmus der
Athemzüge wahrzunehmen.


Zur Unterſuchung von Adern, an welche man das beſchriebene Inſtrument nicht
anlegen kann, verwendet man das Uebertragungsmikrophon. Bei dieſem iſt das eine
Kohlenſtück C' (Fig. 731) nach Marey’s Angabe auf einer Trommel angebracht, deren
Membrane T aus gut präparirter Schweinsblaſe hergeſtellt wird. Die Trommel ſteht durch

Figure 736. Fig. 732.

Audiometer.


ein Kautſchukrohr N mit dem kleinen Elfenbein- oder Horntrichter B in Verbindung, welcher
auf die zu unterſuchende Ader mit leichtem Drucke aufgeſetzt wird. Um fremde Geräuſche
ſicher zu vermeiden, bringt man wohl auch noch in dieſem Trichter eine Membrane an,
welche dann mit einem Unterſuchungsknopfe verſehen wird (Längsſchnitt A) Die Innigkeit
des Contactes zwiſchen den beiden Kohlenſtücken C C' wird hier nicht durch eine Papierfeder
bewirkt, ſondern durch folgendes von d’Arſonval angegebene Mittel: Die Kohle C trägt auf
ihrer Oberſeite eine kleine Stahlnadel und die Schraube M iſt eine magnetiſche Stahlſpindel;
ſonach wird die Druckregulirung durch die magnetiſche Anziehungskraft bewerkſtelligt. Gaiffe
hat das ganze Inſtrumentchen in einen Kaſten eingeſchloſſen, der auch die Batterie p enthält.


Ein außerordentlich empfindliches Inſtrument für eine Reihe von Unterſuchungen bildet
das Audiometer oder Sonometer, Fig. 732. Auf zwei verticalen Ständern iſt ein mit
Theilung verſehener Stab horizontal befeſtigt. Dieſer trägt als Axe die beiden unbeweglichen
Inductionsrollen a c und die verſchiebbare Rolle b. Während jedoch die Rolle a eine größere
Anzahl von Drahtwindungen beſitzt, ſind auf der Rolle c nur wenige Windungen angebracht.
Die Drahtenden der Spulen a und c ſind mit den Drähten eines Mikrophones in Verbindung
geſetzt und dabei derart geſchaltet, daß die die Spule a umkreiſenden Ströme eine entgegen-
geſetzte Inductionswirkung auf die Spule b ausüben, wie die Ströme in c. Die Inductions-
ſpule b ſteht mit einem Telephone in Verbindung.


Werden alſo in irgend einer Art, z. B. durch den Schlag einer Uhr undulirende
Ströme in die Spulen a und c geſandt, ſo üben beide auf b Inductionswirkungen aus;
[969]a wird hierbei kräftiger wirken als c wegen der bedeutend größeren Windungsanzahl. Da
nun die Inductionswirkungen von a jenen von b entgegengeſetzt ſind, ſo werden ſie ſich
gegenſeitig ſchwächen müſſen, und zwar deſto mehr, je näher die Spule b an c (mit wenig
Drahtwindungen) gebracht wird. Die Inductionswirkungen in b reproduciren im Telephone
den Uhrſchlag, welchen man alſo im allgemeinen hören wird. Hingegen iſt es einleuchtend,
daß man durch Verſchieben der Spule b auf eine Stellung kommen muß, wo ſich die von
a und c her ausgeübten Inductionswirkungen das Gleichgewicht halten und daher das Telephon
ſtumm wird. Dieſe Stellung der Spule b iſt dann die Nullſtellung auf dem getheilten
Stabe. Dieſe wird offenbar deſto näher an der Spule c gefunden werden, je feiner das
Gehör jener Perſon iſt, welche das Telephon benützt. Auch wird der Nullpunkt deſto ſicherer
immer auf demſelben Theilſtriche des Stabes gefunden werden, je empfindlicher das Ohr
der betreffenden Perſon iſt.


Unterſucht man in dieſer Weiſe eine größere Anzahl von verſchiedenen Perſonen, z. B.
50, ſo bekommt man eine Scala, deren Nullpunkt ein außergewöhnlich feines Gehör und
deren Endpunkt nahezu vollſtändige Taubheit anzeigt. Hughes und Richardſon haben in
dieſer Weiſe zahlreiche, ſehr intereſſante Unterſuchungen durchgeführt und dabei gefunden,
daß z. B. durch Einhalten des Athems die Empfindlichkeit des Gehöres vorübergehend erhöht
wird, daß Krankheiten auch anderer Organe als des Gehöres die Empfindlichkeit bedeutend

Figure 737. Fig. 733.

Inductionswage.


vermindern, das letztere ſinkt, wenn der Luftdruck abnimmt u. ſ. w; das Inſtrument geſtattet,
das Ohr ebenſo zu unterſuchen, wie man durch Pulsfühlen den Pulsgang beobachten kann.


Das Sonometer kann auch zu Widerſtandsmeſſungen verwendet werden. Zu dieſem
Behufe macht man die beiden Spulen a und c einander vollkommen gleich, läßt den von
der Batterie kommenden Strom ſich theilen, ſo daß der eine Zweigſtrom durch a, der andere
durch c fließt, und ſucht dann jene Stellung der Spule b, bei welcher das Telephon ſtumm
wird. Man findet ſie beiläufig in der Mitte zwiſchen den Spulen a und c. Es iſt nun
klar, daß jede Veränderung des Widerſtandes in dem einen oder andern Stromzweige
ſofort wieder ein Geräuſch im Telephone hören läßt, welches erſt dann abermals verſchwindet,
wenn man die Stellung der Spule b entſprechend verändert. Sind es nun bekannte Wider-
ſtände, die man der Reihe nach einander einführt, ſo kann man durch Markiren der jedes-
maligen Stellung der Spule b, für welche das Telephon ſtumm wird, eine ganze Widerſtands-
Scala erhalten. Bringt man hierauf einen unbekannten Widerſtand an derſelben Stelle in
den Schließungsbogen, ſo wird die Einſtellung der Spule b auf Stummwerden des Telephones
durch ihre Stellung auf der Scala die Größe des zu meſſenden Widerſtandes anzeigen.


Das Sonometer kann auch benützt werden, um die Bedingungen einer guten Conſtruc-
tion des Telephones zu unterſuchen. Wird dies beabſichtigt, ſo ſchaltet man das Telephon in
die bewegliche Spule ein und ſucht für letztere die Nullſtellung. Dann verändert man die
Dispoſitionen im Telephone, alſo z. B. die Stellung und Größe des Magnetes, die Dicke der
[970] Membrane, die Größe des Schallbechers, den Reſonanzraum u. ſ. w. und ſucht immer
wieder die Nullſtellung für die bewegliche Spule. Es wird ſich dann natürlich jene Conſtruc-
tion des Telephones als beſte herausſtellen, bei welcher es ſich am Sonometer am empfind-
lichſten erweiſt. Das Verfahren iſt dasſelbe wie bei der Prüfung auf Empfindlichkeit des
Gehöres verſchiėdener Perſonen; nur tritt bei Prüfung der Telephone ein Wechſel dieſer ſtatt
eines ſolchen von Perſonen ein.


Auf demſelben Principe wie das Sonometer beruht auch die Inductionswage,
welche in Fig. 733 ſchematiſch dargeſtellt iſt. Gewiſſermaßen die Wagſchalen derſelben ſtellen
zwei Cylinder aus Ebonit von 10 Centimeter Höhe und 3 Centimeter Durchmeſſer dar, auf
welche je zwei Drahtſpulen aufgeſetzt ſind. Jede der letzteren beſteht aus ungefähr 150 Win-
dungen ſeidenumſponnenen Kupferdrahtes. Die Entfernung zweier Spulen eines Cylinders
voneinander beträgt ½ Centimeter. Bei der durch die Figur dargeſtellten Anordnung ſind
die beiden oberen Spulen mit einer galvaniſchen Batterie, einem Mikrophone und einer
Buſſole zu einem, die beiden unteren Spulen und ein Telephon zu einem zweiten Strom-
kreiſe vereinigt. Die beiden unteren Spulen ſind aber einander entgegengeſetzt geſchaltet, ſo
daß alſo in ihnen erregte Inductionsſtröme ſich einander entgegenwirken. Bei gleicher
Wirkſamkeit beider Spulen wird man daher im Telephone kein Geräuſch hören; dies iſt

Figure 738. Fig. 734.

Submariner Finder.


auch die Dispoſition, welche der Apparat zu den Verſuchen erhalten
muß. Er bildet dann ein außerordentlich empfindliches Inſtrument
zur Unterſuchung molecularer Veränderungen der Körper. Bringt
man z. B. in einen der Cylinder, in die Mitte zwiſchen ſeine
beiden Drahtſpulen, eine Münze, ſo wird hierdurch das Gleichgewicht
ſofort geſtört und das Telephon kommt zum Tönen. Es kann wieder
ſtumm gemacht werden durch Veränderung der Stellung der beweg-
lichen Spule auf dem zweiten Cylinder oder durch ein anderweitiges
Compenſationsverfahren; bringt man an Stelle dieſer Münze eine
zweite Münze, ſo wird der vorhin hergeſtellte Gleichgewichtszuſtand
nur dann erhalten bleiben, wenn die zweite Münze dieſelbe Form,
dasſelbe Gewicht und dieſelbe chemiſche Zuſammenſetzung beſitzt wie
die erſtbenützte. Iſt dies nicht der Fall, ſo erfordert die Herſtellung
des Gleichgewichtes eine andere Regulirung als bei dem erſten Ver-
ſuche. Man unterſuchte in dieſer Weiſe z. B. die Metalllegirungen,
indem man ſie alle in Plättchen von gleichem Durchmeſſer und
gleicher Dicke brachte, dann nacheinander in den einen Cylinder der
Wage einführte und jedesmal das Gleichgewicht herſtellte, d. h. das
Telephon ſtumm machte. Die Meſſungen der relativen Werthe dieſer
Gleichgewichte wurde durch Einſchaltung eines Sonometers in den
Telephonſtromkreis in der vorhin angegebenen Art oder nach einem
andern Compenſationsverfahren ausgeführt.*) Auch für ein und
dasſelbe Metall ergaben ſich bei dieſen Verſuchen verſchiedene Werthe,
wenn die phyſikaliſche Beſchaffenheit desſelben geändert wurde, alſo
z. B. für geſchmiedetes, gegoſſenes oder gewalztes Eiſen u. ſ. w.


Man erſieht hieraus bereits, daß die Inductionswage ein ſehr ſchätzenswerthes
Inſtrument zum Studium molecularer Zuſtände der Körper darſtellt. Die Inductionswage
iſt aber auch verſchiedener praktiſcher Anwendungen fähig, wie z. B. zur Auffindung von
Erzlagern, zur Entdeckung von Torpedos oder anderen Metallgegenſtänden im Meere, von
Projectilen im menſchlichen Körper, zur Beſtimmung der Torſion von Maſchinenwellen u. ſ. w.


Mac Evoy’s ſubmariner Finder, beſtimmt zur Auffindung von Torpedos,
verlorener Anker, eiſerner Schiffe, überhaupt von Metallgegenſtänden auf dem Meeresgrunde,
iſt auch nur eine Inductionswage in etwas veränderter Anordnung. P P' (Fig. 734) ſind die
in den primären Stromkreis geſchalteten Spulen, B ſtellt die Batterie und J einen Inter-
ruptor dar. Die einander entgegengeſchalteten ſecundären Spiralen S S' ſtehen mit dem
Telephone F in Verbindung. Werden durch das Spiel des Interruptors J raſch aufeinander
folgende Stromimpulſe durch die Spulen P P' geſandt, ſo erregen dieſe in den Spulen S S'
Inductionsſtröme; dieſe in entgegengeſetzter Richtung auf das Telephon wirkenden Inductions-
ſtröme werden ſich vollkommen aufheben, d. h. das Telephon ſtumm machen, wenn die Größe
[971] und gegenſeitige Stellung der Spulen entſprechend regulirt iſt. Nähert man dann das
Spulenpaar P' S' einer Metallmaſſe, ſo wird das Gleichgewicht ſofort geſtört und das Tele-
phon verräth durch Tönen die Anweſenheit eines Metalles, alſo z. B. den Ort, an welchem
ſich ein Torpedo befindet.


Auch als elektriſche Kugelſonde hat die Inductionswage in verſchiedenen Formen An-
wendung gefunden. Hughes macht zu dieſem Zwecke das eine Spulenpaar beweglich und führt
dieſes, nachdem der Gleichgewichtszuſtand ſorgfältig hergeſtellt worden iſt, über jene Stellen des
Körpers, in welche das Projectil eingedrungen iſt. Sowie man in die Nähe des Projectiles
kommt, tönt das Telephon. Man kann dann durch Herumführen der Spulen nach verſchiedenen
Richtungen jene Stelle ausfindig machen, an welcher ſich die Spulen dem Projectile am
nächſten befinden, weil dort das Telephon am lauteſten tönt. Die Inductionswage geſtattet
aber auch die Tiefe ausfindig zu machen, in welcher das Projectil ſitzt. Man erhält nämlich
die Spulen an jener Stelle, für welche das Telephon am lauteſten tönt und bringt dieſes
dadurch zum Schweigen, daß man der fixen Inductionsſpule ein Bleiſtück nähert, welches
jenem gleich iſt, das man in der Wunde vermuthet. Hat man nämlich durch vorſichtiges
Annähern dieſes Bleiſtückes die gleiche Entfernung desſelben von der fixen Inductionsſpule
erreicht, als das Projectil von der auf den Körper aufgelegten Spule beſitzt, ſo iſt das
Gleichgewicht wieder hergeſtellt, alſo das Telephon zum Schweigen gebracht. Die Abmeſſung
der Entfernung des Verſuchsprojectiles von der fixen Spule giebt dann die Tiefe, bis zu
welcher die Kugel in den Körper eingedrungen iſt.


Radiophon, Telephot und Phonograph.

Berzelius entdeckte im Jahre 1817 das Selen, einen Körper, der bezüglich
ſeines chemiſchen und phyſikaliſchen Verhaltens dem Schwefel und Tellur naheſteht.
Das Selen kann in verſchiedenen Modificationen erhalten werden; es ſtellt ein
rothes Pulver dar, wenn man es aus ſeinen Verbindungen durch reducirende
Körper fällt, es kryſtalliſirt in dunkelrothen Prismen, wenn man es aus einer
Schwefelkohlenſtofflöſung kryſtalliſiren läßt; geſchmolzen und raſch abgekühlt ſtellt
es eine amorphe Maſſe dar. Sowohl das kryſtalliſirte als auch das amorphe
Selen geht in eine kryſtalliniſche, bleigraue Maſſe über, wenn man es längere
Zeit auf 100 Grad erhitzt. Knox wies bereits im Jahre 1837 die Leitungsfähigkeit
geſchmolzenen Selens für elektriſche Ströme nach und Hittorf beobachtete dieſe
auch bei gewöhnlicher Temperatur, wenn das Selen in der kryſtalliniſchen Modi-
ſication unterſucht wurde. May fand endlich, daß die Leitungsfähigkeit des Selens
durch den Einfluß des Lichtes bedeutend verändert wird. Dieſe Beobachtung wurde
im Jahre 1873 von Willoughby-Smith im Vereine der Telegraphen-Ingenieure
zu London mitgetheilt und erregte ein umſo größeres Intereſſe, als ein derartiges
Verhalten ausſchließlich auf das Selen beſchränkt erſcheint. Zahlreiche Forſcher,
wie Willoughby-Smith, Draper, Sabine, Bell, Werner Siemens u. ſ. w., befaßten
ſich hierauf mit dem Studium dieſer intereſſanten Erſcheinung; während nun aber
die meiſten Forſcher hierzu das Galvanometer anwandten, verfolgte Bell die
Widerſtandsänderungen mit dem Telephon und gelangte hierdurch zu Conſtruction
des Photophones.


Da das Selen dem Durchgange des elektriſchen Stromes einen außer-
gewöhnlich großen Widerſtand entgegenſetzt, können nur ſehr dünne Schichten
in einen Schließungsbogen geſchaltet werden, wenn das Telephon noch verwendbar
bleiben ſoll. (Der Widerſtand der Inductionsſpule im Telephone muß bekanntlich
dem Widerſtande des Stromkreiſes angepaßt werden.) Andererſeits mußte aber die
Selen-Oberfläche verhältnißmäßig groß genommen werden, um eine hinreichend
kräftige Einwirkung des Lichtes zu ermöglichen. Bell und ſein Mitarbeiter
Tainter richteten daher ihre Beſtrebungen darauf, ein Präparat herzuſtellen,
[972] welches dieſen ſcheinbar einander widerſprechenden Bedingungen Genüge leiſtet,
d. h. ſie ſuchten eine möglichſt empfindliche Selenzelle zu erhalten. Bell theilt
in ſeinem erſten Memoire über dieſen Gegenſtand mit, daß er über 50 Formen
von Selenzellen conſtruirt und mit dieſen experimentirt habe.


Eine ſolche Selenzelle iſt in Fig. 735 ſchematiſch und durch Fig. 736 im
Schnitte, in natürlicher Größe (nach Hoſpitalier, „La physique moderne”) dar-
geſtellt. Sie beſteht aus einer größeren Anzahl von Meſſingſcheiben (1 … 10,
Fig. 735), welche durch Zwiſchenlegung von Glimmerſcheiben (in der Figur die
weißgelaſſenen Streifen) voneinander iſolirt ſind. Da die Glimmerſcheiben einen

Figure 739. Fig. 735.

Selenzelle.


Figure 740. Fig. 736.

Bell’s Selenzelle.


etwas geringeren Durchmeſſer erhalten als die Meſſingſcheiben, ſo entſteht zwiſchen
je zwei aufeinander folgenden Meſſingſcheiben ein ringförmiger Raum; dieſer iſt
zur Aufnahme des Selens beſtimmt. Die ganze Säule wird nämlich nahe bis zu
jener Temperatur erhitzt, bei welcher das Selen ſchmilzt, und dann mit einem
Selenſtäbchen eingerieben. Bei dieſer Operation dringt das Selen in die ring-
förmigen Räume ein und füllt dieſe aus (in den Figuren als ſchwarze Flächen
ſichtbar). Indem nun die paaren Meſſingſcheiben mit einem Leiter N, die unpaaren
mit einem zweiten Leiter M verbunden werden, erhält man in der Selenzelle eine
beſtimmte Anzahl parallel geſchalteter Selenelemente, alſo eine Säule von geringem
Widerſtande trotz ihrer großen Oberfläche. Eine derartige Selenzelle Bell’s beſaß
z. B. 1200 Ohms Widerſtand im Dunkeln und nur 600 Ohms im Tageslichte.


[973]

Die Form, welche Mercadier ſeiner ſehr empfindlichen Selenelementen gab,
veranſchaulicht die ſchematiſche Fig. 737. Hierzu werden zwei ſehr dünne Meſſing-
bänder a und b (von 0·1 Millimeter Dicke) benützt, von welchen das erſtere durch
die gezogene, das letztere durch die punktirte Linie dargeſtellt iſt; man erhält dieſe
durch Zwiſchenlage von zwei Streifen Pergamentpapier gleicher Breite (und un-
gefähr 1 Millimeter Dicke) voneinander getrennt und windet alle vier Streifen mit
möglichſt ſtarker Preſſung zu einer Spirale. (Die Papierſtreifen hat man ſich durch
die weißen Zwiſchenräume zwiſchen a und b dargeſtellt zu denken.) Hierauf wird
das Ende des Meſſingbandes a mit der Meſſingplatte d d und der Streifen b
mit der Meſſingplatte c c verbunden, ſo daß alſo mit der einen Meſſingplatte
gewiſſermaßen alle paaren, mit der andern alle unpaaren Spiralen in Verbindung
ſtehen. Die ganze Spirale wird dann durch die Schrauben n n zwiſchen Meſſing-
oder auch Holzſchienen eingepreßt; im erſteren Falle müſſen die Schrauben von
den Schienen iſolirt werden. Die Klemmſchraube A ſteht mit der Meſſingplatte c c,
die Schraube B mit der Platte d d in leitender Verbindung. Der ſo erhaltene
Block wird hierauf an ſeiner
Stirnſeite polirt und mit Hilfe
eines Galvanometers unterſucht,
ob die beiden Meſſingſpiralen in
ihrer ganzen Länge voneinander
iſolirt ſind. Iſt dies der Fall,
ſo erwärmt man den Block in
einem Sandbade oder auf einer
Kupferplatte, bis ſeine Tem-
peratur den Schmelzpunkt des
Selens nahezu erreicht hat, und
reibt dann eine Stirnſeite mit
einem Selenſtäbchen ab. Man
ſucht hierbei das Selen in mög-
lichſt dünner Schichte aufzutragen
und läßt hierauf den ganzen Block
langſam abkühlen. Um die Selen-

Figure 741. Fig. 737.

Mercadier’s Selenzelle.


fläche zu ſchützen, bedeckt man ſie mit einer dünnen Glimmerplatte oder verſieht
ſie mit einem Lackanſtriche.


Soll aber das Telephon ein wirkſames und empfindliches Unterſuchungs-
Inſtrument für die Widerſtandsänderungen im Selen bilden, ſo müſſen raſch inter-
mittirende oder in ihrer Intenſität wechſelnde Ströme auf erſteres wirken, da
allmählich eintretende Aenderungen ebenſo wenig auf das Telephon wirken wie auf
die ſecundäre Spirale einer Inductionsrolle. Es iſt deshalb nothwendig, für einen
raſchen Wechſel des Widerſtandes im Selen zu ſorgen, d. h. die Selenzelle einer
raſch intermittirenden Beleuchtung auszuſetzen. Solche intermittirende Lichtſtrahlen
können auf verſchiedene Weiſe erhalten werden; eine derſelben beſteht darin, daß
man den Lichtſtrahlen auf ihrem Wege zur Selenzelle eine undurchſichtige Scheibe
in den Weg ſtellt, welche an ihrem Umfange mit Oeffnungen verſehen iſt und in
beliebig raſche Rotation verſetzt werden kann. Auf dieſe Art erreicht man eine
regelmäßige, beliebig ſchnelle Aufeinanderfolge von Beleuchtungen und Verdunkelungen
der Selenzelle. Iſt nun dieſe mit einer Batterie und einem Telephone zu einem
Stromkreis vereinigt, ſo hört man im Telephone einen Ton, deſſen Höhe durch
[974] die Zahl der Lichtintermittenzen in der Zeiteinheit beſtimmt iſt. Es iſt klar, daß
dieſes Reſultat jederzeit erreicht werden muß, wie weit auch der Lichtſender von
dem Empfangsapparate, der Selenzelle mit ihrem Stromkreiſe, entfernt iſt, wenn
nur die Bedingung erfüllt wird, daß die intermittirenden Lichtſtrahlen auf die
Selenzelle gelangen.


Bell und Tainter hatten bei ihren Verſuchen den Empfangsapparat 213 Meter
von dem Sender entfernt aufgeſtellt; es hindert jedoch nichts, bei Anwendung
einer hinlänglich kräftigen Lichtquelle dieſe Entfernung bedeutend zu vergrößern.
Der Apparat in der angegebenen Ordnung geſtattet bereits eine Correſpondenz
zwiſchen zwei voneinander entfernten Orten, ohne daß dieſe durch eine Leitung
verbunden ſind. Man kann nämlich aus kurz und lange andauernden Tönen ein
Alphabet in derſelben Weiſe zuſammenſetzen, wie ein ſolches beim Morſe-Apparat
aus Strichen und Punkten gebildet wird. Eine einfache Vorrichtung, die dies
geſtattet, zeigt Fig. 738. Die an ihrer Peripherie durchbohrte Scheibe S wird in
gleichmäßige Rotation verſetzt und verwandelt hierdurch die ſie durchſetzenden

Figure 742. Fig. 738.

Photophon-Geber.


Lichtſtrahlen in intermittirende, welche
durch die in der Selenzelle hervor-
gerufenen Widerſtandsänderungen das
Telephon der Empfangsſtation zum
Tönen bringen. Man kann nun offen-
bar das Tönen ſo oft und ſo lange
unterbrechen, als man die Lochreihe
in der Scheibe S verdeckt und dadurch
die Lichtſtrahlen verhindert, die Scheibe
zu paſſiren. Um die Hervorrufung einer
beſtimmten Aufeinanderfolge von kurz
und lange andauernden Tönen in
bequemer Weiſe zu ermöglichen, iſt auf
dem Geſtelle der Scheibe ein Taſter T
angebracht, der ſich um L dreht und
mit einer zeigerartigen Verlängerung L l verſehen iſt. Das Ende des Zeigers bei l
verdeckt, wenn der Taſter ruht, d. h. an der oberen Schraube V anliegt, gerade
jene Oeffnung der Scheibe, welche der Lichtquelle gegenüberliegt, und hindert
ſomit den Durchgang der Lichtſtrahlen. Wird jedoch der Taſter niedergedrückt, ſo
bewegt ſich der Zeiger nach links und die Lichtſtrahlen können die Scheibe un-
gehindert paſſiren, ſo oft eine Oeffnung der Lichtquelle gegenüberkommt. Man hat
es alſo durch länger oder kürzer andauerndes Niederdrücken des Taſters in der
Hand, länger oder kürzer dauernde Töne im Telephon der Empfangsſtation hervor-
zurufen. Die Fähigkeit des geſchilderten Apparates, Schall mit Hilfe eines gewöhn-
lichen Lichtſtrahles erzeugen und wiedergeben zu können, veranlaßte Bell, hiefür
die Bezeichnung „Photophon“ zu wählen.


Das Photophon erwies ſich aber nicht nur zur Uebertragung von Tönen
geeignet, ſondern ermöglicht auch die Uebertragung des geſprochenen Wortes. Das
erreichte Bell dadurch, daß er das Licht, welches ein Spiegel zurückwirft, in Schwin-
gungen verſetzt, welche denjenigen entſprechen, die durch das Sprechen in einer
Membrane hervorgerufen werden. Bell benützt als Membrane oder Diaphragma
ein dünnes Glimmer- oder Glasplättchen (Deckgläschen für mikroſkopiſche Präparate)
und befeſtigt dieſes in einer mit Schallbecher verſehenen Faſſung; da dieſes Plättchen
[975] verſilbert iſt, dient es gleichzeitig als Spiegel. Der photophoniſche Apparat erhält
dann die durch die ſchematiſche Fig. 739 dargeſtellte Anordnung. M iſt ein Spiegel,
welcher die Lichtſtrahlen (der Sonne, einer elektriſchen Lampe u. ſ. w.) auf das
Diaphragma D wirft, von welchem ſie in die durch den Pfeil angedeutete Richtung
reflectirt werden, wobei die Linſen L1 und L2 zur Concentrirung der Strahlen
dienen. In der Empfangsſtation fallen die Lichtſtrahlen auf einen paraboliſchen
Hohlſpiegel R und werden durch dieſen auf die Selenzelle P geworfen, welche in
den Stromkreis der Batterie B und des Telephons T geſchaltet iſt. Spricht man
nun in den Schalltrichter O, ſo geräth das ſpiegelnde Diaphragma D in Schwin-

Figure 743. Fig. 739.

Photophon.


Figure 744. Fig. 740.

Photophon-Geber.


gungen und theilt dieſe den Lichtſtrahlen mit. Hierdurch wird die Selenzelle P
einem Wechſel der Beleuchtung ausgeſetzt, welcher den Schallſchwingungen entſpricht,
ſomit wird der Widerſtand der Selenzelle und folglich auch die Stromſtärke dem-
entſprechend geändert. Die Membrane des Telephons macht daher dieſelben Schwin-
gungen wie das Diaphragma D, d. h. das Telephon giebt die gegen D geſprochenen
Worte wieder.


In Fig. 740 iſt der Sender in perſpectiviſcher Anſicht dargeſtellt. Die auf
den Spiegel M auffallenden Lichtſtrahlen werden reflectirt, durch die Linſe L1
geſammelt und auf das ſpiegelnde Diaphragma D geleitet; von hier aus gelangen
ſie durch die Linſe L2 in die Empfangsſtation.


[976]

Bell’s Verſuche und Publicationen über das Photophon gaben Anlaß zu
ausgedehnten Unterſuchungen von Seite verſchiedener Forſcher. Hierbei ſtellte es ſich
heraus, daß die Schallübertragung auch ohne Anwendung von Selenzellen und
galvaniſchen Batterien möglich ſei und daß nichtleuchtende Wärmeſtrahlen ſchall-
erregend wirken können. Das letzterwähnte Ergebniß veranlaßte Mercadier für
Photophon die Bezeichnung Radiophon vorzuſchlagen. Bei dieſem dient eine dünne
Platte aus irgend einem Materiale als Empfänger; die von dieſer Platte erzeugten
Töne werden durch ein Hörrohr dem Ohre übermittelt. Den Tongeber änderte
Mercadier in der Weiſe ab, daß er die an ihrem Rande durchlöcherte Scheibe
durch eine ſolide Glasſcheibe erſetzte, welche mit ſchwarzem Papier überklebt wurde;
in dieſem waren in concentriſchen Kreiſen die Oeffnungen ausgeſchnitten. Hierdurch
wurden jene Geräuſche vermieden, welche bei der Anordnung Bell’s durch die
Reibung der Luft in den Löchern entſtanden. Es ſtellte ſich nun bald heraus, daß
die Empfängerplatten durch die intermittirenden Lichtſtrahlen nicht in transverſale
Schwingungen verſetzt werden, alſo derart ſchwingen wie gewöhnliche tönende
Platten. So giebt z. B. eine und dieſelbe Platte die tiefſten wie die höchſten Töne
gleich gut; die Dicke und Breite der Platte hat keinen Einfluß auf die Tonhöhe
oder auf die Klangfarbe; treffen mehrere mit verſchiedener Geſchwindigkeit inter-
mittirende Lichtſtrahlen die Platte, ſo giebt dieſe ganze Accorde. Auch die Ver-
ſchiedenheit der Stoffe, aus welchen die Platten hergeſtellt werden, bleibt dies-
bezüglich ohne Einfluß; wohl aber wird hierdurch die Intenſität des Tones
geändert.


Hingegen machte ſich eine Veränderung der Oberfläche ſehr ſtark geltend;
jede Veränderung, welche das Reflexionsvermögen beeinflußte, änderte auch die
Intenſität des Tones, ſo zwar, daß geritzte oder oxydirte Flächen ſich beſonders
günſtig erwieſen, während eine verſilberte Glastafel gar keinen Ton hören ließ.
Im Allgemeinen zeigten ſich jene Platten am wirkſamſten, welche die Strahlen
ſtark abſorbiren, aber wenig reflectiren. So wurden beſonders gute Reſultate bei
Anwendung von Platten erzielt, deren Oberfläche man mit chineſiſcher Tuſche,
Platinſchwarz oder Ruß überzogen hatte. Papier, welches im gewöhnlichen Zuſtande
keine Töne hören läßt, tönt ganz deutlich, wenn man die beſtrahlte Fläche berußt.
Einen ſehr empfindlichen Empfänger erhält man dadurch, daß man ein Glimmer-
plättchen mit Ruß überzieht.


Die außergewöhnliche Empfindlichkeit berußter Flächen brachte auch Tainter
auf den Gedanken, in der Selenzelle das Selen durch Ruß zu erſetzen. Zu dieſem
Behufe iſt auf einer Glasplatte P (Fig. 741) Silber niedergeſchlagen und dann
dieſer Niederſchlag theilweiſe wieder entfernt, ſo daß die ſilberfreien Stellen eine
Zickzacklinie Z Z bilden. Letztere füllt man mit Ruß aus und erhält dadurch einen
Silberbeleg, der durch den zickzackförmigen Rußſtreifen in zwei Theile getheilt iſt.
Die beiden Theile des Silberbeleges können dann durch die Klemmen K K mit
der Batterie und dem Telephone verbunden werden. Treffen auf eine ſolche Ruß-
zelle intermittirende Lichtſtrahlen auf, ſo rufen ſie im Telephone laute Töne hervor;
die Zelle kann auch zum Fernſprechen benützt werden.


Es iſt nun die Frage zu beantworten, in welcher Weiſe die oben geſchilderten
Erſcheinungen zu erklären ſind. Verwendet man eine Selenzelle, welche mit einem
Telephone in den Stromkreis einer Batterie geſchaltet iſt, ſo ändern die auf die
Selenzellen auffallenden Lichtſtrahlen das Leitungsvermögen des Selens in einer
der Intermittenz der Strahlen entſprechenden Weiſe. Es muß ſich folglich auch die
[977] Stromſtärke in dieſer Weiſe ändern und daher wird das Telephon ertönen,
beziehungsweiſe die gegen die Senderplatte geſprochenen Worte wiedergeben müſſen.
Bei Anwendung der Selenzelle iſt es alſo thatſächlich die Wirkung des Lichtes,
welche das Tönen veranlaßt. Anders verhält es ſich aber, wenn als Empfänger
eine einfache, mit Hörrohr verſehene Platte, z. B. eine berußte Glimmerplatte
benützt wird. Hier kommt weder ein Batterieſtrom noch ein Telephon zur Anwen-
dung, hier iſt die beſtrahlte Fläche des Empfängers nicht das Mittel, um einen
zweiten Apparat (das Telephon) zum Tönen zu bringen, ſondern ſie ſelbſt giebt
den Ton. Eine Wirkung des Lichtes in der Art wie bei der Selenzelle kann
alſo bei dem berußten Glimmerplättchen nicht eintreten. Dies veranlaßte verſchiedene
Forſcher, zu unterſuchen, welche Beſtandtheile des
Lichtſtrahles überhaupt auf die Platte wirken, ob
dies namentlich die Lichtſtrahlen oder die Wärme-
ſtrahlen ſind. Man ließ zu dieſem Behufe die
intermittirenden Strahlen eine Löſung von Jod in
Schwefelkohlenſtoff paſſiren, eine Flüſſigkeit, welche
die Eigenſchaft beſitzt, die leuchtenden Strahlen zu
abſorbiren, die dunklen Wärmeſtrahlen aber durch-
zulaſſen. Es zeigte ſich hierbei, daß durch Ein-
ſchalten der Jodlöſung das Tönen der Platte nicht
beeinflußt wird. Die Platte gab jedoch keinen Ton,
wenn man an Stelle der Jodlöſung eine Alaun-
löſung einſchaltete. Von dieſer iſt bekannt, daß ſie
die Lichtſtrahlen paſſiren läßt, hingegen die Wärme-
ſtrahlen abſorbirt.


Mercadier benützte als Lichtquelle zur
Erzeugung der intermittirenden Strahlen eine zur
Rothgluth erhitzte Kupferplatte und brachte hier-
durch den Empfänger gleichfalls zum Tönen. Dann
ließ er die Kupferplatte langſam abkühlen, ſo daß
ſie im verdunkelten Zimmer nicht mehr zu ſehen
war, d. h. alſo keine leuchtenden Strahlen mehr
ausſandte; das Tönen des Empfängers blieb trotz-
dem noch hörbar. Aus dieſem und den vorerwähnten
Verſuchen folgt daher, daß man nicht den leuchtenden,
ſondern den Wärmeſtrahlen die Wirkung zuzuſchreiben
hat. Dies hat Mercadier auch in exacter Weiſe

Figure 745. Fig. 741.

Rußzelle.


dadurch gezeigt, daß er die intermittirenden Lichtſtrahlen durch das Prisma in
ſeine Beſtandtheile zerlegte (vergl. Seite 717) und das ſo erhaltene Spectrum
durch einen Empfänger unterſuchte, deſſen Platte bis auf eine ſchmale Spalte
durch eine Blendung verdeckt war. In dieſer Weiſe wurden die einzelnen Theile
des intermittirenden Lichtſtrahles der Reihe nach geprüft und hierbei ergab ſich
dasſelbe Reſultat.


Hiermit iſt nun allerdings bewieſen, daß es die Wärmeſtrahlen ſind, welche
die Empfängerplatte zu Schwingungen veranlaſſen, doch bleibt noch immerhin die
Frage offen, welcher Art dieſe Schwingungen der Platte ſeien. Daß die Empfänger-
platte nicht zu Transverſalſchwingungen veranlaßt wird, wie ſie gewöhnliche
tönende Platten ausführen, wurde bereits gezeigt (Seite 976). Bell gelangte
Urbanitzky: Elektricität. 62
[978] daher zu nachſtehender Erklärung. Trifft der intermittirende Strahl auf die
Empfängerplatte, z. B. auf Lampenruß, ſo werden die Theilchen desſelben erwärmt
und ausgedehnt, folglich die mit Luft erfüllten Zwiſchenräume verkleinert; umgekehrt
kühlen ſich die Theilchen ab und vergrößern die Zwiſchenräume, wenn der Licht-
ſtrahl unterbrochen iſt. Die Luft muß alſo im erſten Falle ausgepreßt, im letzteren
Falle eingeſaugt werden. Die Vergrößerung der Zwiſchenräume bewirkt nämlich
eine Verdünnung der Luft in der Rußſchichte und veranlaßt dadurch ein Zuſtrömen
der umgebenden Luft. Dieſe beiden Wirkungen werden noch dadurch verſtärkt, daß
auch die Luft in den Zwiſchenräumen abwechſelnd erwärmt und wieder abgekühlt
wird, wodurch ſich auch ihr Volumen vergrößert oder verkleinert. Durch dieſes
Ausſtoßen und Einſaugen werden abwechſelnd Verdichtungs- und Verdünnungswellen
in der äußeren Luft erzeugt, welchen der beobachtete Ton ſeine Entſtehung verdankt.


Schon vor mehreren Jahren brachten amerikaniſche Zeitungen die Nachricht, daß das
Problem des „telegraphiſchen Sehens“ gelöſt ſei, d. h. daß es gelungen ſei, ein
Inſtrument, das Telephot, zu conſtruiren, durch welches einer z. B. in Wien weilenden
Perſon das Bild eines etwa in Paris ſtattfindenden Rennens vorgeführt wird. Sonach könnten

Figure 746. Fig. 742.

Telephote.


ſich zwei weit voneinander entfernte Perſonen durch das Telephon miteinander beſprechen und
gleichzeitig im Bilde ſehen. Thatſächlich iſt nun das Problem des ſogenannten telegraphiſchen
Sehens allerdings nichts weniger als gelöſt, aber immerhin iſt es einigen Forſchern gelungen,
zu zeigen, daß dieſes Problem nicht abſolut unlösbar iſt. Ohne auf alle diesbezüglichen
Vorſchläge näher einzugehen, möge hier nur mitgetheilt werden, in welcher Weiſe ſich John
Perry
in einem Vortrage hierüber ausſprach.


Man hat z. B. in York eine Selenzelle vor einer beſtimmten Stelle eines Bildes
und kann in London auf eine correſpondirende Stelle eines Schirmes ein kleines Lichtviereck
werfen; die Helligkeit dieſes Viereckes ſei regulirbar durch eine kleine, bewegliche Klappe, die
mit der Nadel eines Galvanometers verbunden iſt. Wenn nun Licht auf die Selenzelle in
York fällt, ſo fließt in Folge der momentanen Veränderung des Selenwiderſtandes ein ſtärkerer
elektriſcher Strom nach London und dieſer öffnet die Klappe. Das Viereck in London wird
alſo hell, wenn das Selen in York hell beleuchtet wird. Iſt letzteres dunkel oder im Schatten,
ſo ſieht man auch das Viereck in London entſprechend beſchattet oder verdunkelt. Entwirft
man nun in York z. B. das Bild eines Mädchens mit Springſchnur und läßt eine Selen-
zelle über dieſes Bild weggehen, während ſich in London ein Spiegel ſo bewegt, daß das
die Klappe paſſirende Licht iſochron (d. h. gleich ſchnell mit der Bewegung der Selenzelle)
über den Schirm wandert, dann wird, wenn die Selenzelle vor eine dunkle, halbdunkle oder
helle Stelle des Bildes in York kommt, die entſprechende Stelle des Schirmes in London
dunkel, halbdunkel oder hell erſcheinen. Nehmen wir nun an, daß die Bewegung hinlänglich
raſch geſchieht und daß die Klappe in ihren entſprechenden Bewegungen raſch genug folgt,
[979] ſo wird der Theil des Bildes in York in London getreulich reproducirt werden und auf der
Netzhaut des Auges ein Bild in Schwarz, Grau und Weiß, wie eine Photographie,
erzeugen. Die nacheinander auf verſchiedenen Stellen des Schirmes hervorgerufenen hellen
und halbdunkeln Stellen werden eben wegen ihrer raſchen Aufeinanderfolge vom Auge nicht
mehr getrennt, ſondern gleichzeitig wahrgenommen. Würden ſich nun etwa vierzig ſolche
Selenzellen gleichzeitig nebeneinander bewegen, ſo wäre es möglich, in London nicht nur
ein Bild zu entwerfen von einem Mädchen in York, ſondern ſogar von einem ſchnur-
ſpringenden Mädchen.


John Perry erläuterte dieſes Princip an dem in Fig. 742 dargeſtellten Modelle.
Durch eine Laterna magica L wird auf den Schirm S ein Bild projicirt, z. B. ein aus
hellen und dunklen Streifen zuſammengeſetztes Band. Ueber dieſes Bild kann mit Hilfe einer
Schnur die Selenzelle raſch hinwegbewegt werden; dieſelbe Schnur iſt mit ihrem
andern Ende an dem um b drehbaren Sector h b befeſtigt, ſo daß die Selenzelle
und dieſer Sector durch Anziehen an dem freien Ende der Schnur vollkommen gleichzeitig
(iſochron) bewegt werden. Im Drehpunkte des Sectors iſt auf einem kleinen
Träger der Spiegel a aufgeſetzt, während ihm der nach dem Radius h b gekrümmte Schirm s
gegenübergeſtellt wird. Die Lichtquelle c, deren Strahlen durch den Spiegel a auf den

Figure 747. Fig. 743.

Ediſon’s Phonograph.


Schirm s geworfen werden, hat eine eigenartige Einrichtung; die Lichtſtrahlen müſſen nämlich,
bevor ſie auf den Spiegel a gelangen, eine Art Galvanometer paſſiren, d. h. durch den
Hohlraum einer Drahtſpule gehen, in welcher eine kleine Magnetnadel ſchwingt. Auf dieſe
Magnetnadel iſt ein Schirm aus berußtem Aluminiumbleche, ein ſogenannter Verdunkler
befeſtigt, welcher ſich je nach der Stellung der Nadel quer oder parallel zur Längsrichtung
des Spulenhohlraumes ſtellt oder auch eine Mittellage einnimmt. Steht dieſer Verdunkler
quer im Spulenhohlraume, ſo verhindert er den Durchgang der Lichtſtrahlen vollkommen;
ſteht er parallel, ſo gehen faſt ſämmtliche Lichtſtrahlen ungehindert durch und eine Mittel-
ſtellung geſtattet einer mittleren Lichtmenge den Durchgang. Da die Drahtwindungen der
Spule mit der Selenzelle D in den Stromkreis einer Batterie eingeſchaltet ſind, ſo wird
die Stellung der Magnetnadel und ſomit auch die Stellung des Verdunklers von der
jeweiligen Stromſtärke abhängen. Der Verdunkler wird nun urſprünglich derart auf die
Magnetnadel aufgeſetzt, daß er ſich quer ſtellt, d. h. den Lichtſtrahlen den Weg gänzlich ver-
ſperrt, wenn der Strom ſeine geringſte Intenſität beſitzt. Die Stromſtärke wird bei dieſer
Einrichtung nur durch den veränderlichen Widerſtand der Selenzelle geändert und dieſe
ändert ihren Widerſtand nach Maßgabe ihrer Belichtung. Befindet ſich daher die Selenzelle
auf einem hellen Streifen des Schirmes S, ſo iſt ihr Widerſtand am geringſten, daher die
Stromſtärke am größten und der Verdunkler wird durch die Magnetnadel parallel zur Längs-
richtung des Spulenhohlraumes geſtellt. Die Strahlen der Lichtquelle gehen daher ungehindert
62*
[980] durch, treffen den Spiegel a und werden von dieſem auf den Schirm s reflectirt. Es entſteht
alſo hier ein heller Streifen. Bewegt man die Selenzelle bis zum nächſten hellen Streifen,
ſo erzeugt der Spiegel a in gleicher Weiſe abermals einen hellen Streifen auf dem Schirme s;
hierbei wird die Lage der hellen Streifen auf dem Schirme s jener auf dem Schirme S
entſprechen müſſen, weil die Selenzelle D und der auf h b befeſtigte Spiegel a in gleicher
Weiſe bewegt werden. So oft die Selenzelle auf einen dunklen Streifen gelangt, erreicht ihr
Widerſtand den höchſten Werth, daher die Stromſtärke in der Drahtſpule den niederſten. Der
Verdunkler ſtellt ſich dann quer zum Spulenhohlraume und läßt keine Lichtſtrahlen auf den
Spiegel a gelangen, weshalb auch der Schirm s dunkel bleibt.


Hieraus erſieht man, daß durch das Bewegen der Selenzelle D über das Bild auf
dem Schirme S hin entſprechende Lichtbilder auf entſprechenden Stellen des Schirmes s ent-
worfen werden. Man wird das getreue Bild des geſtreiften Bandes auf S auf dem Schirme s
wieder hervorrufen können, wenn man die Selenzelle ſo raſch bewegt, daß die nacheinander
erzeugten Lichtſtreifen auf s in kürzeren Pauſen aufeinander folgen, als welcher das menſchliche
Auge bedarf, nun die einzelnen Bilder getrennt wahrnehmen zu können. Dann erſcheint das
Bild des 2., 3., … hellen Streifens bereits auf dem Schirme, wenn der Eindruck des erſten
hellen Streifens auf das Auge noch nicht erloſchen iſt.


Befindet ſich alſo der Schirm S mit ſeiner Selenzelle in York, der Schirm s mit
einem Beleuchtungsapparate in London, ſo kann das in York durch die Laterna magica auf
dem Schirme S erzeugte Bild in London auf dem Schirme s geſehen werden. Es bedarf

Figure 748. Fig. 744.

Phonograph.


wohl kaum der Erwähnung, daß dann die ſynchrone Bewegung
des Spiegels a und der Selenzelle D durch andere Mittel als
die verbindende Schnur im beſprochenen Modelle bewirkt wird.
Hierzu könnte beiſpielsweiſe das phoniſche Rad (Seite 875) Ver-
wendung finden. Es iſt auch ſelbſtverſtändlich, daß zur Repro-
ducirung eines größeren Bildes, z. B. des eines ſchnurſpringenden
Mädchens, eine größere Anzahl von Selenzellen einerſeits und
eine dementſprechende Anzahl von Beleuchtungs-Apparaten anderer-
ſeits benützt werden müßte.


Wenn wir den Abſchnitt über Telephonie mit der Be-
ſchreibung des Phonographen, alſo eines Apparates abſchließen,
der nicht in das Gebiet der angewandten Elektricitätslehre fällt,
ſo geſchieht dies wegen der Verwandtſchaft dieſes Inſtrumentes
zum Telephone, ebenſo wie auch jene Radiophone, die weder der
Selenzelle noch des elektriſchen Stromes bedürfen, der Voll-
ſtändigkeit wegen nicht aus dem Kreiſe unſerer Betrachtungen
ausgeſchloſſen wurden.


Der Phonograph oder Tonſchreiber iſt eine Erfindung
Ediſon’s, wenngleich das Princip eines Inſtrumentes, welches
im Stande iſt, Worte, die durch einen dem Phonautographen ähnlichen Apparat regiſtrirt
wurden, hörbar wiederzugeben, ſchon im April 1877 von Charles Cros angegeben wurde.
Ediſon beſchrieb in einem Patente vom Juli 1877 zunächſt nur eine Methode, durch welche
die Zeichen des Morſe-Apparates derart erzeugt wurden, daß ſie eine automatiſche Wieder-
holung des Telegrammes ermöglichten. Bald darauf kam jedoch Ediſon auf den Gedanken,
ſeine Methode auch zum Regiſtriren und zur lauten Wiedergabe der Sprache zu verwenden
und im Januar 1878 wurde ſein Phonograph patentirt


Eine der Formen, welche Ediſon’s Phonograph erhielt, iſt in Fig. 743 in perſpectivi-
ſcher Anſicht und in Fig. 744 im Querſchnitte abgebildet. Der Meſſingcylinder A ſitzt auf
einer Welle auf, die einerſeits mit einer Kurbel, andererſeits mit einem ſchweren Schwungrade G
verſehen iſt, um hierdurch eine möglichſt gleichförmige Rotation des Cylinders zu ermöglichen.
In eine Hälfte der Axe und in den Meſſingcylinder ſind Schrauben eingeſchnitten, deren
Ganghöhen einander genau gleich ſind; da die Schraubenaxe in eine am Ständer befeſtigte
Schraubenmutter gelagert iſt, wird der Cylinder gleichzeitig mit ſeiner Rotation in der
Richtung der Cylinderaxe verſchoben. Am Geſtelle dieſes Apparates iſt ein verſtellbarer Support
S angebracht, der den Schallbecher B und die dazugehörige Membrane M trägt; die beiden
letzteren ſind ebenſo angeordnet und aneinander befeſtigt, wie bei Telephonen. Mit einem
Arme T des Supportes iſt die Feder f verbunden, auf deren freiem Ende der Stahlſtift s
aufſitzt. Die Verbindung dieſes federnden Stiftes mit der Membrane iſt durch die Kautſchuk-
röhrchen c hergeſtellt. Wird alſo die Membrane M durch Hineinſprechen in den Schallbecher B
in Schwingungen verſetzt, ſo muß der Stift s dieſe Schwingungen gleichfalls mitmachen.


[981]

Um mit dieſem Apparate die Sprache zu regiſtriren, überzieht man den Meſſingcylinder
mit Zinnfolie (Stanniol) oder einer ebenſo dünnen Kupferplatte, drückt dieſe leicht an, ſo
daß die Schraubengänge des Cylinders eben ſichtbar werden und ſtellt den Stift s auf einen
dieſer Schraubengänge ein. Dann verſetzt man den Cylinder in Umdrehung, während man
gleichzeitig in den Schallbecher hineinſpricht. Hierdurch geräth die Membrane und mit ihr der
Stift in Schwingungen, wodurch letzterer in dem ſich unter ihm forthewegenden Stanniol-
blatte Zeichen eingräbt, welche den durch das Sprechen hervorgerufenen Schwingungen
entſprechen. Da die Schraubengewinde des Cylinders und ſeiner Axe einander gleich ſind,
gelangt der Stift mit derſelben Geſchwindigkeit von dem einen in den nächſten Schrauben-
gang, als ſich der Cylinder durch ſeine Schraubenaxe um einen Gang ſeitlich verſchiebt.


Soll nun der Phonograph die geſprochenen Worte wiedergeben, ſo dreht man den
Cylinder, bei abgehobenem Stifte, ſo lange zurück, bis letzterer wieder an den Anfangspunkt
der Spirale gelangt iſt, ſetzt ihn hier auf und dreht dann den Cylinder abermals in der
erſten Richtung und mit derſelben Geſchwindigkeit. Man verſtärkt die Wirkung des Apparates,
wenn man den Schalltrichter F (Fig. 743) auf den Becher aufſetzt. Die Wiedergabe des
Geſprochenen erfolgt hierbei in der Weiſe, daß der Stift beim Drehen des Cylinders über
alle Vertiefungen und Erhabenheiten des Stanniolblattes gleiten muß, die er früher in
demſelben erzeugt hat; er muß alſo dieſelben Schwingungen, in welche er früher durch das
Sprechen verſetzt wurde, wiederholen und dadurch auch die Membrane zu ebenſolchen
Schwingungen veranlaſſen. Letztere giebt daher die geſprochenen Worte verſtändlich und an
jeder Stelle eines größeren Zimmers hörbar wieder.


5. Die elektriſche Telegraphie.


Geſchichte der Telegraphie.

Wenn man die älteren Verſuche über elektriſche Telegraphie (d. h. Fernſchreibung)
mit in Betracht zieht, ſo reichen die diesbezüglichen Vorſchläge bis in das Jahr
1753 zurück. Allerdings mußten dieſe vor den Entdeckungen Volta’s und Galvani’s
erfolglos bleiben, da nur Reibungselektricität zur Anwendung kommen konnte,
welche der ſchwierigen Iſolirung der Leitungen wegen ein Fortführen auf große
Entfernungen nicht geſtattet. Wir erwähnen daher auch nur des erſten Vorſchlages,
der in einem C. M. (vielleicht Charles Marſchall) unterzeichneten Briefe im
angegebenen Jahre gemacht wurde. Hiernach ſollte der elektriſche Funke oder die
Anziehung leichter Körperchen durch elektriſirte Körper zur Zeichengebung benützt
werden. Bei Verſuchen, welche im Jahre 1794 von den Deutſchen Reußer und
Böckmann ausgeführt wurden, benützte erſterer Blitztafeln, in welchen die ausge-
ſparten Buchſtaben durch elektriſche Funken einer Leydener Batterie beleuchtet
wurden, während letzterer die Buchſtaben und Zahlen durch paſſende Combina-
tionen von Funken darſtellen wollte. Ebenſo wenig wie dieſe Verſuche, waren
andere Vorſchläge aus dem bereits erwähnten Grunde einer praktiſchen Anwen-
dung fähig.


Ausſicht auf Erfolg winkte erſt, als im Jahre 1800 der galvaniſche Strom
entdeckt wurde. Der Erſte, welcher dieſen zum Telegraphiren benützte, war Sömmerring
im Jahre 1809. Samuel Thomas von Sömmerring wurde am 28. Januar
1755 zu Thorn geboren, ſtudirte in Göttingen Medicin, wurde im Jahre 1778
Profeſſor der Anatomie in Kaſſel, im Jahre 1804 Mitglied der Münchener
Akademie der Wiſſenſchaften, im Jahre 1805 königlicher Leibarzt und lebte von
dieſer Zeit an bis 1820 in München; hierauf überſiedelte er nach Frankfurt
(a. M.) und ſtarb daſelbſt am 2. März 1830. Seine vielfachen und werthvollen
Unterſuchungen und Publicationen ſtellen ihn ebenbürtig in die Reihe der erſten
deutſchen Anatomen.


[982]

Sömmerring intereſſirte ſich für den Galvanismus zunächſt allerdings mehr
in phyſiologiſcher Hinſicht, wandte jedoch ſpäter ſeine Aufmerkſamkeit auch den
chemiſchen Wirkungen zu; ſo hielt er z. B. ſchon im Jahre 1808 einen Vortrag
über die galvanochemiſchen Entdeckungen H. Davy’s. Zur Anwendung des gal-
vaniſchen Stromes in der Telegraphie wurde er durch den Miniſter Montgelas
angeregt. Dies geſchah nämlich in folgender Weiſe: Als die öſterreichiſchen Truppen

Figure 749. Fig. 745.

S. Th. v. Sömmerring.


im Jahre 1809 den Inn überſchritten und in Bayern eindrangen, floh König
Maximilian in Begleitung Montgelas’ ſofort an die Weſtgrenze (nach Dillingen).
Hier wurde er durch das unvermuthet ſchnelle Erſcheinen Napoleon’s überraſcht.
Zu dieſer Zeit beſtand nämlich von der franzöſiſchen Grenze an bis Paris der
Chappe’ſche optiſche Telegraph und durch dieſen erfuhr Napoleon das Vordringen
der öſterreichiſchen Truppen in viel kürzerer Zeit als man erwartet hatte. München
wurde am 16. April eingenommen, durch die Ankunft Napoleon’s aber am
22. April wieder befreit, ſo daß am 25. desſelben Monates Maximilian wieder
[983] in ſeine Reſidenz zurückkehren konnte. Die hervorragende Rolle, welche bei dieſen
für München wichtigen Ereigniſſen der optiſche Telegraph geſpielt hatte, veranlaßte
nun Montgelas, die Akademie aufzufordern, Vorſchläge für Telegraphen vorzulegen.


Wenngleich Montgelas hierbei wohl nur an optiſche Telegraphen gedacht
haben dürfte, verfiel Sömmerring doch auf den Gedanken, die Waſſerzerſetzung
durch den galvaniſchen Strom für dieſe Zwecke zu verſuchen. Die Verſuche wurden
am 8. Juli (1809) begonnen und am 22. desſelben Monates bereits ſoweit
abgeſchloſſen, daß Sömmerring in ſein Tagebuch ſchreiben konnte: „Das neue
telegraphiſche Maſchinchen geht recht gut.“ Am 6. Auguſt telegraphirte er durch
eine Drahtlänge von 724 Fuß und am 18. Auguſt bereits unter Verwendung
2000 Fuß langer Drähte.


Figure 750. Fig. 746.

Sömmerring’s Telegraph.


Der Apparat ſelbſt iſt in Fig. 746 abgebildet; die 27 Leitungsdrähte (für
25 Buchſtaben, Punkt und Wiederholungszeichen) wurden urſprünglich durch einen
Siegellack-Ueberzug, ſpäter durch Seidenumſpinnung iſolirt und zu einem Drahtſeile
vereinigt. Die Drähte endigten einerſeits in Goldſtiften, welche in den Boden eines
vierſeitigen flachen Glaskaſtens eingekittet waren, und führten andererſeits zu einer
entſprechenden Anzahl mit Löchern verſehener Zapfen. Letztere waren an einem
geeigneten Geſtelle befeſtigt und mit den entſprechenden Buchſtaben bezeichnet; der
Glaskaſten wurde mit Waſſer gefüllt. Als Batterie diente eine Voltaſäule,
zuſammengeſetzt aus 15 Brabanter Thalern, Zinkſcheiben und mit Kochſalzlöſung
getränkten Filzzwiſchenlagen. Die Poldrähte dieſer Säule endigten in verſchieden
geformte Stöpſel. Steckte man nun dieſe in zwei Löcher der Zapfen ein, ſo
entwickelten ſich an den correſpondirenden Goldſtiften Sauerſtoff und Waſſerſtoff.
[984] Anfangs benützte Sömmering die Waſſerzerſetzung ſtets zum gleichzeitigen Telegra-
phiren je zweier Buchſtaben und hatte hierbei jener Buchſtabe als erſter zu gelten,
deſſen Goldſtift die größere Gasmenge (Waſſerſtoff) entwickelte. Später wurde
nur die Waſſerſtoffentwicklung zur Zeichengebung verwendet, während der Sauerſtoff-
Pol einen fixen Platz erhielt.


Sömmering combinirte mit dieſem Apparate auch einen Alarm (Wecker),
der ſchließlich die in der Figur dargeſtellte [Anordnung] erhielt. Ein Glaslöffelchen,
welches, mit ſeiner hohlen Seite nach abwärts gekehrt, das von zwei Goldſtiften
aufſteigende Waſſerſtoff- und Sauerſtoffgas auffing, war an einem Winkelhebel
leicht drehbar befeſtigt. Auf das aus dem Glaskaſten herausragende horizontale
Stück dieſes Winkelhebels wurde eine Bleikugel loſe aufgeſteckt. Trat nun die
Gasentwicklung ein, ſo wurde das Löffelchen gehoben, der herausragende Arm des
Hebels geſenkt und dadurch die Bleikugel zum Herabfallen gebracht. Letztere gelangte
durch einen Glastrichter auf ein Metallſchälchen, welches auf dem Auslöſehebel
eines Glockenuhrwerkes befeſtigt war, und verſetzte dadurch dieſes Glockenuhrwerk
in Thätigkeit. Im März 1812 benützte Sömmerring ſeinen Apparat zum Telegra-
phiren durch eine Drahtlänge von 10.000 Fuß. Hervorragende Theilnahme wandte
der ruſſiſche Staatsrath Baron Pawel-Lawowitſch Schilling Sömmerring’s
Telegraphen zu und ſorgte auch dafür, daß dieſer einer großen Anzahl hervor-
ragender Perſonen bekannt wurde. Trotzdem kam es zu keiner praktiſchen Erprobung
in größerem Maßſtabe; in Frankreich leiſtete der Chappe’ſche Telegraph gute
Dienſte und auch anderwärts fühlte man kein Bedürfniß zur Herſtellung von
Telegraphenleitungen. Und ſo blieb der erſte galvaniſche Telegraph ohne praktiſche
Verwendung, trotzdem er für die damalige Zeit zu ganz befriedigender Dienſt-
leiſtung befähigt geweſen wäre.


Im Jahre 1819 wurde die Ablenkung der Magnetnadel durch den galva-
niſchen Strom bekannt, und nun ſchlugen Ampère (1820) und Fechner (1829)
vor, dies zum Telegraphiren zu benützen. Ampère wollte 30 Nadeln und
60 Drähte, Fechner 24 Nadeln und 48 Drähte verwenden. Auch dieſe Vor-
ſchläge erzielten keinen praktiſchen Erfolg. Im Jahre 1832 conſtruirte Baron
Schilling einen elektromagnetiſchen Telegraphen unter Benützung des inzwiſchen
(1820) von S. Ch. Schweigger erdachten Multiplicators. J. Hamel*) giebt
von Schilling’s Apparate nachſtehende Beſchreibung. „Schilling placirte eine mit
ihrer verticalen leichten Axe an einen einfachen Seidenfaden aufgehängte, horizontal
ſchwebende Magnetnadel zwiſchen einen Schweigger’ſchen Multiplicator. An der
verticalen Axe befeſtigte er ungefähr in der Mitte ihrer Länge eine auf ihren
zwei Seiten verſchieden gefärbte oder bezeichnete runde Scheibe von dickem Papier
und an ihrem unteren Ende war ein Ruderchen aus Platinblech, welches in ein
Schälchen mit Queckſilber tauchte, um Oſcillationen der Nadel zu verhüten. Eine
Zeit lang gebrauchte er fünf ſolche Apparate nebeneinander, um ein ganzes
Alphabet und die Ziffern darzuſtellen. Nach und nach vereinfachte er die Ein-
richtung ſo, daß er mit einem einzigen Apparate alle Zeichen zu geben im Stande
war. Sömmerring’s Beiſpiel folgend, erſann er auch einen Alarm.“


Schilling’s Apparat wurde nicht nur in Petersburg vielfach gezeigt, ſondern
auch der Naturforſcher-Verſammlung in Bonn (1835) vorgeführt. Profeſſor
Muncke nahm ihn von dort nach Heidelberg mit und daſelbſt lernte ihn Cooke
[985] kennen, der hierauf in Gemeinſchaft mit Wheatſtone ein Caveat beim engliſchen
Patentamte anmeldete (1837). Der Apparat brachte es auch zu keiner praktiſchen
Erprobung, da Schilling bereits im Jahre 1837 ſtarb.


Der erſte praktiſch ausgeführte elektromagnetiſche Telegraph mit längerer
Leitung (3000 Fuß) wurde von Gauß und Weber zu Göttingen im Jahre 1833
in Thätigkeit geſetzt, blieb bis 1838 in Verwendung und wurde 1844 durch
einen Blitzſchlag größtentheils zerſtört. Die erſte Notiz („Göttingiſche gelehrte
Anzeigen“ 1834)*) hierüber lautet: „Wir können hierbei eine mit den beſchriebenen
Einrichtungen (magnetiſches Obſervatorium) in genauer Verbindung ſtehende groß-
artige und in ihrer Art einzige Anlage nicht unerwähnt laſſen, die wir unſerem
Profeſſor Weber verdanken. Dieſer hatte bereits im vorigen Jahre von dem phyſi-

Figure 751. Fig. 747.

Gauß-Weber’ſcher Telegraph.


kaliſchen Cabinet aus über die Häuſer der Stadt hin bis zur Sternwarte eine
doppelte Drahtverbindung geführt, welche gegenwärtig von der Sternwarte bis
zum magnetiſchen Obſervatorium fortgeſetzt iſt; dadurch bildet ſich eine große
galvaniſche Kette, worin der galvaniſche Strom, die an beiden Endpunkten befind-
lichen Multiplicatoren mitgerechnet, eine Drahtlänge von faſt 9000 Fuß zu durch-
laufen hat. Der Draht der Kette iſt größtentheils Kupferdraht von der im Handel
mit 3 bezeichneten Nummer, wovon eine Länge von einem Meter 8 Gramm wiegt.“
...... „Die Leichtigkeit und Sicherheit, womit man durch den Commutator
die Richtung des Stromes und die davon abhängige Bewegung der Nadel beherrſcht,
hatte ſchon im vorigen Jahre (1833) Verſuche einer Anwendung zu telegraphiſchen
[986] Signaliſirungen veranlaßt, die auch mit ganzen Worten und kleinen Phraſen auf
das vollkommenſte gelangen. Es leidet keinen Zweifel, daß es möglich ſein würde,
auf ähnliche Weiſe eine unmittelbare telegraphiſche Verbindung zwiſchen zwei eine
beträchtliche Anzahl von Meilen voneinander entfernten Orten einzurichten; allein
es kann natürlich hier nicht der Ort ſein, Ideen über dieſen Gegenſtand weiter
zu entwickeln.“


Dieſe Notiz, zuſammengehalten mit anderweitigen Publicationen, läßt es
als ziemlich ſicher erkennen, daß der elektromagnetiſche Telegraph eine gemeinſame
Arbeit von Weber und Gauß iſt, während die Ausführung der Leitung Weber
zuzuſchreiben ſein dürfte. Der zur Ausſtellung im Jahre 1881 nach Paris
geſandte Apparat wurde in „La lumière électrique” (Bd. VIII) abgebildet und

Figure 752. Fig. 748.

Gauß-Weber’ſcher Telegraph.


beſchrieben. Hiernach diente als Empfänger ein
Galvanometerrahmen B B (Fig 747), in welchem
der Magnetſtab A von 1·21 Meter Länge
ſchwingen konnte. Dieſer hing an einem Seiden-
faden und trug gleichzeitig einen kleinen Spiegel M,
welcher die Schwingungen des Magnetes mit-
machte. Zur Beobachtung derſelben wurde ein
Ableſefernrohr mit Scala verwendet. Gauß
brachte hierbei auch zum erſtenmale eine Dämpfung
(vergl. Seite 222) zur Anwendung, und zwar
in Geſtalt eines geſchloſſenen, den Magnetſtab
umgebenden Kupferbügels und ſpäter die bifilare
Aufhängung (Seite 60).


Der zur Stromgebung beſtimmte Apparat,
der Zeichenſender, war anfänglich eine galvaniſche
Batterie, die aber bald durch den in Fig. 748
dargeſtellten Inductions-Apparat erſetzt wurde.
Zwei große Magnete A (je 25 Pfund ſchwer)
waren in einem maſſiven dreifüßigen Geſtelle
befeſtigt, aus welchem die Nordhälften der
Magnete herausragten. Ueber dieſe konnte man
die Inductionsſpule B mit Hilfe zweier Hand-
haben frei bewegen. Die Drahtenden der Spule
waren durch die Leitungen mit den Windungen
des Galvanometerrahmens verbunden. Eine raſche Bewegung der Spule mußte
daher in dieſer einen Inductionsſtrom erregen, welcher durch die Leitungen in den
Galvanometerrahmen gelangte und dort den Magnetſtab ablenkte. Hierbei mußte
die Richtung der Ablenkung natürlich durch die Richtung, nach welcher die Spule
bewegt wurde, beſtimmt werden. Es iſt einleuchtend, daß durch Combinationen dieſer
beiden Ablenkungen ein ganzes Alphabet gebildet werden kann. Um die Manipulation
mit dieſem Zeichengeber zu vereinfachen, wurde ein Doppelhebel L angebracht, welcher
ſowohl zur Bewegung der Spule, als auch zu der eines Commutators diente.
Der Anruf wurde durch ein Glockenuhrwerk beſorgt, deſſen Auslöſung durch einen
kräftigen Ausſchlag des Magnetſtabes bewirkt werden konnte. Der Beſchreibung
des Apparates fügen wir nachſtehend noch einige biographiſche Angaben bei.


Johann Carl Friedrich Gauß wurde am 30. April 1777 zu Braun-
ſchweig geboren, ſtudirte daſelbſt im Collegium Carolinum bis 1795 und hierauf
[987] in Göttingen bis 1798. In Helmſtedt genoß er den Unterricht des Analytikers
J. F. Pfaff. Im Jahre 1807 wurde er Profeſſor und Director der Sternwarte
in Göttingen und ſtarb daſelbſt am 23. Februar 1855. Auf die Namhaftmachung
ſeiner zahlreichen, epochemachenden Arbeiten aus dem Gebiete der Mathematik, der
Aſtronomie, Geodäſie und mathematiſchen Phyſik muß hier verzichtet werden.
Seine Werke giebt die königliche Geſellſchaft der Wiſſenſchaften in Göttingen heraus.


Figure 753. Fig. 749.

J. C. F. Gauß.   W. E. Weber.


Wilhelm Eduard Weber wurde am 24. October 1804 zu Wittenberg,
als zweiter Sohn eines Theologieprofeſſors daſelbſt, geboren. Seinen Studien
oblag er an der Univerſität Halle und publicirte bereits im Jahre 1825 gemein-
ſchaftlich mit ſeinem Bruder Ernſt Heinrich ſein claſſiſches Werk: „Die Wellen-
lehre“. Im Jahre 1827 wurde er Privatdocent in Halle und ſchon im darauf-
folgenden Jahre außerordentlicher Profeſſor. Durch A. v. Humboldt mit Gauß
bekannt gemacht, kam er im Jahre 1831 als Profeſſor der Phyſik nach
[988] Göttingen. Als im Jahre 1837 die Conſtitution aufgehoben wurde, verwies die
Regierung ſieben hannoveraniſche Profeſſoren des Landes und darunter auch Weber,
weil ſie dieſem Acte die Anerkennung verweigerten. Weber erhielt 1843 eine Pro-
feſſur in Leipzig, kehrte aber 1849 wieder nach Göttingen zurück, welches heute
noch das Glück genießt, ihn als den letzten der berühmten drei Brüder Weber und
den letzten der Göttinger Sieben zu beſitzen. Außer ſeinen vielen hervorragenden
Arbeiten aus dem Gebiete der Elektricität und des Magnetismus lieferte er auch
Abhandlungen akuſtiſchen Inhaltes, mit ſeinem Bruder Eduard Friedrich die Mechanik
der menſchlichen Gehwerkzeuge u. ſ. w.


Die weitere Ausbildung des Gauß-Weber’ſchen Telegraphen übernahm Stein-
heil
, unter deſſen Händen der Apparat zum erſten Schreibtelegraphen wurde und
die durch Fig. 750 (nach „La lumière électrique”) [dargeſtellte Form] erhielt. Der

Figure 754. Fig. 750.

Steinheil’s Telegraph.


Zeichengeber Steinheil’s beſteht aus einer Art Pixi’ſcher Maſchine (rechte Seite der
Figur), bei welcher die Inductionsſpulen durch einen horizontalen, mit Schwung-
kugeln verſehenen Hebel an den Magnetpolen vorbeibewegt werden können; die ſo
erhaltenen Inductionsſtröme erhalten die eine oder die entgegengeſetzte Richtung, je
nachdem die Spulen in der einen oder anderen Richtung bewegt werden.


Der Empfangsapparat beſteht aus dem Galvanometerrahmen A, in welchem
ſich zwei um die verticalen Axen a a' drehbare Magnetnadeln befinden. Jede der-
ſelben trägt einen Farbnapf und einen kleinen Meſſinganſatz und wird durch einen
Richtmagnet in eine beſtimmte Lage gebracht. Durchfließt dann ein Strom der einen
Richtung die Drahtſpirale, ſo ſchlägt der Meſſinganſatz der einen Nadel an eine
Glocke, fließt er in entgegengeſetzter Richtung, ſo ſchlägt der Meſſinganſatz der
zweiten Nadel an eine zweite Glocke. Ebenſo wird durch einen Strom einer Richtung
der Farbnapf der einen und durch einen Strom der entgegengeſetzten Richtung der
[989] Farbnapf der zweiten Nadel gegen einen Papierſtreifen r gedrückt, welcher durch
ein einfaches Triebwerk an den beiden Farbnäpfen mit gleichmäßiger Geſchwindigkeit
vorbeibewegt wird. (Die Glocken ſind in der Figur nicht gezeichnet.) Bei Anwendung
der Glocken wird das Alphabet durch verſchiedene Combinationen der Schläge beider
(verſchieden tönenden) Glocken gebildet, bei Benützung der Farbnäpfe durch Com-
bination von Punkten, welche in zwei Reihen auf dem Papierſtreifen erzeugt werden.
So iſt z. B. die Bezeichnung für den Buchſtaben s ..··, für t:, für e., für
n ·· u. ſ. w.


In der Figur ſind auch zwei Alarme B und C dargeſtellt, die einfach aus
einem Galvanometerrahmen gebildet ſind, in welchem ein Magnetſtab um eine
horizontale oder verticale Axe ſchwingen kann und dadurch an eine Glocke ſchlägt.


Mit dieſem im Jahre 1836 erfundenen Apparate correſpondirte Steinheil (1837)
auf Doppelleitungen, welche die Sternwarte zu Bogenhauſen mit dem phyſikaliſchen
Cabinet, der Akademie und ſeiner Wohnung in München verbanden und eine
Geſammtlänge von 37.500 Fuß hatten. (Es mag hier bemerkt werden, daß
v. Jacquin und Andreas v. Ettingshauſen in Wien eine Telegraphenleitung
durch einige Straßen theils unterirdiſch, theils durch die Luft hergeſtellt haben.)
Die Herſtellung der Verbindungen mit den verſchiedenen Stationen wurde durch
einen Queckſilber-Commutator S bewirkt. Steinheil’s Verdienſt um die Entwicklung
der Telegraphie iſt jedoch keineswegs auf die Erfindung des beſchriebenen, praktiſch
verwerthbaren Apparates beſchränkt; er entdeckte auch die Möglichkeit der Rück-
leitung des elektriſchen Stromes durch die Erde. Dieſe Entdeckung, welche die
telegraphiſche Correſpondenz mit einem einzigen Drahte ermöglichte, war für die
Entwicklung der Telegraphie von einſchneidendſter Bedeutung. Steinheil kam (1838)
zu dieſer Entdeckung, als man ſeinen Telegraphen an Eiſenbahnlinien anwenden
wollte und er hierbei die Schienen zur Leitung zu benützen verſuchte.


Carl Auguſt v. Steinheil wurde am 12. October 1801 zu Rappolts-
weiler geboren, erhielt als äußerſt ſchwächliches und kränkliches Kind zunächſt
häuslichen Unterricht, bezog dann die Univerſität Erlangen, ſtudirte in Göttingen
unter Gauß und in Königsberg bei Beſſel; im letztgenannten Orte promovirte
er im Jahre 1825, ward 1827 bereits außerordentliches Mitglied der Münchener
Akademie der Wiſſenſchaften und 1835 Profeſſor der Phyſik und Mathematik,
ſowie auch Conſervator der mathematiſch-phyſikaliſchen Sammlungen in München.
Steinheil ſtellte auch die erſten galvaniſchen Uhren her. Im Jahre 1849 wurde
er durch die öſterreichiſche Regierung nach Wien berufen, wo er als Chef des
Telegraphendepartements ein vollſtändiges Telegraphen-Linienſyſtem für ſämmtliche
Kronländer des Kaiſerſtaates ausarbeitete. In gleicher Weiſe verſah er auch die
Schweiz mit einem weitverzweigten Telegraphennetze. Wieder nach München
zurückgekehrt, errichtete er im Jahre 1854, einem Wunſche des Königs Max II.
folgend, die ſo berühmt gewordene optiſch-aſtronomiſche Werkſtätte. Für ſeine
hervorragenden Verdienſte um die Telegraphie ſetzte ihm der Staat auf Antrag
der bayeriſchen Akademie eine lebenslängliche Rente aus. Im Jahre 1868 wurde
Steinheil, ſeiner vorzüglichen Arbeiten in Bezug auf die Herſtellung von Maß-
und Gewichts-Etalons wegen, Mitglied der europäiſchen Gradmeſſungs-Commiſſion.
Er ſtarb am 14. September 1870, nachdem er bereits im Monate Auguſt
erblindet war.


Inzwiſchen hatte auch Schilling’s Nadeltelegraph eine weitere Ausbildung
erfahren. William Fothergill Cooke, welcher denſelben im Jahre 1876 bei
[990] Profeſſor Munke in Heidelberg ſah, bildete ihn nach und brachte ihn nach England.
Auf die Verbeſſerung des Apparates bedacht, verband er ſich mit Wheatſtone und
conſtruirte mit dieſem einen Nadel-Appart mit 4 und mit 5 Nadeln. Letzterer iſt

Figure 755. Fig. 751.

C. A. Steinheil.


in Fig. 752 abgebildet. Hierbei erfolgte die Zeichengebung durch ſtets gleich-
zeitige Ablenkung je zweier Nadeln. Zu jedem Durchſchrittspunkte zweier Nadel-
richtungen war ein Zeichen angebracht und ſo, wie dies die Figur erkennen läßt,
die Möglichkeit geboten, 20 verſchiedene Zeichen zu geben. Cooke und Wheatſtone
nahmen ihr erſtes Patent im Juni 1837. Wichtig erſcheint die Benützung eines
[991] Localſtromkreiſes zum Betriebe des Weckers, da dies die erſte Anwendung
eines Uebertragungs-Apparates, des ſogenannten Relais, darſtellt. Wheatſtone hat
durch die Erfindung des Relais die Möglichkeit geſchaffen, auch auf langen
Linien mit verhältnißmäßig ſchwachen Strömen telegraphiren zu können, weil dieſe
dann nur den Zweck haben, durch das Relais die Localbatterie zu ſchließen und
erſt dieſe die eigentliche Arbeit verrichtet, d. h. den Empfangs-Apparat in Thätig-
keit ſetzt.


Das Relais wurde zunächſt allerdings nur für den Wecker benützt, und zwar in
der durch die Fig. 753 dargeſtellten Form.*) Der durch die Leitung 111 anlangende
Strom gelangt in den Galvanometerrahmen M und bringt dadurch die um die
horizontale Axe x y drehbare Magnetnadel aus ihrer Gleichgewichtslage. Hierdurch

Figure 756. Fig. 752.

Cooke’s Nadeltelegraph.


wird der Hebel a b mit ſeinem Ende a geſenkt, ſo daß der daſelbſt angebrachte
Bügel in die beiden Queckſilbernäpfchen eintaucht. Nun iſt die Localbatterie B,
welche den Elektromagnet E zu erregen hat, geſchloſſen. Der Magnet zieht ſeinen
Anker an, wodurch der Stift S zum Anſchlagen an die Glocke G gebracht wird.
Somit ermöglicht dieſer Uebertragungs-Apparat eine kräftige Wirkung des Magnetes E,
ſelbſt wenn auch nur ein ſehr ſchwacher Strom durch die Leitungen 111 in der
Station anlangt.


Der erſte Verſuch mit dem Fünfnadel-Telegraph wurde im Jahre 1837 im
Londoner Bahnhofe der Nordweſtbahn auf einem 1¼ Meilen langen Drahte
angeſtellt; im Jahre 1840 baute man auf der Great Weſtern-Bahn eine
39 engliſche Meilen lange Linie, ſtand aber von dem weiteren Ausbaue dieſer
[992] Linie der hohen Koſten wegen zurück. Von Cooke und Wheatſtone wurden ferner
auch Ein- und Zweinadel-Apparate conſtruirt, die vielfache Anwendung fanden.
Gegenwärtig ſind zwar auf den Staats-Telegraphenlinien keine Nadel-Apparate mehr
in Gebrauch, wohl aber findet man ſie noch auf den meiſten engliſchen Bahnen.


Cooke hat übrigens auch ſchon im Jahre 1836 einen Zeigertelegraph
hergeſtellt und dadurch die Zahl der Leitungsdrähte zu vermindern geſucht. In den
beiden Stationen befinden ſich Räderwerke mit ſynchronem Gange, welche je eine
Walze in Bewegung ſetzen, wodurch eine Buchſtabenſcheibe die einzelnen Buchſtaben
durch ein Fenſter des Apparatkaſtens der Reihe nach ſehen läßt. Das Räderwerk
wird durch den Hebel eines Elektromagnetankers in dem Momente gehemmt, als
der gewünſchte Buchſtabe vor das Fenſter tritt. Die Verwerthung dieſes Apparates
ſcheiterte aber daran, daß es nicht gelang, einen wirklich ſynchronen Gang der
Räderwerke zu erreichen. Auch ein ſpäter erdachter Apparat, bei welchem zwei

Figure 757. Fig. 753.

Wheatſtone’s Relais.


Elektromagnete auf ein Pendel wirkten und das auf letzterem aufſitzende Echappement
das Räderwerk bewegte, fand keine praktiſche Anwendung.


Als erſter ſicher fungirender Zeigertelegraph gilt der von Wheatſtone
1839 erfundene (1840 patentirte) Apparat. Bei dieſem beſteht der Zeichengeber
aus einem gezahnten Metallrade K (Fig. 754), auf deſſen Umfange die Schleif-
federn n n' gleiten. Letztere ſind ſo geſtellt, daß eine Feder in eine Zahnlücke
hineinragt, wenn die andere ſich mit einem Zahne in Contact befindet. Der
negative Pol der Batterie iſt mit der Metallmaſſe des Rades verbunden; vom
poſitiven Pole aus geht der Strom zur Empfangsſtation; p dient als Marke, auf
welche das gewünſchte Zeichen (Buchſtabe oder Ziffer des Zahnrades) eingeſtellt
wird. Der Empfangs-Apparat beſteht aus den beiden Elektromagneten e e1 mit
den beiden Ankern a a', dem auf dem Ankerhebel aufſitzenden Echappement und
dem Uhrwerke u, deſſen Zeiger z über die einzelnen Schrift- und Zahlzeichen
bewegt werden kann. Die Bewegung des Uhrwerkes veranlaßt das Gewicht G.
Da der Draht + 1 der Aufgabsſtation zur Klemme k der Empfangsſtation führt,
die Klemmen k1 und k2 der Empfangsſtation mit den Federn n n' in Verbindung
[993] ſtehen, ſo wird durch Drehung des Rades K der Batterieſtrom offenbar abwechſelnd
die Elektromagnete e e1 durchfließen müſſen, und zwar den Elektromagnet e,
wenn die Feder n auf einem Zahne aufruht (welche Stellung die Figur zeigt)
und den Elektromagnet e1, wenn die Feder n' auf einen Zahn zu liegen kommt.
Durch dieſe abwechſelnde Erregung der beiden Elektromagnete wird eine wechſel-
weiſe Anziehung der Anker a a' erfolgen, und daher ein Hin- und Herſchwingen
des Echappements. Dies verurſacht eine ruckweiſe Bewegung des Uhrwerkes und
des mit dieſem verbundenen Zeigers z, der in dieſer Weiſe auf das gewünſchte Zeichen
eingeſtellt werden kann. Der Zeigertelegraph erhielt ſowohl durch Wheatſtone in
England, als auch ſpäter in Deutſchland und Frankreich verſchiedene Formen.


Von ſämmtlichen Telegraphenapparaten iſt keiner zu ſolcher Bedeutung
gelangt wie der von Morſe erdachte, im Verlaufe der Zeit allerdings vielfach

Figure 758. Fig. 754.

Wheatſtone’s Zeigertelegraph.


abgeänderte, Schreibtelegraph.*) Obwohl nun Morſe’s Verdienſte um die Telegraphie
unleugbar große ſind, kann doch ſein Anſpruch auf die Priorität der Erfindung
eines derartigen Apparates nicht zugegeben werden. Es erhellt dies klar aus nach-
ſtehender Schilderung des Lebens und der Arbeiten Morſe’s, welcher die Angaben
J. Hamel’s in „Die Entſtehung der galvaniſchen und elektromagnetiſchen Tele-
graphie“ zu Grunde gelegt ſind.


Samuel Finley Breeſe Morſe wurde am 27. April 1791 zu Char-
leſton (Maſſachuſetts) geboren und widmete ſich der Malerei; er beſuchte zu ſeiner
weiteren Ausbildung als Maler zweimal Europa (1811 bis 1815 und
1829 bis 1832). Auf der Rückreiſe von ſeinem zweiten Beſuche in Europa, alſo
im Jahre 1832 war es, daß er die Bekanntſchaft des Profeſſors Charles T. Jackſon
Urbanitzky: Elektricität. 63
[994] aus Boſton machte. Auf dem Schiffe ſah er des Letzteren elektriſche Experimente,
wobei dieſer darauf hinwies, daß es möglich ſei, die Elektricität zum Signaliſiren
zu verwenden. In Amerika angelangt, beſchäftigte ſich Morſe wieder mit Malerei
und erwarb ſich durch dieſe einen kärglichen Lebensunterhalt. Er ſtand an der
Spitze der National-Akademie der zeichnenden Künſte und erhielt auch im Jahre 1835
den Titel eines Profeſſors der Literatur der zeichnenden Künſte. Im November 1835
beſchäftigte er ſich wieder mit telegraphiſchen Verſuchen, erreichte jedoch, mangels
jeder entſprechenden Vorbildung, keinerlei Reſultat. Im Jahre 1836 erhielt er von
dem mit ihm im ſelben Gebäude wohnenden Profeſſor der Chemie Leonard

Figure 759. Fig. 755.

S. F. B. Morſe.


Gale mannigfache Anweiſungen und auch Material zur Anfertigung eines
Magnetes. Gale wurde ſpäter Morſe’s Compagnon.


Im Jahre 1837 gelang es endlich, einen Apparat zu conſtruiren, der die
elektriſche Uebertragung von Zeichen ermöglichte. Durch neunerlei Zeichen wurden
nämlich die Ziffern 1 bis 9 dargeſtellt, dieſe zu Nummern combinirt und deren
Bedeutung in einem eigenen telegraphiſchen Wörterbuche nachgeſchlagen. Fig. 756
ſtellt Morſe’s Apparat (nach einer Abbildung in „La lumière électrique”) dar.
Der Rahmen c c iſt auf einem Tiſche vertical befeſtigt und trägt einerſeits eine
Art Pendel o B, andererſeits den Elektromagnet E. Auf dem Pendel iſt der
Anker des Elektromagnetes und am unteren Ende desſelben ein Zeichenſtift befeſtigt.
Unterhalb des Stiftes wird durch das Uhrwerk h und die Rollen r r' ein Papier-
[995] ſtreifen über die Rolle R hinweggeführt. Bei normaler Lage des Pendels zeichnet
daher der Stift eine zur Streifenlängsrichtung parallele Linie. Wird hingegen der
Anker angezogen und hierdurch der Stift quer zum darunter weggleitenden Papiere
verſchoben, ſo entſteht eine ſchiefe Linie und eine ebenſolche, wenn der Magnet
ſeinen Anker losläßt und das Pendel wieder in ſeine urſprüngliche Lage zurückkehrt.

Figure 760. Fig. 756.

Morſe’s Telegraph.


Es entſtehen daher durch abwechſelndes Magnetiſiren und Entmagnetiſiren lauter
V-förmige Linien. Bei dieſer Zeichenſchrift bedeutete ein Zacken die Ziffer 1, zwei
Zacken ſtellten die Ziffer 2 dar u. ſ. w.


Der Hebel L des Zeichengebers beſitzt an einem Ende das Gewicht N und
unterhalb einen Stift, am entgegengeſetzten Ende einen Drahtbügel, der beim
Eintauchen in die darunter befindlichen Queckſilbernäpfe V dieſe leitend miteinander
verbindet und dadurch den Stromkreis der Batterie P und des Elektromagnetes E
63*
[996] ſchließt. In die Leiſte A ſind die Typen, d. h. Bleiſtücke, wie ſie 1 und 3 dar-
ſtellen, eingeſetzt. Wird nun erſtere mit Hilfe einer Kurbel auf dem über die
Rollen G G geſpannten Bande unter dem Hebelende N hinwegbewegt, ſo muß der
Hebel den Stromſchluß offenbar ſo oft herſtellen, als die Zacken der Bleitypen
das Hebelende N heben. Daher muß auch der Zeichenſtift am Pendelende B
entſprechende Zacken auf dem Papierſtreifen verzeichnen, aus welchen dann in der
früher angegebenen Art die Worte zuſammengeſetzt werden.


Zur ſelben Zeit, als dieſer Apparat conſtruirt wurde, machte Morſe die
Bekanntſchaft Alfred Bail’s, der ihn vielfach unterſtützte, einen beſſeren Apparat
herſtellen ließ und ſpäter ebenfalls Morſe’s Compagnon wurde. Am 4. September
1837 gelang der Verſuch zum erſtenmale. Es wurden hierbei die in Fig. 757
dargeſtellten Zeichen erhalten, welche den Nummern 215, 36, 2, 58, 112, 04
und 01837 entſprechen und im telegraphiſchen Wörterbuche die Worte „Gelungener
Verſuch mit Telegraph September 4. 1837“, ergaben.*) Morſe’s Apparat erregte
auch das Intereſſe des Congreßmitgliedes Francis O. J. Smith, durch deſſen
Unterſtützung Morſe eine Reiſe nach London und Paris ermöglicht wurde, die
übrigens keine weiteren Vortheile mit ſich brachte. Nach New-York zurückgekehrt
(1839), beſchäftigte ſich Morſe wieder mit Malen und ſpäter auch mit Daguerreo-
typiren, um ſeine Exiſtenz zu friſten. Im Jahre 1843 wurde ihm endlich vom

Figure 761. Fig. 757.

Morſe-Schrift.


Congreſſe die Summe von 30.000 Dollars zum Baue einer größeren Verſuchslinie
bewilligt.


Die erſte, 40 Meilen lange, Verſuchslinie in Amerika wurde zwiſchen
Waſhington und Baltimore gebaut und im Mai 1844 zum erſtenmale erprobt.
Morſe’s Apparat hatte inzwiſchen ſehr bedeutende Abänderungen erfahren, ſo zwar,
daß er dem gegenwärtig in vielfacher Anwendung ſtehenden Apparate ſehr nahe
gekommen war. Von da ab erlangte der Morſe-Telegraph in kurzer Zeit eine
ausgedehnte Verbreitung. Morſe wurde Elektriker der New-York and Newfound-
land Telegraph Company
und bei der New-York, Newfoundland and London
Telegraph Company
und Profeſſor der Naturgeſchichte am Yale College
in New-Haven. Im Jahre 1857 erhielt er von zehn vereinigten Staaten Europas
ein Ehrengeſchenk von 400.000 Francs. Nachdem ihm ſchon in den Jahren
1871 und 1872 in New-York zwei Denkmäler errichtet worden waren, ſtarb er
am 2. April 1872 bei Poughkeepſie zu New-York.


Die ausgezeichneten Leiſtungen des in Europa mannigfach verbeſſerten Morſe-
Apparates ſind noch überboten worden durch den Typendruck-Telegraphen
von Hughes; dieſer und der Morſe-Telegraph ſind vom internationalen Telegraphen-
[997] congreß als ausſchließlich zuläſſige Apparate für den internationalen Telegraphen-
Verkehr erklärt worden. Den erſten Typendruck-Telegraph conſtruirte übrigens der
Nordamerikaner Vail bereits im Jahre 1837; im Jahre 1840 folgte Bain und
1841 Wheatſtone.


David Edwin Hughes wurde 1831 zu London geboren und kam 1838
nach Virginia, wo ſich ſein Vater als Pflanzer angeſiedelt hatte. Seine bereits
frühzeitig hoch entwickelte muſikaliſche Begabung veranlaßte ſchon im Jahre 1850
ſeine Ernennung zum Profeſſor an der Hochſchule zu Barnſtown in Kentucky.
Hier ergab er ſich einem eifrigen und ſo erfolgreichen Studium der Naturwiſſen-
ſchaften, daß ihm bald auch der Lehrſtuhl hiefür übertragen wurde. Auch dachte
er damals ſchon über die Conſtruction eines Typendruck-Telegraphen nach und
widmete ſich ausſchließlich dieſen Beſtrebungen, als er ſich im Jahre 1853 nach
Aufgabe ſeiner Stellung nach Bowlinggreen zurückgezogen hatte. Im Jahre 1855
ſah er ſeine Bemühungen von einem vollſtändigen Erfolge gekrönt. Es bildete ſich
nun eine Geſellſchaft in New-York, welche den Betrieb des Typendruck-Telegraphen
übernahm und Hughes ſelbſt ging im Jahre 1857 nach Europa, um ſeinem
Apparate Eingang zu verſchaffen. Während er hierbei in England gar nichts erreichte,
gelang es ihm ſofort in Frankreich, von wo aus ſein Apparat bald in alle
übrigen europäiſchen Staaten gelangte. Der Typendruck-Telegraph von Hughes
wurde im Jahre 1862 in Italien und England, 1865 in Rußland, 1866 in
Preußen, 1867 in Oeſterreich, 1869 in Bayern und Württemberg und 1872 bei
der Submarine Telegraph Company eingeführt. Der Leiſtungen Hughes’ auf
dem Gebiete der Telephonie wurde bereits gedacht (Seite 892).


Auch der chemiſche Telegraph, zuerſt durch Soemmerring conſtruirt,
wurde weiter ausgebildet. Allerdings mußte, um dies zu ermöglichen, zuerſt Davy
die Zerlegbarkeit der Salze durch den elektriſchen Strom zeigen. Profeſſor John
Redman Coxe ſchlug, wie wir bereits erfahren haben, ſchon im Jahre 1810 vor,
die zerſetzende Wirkung des galvaniſchen Stromes auf Metallſalze zur Telegraphie
zu benützen; ſein Vorſchlag nahm jedoch keine praktiſche Geſtalt an. Ebenſo wenig
gelang es E. Davy im Jahre 1839, auf elektrochemiſchem Wege zu brauchbaren
Reſultaten zu gelangen. Wohl aber gelang es im Jahre 1842 Bain einen
brauchbaren chemiſchen Telegraphen zu conſtruiren.


Das Princip desſelben iſt folgendes: Das zu telegraphirende Wort wird
aus großen einfachen Metall-Lettern a (Fig. 758) zuſammengeſetzt, welche man
mit dem poſitiven Pole einer Batterie verbindet, deren negativer Pol zur Erde
abgeleitet iſt. In der Empfangsſtation befindet ſich eine mit der Erde in leitender
Verbindung ſtehende Metallplatte, auf welcher das mit der zu zerſetzenden Salz-
löſung getränkte Papier aufgelegt iſt. Die aus fünf Metallfedern gebildete Bürſte b
in der Aufgabsſtation iſt durch ein Kabel k k' mit einer ebenſolchen Bürſte b'
in der Empfangsſtation ſo verbunden, daß die erſte Feder der Bürſte b mit der
erſten Feder der Bürſte b', die zweite Feder von b mit der zweiten von b' u. ſ. w.
durch je einen Kabeldraht miteinander in leitender Verbindung ſteht. Wird nun
die Bürſte b über die Metall-Lettern hinweggeführt und bewegt man gleichzeitig
ſowie gleichſchnell die Bürſte b' über das präparirte Papier auf der Metallplatte,
ſo wird ein Stromkreis geſchloſſen, ſo oft eine Feder der Bürſte b mit den
Metall-Lettern in Berührung kommt. In der Figur z. B. hat die Feder 3 der
Bürſte b den ſchiefen Strich des Buchſtabens N eben verlaſſen, die Feder 4
befindet ſich gerade auf demſelben und die Feder 5 iſt eben im Begriffe, in Contact
[998] zu kommen. Dementſprechend fließt nur durch die Federn 4 der beiden Bürſten
b b' ein Strom und dieſer zerſetzt an der Berührungsſtelle der Feder 4 von b'
mit der imprägnirten Papierfläche die Salzlöſung und hinterläßt ſo eine ſichtbare
Spur. Da ſich dieſer Vorgang für jede Feder und jeden Metallbuchſtaben in
gleicher Weiſe abſpielt, muß in der Empfangsſtation auf der Papierfläche ein
Bild a' des Wortes in a entſtehen. Als empfindliche Zerſetzungsflüſſigkeit kann
Jodkaliumkleiſter verwendet werden; der elektriſche Strom ſcheidet aus dem Jod-
kalium das Jod aus und durch dieſes wird der Kleiſter blau oder violett gefärbt.
In dieſer Farbe erſcheinen dann auch die Buchſtaben.


Der chemiſche Telegraph wurde verbeſſert, beziehungsweiſe in neue Formen
gebracht durch Stöhrer, Siemens, Gintl u. ſ. w. Auch die Copir-Tele-
graphen
von Bakewell, Bonelli, ſowie der Pan-Telegraph von Caſelli (1856)
ſind hierher zu zählen. Ihre untergeordnete Bedeutung einerſeits und der beſchränkte
Raum andererſeits verbieten ein näheres Eingehen auf dieſe Apparate.


Nachdem man gelernt hatte, an Stelle der urſprünglich angewandten vielen
Drähte nur einen Draht zum Betriebe eines Telegraphen zu benützen, begnügte
man ſich hiermit nicht, ſondern ſteckte ſich vielmehr ein weiteres Ziel. Man wollte
nunmehr auch dieſen einen Draht noch mehr ausnützen. Dies führte zur Erfindung

Figure 762. Fig. 758.

Bain’s chemiſcher Telegraph.


des Gegenſprechens oder der Duplex-Telegraphie und der Vielfach- oder
Multiplex-Telegraphie. Das Gegenſprechen beruht auf der Uebermittlung von-
einander unabhängiger telegraphiſcher Schriftzeichen in einander entgegengeſetzten
Richtungen in einem und demſelben Drahte, indem man die Stärke des den
letzteren durchfließenden Stromes verändert. Die Erfindung des Gegenſprechens
und die Ausführung der erſten praktiſchen Verſuche (1853) verdanken wir dem
Profeſſor F. A. Petřina und dem damaligen öſterreichiſchen Telegraphen-Director
Wilhelm Gintl (geb. 1804, geſt. 1883). Die Verſuche wurden auf den Linien
Wien—Prag und Wien—Linz ausgeführt und hierbei ein von Gintl conſtruirter
chemiſcher Telegraph benützt, da ſich bei Anwendung des Morſe-Apparates
Schwierigkeiten entgegenſtellten. Im Jahre 1854 erfanden Telegraphen-Ingenieur
Friſchen in Hannover und Siemens unabhängig voneinander Gegenſprechmethoden
und im Jahre 1863 gab Maron eine Gegenſprechmethode, baſirend auf dem
Principe der Wheatſtone’ſchen Brücke, an. Hierauf folgte nun eine große Anzahl
von Vorſchlägen, die aber erſt wieder Beachtung fanden, als der Amerikaner
Stearns im Jahre 1872 mit ſeinem Gegenſprecher öffentlich auftrat.


Die Vielfach- oder Multiplex-Telegraphie beſteht darin, daß mehrere Apparate
durch einen und denſelben Draht hintereinander Strom in die Leitung ſenden,
wodurch der Draht auch in jenen Strompauſen benützt wird, welche bei Ueber-
mittlung einer Depeſche dadurch entſtehen, daß man die einzelnen telegraphiſchen
[999] Zeichen (Striche und Punkte) voneinander getrennt erzeugen muß. Können nämlich
in einer Secunde acht Punkte gegeben werden, ſo gehen in dieſer Zeit acht Ströme
durch die Leitung; nun können aber in einer Secunde 100 und auch mehr Ströme
durch die Leitung geſandt werden, woraus folgt, daß der Draht nur einen kleinen
Bruchtheil der Zeit ausgenützt iſt. Newton machte bereits im Jahre 1851 einen
Vorſchlag zur beſſeren Ausnützung des Drahtes und im Jahre 1858 folgten die
Vorſchläge von Rouvier, Hughes u. ſ. w. Vierfache und mehrfache Syſteme
für Morſeſchrift wurden in neuerer Zeit von B. Meyer und A. E. Granfeld
angegeben, Multiplex-Syſteme für den Hughes-Apparat von Baudot und
Schäffler.


Den Abſchluß unſerer gedrängten Skizze über die geſchichtliche Entwicklung
der Telegraphie mögen nachſtehend einige Angaben über die Entwicklung der
Kabel-Telegraphie bilden. Schon als man daran dachte, die Reibungs-
elektricität für telegraphiſche Zwecke zu benützen, nämlich im Jahre 1774, machte
Leſage in Genf einen Vorſchlag zur Anfertigung eines, allerdings ſehr primitiven
Leitungskabels. Glaſirte Thonröhren ſollten von Strecke zu Strecke mit durchlöcherten,
quergeſtellten Scheidewänden aus demſelben Materiale verſehen werden. Indem
man dann durch die Löcher der aufeinanderfolgenden Scheidewände die einzelnen
Drähte führt, hat man dieſe untereinander und von der Erde iſolirt. Der Tele-
graphen-Apparat beſtand aus je einem Hollundermark-Doppelpendel für jeden
Buchſtaben. Im Jahre 1809 überzog Sömmerring den Leitungsdraht mit einer
Kautſchuklöſung, um die Leitung auch durch Waſſer führen zu können, und im
Jahre 1812 gelang es Schilling mit Hilfe eines iſolirten, quer durch die Newa
geführten Leitungsdrahtes Pulverminen zu ſprengen. Kurz vor ſeinem Tode traf
Letzterer auch alle Anſtalten, um Kronſtadt mit Peterhof durch ein Kabel zu ver-
binden, welches in den finniſchen Meerbuſen verſenkt werden ſollte. Jakobi in
Petersburg bediente ſich im Jahre 1842 einer Art Wachsdraht, der in Glasröhren
eingeſchloſſen und in feinen Sand gebettet unterirdiſch verlegt wurde.


Die Herſtellung der Kabel trat in ein neues Stadium, als im Jahre 1843
die Guttapercha nach Europa gebracht und ſogleich als vorzügliches Iſolations-
mittel erkannt wurde. Siemens ſtellte die erſte Verſuchsleitung mit Guttapercha-
Iſolirung im Jahre 1847 her. Dieſes neue Iſolirungsmaterial bewährte ſich
anfänglich ſehr gut und veranlaßte die Einführung unterirdiſcher Leitungen in
Preußen, Oeſterreich und auch Rußland. Nachdem jedoch dieſe Leitungen in
Gebrauch genommen waren, verſchlechterte ſich ihr Iſolationszuſtand ſehr raſch,
ſo zwar, daß ſich die preußiſche Telegraphen-Direction im Jahre 1852 veranlaßt
ſah, den Betrieb einzuſtellen.


Nachdem bereits im Jahre 1840 Wheatſtone vorgeſchlagen hatte, Frank-
reich und England durch ein Kabel zu verbinden, Morſe 1842 erfolgreiche Ver-
ſuche im Hafen von New-York gemacht und eine Kabelverbindung zwiſchen Amerika
und Europa lebhaft befürwortet hatte, gelang es Ezra Cornell im Jahre 1845,
New-York mit dem 12 engliſche Meilen entfernten Fort Lee durch ein in den
Hudſon gelegtes Kabel zu verbinden: dieſes leiſtete gute Dienſte, bis es im
Jahre 1846 durch Eis zerſtört wurde. Im Jahre 1850 wurden Dover und Cap
Gris Nez durch ein Kabel verbunden, welches aber ſchon einen Tag nach ſeiner
Verlegung durch Abſcheuerung an den felſigen Ufern ſeine Iſolirung verlor. Das
im Jahre 1851 von der Submarine Telegraph Comp. gelegte Kabel (zwiſchen Dover
und Calais), welches durch eine Eiſendrahtumhüllung geſchützt und beſchwert war,
[1000] blieb bis zum Jahre 1875 betriebsfähig. Die erſten Verſuche, England und Irland
miteinander zu verbinden, wurden im Jahre 1852 gemacht und im Jahre 1860
gelang, nach zweimaligem Mißlingen, die Herſtellung einer Kabelverbindung zwiſchen
Sardinien und Algier (Cagliari mit Bona).


Cyrus Field hatte inzwiſchen (1854) in Amerika eine Geſellſchaft gegründet,
welche ſich auf 50 Jahre das Recht erwarb, in Neufundland ein Kabel landen
zu dürfen. Die im Jahre 1856 zwiſchen Irland und Neufundland durchgeführten
Sondirungen ergaben eine mittlere Meerestiefe von 3500 Meter und eine Maximal-
tiefe von 4400 Meter. Nachdem nach einigen mißlungenen Verſuchen die Verbin-
dung von Nova Scotia mit Neufundland gelungen war, gründete Field in England
die Atlantic Telegraph Company. Dieſe entſchied ſich nach vielfachen Verſuchen
und Proben zur Verwendung eines Kabels von der durch Fig. 759 im Quer-
ſchnitte und in Anſicht (in natürlicher Größe) dargeſtellten Form.*) Die Kupferdrähte
beſaßen eine Stärke von je 0·76 Millimeter, waren mit drei Lagen Guttapercha
umpreßt, dieſe durch eine theergetränkte Jute-Umhüllung geſchützt und darüber eine
Umſpinnung von 18 ſiebendrähtigen Eiſendrahtlitzen gewunden. Die Länge des
ganzen Kabels, welches von den beiden Schiffen „Agamemnon“ und „Niagara“
mitgenommen wurde, betrug 4000 Kilometer. (Die Entfernung der beiden

Figure 763. Fig. 759.

Atlantiſches Kabel.


Küſtenſtationen voneinander,
in der Luftlinie gemeſſen,
beträgt 2640 Kilometer.)
Die Kabellegung wurde am
7. Auguſt 1857 von Valentia
(Irland) aus begonnen und
drei Tage lang, bis zur Ver-
legung von 610 Kilometer
Kabel fortgeſetzt; am dritten
Tage riß das Kabel bei einer Meerestiefe von 3660 Meter und die Expedition
kehrte unverrichteter Dinge zurück.


Im Juni 1858 wurde eine zweite Expedition ausgeſandt. Die beiden
Schiffe trafen ſich in der Mitte der herzuſtellenden Verbindungslinie im atlantiſchen
Ocean; die beiden Kabelenden wurden miteinander verbunden (geſpleißt) und die
Kabellegung gleichförmig nach beiden Seiten hin begonnen. 149 Kilometer waren
verlegt, als man einen Leitungsfehler entdeckte und daher mit vieler Mühe das
Kabel wieder heraufholen mußte, wobei dasſelbe riß; nachdem die Spleißung
vorgenommen war, begann man neuerdings mit der Verlegung und hatte glücklich
476 Kilometer Kabel verſenkt, als die Entdeckung und Behebung eines Leitungs-
fehlers neuerdings ein Reißen des Kabels herbeiführte. Nun gelang die Wieder-
herſtellung nicht mehr und man mußte abermals unverrichteter Dinge zurückkehren.


Trotz des wiederholten Mißlingens ließ man ſich nicht abſchrecken, noch im
ſelben Jahre neuerdings die beiden Schiffe auszuſenden und diesmal gelang es
auch, wenngleich erſt nach Ueberwindung mannigfacher und bedeutender Schwierig-
keiten, am 4. Auguſt das eine Kabelende in Irland, das andere auf Neufundland
zu landen. Die Länge des verſenkten Kabels betrug 3745 Kilometer. Am 7. Auguſt
wurde Field’s erſtes Telegramm von Amerika nach Irland geſandt.


[1001]

Leider ſtellte ſich auch hiermit die Aufgabe keineswegs als gelöſt heraus;
die Iſolation verſchlechterte ſich von Tag zu Tag und vom 1. September an
verſagte das Kabel ganz. War nun auch durch die bisherigen Arbeiten und
Anſtrengungen das geſteckte Ziel nicht erreicht, ſo glaubte man aus den dabei
gemachten Erfahrungen doch den Schluß ziehen zu ſollen, daß die Herſtellung
eines transatlantiſchen Kabels endlich doch
gelingen müſſe. Die Geſellſchaft pflegte daher
neuerdings eingehende Unterſuchungen, eine
bedeutende Anzahl von Gelehrten und Prak-
tikern wurde über die Ausführung des Unter-
nehmens befragt und das hierdurch erhaltene
umfangreiche Material in einen umfaſſenden
Bericht zuſammengeſtellt. Nachdem auch die
finanziellen Mittel geſichert waren, wurde die
Einreichung von Probekabeln ausgeſchrieben;
die von der Firma Glaß, Elliot \& Comp.
eingeſandte Probe erkannte man als die ent-
ſprechendſte und beauftragte daher die genannte
Firma mit der Herſtellung eines 4266 Kilo-
meter langen Kabels. Seine Zuſammenſetzung
iſt aus Fig. 760 zu erſehen. Das Uferkabel
wurde noch mit einer zweiten Hanfhülle und
zwölf dreidrähtigen Eiſendrahtlitzen umgeben.
Zur Legung des Kabels benützte man nicht
mehr die bei den früheren Expeditionen ver-
wendeten Schiffe, ſondern das rieſige Kabel-
ſchiff „Great Eaſtern“ (211 Meter Länge,
25 Meter Breite und 18 Meter Höhe). Die
Bemannung beſtand aus 500 Leuten, darunter
120 Elektriker und Ingenieure, 179 Maſchi-
niſten und Heizer und 115 Seeleute. Zur
Bewegung des Schiffes dienten zwei Schaufel-
räder von 19 Meter Durchmeſſer und eine
Schiffsſchraube von 6 Meter Durchmeſſer. Die
Raddampfmaſchine hat 1000, die Schrauben-
maſchine 1600 Pferdekräfte; 10 Dampfkeſſeln
und 112 Feuerungen mit fünf Schornſteinen
dienten zum Betriebe dieſer Maſchinen.*) Die
Leitung aller auf die Kabellegung bezüg-
lichen Arbeiten leitete Canning.


Am 21. Juli wurde das Erd- und
Küſtenkabel verlegt, am 23. Juli das

Figure 764. Fig. 760.

Atlantiſches Kabel.


Ende desſelben mit dem Tiefſeekabel verbunden und die Verlegung dieſes von
Irland aus begonnen. Nach Behebung mehrerer Fehler hatte man am 29. Juli
ſchon 1326 Kilometer Kabel verſenkt, als abermals ein Fehler entdeckt wurde. Bei
Ausbeſſerung desſelben fand man ein quer durch das Kabel geſtecktes Stück Eiſen-
[1002] draht, welches nach Canning’s Meinung in böswilliger Abſicht hineingeſteckt worden
ſein mußte; die Weiterverlegung des Kabels erfolgte daher unter unausgeſetzter
Bewachung von Seite der Compagnie-Beamten. Am 2. Auguſt hatte das ver-
ſenkte Kabel eine Länge von 2196 Kilometer erreicht, als neuerdings ein Fehler
entdeckt wurde und das Kabel bei den Ausbeſſerungsarbeiten riß. Die hierauf
unternommenen Verſuche, das Kabel aufzufiſchen, ſcheiterten daran, daß die Anker-
ſeile ſtets riſſen. Der „Great Eaſtern“ mußte daher gleichfalls unverrichteter Dinge
zurückkehren.


Doch auch dieſer Mißerfolg entmuthigte nicht. Im Jahre 1866 bildete ſich
eine neue Geſellſchaft, die Anglo American Telegraph Company, welche durch die
Firma Glaß, Elliot \& Comp. ein neues 3000 Kilometer langes Kabel anfertigen
ließ. Sowohl die äußere Umhüllung des Kabels als auch die Ausrüſtung des
„Great Eaſtern“ wurde den gemachten Erfahrungen entſprechend verbeſſert, ebenſo
wie auch die Conſtruction des Fiſchankers; auch wurden bedeutend ſtärkere Anker-
ſeile angefertigt. Die neue Expedition ſollte nämlich nicht nur ein neues Kabel legen,
ſondern hierauf auch das alte Kabel auffiſchen, mit einem mitgenommenen Ergänzungs-
kabel vereinigen und dadurch eine zweite Telegraphenlinie herſtellen. Der „Great
Eaſtern“ begann, abermals von Irland aus, am 13. Juli 1866 mit dem Verſenken
des Tiefſeekabels und vollendete, mit Ausnahme eines Zwiſchenfalls, ohne beſondere
Störungen ſeine Aufgabe am 27. Juli. Am 4. Auguſt 1866 wurde die Linie
dem allgemeinen Verkehr übergeben und hiermit endgiltig ein Werk vollendet, welches
ſich den genialſten Leiſtungen des menſchlichen Erfindungs- und Schaffungsgeiſtes
vollkommen ebenbürtig an die Seite ſtellt.


Die moderne Telegraphie.

In ſeinem Werke „Die Verkehrs-Telegraphie der Gegenwart“ kommt der
Verfaſſer, kaiſerlicher Telegraphen-Inſpector J. Sack, bei Vergleichung der Tele-
graphen-Apparate zu folgenden Schlüſſen: „Der einfache Morſe-Apparat iſt für
kleine Stationen und für ſolche mittleren Umfanges am Platze; für letztere kann
mit demſelben in den erforderlichen Fällen der Gegenſprecher verbunden werden.
Für Stationen größeren Umfanges iſt bis jetzt der einzig verwerthbare Apparat
der von Hughes, dem bei großen Ereigniſſen, falls eine Aushilfsleitung nicht
vorhanden iſt, ein gutes automatiſches Syſtem zeitweiſe beigegeben werden kann.
Neben dem Hughes-Apparat dürfte ſich die Verwendung des Meyer-Apparates
empfehlen, um durch Verſuche zu erproben, ob ſich keine Mittel finden laſſen,
dieſes ausgezeichnete und zu großer Leiſtung angelegte Syſtem einer Verbeſſerung
fähig zu machen.“ In dieſer Zuſammenfaſſung iſt zugleich gekennzeichnet, womit
wir uns in den nächſten Abſchnitten zu beſchäftigen haben werden.


Der Morſe-Apparat.

Der Morſe-Apparat beſteht aus dem Elektromagnete, der Schreibvorrichtung
und dem Räderwerke mit der Papierführung. Je nachdem die Schreibvorrichtung
reliefartige oder farbige Zeichen hervorbringt, unterſcheidet man Stift- oder Relief-
ſchreiber
und Farbſchreiber.


Der Stift- oder Reliefſchreiber iſt in Fig. 761 in perſpectiviſcher Anſicht
abgebildet. Der Elektromagnet E E beſteht aus zwei cylindriſchen Kernen aus
[1003] weichſtem Schmiedeeiſen (um ſie zum raſchen Annehmen und Verlieren des Magnetis-
mus geeignet zu machen), die unten durch eine Eiſenlamelle verbunden ſind und
dadurch ein Hufeiſen bilden. Beide Schenkel ſind mit zahlreichen Windungen iſolirten
Kupferdrahtes umgeben, die ſo untereinander und mit der Stromquelle geſchaltet
werden, daß der Magnet an ſeinen oberen Enden einen Nord- und einen Südpol
erhält. Der Anker a des Elektromagnetes und der Schreibſtift s ſitzen an dem um
eine horizontale Axe drehbaren Hebel h h1. Das Spiel dieſes Hebels iſt durch

Figure 765. Fig. 761.

Relief-Schreiber.


die Contactſchrauben r und t (die Telegraphir- und die Ruhe-Contactſchraube)
begrenzt und kann durch Verſtellung derſelben regulirt werden. Zur Regulirung
der von dem Elektromagnete auf den Anker a ausgeübten Anziehung, entſprechend
der Stromſtärke, dient die Schraube b, deren Ende mit einer Spiralfeder verbunden
iſt, welche andererſeits an der nach abwärts gerichteten Verlängerung h2 des
Hebels h h1 befeſtigt wird. Es iſt einleuchtend, daß durch Drehen der Schraube b
in dem einen oder anderen Sinne die Spannung der Feder vergrößert oder
verkleinert und daher auch der Anziehung des Ankers durch den Magnet ein
größerer oder geringerer Widerſtand entgegengeſetzt wird.


[1004]

Die Schreibvorrichtung erkennen wir beſſer aus der Detailzeichnung in
Fig. 762 (übrigens bezeichnen in beiden Figuren gleiche Buchſtaben gleiche Theile).
Das Ende des Hebels bei h iſt der Länge nach geſpalten und in dieſen Spalt
die Schraube s eingeſetzt. Dieſe iſt an ihrem unteren Ende mit dem Schrauben-
kopfe s1 verſehen, um eine Auf- oder Abwärtsbewegung des Schreibſtiftes zu
ermöglichen. Nach oben endet der Stift s in einer ſtumpfen, aber glasharten Spitze,
welche dazu beſtimmt iſt, die Zeichen in das Papier einzudrücken. Iſt der Schreib-
ſtift in die richtige Lage gebracht, ſo wird er in dieſer durch Anziehen der Schraube n
erhalten, weil hierdurch die beiden Backen des Hebels h zuſammengedrückt werden.
Oberhalb der Spitze des Schreibſtiftes hängt in den Meſſingbügeln b b (der
rückwärtige iſt nicht gezeichnet) die um die Axe a2 drehbare Schreibwalze d, welche
bei B mit einer Nuth verſehen iſt, damit der Stift das über die Schreibwalze
laufende Papier leicht eindrücken kann.


Figure 766. Fig. 762.

Schreibvorrichtung.


Der Papierſtreifen iſt nach Art eines Seidenbandes zwiſchen zwei um m
(Fig. 761) drehbaren Meſſingſcheiben aufgeſpult. Letztere ſind an einem verticalen
Träger angebracht, der an dem viereckigen Gehäuſe des Räderwerkes befeſtigt iſt.
Bei dem durch die Figur dargeſtellten Modelle wird der Papierſtreifen ſeitlich von
der Wand des Gehäuſes an dem Schreibſtifte vorübergeführt (bei anderen Modellen
oberhalb der oberen Deckplatte). Der Papierſtreifen wird zwiſchen der Schreibwalze d
und der mit feinen Längsriefen verſehenen Walze w durchgeführt, welch letztere
um die Axe a drehbar iſt und durch das Räderwerk in Rotation verſetzt wird
(Fig. 762). Der Druck der Schreibwalze d auf die Walze w wird durch die
Feder q q regulirt. Dieſe iſt nämlich mit einem Ende auf der Axe p des früher
erwähnten Bügels b befeſtigt und legt ſich dann gegen das Metallſtück k, während
gegen das andere Ende die Schraube x drückt, durch deren Höher- oder Tiefer-
ſtellung der Druck regulirt werden kann. r r ſind zwei auf k verſchiebbar angebrachte
Metallſtücke, die durch die Schrauben y y in einer entſprechenden Stellung feſt-
geklemmt werden können und zur Führung des Papierſtreifens dienen. Um das
Ausſpringen desſelben zu verhindern, wird der Stift i durch die beiden Metall-
[1005] ſtücke geſteckt. Die Bewegung des einfachen Räderwerkes beſorgt eine Feder oder
ein Gewicht.


In welcher Weiſe durch den beſchriebenen Apparat die Zeichen zu Stande
kommen, bedarf wohl kaum mehr einer Erwähnung. So oft ein Strom durch den
Elektromagnet E E geſandt wird, zieht dieſer ſeinen Anker a an, wodurch der
Hebel h h1 bei h1 auf den Telegraphircontact gelegt wird, indeß der Stift s das
Papier in die Nuth B der Schreibwalze d eindrückt. Es entſteht ein vertiefter
Punkt, wenn der Strom nur äußerſt kurze Zeit anhält, es entſteht eine Linie,
wenn er länger dauert. Die Combinationen dieſer beiden Zeichen untereinander
geben die verſchiedenen Buchſtaben, Zahlen und Zeichen oder das Morſe-Alphabet;
ſo ſind z. B. für den internationalen Verkehr nachſtehende Zeichen eingeführt:


  • a . —
  • b — . . .
  • c — . — .
  • d — . .
  • e:
  • f . . — .
  • g — — .
  • h . . . .
  • i . .
  • k — . —
  • l . — . .
  • m — —
  • n — .
  • o — — —
  • p . — — .
  • q — — . —
  • r . —.
  • s . . .
  • t
  • u . . —
  • v . . . —
  • w . — —
  • x — . . —
  • y — . — —
  • z — — . .
  • 1 . — — — —
  • 2 . . — — —
  • 3 . . . — —
  • 4 . . . . —
  • 5 . . . . .
  • 6 — . . . .
  • 7 — — . . .
  • 8 — — — . .
  • 9 — — — — .
  • 0 — — — — —
  • . . . . . . .
  • ? . . — — . .
  • , . — . — . —
  • : — — — . . .
  • ! — — . . — —

Ferner ſind Zeichen vereinbart für á, é u. ſ. w., abgekürzte Zeichen für
Zahlen, Zeichen für den Dienſt, alſo z. B. für die Bezeichnung als Staats-
telegramm, Privattelegramm u. ſ. w.


Morſe’s urſprünglicher Apparat gab bereits gefärbte Zeichen (Bleiſtift-
zeichen, Seite 996) und auch ſpäter verſuchte man mehrfach die Reliefſchrift durch
Farbſchrift zu erſetzen, aus Gründen, auf welche wir weiter unten noch zurück-
kommen werden. Im Jahre 1854 gelang es endlich dem öſterreichiſchen Ingenieur-
Aſſiſtenten John an der Wiener Centrale einen brauchbaren Farbſchreiber her-
zuſtellen, der die Morſe-Zeichen in Schwarzſchrift gab. In Paris wurde John’s
Idee patentirt und von Digney \& Comp. in die Praxis eingeführt. Von anderen
Farbſchreibern nennen wir noch die von Lewert und Siemens.


Der in Frankreich allgemein in Verwendung ſtehende Farbſchreiber von
Digney iſt, wie Fig. 763 erkennen läßt, in ganz ähnlicher Weiſe gebaut wie
der Reliefſchreiber. Der Elektromagnet E des erſteren unterſcheidet ſich von dem
Elektromagnete des letzteren nur durch den bedeutend größeren Widerſtand. Anders
iſt jedoch der Schreibhebel h h1 geſtaltet. Dieſer trägt bei a einen cylindriſchen,
oben aufgeſchlitzten Anker aus weichem Eiſen und bei h die Feder f; ſeine Dreh-
axe d iſt in das Stück h2 gelagert. Den Ausſchlag des Hebels begrenzen wieder
die Schrauben r und t. Die Wirkung des Elektromagnetes auf den Anker wird
durch die Spiralfeder f1 bewirkt, welche durch den Bindfaden n an der Regulir-
ſchraube f2 befeſtigt iſt. Gegenüber dem etwas aufgebogenen Ende der Feder f
befindet ſich das Farbrädchen r, welches mit der durch das Räderwerk in
Umdrehung verſetzten Farbwalze w ſo in Contact ſteht, daß es durch die Reibung
gleichfalls an der Bewegung theilnehmen muß und dadurch an ſeinem Rande ſtets
mit friſcher Farbe verſehen wird; die blaue Farbe wird nämlich von Zeit zu Zeit
mittelſt eines Pinſels auf die Farbwalze aufgetragen. Der Papierſtreifen p wird
[1006] von der Scheibe S t über das Röllchen i geführt und geht dann zwiſchen der
Feder f und dem Farbrädchen r durch. Die Stellung der Feder zu dem Rädchen
kann durch die Schraube s regulirt werden.


Gelangt ein Strom in den Elektromagnet E, ſo zieht dieſer ſeinen Anker a
an, ſenkt dadurch den Hebelarm h1, indeß der Hebelarm h gehoben wird. Das
aufgebogene Ende der Feder f drückt hierbei den Papierſtreifen p p gegen das
Farbrädchen r, welches dann in blauer Schrift die uns bereits bekannten Zeichen
erzeugt.


Bei dem Farbſchreiber von Lewert iſt der Elektromagnet verſtellbar ein-
gerichtet und der Schreibhebel aus zwei beweglich miteinander verbundenen Theilen

Figure 767. Fig. 763.

Farbſchreiber von Digney.


gebildet. Um den Zweck der letztgenannten Anordnung einzuſehen, muß hier Nach-
ſtehendes eingeſchaltet werden. Man betreibt die Telegraphenleitungen in zweifacher
Weiſe, nämlich entweder mit Arbeitsſtrom oder mit Ruheſtrom. Beim Betriebe
durch Arbeitsſtrom iſt die Leitung im Ruhezuſtande ſtromlos und werden erſt zur
gewünſchten Zeit Ströme durch dieſelbe geſandt. Beim Betriebe durch Ruheſtrom
hingegen iſt die Leitung ſtets von einem Strome durchfloſſen und dieſer wird im
gewünſchten Momente unterbrochen. Soll nun eine Leitung in beiderlei Arten
betrieben werden können, ſo muß der betreffende Telegraphen-Apparat ſo eingerichtet
ſein, daß er ſowohl bei der einen, als auch bei der anderen Betriebsweiſe ſtets
die Zeichen in derſelben Form erzeugt. Dies zu erreichen iſt nun eben der Zweck
des oben erwähnten zweitheiligen gebrochenen Hebels. Warum wird nun aber
[1007] überhaupt mit Ruheſtrom gearbeitet? Hat man viele Stationen mit geringer
Correſpondenz in eine Stromleitung einzuſchalten, ſo müßte man, um ſtets gleiche
Stromſtärke zu erhalten, in jeder Station große Batterien zur Verfügung haben
oder beſondere Schaltungen für die einzelnen Stationen anwenden, um in beliebig
voneinander entfernten Stationen gleiche Schrift zu erhalten. (Ungleiche Strom-
ſtärken würden die Unzukömmlichkeit einer fortwährenden Regulirungsbedürftigkeit
der Apparate mit ſich bringen.) Hierdurch werden nicht nur die Koſten vermehrt,
ſondern auch die Apparate leicht verſagen können. Aus dieſen Gründen arbeitet
man daher auf Linien, in welche viele Stationen mit geringem Verkehre eingeſchaltet
ſind, mit Ruheſtrom. Hierbei verſieht man jede einzelne Station mit einer kleinen
Batterie, ſchaltet dieſe alle hintereinander und erreicht hierdurch ein gleichmäßiges
Anſprechen der Apparate, gleichviel ob es Nachbarſtationen oder weiter voneinander
entfernte Stationen ſind. Die Anwendung des Ruheſtromes geſtattet auch, mehrere

Figure 768. Fig. 764.

Brabender’s Schreibhebel.


zwiſchen zwei Endſtationen gelegene Zwiſchenſtationen ohne Batterie einzurichten,
was eine Vereinfachung der Anlage und den Ausſchluß von Störungen, die in
Folge unzweckmäßiger Behandlung der Batterie eintreten können, zur Folge hat.
Allerdings geſtattet aber der Ruheſtrom kein ſo ſchnelles Arbeiten, wie der
Arbeitsſtrom, iſt leichter Störungen durch Nebenſchließungen ausgeſetzt und begünſtigt
die Entſtehung von remanentem Magnetismus. Man verwendet daher den Arbeits-
ſtrom auf langen Linien mit wenigen, aber frequenten Stationen, den Ruheſtrom
auf kurzen Leitungen mit vielen, aber wenig frequenten Stationen.


Kehren wir nun wieder zu den Farbſchreibern zurück. Es wurde bereits
jener Einrichtungen des Schreibhebels gedacht, welche die Verwendung des Apparates
ſowohl in einer Ruhe- als auch in einer Arbeits-Stromleitung geſtattet. Fig. 764
zeigt die ebenſo einfache als zweckmäßige Einrichtung, die Poſtrath v. Brabender
dem Hebel gegeben hat. Auf dem bei a den Anker des Elektromagnetes tragenden
Hebel h h1 h2 iſt durch die Schraube e die Feder f befeſtigt; dieſe ſpaltet ſich an
ihrem freien Ende in die ungleich langen Zinken c und g. Der eigentliche Schreib-
[1008] hebel i b iſt um d drehbar befeſtigt. Die Lage der Feder e f wird durch die
Schraube s regulirt. Die Hauptfigur zeigt die Regulirung der Federſtellung für
Arbeitsſtrom. Wird nämlich der Anker a durch ſeinen Elektromagnet angezogen
und dadurch der Hebelarm h1 auf den Telegraphircontact t gelegt, ſo bewegt ſich
der Hebelarm h und daher auch die Feder f g nach oben; da i d auf g aufruht,
muß ſich auch das Hebelende i aufwärts bewegen, d. h. den Papierſtreifen an
das Farbrädchen andrücken: ſomit ſpricht der Apparat auf Arbeitsſtrom an. Wird
hingegen die Schraube s derart angezogen, daß hierdurch die Feder e f auf h
herabgedrückt wird, wie dies die Nebenfigur zeigt, ſo wird der um d' drehbare
Schreibhebel von der Zinke c' gefaßt und kommt dafür außer Berührung mit der
Zinke g'. Da die Anziehung des Ankers a auch in dieſem Falle ein Aufwärts-
bewegen von h' und ſomit auch von e' c' bewirkt, ſo muß ſich offenbar der
Hebelarm d' i' ſenken und dadurch den Papierſtreifen außer Contact mit dem
Farbrädchen bringen. Wird hingegen der Anker a nicht angezogen, d. h. durch
den Magnet und alſo auch durch die Leitung fließt kein Strom, ſo ſenkt ſich der
Hebelarm h' und mit ihm c' e'; die Zinke c' drückt daher den Arm d' b' herab,

Figure 769. Fig. 765.

Papierführung.


alſo d' i' nach oben und der Papierſtreifen wird an das Farbrädchen angedrückt:
ſomit ſpricht der Apparat bei Ruheſtrombetrieb an. Man hat alſo, um den Farb-
ſchreiber für Arbeits- oder für Ruheſtrombetrieb brauchbar zu machen, nur die
Regulirſchraube s in einem oder dem anderen Sinne zu drehen.


Beim Normal-Farbſchreiber ſind die Elektromagnete ebenſo wie beim Farbſchreiber
von Lewert verſtellbar befeſtigt; die Eiſenkerne beſitzen Polſchuhe und die Drahtwindungen
ſind mit einer Art Stöpſelumſchalter verbunden, welcher geſtattet, die Umwindungen beider
Schenkel nach Belieben hintereinander oder parallel zu ſchalten. Dies hat folgenden Zweck:
Der Widerſtand der Telegraphenleitung iſt gewöhnlich bedeutend geringer als derjenige der
eingeſchalteten Apparate. Um daher bei Ruheſtrombetrieb den Geſammtwiderſtand nicht zu
groß zu erhalten, ſchaltet man die Windungen der Elektromagnetſchenkel parallel zu einander
und vermindert in dieſer Weiſe ihren Widerſtand um das Vierfache. Die Schreibvorrichtung
des Normalfarbſchreibers, die gleichfalls für Ruheſtrom und für Arbeitsſtrom benützt werden
kann, unterſcheidet ſich hauptſächlich dadurch von den vorbeſchriebenen Farbſchreibern, daß
beim Normalfarbſchreiber nicht der Papierſtreifen gegen das Farbrädchen, ſondern dieſes von
unten her gegen den Papierſtreifen gedrückt wird. Das Farbrädchen iſt zu dieſem Behufe an
dem freien Ende des gebrochenen Schreibhebels drehbar gelagert.*) Es wird dadurch mit
[1009] Farbe verſehen, daß es mit ſeinem unteren Rande in einen unterhalb angebrachten Farbtrog
taucht. Auch die Papierführung iſt, wie Fig. 765 erkennen läßt, eine andere. Die Papierrolle P
iſt um eine verticale Axe drehbar in einer ausziehbaren Lade L des Grundbrettes K des
Apparates angebracht. Von hier aus wird der Papierſtreifen über die Rolle r und den Stift s
durch den Schlitz s1 der Schreibvorrichtung zugeführt.


Nicht unerwähnt können wir hier die polariſirten Farbſchreiber laſſen; der erſte
derartige Apparat wurde von Siemens behufs Aufnahme automatiſch verſandter [Telegramme]
conſtruirt. Er unterſcheidet ſich von den gewöhnlichen Farbſchreibern hauptſächlich durch die
Conſtruction der Elektromagnete und des Schreibhebels. Der Magnet ſtellt die Vereinigung
eines permanenten und eines Elektromagnetes dar Der permanente Magnet, der bei S S
(Fig. 766) ſeinen zweitheiligen Südpol beſitzt, iſt an dem entgegengeſetzten (rückwärtigen) Ende
mit den Eiſenkernen des Elektromagnetes E E' verbunden und ertheilt dieſen, ſolange die
Drahtwindungen ſtromlos bleiben, Nordmagnetismus. Die verſtellbaren Polſchuhe N N' ſind
alſo im Ruhezuſtande des Apparates nordmagnetiſch. In den Raum zwiſchen dieſe beiden
Pole ragt der eine (der rechtsſeitige) Arm des um B drehbaren Schreibhebels C C hinein.
Dieſer Theil beſteht aus weichem Eiſen und bildet den Anker des Magnetes. In Folge ſeine

Figure 770. Fig. 766.

Polariſirter Farbſchreiber.


Lage wird er durch Influenz ſüdmagnetiſch. Der linksſeitige Hebelsarm trägt das Farb-
rädchen J. Stellt man den Anker, deſſen Bewegung durch die Contactſchrauben D D' begrenzt
iſt, derart, daß beide Nordpole auf ihn gleich ſtark einwirken, ſo befindet er ſich in der Mitte
zwiſchen beiden in einer gewiſſermaßen ſchwebenden Lage. Er muß deshalb bei der geringſten
Aenderung der Anziehungskraft eines dieſer Pole in dem einen oder andern Sinne bewegt
werden. Gelangt ein Strom in die Drahtwindungen des Elektromagnetes, ſo entſteht in dem
einen Eiſenkerne desſelben Nord-, in dem andern Südmagnetismus. Da aber beide Kerne
conſtanten Nordmagnetismus (durch den permanenten Magnet) beſitzen, ſo muß offenbar in
dem einen Kerne der Nordmagnetismus verſtärkt werden, während in dem andern Schenkel
der durch den Strom erregte Südmagnetismus den ſchon vorhandenen Nordmagnetismus
compenſiren, eventuell ſogar einen Südpol erzeugen wird. Die Folge davon iſt, daß ſich der
Anker nach dem erſterwähnten Pole hin bewegt, weil nun einerſeits deſſen verſtärkter Nord-
magnetismus auf den ſüdmagnetiſchen Anker wirkt und andererſeits der zweite Pol durch
Compenſation ſeines Nordmagnetismus die Anziehungskraft verloren hat oder gar durch
Umkehrung des Nordmagnetismus in Südmagnetismus eine abſtoßende Wirkung ausübt.
Es iſt einleuchtend, daß durch dieſe Einrichtung eine große Empfindlichkeit des Apparates
Urbanitzky: Elektricität. 64
[1010] erreicht wird, und zwar umſomehr, als auch die Zahl der Elektromagnetwindungen eine
erhebliche iſt. (Der Widerſtand der Elektromagnete beträgt 500 bis 600 Siemens-Einheiten.)


Stellt man den Anker derart ein, daß er dem einen Pole näher ſteht als dem andern,
ſo wird er vom erſteren Pole ſtärker angezogen als vom letzteren. Schickt man nun einen
Strom von einer beſtimmten Richtung durch die Drahtwindungen des Elektromagnetes, ſo
wird die Anziehung des dem Anker näheren Poles verſtärkt und der Anker ſtärker an die
betreffende Contactſchraube gedrückt; beſitzt der Strom die entgegengeſetzte Richtung, ſo wird
der Anker auf die andere Contactſchraube geworfen.


Um mit dieſem Farbſchreiber in gewöhnlicher Weiſe, d. h. mit gleichgerichteten Strömen
zu arbeiten, ſtellt man den Polſchuh N durch die Schraube F ſo ein, daß er kräftiger wie der
Pol N' auf den Anker wirkt. Letzterer muß ſich daher an den Contact D legen. Sendet man
dann einen Strom entſprechender Richtung durch den Elektromagnet, ſo wird der Nord-
magnetismus von N' verſtärkt, der Anker bewegt ſich nach abwärts, legt ſich auf den Telegraphir-
Contact D' und drückt das Farbrädchen gegen den Papierſtreifen; es entſteht das gewünſchte
Zeichen. Bei hierauf folgender Unterbrechung des Stromes kommt die überwiegende Kraft
des Poles N wieder zur Geltung und der Anker geht auf den Contact D zurück. Der polari-
ſirte Farbſchreiber geſtattet aber auch den Betrieb mit Wechſelſtrömen. Hierzu ſtellt man den
Anker s s derart ein, daß beide Pole N N' gleich ſtark auf ihn wirken, er alſo ſchwebend erhalten
wird. Sendet man jetzt einen Strom beſtimmter Richtung durch den Elektromagnet, ſo wird
N' verſtärkt, N geſchwächt und der Anker auf D', das Farbrädchen gegen den Papierſtreifen
drückend, geworfen. In dieſer Lage verharrt der Anker, ſo lange derſelbe Strom andauert.
Sendet man nun einen Strom entgegengeſetzter Richtung in den Apparat, ſo wird N verſtärkt,
N' geſchwächt und der Anker bewegt ſich gegen D, wodurch der Papierſtreifen außer Berührung
mit dem Farbrädchen kommt. In der letztbeſchriebenen Weiſe wird der Apparat als ſogenannter
Schnellſchreiber für automatiſch verſandte Zeichen benützt.


Unter den im Obigen beſchriebenen Apparaten zeichnen ſich die Relief-
ſchreiber durch ihre Einfachheit und damit verbundene Betriebsſicherheit aus. Die
Schreibvorrichtung verſagt auch bei geringer Benützung oder in ſtaubigen Localen
nicht, wie dies bei Farbſchreibern durch Eintrocknen oder Verſchmieren der Farbe
vorkommen kann. Da ferner die Zeichen des Reliefſchreibers nur bei einem beſtimmten
Lichteinfalle ſichtbar und dann blendend ſind, veranlaſſen ſie den Beamten, die
Telegramme nach dem Gehör aufzunehmen; es iſt dies ein Vortheil, weil die
Praxis gezeigt hat, daß geübte Telegraphiſten ſicherer nach dem Gehör, als nach
dem Geſichte arbeiten. Ein Nachtheil des Reliefſchreibers iſt es hingegen, daß ein
verhältnißmäßig ſtarker Strom erforderlich iſt, um deutliche Zeichen mit Sicherheit
zu erhalten. Dieſer Anforderung kann, wegen der in langen Leitungen vorhandenen
Nebenſchließungen und damit verbundenen Stromſchwächungen, nur durch Anwen-
dung ſtarker Batterien oder durch Anwendung von Relais (die wir weiter unten
kennen lernen werden) entſprochen werden. Das letzterwähnte Auskunftsmittel ver-
theuert aber nicht nur die Anlage, ſondern complicirt auch den Geſammtapparat
und ſchafft hierdurch Gelegenheit zu Betriebsſtörungen. Ferner erwies ſich die
Einrichtung eines gebrochenen Schreibhebels (für Ruhe- und Arbeitsſtromleitung)
als undurchführbar und iſt man bei ſchnellem Arbeiten der Verſtümmelung der
Zeichen ausgeſetzt.


Bei den Farbſchreibern hingegen genügt ſchon eine ſchwache Wirkung des
Elektromagnetes, um die farbigen Zeichen vollkommen ſicher hervorzubringen, da
ein ſchwacher Druck auf den Papierſtreifen ausreicht. Unregelmäßigkeiten ſind auch
bei ſchnellem Arbeiten nicht zu befürchten, weil eben dieſer ſchwache Druck nicht
im Stande iſt, das Räderwerk zu bremſen und dadurch eine unregelmäßige Bewegung
des Papierſtreifens hervorzurufen, wie dies beim kräftig aufdrückenden Stifte des
Reliefſchreibers geſchehen kann. Die Farbſchreiber können auch, wie wir geſehen
haben, ſowohl auf Ruheſtrom-, als auch auf Arbeitsſtrom-Leitungen benützt werden.
In Folge der weſentlichen Ueberlegenheit der Farbſchreiber über die Reliefſchreiber
[1011] ſind auch letztere von den erſteren faſt völlig verdrängt; dieſe ſtehen daher bei allen
Verkehrsanſtalten von irgend nennenswerther Bedeutung in Anwendung. Letztere
ſichert ihnen namentlich die Zuverläßlichkeit und Geſchwindigkeit der Zeichenüber-
mittlung, alſo die beſſere Ausnutzung der Leitung. Was endlich die polariſirten
Farbſchreiber anbelangt, ſo beſitzen ſie allerdings namhafte Vortheile gegenüber den
gewöhnlichen Farbſchreibern und können daher auch als Empfänger für automatiſche
Telegraphie mit Erfolg benützt werden. Daß ſie den Normalfarbſchreiber nicht ver-
drängen, hat in der beſonderen Schaltung der Magnetwindungen und den dadurch
nicht ſelten verurſachten Betriebsſtockungen ſeinen Grund.


In unſere bisherigen Betrachtungen haben wir nur jene Apparate einbezogen,
welche zur Aufnahme der von einer Station in die andere abgeſandten Ströme
dienen und die Zeichenſchrift erzeugen; es tritt daher jetzt an uns die Anforderung,
auch jene Vorrichtungen kennen zu lernen, durch welche die Stromſendung in ſicherer
und bequemer Weiſe ermöglicht wird. Man verwendet hierzu die ſogenannten
Taſter oder Morſe-Schlüſſeln, Apparate, die zwar ſehr verſchiedene äußerliche
Formen erhalten haben, im Principe jedoch nicht voneinander abweichen. Die
Beſchreibung eines ſolchen (und zwar
eines neueren für gleichgerichtete Ströme)
wird daher genügen.


Auf einem Grundbrette A
(Fig. 767) ſind die drei Meſſing-
ſchienen N M und V befeſtigt. Die
Mittelſchiene iſt zur Lagerung der Axe B
mit den beiden Meſſingbacken D D'
verſehen. Um dieſe Axe kann der Hebel
b b' mit Hilfe des Ebonitknopfes G
gedreht werden. In die beiden äußeren
Schienen N und V ſind bei c und a
Stahl- oder auch Platincontacte ein-
geſchraubt; a nennt man den Arbeits-

Figure 771. Fig. 767.

Morſe-Schlüſſel.


oder Telegraphircontact und b den Ruhecontact. Dem Arbeitscontacte a
gegenüber iſt auch am Hebel b b' ein Stahl- oder Platincontact befeſtigt. Dem
Ruhecontacte c gegenüber iſt der Hebel ausgebohrt und mit einer Schrauben-
mutter verſehen, in welche die Schraube S eingeſenkt iſt, deren Stellung durch
die Gegenmutter s fixirt werden kann. Dieſe Vorrichtung ermöglicht die Regulirung
der Hubhöhe des Hebels b b'. Auch die Beweglichkeit der Hebelaxe B kann ent-
ſprechend regulirt werden. Zu dieſem Behufe iſt B an den beiden Enden koniſch
ausgebohrt und in dieſe Ausbohrungen ragen die Spitzen zweier Stahlſchrauben,
welche durch den oberen Theil der Backen D D' gehen. Während nun die Stahl-
ſchraube in D feſt angezogen iſt, läßt ſich jene in der geſpaltenen Backe D' verſtellen;
die Lage der letzteren wird, ſobald auf die gewünſchte Beweglichkeit der Axe
regulirt iſt, fixirt, indem man durch Anziehen der Schraube x die beiden Backen-
hälften zuſammenpreßt. Der Stift, der bei f den Hebel b b' durchſetzt, trägt an
dem unten herausragenden Ende eine Spiralfeder, deren zweites Ende an der
Mittelſchiene M befeſtigt iſt. Die Feder hat die Aufgabe, den Hebel b b' immer auf
den Ruhecontact herabzulegen. Ihre Spannung kann durch Heben oder Senken
des Stiftes f, der dann in der gewünſchten Lage durch eine (in der Figur nicht
ſichtbare) Schraube feſtgeklemmt wird, regulirt werden.


64*
[1012]

Es wurde bereits erwähnt, daß man den Reliefſchreiber mit einem Apparate
verbindet, welchem die Arbeit zufällt, die aus der Linie ankommenden Ströme
aufzunehmen und dann durch Einſchaltung einer Localbatterie den Schreibapparat
in Thätigkeit zu ſetzen; letzterer wird in dieſer Weiſe ſtets durch gleich ſtarke (von
der Entfernung der Abſendeſtation unabhängige) Ströme betrieben. Hierin beſteht
eine Aufgabe, welche das Relais zu löſen hat. Eine zweite Verwendungsart
findet es dadurch, daß es die anlangenden Ströme aufnimmt und automatiſch der
Endſtation zuſendet, ohne den Schreibapparat der Zwiſchenſtation in Thätigkeit zu
ſetzen. Die Relais erhielten zwar mannigfache Conſtructionen, doch kann man alle in
die zwei Gruppen gewöhnliche oder nicht polariſirte und polariſirte und polariſirte Relais einreihen.


Eines der älteſten nicht polariſirten Relais iſt das amerikaniſche (Fig. 768).
Auf dem Grundbrette A A iſt die Meſſingplatte a a aufgeſetzt. Dieſe trägt die
Elektromagnetſchenkel E E, deren Eiſenkerne unten durch das eiſerne Verſchluß-
ſtück m miteinander verbunden ſind. Die Säule b trägt die Lager für den Hebel c
mit ſeinem Anker k. Das Spiel dieſes Hebels wird durch die Contactſchrauben e f

Figure 772. Fig. 768.

Amerikaniſches Relais.


begrenzt, welche von dem iſolirt auf die Platte a aufgeſchraubten Ständer d
getragen werden. Das Abreißen des Ankers beſorgt die Spiralfeder h1, deren
Spannung durch Verſchieben des Gleitſtückes g1 auf dem Träger g g regulirt
werden kann. Dieſer Träger iſt mit der Klemmſchraube h verbunden, während
die einen Contactſtift tragende Schraube e mit i in leitender Verbindung ſteht.
Die Schraube c iſt mit einer Elfenbeinſpitze verſehen und übt daher auf den
Stromlauf keine Wirkung aus. Bei i und h ſchließt der Localſtromkreis, welcher
die Localbatterie und den Schreib-Apparat enthält, an.


Gelangt nun ein Linienſtrom, wenn auch von ſehr geringer Kraft, in die
zahlreichen Windungen des Elektromagnetes E E1, ſo wird er doch genügen, den
leicht beweglichen Hebel c durch Anziehung des Ankers k auf den Contact e zu
legen. Dadurch erſcheint aber der Localſtromkreis geſchloſſen, denn jetzt gelangt der
Strom von der Localbatterie aus durch die Klemme h in den Träger g, von
hier durch die Feder h1 und den Hebel c in die Contactſchraube e, fließt durch
den Ständer d zur Klemme i, von wo aus er in den Reliefſchreiber gelangt, der
ebenfalls mit der Localbatterie verbunden iſt. Da dies jeder im Relais ankommende
Linienſtrom bewirkt, ſo ſendet das Relais für jeden ſchwachen Linienſtrom einen
[1013] kräftigen Localſtrom in den Schreib-Apparat und veranlaßt hierdurch die Erzeu-
gung einer deutlichen Schrift, gleichviel, ob die zeichengebende Station ſich in
großer oder geringer Entfernung befindet.


Dieſelben Gründe, welche zur Conſtruction polariſirter Schreibapparate
Veranlaſſung gaben, führten auch zur Conſtruction der polariſirten Relais. Das
polariſirte Relais von Siemens iſt in Fig. 769 abgebildet. Auf dem horizontalen
Schenkel des rechtwinkelig abgebogenen permanenten Magnetes N S S iſt, wie beim
polariſirten Farbſchreiber, unter Vermittlung des Verſchlußſtückes m der Elektro-
magnet E E aufgeſetzt. Auf der Deckplatte A tragen die durchragenden Elektro-
magnetkerne verſchiebbare Polſchuhe b b, welche in der gewünſchten Stellung durch
Anziehen der, ihre Schlitze durchſetzenden, Schrauben c c feſtgelegt werden können.
Den Anker bildet der, vorne zungenartig zugeſpitzte, Hebel z, deſſen Drehaxe a in
dem geſpaltenen Südpole S S des permanenten Magnetes gelagert iſt. Das Spiel
des Hebels begrenzen die Con-
tactſchrauben r t, welche durch
das Hartgummiſtück k k iſolirt
ſind und durch den Schlitten g
mit Hilfe der Schraube d ver-
ſtellt werden können. Da der
Elektromagnet I auf dem Nord-
pole des permanenten Magnetes II
aufſitzt, ſind die Pole b b nord-
magnetiſch, während die zwiſchen
ihnen ſpielende Zunge z, wegen
ihrer Verbindung bei a mit
dem Südpole des permanenten
Magnetes, Südmagnetismus
zeigen muß. Durch Stellung der
Zunge zu den Polen hat man
es in der Hand, den einen oder
den andern Pol überwiegen oder
beide gleich ſtark wirken zu laſſen;

Figure 773. Fig. 769.

Polariſirtes Relais.


der Hebel liegt dann an der einen oder andern Contactſchraube an oder ſchwebt
in der Mitte zwiſchen beiden, geradeſo wie dies bereits bei Beſchreibung des
polariſirten Farbſchreibers erörtert wurde (Seite 1010).


Die auf langen Linien benützten Relais werden durch Vermehrung der
Drahtwindungen ihrer Elektromagnetſchenkel ſehr empfindlich, ſo daß ſie auch auf
die ſchwächſten Ströme ſicher anſprechen. Die von dem Elektromagnete ausgeübte
Anziehungskraft hängt nämlich von der Zahl der Windungen und von der Strom-
ſtärke ab; letztere wird für eine und dieſelbe Stromquelle durch die Größe des
Widerſtandes im Geſammtſtromkreiſe beſtimmt. Bei ſehr langen Leitungen wird die
Vermehrung der Drahtwindungen auf dem Elektromagnete viel raſcher die
Anziehungskraft des letzteren vermehren, als durch den hierdurch auch vergrößerten
Widerſtand des Geſammtſtromkreiſes die Stromſtärke verringert wird, weil eben
die Vermehrung des Widerſtandes im Elektromagnete im Verhältniſſe zu dem Wider-
ſtande der langen Leitung gering iſt und daher auch auf den Geſammtwiderſtand
keinen ſo erheblichen Einfluß ausübt. Deshalb beſitzt auch das polariſirte Relais
von Siemens einen Widerſtand von 1200 Siemens-Einheiten.


[1014]

Zur Vervollſtändigung eines ſogenannten Morſe-Syſtemes gehören außer
den bereits beſchriebenen Apparaten noch ein Galvanoſkop und eine Blitzſchutz-
vorrichtung
. Das Galvanoſkop hat anzuzeigen, ob ein Strom in der Leitung
iſt oder nicht, welche Richtung er beſitzt und ob vielleicht die Apparate nicht richtig
eingeſtellt ſind oder ein Fehler in der Leitung beſteht. Das Galvanoſkop kann dies
leiſten, da es viel empfindlicher iſt als die Telegraphenapparate, daher noch
fungirt, wenn letztere nicht mehr anſprechen. In der Telegraphie werden ſowohl

Figure 774. Fig. 770.

Blitzplatte.


ſtehende, als auch liegende Galvanoſkope,
d. h. Apparate, deren Nadeln um horizontale
oder um verticale Axen ſchwingen, benützt.
Von einer Beſchreibung derſelben an dieſer
Stelle kann jedoch abgeſehen werden, da
wir derartige Inſtrumente bereits kennen
gelernt haben.


In ähnlicher Weiſe, wie bei Tele-
phonleitungen, die außerhalb von Gebäuden
geführt werden, müſſen auch bei Tele-
graphenleitungen Blitzſchutz-Vorrich-
tungen
zur Anwendung gelangen. Jede
in einer Station einlangende oder von
ihr ausgehende Luftleitung muß, um
Menſchen und Apparate zu ſchützen, mit
einem Blitzableiter verbunden ſein. Man
hat dieſen Blitzableitern verſchiedene Formen
gegeben; ſo beſteht Bréguet’s Blitz-
ableiter aus Meſſingplatten, deren gezahnte
Ränder einander ſehr nahe gegenüber-
ſtehen. (Vergl. Seite 927, Fig. 692 B.)
Einer ſehr verbreiteten Anwendung erfreuen
ſich gegenwärtig die Blitzplatten von
Siemens \& Halske. Auf einem guß-
eiſernen Grundgeſtelle G G (Fig. 770)
ſind, durch eine Hartgummiplatte von
ihrer Unterlage iſolirt, zwei gleichfalls
gußeiſerne, an ihrer Oberfläche geriefte
Platten P1 P2 befeſtigt. Dieſen gegenüber
befindet ſich die an ihrer unteren Fläche
geriefte Gußeiſenplatte D. Die Riefen der
unteren Platten ſind von jenen der Deck-
platte ungefähr 0·5 Millimeter weit entfernt. Stahlzapfen s s dienen zum ſicheren
Aufſetzen der Deckplatte auf das Grundgeſtelle; dieſes und ſomit auch die Deck-
platte ſtehen mit der Erdleitung E in Verbindung, während an die Platte P1
eine Linienleitung L und eine Apparatenleitung A und an die Platte P2 die andere
Linien- und Apparatenleitung (L1 und A1) angeſchloſſen ſind. Somit kann alſo
z. B. der durch die Linienleitung ankommende Strom von L1 über die Platte P2
und durch A1 zum Apparate gehen, von wo aus er zur Erde abfließt, oder
durch A, die Platte P1 und die Leitung L zur nächſten Station weitergeht. Eine
durch L1 anlangende Entladung atmoſphäriſcher Elektricität wird jedoch den
[1015] kürzeren Weg wählen, d. h. von der Platte P2 auf die Platte D überſpringen
und zur Erde abfließen.


Die Blitzplatte von Siemens kann gleichzeitig als Linienwechſel verwendet
werden. Zu dieſem Behufe dienen die Bohrungen 1, 2 und 3 und der Stöpſel S,
welcher für gewöhnlich in einer Bohrung des in die Platte D eingeſchraubten
Holzknopfes K ſteckt. Setzt man nämlich den Stöpſel S in die Bohrung 1 ein,
ſo iſt hierdurch die Platte P1 mit D verbunden, d. h. die Linienleitung L und
die Apparatenleitung A ſind an die Erde gelegt. Dasſelbe erfolgt für die Leitungen
L1 und A1 durch Stöpſelung des Loches 2. Setzt man den Stöpſel in die
Bohrung 3 ein, wobei der erſtere durch eine hinreichend weite Oeffnung der
Platte D geht, um dieſe nicht zu berühren, ſo verbindet man dadurch die Platten
P1 und P2 untereinander, oder, was dasſelbe beſagt, die Linienleitungen L und L1
mit Ausſchluß der eigenen Stationsapparate. Die ſoeben beſchriebene Blitzplatte
iſt gewöhnlich mit einem Holzgehäuſe H H bedeckt, welches an dem Apparatentiſche
feſtgeſchraubt wird. Dieſes Gehäuſe iſt nur mit einer Oeffnung oberhalb des
Loches 3 verſehen.


Figure 775. Fig. 771.

Morſe-Schaltung.


Wir wollen uns mit der Beſchreibung dieſer Blitzſchutzvorrichtungen begnügen
und nur noch bemerken, daß die ebenfalls in Anwendung ſtehenden Blitzſtege
im Weſentlichen aus einander gegenübergeſtellten Metallſpitzen beſtehen, die in
analoger Weiſe mit den Leitungen und der Erde verbunden ſind.


Um von der Wirkungsweiſe eines Morſe-Syſtemes ein vollſtändiges Bild
zu erhalten, erübrigt uns noch, die Schaltung der einzelnen Apparate unter-
einander und mit den Apparaten einer zweiten Station oder den Stromlauf zu
betrachten. Die Verbindungsweiſe der Apparate hängt davon ab, ob man mit
Arbeits- oder Ruheſtrom, mit oder ohne Relais arbeiten will und ob die beiden
Stationen End- oder Zwiſchenſtationen ſind. Den Stromlauf für zwei End-
ſtationen, welche mit Relais und Arbeitsſtrom arbeiten, ſtellt die ſchematiſche
Fig. 771 dar; Blitzableiter und Galvanoſkop ſind hierbei weggelaſſen. Es
bezeichnen M und m die Morſe-Schlüſſel, O o die Telegraphircontacte, P p die
Ruhecontacte, R r die Magnete der Relais, N n die Contacthebel derſelben,
R1 r1 die Elektromagnete der Schreibapparate, C Z und c z die Linienbatterien
und C1 Z1 und c1 z1 die Localbatterien beider Stationen, die durch die Leitung L
und die Erdleitungen E E miteinander verbunden ſind.


[1016]

Hat die eine Station der anderen eine Depeſche zu überſenden, ſo erfolgt
dies in nachſtehender Weiſe. Die entſprechenden Zeichen werden mit dem Morſe-
Schlüſſel der betreffenden Station, alſo z. B. mit dem Schlüſſel M gegeben. Durch
Niederdrücken dieſes Schlüſſels auf O iſt dann folgender Stromkreis geſchloſſen:
Von dem einen Pole C der Linienbatterie aus fließt der Strom über O M durch
die Linienleitung in die zweite Station, geht dort über m p in den Elektromagnet r
des Relais und fließt hierauf zur Erde ab. Der andere Batteriepol Z der Abſende-
ſtation iſt gleichfalls an die Erde gelegt. Der Elektromagnet r zieht ſeinen Anker
an, wodurch der Contact bei n hergeſtellt und der Localſtromkreis der Empfangs-
ſtation geſchloſſen wird. Der Strom geht nämlich von dem einen Pole z1 der
Localbatterie über n und durch die Leitung l1 in den Elektromagnet r1 des Schreib-
apparates und von hier zum zweiten Pole c1 der Localbatterie zurück. Nun zieht

Figure 776. Fig. 772.

Morſe-Schaltung.


der Magnet des Schreib-Apparates ſeinen
Anker an, drückt dadurch den Schreibſtift
oder das Farbrädchen gegen den Papier-
ſtreifen und bildet das gewünſchte durch
den Schlüſſel M gegebene Zeichen. Beim
Rückgange des Schlüſſes auf den Ruhe-
contact oder überhaupt im Ruhezuſtande
des Apparates iſt die Leitung, wie man
aus der Figur leicht erſehen kann, ſtromlos.


Die Farbſchreiber werden in der
Regel ohne Relais verwendet; in dieſem
Falle hat man ſich in dem Schema das
Relais und die Localbatterie weggelaſſen
und an Stelle dieſer den Farbſchreiber
geſchaltet zu denken.


Die Schaltung eines Endamtes für
Ruheſtrombetrieb und mit Anwendung
eines Relais zeigt Fig. 772. In dieſem
Schema iſt auch eine Blitzplatte B und
ein Galvanoſkop G gezeichnet. Der durch L
ankommende Strom geht über 2 in die
Lamelle b b der Blitzplatte B, durch die
Linienbatterie B1, zum Galvanometer G,
durch den Taſter T, an deſſen Ruhecontact der Elektromagnet des Relais angeſchloſſen
iſt, durch dieſes und die Lamelle a a des Blitzableiters über 1 zur Erde. Wird
nun dieſer Ruheſtrom unterbrochen, ſo zieht die Feder R des Relais den Hebel
von dem Contacte c ab und legt ihn auf den Contact d; hierdurch iſt aber der
Localſtromkreis in folgender Weiſe geſchloſſen: Der Strom fließt von der Local-
batterie B2 aus über 5 nach d, durch R in den Schreibapparat A und von
hier über 6 zur Batterie zurück. Somit wird alſo durch jede Stromunterbrechung
in der Linienleitung ein Zeichen im Schreibapparate der Endſtation erzeugt.


Iſt hingegen die in Rede ſtehende Station keine Endſtation, ſondern eine
Zwiſchenſtation, ſo muß die Schaltung eine kleine Aenderung erfahren. Für
Ruheſtrombetrieb unter Anwendung eines Relais iſt dieſe Aenderung in Fig. 772
durch ſchwächer gezogene Linien angedeutet. Die ganze Aenderung beſteht übrigens
darin, daß die Lamelle a der Blitzplatte nicht durch Verbindung mit 1 an die
[1017] Erdleitung gelegt wird, ſondern daß man vielmehr a an die Linienleitung L1
anſchließt, wodurch alſo das Zwiſchenamt in eine Schleife der Linienleitung L L1
geſchaltet erſcheint. In Telegraphenſtationen endlich, in welchen mehrere Leitungen
vorhanden ſind, verwendet man, um das Vermitteln von Telegrammen zu vermeiden,
Umſchalter; als ſolche dienen die bekannten Stöpſelumſchalter.


Der Hughes-Apparat.

Der Hughes-Apparat gehört zu jener Claſſe von Telegraphenapparaten,
welche bleibende Zeichen erzeugen, jedoch nicht in einer eigenen Telegraphenſchrift,
ſondern in der gewöhnlichen Druckſchrift. Da von allen derartigen Typendruck-
Apparaten
der Hughes-Apparat, namentlich in Europa, die weitaus größte
Anwendung gefunden hat, ſoll auch nur dieſer hier beſchrieben werden.


Der Hughes-Apparat iſt zwar, dank ſeiner überaus ſorgfältigen und
gründlich durchgebildeten Conſtruction, ein ausgezeichnet und verläßlich arbeitender
Apparat geworden, bildet aber nun auch einen ſehr complicirten Mechanismus.
Es iſt daher nicht möglich, hier mehr als eine allgemeine Beſchreibung zu geben,
um ſo doch wenigſtens eine beiläufige Vorſtellung von dem höchſt wichtigen
Apparate zu erhalten. Eine perſpectiviſche Anſicht des Geſammtapparates giebt
Fig. 773. Auf der vorderen Seite des Apparatentiſches erblickt man das Taſten-
werk, beſtehend aus 28 ſchwarzen und weißen Taſten, durch deren Anſchlagen die
Stromgebung erfolgt. Dieſe Taſten ſind, mit Ausnahme der erſten und fünften*)
weißen Taſte (von links aus gezählt), alle mit Buchſtaben, Zeichen und Zahlen
bezeichnet. Hinter den Taſten iſt auf der Tiſchfläche die Contactvorrichtung D mit
dem Contactſchlitten C, der um die Axe a rotirt, angebracht. Dieſer Schlitten
wird von einem, durch ein ſchweres Gewicht betriebenen Uhrwerke in vollkommen
gleich ſchnelle Rotation verſetzt wie das TypenradF, an deſſen Umfange die
Buchſtaben, Zahlen und Zeichen reliefartig angebracht ſind. Die Farbrolle K
verſieht das Typenrad mit der nöthigen Druckfarbe, und ein hinter dem Typenrade
angebrachtes Correctionsrad behebt etwa eintretende Unregelmäßigkeiten im
Gange des Apparates. Links von dem Räderwerke befindet ſich der Magnet E,
der ſeinen Anker p losläßt, ſobald ein Strom entſprechender Richtung und Stärke
die Drahtwindungen durchfließt. Das Abſchnellen des Ankers unter Mitwirkung
einer an dem Winkelhebel r angebrachten Feder hebt das ſichtbare (linke) Ende
des zweiarmigen Hebels l, deſſen rechter Arm hierdurch das Druckwerk auslöſt.
Der Papierſtreifen läuft von der Rolle auf der rechten Seite des Apparates unter
dem Typenrade weg und wird im geeigneten Momente durch Aufwärtsbewegung
der Druckrolle M gegen den unteren Rand des Typenrades gedrückt. Zur Sicherung
einer gleichförmigen Bewegung iſt auch noch ein ſchweres Schwungrad V angebracht.


Wie man hieraus erſieht, ſind Sender und Empfänger zu einem Apparate
vereinigt; die Abſende- und Empfangsſtation ſind mit ganz gleichen Apparaten
ausgerüſtet, und in beiden Stationen bewegen ſich der Schlitten und das Typen-
rad in vollkommen ſynchronem Gange. Es wird dies durch eine eigenthümliche
Pendelvorrichtung bewirkt, auf die wir nicht näher eingehen können. Die Wirkungs-
[1018] weiſe des Apparates iſt folgende: Wird eine Taſte des Sende-Apparates nieder-
gedrückt, ſo hebt der mit ihr verbundene Hebel einen unterhalb der Scheibe D
befindlichen Stift; letzterer ragt dann durch einen der rechteckigen Ausſchnitte,
welche am Umfange der Scheibe angebracht ſind, hervor und trennt dadurch die
zwei miteinander beweglich verbundenen Theile, welche den Schlitten C zuſammen-
ſetzen. Hierdurch wird die Verbindung der Linienbatterie mit der Linienleitung
hergeſtellt, alſo ein Strom in die Leitung und in den Apparat der Empfangs-
ſtation geſandt. Daſelbſt gelangt er in die Drahtwindungen des Elektromagnetes,
welcher vorher durch Einwirkung eines permanenten Magnetes hinreichende
Anziehungskraft beſaß, um den Anker p feſtzuhalten. Der ankommende Strom
neutraliſirt aber dieſen Magnetismus und geſtattet dadurch der Abreißfeder, den Anker
aufwärts zu ſchnellen. Letzterer wirkt nun auf den Hebel l und dieſer veranlaßt

Figure 777. Fig. 773.

Hughes’ Typendruck-Telegraph.


das Druckwerk zur Function. Iſt alſo z. B. in der Abſendeſtation die mit A
bezeichnete Taſte niedergedrückt worden, ſo gelangt wegen der ſynchronen Bewegung
der Apparate beider Stationen gerade in jenem Momente ein Strom in die
Empfangsſtation, in welchem ſich der Buchſtabe A der Typenräder beider
Stationen an der tiefſten Stelle (der Druckwalze M gegenüber) befindet. Der
Strom kann gerade nur in dieſem Momente durch die Leitung zum Empfangs-
Apparate fließen, weil auch die Schlitten ſich ſynchron mit den Typenrädern bewegen
und daher die Herſtellung des Stromſchluſſes nur in jenem Momente erfolgen kann,
in welchem der Schlitten über den der Taſte A entſprechenden Ausſchnitt der
Scheibe D gleitet. Dann aber wird der in der Empfangsſtation abgeſchnellte Anker p
durch den Hebel l das Druckwerk in Bewegung ſetzen; die Druckwalze M drückt
den Papierſtreifen gegen das Typenrad und es entſteht der Buchſtabe A.


Die Einrichtung des Stiftgehäuſes und des Schlittens mit ſeiner
Contactvorrichtung erſehen wir aus der Fig. 774, in welcher das erſtere im
[1019] Schnitte dargeſtellt iſt. D D iſt die am Apparatentiſche T befeſtigte Scheibe mit
den rechteckigen Oeffnungen o an ihrem Umfange, deren jede einer Taſte entſpricht.
Dieſe Scheibe bildet die Deckplatte des Stiftgehäuſes G G, welches am unteren
Rande ſeines cylindriſchen Umfanges mit Schlitzen s s verſehen iſt. Durch dieſe
ragen die mit den einzelnen Taſten verbundenen Hebel H hinein. Die Stiften S,
welche mit ihren unteren Enden auf den Hebeln aufruhen, ragen mit ihren oberen
Enden in die Oeffnungen o, treten jedoch für gewöhnlich nicht über die Oberfläche
der Scheibe D D hervor. Wird jedoch die betreffende Taſte niedergedrückt, ſo hebt
der Hebel H den Stift S in die durch die punktirten Linien angedeutete Lage.

Figure 778. Fig. 774.

Stiftgehäuſe und Schlitten.


Sobald hingegen die Taſte
losgelaſſen wird, ſinkt der
Hebel H, und der Stift S
wird durch die Feder F in

Figure 779. Fig. 775.

Hughes-Magnet.


ſeine urſprüngliche Stellung
zurückgeführt. Durch den
Mittelpunkt der Scheibe D D
geht die Rotationsaxe A des
Läufers L, welche durch
Zahnräder mit dem Räderwerke des Typenrades verbunden iſt. Gelangt der
Läufer auf eine Oeffnung o, durch welche in Folge des Niederdrückens einer
Taſte der Stift S emporgehoben wurde, ſo wird der Reiber r des Läufers gleich-
falls gehoben und dadurch der Contact zwiſchen a und b unterbrochen. Die von
der Batterie ausgehenden Leitungen ſind nun ſo geführt, daß durch die oben
angegebene Verſchiebung der Läufertheile die Erdleitung aufgehoben, und die Ver-
bindung mit der Linienleitung hergeſtellt wird, alſo ein Strom in die Empfangs-
ſtation fließen muß.


Der in der Empfangsſtation anlangende Strom hat, wie wir erfahren
haben, die Aufgabe, den Magnet zu entmagnetiſiren. Um derſelben zu entſprechen,
erhielt der Hughes-Magnet die in Fig. 775 dargeſtellte Form. Er iſt zuſammen-
[1020] geſetzt aus dem permanenten Hufeiſenmagnete M M und dem Elektromagnete E E.
Erſterer beſteht aus vier Stahl-Lamellen in Hufeiſenform, welche durch die
Schrauben n n und die Meſſingquerſtücke g g1 zuſammengehalten werden. Die
Kerne des Elektromagnetes beſtehen aus hohlen, ſchmiedeiſernen Cylindern, welche
auf die Pole des permanenten Magnetes aufgeſetzt ſind. Auf dieſe hohlen Kerne
ſind die Drahtwindungen in großer Anzahl direct aufgewunden und oben und unten
iſt je eine Meſſingſcheibe zum Schutze der Spulen aufgeſetzt. Der Widerſtand der
Elektromagnetwindungen beträgt 1200 Siemens-Einheiten, wodurch alſo die
Empfindlichkeit eine ſehr bedeutende wird. Ueber den Polſchuhen des Magnetes
befindet ſich der Anker E1. Sind die Stromwindungen ſtromlos, ſo beſitzen die
Eiſenkerne in Folge ihrer Verbindung mit dem permanenten Magnete eine beſtimmte
magnetiſche Kraft. Da die auf den Anker wirkende Abreißfeder ſo regulirt wird,
daß ſie ſchwächer iſt, als die magnetiſche Anziehungskraft, ſo bleibt der Anker auf
den Polſchuhen des Elektromagnetes liegen. Sobald jedoch ein Strom von ent-
ſprechender Stärke die Drahtwindungen durchfließt, und zwar in einer Richtung,
durch welche jener Eiſenkern Südmagnetismus in ſeinem Polſchuhe erhält, der
durch Einwirkung des permanenten Magnetes nordmagnetiſch iſt und umgekehrt,
ſo wird die Anziehungskraft des Magnetes aufgehoben und die Feder ſchnellt den
Anker ab. Da nun ſowohl die Federkraft regulirt, als auch der Stärke des per-
manenten Magnetismus eine beliebige Größe gegeben werden kann und die zahl-
reichen Windungen des Elektromagnetes ſchon einem ſehr ſchwachen Strome eine
verhältnißmäßig kräftige Wirkung ermöglichen, ſo begreift man leicht, daß durch
alle dieſe Einrichtungen der Apparat ein äußerſt empfindlicher werden muß.


Die Wecker- und Uebertragungs-Vorrichtungen.

Da auf frequenten Stationen die Telegraphen-Apparate einer ſtändigen
Ueberwachung unterliegen, iſt hierdurch die prompte Beförderung der Depeſchen
geſichert. Soll jedoch der Dienſt auf kleineren Stationen keine Verzögerungen
erleiden, ſo muß man durch beſondere Wecker-Vorrichtungen dafür ſorgen, daß
der betreffende Beamte den Anruf einer andern Station vernimmt. Es iſt dies
umſo nothwendiger, wenn mit Hughes-Apparaten gearbeitet wird, weil bei dieſen
durch den erſten anlangenden Stromimpuls nur der Anker des Elektromagnetes
abgeſchnellt wird, wodurch ein kaum hörbares Geräuſch entſteht. Ueberdies kann
auch der Anker nicht mehr in ſeine Ruhelage, d. h. auf die Pole des Elektro-
magnetes zurückgebracht werden, ſo lange nicht der Apparat läuft; es würden
ſomit alle ferneren Rufe erfolglos bleiben.


Zur Vermeidung dieſer Uebelſtände bedient man ſich eigener Wecker-
Vorrichtungen
oder Klingeln. Es ſind dies Apparate nach Art jener, welche
bereits bei den Telephon-Anlagen (Seite 919 in der Anmerkung) beſchrieben
wurden.*)


[1021]

Statt eines Weckers mit Selbſtunterbrechung kann auch ein ſolcher benützt
werden, bei welchem durch das Anziehen des Magnetankers der Strom nicht ganz
unterbrochen, ſondern kurz, d. h. mit Ausſchluß der Elektromagnetwindungen,
geſchloſſen wird. Auch dadurch wird der Magnet abwechſelnd magnetiſch und wieder
ſtromlos und veranlaßt ein ebenſo lange andauerndes Klingeln, als der Strom-
ſchluß hergeſtellt bleibt. Die Wecker-Vorrichtung kann nun entweder durch einen
Kurbelumſchalter in die Leitung eingeſchaltet und dann direct von außen her in
Thätigkeit geſetzt werden, oder man verbindet ſie derart mit dem Morſe-Apparat,
daß ſie durch dieſen automatiſch in Thätigkeit verſetzt wird, ſobald ein Anruf
erfolgt. Die Einſchaltung des Weckers in die Leitung durch einen Umſchalter leidet
an dem Mangel, daß bei Unachtſamkeit des
Beamten auf die Umſchaltung vergeſſen werden
kann und dann der Zweck des Weckers wieder
illuſoriſch gemacht wird. Aus dieſem Grunde iſt
die erſterwähnte Anordnung vorzuziehen. Das-
ſelbe gilt für den Hughes-Apparat; auch hier
trifft man die Einrichtung derart, daß gleichzeitig
mit der Arretirung des Laufwerkes der Wecker
in die Leitung eingeſchaltet, bei Ingangſetzung
des Apparates ausgeſchaltet wird.


Die Uebertragungs-Vorrichtungen haben,
wie der Name ſchon andeutet, den Zweck, in einer
Zwiſchenſtation einlangende Telegramme automatiſch
an die Endſtationen zu befördern. Dieſe Uebertragung
muß immer dann ſtattfinden, wenn die Entfernung
zweier miteinander arbeitender Stationen eine bedeu-
tende iſt. Die Uebertragungsvorrichtungen ſind natürlich
verſchiedener Art, je nachdem ſie für Morſe-, Hughes-
oder Automaten-Apparate in Anwendung kommen; ſie
ſind auch verſchieden, je nachdem Arbeitsſtrom auf
Arbeitsſtrom, Ruheſtrom auf Ruheſtrom oder endlich
Arbeitsſtrom auf Ruheſtrom übertragen werden muß


Beim Arbeiten mit Morſe-Apparaten
kommt am häufigſten die Uebertragung von Arbeits-
ſtrom auf Arbeitsſtrom vor. Die hierbei benützte
Schaltung iſt aus Fig. 777 zu erſehen. Hierbei ſind die
in die Uebertragungsſtation einmündenden Linien L1L2
durch 2 und 3 an die Relaishebel h1 und h2 an-
geſchloſſen. Der Ruhecontact r1 iſt mit dem Elektro-
magnete R2, und der Ruhecontact r2 mit dem Elektro-
magnete R1 verbunden. Die Telegraphircontacte t1

Figure 780. Fig. 776.

Wecker.


und t2 liegen gewöhnlich an einer und derſelben Batterie B. Sind jedoch die Widerſtände
der Leitungen ſehr voneinander verſchieden, ſo verwendet man für den größeren Widerſtand
auch eine ſtärkere Batterie als für den geringeren Widerſtand. Der für den geringeren Wider-
ſtand beſtimmte ſchwächere Strom wird dann durch Abzweigung von der Batterie für den
ſtärkeren Strom erhalten.


Eine z. B. durch L1, anlangende Depeſche wird in folgender Weiſe übertragen: Die
durch L1 anlangenden Ströme treten durch 2 ein, fließen über h1r1, durch die Drahtwin-
dungen des Elektromagnetes R2 und ſchließlich über E1 zur Erde. R2 zieht ſeinen Anker an
und legt den Hebel h2 auf den Telegraphircontact t2, wodurch der Stromkreis der Batterie B
geſchloſſen erſcheint. Der eine Pol der Batterie iſt nämlich durch 4 an die Erde gelegt und
vom zweiten Pole fließen die Ströme über 5 t2, den niedergelegten Hebel h2 und über 3 in
die Linie L2. Ein aus L2 anlangender Strom fließt über 3 h2r2R1 und E1 zur Erde, wodurch
der Hebel h1 auf t1 gelegt und von der Batterie B aus ein Strom über 5 t1h1 und 2 in
die Linie L1 geſandt wird.


[1022]

Um auf der Uebertragungsſtation die Depeſche mithören zu können, kann man zwiſchen
den Telegraphircontact und der Batterie einen Morſe-Apparat ſammt Umſchalter einſchalten.
Später hat man aber hierzu die Morſe-Apparate ſelbſt verwendet; natürlich müſſen dann die
beiden Contacte ſowohl untereinander, als auch von ihrem Träger iſolirt ſein. Fig. 778 zeigt
die Verbindung der Apparate für eine Station, welche ſowohl als Zwiſchenſtation, als auch
als Endſtation geſchaltet werden kann. Hierin bezeichnen k1 und k2 die Umſchalter mit ihren
Contacten a1b1 und a2b2; T1 und T2 ſind die Morſeſchlüſſel.


Stellt man die beiden Kurbeln nach rechts, ſo daß alſo k1 mit b1 und k2 mit b2
Contact erhält, ſo iſt die Station als Uebertragungsſtation geſchaltet, denn jetzt fließt ein
z. B. durch L1 anlangender Strom über 2 k1b1h1r1 zum Ruhecontact des Taſters T2, von
hier aus durch den Elektromagnet R2 über 1 zur Erde E. Der Hebel h2 wird auf den

Figure 781. Fig. 777.


Figure 782. Fig. 778.

Uebertragung für Morſe-Apparate.


Telegraphircontact t2 gelegt und ſendet dadurch den Strom der Batterie über 5 t2h2b2k2
und 3 in die Linie L2. Dreht man hingegen die Kurbeln nach links, ſo fließt ein etwa durch
L2 anlangender Strom über 3 k2a2, den Körper T2 und deſſen Ruhecontact in die Win-
dungen des Elektromagnetes R2 und von hier über 1 zur Erde E. Hierdurch wird zwar
allerdings auch der Hebel h2 auf t2 gelegt, die Batterie aber doch nicht mit der Linie L1
oder L2 verbunden, wie dies aus der Figur zu erſehen iſt. Es bedarf wohl kaum einer
Erwähnung, daß polariſirte Relais für Uebertragungszwecke vortheilhaft verwendet werden
können.


Da bei den Hughes-Apparaten die Stromdauer eine ſehr kurze iſt, muß bei
Uebertragungen mit dieſen Apparaten das Relais nicht nur präciſe den Stromimpulſen folgen
(namentlich mit Rückſicht auf den Synchronismus der Apparate), ſondern der Anker muß
ſich auch nach jedem Stromimpulſe ſicher an die mit der Erdleitung verbundene Ruhecontact-
[1023] ſchraube anlegen, damit die Entladungen der Leitung regelmäßig erfolgen können. Die Hughes-
Apparate auf der Uebertragungsſtation in ähnlicher Weiſe zu verbinden und für die Ueber-
tragung zu benützen wie die Morſe-Apparate geht nicht an, weil einerſeits die Hughes-
Apparate viel zu theuere Apparate ſind und andererſeits hiermit die Forderung verbunden
wäre, vier Hughes-Apparate in ſynchronem Gange zu erhalten; dies würde aber die Anläſſe
zur Unregelmäßigkeit des Betriebes vermehren.


Vorſchläge für die Uebertragung bei Hughes-Apparaten ſind zwar viele gemacht
worden, doch wollen wir uns hier mit der Beſchreibung einer Vorrichtung begnügen.
Maron verwendet zur Uebertragung polariſirte Siemens-Relais, deren Hebel-
bewegungen die für die Uebertragung von Hughes-Strömen erforderliche Präciſion und
Geſchwindigkeit durch Gegenſtröme erhalten. Die Wirkungsweiſe dieſer Uebertragungsvorrichtung
wollen wir mit Hilfe der ſchematiſchen Fig. 779 klar machen. In dieſer Figur ſtellen R und
R1 die Siemens’ſchen polariſirten Relais mit ihren Ruhecontacten r r1 und ihren Telegraphir-
contacten t t1 dar. Die Linienleitungen L L1 ſind an die Relaishebel bei h und h1 angeſchloſſen
und ſtehen unter Einſchaltung der Widerſtände W und W1 durch a und a1 mit den Elektro-
magneten in Verbindung. Ferner iſt a mit dem Ruhecontact r1 und a1 mit dem Ruhecontact r
verbunden. Die Telegraphircontacte t und t1 ſind über u mit dem Zinkpole der Batterie B
verbunden, während ſich die zweiten Enden der Elektromagnete an die Erdleitung E anſchließen.
Da der Widerſtand W gleich iſt dem halben Widerſtande der Leitung L und der Widerſtand W1
dem halben Widerſtande von L1, ſo iſt der Widerſtand des Stromweges zum Elektromagnete
des Relais R gleich dem \frac{3}{2}fachen Widerſtande von L und
der Weg zum Elektromagnete von R1 gleich dem \frac{3}{2}fachen
Widerſtande von L1.


Gelangt nun z. B. durch die Leitung L1 ein
Strom in die Uebertragungsſtation, ſo treten folgende
Wirkungen ein: Der Linienſtrom theilt ſich bei h1 in zwei
Theile, deren weitaus größerer Theil über den wenig
Widerſtand bietenden Weg r1a durch die Drahtwindungen
des Elektromagnetes R und zur Erde E abfließt. Der
bedeutend ſchwächere zweite Stromantheilt durchläuft von
h1 aus den Widerſtand W1 und gelangt nach a1; hier
theilt er ſich abermals in zwei Zweige. Der eine Zweig-
ſtrom fließt von a1 aus durch die Drahtwindungen von R1
zur Erde E ab, der andere geht von a1 aus über r und h
in die Linienleitung L über. Der kräftigſte dieſer drei
Zweigſtröme, nämlich der über r1 in die Drahtwindungen
des Elektromagnetes R gelangende Strom, legt nun
den Hebel von R auf den Telegraphircontact t und

Figure 783. Fig. 779.

Uebertragung für Hughes-Apparate.


ſchafft dadurch dem Strome der Batterie B folgende Wege: Von u aus über t durch
den Hebel des ſprechenden Relais nach h und in die Linie L; da auf dieſem Wege kein
Widerſtand eingeſchaltet iſt, wird dasſelbſt der weitaus größte Theil des Batterieſtromes
zum Hughes-Apparate der Endſtation abfließen. Da aber h mit a verbunden iſt, muß auch
hier ein Zweigſtrom fließen, der aber in Folge des bei W eingeſchalteten Widerſtandes eine
ſehr geringe Stärke haben wird. Dieſer Zweigſtrom theilt ſich bei a neuerdings in zwei
Zweige, deren einer durch die Drahtwindungen von R zur Erde abfließt, während der andere
über r1 und h1 als Gegenſtrom in die Leitung L1 und durch dieſe zum gebenden Hughes-
Apparat fließt.


Auf den Elektromagnet R wirken alſo zwei Ströme ein, nämlich der aus der gebenden
Station durch L1h1r1 und a kommende Linienſtrom und der aus der Batterie B über u t h
W
und a anlangende Strom. Letzterer umkreiſt den Elektromagnet R im ſelben Momente,
als durch die Wirkung des erſteren der Hebel des Relais R auf den Telegraphircontact
gelegt wird. Da nun der erſterwähnte Strom (Linienſtrom) in entgegengeſetzter Richtung
verläuft als der letztere (Batterieſtrom), ſo muß dieſer den Hebel des Relais R ſofort wieder
an den Ruhecontact r zurückführen.


Die eben geſchilderte Art der Uebertragung entſpricht alſo jenen Anforderungen, welche
beim Arbeiten mit Hughes-Apparaten geſtellt werden müſſen, durch Anwendung eines Gegen-
ſtromes, der im geeigneten Momente die Rückführung des Ankers in die Ruhelage bewirkt. Dieſe
Uebertragung zeichnet ſich auch noch dadurch aus, daß ſie für die Uebertragung ſelbſt keines
Hughes-Apparates bedarf und nach einmaliger Einſtellung (an jedem Tage vor Beginn
des Dienſtes) keine weitere Ueberwachung mehr verlangt.


[1024]
Die automatiſchen Telegraphen-Apparate.

Wie wir in der Entwicklungsgeſchichte der Telegraphie geſehen haben, dachte
ſchon Morſe daran, die Abſendung der telegraphiſchen Zeichen auf rein mechaniſchem
Wege zu bewirken. Der Zweck der automatiſchen Telegraphie beſteht darin, daß
man durch ſie die telegraphiſchen Zeichen correcter und raſcher zu geben anſtrebt,
als dies durch Telegraphiren mit der Hand zu erreichen iſt. Auch in dieſer Richtung
wurden mannigfache Vorſchläge gemacht und Verſuche ausgeführt. So benützte
Bain einen gelochten Papierſtreifen, deſſen ausgeſtanzte Löcher die gewöhnliche
Morſe-Schrift darſtellten. Dieſe gelochten Papierſtreifen wurden auf ein mit der
Leitung verbundenes Metallrad gelegt, welches mit dem ſchnell rotirenden Sende-
Apparat verbunden war. Auf dem Papierſtreifen war eine Schleifbürſte angebracht,
die mit der Batterie in Verbindung ſtand. Die Stromſendung erfolgte daher immer

Figure 784. Fig. 780.

Doſenſchnellſchriftgeber von v. Hefner-Alteneck.


dann, wann die Metallbürſte durch ein Loch des Papierſtreifens auf das Metall-
rad gelangte. Die Stromdauer war hierbei natürlich von der Länge des aus-
geſtanzten Loches abhängig. Auch die chemiſchen Wirkungen des elektriſchen Stromes
ſuchte man für die automatiſche Telegraphie zu verwerthen, indem man in der
einen Station die Morſe-Schrift mit iſolirender Tinte auf Metallpapier herſtellte und
in der anderen Station die Schrift auf elektrochemiſchem Wege reproducirte.


Fig. 780 ſtellt das automatiſche Syſtem oder den Doſenſchnellſchriftgeber
dar, welcher durch v. Hefner-Alteneck conſtruirt wurde. Das Taſtenwerk beſteht
aus 49 in ſieben Reihen etagenförmig angeordneten Taſten, welche mit den ein-
zelnen Buchſtaben, Zahlen und Zeichen verſehen ſind. Hierbei iſt die Anordnung
eine derartige, daß die am häufigſten zur Anwendung gelangenden Buchſtaben ꝛc.
am bequemſten zur Hand liegen. Die Einrichtung der Doſe D und die Zuſammen-
ſetzung des Mechanismus ſind aus Fig. 781 zu erſehen. Jede Taſte T ſteht durch
eine einfache Hebelüberſetzung mit einem verticalen Bleche S in Verbindung, das
[1025] an ſeiner freien Kante, dem Buchſtaben oder Zeichen der betreffenden Taſte ent-
ſprechend, ausgefeilt iſt. Dieſen Blechen S ſind 19 horizontale Blechſtreifen Q Q
gegenübergeſtellt und hinter dieſen befinden ſich eben ſo viele Hebel H (gleichfalls
aus Blech). An den oberen Armen der Hebel H ſind die Stäbchen u gerade
gegenüber dem Rande der Doſe D angebracht. Die Doſe iſt an ihrem Rande mit
enge aneinanderliegenden Stäbchen s s verſehen, welche mit etwas Reibung über
die Vorderfläche der Doſe vorgeſchoben werden können. Der Rand a c der Doſe
trägt ſchiefe Zähne, in welche der Sperrhaken f eingreift.


Figure 785. Fig. 781.

Doſenſchnellſchriftgeber von v. Hefner-Alteneck.


Wird nun eine Taſte T niedergedrückt, ſo werden hierdurch Bleche Q Q,
entſprechend dem freien Rande des verticalen Bleches S, vorgeſchoben und wirken
dann auf die dazu gehörigen Hebel H, welche ihrerſeits wieder durch die Stößer n
die Stifte s auf der Doſe vorſtoßen. Ein Gewicht ſtrebt letztere unter Vermittlung
eines Räderwerkes zu drehen, kann dies aber nicht ausführen, weil ſich der Sperr-
zahn f gegen die Verzahnung der Doſe ſtemmt. Wird nun aber ein Stift s in
der vorerwähnten Art vorgeſtoßen, ſo drückt dieſer den Sperrzahn zurück und nun
rückt das Rad vor. In dieſer Weiſe wird durch vorgeſchobene und nicht vorge-
ſchobene Stiften s die Contour des Bleches S reproducirt. Hierdurch iſt die Vor-
bereitung, gewiſſermaßen die Herſtellung, der Typen beendet. Das Abtelegraphiren
derſelben erfolgt mit Hilfe des mit dem Hebel o verbundenen Zeigers i, der auf
Urbanitzky: Elektricität. 65
[1026] einen, dem Morſeſchlüſſel entſprechenden Contacthebel c wirkt. Der Contacthebel
wird durch eine Spiralfeder an den Ruhecontact geführt und bei Drehung des
Hebels o durch Herausſchieben des Stiftes V an den Telegraphircontact gelegt.
Der rechtzeitige und entſprechend lange andauernde Stromſchluß erfolgt dadurch,
daß der Zeiger i mit ſeinem vorderen abgeſchrägten Ende über die vorgeſchobenen
Stiften s gleitet. Da jedoch die richtige Stromdauer nur dann erfolgen kann, wenn
außer dem richtigen Vorſchieben der Stiften s s auch der Zeiger relativ gleich
ſchnell über jede Stiftengruppe gleitet, ſo iſt die ſprungweiſe rotirende Doſe mit
dem rotirenden Zeiger auf nachſtehende Art verbunden. Die Doſe und ihr Triebrad M
ſitzen auf der Welle m des Zeigers nur loſe auf; an dieſer Stelle iſt eine Spiral-
feder F mit einem Ende befeſtigt, während das andere Ende derſelben mit dem
Geſtelle in Verbindung ſteht. Rotirt nun die Doſe, ſo macht der Zeiger dieſe
Bewegung mit, gleichzeitig wird aber hierdurch die Feder F geſpannt und erhält
dadurch das Beſtreben, den Zeiger wieder zurück zu ſeinem Anſchlage A zu führen.
Dieſe Bewegung wird nun dadurch zu einer gleichförmigen gemacht, daß das auf
der Zeigerwelle m aufſitzende Zahnrad K in ein kleines Getriebe eingreift, welches
den Windfang W in Bewegung ſetzt. Iſt die Depeſche in der angegebenen Weiſe
abtelegraphirt, ſo werden die vorgeſchobenen Stiften s s durch eine ſchiefe Fläche
(in den Figuren nicht ſichtbar) wieder in ihre Ruhelage zurückgeſchoben.


Die Duplex- und Multiplex-Telegraphie.

Unter der Duplex-Telegraphie oder dem Gegenſprechen verſteht man die
gleichzeitige Abſendung zweier Depeſchen durch denſelben Draht und in einander
entgegengeſetzten Richtungen. Das Princip der hiefür vorgeſchlagenen Methoden
beſteht in der Aenderung der Stärke des die Leitung durchfließenden Stromes.
Man erreichte derartige Aenderungen durch Anwendung von Differential Relais,
Trennung der beiden Spulen eines Relais voneinander und durch Anwendung
der Wheatſtone’ſchen Schaltung (Brücke).


Die Trennung der Relaisſpulen voneinander kommt z. B. bei der von
Fuchs angegebenen Gegenſprechmethode zur Anwendung. Fig. 782 zeigt das
hierbei benützte Schaltungsſchema. Die Morſe-Taſter a a ſind mit Hilfshebeln b b
verſehen, welche mit den voneinander unabhängigen Relais-Rollen R1 und R2 in
Verbindung ſtehen; an den Körper der Morſe-Taſter ſelbſt ſind die Batterien B B
angeſchloſſen, L ſtellt die Linienleitung dar, welche die beiden Stationen I und II
miteinander verbindet. Die Batterien beider Stationen ſind, wie die Figur erkennen
läßt, hintereinander geſchaltet. Nehmen wir nun zunächſt an, daß nur die Station I
arbeitet. Der Taſter a wird niedergedrückt und dadurch der Contact des Hilfshebels
zwiſchen b und c aufgehoben. Der Strom geht von der Batterie B aus über a
und b in die Drahtwindungen R1 des einen Elektromagnetſchenkels des eigenen
Relais und fließt von hier durch die Linienleitung zu Station II ab. Da nun die
Abreißfeder des Relaishebels ſehr kräftig iſt, vermag der nur einen Elektromagnet-
ſchenkel R1 umkreiſende Strom nicht, den Anker anzuziehen: das eigene Relais
bleibt alſo ſtumm. Der in der Station II anlangende Strom gelangt in die Draht-
windungen von R1, geht über den Contact b c des Hilfshebels und fließt von
hier durch die Drahtwindungen des zweiten Elektromagnetſchenkels R2 zur Erde E
ab In der Station II, der empfangenden Station, werden alſo beide Elektro-
magnetſchenkel vom Strome durchfloſſen und daher wird die Anziehungskraft des
[1027] Magnetes groß genug, um die Kraft der Abreißfeder zu überwinden, d. h. das
Relais der Empfangsſtation ſpricht auf die von I geſandten Ströme an.


Sprechen nun beide Stationen gleichzeitig oder mit anderen Worten, werden
die Taſter a a beider Stationen gleichzeitig niedergedrückt, ſo tritt folgender Strom-
lauf ein. Von der Batterie B der Station I aus fließt der Strom wie früher
wieder über a b und R1 durch die Linienleitung L zur Station II. Hier durch-
fließt er die Elektromagnetwindungen R1, kann dann aber nicht über b c nach R2
gehen, weil der Contact bei b c durch Niederdrücken des dazu gehörigen Taſters
unterbrochen iſt. Er gelangt vielmehr über b und a zur Batterie B und in die
Erde. Der von der Station I abgehende Strom wird das Relais der eigenen
Station ebenſo wenig wie im erſtbetrachteten Falle zum Sprechen bringen. Es
würde aber auch das Relais der Station II nicht anſprechen, weil auch in dieſer
nur ein Elektromagnetſchenkel (R1) ſtromdurchfloſſen iſt, wenn nicht die Batterien
B B beider Stationen hintereinander geſchaltet wären. Da nun aber durch das

Figure 786. Fig. 782.

Gegenſprechmethode von Fuchs.


gleichzeitige Niederdrücken der Taſter beider Stationen auch die Batterie der Station II
mit den Drahtwindungen des Elektromagnetſchenkels R1 in Verbindung geſetzt
wird, alſo dieſe Drahtwindungen von den Strömen beider Batterien im ſelben
Sinne durchfloſſen werden, ſo reicht die derart verdoppelte Anziehungskraft des
einen Elektromagnetſchenkels (R1) der Station II aus, um die Federkraft zu über-
winden, oder das Relais zum Sprechen zu bringen. Dieſe Betrachtung läßt ſich
in analoger Weiſe auch für die Station II als gebende und für I als empfan-
gende Station durchführen, woraus erhellt, daß durch die beſprochene Anordnung
die gleichzeitige Abſendung zweier Depeſchen durch den Draht L in einander ent-
gegengeſetzten Richtungen ermöglicht wird.


Die unter Anwendung der Wheatſtone’ſchen Brücke von Schwendler an-
gegebene Gegenſprechmethode möge mit Hilfe der ſchematiſchen Figur 783 an-
gedeutet werden. B1 und B2 bezeichnen die gleich ſtarken Batterien, deren Zink-
pole in beiden Stationen an die Erde gelegt ſind, während ihre Kupferpole mit
den Taſtern T1T2 in Verbindung ſtehen. Die Contacte 4 der Hilfshebel ſind
durch Widerſtände b mit der Erde verbunden; von den Hilfshebeln ſelbſt gehen
65*
[1028] die Zweige N1L1, beziehungsweiſe N2L2 und N1M1, beziehungsweiſe N2M2
aus. Die Enden L1 und L2 der erſtgenannten Zweige ſind durch die Linienleitung l
miteinander verbunden, die Enden der zweiten Zweige M1 und M2 ſtehen unter
Vermittlung der Widerſtände z mit der Erde in Verbindung und die Zweigpaare
ſind durch L1M1, beziehungsweiſe L2M2 untereinander verbunden. In die Zweige
ſind die Widerſtände x und y eingeſchaltet und in die Verbindungsleitung je
zweier Zweige die Empfangsapparate, dargeſtellt durch die Relais R1 und R2.


Betrachten wir nun wieder die beiden Fälle, nämlich: es arbeitet nur eine
Station oder es arbeiten beide Stationen. Arbeitet nur die Station I, ſo wird
durch das Niederdrücken des Taſters T1 der Contact zwiſchen H1 und 4 aufge-
hoben und ein Contact zwiſchen H1 und 3 hergeſtellt. Von der Batterie B1 aus
geht daher ein Strom über 3 H1 nach N1 und fließt von hier aus einerſeits
durch den Widerſtand y über M1 und durch den Widerſtand z zur Erde ab, und
gelangt andererſeits durch den Widerſtand x über L1 in die Leitung l. Der Weg

Figure 787. Fig. 783.

Schwender’s Gegenſprechmethode.


L1M1, welcher das Relais der gebenden Station I enthält, bleibt hierbei ſtromlos (oder
bildet für den abgehenden Strom die ſtromfreie Brücke). Der in der Station II bei L2
anlangende Strom theilt ſich in zwei Zweige, deren einer über L2M2 durch den
Widerſtand z zur Erde abfließt, deren zweiter den Widerſtand x durchläuft und
über H2 4 durch den Widerſtand b zur Erde abfließt. In der Empfangsſtation II
bildet alſo der Zweig M2N2 die ſtromloſe Brücke und das Relais R2 wird, da
es im ſtromdurchfloſſenen Zweige L2M2 liegt, anſprechen.


Arbeiten hingegen beide Stationen gleichzeitig, ſo iſt auch in der Station II
der Contact zwiſchen H2 und 4 aufgehoben und jener zwiſchen 3 und H2 her-
geſtellt. Es gelangt daher auch von der Batterie B2 ein Strom über T2 3 H2
x und L2 in die Linienleitung l. Da dieſer Strom entgegengeſetzt gerichtet iſt wie
der von der Station I durch B1 in die Linie l geſandte Strom, beide Ströme
aber gleich ſtark ſind, ſo werden ſich ihre Wirkungen in der Linie l gegenſeitig
aufheben, d. h. die Linie l wird ſtromlos ſein. Hieraus reſultirt für jede Station
ein geſchloſſener Localſtrom, deſſen Verlauf z. B. für die Station II folgender iſt:
Der Strom fließt von B2 aus über T2 3 und H2 nach N2; dort theilt er ſich
[1029] in die Zweige N2M2 und N2L2M2, worauf ſich beide Zweigſtröme bei M2
wieder vereinigen und über z zur Erde E2 abfließen. Da das Relais R2 in einem
ſtromdurchfloſſenen Zweige ſich befindet, wird es anſprechen. Derſelbe Vorgang
ſpielt ſich auch in der Station I ab. Wenngleich hierdurch die Apparate und
Stromleitungen jeder Station ſcheinbar in ſich ſelbſt geſchloſſen werden, ſo giebt
doch das Relais R2 die von I aus geſandten Zeichen und das Relais R1 die in
Station II aufgegebenen Zeichen. Es wird nämlich z. B. das Relais R2 nur ſo
lange durch die zuletzt angegebene Art der Stromvertheilung ſeinen Anker anziehen,
als der gebende Taſter T1 niedergedrückt bleibt bei gleichzeitigem Niederdrücken des
Taſters T2, ſobald aber der letztere in ſeine Ruhelage zurückkehrt, tritt wieder die
Stromvertheilung in der zuerſt angegebenen Weiſe (wenn nämlich nur Station I
arbeitet) ein. Die Bewegung des Relais R2 iſt alſo in beiden Fällen durch die
Bewegung des Taſters T1 in der Station I bedingt, d. h. das Relais R2 giebt,
trotz des ſcheinbaren Localſtromes beim gleichzeitigen Arbeiten beider Stationen, doch
die in I gegebenen Zeichen wieder. Ebenſo wird auch das Relais R1 in allen
Fällen die von der Station II gegebenen Zeichen empfangen. Ein erfolgreiches
Arbeiten wird bei der ſkizzirten Methode natürlich nur dann möglich ſein, wenn
die Widerſtände der einzelnen Stromzweige den für die Verzweigung in der
Wheatſtone’ſchen Brücke geltenden Geſetzen gemäß berechnet und angeordnet ſind.
Ein Eingehen hierauf liegt jedoch außerhalb des Rahmens vorliegenden Werkes.


Wie wir in der hiſtoriſchen Einleitung (Seite 998) erfahren haben, bezweckt
man durch die Vielfach- oder Multiplex-Telegraphie die Leitung auch
während jener Strompauſen auszunützen, welche dadurch entſtehen, daß man die
einzelnen Zeichen durch Zwiſchenräume voneinander trennen muß. Das Princip
der mehrfachen, „abſatzweiſen“ Telegraphie iſt ein ſehr einfaches und wird uns
mit Hilfe der Fig. 784 ſofort klar werden. Die Figur ſtellt eine Station A dar,
welche mit vier ſelbſtſtändigen Morſe-Syſtemen (1 bis 4) ausgerüſtet iſt. R ſind
die Schreibapparate, T die Taſter; jedes Syſtem ſteht mit einem der Sectoren
I bis IV in Verbindung. Die Linienleitung L iſt durch eine Schleiffeder an eine
Axe x gelegt, welche durch ein Uhrwerk in Umdrehung verſetzt wird und dadurch
den Zeiger x z veranlaßt, über die voneinander iſolirten Contactſtücke I, II, III und
IV der Reihe nach in der durch den Pfeil angegebenen Richtung zu ſchleifen. In
Folge dieſer Einrichtung werden alſo die Schreibapparate 1 bis 4 der Reihe
nacheinander mit der Linienleitung in Verbindung geſetzt und bleiben jeder für die
Zeitdauer einer Viertel-Umdrehung des Zeigers in dieſer Verbindung. Genau
dieſelbe Einrichtung beſitzt eine zweite Station B, welche mit A durch die Linien-
leitung verbunden iſt. Ferner bewegen ſich die Zeiger x z in beiden Stationen
iſochron, d. h. der Zeiger in der Station A und der Zeiger in der Station B
treten genau im ſelben Momente mit den gleichwerthigen Sectoren (I bis IV)
in Contact und verlaſſen dieſelben im ſelben Momente. Unter dieſen Voraus-
ſetzungen wird daher der Apparat 1 der Station A mit dem Apparate 1 der
Station B durch die Linienleitung L verbunden ſein, ſo lange ſich die Zeiger x z
beider Stationen über das Contactſtück I bewegen; es können daher durch die
Apparate I Zeichen abgeſandt oder empfangen werden. Die Zeiger gelangen dann
in beiden Stationen auf die Quadranten II und ſetzen dadurch die Syſteme 2
in Verbindung u. ſ. w., bis alle Syſtempaare (in der Figur wurden deren 4
angenommen) der Reihe nach miteinander verbunden waren, d. h. die Zeiger eine
volle Umdrehung ausgeführt haben.


[1030]

Da nach dem angegebenen Principe die Zeichen hintereinander oder abſatzweiſe
gegeben werden, der Unterſchied zwiſchen dieſer Zeichengebung und der gewöhn-
lichen nur in der Verwendung mehrerer Apparate beſteht, ſo iſt die Frage, wieſo
hierdurch eine geſteigerte Ausnützung der Leitung zu Stande kommt, wohl gerecht-
fertigt. Die Praxis ergab, daß mit den gegenwärtig gebräuchlichen Apparaten
auf oberirdiſchen Leitungen bis zu einer Länge von beiläufig 800 Kilometer in
einer Secunde etwa 333 Ströme, die noch brauchbare Zeichen hervorzurufen im
Stande ſind, abgegeben oder empfangen werden können; zieht man die zur Trennung
der einzelnen Zeichen voneinander nöthigen Pauſen in Betracht, ſo reducirt ſich
die Anzahl der möglichen Stromſendungen auf die Hälfte, alſo auf 166 Ströme
per Secunde. Dies zu leiſten, alſo die Leitung vollkommen auszunützen, iſt aber

Figure 788. Fig. 784.

Mehrfach-Telegraphie.


kein Menſch im Stande. Man kann ſich jedoch dieſer Leiſtung mehr oder weniger
nähern, wenn man die Geſammtarbeit auf mehrere Perſonen vertheilt. Die Leitung
wird an Theilſtationen angeſchloſſen und jeder Theilſtation eine Perſon zur Bedienung
zugewieſen; dann arbeitet eine Perſon im erſten Bruchtheile der Zeiteinheit mit
der erſten Theilſtation, die zweite Perſon im zweiten Bruchtheile der Zeiteinheit
mit der zweiten Theilſtation u. ſ. w., wobei jeder Perſon regelmäßig eintretende
Ruhepauſen zu Theil werden, welche dieſe als Vorbereitungszeit zu benützen in
der Lage iſt. Dieſe Vorbereitung beſteht in einer ganzen Reihe von Vorgängen,
welche ſich im Menſchen abſpielen müſſen, bevor die Hand eine Taſte entſprechend
niederdrückt; ſolche Vorgänge ſind z. B. das Leſen des zu telegraphirenden
Wortes, das Ueberſetzen der gewöhnlichen Schriftzeichen in die Zeichen der Tele-
graphen-Schrift, die Ertheilung des Impulſes vom Gehirne aus an die Bewegungs-
[1031] muskeln der Hand u. ſ. w., alles Vorgänge, die ſich zwar äußerſt raſch abſpielen,
die aber immerhin im Verhältniſſe zu dem kurzen Zeitraume von 1/166 Secunde
doch merklich in Betracht kommen. Dieſe Vorbereitungszeit wird nun eben bei der
Multiplex-Telegraphie immer durch jene Perſon zur effectiven Stromſendung aus-
genützt, deren Ruhe- oder Vorbereitungszeit eben zu Ende gegangen iſt. Außerdem
trägt auch die Conſtruction der Apparate dazu bei, daß die effective Zeichengebung
der Hand möglichſt erleichtert wird. Um letzteres verſtändlicher zu machen, möge
vorgreifend bemerkt werden, daß z. B. Meyer’s Multiplex-Apparat zur Hervor-
bringung eines Zeichens nie mehr als vier Ströme erfordert, während bei der
gewöhnlichen Morſeſchrift bis zu acht Strömen (Bruchſtrich) angewendet werden
müſſen; wir werden weiter unten noch erkennen, in welcher Weiſe dies ermög-
licht wurde.


Wir wollen nun die im Allgemeinen bereits angedeuteten Principien der
Multiplex-Telegraphie an einem ſpeciellen Apparate näher betrachten und wählen
hierzu den Multiplex-Apparat von Bernhard Weyer.*) Meyer theilt die
Zeiteinheit, d. i. jene Zeit, welche erforderlich iſt, damit der Zeiger auf der Ver-
theilerſcheibe einen ganzen Umlauf vollendet, ebenſo wie auch die Wegeinheit,
d. h. jenen Weg, welchen der Zeiger in einem vollen Umlaufe zurücklegt, in vier
Theile und ſetzt daher die Vertheilerſcheibe aus vier Sectoren zuſammen (wie dies
auch in der ſchematiſchen Fig. 784 angenommen wurde). Von vier Arbeitern muß
nach Meyer’s Einrichtung jeder ein ſolches Viertel derart verwerthen, daß er
innerhalb dieſes Zeitraumes ſämmtliche Morſezeichen abgiebt, die zur Erzeugung
eines Schriftzeichens erforderlich ſind. Hiefür werden aber, z. B. für das Rufzeichen
(Seite 1005) ſechs Stromſendungen erfordert, eine Arbeitsleiſtung, welche über die
Kräfte des Arbeiters geht. Sie wird ihm aber ermöglicht durch eine Umgeſtaltung
der Morſetaſte in der Art, daß mehrere Taſten an der Erzeugung der Morſezeichen
theilnehmen, und daß dieſe Taſten gleichzeitig niedergedrückt werden können, ähnlich
wie beim Anſchlagen eines Accordes auf dem Claviere. Dieſe Taſten — Meyer
verwendet deren acht — ſind, wie wir noch ſehen werden, unmittelbar nebeneinander,
alſo bequem zur Hand angeordnet, wurden aber in der ſchematiſchen Fig. 785
getrennt gezeichnet, um die Ueberſichtlichkeit zu fördern. Aus dieſer Figur werden wir
auch erſehen, wieſo es möglich iſt, einzelne Taſten für beſtimmte Morſezeichen zu
verwenden. Das Mittel hierzu beſteht nämlich darin, daß man die bereits in vier
Theile zerlegte Vertheilerſcheibe in noch kleinere Unterabtheilungen theilt und dieſe
mit den Taſten entſprechend verbindet. Wenn dann der Arbeiter auch mehrere
Taſten gleichzeitig niederdrückt, ſo werden doch die den einzelnen Taſten entſprechen-
den Ströme nacheinander in die Leitung geſandt werden, weil der rotirende Zeiger
mit den entſprechenden Unterabtheilungen der Vertheilerſcheibe nicht gleichzeitig,
ſondern nacheinander in Berührung kommt.


Jeder Quadrant — in der Figur nur einer — iſt in 12 Theile (1 bis 12)
abgetheilt; von dieſen ſind die Theile 1, 2, 4, 5, 7, 8, 10 und 11 mit den
Axenpunkten der acht voneinander getrennten Taſten I1 bis IV1 und I2 bis IV2
verbunden. Außerdem ſtehen die Ruhecontacte der Taſten I2 bis IV2 mit den
Abtheilungen 3, 6, 9 und 12 der Vertheilerſcheibe, und die Ruhecontacte der
Taſten I1 bis IV1 durch die Abzweigungen bei e2, e5, e8 und e11 mit den durch
[1032] dieſelben Zahlen bezeichneten Theilſtücken der Vertheilerſcheibe in Verbindung,
welche den Abzweigungen e beigeſetzt ſind. Drückt man die Taſte I1 nieder, ſo
wird, wenn gleichzeitig der Zeiger x z mit dem Theilſtücke 1 Contact hat, ein
Strom aus der Batterie B über i, die Taſte I1 bei b, o nach 11 und durch den
Zeiger z x in die Linie fließen Drücken wir alle oberen Taſten I1 bis IV1
gleichzeitig nieder, ſo fließt zunächſt ein Strom über das Theilſtück 1 in die Leitung
im ſelben Momente, als Zeiger x z über 1 gleitet; ein zweiter Strom, und zwar
über das Theilſtück 4, folgt, ſobald der Zeiger auf dieſem Theilſtück angelangt iſt,
und ein dritter und vierter Strom gelangt in die Leitung, ſobald der Zeiger die
Theilſtücke 7 und 10 erreicht hat. Somit werden alſo durch einen Druck (das
gleichzeitige Niederdrücken der vier in Wirklichkeit nahe aneinander befindlichen
Taſten) vier zeitlich voneinander getrennte Stromimpulſe gegeben, die daher auch
vier getrennte Morſezeichen in der Empfangsſtation erzeugen können. Die Art
dieſer Zeichen (Striche und Punkte) hängt von der Dauer der einzelnen Ströme
ab, und dieſe wird offenbar durch die Geſchwindigkeit des Zeigers und durch die
Länge der Contactſtücke 1, 4, 7 und 10 beſtimmt. Da ſich der Zeiger mit gleicher
Geſchwindigkeit bewegt und die Längen der genannten Contactſtücke untereinander
gleich ſind, ſo müſſen auch die vier Ströme gleiche Dauer beſitzen; ſie werden
daher in einem gewöhnlichen Morſe-Apparate als Empfänger vier gleiche Zeichen
erzeugen. Hierbei muß das erſte Zeichen offenbar dem über das Contactſtück 1,
das zweite Zeichen dem über das Contactſtück 4, das dritte Zeichen dem über 7
und das vierte Zeichen dem über 10 geſandten Strome entſprechen; in gleicher
Weiſe werden auch die Zwiſchenräume zwiſchen den einzelnen Zeichen jenen Contact-
ſtücken (2 3, 5 6 und 8 9) entſprechen, durch welche keine Stromſendung erfolgte.
Die einzelnen Zeichen ſowohl, als auch die einzelnen Zwiſchenräume entſprechen
alſo immer ganz beſtimmten Contactſtücken. Die vier Zeichen, die durch Nieder-
drücken der Taſten I1 bis IV1 erhalten werden, bilden vier Punkte des von Meyer
abgeänderten Morſe-Alphabetes. Man nennt daher die eben bezeichneten Taſten die
Punkttaſter und die entſprechenden Contactſtücke 1, 4, 7 und 10 die Punkt-
Contactſtücke
. Eine neuerliche Stromſendung in der beſchriebenen Art wird erſt
dann wieder möglich, wenn der Zeiger den zweiten, dritten und vierten Quadranten
paſſirt hat und wieder auf dem Contactſtücke 1 des erſten Quadranten anlangt.


Drücken wir jetzt die untere Taſtenreihe, alſo I2 bis IV2 nieder und ſehen,
was dadurch bewirkt wird. Aus der Betrachtung der Fig. 785 ergiebt ſich, daß
nunmehr Stromwege von der Batterie aus über die betreffenden Taſter und die
Contactſtücke 2, 5, 8 und 11 geſchloſſen werden, ſobald der Zeiger x z dieſe
Contactſtücke berührt. So iſt z. B. der Stromweg für die Taſte I2 folgender:
Von B aus über i i. ., in der Taſte I2 von b über o, durch 2 2 zum Contact-
ſtücke 2 und von dieſem durch den Zeiger z x (ſobald dieſer auf das Contactſtück
gelangt iſt) in die Linienleitung. Der Stromweg von der Taſte I2 bis zur Ver-
theilerſcheibe beſitzt aber bei e2 eine Abzweigung, welche dem Batterieſtrome auch
dann geſtattet in die Linienleitung zu fließen, wenn bei niedergedrückter Taſte I2
der Zeiger x z ſich nicht auf dem zugehörigen Contactſtücke 2, ſondern auf dem
Contactſtücke 1 befindet; der Strom kann nämlich von e2 aus über den Ruhe-
contact b der Taſte I1 und o in das Contactſtück 1 gelangen. Gleiche Erſchei-
nungen treten auch beim Niederdrücken der Taſten II2, III2 und IV2 auf. Das
Niederdrücken der unteren Taſtenreihe bewirkt wie das Niederdrücken der oberen
Taſtenreihe die Abſendung von vier zeitlich voneinander getrennten Strömen in die
[1033] Linienleitung. Die Trennung der einzelnen Ströme erfolgt wie im erſtbetrachteten
Falle auch hier wieder dadurch, daß die Contactſtücke 3, 6, 9 und 12 beim
Darübergleiten des Zeigers ſtromlos bleiben. Iſt der Empfangsapparat wieder ein
gewöhnlicher Morſeſchreiber, ſo erzeugt dieſer abermals 4 Zeichen; dieſelbe Ge-
ſchwindigkeit des Zeigers vorausgeſetzt, werden aber die entſtandenen Zeichen keine
Punkte, ſondern Striche ſein müſſen, weil jetzt der Strom nicht mehr nur ſo lange
erhalten bleibt, als der Zeiger über ein Contactſtück gleitet, ſondern wegen der
Abzweigungen bei e erſt unterbrochen wird, wenn je zwei Contactſtücke paſſirt ſind.
Der erſte Strom dauert ſo lange an bis die Contactſtücke 1 und 2 paſſirt ſind,
der zweite Strom, bis 4 und 5 paſſirt ſind, der dritte Strom, bis 7 und 8
paſſirt ſind, und der vierte Strom, bis 10 und 11 paſſirt ſind. Der Beginn der

Figure 789. Fig. 785.

Meyer’s Multiplex-Telegraphie.


einzelnen Ströme beim Niederdrücken der unteren Taſtenreihe fällt mit dem Beginne
der Ströme, welche durch Niederdrücken der oberen Taſtenreihe veranlaßt werden,
zuſammen, weil in Folge der Verzweigungen bei e dieſelben Contactſtücke (1, 4, 7
und 10) zuerſt mit dem Zeiger in Contact gelangen. Es müſſen daher die 4
Striche, welche durch das Niederdrücken der unteren Taſtenreihe entſtehen, an den-
ſelben Stellen beginnen wie die durch Niederdrücken der oberen Taſtenreihe erzeugten
4 Punkte; dieſe Zeichen müſſen daher nebenſtehendes Bild geben:

[figure]

Punkte

[figure]

Striche.


Das Strichzeichen iſt alſo bei der Meyer’ſchen Contactſcheibe nur durch er-
gänzende (nicht durch eigene, für die Erzeugung von Strichen allein ausreichende)
Contactſtücke vertreten; man nennt daher dieſe Contactſtücke (2, 5, 8 und 11)
[1034]Complementar-Contactſtücke, die dazu gehörigen Taſter aber Strichtaſter.
In der Fig. 785 ſind im Innern des erſten Quadranten jene Morſezeichen ein-
getragen, welche durch die 12 Contactſtücke hervorgerufen werden können.


Hat der Zeiger den erſten Quadranten paſſirt, ſo kann, wie bereits erwähnt,
der Morſe-Apparat erſt dann wieder Zeichen erzeugen, wenn der Zeiger die Qua-
dranten 2, 3 und 4 paſſirt hat, d. h. der Morſe-Apparat wird nach Erzeugung
eines Zeichens eine dreimal ſo lange Zeit leer laufen, als er zur Erzeugung des
Zeichens gebraucht hat. Hierdurch würden aber bei der gewöhnlichen Einrichtung
der Schreibapparate die einzelnen Buchſtaben ſehr weit auseinanderkommen und
dadurch das Leſen der Depeſche ſehr erſchweren. Dieſen Uebelſtand vermeidet Meyer
dadurch, daß er die je einen Buchſtaben bildenden Morſezeichen quer über den
Papierſtreifen erzeugen und die Bewegung des letzteren verlangſamen läßt. Es
entſteht dadurch auf dem Papierſtreifen eine aus Zeilen gebildete Morſeſchrift, bei
welcher jede Zeile ſämmtliche zur Darſtellung eines Buchſtabens erforderlichen Morſe-
zeichen enthält.


Dieſe Anordnung der Schrift und der bereits betonte Umſtand, daß die mit
den einzelnen Taſten verbundenen Contactſtücke genau dieſelben Stellungen unter-
einander einnehmen, wie die Zeichen, welche durch die eben von jenen Contact-
ſtücken übermittelten Ströme erzeugt werden, daß alſo z. B. der erſte Strich oder
Punkt einer Zeile immer nur durch Niederdrücken der Taſte I2, beziehungsweiſe I1
entſtehen kann, ermöglichen es, daß Meyer zur Darſtellung eines Wortes durch
die Morſeſchrift nicht nur die Länge der Morſezeichen, ſondern auch deren Stellung
in der Zeile
verwerthen kann: die Zeichen erhalten alſo auch einen Ortswerth.
Dies führt aber zu einer weſentlichen Vereinfachung der Zeichen und geſtattet, für
jedes Schriftzeichen mit höchſtens vier Morſezeichen auszukommen. In der gewöhn-
lichen Morſeſchrift bedeutet z. B. ein Punkt den Buchſtaben e (S. 1005); in
der Meyer’ſchen Morſeſchrift bedeutet hingegen ein Punkt an der erſten Stelle einer
Zeile den Buchſtaben e, an der zweiten Stelle das Interpunctionszeichen „Punkt“
und an der vierten Stelle der Zeile „Beiſtrich“, während in der gewöhnlichen
Morſeſchrift der Punkt durch ſechs Punke und der Beiſtrich durch drei Punkte und
drei Linien dargeſtellt wird. Meyer erſpart durch ſeine Schreibweiſe nicht nur Raum
auf der Contactſcheibe, ſondern auch Zeit auf der Linie.


Wir können uns nun auch erklären, in welcher Weiſe durch die abſatzweiſe
Mehrfach-Telegraphie die Ausnützung der Leitung geſteigert wird. Nach obigen
Erläuterungen iſt der Weg, welchen der Zeiger x z über die Contactſtücke 1 bis 12
zurücklegt, im Empfangsapparate durch eine Zeile dargeſtellt, die alle jene Zeichen
enthält, für welche der Zeiger bei einmaligem Darübergleiten Ströme von den den
niedergedrückten Taſten entſprechenden Contactſtücken abgeleitet hat. Da nun ferner
kein Schriftzeichen mehr als 4 Elementarzeichen des Meyer-Alphabetes erfordert
und hiefür 8 Taſten zur Verfügung ſtehen, die leicht während der Zeit des ein-
maligen Darübergleitens des Zeigers über die Contactſtücke 1 bis 12 niedergedrückt
werden können, ſo iſt es möglich, in jeder Zeiteinheit ſämmtliche Zeichen oder
Ströme zur Darſtellung eines Schriftzeichens in die Linie zu entſenden. Dies gilt
jedoch nicht nur für den erſten Quadranten, welchen wir bisher betrachtet haben,
ſondern in gleicher Weiſe auch für die übrigen drei Quadranten. Jeder Quadrant
entſpricht einer von einem Arbeiter bedienten Theilſtation. Es werden daher zu-
ſammen in der Zeiteinheit von vier Arbeitern vier Buchſtaben erzeugt werden
können. Die Zeiteinheit (alſo die Dauer eines vollen Zeigerkreislaufes) zu einer
[1035] halben Secunde feſtgeſetzt, ergiebt daher 60 × 2 × 4, das iſt 480 Buchſtaben in
der Minute. Hierbei hat der erſte Arbeiter im erſten, der zweite im zweiten, der
dritte im dritten und der vierte Arbeiter im vierten Viertel der Zeiteinheit die
betreffenden Taſten ſeiner Theilſtation niedergedrückt.


Bislang verfolgten wir die Ströme nur bis zu ihrem Abfließen in die
Linienleitung; es erübrigt uns daher noch, um die Wirkungsweiſe des Meyer’ſchen
Syſtemes ganz zu überblicken, den Verlauf der Ströme in der Empfangsſtation
zu verfolgen. Da Sende- und Empfangsſtation mit gleichen Apparaten in gleicher
Weiſe ausgerüſtet ſind, können wir dies ebenfalls mit Zuhilfenahme der Fig. 785
ausführen. Nehmen wir zunächſt an, der Linienſtrom lange eben in jenem Momente
in der Empfangsſtation an, in welchem die Contactbürſte z des Zeigers x z mit
dem Contactſtücke 1 des erſten Quadranten in Berührung ſteht. Da ſich die Zeiger
beider Stationen ſynchron bewegen, kann dieſer Strom nur durch das Contact-
ſtück 1 des Quadranten 1 der Aufgabsſtation abgeſandt worden ſein. Dieſer Strom
fließt in der Empfangsſtation über x z und das Contactſtück 1 zur Taſte I1, geht
über deren Ruhecontact nach e2, über 2 zum Taſter I2 und über deſſen Ruhe-
contact nach u v, worauf er ſchließlich durch das Relais R zur Erde abfließt;
dieſes Relais wird daher anſprechen müſſen. Nun nehmen wir an, daß die Strom-
gebung in jenem Momente erfolgt, in welchem die Zeiger beider Stationen auf
die Contactſtücke 2 gelangen. Jetzt wird der durch die Linie anlangende Strom
über x z, das Contactſtück 2, durch die Verbindung 2 e2O zur Taſte I2 gelangen
und über deren Ruhecontact durch u v und das Relais R zur Erde abfließen.
Ein über das Contactſtück 3 (ein Trennungsſtück) anlangender Strom würde über
die Contactſtücke 3, 6, 9 und 12, ferner über u v gleichfalls durch das Relais R
ſeine Ableitung zur Erde finden. Ferner ergeben ſich analoge Wege wie für das
Contactſtück 1 auch für die Punktcontactſtücke 4, 7 und 10, wie für das Con-
tactſtück 2 für die Complementar-Contactſtücke 5, 8 und 11 und wie für das
Contactſtück 3 analoge für die Trennungsſtücke 6, 9 und 12. Jeder durch die
Linie anlangende Strom gelangt daher in der Empfangsſtation durch das Relais
zur Erde; dies gilt natürlich unter der Vorausſetzung, daß die Taſten der Empfangs-
ſtation ruhen.


Die Stromwege, welche wir für die 12 Contactſtücke des erſten Quadranten
der Vertheilungsſcheibe gefunden haben, alſo für die Stromgebung durch die erſte
Theilſtation, ſind in derſelben Weiſe auch für den 2., 3. und 4. Quadranten,
beziehungsweiſe für die 2., 3. und 4. Theilſtation vorhanden. Sonach wird das
Empfangsrelais auf jeden Strom anſprechen, gleichviel auf welchem Contactſtücke
oder auf welchem Quadranten ſich der Zeiger gerade befindet. Wird nun durch
das Relais eine Localbatterie geſchloſſen und dadurch ein Schreibapparat in
Thätigkeit geſetzt, ſo wird dieſer nach Ablauf der Zeiteinheit (nach einer vollen
Umdrehung des Zeigers) die vier aufeinanderfolgenden Schriftzeichen der vier
Abſende-Theilſtationen in Morſeſchrift aufgezeichnet haben; bei einer zweiten
Umdrehung des Zeigers würden die zweiten Zeichen der vier Theilſtationen in
Morſeſchrift geſchrieben werden u. ſ. w., d. h. es würde nachfolgende Reihenfolge
entſtehen: Erſter Buchſtabe der von der Theilſtation 1 aufzugebenden Depeſche, erſter
Buchſtabe von der Theilſtation 2 u. ſ. w. Hierauf zweiter Buchſtabe von der
Theilſtation 1, zweiter Buchſtabe von der Theilſtation 2 u. ſ. w. u. ſ. w.


Eine derartige Durcheinanderwerfung der vier von den vier Theilſtationen
abgeſandten Depeſchen würde das Zuſammenſtellen der einzelnen Depeſchen natürlich
[1036] ſehr erſchweren. Ein rationelles Arbeiten wird daher erfordern, daß die vier
voneinander getrennt aufgegebenen Depeſchen auch getrennt in den Empfangs-
Apparaten aufgeſchrieben werden. Man erreicht dies durch Aufſtellung von vier
Schreib-Apparaten in der Empfangsſtation, welche durch entſprechende Vertheilung
der anlangenden Ströme in den Stand geſetzt werden, nur je eine Depeſche
aufzuzeichnen. Die hierzu nöthigen Schaltungen ſind aus Fig. 786 zu erſehen,
in welcher auch die 8 Taſten u b einer Theilſtation in ihrer natürlichen Lage
und Anordnung dargeſtellt ſind. Wir erſehen aus dieſer Figur, daß die Vertheiler-
ſcheibe noch zwei concentriſche Contactringe n und m erhalten hat, von welchen
der innere aus einem ungetheilten Stücke beſteht, während der mittlere in die
vier Quadranten m1m2m3 und m4 zerlegt iſt. Auf dem Zeiger wurde iſolirt
von dieſem die gabelförmige Schleifbürſte g g1 befeſtigt, deren eine Zinke über die
Quadranten m, deren andere über den ungetheilten Ring n ſchleift. Mit letzterem

Figure 790. Fig. 786.

Meyer’s Schaltung.


iſt der eine Pol der Localbatterie b verbunden, während der zweite Pol mit dem
Ankerhebel des Empfangsrelais R in Verbindung ſteht; von der Contactſchraube
h1 dieſes Relais führt ein Draht zu dem Schreibapparate S1, der andererſeits
mit dem Quadranten m1 des Mittelringes verbunden iſt. Aus dieſen Verbindungen
ergiebt ſich nachſtehendes Spiel der Apparate: Der Strom gelangt durch die
Linie in den Zeiger x z und fließt von hier z. B. über das Contactſtück 1,
durch das Taſtwerk b u und über v m n durch das Relais R zur Erde ab. Das
Relais ſpricht an und ſchließt durch Herablegen des Hebels auf h1 den Local-
ſtromkreis für den Schreib-Apparat S1. Der Localſtrom gelangt nämlich von
b aus über h1 in den Schreibapparat S1 und dann in den Quadranten m1,
auf welchem auch die Schleifbürſte g des Zeigers ſich befinden muß, weil die
Trennungslinien der Quadranten beider Ringe in dieſelben Radien fallen; von g
gelangt der Strom nach g1, in den Ring n und wieder zur Batterie b zurück.
Wir wiſſen von früher her, daß das Relais auf jeden Strom, durch welchen
[1037] Quadranten oder durch welches Cotactſtück er kommen mag, anſpricht; wir erſehen
aber aus der jetzt betrachteten Schaltung, beziehungsweiſe aus der Contactſcheibe,
daß die Localbatterie b für den Schreib-Apparat S1 nur dann und nur ſo lange
geſchloſſen wird, als ſich der Zeiger x z auf dem erſten Quadranten bewegt, da
nur m1 mit dem Schreib-Apparate verbunden iſt. Sobald die Schleifbürſte g
des Zeigers x z den Viertelkreis m1 verläßt, alſo der Zeiger die Contactſtücke
1 bis 12 des erſten Quadranten hinter ſich hat, ſtellt der Schreib-Apparat S1
ſeine Function ein, um ſie erſt dann wieder aufzunehmen, wenn der Zeiger x z
nach Durchlaufung der Quadranten 2, 3 und 4 wieder auf den Quadranten 1

Figure 791. Fig. 787.

Schema zu Meyer’s Multiplex-Apparat.


gelangt. Da nun durch die Contactſtücke des Quadranten 1 alle jene Ströme an-
langen, welche von der Theilſtation 1 abgeſandt wurden, ſo wird alſo der Schreib-
Apparat S1 der Empfangsſtation in der That nur die Depeſche der erſten Theil-
ſtation aufnehmen. Verbindet man alle 4 Quadranten m1, m2, m3 und m4 in
analoger Weiſe mit den Schreib-Apparaten S1, S2, S3 und S4, wie dies in Fig. 787
dargeſtellt iſt, ſo erhält man die von den 4 Theilſtationen aufgegebenen Depeſchen
auch durch vier voneinander getrennte Schreib-Apparate.


Wie alle Multiplex-Apparate erfordert auch Meyer’s Apparat eine beſondere
Einrichtung der Schreibvorrichtung. Wie wir erfahren haben, ordnet Meyer
alle Morſezeichen eines Schriftzeichens in einer Linie an. Da nun dieſe Morſe-
zeichen während der Bewegung des Zeigers x z über die Contactſtücke 1 bis 12
[1038] gegeben wurden, muß auch die Schreibklinge, denn eine ſolche tritt hier an die
Stelle des Schreibſtiftes, in genau derſelben Zeit ſämmtliche Punkte dieſer Zeile
durchlaufen: Die Bewegung des Zeigers über die Contactſcheibe muß in der Bewe-
gung der Schreibklinge über dem Papierſtreifen ihr genaues Spiegelbild finden.
Nur dadurch iſt es möglich, daß alle durch dasſelbe Contactſtück veranlaßten Strom-
ſchlüſſe Zeichen an derſelben Stelle der Zeile erzeugen.


Zur Erklärung der Meyer’ſchen Schreibvorrichtung nehmen wir vorerſt an,
daß die durch die Contactſtücke aller vier Quadranten veranlaßten Stromſchlüſſe
auf nur einen Schreib-Apparat wirken, daß alſo dieſer alle vier Depeſchen auf-
zeichnet. Meyer benützt hierzu eine Schreibklinge, die in Form eines vollen Schrauben-
ganges a k k e, Fig. 788, den Cylinder z z umgiebt. Der Papierſtreifen p p wird
von dem Stabe s s getragen, der mit dem Anker eines Magnetes in Verbindung
ſteht und bei jeder Anziehung dieſes Ankers durch den dazu gehörigen Magnet
gegen die Schreibklinge auf dem Cylinder z z angedrückt wird. Letzterer iſt durch
ſeine Axe mit dem Triebwerke des Apparates ſo verbunden, daß ſeine Umdrehung
und die des Zeigers auf der Contactſcheibe ſich in vollkommen gleicher Weiſe voll-
ziehen. (Eine Farbrolle t, Fig. 789, verſieht die Schreibklinge mit Farbe.)


Wird nun der Papierſtreifen p p gegen den Schreibcylinder gedrückt, ſo
muß offenbar jene Stelle der Schreibklinge ein Zeichen auf dem Papierſtreifen
hervorbringen, welche dem Papierſtreifen gerade gegenüberſteht, alſo in der Fig. 788
die Stelle d; dauert die Berührung längere Zeit an, ſo gelangen in Folge der
durch die beigeſetzten Pfeile angedeuteten Rotation des Cylinders die auf d in der
Richtung nach e folgenden Theile der Schreibklinge dem Papierſtreifen gegen-
über und es entſteht die Linie d g. Bleibt der Papierſtreifen während einer vollen
Umdrehung des Cylinders an dieſen angedrückt, ſo entſteht daher die Linie f f1.
Da die volle Umdrehung des Cylinders einer vollen Umdrehung des Zeigers auf
der Contactſcheibe entſpricht, muß auch eine Viertel-Umdrehung des Cylinders dem
Darübergleiten des Zeigers über einen Quadranten entſprechen. Es muß alſo auch
das Stück I der Schreibklinge dem erſten Quadranten der Contactſcheibe, das
Stück II dem zweiten Quadranten der Contactſcheibe, das Stück III dem dritten
Quadranten und das Stück IV dem vierten Quadranten entſprechen. Wegen der
ſynchronen Bewegung des Cylinders und des Zeigers muß ferner Folgendes ſtatt-
haben: Die einzelnen Stellen des Schreibklingenſtückes a b müſſen genau ebenſo
nacheinander dem Papierſtreifen am nächſten kommen (ihre tiefſte Lage einnehmen)
als der Zeiger über die Contactſtücke 1 bis 12 des erſten Quadranten gleitet und
in gleicher Weiſe müſſen ſich das II., III. und IV. Stück der Schreibklinge zu
dem zweiten, dritten und vierten Quadranten der Contactſcheibe verhalten.


Der Geſammt-Apparat muß daher in folgender Weiſe fungiren: Der Zeiger
iſt über die Contactſtücke 1 bis 12 des erſten Quadranten gegangen und hat
dadurch die den niedergedrückten Taſten entſprechenden Ströme in den Schreib-Apparat
geſandt; hier vollendete der Cylinder z z genau in derſelben Zeit die erſte Viertel-
umdrehung, brachte alſo dadurch ſämmtliche Stellen des Schreibklingenſtückes a b
in ihre nächſte Lage zum Papierſtreifen p p; während dieſer Zeit hob der Magnet
ſo oft und ſo lange durch den mit ſeinem Anker verbundenen Stab s s den Papier-
ſtreifen gegen den Cylinder z z, als den eingelangten Strömen entſprach. Der
Papierſtreifen wird daher im erſten Viertel ſeiner Breite alle jene Morſezeichen
aufweiſen, welche durch Niederdrücken der Taſten in der Aufgabstheilſtation beab-
ſichtigt wurden, d. h. es wird der erſte Buchſtabe der von der erſten Theilſtation
[1039] aufzugebenden Depeſche durch den Schreibapparat der Empfangsſtation aufgeſchrieben
ſein. Der Zeiger gleitet nun über den zweiten Quadranten der Contactſcheibe und
die Schreibwalze vollzieht genau in derſelben Zeit das zweite Viertel ihrer Um-
drehung; es entſtehen auf dem zweiten Viertel des Papierſtreifens die Morſezeichen
für den erſten Buchſtaben der von der Theilſtation II abzuſendenden Depeſche u. ſ. w.
Der Zeiger gelangt nun wieder an das Contactſtück 1 des erſten Quadranten und
gleichzeitig beginnt der Cylinder z z ſeine zweite Umdrehung; bei Vollendung ſeiner
erſten Umdrehung verließ gerade der Punkt e der Schreibklinge ſeine tiefſte Stellung
und hierauf muß, bei der von uns vorausgeſetzten gleichförmigen Umdrehung des
Cylinders, offenbar zunächſt der Punkt a der Schreibklinge der Papierfläche am
nächſten kommen, worauf ſich Schreibklinge und Zeiger genau wieder ebenſo zu-
einander verhalten werden als bei der erſten Umdrehung beider. Der Papierſtreifen
iſt inzwiſchen um einige Millimeter vorgerückt und erhält daher von den erſten

Figure 792. Fig. 788.

Schreibwalze.


Morſezeichen ebenſoweit entfernt die zweiten Zeichen der vier Theilſtationen und ſo weiter
die folgenden Umdrehungen. Schließlich erhält man im erſten Viertel der Papier-
breite die von der erſten Theilſtation abgeſandte Depeſche, im zweiten Viertel die
von der zweiten Theilſtation abgeſandte Depeſche u. ſ. w. Die Buchſtaben der
einzelnen Depeſchen erſcheinen an den ihnen zugehörigen Plätzen des Papierſtreifens
in untereinander geſchriebenen Zeilen.


Um nun die vier Theilſtationen zu erhalten, haben wir nichts zu thun, als
vier Schreib-Apparate in der bereits angegebenen Weiſe aufzuſtellen und zu
ſchalten und jeden dieſer Apparate mit einem Viertel der Schreibwalze zu verſehen.
Der Schreib-Apparat der Theilſtation 1 muß eine Schreibwalze mit dem Schrauben-
ſtücke a b (I) bekommen, der zweite Schreib-Apparat das Stück II u. ſ. w., wobei
natürlich die Stellung der einzelnen Schreibklingenſtücke in den einzelnen Schreib-
Apparaten zueinander genau dieſelbe ſein muß, wie in Fig. 788.


In Fig. 789 iſt der Schreib-Apparat einer Theilſtation abgebildet. M ſtellt
hierin einen kräftigen permanenten Magnet dar, deſſen Anker ein mit Draht-
[1040] windungen verſehener Eiſenkern bildet. Letzterer iſt an einem um o drehbaren Rahmen
befeſtigt, deſſen eine Seite der Stab s s (Fig. 788) mit dem Papierſtreifen trägt.
Sind die Drahtwindungen ſtromlos, ſo zieht der permanente Magnet den Eiſen-
kern an und dreht dadurch den Rahmen derart, daß der Papierſtreifen an die
Schreibklinge k des Cylinders z gedrückt wird. Gelangt ein Strom in die Draht-
windungen, ſo wird dieſer derart eingeführt, daß den Polen des permanenten
Magnetes gegenüber gleichnamige Pole im Eiſenkerne entſtehen und daher dieſer kräftig

Figure 793. Fig. 789.

Meyer’s Schreib-Apparat.


abgeſtoßen wird, wodurch unter Vermitt-
lung des um o drehbaren Rahmens das
Papier von der Schreibklinge entfernt wird.
Hiernach muß alſo bei der Aufnahme von
Depeſchen der locale Ruheſtrom durch das
Anſprechen des Relais unterbrochen wer-
den, um den Schreib-Apparat in Thätigkeit
zu ſetzen. Bei x x ragt die Axe des Trieb-
werkes für die Schreibwalze hervor, die,
wie Fig. 790 zeigt, für die vier Theil-
ſtationen eine gemeinſame iſt. Das Gleiche
gilt von der Axe v v, auf welcher die
Walzen w ſitzen, deren Aufgabe darin be-
ſteht, die Papierſtreifen p p in der durch
die eingeſetzten Pfeile angegebenen Richtung
zu bewegen.


In Fig. 790, der Darſtellung des aus vier Theilſtationen beſtehenden
Geſammt-Apparates, erkennt man bei 1 bis 4 auf dem Arbeitstiſche die aus je 4

Figure 794. Fig. 790.

Meyer’s Multiplex-Apparat.


weißen und 4 ſchwarzen Taſten beſtehenden Claviaturen, bei S1 bis S4 die vier
Schreib-Apparate mit der gemeinſchaftlichen Schreibklingenaxe x und der ebenfalls
gemeinſchaftlichen Welle w für die Papierwalzen und bei 1 bis 4 die Depeſchen-
halter. u1 bis u4 ſind Klopfvorrichtungen, welche den Arbeiter aufmerkſam machen,
wenn der Zeiger auf der Vertheilungsſcheibe jenen Quadranten erreicht, zu welchem die
Theilſtation des betreffenden Arbeiters gehört; ſie geben alſo jenen Zeitmoment an, in
welchem die Taſten niederzudrücken ſind. Sämmtliche Theilſtationen werden durch das
bei 1 angebrachte Triebwerk, welches ein ſchweres Gewicht P in Gang ſetzt, bewegt.


[1041]

Da die Triebwerke der Abſende- und Empfangsſtation ſynchronen Gang
beſitzen müſſen, iſt eine ſehr ſinnreiche Correctionsvorrichtung mit dem Triebwerke
verbunden, durch welche unter Vermittlung des elektriſchen Stromes die noth-
wendigen Regulirungen ausgeführt werden. Auf die Beſchreibung dieſer Vorrichtung
können wir hier aber nicht näher eingehen und bemerken ſchließlich noch, daß es
dem öſterreichiſchen Telegraphen-Commiſſär A. E. Granfeld gelungen iſt, den
ſynchronen Gang der Sende- und Empfangs-Apparate dadurch bedeutend zu er-
leichtern, daß er den Vertheiler-Apparat von den Theilſtationen mechaniſch gänzlich
abtrennte und dadurch erſteren von einer bedeutenden Bürde entlaſtete. Doch auch
bezüglich dieſer Einrichtung müſſen wir auf Specialwerke verweiſen, wie z. B. auf
A. E. Granfeld’s „Mehrfach-Telegraphie auf einem Drahte“, welchem Werke wir
auch in der Beſchreibung des Meyer’ſchen Apparates gefolgt ſind.


Telegraphen-Apparate für beſondere Zwecke.

Treten ſchon beim Telegraphiren auf langen, oberirdiſchen Linien durch die
elektriſche Ladung des Leitungsdrahtes Schwierigkeiten auf, ſo macht ſich
dieſer Uebelſtand im erhöhten Maße bei der Kabeltelegraphie geltend. Das
Kabel, beſtehend aus den kupfernen Leitungsdrähten und den eiſernen Schutzdrähten
(der Armatur), welche voneinander durch iſolirende Subſtanzen getrennt ſind, ver-
hält ſich wie eine Leydener Flaſche. Führt man den Kupferdrähten (gewiſſermaßen
der inneren Belegung) poſitive Elektricität zu, ſo bindet dieſe an der Armatur (der
äußeren Belegung) ein entſprechendes Quantum negativer Elektricität. Die Ladung
und Entladung des Kabels erfordert einen nicht unbeträchtlichen Zeitaufwand und
zwingt dadurch nicht nur zu langſamer Zeichengebung, ſondern kann ſehr leicht
auch Undeutlichkeit der Zeichen verurſachen. Dieſe Uebelſtände würden noch geſteigert
und überdies die Iſolirungen gefährdet, wenn man Ströme hoher Spannung be-
nützen wollte. Alle dieſe Umſtände zeigen uns bereits, daß auf langen Kabeln,
z. B. den transoceaniſchen, die uns bereits bekannten Telegraphen-Apparate nicht
verwendet werden können.*)


Durch das eigenthümliche Verhalten der Kabel genöthigt, ſehr ſchwache
Ströme anzuwenden, mußte man auch dafür Sorge tragen, daß die Empfangs-
Apparate große Empfindlichkeit beſitzen. Es war daher naheliegend, auf die An-
wendung des Spiegelgalvanometers zu verfallen. In der That bedienten ſich ja
auch ſchon Gauß und Weber im Jahre 1833 eines derartigen Galvanometers
(vergl. S. 985); es iſt einleuchtend, daß aus den Ablenkungen der Nadel nach
links und nach rechts ebenſo ein Alphabet zuſammengeſetzt werden kann, als aus
Morſe’s Elementarzeichen: Strich und Punkt. Es wurden daher anfänglich aus-
ſchließlich Spiegelgalvanometer in der Kabeltelegraphie benützt. Da wir dieſelben
bereits kennen gelernt haben und mit ihrem Verhalten bekannt ſind (vergl. S. 220),
ſo können wir uns hier kurz faſſen. Eine häufig benützte Form des Thomſon-
ſchen Sprechgalvanometers zeigt Fig. 791. Die cylindriſche Drahtſpule A
iſt aus zwei voneinander getrennten Drahtwindungen von je 1000 Ohms Wider-
ſtand gebildet und geſtattet dadurch, dem jeweiligen Bedürfniſſe entſprechend, mit
Urbanitzky: Elektricität. 66
[1042] Widerſtänden von 500 Ohms, 1000 Ohms und 2000 Ohms zu arbeiten, je nach-
dem beide Spulen parallel geſchaltet werden, nur eine Spule zur Verwendung kommt
oder beide Spulen hintereinander benützt werden. Der Anſchluß der Leitungen an
die Drahtwindungen erfolgt durch die Klemmen K1 und K2. In den Hohlraum
der Drahtwindungen iſt das Kupferrohr R eingeſchoben, welches bei a verſchloſſen
iſt und bei b ein kleines Spiegelchen mit dem Magnete n s enthält. Die Auf-
hängung des Spiegelchens iſt durch die kurzen Coconfäden c1 c2 bewirkt. Die
Dämpfung der Schwingungen (vergl. Seite 222), welche für die Geſchwindigkeit
des Zeichengebens wichtig iſt, erfolgt durch das Kupfergehäuſe oder, wie bei einem
von Siemens Brothers conſtruirten Apparate, dadurch, daß die Meſſingröhre,
welche das Spiegelchen enthält, mit Glycerin gefüllt wird. Um das Inſtrument
beliebig aufſtellen, die Magnetnadel der Einwirkung des Erdmagnetismus entziehen
zu können, iſt der halbkreisförmig gebogene Richtmagnet N S angebracht.


Figure 795. Fig. 791.

Sprech-Galvanometer.


Das Beobachten der Ablenkungen der Nadel durch das Fernrohr würde
jedoch bei andauerndem Dienſte ſehr anſtrengend werden. Man erzeugt daher auf
der Scala ein objectives Lichtbild. Zur Erreichung dieſes Zweckes wurde durch
Siemens \& Halske der in Fig. 792 abgebildete Apparat conſtruirt. Auf einem
Grundbrette iſt in ein prismatiſches Gehäuſe eine Petroleumlampe eingeſetzt, die
ihre Lichtſtrahlen durch einen ſchmalen Spalt m1 m2 in der Vorderwand des
Gehäuſes der auf dem Grundbrette verſtellbaren Sammellinſe L zuſendet. Der
Spalt kann in verticaler Richtung verſchoben und in der gewünſchten Stellung
durch die Schraube x feſtgeſtellt werden. Am oberen Rande des Gehäuſes iſt die
Scala t t angebracht, welche durch die Schraube S mit Hilfe einer Zahnſtange
verſchoben werden kann. Die Wirkungsweiſe dieſes Apparates im Vereine mit dem
Galvanometer iſt aus der ſchematiſchen Fig. 793 zu erkennen. Die durch den
Spalt m m1 austretenden Lichtſtrahlen werden durch die Linſe L auf den Spiegel S
des Galvanometers geworfen, der durch Reflexion der Strahlen bei a auf der
Scala t ein Lichtbild erzeugt. Dieſes Lichtbild fällt auf den Nullpunkt der Scala,
wenn die Drahtwindungen des Galvanometers ſtromlos ſind, es bewegt ſich nach
[1043] rechts oder links, wenn die Nadel mit ihrem Spiegelchen nach der einen oder
anderen Richtung abgelenkt wird. Zur Hervorbringung dieſer Ablenkung genügt
ſelbſt für die längſten Kabellinien eine Batterie von 5 bis 10 Kupfer-Zink-
Elementen.


Um Ströme der einen und der anderen Richtung in das Kabel ſenden zu
können, verwendet man eine ſehr einfach conſtruirte Doppeltaſte (I II in Fig. 794).
Gleich bei den erſten Verſuchen, die mit transatlantiſchen Kabeln angeſtellt wurden,

Figure 796. Fig. 702.

Beleuchtungs-Apparat und Scala.


Figure 797. Fig. 793.

Strahlengang.


ergab ſich eine neue Schwierigkeit; es zeigte ſich an den Kabelenden, wenn dieſe
mit der Erde unter Ausſchluß jeder Batterie verbunden waren, eine ganz erhebliche
elektriſche Spannungsdifferenz, hervorgerufen durch Erdſtröme. Dieſen Uebelſtand
beſeitigte Varley durch Einſchaltung von Condenſatoren, an welche die Kabel-
enden angeſchloſſen und derart directe Verbindungen des Kabels mit der Erde
vermieden wurden.


Die Verbindung der Apparate zu einer Kabelſtation und die Verbindung
dieſer mit einer zweiten zeigt ſchematiſch Fig. 794. Von den Galvanometern g g'
66*
[1044] der Stationen A und B gehen einerſeits Leitungsdrähte n n' zur Erde E1 E'1
und andererſeits zu den Umſchaltern u u', welche, wenn nicht gearbeitet wird, die
in u' dargeſtellte Lage erhalten. Von dieſen Umſchaltern führen die Drähte zu den
Condenſatoren M M', die eine ziemlich bedeutende Capacität beſitzen und ähnlich
conſtruirt ſind wie die der Inductions-Apparate (vergl. S. 305). An die zweiten
Belegungen dieſer Condenſatoren ſchließt das Kabel an. Die zur Zeichengebung
erforderlichen Ströme liefern die Batterien b und b', welche mit den Zinkpolen z z'
an die Schienen 1 1' und mit den Kupferpolen c c' an die Schienen 2 2' der
Doppeltaſter I II und I' II' angeſchloſſen ſind. Die Taſten I I' ſtehen mit dem
Umſchalter und die Taſten II II' mit der Erde E2 E2' in Verbindung.


Will A mit B ſprechen, ſo muß A den Umſchalter aus der Ruhelage (die
bei u' dargeſtellt iſt) in jene Lage bringen, welche bei u angezeigt iſt. Wird die
Taſte I, die im Ruhezuſtande (wie auch die Taſte II) an der Schiene 2 anliegt,
niedergedrückt, ſo wird hierdurch der negative Pol (z) der Batterie mit dem
Umſchalter u durch die Berührung zwiſchen 1 I verbunden, während der poſitive
Pol (c) durch die an 2 anliegende Taſte II mit der Erde (E2) in Verbindung
ſteht. Es ſtrömt ſomit negative Elektricität über I 1 und den Umſchalter u zum

Figure 798. Fig. 794.

Schaltung.


Condenſator M, wo ſie ſich über die eine Belegung, in der Figur über die untere,
ausbreitet, in der oberen Belegung poſitive Elektricität bindet und eine entſprechende
Menge negativer Elektricität in das Kabel ſendet. Aus dem Kabel gelangt die
negative Elektricität auf die obere Belegung des Condenſators M' in der Station B,
bindet in der unteren Belegung dieſes Condenſators poſitive Elektricität und
veranlaßt ein Abfließen von negativer Elektricität durch u' und das Sprech-
galvanometer g zur Erde E'1. Hierdurch wird die Nadel in einer beſtimmten
Richtung abgelenkt und das Lichtbild bewegt ſich auf der Scala vom Nullpunkte
aus in einer beſtimmten Richtung, womit ein Zeichen übermittelt iſt. Geht hierauf
die Taſte I in ihre Ruhelage zurück, ſo legt ſie ſich an die Schiene 2 an und
ſtellt durch dieſe ſowie auch durch die gleichfalls an 2 anliegende Taſte II eine
Verbindung der unteren Belegung des Condenſators M mit der Erde E2 her.
Die negative Elektricität dieſer Belegung fließt nun zur Erde ab und giebt
dadurch die poſitive Elektricität der oberen Belegung frei; dieſe ſtrömt durch das
Kabel zur oberen Belegung den Condenſators M' in der Station B, neutraliſirt
daſelbſt die negative Ladung und veranlaßt dadurch das Abfließen der poſitiven
Elektricität auf der unteren Belegung über den Umſchalter u' und das Galvano-
meter g' zur Erde E1'. Es wurde alſo durch das Niederdrücken der Taſte I in
der Station A ein negativer Strom und durch das Auflaſſen dieſer Taſte ein
[1045] poſitiver Strom durch das Sprechgalvanometer g' der Station B geſandt. Der
erſte Strom bewirkte die Ablenkung der Nadel in der gewünſchten Richtung, alſo
die Uebermittlung eines Zeichens, während der zweite, entgegengeſetzt gerichtete
Strom die Nadel wieder in ihre Ruhelage zurückführt, das ganze Syſtem ent-
ladet und zur Uebermittlung eines zweiten Zeichens vorbereitet. Würde nun die
Taſte II der Station A niedergedrückt, ſo würde dies in analoger Weiſe zu einem
Ausſchlage der Galvanometernadel (der Station B) im entgegengeſetzten Sinne
führen und hierauf wieder die Entladung des Syſtemes eintreten. Die Schrift-
zeichen der zu übermittelnden Depeſche werden aus den Ablenkungen der Galvano-
meternadel nach der einen und der entgegengeſetzten Richtung in derſelben Weiſe
zuſammengeſetzt wie bei der gewöhnlichen Morſeſchrift aus Strich und Punkt. Nach
Abſendung jeder Depeſche ſtellt die Sendeſtation den Stromwender wieder in jene
Lage zurück, in welcher er den Condenſator mit dem Sprechgalvanometer ver-
bindet.


Dieſe Methode der Depeſchenübermittlung hat zwei Uebelſtände: die Depeſche
wird durch die gebende Station nicht aufgezeichnet und die in die Empfangs-
ſtation übermittelten Zeichen ſind keine bleibenden. Das Mitſprechen der gebenden
Station erreicht man nun dadurch, daß man beſonders conſtruirte Doppeltaſter
verwendet, welche nicht nur die vorhin angegebene Stromgebung in das Kabel
ermöglichen, ſondern gleichzeitig auch einen Localſtrom ſchließen, durch welchen die
Kabeldepeſche in der gebenden Station aufgezeichnet wird.


Die Beſeitigung des zweiten Uebelſtandes iſt auch deshalb wünſchenswerth,
weil die ſtändige Beobachtung des auf der Scala hin- und herwandernden Licht-
bildes ſehr ermüdend wirkt. Das automatiſche Aufzeichnen der in der Empfangs-
ſtation einlangenden Depeſchen erreichte man ſowohl mit Zuhilfenahme der Photo-
graphie als auch durch Anwendung einer Art höchſt empfindlichen Relais. Die
erſte Methode beruht darauf, daß man die vom Galvanometerſpiegelchen aus-
geſandten Lichtſtrahlen auf lichtempfindliches Papier leitet und daſelbſt durch chemiſche
Zerſetzung bleibende Zeichen hervorruft; die zweite Methode benützt die Strahlen derart,
daß ihre Wärmewirkung ein gegen Temperaturdifferenzen ſehr empfindliches In-
ſtrumentchen (ein Radiometer) in Bewegung ſetzt, welches dann entſprechende
Schlüſſe einer Localbatterie herbeiführt und dadurch einen Schreib-Apparat in
Thätigkeit ſetzt.


Da man mit Spiegelgalvanometern auf den transoceaniſchen Kabeln nicht mehr er-
reichen konnte als die Uebermittlung von 15 bis 17 Worten per Minute, ſo greift man in
neuerer Zeit zur Anwendung anderer Apparate. Hierher gehören der Heber-Schreib-
Apparat
von W. Thomſon, der Undulator von Lauritzen und der Rußſchreiber von
Siemens. Von dieſen Apparaten wollen wir den Heber-Schreib-Apparat (oder Siphon-
Recorder
) von Thomſon näher betrachten. Eine Darſtellung des Geſammt-Apparates giebt
Fig. 795. Die aus einer größeren Anzahl von Stahllamellen zuſammengeſetzten Schenkel Sch
eines kräftigen Magnetes ſind oben mit den Polſchuhen N und S verſehen; zwiſchen dieſen
ſchwebt das Drahträhmchen s, welches bei x und y (Fig. 796) an die Leitungen angeſchloſſen
wird. Um das magnetiſche Feld, in welchem dieſer Drahtrahmen ſchwebt, zu einem recht
kräftigen zu machen, wird im Innern des Rahmens noch ein Stück weichen Eiſens (S N)
angebracht. Die Drahtwindungen hängen an dem Coconfaden a und werden durch die
Coconfäden b b in der Weiſe in einer beſtimmten Ruhelage erhalten, daß dieſe Fäden an
ihren unteren Enden kleine Gewichtchen g (Fig. 795) tragen. Gelangt nun durch die Leitung
ein Strom in die Drahtwindungen des Rähmchens, ſo wird dieſes in der einen oder anderen
Richtung gedreht, je nachdem der Strom das Rähmchen in der einen oder anderen Richtung
durchfließt. Bei der beträchtlichen Stärke des magnetiſchen Feldes tritt eine derartige Bewegung
ſchon bei ſehr ſchwachen Strömen ein. Dieſe Bewegungen werden durch einen Coconfaden
[1046] unter Vermittlung eines kleinen, leichtbeweglichen Hebels auf die Schreibvorrichtung
übertragen.


Die Schreibvorrichtung beſteht aus dem Glasheberchen Si, das mit ſeinem kürzeren
Schenkel in das Farbgefäß F taucht und mit der feinen Spitze ſeines längeren Schenkels

Figure 799. Fig. 795.

W. Thomſon’s Siphon-Recorder.


dem unter ihm ſich langſam fortbewegenden Papierſtreifen ſehr nahe, aber ohne ihn zu
berühren, gegenüberſteht. Es entſteht daher eine gerade Linie ſo lange, als bei fortgeſetzter
Bewegung des Papierſtreifens der Heber ruhig hängen bleibt, es entſteht aber eine Reihenfolge
von Zickzack-Linien, wenn der Heber in Folge der Ablenkungen des Drahträhmchens durch
elektriſche Ströme ſeitlich verſchoben wird. Aus dieſen Zickzack-Linien, welche den durch die
Drahtwindungen geſandten Strömen der einen und der andern Richtung entſprechen, wurde
[1047] in der durch Fig. 97 dargeſtellten Weiſe ein telegraphiſches Alphabet zuſammengeſetzt; vor
dem a und hinter dem z iſt ein Zeichen, welches „Verſtanden“ bedeutet.


Was nun die Schreibvorrichtung ſelbſt anbelangt, ſo muß bemerkt werden, daß es
nicht zuläſſig erſcheint, die Farbe einfach durch das Heberchen auf das Papier fließen zu
laſſen, da in dieſer Weiſe keine deutlichen Zeichen zu erhalten wären. Man macht daher die
Heberſpitze ſo enge, daß die Schreibtinte in Folge der Haarröhrchenwirkung nicht von ſelbſt
ausfließen kann. Dies wird erſt, wenn der Apparat ſchreiben ſoll, durch Elektriſirung der
Tinte bewirkt. Dazu dient die ſogenannte „Mühle“. Dieſe bildet die Combination eines
elektromagnetiſchen Motors einfachſter Art mit einer Influenzmaſchine. Auf der Hartgummi-
ſcheibe der letzteren ſind nämlich Metallſpeichen, welche an ihren äußeren Enden Eiſenſtücke
tragen, radienförmig befeſtigt. Unterhalb dieſes Rades befindet ſich ein Elektromagnet, in
deſſen Drahtwindungen der Strom einer Batterie automatiſch abwechſelnd geſchloſſen und
unterbrochen wird, was die Anziehung der aufeinander folgenden Eiſenſtücke und daher die
Rotation des Rades veranlaßt. Letzteres iſt von zwei halbcylindriſchen Metallmänteln um-

Figure 800. Fig. 796.

Rähmchen.


geben, deren einer anfänglich elektriſirt wird. Setzt man
hierauf den Apparat in Gang, ſo erfolgt die fortwährende
Erregung von Influenzelektricität durch Wechſelwirkung zwiſchen
den Metallmänteln und dem Rade in der uns bereits be-
kannten Weiſe (vergl. Influenzmaſchinen S. 105). Der negative
Pol dieſer Influenzmaſchine iſt, wie auch die Walze, auf
welcher der Papierſtreifen unterhalb des Hebers aufliegt, mit
der Erde in Verbindung. Vom poſitiven Pole aus gelangt
die Elektricität unter Vermittlung der Platte k in das Farb-
gefäß und in den Heber. Die Flüſſigkeit im Heber iſt ſonach
ſtets poſitiv und die Walze unterhalb des Papierſtreifens ſtets
negativ elektriſch. Es geht daher von der Heberſpitze zur
Papierrolle ein fortdauernder Funkenſtrom, welcher Tinten-
tröpfchen mitnimmt und auf den Papierſtreifen ſchleudert.
Der Elektromotor dient auch gleichzeitig dazu, um unter Ver-
mittlung des Schnurlaufes L und der dazu gehörigen Räder
den Papierſtreifen zu bewegen.


Das Schaltungsſchema zweier mit Siphon-Recordern
ausgerüſteter Kabelſtationen zeigt Fig. 798. Die Batterien B B'
der Stationen I und II ſind mit Doppeltaſtern verbunden,
von welchen aus die Leitungen über die Umſchalter U U' zu den Recordern führen. Die
Contacte auf den Ebonitſtücken m m' der Umſchalter ſind mit den Klemmen T3 verbunden,
die Contacte 1, 2 und 3 der Ebonitſtücke n n' ſtehen mit den Taſtern und der Erde in Ver-

Figure 801. Fig. 797.

Kabel-Schrift.


bindung, wie dies die Figur deutlich erkennen läßt. Mit s1 s2 ſind die Drahträhmchen und
mit C1 C2 die Condenſatoren bezeichnet. Will I mit II ſprechen, ſo wird der Umſchalter der
Station I auf den Contact 3 bei n geſtellt, während der Umſchalter in der Station II in der
Ruhelage auf 1 verbleibt. Wird in Station I die untere Taſte niedergedrückt, ſo ſchlägt ein
poſitiver Strom vom Kupferpole (dem langen Strich links) der Batterie B aus folgenden
Weg ein: Durch die untere Taſte in den Contact 3 bei n nach U und theilt ſich dort in zwei
Zweige; der eine Zweig geht durch den Umſchaltehebel über den Contact auf m nach T3, der
andere fließt nach T1, wo er ſich wieder in zwei Zweige theilt, deren einer durch das Rähm-
chen s1 fließt und die Aufzeichnung der Depeſche in der Abſendeſtation bewirkt, deren anderer
über den veränderlichen Widerſtand T1 T2 zum Condenſator C1 abfließt. Da die Widerſtände
dieſer beiden Zweigſtröme bedeutend größer ſind als der Widerſtand des Stromzweiges nach
T3, ſo fließt durch s1 nur ein ſchwacher Strom, der gerade noch zur Aufzeichnung der De-
peſche hinreicht, während der Hauptſtrom zum Condenſator fließt.


Zwiſchen C1 und C2 erfolgen dann dieſelben Vorgänge, die wir bei Fig. 794 be-
ſprochen haben. In der Station II gelangt ein poſitiver Strom nach T2, fließt durch das
[1048] Rähmchen s2 und von hier über T1 U' und den Contact 1 von m' in den Doppeltaſter; da
deſſen beide Taſten an der oberen (rechten) Querſchiene ruhen und die untere Taſte mit der
Erdleitung E' in Verbindung ſteht, findet der Strom durch den Taſter ſeine Ableitung zur
Erde. Das Durchfließen eines poſitiven Stromes durch das Rähmchen s2 hat dieſes in be-
ſtimmter Richtung abgelenkt und durch Einwirkung auf den Heber eine entſprechende Curve
auf das Papier gezeichnet, alſo ein Zeichen gegeben. Wird nun aber die obere Taſte in der
Station I niedergedrückt, ſo wird hierdurch der poſitive Kupferpol (langer Strich links) der
Batterie B mit der Erdleitung E verbunden und nun kann vom negativen Zinkpole (dicker
kurzer Strich rechts) ein Strom den vorbeſchriebenen Weg über den Contact 3 auf n zum
Condenſator C1 einſchlagen. Vom Condenſator C2 wird nun aber ein negativer Strom durch
das Rähmchen s2 fließen und dieſes muß daher eine zu der früheren entgegengeſetzte Bewe-
gung machen, alſo auch den Heber veranlaſſen, eine entgegengeſetzt gerichtete Curve zu zeichnen.
In welcher Weiſe aus der Combinirung der Curven die Schriftzeichen gebildet werden, iſt
aus der Fig. 797 zu erſehen. Dem fügen wir nur noch bei, daß Thomſon’s Recorder eine
Leiſtung von 30 Worten per Minute (auf einem 600 bis 700 Kilometer langen Kabel)

Figure 802. Fig. 798.

Schaltung zweier Kabelſtationen.


erreicht und außer auf vielen anderen Linien namentlich auf dem weitverzweigten Kabelnetze
der Eaſtern Telegraph Company in Verwendung ſteht.


Einer ſehr häufigen und ausgedehnten Anwendung erfreut ſich die Elek-
tricität in der Haus- und Hotel-Celegraphie. Die hierbei gebräuchlichen Appa-
rate ſind ſehr einfacher Conſtruction, da die an ſie geſtellten Anforderungen in
der Regel blos auf die Abgabe weniger Zeichen beſchränkt ſind. Der Betrieb der-
artiger Anlagen, der ſowohl ein Ruheſtrom- als auch ein Arbeitsſtrom-Betrieb
ſein kann, erfolgt im erſteren Falle zweckmäßig durch Meidinger-Elemente und im
letzteren Falle mit Elementen von Leclanché. Als Stromſender verwendet man
einfache Taſter, als Empfänger nur Klingelwerke oder ſolche verbunden mit optiſchen
Signalen.


Häufig benützte Taſterformen ſind in Fig. 799 abgebildet. Der Druck-
taſter beſteht aus der Grundplatte A mit den Contactfedern f f', welche bei a und b
[1049] durch Schrauben befeſtigt ſind und der darüber geſchraubten Kapſel B, aus deren
Durchbohrung der Druckknopf c herausragt. Die Federn f f' werden aus Stahl-
oder Neuſilberblech angefertigt und dürfen nur mit den durch die Löcher a und b
geführten Leitungsdrähten in leitender Verbindung ſtehen. Unter Beobachtung dieſes
Umſtandes können die übrigen Beſtandtheile des Taſters aus beliebigem Materiale
hergeſtellt werden. Die in der Mitte ſich überkreuzenden Federn, auf deren oberer
der Druckknopf c aufruht, der durch ſeine tellerförmige Verbreiterung gehindert
wird, aus der Kapſel (B) herauszufallen, ſtehen untereinander in keiner Berührung;
eine ſolche wird vielmehr erſt dann hergeſtellt und der Schluß des Stromkreiſes

Figure 803. Fig. 799.

Taſter.


bewirkt, wenn man den Druckknopf hineindrückt. In der Fig. 799 iſt auch eine
hängende Taſte mit drei Druckknöpfen I II III abgebildet, von welcher aus die
Leitungen, umhüllt von einer Seidenumſpinnung, weitergeführt werden. Soll die
Anlage mit Ruheſtrom betrieben werden, ſo iſt auf der Grundplatte A nur eine
Feder f befeſtigt, die ſich im Ruhezuſtande an einen etwa bei f angebrachten, ſie
übergreifenden Contactwinkel lehnt, der mit dem einen Leitungsdrahte in Ver-
bindung ſteht, während der andere Draht an die Feder angeſchloſſen iſt; drückt
man den Druckknopf c hinein, ſo wird die Feder niedergedrückt, der Contact mit
dem übergreifenden Contactwinkel aufgehoben und in dieſer Weiſe der Strom
unterbrochen.


[1050]

Als Empfänger verwendet man gewöhnlich ſogenannte Raſſelglocken,
ſeltener Glocken mit einfachem Schlage. Die Raſſelglocken ſind Klingel mit Selbſt-
unterbrechung, wie wir ſolche bereits kennen gelernt haben. (Fig. 776, Seite 1021;
auch die Seite 921 beſchriebene Glocke kann vortheilhaft benützt werden, wobei
dann der Taſter natürlich durch den Inductor erſetzt wird.) Die Glocken mit ein-
fachem Schlage unterſcheiden ſich von den Raſſelglocken dadurch, daß ſie keine
Contactvorrichtung beſitzen, welche nach dem Anziehen des Ankers den Strom
wieder unterbricht, abermals ſchließt u. ſ. w., ſo lange der zugehörige Taſter
niedergedrückt bleibt. Sie giebt daher bei einmaligem Niederdrücken des Taſters
auch nur einen Glockenſchlag, während die Raſſelglocke ſo lange tönt, als der
Taſter niedergedrückt bleibt. In Localen, wo ſtarker Lärm herrſcht, empfiehlt ſich die
Anwendung von Doppelklingeln. Bei dieſen befindet ſich der den Klöppel tragende
Anker zwiſchen den Polen zweier Magnete und iſt mit zwei Contacten verſehen,

Figure 804. Fig. 800.


Figure 805. Fig. 801.

Klingel-Schaltungen.


von welchen der eine mit den Draht-
windungen des einen, der andere
mit den Drahtwindungen des zweiten
Elektromagnetes in Verbindung ſteht.
Da die Windungszahl der beiden
Magnete ungleich iſt, wird der Anker
bei Stromſchluß zunächſt von jenem
Magnete angezogen, der die größere
Anzahl von Windungen beſitzt.
Hierdurch wird der dazu gehörige
Contact unterbrochen und durch
Zurückgehen des Ankers der Con-
tact für den zweiten Magnet ge-
ſchloſſen, der nunmehr den Anker
anzieht und ſo den Contact für den
erſten Magnet unterbricht u. ſ. w.
Da nun dem Klöppel auf beiden
Seiten Glocken gegenübergeſtellt ſind,
ſchlägt erſterer abwechſelnd auf die
letzteren.


Die Verbindung der Klingel und des Taſters mit der Batterie geſtaltet ſich
ſehr einfach, wenn man nur wünſcht, von einer beſtimmten Stelle aus an eine
beſtimmte Stelle ein Glockenzeichen zu geben, alſo die Möglichkeit einer Rück-
antwort nicht gewünſcht wird. Man verbindet einfach einen Pol der Batterie mit
einer Feder des Taſters, von deſſen zweiter Feder der Leitungsdraht zu dem
Klingelwerke führt, deſſen zweite Klemme mit dem zweiten Pole der Batterie in
Verbindung ſteht. An Stelle der Rückleitung kann natürlich auch die Erdleitung
treten. Bei ſogenannten Correſpondenzleitungen, wo ſowohl von I nach II,
als auch von II nach I Glockenzeichen gegeben werden können, geſtaltet ſich die
Verbindung für Ruheſtrombetrieb in der durch Fig. 800 dargeſtellten Weiſe; hier
ſtellen T T die Ruheſtromtaſter und G G die Klingel dar, welche in den Strom-
kreis der Batterie L B eingeſchaltet ſind. Eine Schaltung für Arbeitsſtrom zeigt
Fig. 801, die wohl keiner näheren Erklärung bedarf.


Iſt die Empfangsſtation mit mehreren oder vielen Zeichengebern verbunden, wie dies
z. B. in Hotels der Fall iſt, ſo muß dem Glockenzeichen noch ein optiſches Signal beigegeben
[1051] werden, welches anzeigt, woher der Weckruf kommt. Um dieſen Zweck zu erreichen, verbindet
man die Glocke mit einem Tableau-Anzeiger. Während man früher Nadel-Telegraphen

Figure 806. Fig. 802.

Fallſcheibe von Bréguet.


hierzu in Anwendung brachte, benützt man
gegenwärtig faſt ausſchließlich Tableau-
Anzeiger mit Fallſcheiben; die Bréguet-
ſche Conſtruction derſelben zeigt Fig. 802.
Oberhalb des Elektromagnetes M ſchwebt
der durch die Federn f gehaltene Anker A,
der an ſeinem freien Ende mit einem Haken
verſehen iſt. In dieſen greift die Naſe n des
um o drehbaren Bleches S ein und wird
dadurch in ihrer verticalen Lage feſtgehalten,
ſo lange der Magnet ſtromlos bleibt. So-
bald aber ein Strom deſſen Drahtwindungen
durchfließt, bewegt ſich der Anker in Folge
der auf ihn ausgeübten Anziehung nach
abwärts, hebt dadurch den Eingriff der Naſe
auf und läßt die Blechſcheibe S herabfallen.
In dem Tableaukaſten T (Fig. 803) ſind
ſo viele derartige Apparate angebracht, als
Taſter mit der Batterie B und der Glocke G
verbunden ſind. Die Drahtenden a dieſer
Elektromagnete ſtehen einzeln durch die Klemmen K1 bis K5 mit den Taſtern in Verbindung,
während die Drahtenden b gemeinſam zu der Klemme K6 geführt ſind. Von hier aus geht
ein Draht zum Klingelwerk G, deſſen zweiter Draht mit einem Pole der Batterie verbunden

Figure 807. Fig. 803.

Bréguet’s Tableau-Anzeiger.


iſt. Der andere Batteriepol ſteht mit den zweiten Contacten der Taſter in Verbindung.
Wird nun alſo z. B. der dritte Taſter niedergedrückt, ſo ertönt die Glocke und gleichzeitig
fällt die betreffende Blechſcheibe durch eine in dem Kaſten oberhalb der Nummer 3 angebrachte
Spalte heraus. Die Scheibe wird, wenn das Signal vernommen wurde, von der durch
[1052] dasſelbe herbeigerufenen Perſon durch einfaches Hineindrücken wieder in ihre Ruhelage
gebracht.


Häufig iſt der Tableau-Anzeiger auch derart eingerichtet, daß die herabfallende Scheibe
die betreffende Nummer durch ein Glasfenſterchen ſichtbar werden läßt. Eine derartige, von
Hagendorff ausgeführte Conſtruction zeigt Fig. 804. Der Elektromagnet M M iſt an der
Wand T des Geſtelles feſtgeſchraubt; der Anker A wird durch eine Feder f gehalten, die an
einem Anſatze der Wand T1 befeſtigt iſt. An dem Stücke P iſt der Winkelhebel h h1 drehbar
angebracht, deſſen Arm h das Zifferblatt trägt und in der Ruhelage vertical ſteht. Er wird
in dieſer Stellung dadurch erhalten, daß die Naſe n des Hebelarmes h1 in den Stift o des
Ankers einſchnappt. (Das Zurückweichen des Ankers von dem Magnete wird durch den
Stift p begrenzt.) Fließt jedoch durch die Drahtwindungen des Elektromagnetes ein Strom,
ſo wird der Anker angezogen und dadurch der Stift o außer Eingriff mit der Naſe n
gebracht. Die Schwere des Hebelarmes h1 bewirkt dann eine derartige Drehung des Winkel-
hebels, daß die Nummernſcheibe hinter dem Glasfenſterchen des Tableaukaſtens zum Vor-

Figure 808. Fig. 804.

Fallſcheibe von Hagendorff.


ſchein kommt. Der Winkelhebel wird nach Unterbrechung des Stromes durch die Zugſtange Z
wieder in ſeine Ruhelage gebracht. Dieſe iſt nämlich mit dem aus der rechten Seitenwand
des Tableaukaſtens herausragenden Knopfe K verbunden, ſo daß durch Anziehen an dem
Knopfe die Zugſtange von links nach rechts bewegt wird. Hierbei erfaſſen die Ausſchnitte a
mit ihrer linken Seite die an den Winkelhebeln h h1 befeſtigten Stäbchen r der herabgefallenen
Nummernſcheiben und drehen dadurch dieſe wieder in ihre Ruhelage zurück; die Naſen n
ſchnappen dann neuerdings in die Stifte o der Anker ein, da auf letztere keine Anziehungs-
kraft mehr wirkt. Der in dem Ausſchnitte b der Stange Z bei s ſichtbare Stift begrenzt die
Bewegung der Stange beim Herausziehen durch die Hand und bei ihrem hierauf durch die
Feder f bewirkten Rückgange.


Beabſichtigt man nicht nur einzelne Zeichen zu geben, ſondern will man jede beliebige
Depeſche zu übermitteln im Stande ſein, ſo wird man dies am einfachſten wohl durch
Einrichtung einer Telephon-Doppelſtation, wie ſolche weiter oben beſchrieben wurden, erreichen.
Hin und wieder werden für ſolche Zwecke auch noch Zeiger-Telegraphen der einen oder andern
Form verwendet.


[1053]

Auch automatiſche Welde-Apparate kommen nicht ſelten zur Anwendung.
Man bezweckt dadurch die ſelbſtthätige Abgabe eines optiſchen oder akuſtiſchen
Signales, wenn eine Thüre oder ein Fenſter geöffnet, etwa eine beſtimmte Diele
von fremden Perſonen überſchritten wird, wenn man das Schloß einer Thüre von
einem entfernten Punkte aus öffnen will, wenn das Steigen oder Fallen der
Temperatur in beſtimmten Räumen über oder unter eine gewiſſe Grenze fortſchreitet,
wenn der Waſſerſtand von Keſſeln, Reſervoirs oder auch von Flüſſen unter oder
über eine gewiſſe Grenze geht, wenn in gewiſſen Räumen Feuer ausbricht u. ſ. w.


Das Oeffnen von Thüren kann z. B. unter Vermittlung ſogenannter Thür-
contacte
, welche mit einer Klingel (an der gewünſchten Stelle) in den Strom-
kreis einer Batterie geſchaltet ſind, angezeigt werden. Zwei ſolcher Contacte ſind
in Fig. 805 abgebildet; die Metallplatte A A iſt in den Thürſtock ſo weit ein-
gelaſſen, daß die Fläche A A mit der Fläche des Thürſtockes in eine Ebene fällt.
An der Innenfläche dieſer Platte, die bei a mit einem Leitungsdrahte verbunden

Figure 809. Fig. 805.

Thür-Contacte.


wird, iſt von dieſer iſolirt ein Contactplättchen c an-
gebracht, von welchem aus der zweite Leitungsdraht b
weitergeführt wird. Am oberen Ende der Platte A und
gleichfalls auf ihrer Innenfläche iſt die Feder f auf-
geſchraubt. So lange die Thüre geſchloſſen bleibt, drückt
die Kante derſelben den iſolirten Knopf K durch eine
entſprechende Bohrung in der Platte A A ſo gegen die
Feder f, daß dieſe außer Contact mit dem Plättchen c ſteht.
Wird jedoch die Thüre geöffnet, ſo drückt die Feder f
den Knopf K heraus und kommt mit ihrem freien Ende
in Contact mit dem Plättchen c. Der Stromſchluß iſt
dadurch über a, A A, f, c und b hergeſtellt und die
Klingel tönt ſo lange, ſo lange die Thüre geöffnet bleibt.


Soll das Oeffnen der Thüre hingegen nur durch
ein kurzes Signal angemeldet werden, ſo verwendet man
nicht den eben beſchriebenen Contact, ſondern einen
Schleifcontact, wie einen ſolchen der rechte Theil der
Figur darſtellt. An dem Metallwinkel c d iſt die Feder b
mit dem abgerundeten Hornſtücke K befeſtigt; parallel zu
dieſer Feder iſt die Feder a angebracht und jede der Federn mit einem Leitungsdrahte
verbunden. Die ganze Vorrichtung wird derart an dem Thürſtocke befeſtigt, daß
eine Kante der auf- oder zugehenden Thüre über das Hornſtück K ſchleifen muß.
Eine mit dieſer Contactvorrichtung verbundene Klingel wird daher ſo lange
läuten, als durch das Darüberſchleifen der Thürkante über den Knopf K die
Feder b niedergedrückt und mit a in Berührung bleibt.


In gleich einfacher Weiſe laſſen ſich Klingelwerke, Signalſcheiben u. ſ. w. auch
durch Tretcontacte betreiben; ebenſo kann durch das Oeffnen einer Thüre z. B.
ein Licht angezündet werden. Die Herſtellung eines Contactes beim Thüröffnen
hat dann den Stromkreis einer großplattigen Batterie über eine Spirale ſehr
dünnen Platindrahtes zu ſchließen, welche unmittelbar über einer Ligroinlampe
angebracht iſt; der Platindraht kommt dadurch zum Glühen und entzündet die
Ligroindämpfe. Es iſt einleuchtend, daß man ſich bei einiger Kenntniß der elek-
triſchen Erſcheinungen die mannigfachſten automatiſch wirkenden Vorrichtungen
ſelbſt ſchaffen kann.


[1054]

Etwas genauer wollen wir jedoch noch einige Apparate betrachten, welche
automatiſch das Ueberſchreiten einer vorher beſtimmten Temperatur jenes Raumes,
in welchem ſie aufgeſtellt ſind, anzeigen. Werden dieſe Automaten für höhere
Temperaturen eingeſtellt, beziehungsweiſe conſtruirt, ſo dienen ſie dann eben als
automatiſche Feuermelder. Die einfachſte Art der letzteren wirkt wieder in der
Weiſe, daß durch ſie im gegebenen Falle ein Läutewerk in Thätigkeit geſetzt wird.
Man kann dies z. B. ſo bewirken, daß man in dem zu ſchützenden Raume
Hanffäden mit einem Ende befeſtigt und durch ein Metallgewicht am zweiten Ende
geſpannt erhält. Kommen ſolche Fäden mit Flammen in Berührung, ſo brennen
ſie natürlich ab, und die ſie ſpannenden Metallgewichte fallen auf darunter an-
gebrachte Taſter, durch deren Schluß der Alarm-Apparat in Thätigkeit geſetzt
wird. Von verſchiedenen Seiten wurde vorgeſchlagen, die Bühnen und Schnür-
böden
unſerer Theater mit einem förmlichen Netze ſolcher Fäden zu verſehen und
die betreffenden Contacte nicht nur mit Alarmglocken, ſondern auch mit Auslöſe-
vorrichtungen zum automatiſchen Herablaſſen der eiſernen Courtine, zum Oeffnen
der Waſſerwechſel, zum Oeffnen einer großen Dachluke oberhalb der Bühne u. dgl.
zu benützen. Wir glauben jedoch hierzu bemerken zu ſollen, daß der Werth derartiger
Einrichtungen ein höchſt zweifelhafter iſt. Abgeſehen davon, daß die Anbringung
eines ſolchen Fadennetzes in einem ohnehin ſchon durch Seile, Schnüre, Rollen,
Decorationsſtücke u. ſ. w. überladenen Raume auf mancherlei Schwierigkeiten
ſtoßen würde, könnten gerade dieſe Sicherheitsvorrichtungen Anlaß zu großem
Unglücke geben. Da die Fäden, wenn ſie überhaupt ihren Zweck erfüllen ſollen, nicht
an geſchützten Stellen, ſondern überall, wo Feuersgefahr eintreten könnte, angebracht
ſein müßten, ſo könnte nur zu leicht durch irgend einen Zufall die Zerſtörung
eines oder mehrerer Fäden eintreten. Die Folge wäre dann das Niedergehen
eines Platzregens auf die Schauſpieler, das Herabfallen der Eiſencourtine und
jedenfalls eine allgemeine Panik.


Wie zahlreiche Fälle gezeigt haben, iſt ein Theater faſt ausnahmslos ganz
verloren, wenn einmal auf der Bühne oder am Schnürboden Feuer ausbricht.
Es iſt dies nur zu begreiflich, wenn man bedenkt, daß der mit brennbaren Stoffen
übervoll behängte Raum allabendlich der Erhitzung durch eine Unzahl von Gas-
flammen ausgeſetzt iſt und ſo gewiſſermaßen ſyſtematiſch zum Verbrennen präparirt
wird. Wird die Entzündung nicht im Momente des Entſtehens ſelbſt bemerkt und
die Flamme ebenſo ſchnell gelöſcht als ſie entſtanden iſt, ſo iſt gewöhnlich nichts
mehr zu retten; daran dürften auch Automaten obiger Art wenig ändern.


Theater und ähnliche Locale können unſerer Anſicht nach gegen Feuersgefahr
durch keinerlei Mittel geſichert werden, welche bezwecken, den bereits eingetretenen
Brand anzuzeigen oder zu bekämpfen, ſondern nur durch ſolche, welche das Ent-
ſtehen
des Brandes ſo ſehr als möglich erſchweren. Hierher gehören die baulichen
Dispoſitionen und inneren Einrichtungen, alſo z. B. die Verwendung von Eiſen-
traverſen an Stelle von Holzbalken, von Drahtſeilen an Stelle der Hanfſeile u. ſ. w.
Vor allem Anderen aber ſind jede Art offener Flammen aus dem Theater zu ver-
bannen; da dieſe Forderung gegenwärtig durch Anwendung des elektriſchen Glüh-
lichtes ausführbar erſcheint,*) wird ſie über kurz oder lang von den hierzu beru-
fenen Organen wohl auch aufgeſtellt werden müſſen; aber allerdings werden dann
ebenſo bündige, wie ſtricte Vorſchriften für die Herſtellung derartiger Anlagen auf-
[1055] zuſtellen ſein, um nicht etwa durch die Arbeit unverſtändiger Hände neue Gefahren
heraufzubeſchwören.


Mit Obigem ſoll jedoch keineswegs geſagt werden, daß alle Schutzmittel gegen
den bereits ausgebrochenen Brand wegbleiben können, ſondern nur, daß von allen
Schutzmitteln die erſteren die wichtigſten und wirkſamſten ſind. Da aber eine ab-
ſolute Sicherheit überhaupt in keiner Weiſe zu erzielen ſein dürfte, ſo darf auch
bei Anwendung der erſterwähnten Schutzmittel von den letztgenannten keineswegs
Umgang genommen werden.


Anders geſtalten ſich die Verhältniſſe für Räume, in welchen ſich nicht Tau-
ſende von Perſonen, oft enge aneinandergedrängt, aufhalten, in welchen ſich viel-

Figure 810. Fig. 806.

Automatiſcher Feuer-Anzeiger von Fein.


mehr nur verhältnißmäßig wenige Perſonen befinden, welche nur zeitweiſe von
Perſonen betreten werden oder in welchen die Feuersgefahr auf beſtimmte Stellen
oder Objecte beſchränkt iſt. Hier, alſo z. B. in Fabriken, Magazinen u. ſ. w.
werden Automaten gewiß ſehr gute Dienſte leiſten. Wir beſchreiben daher nach-
ſtehend einen ſehr einfachen Apparat, der von W. F. Fein conſtruirt wurde und
auf dem Schmelzen einer Subſtanz beruht, deren Schmelzpunkt eben bei jener
Temperatur liegt, welche an der betreffenden Stelle nicht überſchritten werden ſoll.


An dem Meſſingrohre M (Fig. 806) iſt bei H ein Ebonitring befeſtigt,
durch welchen die Contactſchraube b, iſolirt von M, eingeführt iſt. Durch das
Zwiſchenſtück z wird der Anſatz der Röhre r vermittelt, welche an ihrem unteren
Ende bei c einen Ausſchnitt beſitzt. Beide Röhren durchſetzt ein an dem Knopfe K
[1056] befeſtigter und in den Röhren verſchiebbarer Stab, welcher bei f mit einer Con-
tactfeder verſehen iſt. Der Stab endet bei c in einen Stempel, welcher durch
Herabdrücken des Knopfes K auf den Cylinder S aufgeſetzt wird; dieſer Cylinder
beſteht aus dem abzuſchmelzenden Materiale.*) Werden die Drahtenden eines die
Batterie und die Alarmvorrichtung enthaltenden Stromkreiſes einerſeits mit der
iſolirten Klemme b, andererſeits mit der Metallmaſſe des Apparates durch die
Schraube e verbunden, ſo ertönt das Alarmſignal, ſobald der Cylinder S abſchmilzt.
Dann gleitet nämlich der Stab K, unterſtützt durch den Druck der Spiralfeder, im
Rohre r herab und ſtellt zwiſchen der Schraube b und der mit den übrigen
Apparatentheilen in Verbindung ſtehenden Feder f einen Contact her.


Hat das zu ſchützende Object irgendwelche nennenswerthe Ausdehnung, ſo
ſchaltet man in den Alarmſtromkreis nicht einen, ſondern natürlich eine entſprechende
Anzahl entſprechend vertheilter Apparate ein, wobei die Schaltung in der durch
Fig. 807 ſkizzirten Weiſe erfolgen kann.


Soll in der Alarmſtation auch der Ort des alarmirenden Automaten an-
gezeigt werden, ſo müßte die Klingel mit einer den vorbeſchriebenen Tableau-Anzeigern
ähnlichen Vorrichtung in entſprechender Schaltung verbunden werden. Ebenſo wie

Figure 811. Fig. 807.

Schaltung der Feuer-Anzeiger.


das Schmelzen eines beſtimmten Materiales, kann auch das Steigen des Queck-
ſilbers in einem Thermometer zur Signalgebung benützt werden, indem man in
das Thermometerrohr an der gewünſchten Stelle einen Plattindraht einſchmilzt, der
den Stromſchluß herſtellt, ſobald das Queckſilber ihn erreicht hat; in ähnlicher
Weiſe können auch Metallthermometer hierzu Verwendung finden.


Eine andere Art automatiſcher Feuermelder hat nicht den Zweck, den Aus-
bruch eines Brandes überhaupt anzuzeigen, ſondern ſoll vielmehr auch ununter-
richtete Perſonen befähigen, entſprechende Meldungen an die Centrale einer Feuer-
wehr abſenden zu können. Ein einfacher Druck oder die Drehung einer Kurbel
ſoll genügen, um der Feuerwehr den Standort, von welchem aus die Meldung
erfolgt und auch die Art des Feuers mitzutheilen, eventuell auch einer unterrichteten
Perſon ermöglichen, mit der Centrale in telegraphiſche Correſpondenz zu treten.
Als Beiſpiel eines ſolchen Apparates beſchreiben wir den automatiſchen Feuer-
[1057] melder von B. Egger
in Wien, wie er von der Commune Wien für das
öffentliche Feuer-Telegraphennetz acceptirt wurde.


Fig. 808 zeigt eine Vorderanſicht nach abgenommener Thüre und eine Seitenanſicht
des Werkes. Aus erſterer iſt zu erſehen, daß der Automat fünf Taſter beſitzt, welche durch die
beigeſetzten Worte: „Rauchfangfeuer, Dachfeuer, Zimmerfeuer, Kellerfeuer und Controle“
bezeichnet ſind. Auf den Zweck des links oben angebrachten Taſters werden wir weiter unten
noch zu ſprechen kommen. Im unteren Theile des Kaſtens befindet ſich die Glocke u, ein
Morſetaſter W und die Blitzplatte v. Die Seitenanſicht läßt erkennen, daß der ganze Raum
des Käſtchens durch die von den Trägern c c .. und der Wand b b getragenen vier Platten a
in drei Etagen getheilt wird. Die Einrichtung der unterſten wurde bereits beſchrieben; die
oberſte enthält ein Räderwerk mit Windflügel und die Einrichtung der mittleren läßt ſich

Figure 812. Fig. 808.

B. Egger’s Feuerautomat.


aus dieſer Seitenanſicht im Vergleiche mit Fig. 809 (einem Querſchnitte, deſſen Lage durch
den der Seitenanſicht beigeſetzten Pfeil gekennzeichnet iſt) erſehen, welche die für alle 5 Taſter
gleiche Einrichtung eines ſolchen Taſters zeigt. Der Taſter d, der bei f ſeinen Drehpunkt hat,
wird durch eine an der Wand b b befeſtigte Feder p ſtets gegen die Vorderwand des Kaſtens
gedrückt. Er iſt durch ein Gelenk mit dem Arme e verbunden, deſſen Führung beim Hinein-
drücken des Taſters durch einen entſprechenden Ausſchnitt der Platte b b beſorgt wird. Das
Ende dieſes Armes ruht auf dem Daumen des um g drehbaren Sectors h, der an ſeiner
Peripherie mit den Morſezeichen für das durch die betreffende Taſte zu gebende Wort en
relief
verſehen iſt. Der um i drehbare Hebel k ſteht dieſem Sector derart gegenüber, daß das
drehbare Winkelſtück l an ſeinem Ende mit der Spitze die Peripherie berührt. An demſelben
Hebel iſt auch durch einen Anſatz die mit Platincontact verſehene Feder o befeſtigt, welche
im Ruhezuſtande an der Contactſchraube m anliegt und in dieſer Stellung durch die auf
k wirkende Feder F erhalten wird. Im mittleren Raume des Kaſtens hängt ferner noch das
Gewicht r, welches, an Gleitſtangen geführt, die Bewegung des Räderwerkes zu beſorgen hat.


Urbanitzky: Elektricität. 67
[1058]

Wird der Taſter d hineingedrückt, ſo dreht ſich der Sector h unter Einwirkung des
Armes e in die punktirt gezeichnete Lage und hebt unter Vermittlung der Axe g und des
Räderwerkes in der oberſten Etage des Kaſtens das Gewicht r. Der Hebel k bleibt hierbei
in Ruhe und erhält den Contact der Feder o mit m, weil der Winkel l bei dieſer Drehung
des Sectors ſich gleichfalls drehen und dadurch den Zähnen der Peripherie ausweichen kann.
Läßt man hierauf die Taſte los, ſo wird ſie durch die Feder p wieder nach vorne gedrückt

Figure 813. Fig. 809.

Feuer-Antomat.


und dadurch der Arm e wieder in die urſprüngliche
Lage gebracht. Er drückt daher nicht mehr auf den
Daumen s und der Sector h bewegt ſich unter
Einwirkung des ſinkenden Gewichtes r, deſſen Gang
durch das Räderwerk mit dem Windflügel zu einem
gleichmäßigen gemacht wird, ebenfalls wieder in
ſeine Ruhelage zurück (in der durch den beigeſetzten
Pfeil angedeuteten Richtung). Bei dieſer Bewegung
des Sectors kann nun der Winkel l nicht mehr
durch Drehung ausweichen, ſondern muß vielmehr
genau den Erhöhungen und Vertiefungen auf der
Peripherie des Sectors folgen. Dadurch geräth
der Hebel k und daher auch die Feder o in vibrirende
Bewegung, durch welche abwechſelnd bei m und n
Contact gegeben wird. Nun iſt aber, wie wir aus
der Schaltungsſkizze (Fig. 810) erſehen werden, der
Contact n mit der Stromleitung verbunden und
ebenſo der Hebel k, woraus folgt, daß jede Be-
rührung der Feder o mit n einen Strom abſenden
muß; alle dieſe Ströme zuſammen werden aber in
der Empfangsſtation das der niedergedrückten Taſte
beigeſetzte Wort durch den dort aufgeſtellten Morſeſchreiber erzeugen, weil eben der Sector
den betreffenden Zeichen entſprechend ausgeſchnitten iſt. Somit iſt alſo die gewünſchte Meldung
durch einfaches Niederdrücken der Taſte automatiſch in die Centrale geſandt worden.


Figure 814. Fig. 810.

Schaltung des Feuer-Automaten.


Der Abſender erhält über die thatſächlich erfolgte Abſendung der Depeſche durch die
in denſelben Stromkreis geſchaltete Glocke Gewißheit. Da die zu den fünf Taſten gehörigen
Sectoren alle auf der gemeinſchaftlichen Drehaxe g aufſitzen, muß ihre Verbindung mit derſelben
derart bewirkt werden, daß ſich beim Niederdrücken einer Taſte immer nur der zugehörige
Sector allein bewegt. Zu dieſem Behufe ſind die Sectoren durch gut paſſende Muffen auf
die Axe aufgeſchoben, von welchen jede mit einem Ausſchnitte verſehen iſt, durch welchen die
Axe ſichtbar wird. Auf der Axe iſt innerhalb eines jeden ſolchen Ausſchnittes ein Stift s
[1059] (Fig. 809) befeſtigt, und ſomit wird ein Sector nur dann durch die Drehung der Axe g
mitgenommen, wenn ſich der betreffende Stift gegen den Ausſchnitt anlegt. Es iſt einleuchtend,
daß durch entſprechende Anordnung dieſer Ausſchnitte und der dazu gehörigen Stifte immer
nur die Bewegung eines einzigen Sectors leicht erreicht werden kann.


Die Empfangsſtation iſt ausgerüſtet mit einer Blitzplatte B (Fig. 810), einem Relais R,
dem Galvanometer G, dem Wecker W, dem Morſeſchreiber M, dem Taſter T, der Linien-
batterie L B und den Localbatterien O B.


Wird der Taſter W des Automaten niedergedrückt und wieder losgelaſſen, ſo fließt
von der Linienbatterie L B aus ein Strom über T, das Galvanometer G, Relais R und die
Blitzplatte B durch die Linienleitung zu dem Automaten, geht durch deſſen Blitzplatte v zum
Contact n und, ſo oft dieſer mit der Feder o in Berührung kommt, über dieſe, den Hebel k
und die Glocke n zur Erde E; der zweite Pol der Linienbatterie L B iſt gleichfalls an die
Erde gelegt. Der das Relais R durchfließende Strom ſchließt nun einerſeits den Stromkreis
der Localbatterie O B des Morſeſchreibers M und bewirkt andererſeits das Abfallen der
Fallſcheibe F, wodurch der Stromkreis der Klingel W (mit Selbſtunterbrechung) geſchloſſen
wird. Nun können wir auch die Bedeutung des Taſters t, auf den ſchon früher hingewieſen
wurde, einſehen. Er dient nämlich dazu, um durch Herſtellung einer Erdleitung der Empfangs-
ſtation die Abgabe eines Rückſignales zu ermöglichen. Wie die Figur zeigt, iſt nämlich durch
Niederdrücken des Taſters t eine Ruheſtromleitung (von L B über T, G, R, B, v, t, u und E)
hergeſtellt, in welcher durch Niederdrücken des Taſters T Stromunterbrechungen, alſo Signale
ermöglicht werden.


Von den beſchriebenen Feuerautomaten waren bereits im Jahre 1881 gegen 100 Stück
aufgeſtellt, die ſeither ohne irgend welche Störung fungiren. Die Benützung derſelben iſt in
die Hände der Sicherheitswache gelegt; der in ihrem Beſitze befindliche Schlüſſel öffnet jedoch
nur die äußere Thüre, wodurch die fünf Taſter zugänglich werden, während der beſondere
Verſchluß, unter welchem die unterſte Etage des Automaten ſteht, nur von den Organen der
Feuerwehr, welche des Telegraphirens kundig ſind, geöffnet werden kann.


Eine weitere ſpecielle Anwendung der Telegraphie iſt die Zeit-Telegraphie,
eine Anwendung, deren Bedeutung von Tag zu Tag ſteigt. Abgeſehen von der
Wichtigkeit einer genauen Zeitbeſtimmung für wiſſenſchaftliche Zwecke, verlangen
auch z. B. die täglich dichter werdenden Eiſenbahnnetze genaue und übereinſtimmende
Zeitangaben. Die Apparate, welche in der Zeit-Telegraphie zur Anwendung
gelangen, bezeichnet man gewöhnlich als elektriſche Uhren. Die Elektricität kann
bei dieſen im Allgemeinen in drei Formen zur Anwendung gelangen: 1. Sie
wird dazu benützt, die Angaben einer Normaluhr, ohne Anwendung irgend
welcher anderweitigen Triebkraft, auf einer größeren oder geringeren Anzahl von
Zifferblättern wiederzugeben. 2. Uhren mit ſelbſtſtändigen Triebwerken werden durch
den elektriſchen Strom in beſtimmten Zeitintervallen richtig geſtellt, und 3. die
Elektricität dient ſelbſt als bewegende Kraft der Uhren. Im Nachfolgenden wollen
wir dieſe drei Hauptgruppen der elektriſchen Uhren durch möglichſt einfache
Repräſentanten etwas näher kennen lernen.


Die Uebertragung der Angaben einer Normaluhr auf mehrere Zifferblätter
wurde bereits im Jahre 1839 von Steinheil verſucht, und hierauf wurden
elektriſche Uhren verſchiedener Conſtruction von vielen Anderen ausgeführt. Wir
nennen von Letzteren z. B. Bain, Hipp, Arzberger, Bréguet, Win-
bauer
u. ſ. w. Man nennt jene Uhren, welche ein ſelbſtſtändiges Triebwerk
beſitzen und dazu dienen, von Zeit zu Zeit Stromimpulſe in jene Leitung zu ſenden,
in welche die anderen Zeigerwerke geſchaltet ſind, Normaluhren; die durch letztere
betriebenen Uhren heißen elektriſche Zeigerwerke oder auch ſympathiſche
Uhren
.


Das elektriſche Zeigerwerk von Bain iſt in Fig. 811 ſkizzirt. Die
Normaluhr B repräſentirt unter Hinweglaſſung des Räderwerkers u. ſ. w. das
Pendel D (ein Halbſecunden-Pendel). Dieſes trägt bei D eine Kupferfeder, welche
67*
[1060] in jeder Secunde einmal über den auf ein Elfenbeinſtück aufgeſetzten Kupferſtreifen C
gleitet. Durch dieſe am Pendel angebrachte Contactvorrichtung wird der Stromkreis
der Batterie z k, in welchen die ſympathiſchen Zeigerwerke geſchaltet ſind, in jeder
Secunde einmal geſchloſſen. Der Strom gelangt durch die Leitung in die Elektro-
magnete M der Zeigerwerke (von welchen in der Figur nur eines ſchematiſch
dargeſtellt iſt) und veranlaßt dadurch die Anziehung der Anker b. An dem unteren
Ende des den Anker tragenden Stabes iſt eine Feder g und ein in das Steigrad e
eingreifender Sperrhaken befeſtigt. Wird der Anker b durch den Magnet M
angezogen, ſo gleitet der Sperrhaken über einen Zahn des Steigrades; bei der
hierauf folgenden Stromunterbrechung verliert der Magnet ſeine Anziehungskraft
und der Anker wird durch die Feder g zurückgezogen, wodurch der Sperrhaken
das Steigrad um einen Zahn weiterdreht. Der unterhalb des Steigrades ange-
brachte Sicherheitshaken verhindert das Uebergleiten des Ankerſperrhakens über mehr

Figure 815. Fig. 811.

Elektriſches Zeigerwerk von Bair.


als einen Zahn. Die in dieſer Weiſe in jeder Secunde bewirkte Vorwärts-
bewegung des Steigrades um einen Zahn wird dann in gewöhnlicher Weiſe
auf das Minuten- und Stundenrad übertragen.


Bréguet’s Laternenuhr, die in Fig. 812 dargeſtellt iſt, beſitzt zwei
hintereinander geſchaltete Elektromagnete E E, welche ſich einander die entgegen-
geſetzten Pole zukehren, ſobald ein Strom ihre Drahtwindungen durchfließt. Zwiſchen
beiden iſt der permanente Magnet A A um v drehbar gelagert. Die Stromſendung
erfolgt in jeder Minute einmal, wobei die aufeinanderfolgenden Ströme entgegen-
geſetzte Richtungen erhalten. Dies hat offenbar zur Folge, daß der permanente
Magnet ſich in je zwei Minuten einmal nach rechts und einmal nach links bewegen
muß. Der Magnet überträgt dieſe vibrirende Bewegung durch die Stange t auf
ein Syſtem von Sperrklinken i i, welche das Steigrad c in Bewegung ſetzen.
Von dieſem erfolgt dann die Uebertragung der Bewegung auf den Stundenzeiger.


Der alle Minuten eintretende Stromwechſel wird durch den in Fig. 813
dargeſtellten Gyrotrop bewirkt. Auf der Axe t, welche durch Einwirkung eines
[1061] 10zähnigen Sternrades in jeder Minute um einen beſtimmten Winkel gedreht
wird, ſitzt der Elfenbeincylinder f g; am Umfange desſelben ſind Platinſtifte
befeſtigt, die abwechſelnd mit der oberen und unteren Metallplatte (f und g) in
Verbindung ſtehen. Während die untere Platte direct auf der Axe t aufſitzt, iſt
die obere von derſelben iſolirt. Letztere ſteht durch die Schleiffeder c mit dem

Figure 816. Fig. 812.


Figure 817. Fig. 813.

Bréguet’s Laternenuhr.


negativen Batteriepole in Verbindung. Der poſitive Pol communicirt mit den nicht
iſolirten Metalltheilen des Gyrotrops, alſo auch mit den auf der unteren Platte g
aufſitzenden Platinſtiften. Die Linienleitungen L und E ſind mit den auf dem
Elfenbeincylinder ſchleifenden Contactfedern A und B verbunden. Steht daher die
Feder A mit einem oberen und die Feder B mit einem unteren Platinſtifte in
Berührung, ſo fließt der Strom von + aus durch die Axe t und die Platte g,
[1062] den betreffenden unteren Platinſtift, durch die Feder A in die Linienleitung, von
hier über E zurück, durch B, ein oberes Platinſtäbchen und über f und c zum
Minus-Pol (—) der Batterie zurück. In der nächſten Minute hat ſich der Elfen-
beincylinder ſo weit gedreht, daß die Feder A mit dem nächſtſtehenden unteren
Platinſtäbchen und die Feder B mit einem oberen Stäbchen in Berührung kommt.
Der Strom muß daher in umgekehrter Richtung durch die Leitung fließen, nämlich
von + aus über t und B in die Leitung C, aus welcher er bei L zurückkommt,
und dann über A, f und c zum Minus-Pole gelangt.


Figure 818. Fig. 814.

Stundenſteller von Barraud und Lund.


Uhren, welche ein ſelbſtſtändiges Trieb-
werk beſitzen und nur innerhalb gewiſſer
Zeiträume durch Einwirkung elektriſcher Ströme
gerichtet werden, nennt man Secundär-
uhren
oder, wenn die Richtigſtellung alle
Stunden erfolgt, Stundenſteller. Durch
beſonders einfache Conſtruction zeichnet ſich
der von Barraud und Lund conſtruirte
Stundenſteller aus, den wir in Fig. 814
vorführen. Der ſenkrecht ſtehende Elektro-
magnet m m beſitzt einen um f drehbaren
Anker, der einerſeits mit einem Gewichte g
(an Stelle der Abreißfeder) und andererſeits
mit einem Anſatze verſehen iſt, welcher in
den beiden Stiften r r' endigt. Dieſe greifen
in die Schlitze s s' zweier drehbarer Winkel-
ſtücke ein, deren nach abwärts gerichtete Arme
die Stifte p p' tragen (r r' wurde in der
Figur der Deutlichkeit wegen außer Eingriff
mit s s' dargeſtellt). So lange kein Strom
durch die Drahtwindungen des Elektro-
magnetes fließt, befinden ſich dieſe das Ziffer-
blatt bei O durchſetzenden Stifte p p' an den
Enden des bogenförmigen Ausſchnittes. Der
Minutenzeiger kann daher unter dem erſten
Stifte paſſiren. Nun wird aber, gerade wenn
ſich der Minutenzeiger in unmittelbarer Nähe
von XII befindet, der Strom durch die
Normaluhr geſchloſſen. Der Magnet m m zieht
daher ſeinen Anker an, wobei die in den Schlitzen s s' befindlichen Stifte r r' die
beiden Winkelhebel ſo drehen müſſen, daß ſich die Enden bei p p' ſchecrenartig
ſchließen. Die gegeneinander gehenden Stiften werden daher den zwiſchen ihnen
befindlichen Minutenzeiger faſſen und genau auf XII ſtellen. Der Strom hört
dann ſofort wieder auf, wodurch die Stifte p p' von dem durch das Gewicht g
zurückbewegten Anker neuerdings in die urſprüngliche Stellung zurückgeführt werden.


Hipp’s Corrections-Syſtem iſt durch eine ſchematiſche Zeichnung in
Fig. 815 dargeſtellt. Die Platte n1 trägt den vertical geſtellten Elektromagnet o1,
deſſen Anker p1 um q1 drehbar gelagert iſt. Die Naſe r1 des Ankerhebels hält
durch Vermittlung eines Stiftes den um t1 drehbaren Winkelhebel s1 ſo lange in
der gezeichneten Stellung, als die Drahtwindungen des Elektromagnetes ſtromlos
[1063] bleiben. Der Hebel s1 trägt bei u1 einen V-förmig ausgeſchnittenen Klotz; das
Steigrad x1 iſt auf ſeiner Stirnfläche bei v1 mit einem Stifte verſehen. Wird der
Anker p1 von dem Elektromagnete o1 angezogen, ſo ſinkt der Hebel s1 und der
Klotz u1 fällt auf den Stift v1, wodurch das Steigrad x1 etwas vor- oder zurück-
gedreht wird, je nachdem das Uhrwerk vorging oder zurückblieb; letzteres wird
alſo genau auf XII eingeſtellt. Der Klotz u1 iſt derart ausgeſchnitten, daß er den
Stift ſowohl bei einem Vorgehen um 5 Secunden, als auch bei einem Zurück-
bleiben um 5 Secunden noch erfaſſen, alſo innerhalb dieſer Grenzen den Gang
des Werkes corrigiren kann. Die Rückführung des Hebels s1 in ſeine Ruhelage
erfolgt dadurch, daß ein auf dem Stundenrade z1 angebrachter Stift y1 unter
den Anſatz a11 gelangt und bei Weiterbewegung des Rades ſowohl a11, als
auch s1 hebt.


Figure 819. Fig. 815.

Hipp’s Corrections-Syſtem.


Als Normaluhr verwendet man einen Regulator, der alle Minuten einen
Strom liefert und kann dann die beſchriebene Uhr ebenſo in deſſen Stromkreis
ſchalten wie ein elektriſches Zeigerwerk. Um die Stromwirkung nicht in jeder
Minute, ſondern nur alle 6 Stunden eintreten zu laſſen, wurden noch die beiden
Contactfedern b11 und d11 angebracht und in den Stromweg eingeſchaltet. Der
Strom kann daher nur dann in die Drahtwindungen der Elektromagnete gelangen,
wenn ſich die beiden Federn bei b11 berühren, was bei einer vollen Umdrehung
des Stundenrades nur zweimal erfolgt, nämlich jedesmal, wenn einer der beiden
Stifte y1 y1 gegen den Anſatz c11 der Feder d11 drückt.


Dieſes Syſtem iſt hauptſächlich für elektriſche Pendeluhren beſtimmt, wenn
ſolche als Uebertragungs-Uhren, Translations-Regulatoren, für ausgedehnte
Netze ſympathiſcher Uhren dienen ſollen. Hierbei erhalten dann die einzelnen von-
einander entfernten Gruppen ſympathiſcher Uhren eine eigene Normaluhr und alle
[1064] dieſe Normaluhren werden dann von dem eben beſchriebenen Werke alle 6 Stunden
corrigirt.


Bei Hipp’s elektriſcher Pendeluhr iſt unterhalb der ſchweren Pendel-
linſe an der Pendelſtange der Anker zu dem darunter befindlichen Elektromagnete
angebracht (Fig. 816). Das Pendel iſt an einer Feder aufgehängt und nimmt
bei ſeinen Schwingungen eine eigenthümliche Ankervorrichtung mit, durch welche
eine Schubklaue das Steigrad Zahn für Zahn vorwärts ſchiebt. Der Secunden-
zeiger iſt auf der Steigradaxe befeſtigt und die Uebertragung der Bewegung auf
das Minuten- und Stundenrad erfolgt in der ſonſt üblichen Weiſe. Bringt man
das Pendel aus ſeiner Gleichgewichtslage, ſo ſchwingt es einige Zeit, wodurch das
Räderwerk in Gang geſetzt wird, und bleibt ſchließlich ruhig hängen. Die Unter-

Figure 820. Fig. 816.

Hipp’s elektriſche Pendeluhr.


brechung der Schwingungen und ſomit auch den Stillſtand des Uhrwerkes hintan-
zuhalten, iſt nun eben die Aufgabe des Elektromagnetes.


Hat der Schwingungsbogen des Pendels bis zu einer gewiſſen Grenze ab-
genommen, ſo wird der Stromkreis des Elektromagnetes geſchloſſen; letzterer zieht
den Anker am unteren Ende der Pendelſtange an und giebt dadurch dem Pendel
einen neuen Impuls. Natürlich muß der Strom unterbrochen werden noch bevor
der Anker durch die Schwingung des Pendels den Polen des Elektromagnetes
gegenüber gekommen iſt. Dieſe Stromſchließung und Stromunterbrechung wird durch
nachſtehend beſchriebene Contactvorrichtung bewirkt. An der Pendelſtange iſt un-
gefähr in der Mitte ihrer Geſammtlänge das Prisma d angebracht. Von der bei
a befeſtigten Feder c hängt (ſeitlich von der Ruhelage des Pendels) bei e ein
Stahlplättchen, „die Palette“, herab, welche an ihrem Aufhängepunkte leicht drehbar
[1065] befeſtigt iſt. Das freie Ende der Feder c liegt in der Ruhelage auf einer bei c1
angebrachten iſolirten (Achat-) Spitze auf; oberhalb der Feder befindet ſich dieſer
Spitze gegenüber eine Contactſchraube, welche mit einem Pole der Batterie ver-
bunden iſt. Der andere Pol iſt über die Drahtwindungen des Elektromagnetes an
die Feder c angeſchloſſen. Stromſchluß und daher Erregung des Elektromagnetes
erfolgt alſo immer, wenn die Feder c an dem oberen Contacte bei c1 anliegt. Die
Palette e und die Pendelſtange befinden ſich in derſelben verticalen Ebene und
daher iſt auch die Pendelſtange (um das Schwingen zu ermöglichen) an dieſer
Stelle gekröpft. So lange das Pendel hinreichend weite Schwingungsbogen macht,
gleitet das Prisma unter der Palette e weg, und dieſe weicht ihrer leichten Be-
weglichkeit wegen aus; die Feder c bleibt daher auf der Achatſpitze liegen. Ver-
ringert ſich aber die Weite der Schwingungsbogen, ſo wird ſchließlich der Umkehr-
punkt des Pendels zur ſelben Zeit eintreten, als die Palette e mit dem Prisma d
in Berührung kommt. Nun ſpießt ſich die Palette in einer Furche des Prismas
und wird dann durch die Weiterbewegung des Pendels gehoben. Dies bewirkt
auch eine Aufwärtsbewegung der Feder c, welche dadurch in Berührung mit der
Contactſpitze bei c1 kommt und den Stromkreis ſchließt. Der Magnet wird erregt
und wirkt auf den noch ſeitlich von ſeinen Polen befindlichen Anker anziehend,
ertheilt alſo dem Pendel einen neuen Impuls. Wie ſich das letztere unter Ein-
wirkung dieſes Impulſes weiter bewegt, gleitet aber die Palette c wieder vom
Prisma d herab und unterbricht den Stromkreis. Da hiermit auch die Anziehungs-
kraft des Magnetes aufhört, ſetzt das Pendel ſeine Schwingung über die Gleich-
gewichtslage hinaus fort.


Die Zahl der Stromſchlüſſe in einer beſtimmten Zeit hängt von der Stärke
der Batterie und dem Widerſtande des Elektromagnetes ab. Doppler beobachtete
bei einer ſolchen Uhr, unter Anwendung von zwei friſch gefüllten Leclanché-Ele-
menten (Fig. 321, S. 473) zuerſt alle 40 Secunden einen Stromſchluß, nach
einigen Monaten aber ſchon alle 12 bis 18 Secunden, ohne daß die Uhr deshalb
einen ungenauen Gang zeigte.


Die elektriſchen Wächteruhren oder Wächter-Controluhren bezwecken, ſich
darüber Gewißheit zu verſchaffen, ob die Wächter (einer Fabrik, eines Theaters u. ſ. w.)
die ihnen vorgeſchriebenen Rundgänge in der vorgeſchriebenen Weiſe und in der vorgeſchriebenen
Zeit auch wirklich ausführen. Dieſe Controluhren beſtehen dem Principe nach aus einer
gut gehenden Uhr, welche mit einem elektriſchen Regiſtrirwerke verbunden iſt. Letzteres muß
der Wächter bei ſeinem Rundgange durch Niederdrücken von Taſtern, die an entſprechenden
Orten angebracht ſind, in Gang ſetzen.


Die zu dieſem Behufe von Hipp conſtruirte Controluhr iſt eine elektriſche Pendel-
uhr von der oben beſchriebenen und in Fig. 816 dargeſtellten Conſtruction. Das Regiſtrirwerk
iſt aus dem Grundriſſe und Aufriſſe in Fig. 817 zu entnehmen. Der für vier Controlſtellen
beſtimmte Apparat enthält im unteren Theile des Uhrgehänſes die vier Elektromagnete M1 bis M4.
Jeder derſelben beſitzt einen drehbaren Anker, alſo z. B. M4 den um r4 drehbaren Anker a4.
Die Einſtellung dieſes Ankers wird durch die Stellſchraube v4 bewirkt, welche mit ihrer
Spitze auf dem zweiarmigen um y4 drehbaren Schreibhebel s4 aufruht. Wird nun durch
Niederdrücken des zum Elektromagnete M4 gehörigen Taſters ein Stromſchluß herbeigeführt,
ſo zieht der Magnet ſeinen Anker a4 an und drückt dadurch den Hebelarm u4 herab. Der
Hebelarm s4 wird daher gehoben und der Schreibſtift durch die Spalte S hervorgeſtoßen Die
zu den übrigen Elektromagneten gehörigen Schreibhebel ſind ſo gebogen, daß deren Schreib-
ſtifte alle nebeneinander durch die Spalte S hervorgeſtoßen werden können. Ueber die Spalte
wird ein Papierſtreifen, deſſen Breite von der Anzahl der Elektromagnete (alſo auch der
Controlſtellen) abhängt, in gleichförmiger Geſchwindigkeit fortbewegt; das Papier erhält
dieſe Bewegung von dem Uhrwerke unter Vermittlung einer Räderüberſetzung und wird durch
Walzen in ähnlicher Weiſe geführt, wie bei Telegraphen-Apparaten.


[1066]

Vollführt alſo der Wächter in vorgeſchriebener Weiſe zur beſtimmten Zeit ſeinen
Rundgang und drückt dabei die verſchiedenen Taſter nieder, ſo wird dies im Papierſtreifen
der Controluhr durch Löcher an entſprechenden Stellen markirt. Um aus dieſer Markirung auch
die Zeit des Rundganges und des Eintreffens ſeitens des Wächters an beſtimmten Stellen
erſehen zu können, iſt der Papierſtreifen mit dicken und dünnen Querlinien verſehen, von

Figure 821. Fig. 817.

Wächter-Controluhr.


welchen die erſteren die Stunden und die letzteren die Viertelſtunden bezeichnen. Der Papier-
ſtreifen zeigt alſo nach einem z. B. in einer Stunde ausgeführten Rundgange über die vier
zu controlirenden Objecte das in Fig. 818 dargeſtellte Ausſehen.


Man kann wohl, ohne ſich zu bedenken, behaupten, daß unſer Eiſenbahn-
weſen ohne Telegraphie nie dieſe Ausdehnung, dieſe Verkehrsdichte hätte erlangen
können, welche es gegenwärtig thatſächlich beſitzt. Wir wollen hier von den eigent-
[1067] lichen Telegraphen-Apparaten, d. h. jenen Apparaten, durch welche jede beliebige
Depeſche übermittelt werden kann, abſehen, weil wir deren Repräſentanten bereits
kennen gelernt haben. Hingegen wollen wir von jenen Apparaten und Einrichtungen
eine Vorſtellung zu gewinnen ſuchen, welche nur wenige ganz beſtimmte Zeichen
oder Signale zu übermitteln haben, d. h. alſo, wir wollen uns mit dem Eiſenbahn-
Signalweſen
vertraut machen. Die außergewöhnliche Wichtigkeit desſelben bringt
es mit ſich, daß dasſelbe, entſprechend der hohen Entwicklung des Verkehrsweſens,
ſich gleichfalls zu einem bereits ſehr umfangreichen Wiſſenszweige ausgebildet hat.
Wir müſſen uns daher hier, des beſchränkten Raumes wegen, mit der Betrachtung
weniger und einfacher Beiſpiele begnügen und die ſich eingehender für dieſen
Gegenſtand intereſſirenden Leſer auf die einſchlägige Fachliteratur verweiſen.


Fragen wir uns zunächſt, welchen Zwecken die Eiſenbahnſignale zu dienen
haben, ſo lautet die Antwort hierauf: Sie haben die Sicherheit des Zugsverkehres
zu bewirken, die Regelmäßigkeit des Betriebes zu ermöglichen und die Leiſtungsfähigkeit
der Bahnanlage zu erhöhen. Durch ihre Vermittlung muß daher das Betriebs-
perſonal in Stand geſetzt werden, Auskünfte, Befehle oder Warnungen ertheilen

Figure 822. Fig. 818.

Markirung der Wächter-Controluhr.


oder empfangen zu können, die ſich auf den normalen Betrieb beziehen oder wohl
auch auf einzelne außergewöhnliche, aber immerhin vorauszuſehende Vorkommniſſe
erſtrecken.


„Es liegt in der Natur der Sache,“ ſchreibt Kohlfürſt*) „daß dieſe Signale
nicht nur in der Ferne ſinnlich wahrgenommen werden müſſen, ſondern daß es auch
Signale giebt, die aus der Ferne hervorgerufen werden ſollen und bei welchen alſo
ſowohl der Empfangs- als der Aufſtellungs- und der Abſendungsort des Signals
voneinander getrennt liegen. Die Entfernung zwiſchen Empfangs- und Aufſtellungsort
iſt, da es ſich nur um das Sehen und Hören des Signalzeichens handeln kann, immer
eine beſchränkte; beſchränkt ſowohl durch das Wahrnehmungsvermögen des geſunden
menſchlichen Auges und Ohres, als eventuell durch äußere Umgebung des Signals
und die meteorologiſchen Verhältniſſe. Dieſe Beſchränkung muß durch die Entfernung
zwiſchen Aufſtellungspunkt und Abſendungsort des Signals wieder ausgeglichen
werden können, denn bei den derzeitigen Zugsgeſchwindigkeiten und Bahnhofs-
ausdehnungen würde ſonſt ein Auslangen mit den gewöhnlichen akuſtiſchen und
optiſchen Signalmitteln nicht gefunden, oder es müßte wenigſtens zur Fortpflanzung
[1068] des Signals häufig eine große Anzahl Vermittlungspoſten geſchaffen werden, die
koſtſpielig ſein, ſowie die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit des Signals beeinträchtigen
würden und unter Umſtänden ſelbſt ſtörend und verwirrend werden können. Man
muß alſo Mittel ſuchen, welche die am Stellorte zur Zeichengebung aufzuwendende
Kraft gleich direct bis zum Aufſtellungspunkte des Signals übertragen, und können
hierzu mechaniſche (Drahtzüge oder Geſtänge), hydrauliſche und pneumatiſche Vor-
richtungen dienen. Dort aber, wo dieſe Hilfsmittel zufolge der Ortsverhältniſſe
oder weil die Entfernung zu bedeutend iſt, oder endlich weil die Punkte, wo das
Signal gleichzeitig gegeben oder empfangen werden ſoll, zu zahlreich ſind, nicht
mehr mit erwünſchtem Erfolge Anwendung finden könnten, kann die Elektricität
als fernwirkende Kraft mit Vortheil ausgenutzt werden. Das durch Elektricität
hervorgerufene Signal iſt von keiner der in Betracht kommenden Entfernungen
irgendwie abhängig; es kann ohne alle Kraftanſtrengung ſeitens des Signaliſiren-
den augenblicklich gegeben werden; die Verbindung des Signalſtandortes mit dem
Abſendungsorte iſt leichter herzuſtellen wie bei jeder anderen Anlage, und ſelbſt
die gefürchteten ſtörenden Beeinfluſſungen durch atmoſphäriſche und telluriſche
Elektricität laſſen ſich in gewiſſem Maße unſchädlich machen. Demzufolge hat
auch der Betrieb mittelſt Elektricität für eine Reihe beſtimmter Eiſenbahnſignale
allgemein und grundſätzlich, für andere Signale wieder häufig, wenn auch nicht
grundſätzlich platzgegriffen, und zählen darunter die durchgehenden Linien-
ſignale, die Hilfsſignale von der Strecke und auf den Zügen, die
Diſtanzſignale und die Zugdeckungsſignale
.“


Unter durchlaufenden Linienſignalen verſteht man ſolche Signale,
welche von einer Station zur Nachbarſtation in der Art gegeben werden, daß ſie
ſämmtliche dazwiſchenliegende Bahnbewachungspoſten mitempfangen. Dieſe urſprüng-
lich durch optiſche Telegraphen übermittelten Signale werden gegenwärtig durch
elektriſche Läutewerke gegeben. Oeſterreich ebenſo wie Deutſchland haben für ihre
Hauptbahnen die elektriſchen Linienſignale geſetzlich vorgeſchrieben. So ſind in
Oeſterreich z. B. nachſtehende Glockenſignale vorgeſchrieben: „Der Zug fährt gegen
den Endpunkt der Linie“: dreimal zwei Glockenſchläge. „Die Locomotive ſoll
kommen“: dreimal fünf Glockenſchläge. „Alle Züge aufhalten“: die Gruppe von
drei und zwei Glockenſchlägen mindeſtens viermal hintereinander. „Der Zug fährt
auf dem unrichtigen Geleiſe gegen den Anfangspunkt der Linie“: dreimal die
Gruppe von drei und fünf Glockenſchlägen u. ſ. w.


Es wird ferner gefordert, daß jeder Wärter im Stande ſein muß, von ſeinem
Poſten auf der Strecke aus Glockenſignale zu geben. Aus dieſem Grunde wird
daher auf den Läutewerkslinien gewöhnlich die Schaltung auf Ruheſtrom benützt.
Die Schaltung auf Arbeitsſtrom würde nämlich für jeden Poſten eine Batterie
oder einen Inductor erfordern, was nicht nur einen erheblich größeren Koſten-
aufwand, ſondern auch die Vermehrung der Fehlerquellen und einen ſchwierigeren
Dienſt zur Folge hätte.


Bei den auf der Strecke zur Verwendung kommenden Glockenſignal-Apparaten
unterſcheidet man die Glocke ſammt Zubehör und das Schlagwerk; letzteres beſteht
aus einem durch ein Gewicht in Bewegung geſetzten Laufwerke und aus der
elektriſchen Auslöſung. Die Läutewerke werden ſowohl mit einer als auch mit
zwei Glocken conſtruirt; erſtere geben dann natürlich immer nur einen Schlag,
letztere aber zwei raſch aufeinander folgende Schläge — einen ſogenannten Doppel-
ſchlag; ſie heißen daher auch Doppelſchläger. In Oeſterreich verwendet man
[1069] auf offenen Bahnſtrecken Einzelſchläger; dort wo zwei Strecken zuſammenlaufen,
erhält jedoch die eine Linie Doppelſchläger. Der Glockenſtuhl wird gewöhnlich auf
den Dachbalken des Wächterhauſes durch Schrauben befeſtigt oder wohl auch auf
eiſernen in die Mauer eingelaſſenen Conſolen aufgeſtellt. Ein derartiger Glocken-
ſtuhl für Doppelſchläger iſt in Fig. 819 abgebildet. Mit G1 G2 ſind die beiden
Glocken und mit H1 H2 die dazugehörigen Hämmer bezeichnet. Jeder Hammer
wird durch eine Feder f gegen die Glocke gedrückt und durch eine kräftigere
Feder F von derſelben abgehalten. Das die Drehaxe des Hammers aufnehmende
Axenlager X iſt an das Dach genietet. Zieht man den Zugdraht z an und läßt
ihn dann plötzlich los, ſo ſchnellt der Hammer, durch ſeine lebendige Kraft den
Widerſtand der Feder F überwindend, gegen die Glocke, bleibt aber nicht auf
derſelben liegen, ſondern wird ſofort durch die wieder zur Geltung kommende
Kraft der Feder F abgehoben. Der Hammer muß wie eben angegeben fungiren,
weil nur auf dieſe Weiſe ein heller und lauter Glockenſchlag zu erzielen iſt; das
Spannungsverhältniß beider Federn iſt daher wohl zu
beachten. Das Anziehen des Zugdrahtes wird durch das
Triebrad des Räderwerkes in der Weiſe bewirkt, daß
dieſes Rad mit Daumen verſehen iſt, welche den einen
Arm eines zweiarmigen Hebels heben und hierauf los-
laſſen, wodurch alſo der am anderen Arme befeſtigte
Zugdraht gleichfalls angezogen und wieder losgelaſſen
wird. Die Auslöſung des Laufwerkes erfolgt auf
elektromagnetiſchem Wege.


Ein ſehr häufig in Oeſterreich und auch in Frankreich
für Linienſignale angewandtes Laufwerk iſt das von Leopolder
conſtruirte und in Fig. 820 abgebildete. Die bewegende Kraft
dieſes Laufwerkes bildet wie gewöhnlich ein Gewicht, welches
durch das Seil t auf die Welle T wirkt; das Aufziehen
des Werkes erfolgt mit Hilfe der Kurbel K. Die Bewegungs-
richtung der einzelnen Räder des Getriebes iſt durch bei-
geſetzte Pfeile erſichtlich gemacht. Der Zugdraht iſt an dem
Arm Z des zweiarmigen Hebels Z Z1 befeſtigt, deſſen Arm Z1
durch die Daumen r des Rades R gehoben wird, ſobald das
Laufwerk ausgelöſt iſt. Die Auslöſung beſorgt der durch 2 und

Figure 823. Fig. 819.

Doppelſchläger.


3 in die Drahtwindungen des Elektromagnetes M M geſandte elektriſche Strom. Dieſer ver-
anlaßt nämlich die Anziehung des Ankers A durch die Polſchuhe i i; da der Anker A durch
das Verbindungsſtück h auf der Welle x befeſtigt iſt, muß dieſe und ebenſo das darauf
ſitzende Winkelſtück G gedreht werden. In Folge dieſer Drehung fällt der gekrümmte Anſatz e,
welcher durch S auf dem um z drehbaren Hebel H1 befeſtigt iſt, in den Raum zwiſchen die
beiden „Paletten“ p und q. Der Arm H3 des genannten Hebels nimmt durch den Stift y
den um o drehbaren Hebel N mit, auf deſſen Naſe n in der Ruhelage der Anſatz c auflag.
An letzterem iſt aber die mit dem Windflügel W verbundene Spiralfeder f1 befeſtigt. Der
Windflügel ſitzt auf der Welle n, welche durch ein Zahnrad mit den übrigen Rädern des
Laufwerkes in Verbindung ſteht. Verliert alſo der Anſatz c ſein Auflager auf der Naſe n
in Folge der eben angegebenen Bewegungsvorgänge, ſo iſt die Windflügelaxe und ſomit
auch das ganze Laufwerk freigegeben oder ausgelöſt und bewirkt das Glockenſignal.


Die Arretirung des Laufwerkes nach Unterbrechung des Stromes erfolgt in nachſtehender
Weiſe: Die Welle a1 erhält durch das Rad R1 die durch den beigeſetzten Pfeil angedeutete
Drehung und hebt durch den auf ihr befeſtigten Daumen d den auf dem Arme H2 des
Hebels H ſitzenden Daumen m; der Hebel H muß ſich daher derart drehen, daß der
Arm H1 gehoben wird, und e wieder auf die Paletten p und q zu liegen kommt (die durch
den Rückgang des Ankers gleichfalls in die Ruhelage gelangt ſind); durch die Drehung des
Hebels H hebt aber auch der Arm H3 den Hebel N und nun wird das Stück c wieder auf
die Naſe n zu liegen kommen und dadurch das Laufwerk hemmen.


[1070]

Häufig ſind auch in den Bureaux der Stationen Läutewerke angebracht;
dieſen giebt man dann zwar eine mit den Linienwerken übereinſtimmende Con-
ſtruction, baut ſie aber in kleineren Dimenſionen. Das Läutewerk kann daſelbſt
auch durch einen Wecker erſetzt ſein, der dann mit einem Relais und Localſtrom-
kreis verſehen iſt.


Zur Zeichengebung benützt man Taſter; wird die Glockenlinie mit Arbeits-
ſtrom betrieben, ſo wird durch das Niederdrücken des Taſters die Läutewerkslinie
eingeſchaltet und gleichzeitig werden hierdurch etwa vorhandene Hilfstelegraphen-
Apparate ausgeſchaltet. Bei Ruheſtrombetrieb erfolgt durch das Niederdrücken des
Taſters einfach Stromunterbrechung. Um dem Beamten die Möglichkeit einer
Controle des Glockenlinienſtromes zu bieten, iſt der Taſter häufig mit einer

Figure 824. Fig. 820.

Laufwerk von Leopolder.


Buſſole auf einem gemeinſchaftlichen Brette befeſtigt. Man nennt einen ſolchen
Apparat, der häufig auch noch mit einem einfachen Stöpſelumſchalter ausgerüſtet
iſt, eine Taſterbuſſole.


Da kraft der in Oeſterreich zu Recht beſtehenden Vorſchriften jeder Wächter
im Stande ſein muß, Glockenſignale abzugeben, ſo iſt auch jede Wächterbude mit
einem Taſter verſehen. Häufig kommen hier auch automatiſche Taſter zur Anwendung,
einerſeits um die Arbeit zu kürzen, andererſeits um die Richtigkeit des Signales
und die genaue Einhaltung der Pauſen zu ſichern. So beſteht z. B. Leopolder’s
nicht ſelten angewandter Automatentaſter aus einer Walze, welche an ihrem
Umfange mit Stiften verſehen iſt, deren Entfernungen voneinander den zu gebenden
Zeichen entſprechend bemeſſen ſind. Oberhalb dieſer Walze iſt ein parallel zur
Axe der Walze verſchiebbarer Contactarm angebracht. Zur Signalgebung wird
[1071] letzterer über das betreffende Zeichen der Walze eingeſtellt und dieſe durch eine
Kurbel bis zu einem Anſchlage gedreht, wobei der Contactſtift des Hebels zwar
über die Stiften der Walze ſchleift, aber hierbei den Stiften ausweicht. Durch die
Drehung der Walze wird ein Uhrwerk aufgezogen, welches nach dem Loslaſſen der
Kurbel die Walze wieder in ihre Ruhelage zurückdreht, wobei aber der Contactſtift
des Hebels den Stiften der Walze nicht mehr ausweichen kann und in Folge
deſſen die Abſendung der verlangten Ströme bewirkt.


Da im Eiſenbahndienſte die Läutewerkslinie häufig auch für die Correſpondenz
durch Morſe-Apparate ausgenützt werden ſoll, muß bei der Verbindung der ein-
zelnen Stationsapparate untereinander und mit der Linie eine dementſprechende
Schaltung zur Anwendung gelangen. Als Beiſpiel hiefür möge uns das Schaltungs-
muſter der öſterreichiſchen Nordweſtbahn dienen. Die Läutewerkslinien ſind hierbei
auf conſtanten Batterieſtrom geſchaltet und zumeiſt in jeder Station zur Erde
abgeleitet. Sonach nimmt ein durch die
Linie L1, Fig. 821, anlangender Strom in
der Station folgenden Weg: durch die Blitz-
platte p in das Linienläutewerk N, durch den
Automatentaſter S in das Relais R und
von hier aus über den Taſter T und das
Galvanometer G zur Erde. Am Relais R
iſt ein Umſchalter e d i angebracht, der in
der Regel ſo geſtellt iſt, daß er den Strom-
kreis der Localbatterie B1 über dem Wecker W
ſchließt. Soll jedoch correſpondirt werden,
ſo wird der Localſtromkreis mit Einſchaltung
des Schreib-Apparates M geſchloſſen. Das
Relais bleibt alſo ſtets in der Leitung ein-
geſchaltet; die Abreißfeder des Relais-Ankers
wird ſo ſtark geſpannt, daß das Relais nicht
die gänzliche Unterbrechung des Stromes er-
fordert um anzuſprechen, ſondern daß es
bereits bei Stromſchwächung ſeinen Anker
losläßt. Hingegen ſind die Abreißfedern bei den
Elektromagneten der Glocken-Apparate N N1

Figure 825. Fig. 821.

Schaltung der Stations-Apparate.


und auch bei jenen auf der Strecke ſehr ſchwach geſpannt, ſo daß die Magnete
ihre Anker nur bei vollſtändiger Stromunterbrechung loslaſſen, alſo nur bei voll-
ſtändiger Unterbrechung die Laufwerke auslöſen. Ferner ſind die Taſter T T' ſo
eingerichtet, daß durch ihr Niederdrücken keine Unterbrechung des Stromkreiſes,
ſondern nur die Einſchaltung eines Widerſtandes erfolgt, wie dies in der Figur
durch die Spirallinie angedeutet iſt. Man nennt einen ſolchen Taſter einen
Widerſtandstaſter.


Dieſe Einrichtungen der Station ergeben folgendes Verhalten des Geſammt-
Apparates: Wird der Morſe-Schlüſſel T einer Station in der gewöhnlichen Weiſe
gehandhabt, ſo werden hierdurch aufeinanderfolgende Schwächungen des Linien-
ſtromes bewirkt. Dieſe bleiben auf die Anker der Glockenwerksmagnete ohne
Wirkung, verurſachen aber das Anſprechen des Relais R in der zweiten Station,
und durch deſſen Vermittlung die Aufzeichnung der von der erſten Station abgeſandten
Depeſche durch den Schreib-Apparat M. Werden hingegen durch den Automaten-
[1072] taſter S eine Reihe von Stromunterbrechungen bewirkt, ſo ſprechen ſämmtliche
Glockenwerke der betreffenden Linie an und geben das gewünſchte Glockenzeichen.


Was nun die Verbindung der einzelnen Werke einer Läutelinie anbelangt,
ſo hat man hiefür verſchiedene Schaltungen vorgeſchlagen. Die häufigſte Schaltung
für durchlaufende Linienſignale mit der Möglichkeit einer Signalgebung von der
Strecke aus iſt die in Fig. 822 abgebildete. Hierin bezeichnen L die Läutewerke,
B1 und B2 die Batterien; die Batterie B1 iſt mit dem Zinkpole z und die
Batterie B2 mit dem Kupferpole k an die Linie angeſchloſſen, ſo daß dieſe und
die eingeſchalteten Apparate im Ruhezuſtande von einem conſtanten Strome durch-
floſſen werden. Es hat an Bemühungen nicht gefehlt, dieſe Ruheſtromſchaltung
durch eine Arbeitsſtromſchaltung zu erſetzen, welche bei gleicher Sicherheit des
Betriebes die Erhaltungskoſten für die Batterien vermindert. Ein diesbezüglich
z. B. von Křižik gemachter Vorſchlag geht dahin, eine der beiden Stationen
mit einer ſchwachen Batterie zu verſehen, welche den Ruheſtrom für die Glocken-
werke bildet, der jedoch zu ſchwach iſt, um ſie in Thätigkeit zu ſetzen; wohl aber
ſpricht das Läutewerk der genannten Station hierauf an. Mit dieſem Läutewerke
iſt die Kurbel eines Inductors ſo verbunden, daß bei Auslöſung des Läutewerkes
auch die Armatur des Inductors rotirt und dann Inductionsſtröme in die Linie
ſendet, die kräftig genug ſind, um Linienläutewerke in Thätigkeit zu ſetzen.


Figure 826. Fig. 822.

Schaltung von Läutewerken.


Die Hilfsſignale beziehen ſich auf den anormalen Verlauf des Eiſenbahn-
betriebes; durch ſie ſoll es z. B. ermöglicht werden, einen oder alle Züge in
Folge eines beſonderen Ereigniſſes aufzuhalten, für Züge, welche auf der Strecke
liegen bleiben, Hilfe herbeizuſchaffen u. ſ. w. Das zweckmäßigſte Mittel hierzu
bilden die ſtabilen Strecken- und die transportablen Zugstelegraphen.
Als erſtere ſtehen bei verſchiedenen Bahnen Morſe-Schreiber, Nadel- oder Zeiger-
telegraphen in Verwendung, die in einzelnen Wächterhäuſern aufbewahrt ſind und
im Bedarfsfalle in die Linienleitung eingeſchaltet werden können. Die Zugs-
telegraphen ſind compendiös zuſammengeſtellte Telegraphen-Apparate, von welchen
jeder Zug oder doch jeder Perſonenzug einen mit ſich führt; die Einſchaltung
derſelben in die Leitung erfolgt bei der nächſtgelegenen Läutebude oder einem
benachbarten Wächterhauſe. Andere Bahnen begnügen ſich damit, die einzelnen
Wächterbuden nur mit Taſtern, die unter einem beſonderen Verſchluſſe ſtehen, aus-
zurüſten. Dies ermöglicht zwar die Abſendung jeder beliebigen Depeſche von hier
aus an die Station, ſchließt aber die Möglichkeit einer Antwort aus. Man hat
auch wiederholt verſucht, die Möglichkeit zu ſchaffen, daß jederzeit vom Zuge aus
Depeſchen an die Station oder an einen zweiten Zug und umgekehrt abgeſandt
werden können. Die bisherigen Verſuche ergaben aber kein befriedigendes Reſultat,
da es nicht gelang, eine vollkommen entſprechende Verbindung mit dem laufenden
Zuge herzuſtellen.


[1073]

Viele Bahnen begnügen ſich damit, nur mit Hilfe der Läutewerke Hilfe
herbeizurufen oder eine beſchränkte Anzahl von Hilfsſignalen als durchlaufende
Linienſignale zu verwenden; dies iſt z. B. bei den öſterreichiſchen Bahnen der
Fall, bei welchen aus dieſem Grunde, wie wir geſehen haben, jedem Glocken-
Apparate ein Taſter beigegeben iſt.


Das bisher Geſagte bezieht ſich nur auf die Hilfsſignale auf der Strecke;
eine zweite Art Signale bilden die Hilfsſignale auf dem Zuge oder die
ſogenannten Intercommunications-Signale. Letztere ſollen dem Zugs-
begleitungsperſonale oder auch den Reiſenden ermöglichen, ein Nothſignal an das
Maſchinenperſonal gelangen zu laſſen, um letzteres zum Anhalten des Zuges zu
veranlaſſen. Anfangs war die Bewachung des Zuges einer eigens dazu angeſtellten
Perſon, der Tenderwache übertragen, ſpäter führte man dem ganzen Zuge
entlang die Locomotivleine; durch Anziehen derſelben kann das Zugsperſonale
die Locomotivpfeife zum Ertönen bringen. Trotz der vielen Verſuche iſt bis jetzt
doch die Locomotivleine das zweckmäßigſte Mittel für die Verſtändigung des Zugs-
perſonales mit dem Maſchinenperſonale geblieben.


Elektriſche Signale kommen jedoch dann zur Anwendung, wenn auch den
Paſſagieren die Signalgebung ermöglicht werden ſoll; ſolche elektriſche Inter-
communicationsſignale kommen in neuerer Zeit häufiger in England, Frankreich

Figure 827. Fig. 823.

Intercommunications-Signal.


und auch in Oeſterreich in Anwendung. Die Schaltungsſkizze eines derartigen von
Preece und Walker angegebenen Signales ſtellt Fig. 823 dar. Hierbei iſt in
jedem Zugbegleiter-Coupé ein Wecker W, eine Batterie B und ein Taſterhebel T
angebracht, jedes Paſſagier-Coupé mit einem Taſter U verſehen. Durch den ganzen
Zug laufen zwei Leitungsdrähte L, E als gut iſolirte Kabel, mit deſſen einem
die poſitiven und mit deſſen zweitem die negativen Pole der Batterien verbunden
ſind. So lange keiner der Taſter niedergedrückt wird, kann auch kein Wecker ertönen,
weil ſich die Stromwirkungen der benachbarten Batterien in den Drahtwindungen
der Elektromagnete aufheben; die Klingel ertönt hingegen, wenn die beiden Leitungs-
drähte L und E durch Niederdrücken eines Taſters kurz miteinander verbunden
werden. Durch dieſe Einrichtung wird auch dem Zugsperſonale ermöglicht, unter-
einander Signale auszutauſchen. Um einen Mißbrauch von Seite der Reiſenden
zu verhindern, ſind die Taſter in den Coupés durch eine Glastafel verſchloſſen
und können erſt nach Eindrücken dieſer gebraucht werden. Auch iſt die Rückſtellung
des Taſters nur mehr durch einen eigenen Schlüſſel bewirkbar.


Die Verbindung der Leitungen von Waggon zu Waggon wurde zuerſt in der Weiſe
hergeſtellt, daß man die durch die Waggonwände iſolirt durchgeführten Drahtenden abwechſelnd
mit Oeſen und Haken verſah und durch wechſelweiſes Einhängen miteinander verband.
Dieſe Verbindung wurde ſpäter durch eine Art Federkluppen erſetzt, wie ſie auch F. Bechtold
für ſein auf Arbeitsſtrom geſchaltetes Intercommunications-Signal anwendet. Das aus der
Stirnwand W W, Fig. 824, des Wagens austretende zweidrähtige Kabel k iſt von dem
Urbanitzky: Elektricität. 68
[1074] Hartgummirohre r r1 umſchloſſen, welches durch die gußeiſerne Muffe h mit der Wagenwand
verbunden wird. Das Ende des Rohres r1 iſt durch die Metallhülſe M gefaßt, in welche das
cylindriſche Hartgummiſtück H eingeſetzt iſt. Letzteres trägt die beiden Stahlfedern F F mit
ihren prismatiſchen Meſſingſtücken m m1, die bei p p1 mit Hartgummiplatten, bei c mit einem
Platincontacte verſehen ſind. Die Drahtenden des Kabels ſind durch die Schrauben s s1 an
den Meſſingprismen befeſtigt. Da die beiden Stahlfedern F F die Meſſingprismen gegen-
einander drücken, geben letztere bei c Contact und verbinden daher beide Leitungsdrähte
untereinander. Wird jedoch eine genau gleich conſtruirte Kluppe eines zweites Wagens
gekreuzt in die erſte hineingeſchoben, ſo drücken ſich die Meſſingprismen wechſelweiſe aus-
einander und heben dadurch den Contact bei c auf; hingegen legt ſich je ein Meſſingprisma
der einen Kluppe gegen je ein Meſſingprisma der andern Kluppe und verbindet dadurch die
Leitungsdrähte zweier Waggons untereinander, während die Hartgummiplatten p p1 den
kurzen Schluß der Leitung hintanhalten. Damit ein ſolcher auch am letzten Wagen nicht ein-
treten kann, wird bei dieſem das Hartgummiſtück f in die Kluppe geſchoben und dadurch ein
Auseinanderhalten der beiden Meſſingprismen bewirkt. Die Coupès verſieht Bechtold nur
mit durch die Zugbegleiter rückſtellbaren Taſtern, die Bremshütteln mit einfachen Taſtern,
wie ſie etwa für Haustelegraphen zur Anwendung gelangen. Das Weckerſignal ertönt jeder-
zeit, ſo oft an irgend einer Stelle des Kabels ein kurzer Schluß hergeſtellt wird, alſo ſowohl
durch Niederdrücken eines Taſters, als auch durch Löſung der Kluppenverbindung im Falle
des Abreißens des Zuges.


Die bisher beſchriebenen Signale reichen in der Regel nicht mehr aus, wenn
beſonders gefährdete Punkte zu decken ſind, wo z. B. das gleichzeitige Eintreffen

Figure 828. Fig. 824.

Bechtold’s Kabelverbindung.


zweier Züge möglich iſt, auf Wegüberſetzungen, bei Tunnels, beim Einmünden
einer Flügelbahn, auf Bahnkreuzungen u. ſ. w. In dieſen und ähnlichen Fällen
genügt es nicht, die gefährliche Stelle ſelbſt durch Signale zu ſchützen, da müſſen
vielmehr die Signale dem Zuge mehr oder weniger weit entgegengerückt werden,
je nachdem das Gefälle ein ſtärkeres oder geringeres, die Zugsgeſchwindigkeit eine
größere oder kleinere iſt u. ſ. w.; jederzeit müſſen aber die betreſſenden Signale
in einer beſtimmten Entfernung von der bezeichneten Stelle entfernt ſein und ent-
weder von dieſer oder auch von einem andern Punkte aus geſtellt werden können.
Derlei Signale faßt man unter der allgemeinen Bezeichnung Diſtanzſignale
zuſammen.


Die Diſtanzſignale, von welchen man gewöhnlich nur zwei Zeichen, nämlich
„Halt“ und „Frei“ verlangt, können ſowohl optiſche, als auch acuſtiſche ſein.
Erſtere werden durch Klappſcheiben, Wendeſcheiben oder Semaphore gegeben, deren
Stellung Nachts durch verſchiedenfarbiges Licht oder durch entſprechende Beleuchtung
ſichtbar gemacht wird; für acuſtiſche Signale dienen Läutewerke.


Eines der älteſten und in Oeſterreich ſehr häufig angewandten optiſchen
Signale iſt das von Schönbach. Der Signalkörper desſelben beſteht aus einer
radienförmig durchbrochenen Wendeſcheibe, die auf einer verticalen drei Meter hohen
Axe ſitzt; letztere geht durch die Mitte einer vierkantigen Holzpyramide, in welcher
[1075] das Triebwerk, zu deſſen Bewegung ein 30 Kilogramm ſchweres Gewicht ver-
wendet wird, untergebracht iſt. Die normale Stellung der Scheibe iſt parallel zur
Bahn und bedeutet „Frei“, während die Querſtellung, in welche die Scheibe durch
eine Drehung um 90 Grad gelangt, „Halt“ bedeutet; eine weitere Drehung um
270 Grade bringt die Scheibe wieder auf „Frei“ zurück. Während der Nacht
macht eine vierſcheinige Laterne dieſe Stellungen durch verſchiedenfarbiges Licht
ſichtbar. Der Zeichengeber beſteht aus einer Kurbel, welche immer rechts herum-
gedreht in die mit „Ruhe“, „Signal“ und „Rückſtellung“ bezeichneten Lagen
gebracht werden kann. Bei der erſterwähnten Stellung iſt die Leitung ſtromlos.
Die Auslöſungsvorrichtung für das Triebwerk iſt in Fig. 825 in der Ruhelage
dargeſtellt. Der Hebel H ruht hierbei mit ſeiner Naſe e auf der Palette p auf.
Wird jedoch in die Drahtwindungen des Elektromagnetes M durch Drehung des
Zeichengebers auf „Signal“ ein Strom geſandt, ſo zieht dieſer ſeinen Anker A
an und dreht dadurch den Hebel h ſammt der Gabel G, ſo daß die Naſe c
zwiſchen p q in die Gabel ſinkt. Hierbei dreht ſich der Hebel H um x nach
abwärts und hebt durch den Arm b den um o drehbaren Arm N. Mit N müſſen
ſich aber auch die Arme n und k drehen;
hierdurch wird einerſeits der Arm c der
Windflügelaxe freigegeben und anderer-
ſeits k aus der Falle F1 des letzten Lauf-
werkrades herausgehoben, alſo das Lauf-
werk freigegeben. Die Scheibe macht eine
Drehung um 90 Grade; bevor jedoch dieſe
ganz vollendet iſt, gelangt der Stift d1
der Scheibe V auf den Arm m und hebt
dadurch den Hebel H wieder auf die
Palette q, während gleichzeitig k in die
Falle F2 gelangt und n den Arm c des
Windflügels wieder faßt, womit das Lauf-
werk arretirt iſt. Die Signalſcheibe wird
von ihrer „Halt“-Stellung wieder in
die Stellung „Frei“ zurückgebracht, wenn

Figure 829. Fig. 825.

Schönbach’s Diſtanzſignal.


man den Taſter auf „Rückſtellung“ dreht. Der Strom wird hierdurch erſt unter-
brochen und dann wieder geſchloſſen, wodurch die Auslöſung des Triebwerkes in
der bereits angegebenen Weiſe erfolgt. Die Einlöſung bewirkt aber dann, nachdem
ſich die Scheibe V um 270 Grade gedreht hat, nicht der Stift d1, ſondern der
Stift d2.


Um das Ueberſehen eines Diſtanzſignales bei raſcher Fahrt, dichtem Nebel,
Schnee oder Regen zu verhindern, wurden neben den optiſchen Signalen häufig
auch acuſtiſche verſucht. Hierher gehört z. B. die auf den Schienen vor dem
bezüglichen Diſtanzſignale befeſtigte Knallkapſel. Auf verſchiedenen franzöſiſchen
Bahnen benützt man auch die elektriſch-automatiſche Dampfpfeife von
Lartigue und Digney-Frères, Fig. 826. Die Dampfpfeife P hat ihr Dampf-
zuſtrömungsrohr bei R und kann nur dann Dampf erhalten, wenn das an der
Ventilſtange d ſitzende Ventil geöffnet wird. Die Ventilſtange ſitzt an dem Hebel-
arme H, welcher mit dem Hebel H1 durch die Zugſtange v verbunden iſt. H1 trägt
bei A den Anker für den Hughes-Magnet M E und wird daher ſo lange in der
durch die Figur dargeſtellten (gehobenen) Lage bleiben, als die Drahtwindungen E
68*
[1076] des Hughes-Magnetes ſtromlos ſind; ebenſo lange bleibt auch in Folge der
angegebenen Verbindung das Ventil des Dampfzuſtrömungsrohres geſchloſſen.
Letzteres wird aber geöffnet, ſobald ein Strom die Drahtwindungen E durchfließt
und der Anker A durch die nun zur Wirkung kommende, um v gewundene Spiral-
feder abgeriſſen wird. Man bringt die Pfeife wieder zur Ruhe, indem man den
Knopf K hineindrückt und dadurch den Hebel H1 hebt oder auf den Hebel G n
bei G drückt, wodurch das Ende n den Hebel H hebt. In jedem Falle wird der
Anker A dem Magnete ſo weit genähert, daß letzterer erſteren feſthalten kann,
wobei natürlich vorausgeſetzt iſt, daß der elektriſche Strom inzwiſchen unter-
brochen wurde.


Die Verbindung der [automatiſchen] Dampfpfeife auf der Locomotive mit dem
Diſtanzſignale läßt Fig. 827 erkennen. Von der Dampfpfeife p führt das eine

Figure 830. Fig. 826.

Elektriſch-automatiſche Dampfpfeife.


Drahtende ihres Hughes-Magnetes zu der iſolirt an der Maſchine befeſtigten
Kupferdrahtbürſte a, das andere Drahtende l iſt mit der Metallmaſſe der Loco-
motive verbunden, alſo zur Erde abgeleitet. In entſprechender Entfernung von dem
Diſtanzſignale iſt ein ſeiner Form wegen ſogenannter Krokodill-ContactM N
angebracht. Dieſer beſteht der Hauptſache nach aus einem im Mittel der Schienen
angebrachten hölzernen Langſchweller, der an ſeiner oberen Fläche mit dickem Kupfer-
bleche überzogen iſt. Dieſes Kupferblech ſteht durch die Leitung L mit einer Con-
tactvorrichtung C auf der Axe der Signalſcheibe S in Verbindung, von welcher
aus die Leitung zur Batterie B und endlich zur Erde weitergeht. Die Contact-
vorrichtung am Diſtanzſignal, welches mechaniſch durch Drahtzug geſtellt wird,
iſt ſo eingerichtet, daß der Contact hergeſtellt wird, wenn man das Diſtanzſignal
auf „Halt“ ſtellt, daß er hingegen aufgehoben erſcheint, wenn dem Signale die
Stellung „Frei“ gegeben wird. Sobald nun die Maſchine bei der „Halt“-Stellung
der Scheibe das keilförmige, hölzerne Auflaufſtück Q paſſirt hat, gelangt die Kupfer-
[1077] drahtbürſte a auf den Krokodill-Contact und ſchließt dadurch den Stromkreis von
B über L, den Contact C und L und durch den Contact a; die Dampfpfeife
ertönt. Iſt jedoch durch Drehung der Signalſcheibe auf „Frei“ der Contact bei C
unterbrochen, ſo kann die Pfeife durch Ueberfahren des Krokodill-Contactes nicht
zum Ertönen gebracht werden.


Eine andere Art von Gefahren, die der Bahnbetrieb mit ſich bringt, iſt
jene, welcher ſich die Züge ſelbſt gegenſeitig ausſetzen. Hierher gehören ein Durch-
ſchneiden oder Streifen, Begegnung und Ueberholung von Zügen. Die beiden erſt-
erwähnten Gefahren, können an Geleisverzweigungen oder Durchkreuzungen ein-
treten; es wird dieſes alſo gewöhnlich auf oder zunächſt den Bahnhöfen ſtattfinden.
Man beugt dieſen Gefahren, ſowie auch der Begegnung oder Ueberholung in der
Nähe der Bahnhöfe durch Diſtanzſignale vor, deren Wirkung noch durch Wechſel-
ſignale und Wechſelverſicherungen unterſtützt wird. Die Begegnung und Ueberholung
kann aber auch auf der Strecke eintreten. Hier läßt ſich die Sicherung des Zuges
dadurch erreichen, daß man in entſprechender Entfernung vor und hinter dem Zug

Figure 831. Fig. 827.

Elektriſch-automatiſche Dampfpfeife von Lartigue.


Signale anbringt, die ſich mit demſelben vorwärts bewegen. Der Gedanke, der-
artige fernwirkende Zugdeckungsſignale anzuwenden, welche vom laufenden Zuge
aus auf elektriſchem Wege gegeben werden können, wurde ſchon vor langer Zeit
gefaßt und auch ausgeführt.


Ein derartiges Deckungsſignalſyſtem, welches in Amerika Anwendung gefunden
hat und auch in Oeſterreich verſucht wurde, iſt das von Putnam angegebene
Zugdeckungsſignal. Das den Signal-Apparat enthaltende Käſtchen iſt auf der
Locomotive angebracht. Es enthält den Elektromagnet M (Fig. 828) mit ſeinem
Anker A, welcher ebenſo wie der die Signalſcheibe S tragende Arm H und der
Klöppel K der Glocke G um x drehbar befeſtigt iſt; dieſe drei Theile bewegen
ſich immer gemeinſchaftlich. An dem Klöppel ſind ferner noch die Abreißfeder f und
die die Kugel Z tragende Schnur H befeſtigt; s bildet den regulirbaren Anſchlag-
ſtift des Hebelſyſtemes. Fließt durch L L1 und ſomit auch durch die Drahtwindungen
des Elektromagnetes ein Strom, ſo hält dieſer den Anker A feſt, ſobald er
durch Anziehen an der Schnur H dem Magnete genähert wird. Dies iſt die Ruhe-
ſtellung des Apparates und bedeutet, daß die Bahn frei iſt; hierbei bleibt die
[1078] Signalſcheibe S innerhalb des Käſtchens — iſt alſo unſichtbar. Sind jedoch die
Drahtwindungen des Magnetes ſtromfrei, ſo fällt der Anker ab und das Hebel-
ſyſtem nimmt die in der Figur dargeſtellte Lage ein; die Signalſcheibe tritt aus
dem Käſtchen heraus und die Glocke ertönt. Die Glockenſchläge wiederholen ſich
in Folge der Erzitterungen auf der Locomotive, weil die Feder f den Klöppel
aufwärts, die Kugel Z denſelben abwärts zieht. Dem Locomotivführer wird hier-
durch das „Halt“-Signal gegeben.


Die Wirkungsweiſe des Signales erhellt aus der Betrachtung der Fig. 829.
Die Leitung L (Fig. 828) iſt iſolirt zu der Metallbürſte P (Fig. 829) und die
Leitung L1 zum Pole einer kleinen elektriſchen Maſchine geführt, welche durch die
Locomotive betrieben wird; vom zweiten Pole der elektriſchen Maſchine führt ein
Leitungsdraht zur Bürſte P1 oder auch zu den Metalltheilen des Tenders. Die

Figure 832. Fig. 828.

Deckungsfignal von Putnam.


Bahnſtrecke wird, der Verkehrsdichte entſprechend, in Abſchnitte von drei bis fünf
Kilometer Länge getheilt, indem an jedem derartigen Theilungspunkte II, III, IV
ein Theil c des Schienenſtranges (beiläufig eine Zugslänge) iſolirt wird, während
die übrigen Schienen nicht iſolirt ſind. Ueber die Schienen gleitet die Contact-
bürſte P. An jeder Theilungsſtelle iſt ein Hilfsapparat, beſtehend aus den Elektro-
magneten M und M1, dem um X drehbaren Ankerhebel H, dem Contactſtift s
und der Anſchlagſpitze s1, angebracht. Die Verbindung der Apparate der einzelnen
Theilungsſtellen untereinander wird in der durch die Figur dargeſtellten Weiſe
bewerkſtelligt.


Fährt ein Zug aus der Seetion I in die Section II über und ſchleift die
Bürſte P1 gerade auf dem iſolirten Schienenſtrange c in II, während die Bürſte P
über die nichtiſolirten Schienen s zwiſchen II und III gleitet, ſo iſt der Strom-
kreis von der Bürſte P aus über die Schiene s zwiſchen II und III, dem Hilfs-
apparate der Section I, dem Elektromagnete M1 der Section II, s, c und P1
[1079] geſchloſſen. Der Magnet M1 zieht den Anker an und legt dadurch den Hebel x y
auf den iſolirten Stift s1. Gelangt hierauf der Zug zum Uebertritte aus der
Section III nach IV, ſo wird von III aus nachfolgender Stromſchluß hergeſtellt;
Contactbürſte P, b, Leitung L3, Elektromagnet M der Section II, Leitung L4,
Elektromagnet der Section III, s, a und P1. Der Magnet M der Section II
zieht daher den Anker an und legt den Hebel x y auf den Contactſtift s; der
Elektromagnet M1 der Section II legt den Hebel x y auf den iſolirten Stift s1.
Der Zug tritt dann ganz auf s zwiſchen III und IV über und giebt hierdurch
ſeinem Signal-Apparate ſtets kurzen Schluß über P1, s und P. Tritt nun aber ein
zweiter Zug aus der Section III nach IV über, während der erſte Zug ſich noch
zwiſchen III und IV befindet, ſo wird der Stromſchluß im Signal-Apparate des
zweiten Zuges in dem Momente unterbrochen werden, als deſſen Bürſte P auf c
in III gelangt; ſeine Bürſte P1 berührt a (bei III), von wo aus die Leitung
über x y nur bis zu dem iſolirten Stifte s1 führt. Der Signal-Apparat des
zweiten Zuges kommt alſo in der früher angegebenen Weiſe zur Wirkſamkeit und
giebt das „Halt“-Signal. Der Stromkreis des Signales auf dem zweiten Zuge

Figure 833. Fig. 829.

Zugdeckungs-Signal von Putnam.


wird erſt dann wieder hergeſtellt, wenn der erſte Zug die iſolirte Stelle IV paſſirt
hat, weil hierdurch ein Strom durch die Leitungen L3 L4 (zwiſchen III und IV)
zu dem Magnete M von III geſandt und dadurch der Hebel x y auf die Contact-
ſchraube a gelegt wird, wie wir dies zu Beginne unſerer Betrachtung geſehen haben.


Man begnügte ſich jedoch nicht mit ſolchen auf dem Zuge ſelbſt angebrachten
Signal-Apparaten, welche mannigfache Uebelſtände, wie z. B. die Anbringung
eines verhältnißmäßig zarten Signal-Apparates auf der Locomotive, der ſchwierigen
Herſtellung einer guten Verbindung zwiſchen der Leitung und dem Zuge u. dgl.
mit ſich bringen, ſondern verſuchte die Zugdeckung durch ſtabile Streckenſignale zu
erreichen. Die Zugdeckung auf Stationsdiſtanz iſt ſehr einfach durch den elektriſchen
Telegraphen durchzuführen. Die Station kann dann in der Nachbarſtation ausführ-
lich anfragen, ob die Strecke frei iſt oder nicht und wird daher den Zug nur dann
ablaſſen, wenn erſteres der Fall iſt.


Die Deckung auf Stationsdiſtanz wird jedoch unmöglich, ſobald die auf-
einanderfolgenden Züge in kürzeren Zeitintervallen abgelaſſen werden, als zur
Zurücklegung des Weges von einer Station bis zur Nachbarſtation erforderlich iſt.
In ſolchen Fällen muß die zwiſchen zwei Stationen liegende Strecke in eine ent-
[1080] ſprechende Anzahl von Sectionen getheilt werden; ferner muß an jeder Theilungs-
ſtelle durch ein Haltſignal dem nachfolgenden Zuge die Einfahrt in die betreffende
vorausliegende Station ſo lange verboten werden, bis der vorangehende Zug dieſe
Section verlaſſen hat. Eine derartige Anordnung heißt man Blockſyſtem. Ueber
dieſes möge nur noch bemerkt werden, daß eine Verſtändigung zwiſchen je zwei
Theilungspunkten ebenſo ermöglicht ſein muß, wie bei dem Stationsdiſtanz-Syſteme.
Wird das Stellen der Signale wieder durch den Zug ſelbſt bewirkt, ſo nennt man
das ein automatiſches Blockſignal. Auf eine nähere Beſchreibung derartiger
Apparate hier einzugehen, dünkt uns jedoch außerhalb des Rahmens dieſes Werkes
zu liegen, weshalb wir hiermit ſchließen.

[figure]
[[1081]]

Appendix A Namen-Regiſter.

[figure]


Appendix B Sach-Regiſter.



[][][]
Notes
*)
Die Gründe, die ihn zu dieſem Schritte bewogen, ſpricht nach Angabe Whewell’s
Faraday ſelbſt mit folgenden Worten aus: „Mein Wunſch war, den Handelsgeſchäften zu
entfliehen, die ich für verdorben und ſelbſtiſch hielt, und mein Verlangen, in den Dienſt der
Wiſſenſchaft zu treten, die nach meiner Meinung ihre Verehrer liebenswürdig und edelmüthig
macht, bewog mich zu dem kühnen Schritt, ohneweiters an Sir Humphry Davy zu ſchreiben.“
*)
Verfaſſer dieſes Buches hat vor einigen Jahren mit der in Krain lebenden Nichte
derſelben geſprochen und bei dieſer Gelegenheit einige Reliquien Davy’s geſehen, von welchen
namentlich ſein Stammbuch zu erwähnen iſt.
*)
Buſſole iſt richtiger als Bouſſole, da das Wort nicht franzöſiſchen Urſprunges iſt,
ſondern nach Klaproth aus dem arabiſchen Muassala = Pfeil abgeleitet iſt, welches Wort
Mo—ussala ausgeſprochen wird.
*)
Daß gleich ſtarke, aber entgegengeſetzte Magnetismen ſich gegenſeitig aufheben, kann
leicht durch folgenden Verſuch gezeigt werden: Läßt man durch einen Magnet ein Stück Eiſen
anziehen und legt dann auf dieſen Magnet einen genau gleich ſtarken zweiten Magnet, jedoch
derart, daß ſich die entgegengeſetzten Pole der beiden Magnete decken, ſo fällt das Eiſenſtück
ſofort ab und die Magnete zeigen keine Anziehungskraft mehr, ſo lange man ſie nicht von-
einander trennt.
*)
Prof. Dr. Paul Reis’ Lehrbuch der Phyſik für Gymnaſien Realſchulen und
andere höhere Lehranſtalten iſt überhaupt in der angegebenen Beſtimmung eines der empfehlens-
wertheſten Lehrbücher. Verfaſſer vorliegenden Buches folgt auch wiederholt dem dort ein-
geſchlagenen Lehrgange.
*)
Es mag bei dieſer Gelegenheit gleich erwähnt werden, daß man die Dicke einer
ſolchen Schichte oder die Menge der Elektricität auf der Flächeneinheit die Dichte der
Elektricität an jener Stelle des Körpers nennt.
1).
Der Fall, daß die gleichnamigen Elektricitäten in ungleicher Menge auf den beiden
Körpern vorhanden ſind, bedarf wohl kaum mehr einer Erklärung. Hat der eine Körper, z. B. A,
eine bedeutend größere Menge Elektricität wie B, ſo wird die auf B durch A influenzirte
Elektricität erſter Art die auf B ſchon früher vorhandene Elektricität vollkommen neutraliſiren;
wegen der größeren Menge der Influenz-Elektricität erſter Art wird aber ſolche überdies noch
auf B zurückbleiben. B wird gleichfalls auf A influenzirend wirken, wegen ihrer geringeren
Menge aber nur einen Theil der urſprünglich auf A vorhandenen Elektricitätsmenge neutraliſiren.
Es bleibt alſo auf A urſprüngliche Elektricität und entſteht auf B Influenz-Elektricität erſter
Art: Die beiden Körper werden ſich anziehen. Das weitere Verhalten iſt dann aus der Be-
ſprechung ungleichnamig elektriſirter Körper gegeneinander zu erſehen.
1).
Wie dieſes Uebertreten aufzufaſſen iſt, wurde bereits bei der Erklärung der Spitzen-
wirkung angegeben; wir bedienen uns nur der Kürze und Deutlichkeit wegen der nicht ganz
richtigen Sprechweiſe.
*)
In jüngſter Zeit fand die chemiſche Erklärung des Volta’ſchen Fundamentalverſuches
namentlich durch Franz Exner in Wien einen warmen Vertheidiger. Auf zahlreiche meſſende
Verſuche geſtützt, glaubt dieſer die Erregung der Elektricität bei Berührung zweier Metall-
platten einer oberflächlichen Oxydation der Metalle zuſchreiben zu müſſen. Bei dieſem
chemiſchen Proceſſe wird das Metall negativ, die Oxydſchicht poſitiv elektriſch. Letztere iſt aber
ein Iſolator und behält daher ihre Elektricität bei. Wird hierauf dieſe oxydirte Platte mit
einer rein metalliſchen Platte berührt, ſo wirkt die poſitive Elektricität der Oxydſchicht
influenzirend auf die Metallplatte. Das weitere Verhalten iſt dann dasſelbe wie jenes,
welches bei der Influenzwirkung eines Leiters auf einen zweiten Leiter, der vom erſten
durch einen Iſolator getrennt iſt, bereits erklärt wurde. Volta’s Fundamentalverſuch würde
hiernach als eine Influenzerſcheinung aufzufaſſen ſein.
*)
Das Vorzeichen + oder — hängt natürlich von der Reihenfolge der ſich berührenden
Metalle ab, da nach dem Spannungsgeſetze ein Metall mit jedem in der Spannungsreihe
folgenden Metalle poſitiv, mit jedem vorhergehenden negativ elektriſch wird.
*)
Die Stromſtärken ſind übrigens den Ausſchlagswinkeln nicht direct proportional,
ſondern einer gewiſſen Function derſelben, welche man die Tangente des Winkels nennt; daher
kommt auch der Name: Tangentenbuſſole.
*)
Es iſt vielleicht nicht ganz überflüſſig, darauf hinzuweiſen, daß man zwiſchen Wärme-
menge
und Temperatur ſtrenge zu unterſcheiden hat. Auf erſtere wirkt nur der Widerſtand
des Drahtes, auf letztere machen die Dimenſionen ihren Einfluß geltend. Ein einfaches Beiſpiel
mag zur Verdeutlichung dienen: In einem ſehr kalten Zimmer wird ein Stück Platindraht
zu heller Weißgluth gebracht; wird dies ein nicht in unmittelbarer Nähe des Drahtes befind-
liches Waſſer am Gefrieren hindern? Gewiß nicht. Nun läßt man aber durch die Röhrenleitung
der Warmwaſſerheizung, die wir in demſelben Zimmer angebracht haben, das warme Waſſer
circuliren; in kurzer Zeit wird das ganze Zimmer angenehm erwärmt und doch iſt die Tem-
peratur
des Waſſers weit unter jener des Drahtes. Der Platindraht beſitzt eben eine ſehr hohe
Temperatur, giebt aber eine ſehr geringe Wärmemenge an die Luft ab, während hingegen das
Waſſer eine verhältnißmäßig niedrige Temperatur beſitzt, aber eine große Wärmemenge abgiebt.
*)
Unter einer Wärme-Einheit oder Calorie verſteht man jene Wärmemenge, welche
erforderlich iſt, um 1 Kilogramm Waſſer von 0° auf 1°C. zu erwärmen.
*)
Unter Aequivalenten verſteht man jene Zahlen, welche die Verhältniſſe ausdrücken,
nach welchen ſich die Körper in den chemiſchen Verbindungen gegenſeitig erſetzen können.
*)
Jacobi führte die Poldrähte einer 12elementigen Zink-Platin-Batterie mit Hilfe
einer Mikrometerſchraube bis auf eine Entfernung von 0·00127 Millimeter gegeneinander,
ohne einen Funken zu erhalten.
*)
Das Waſſerſtoffſuperoxyd oder Waſſerſtoffdioxyd iſt eine dicke, farbloſe Flüſſigkeit,
die wegen ihrer leichten Zerſetzbarkeit ein kräftiges Oxydationsmittel bildet und organiſche
Farbſtoffe zerſtört. Verdünnt mit Waſſer, alſo in wäſſeriger Löſung, wird ſie zum Reinigen
alter Oelgemälde, Kupferſtiche ꝛc. benutzt; ſie dient auch als Schönheitsmittel, um dunkles
Haar in blondes zu verwandeln.
*)
Die Sonnenflecke ſind unregelmäßige dunkle Stellen auf der Sonnenoberfläche, die
von einem minder dunkeln Saum umgeben ſind; oft ſehr klein, übertreffen ſie manchmal auch
vielfach die Größe der ganzen Erdoberfläche. Sie erſcheinen einzeln oder häufiger in Gruppen,
dauern je nach ihrer Größe verſchieden lange Zeit an. In größerer Menge treten ſie in
Perioden von 111/9 Jahren auf. In der Nähe der Flecken zeigen ſich auch beſonders helle
Stellen von vorübergehender Dauer; dieſe nennt man Fackeln. Spectralanalytiſche Unter-
ſuchungen führten zu der Annahme, daß die Sonne aus einer feurig flüſſigen Maſſe beſtehe,
die von einer Hülle glühender Gaſe und Dämpfe umgeben ſei. Hiernach hätte man ſich das
Entſtehen der Sonnenflecke durch locale Abkühlungsproceſſe, die Fackeln als das Hervorbrechen
in höchſter Gluth befindlicher Maſſen vorzuſtellen.
*)
Man erhält den Longitudinalton des Stabes durch Reiben desſelben in der
Längsrichtung.
*)
Nach der gegenwärtig allgemein angenommenen Theorie beſteht das Weſen des
Lichtes in transverſalen Schwingungen eines Alles durchdringenden, unwägbaren Mediums,
des ſogenannten Aethers. In einem gewöhnlichen Lichtſtrahle ſchwingt alſo der Aether in allen
möglichen auf die Fortpflanzungsrichtung des Strahles ſenkrechten Richtungen. Nun giebt es
gewiſſe Mittel, durch welche es gelingt, einen Lichtſtrahl derart in zwei Lichtſtrahlen zu zer-
legen, daß in jedem derſelben die Schwingungen nur nach einer Richtung hin ſtattfinden
und daß die Schwingungsrichtung in dem einen dieſer Strahlen ſenkrecht iſt auf die Schwin-
gungsrichtung im zweiten Strahle. Derartiges Licht nennt man polariſirtes Licht und
ſagt, die beiden Lichtſtrahlen ſind durch die in Rede ſtehende Operation in zwei ſenkrecht
*)
aufeinander polariſirte Lichtſtrahlen zerlegt. Polariſirtes Licht kann z. B. in der Art erhalten
werden, daß man einen gewöhnlichen Lichtſtrahl durch einen Waſſerſpiegel, eine Glastafel,
einen Spiegel ꝛc. reflectiren läßt; Licht wird auch polariſirt, wenn man es durch gewiſſe
Kryſtalle, z. B. Turmalin, in beſtimmter Richtung gehen läßt. Man wendet an deſſen Stelle auch
häufig einen eigenthümlich präparirten Doppelſpathkryſtall, das ſogenante Nicol’ſche Prisma,
an. Läßt man auf ein derartiges Prisma einen gewöhnlichen Lichtſtrahl auffallen, ſo kommt
nur einer der polariſirten Lichtſtrahlen auf der entgegengeſetzten Seite heraus. In dieſem Licht-
ſtrahle erfolgen die Aetherſchwingungen nach der obigen Erklärung nur in einer Ebene. Dieſe
Ebene oder, wie andere annehmen, die darauf ſenkrechte Ebene nennt man die Polariſa-
tionsebene
. (Ob man die eine oder die andere Ebene als Polariſationsebene annimmt,
bleibt bei conſequenter Durchführung gleichgiltig.) Trifft nun ein derartig polariſirter
Lichtſtrahl auf einen zweiten Nicol, ſo wird er je nach der Stellung des letzteren ganz,
theilweiſe oder gar nicht durchgelaſſen. Er wird ganz durchgelaſſen, wenn der zweite Nicol
ſo ſteht, daß er einen unpolariſirten Lichtſtrahl in derſelben Ebene polariſiren würde,
wie der erſte Nicol es gethan hat. Man ſagt dann, die beiden Nicols ſtehen parallel.
Je weiter ſie von dieſer Lage gegeneinander abweichen, deſto weniger Licht wird durch-
gelaſſen. Stehen ſie endlich ſo, daß der zweite Nicol in Ebenen polariſiren würde, welche
ſenkrecht ſtehen auf jenen, in welchen der erſte polariſirt hat, ſo geht durch den zweiten Nicol
gar kein Licht durch; die beiden Nicols ſind gekreuzt. Man wird daher, durch beide Nicols
gegen eine Lichtquelle blickend, einen helles Geſichtsfeld haben, wenn ſie parallel ſtehen, ein
dunkles, wenn ſie gekreuzte ſind. Nehmen ſie Zwiſchenſtellungen ein, ſo hat man dem entſpre-
chend Geſichtsfelder verſchiedener Helligkeiten.
Man kann ſich die Vorgänge durch nachſtehendes Bild klar machen: Eine Blechſcheibe
iſt mit lauter parallelen Schlitzen verſehen; auf dieſelbe fallen Stahlnadeln in allen möglichen
Lagen zu den Schlitzen (der unpolariſirte Lichtſtrahl). Diejenigen Nadeln, welche parallel zu
den Schlitzen auffallen und auf ſolche treffen, gehen durch die Scheibe. Letztere wird alſo
nur von lauter unter ſich parallelen Nadeln durchdrungen werden (der in einer beſtimmten
Ebene polariſirte Lichtrahl). Fallen dieſe Nadeln nun auf ein zweites Blech, welches mit
ebenſolchen Schlitzen in gleicher Vertheilung angeordnet iſt, ſo werden die Nadeln auch durch
dieſes Blech gehen, wenn die Schlitze desſelben parallel zu jenen des erſten Bleches ſtehen.
(parallele Nicols, der Lichtſtrahl geht durch, helles Geſichtsfeld). Stehen die Schlitze des
zweiten Bleches ſenkrecht auf jene des erſten, ſo geht gar keine Nadel durch, weil ſich alle
quer über der Schlitze legen (gekreuzte Nicols, dunkles Geſichtsfeld). Bei ſchiefer Stellung
der Schlitze beider Bleche gegeneinander wird ein Theil der Nadeln auch durch das zweite
Blech gehen (theilweiſes Durchlaſſen des Lichtſtrahles, verſchieden helles Geſichtsfeld).
Man nennt jenen Nicol, durch welchen das gewöhnliche Licht in polariſirtes verwandelt
wird, den Polariſeur, den zweiten Nicol, durch welchen man den polariſirten Lichtſtrahl
betrachtet, Analyſeur. Sind Polariſeur und Analyſeur gekreuzt, ſo erſcheint, wie bereits erwähnt,
das Geſichtsfeld dunkel. Bringt man nun zwiſchen Polariſeur und Analyſeur gewiſſe Körper,
z. B. eine Zuckerlöſung, ſo wird das vorhin dunkle Geſichtsfeld mehr oder weniger aufgehellt. Die
Zuckerlöſung beſitzt eben die Eigenſchaft, die Polariſationsebene zu drehen. (Die durch das
erſte Sieb gegangenen Nadeln fallen nicht mehr quer auf die Schlitze des zweiten Siebes
[auf], ſondern ſchief; es wird daher ein Theil der Nadeln auch durch das zweite Sieb gehen.)
Will man nun abermals ein dunkles Geſichtsfeld erhalten, ſo muß man den Analyſeur drehen
(das zweite Sieb in eine Lage bringen, daß die Schlitze abermals zu den auffallenden
Nadeln ſenkrecht ſtehen.) Die Größe dieſer Drehung wird an der Kreistheilung, welche der
Analyſeur beſitzt, abgeleſen. Die Polariſationsebene hat alſo beim Durchgange des Lichtes
durch die Zuckerlöſung eine Drehung im Kreiſe erlitten; man nennt dies die Circular-
oder Kreispolariſation. Die Drehung des Analyſeurs, durch welche nach Einſchaltung
des circular polariſirenden Körpers die Dunkelheit wieder hergeſtellt wird, muß nach rechts
oder links (in der Uhrzeiger- oder gegen die Uhrzeigerbewegung) erfolgen, je nachdem der
Körper ein rechts- oder linksdrehender iſt.
*)
Gewöhnlich giebt man Grove als den Entdecker und das Jahr 1852 als die Zeit
der Entdeckung an. Verfaſſer vorliegenden Werkes hat jedoch in ſeiner Inauguraldiſſertation
bewieſen, daß dieſe Angabe falſch und obige richtig iſt.
*)
Veröffentlicht in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie der Wiſſenſchaften.
*)
Strahlende Elektrodenmaterie und der ſogenannte vierte Aggregatzuſtand von Dr.
J. Puluj, Wien, Gerold’s Sohn, 1883. Dieſer höchſt intereſſanten Publication ſind auch nach-
ſtehende Mittheilungen zum Theile entnommen.
*)
Die Größe des Druckes, den ein Gas auf eine Wand ausübt, wird nämlich be-
ſtimmt durch die Zahl der Stöße, welche in einer beſtimmten Zeit auf eine beſtimmte Fläche
durch die anprallenden Gastheilchen ausgeübt werden.
*)
Unter Fluoreſcenz verſteht man die Umwandlung von Strahlen höherer Brechbarkeit
in ſolche von geringerer Brechbarkeit. Bei der Reihenfolge, der Farben wie im Spectrum
oder Regenbogen, nimmt die Brechbarkeit von Roth gegen Violett hin zu. Es erſcheint z. B.
ein alkoholiſcher Auszug von Blattgrün im auffallenden Lichte grün, hingegen roth im durch-
gelaſſenen. Unter Phosphoreſcenz verſteht man das Selbſtleuchten eines Körpers in Folge der
Beſtrahlung durch eine Lichtquelle.
*)
Veröffentlicht in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie der Wiſſenſchaften aus
den Jahren 1876, 1879 und 1880.
*)
„Zeitſchrift des elektrotechniſchen Vereines in Wien“, Jahrgang 1883.
*)
La lumière électrique, Bd. VII.
*)
In welcher Weiſe dies erfolgt, werden wir bei der Kraftübertragung zu betrachten
Gelegenheit haben.
*)
Pfaundler theilte dies in verſchiedenen Briefen A. v. Waltenhofen mit, der ſie in
der Zeitſchrift des elektrotechniſchen Vereines in Wien 1883 veröffentlichte.
*)
Eine Pferdekraft = 75 Kilogramm-Meter; unter 1 Kilogramm-Meter verſteht man
jene Kraft, durch welche in einer Secunde 1 Kilogramm 1 Meter hoch gehoben wird.
*)
Ein Gleichniß möge dieſes Verhalten deutlicher machen: Eine Perſon bewegt ſich
gegen einen Spiegel; Perſon und Bild kommen dadurch einander näher, d. h. ſie bewegen
ſich in entgegengeſetzter Richtung, und doch gehen beide, Perſon und Bild, vorwärts. Da
Perſon und Bild ihre Vorderſeiten einander zukehren, muß offenbar das Vorwärtsbewegen
des Bildes und das Rückwärtsbewegen der Perſon im Vergleiche zu einem außerhalb
befindlichen Punkte eine und dieſelbe Richtung ſein. Geradeſo verhält es ſich nun auch mit den
Strömen; bei N iſt, wenn das Gleichniß hierauf angewandt wird, der Spiegel; was ober-
halb N die Richtung von rückwärts nach vorne hat, zeigt unterhalb N die Richtung von
vorne nach rückwärts, und da auch der Magnetpol oben umgekehrt wirkt wie unten, ſo wird
die Richtung noch einmal umgekehrt, d. h. die Ströme laufen ober- und unterhalb N in
gleicher Richtung.
*)
Unter Beachtung dieſes Umſtandes kann der Stromunterbrecher B auch getrennt
von der Maſchine aufgeſtellt ſein.
*)
Man verſchafft ſich am leichteſten in der Weiſe Klarheit, daß man auf einem ſepa-
raten Blatte den Sectoren- und Spulenkreis zeichnet und dann dieſe Scheibe innerhalb der
magnetiſchen Felder dreht. Das in Rede ſtehende Schema iſt einem Vortrage Hefner v.
Alteneck
’s entnommen, aber wie das vorhergehende etwas abgeändert worden (Elektrotechn.
Zeitſchr., II. J.).
*)
Elektrotechn. Zeitſchr, IV, p. 15.
*)
Vergleiche I. Abtheilung, Seite 214.
**)
Ein Centimeter = 1/100 Meter; 1 Meter = 10,000,000ten Theil eines Längskreiſes
des nördlichen Erdquadranten. Die Maſſeneinheit iſt die Gramm-Maſſe, d. h. 1 Kubik-
centimeter deſtillirten Waſſers bei 4 Grad Celſius. (Bei dieſer Temperatur beſitzt das Waſſer
die größte Dichte.) Es iſt unrichtig, zu ſagen, die Maſſeneinheit iſt das Gramm, weil dieſes die
Gewichtseinheit darſtellt. Unter Maſſe eines Körpers verſtehen wir die Menge des Stoffes
in einem Körper, unter Gewicht den Druck, welchen ein Körper in Folge der auf ihn durch
die Erde ausgeübten Anziehungskraft auf ſeine Unterlage ausübt. Letztere iſt an verſchiedenen
Orten der Erde verſchieden und daher iſt auch das Gewicht eines Körpers an verſchiedenen
Orten ein verſchiedenes. Die Maſſe bleibt jedoch überall dieſelbe; da man unter der Einheit
der Maſſe jene Maſſe verſteht, welche durch die Einheit der Kraft in der Einheit der Zeit die
Einheit der Geſchwindigkeit erhält, ſo iſt die Maſſe eines Körpers gleich dem Gewichte dividirt
durch die Acceleration der Erdſchwere, d. h. durch die Beſchleunigung, welche ein Körper beim
freien Fall durch die Anziehungskraft der Erde erhält. — Als Zeiteinheit wurde die Secunde
angenommen; dieſe iſt gleich dem 86,400ten Theil des mittleren Sonnentages.
*)
Allerdings nur in Folge des Umſtandes, daß Amerikaner in Europa gemachte
Erfindungen oder geſammelte Erfahrungen principiell ignoriren, und daher auch weder Ediſon
noch ſeine Ingenieure Burſtyn’s Verſuche kannten.
*)
Die Verbindungen des Queckſilbers mit anderen Metallen werden Amalgame genannt.
*)
Nur dieſe Form des Manganhyperoxydes iſt verwendbar; andere Formen von
Braunſtein ſind ihres Gefüges und phyſikaliſchen Verhaltens wegen nicht brauchbar. Das
Manganhyperoxyd iſt eine Verbindung von Mangan und Sauerſtoff, die ſich durch den hohen
Procentgehalt des letzteren auszeichnet.
*)
Kaliumoxyd in Waſſer gleichbedeutend mit Kalilauge.
**)
Kupferoxyd iſt Kupferhammerſchlag und Chlormagneſium eine Verbindung von Chlor
mit Magneſium; letzteres verbrennt angezündet bekanntlich unter Entwicklung eines blendenden
Lichtes.
*)
P. Sechi machte an einem lange gebrauchten Minotto-Element folgende intereſſante
Beobachtung: Die feſte, aus Kupfer- und Zinkvitriolkryſtallen gebildete Maſſe zeigte ſich von
Kupfer in Dendritenform durchzogen, ganz in derſelben Weiſe, in welcher die Kupferkryſtalli-
ſationen in natürlichen Erzgängen vorkommen. Man kann daher wohl annehmen, daß die
kryſtalliniſchen Kupferausſcheidungen in den Erzgängen ihr Entſtehen ähnlichen langſam vor
ſich gehenden chemiſchen Proceſſen zu verdanken haben, wie ſolche im Minotto-Element
ſtatthaben.
*)
W. Ph. Hauck, Die galvaniſchen Batterien, Accumulatoren und Thermoſäulen.
*)
Nach Niaudet, Traité élémentaire de la pile électrique, deutſch von W.
Ph. Hauck.
*)
Um den Widerſtand zu vermindern, ſetzt Reynier der Kupfervitriollöſung noch
andere Salze, wie z. B. Chlorkalium, Kochſalz, Ammoniumſulfat, Natriumſulfat u. ſ. w., zu.
*)
Ausführliches findet man in Dr. F. Wächter, „Die Anwendung der Elektricität
für militäriſche Zwecke“.
*)
Dieſe Erwägung zeigt auch, daß die Beziehung Accumulator für Secundär-Element
eine unrichtige iſt.
*)
Recherches sur l’Électricité par G. Planté, Paris 1879.
*)
Allerdings hatte ſchon Sinſtedten vor Planté (1854) Bleiplatten zur Herſtellung
von Secundär-Elementen benützt, aber dieſe weder in eine praktiſch verwendbare Form gebracht
noch auch deren Verhalten eingehend ſtudirt.
*)
Das Verſtändniß obiger Auseinanderſetzungen dürfte durch Vergleichung mit den
Betrachtungen auf Seite 199 u. f. erleichtert werden.
*)
Vergleiche Seite 300: Verſuche von Magnus.
**)
In einem an den Verfaſſer vorliegenden Werkes gerichteten Schreiben.
*)
Berlin, Elektrotechniſche Zeitſchrift 1882 und 1884, Zeitſchrift des elektrotechniſchen
Vereines in Wien 1884.
*)
Aus „Elektrotechniſche Rundſchau“, I. Jahrg., welcher auch die Fig. 441 und 443
entnommen ſind.
*)
Stellt man eine Röhre in eine Flüſſigkeit und ſaugt dann am freien Ende, ſo
gelingt es nicht, die Flüſſigkeit über eine beſtimmte Höhe in der Röhre aufſteigen zu machen.
Die Höhe, bis zu welcher eine Flüſſigkeit ſteigt, hängt von ihrem ſpecifiſchem, d. h. ihr eigen-
thümlichem Gewichte ab. Es wird alſo das ſehr ſchwere Queckſilber viel weniger hoch ſteigen,
als das viel leichtere Waſſer. So beobachtete Toricelli im Jahre 1643, daß eine Queck-
ſilberſäule auf obige Art nicht höher als beiläufig 760 Millimeter erhalten werden kann.
Genau dasſelbe Reſultat wird erhalten, wenn man eine oben verſchloſſene Röhre r, Fig. 448,
mit Queckſilber füllt und dann in ein offenes mit Queckſilber gefülltes Gefäß g ſtellt. Iſt
nämlich die Röhre länger als 760 Millimeter, ſo ſinkt das Queckſilber ſo lange, bis die Höhe
*)
Wir können uns dieſen Vorgang auch ſo darſtellen: Das Queckſilber ſinkt und
bildet in B ein Vacuum; durch weiteres Senken des Gefäßes A wird nun dieſes Vacuum
mit dem lufterfüllten Raume in s und den Lampen verbunden, da das Queckſilber unter z ſinkt,
alſo den Abſchluß der Lampen von B aufhebt. Es muß ſich daher das Vacuum oder der
Luftdruck O in B mit dem vollen Luftdrucke in den Lampen [ausgleichen], folglich in beiden
zuſammen ein unterhalb dem vollen liegender Druck herſtellen.
*)
der Queckſilberſäule, gemeſſen von der Oberfläche des Queckſilbers im offenen Gefäße bis zur
Kuppe in der Röhre, nur mehr 760 Millimeter beträgt. Der Raum a b über dieſer Höhe
iſt dann luftleer; man nennt ihn die Toricelli’ſche Leere oder das Vacuum. Die Urſache
dieſer Erſcheinung iſt der Luftdruck, der mit voller Kraft auf das Queckſilber im offenen
Gefäße wirkt und daher das Queckſilber in die Röhre hinauftreibt, während in der Röhre
dieſer Kraft keine andere Kraft entgegenwirkt. Das Queckſilber muß deshalb in der Röhre ſo
lange ſteigen, bis die Queckſilberſäule eine Höhe erreicht hat, welche dem äußeren Luftdrucke
das Gleichgewicht halten kann. Da nun der Luftdruck einer Queckſilberſäule von 760 Milli-
meter Höhe (im Mittel) das Gleichgewicht hält, ſo ſagt man, der mittlere Luftdruck beträgt
760 Millimeter Queckſilberſäule. Läßt man in die Röhre einige Luftbläschen eintreten, ſo
wirken dieſe innerhalb der Röhre dem von außen her wirkenden Luftdrucke entgegen und
bewirken dadurch ein Sinken der Queckſilberſäule. Die Höhe derſelben hängt dann natürlich
von der Differenzwirkung des äußeren und inneren Luftdruckes ab, weil der äußere Luftdruck
durch den inneren Luftdruck zum Theile aufgehoben wird. Bekanntlich beruht auf dem erſten
Experimente (Fig. 448) das Barometer, d. h. jenes Inſtrument, welches uns ſtets den jeweiligen
Luftdruck, der nach Ort und Zeit ein verſchiedener iſt, anzeigt. Hierauf beruht aber auch eine
Art der Queckſilberluftpumpen, da durch dieſes Experiment ein Gefäß luftleer gemacht
werden kann.
*)
Die Archimediſche Schraube oder Waſſerſchnecke iſt eine der älteſten Waſſerhebungs-
maſchinen und beſtand urſprünglich aus einer Röhre, die in einer Spirale um eine gegen
den Horizont geneigte Axe gewunden wurde. Hat die Schraube die richtige Lage, ſo iſt eine
Hälfte der Schraubengänge nach oben, die andere nach unten gerichtet; im Verlaufe der Drehung
gehen ſtets die nach oben gerichteten in nach unten gerichtete über. Taucht, nun das untere
Ende der ſich drehenden Spirale in eine Flüſſigkeit, ſo erfüllt dieſe den der Flüſſigkeitsoberfläche
zunächſt liegenden Schraubengang ſo weit, als dieſer eintaucht; er wird gefüllt und dreht ſich
weiter, wodurch der früher anſteigende in einen abfallenden und der abfallende in einen
anſteigenden Schraubengang verwandelt wird. Die in den früher abfallenden Schraubengang
eingedrungene Flüſſigkeit muß jetzt aus dem nunmehr anſteigenden Schraubengange in einen
nächſten abfallenden Gang überfließen und kommt auf dieſe Art in den zweiten Schrauben-
gang, wo ſich bei Fortſetzung der Drehung dasſelbe Spiel wiederholt und die Flüſſigkeit in
den dritten Schraubengang u. ſ. w. befördert wird, bis man ſie auf der gewünſchten Höhe
am oberen Ende der Schraube ausfließen läßt. Da die Herſtellung ſolcher ſchraubenförmiger
Röhren ſchwierig iſt, hat man gegenwärtig die Waſſerſchnecke, welche eine der vollkommenſten
Waſſerhebemaſchinen iſt, in einer andern Form in Verwendung. Man läßt nämlich innerhalb
eines feſtſtehenden, ſchiefgelegten Cylinders eine mit der Axe desſelben zuſammenfallende Welle
rotiren, um welche eine Schraubenfläche gewunden iſt; um hierbei das Zurückfließen von
Waſſer zu vermeiden, muß ſich die Schraubenfläche natürlich mit möglichſt geringem Spiel-
raume im Cylinder bewegen. Eine Archimedes-Schraube dieſer Art iſt es auch, welche in
Ivry zum Heben des Queckſilbers benützt wird.
*)
Fig. 469 iſt eine ſchematiſche Zeichnung dieſer Lampe und die Darſtellung des
Stromganges. + P und — P bedeuten die Polklemmen, E1 und E2 die getheilten Eiſen-
kerne, H die Hauptſpule mit wenigen Windungen dicken Drahtes, N die Nebenſpule mit
einigen Windungen dicken und vielen Windungen dünnen Drahtes; C iſt ein Contactmagnet,
*)
gleichfalls mit doppelten Windungen, n ein Widerſtand aus Neuſilberdraht und e ein Wider-
ſtand aus Eiſendraht. G1 G2 ſind die vom Lampenkörper iſolirten Gleitſchienen für den
Kern E2; K1 und K2 die obere, beziehungsweiſe untere Kohle.
Die etwas complicirte Stromführung dürfte am leichteſten klar gemacht werden, indem
man den Stromgang in den einzelnen Perioden des Brennens der Lampe und während der
Ausſchaltung aus dem Stromkreiſe betrachtet. Hierzu ſei zunächſt angenommen, daß ſich die
beiden Kohlen K1 und K2 nicht berühren und die Lampe in Thätigkeit geſetzt werden ſoll.
1. Der Strom tritt bei der Klemme + P in die Lampe
ein, geht durch den Lampenkörper nach a, durchläuft die dicken
Windungen der Nebenſpule N, eilt dann von b über den Con-
tactwinkel c und den Platincontact d nach f und verläßt durch
den Neuſilberwiderſtand n und die iſolirte Klemme — P die
Lampe. Der Eiſenkern E1 wird jetzt durch die vom Strome
durchfloſſene Spirale a b der Nebenſpule N in dieſe hineingezogen,
die Kohle K1 geſenkt und letztere gelangt mit der unteren Kohle
K2 zur Berührung.
2. Nun hat der bei + P in die Lampenmaſſe eintretende
Strom zwei Wege: entweder den eben beſchriebenen oder den
folgenden: durch die Lampenmaſſe in die beiden Kohlen K1 K2,
von letzterer bei h in die iſolirte Gleitſchiene G1, von dieſer durch
die Rollen i und k nach m, durch die wenigen dicken Drahtlagen
des Contactmagnetes C nach o, dann in die dicken Draht-
windungen der Hauptſpule H und endlich durch die Leitung L
zur negativen Polklemme — P. Dieſen letzteren Weg wird der
Hauptantheil des Stromes durchlaufen, da hier ein geringerer
Widerſtand vorhanden iſt als in dem zuerſt beſchriebenen Strom-
kreiſe. Die Hauptſpule H zieht deshalb den Eiſenkern E2 hinein,
entfernt alſo die beiden Kohlen K1 und K2 voneinander und es
entſteht der Lichtbogen. Nun iſt aber auch der Contactmagnet C
magnetiſch geworden und hat ſeinen Anker angezogen, wodurch
er den Contact bei d unterbricht.
3. Der unter 1. beſchriebene und jetzt zum ſchwachen
Zweigſtrom gewordene Strom muß nun folgenden Weg ein-
ſchlagen: Von + P durch die Maſſe der Lampe nach a, durch
Figure 474. Fig. 469.

Lampe mit getheiltem Kerne.


die dicken und dünnen Windungen der Nebenſpule N und durch die dünnen Drähte des
Contactmagnetes C, aus welchem herauskommend er ſich bei m wieder mit dem Hauptſtrome
vereinigt und mit dieſem gemeinſam den unter 2. beſchriebenen Weg weiter verfolgt.
4. Der Voltabogen nimmt durch Abbrennen der Kohlen an Länge zu, und vergrößert
hierdurch den Widerſtand im Hauptſtromkreiſe (2.). Der Strom im Nebenſchluſſe (3.) gewinnt
an Stärke und wird endlich kräftig genug, um den Eiſenkern E1 durch die Nebenſpule N
abermals anzuziehen, ſomit die Kohlen wieder einander zu nähern. Dadurch iſt aber der
Stromlauf 3. für das regelmäßige Brennen der Lampe wieder hergeſtellt.
5. Es erübrigt nun noch den Stromlauf zu betrachten für den Fall, daß die Kohlen
zu Ende ſind. Für dieſen Fall iſt der Lampe die Einrichtung gegeben, daß dann eine Gleitrolle
des Kernes E2 auf eine iſolirte Stelle (ein Stück Elfenbein) der iſolirten Gleitſchiene kommt,
und dadurch dem Hauptſtrome nachſtehender Weg angewieſen wird: Von + P durch den
Lampenkörper, die beiden Kohlen K1 K2 nach g, durch den Eiſenwiderſtand e nach o, dann
durch die Spule H und die Leitung L zum — P; der Nebenſtrom geht von a aus durch
die dicken Drähte a b der Spule N über c und d nach f und durch den Neuſilberwiderſtand
n zur negativen Polklemme; er kann den Contact c d durchlaufen, da dieſer durch Aufhebung
des Stromes im Contactmagnete C wieder geſchloſſen iſt.
*)
Die Beſchreibungen hier nicht behandelter Lampen findet man in: „Das elektriſche
Licht“, Hartleben’s „Elektro-techn. Bibl.“, Bd. III, vom Verfaſſer vorliegenden Werkes. Dem
genannten Buche ſind auch die Beſchreibungen der Lampen zum Theile entnommen.
*)
Die hieraus reſultirende ſchädliche Einwirkung des Gaslichtes auf die Luft in
geſchloſſenen Räumen ergiebt ſich auch aus nachſtehendem Beiſpiele: ſechs elektriſche Lampen
erzeugen durch Verbrennen ihrer Kohlenſtäbe 2 bis 3 Kubikfuß Kohlenſäure, Gasflammen von
derſelben Lichtintenſität circa 1500 Kubikfuß. Zur Herbeiſchaffung des hierzu nothwendigen,
Sauerſtoffes und Erhaltung einer halbwegs erträglichen Temperatur müßten in dieſem Falle
beiläufig 25.000 Kubikfuß friſcher Luft per Minute herbeigeſchafft werden.
**)
Siehe Anmerkung, Seite 229.
***)
Die Verbrennungsgaſe werden bei den Siemens’ſchen Regenerativbrennern abgeleitet.
*)
Es ſollen nämlich 10 Dampfdynamos aufgeſtellt werden.
*)
Die Stellen unter Anführungszeichen ſind einem Vortrage entlehnt, welchen Fr. v.
Hefner-Alteneck gehalten hat und dem es zu wünſchen wäre, daß er auch anderwärts als
in Fachkreiſen bekannt würde („Elektrotechniſche Zeitſchrift“, V. Jahrg. 1884).
*)
Dr. Aſch zu Oxford beobachtete 1795, daß beim Eintauchen von Silber- und
Zinkplatten letztere ſich Oxydirt, und zwar durch Aufnahme von Sauerſtoff aus dem Waſſer.
Humboldt wiederholte dieſen Verſuch und ſah, während die Oxydation des Zinkes vor ſich
ging, an Silber Gasblaſen aufſteigen, in welchen er Waſſerſtoff erkannte.
**)
Das für die Erfindung gewöhnlich angegebene Datum Juni 1839 gründet ſich auf
einen Brief, welchen Jacobi um dieſe Zeit an Faraday richtete und in welchem er ſeine Methode
ziemlich ausführlich auseinanderſetzte.
*)
Körper hydrogeniren heißt, ihnen derart Waſſerſtoff zuführen, daß dieſer an der
Zuſammenſetzung des Körpers Antheil nimmt.
*)
Die Erfahrung lehrte nämlich, daß ſich zwei Körper viel leichter verbinden, wenn
einer derſelben oder auch beide eben aus einer Verbindung abgeſchieden werden, alſo aus
dieſer entſtehen.
*)
Es dürfte hier am Platze ſein, Nachſtehendes zu bemerken: J. Popper in Wien
ſtellte an die k. Akademie der Wiſſenſchaften daſelbſt im Jahre 1882 das Anſuchen, es möge
eine von ihm bei der genannten Körperſchaft im Jahre 1862 deponirte, verſiegelte Notiz
eröffnet und publicirt werden. Das verſiegelte Schreiben trägt die Ueberſchrift: „Ueber die
Benützung der Naturkräfte“; hierin heißt es unter Anderem: Der beſte Vermittler zur Ueber-
tragung der Kräfte, alſo gewiſſermaßen die vortheilhafteſte Zwiſchenmaſchine zwiſchen einem
Motor und einer Arbeitsmaſchine, iſt die ſtrömende Elektricität; unter Arbeit (an der Arbeits-
maſchine) iſt ſowohl elektriſche, als mechaniſche, als auch chemiſche verſtanden. Naturmotoren, wie
Ebbe und Fluth, heftige Winde in öden Gegenden, Waſſerfälle in den Tiefen der Gebirge u. ſ. w.
können auf dieſe Weiſe aus fernen Orten in die Gebiete der Civiliſation, in die Umgebung
der paſſenden, zugehörigen Nebenumſtände geleitet werden, die Kraft eines fließenden Waſſers
und überhaupt jeder vielleicht thatſächlich verwerthete Motor kann den für den induſtriellen,
nationalökonomiſchen Zweck entſprechenderen Bedingungen zugeführt, alſo in ſeinem Werthe
vervielfacht werden. In Kurzem, jedes induſtrielle oder ähnliche Unternehmen könnte in Zukunft
auf ein ungefähres Moximum der Verwerthung, Rentabilität gebracht werden. Unſere techniſch-
chemiſchen Proceſſe können daher durch mechaniſche hervorgebracht werden, auf directem und
indirectem Wege, unter vollſtändiger oder theilweiſer Benützung der Umwandlung. Dies Alles
iſt aber zu bewerkſtelligen, wenn der Motor, z. B. der Waſſerfall, eine paſſend aufgeſtellte
magnetelektriſche Maſchine bewegt, der hierdurch entſtehende galvaniſche Strom in einer Art
Telegraphenleitung über Berg und Thal geleitet und am gewünſchten Orte mittelſt einer
magnetelektriſchen Maſchine zu mechaniſcher und unmittelbar zu chemiſcher Arbeit — alſo zur
Elektrolyſe im Großen — verwendet wird.
*)
Bei der experimentellen Durchführung wegen Ueberwindung der Reibungswider-
ſtände ꝛc. natürlich nur annähernd.
*)
Ein erheblicher Arbeitsverluſt entſteht auch durch das Auftreten der Foucault’ſchen
Ströme, die ſich auch in Wärme umſetzen (Seite 450).
*)
Dieſe Angaben über ältere Vorſchläge zu elektriſchen Eiſenbahnen ſind der „Berliner
Elektrotechniſchen Zeitſchrift“ (1882) entnommen.
*)
Wir führen hiervon z. B. an: Thompſon: „Philipp Reis, Inventor of the Tele-
phon”, „La lumière électrique”
, t. VI, VII, X, XI, „Elektrotechniſche Zeitſchrift“, Bd. IV,
Uppenborn, „Zeitſchrift für angewandte Elektricität“, B. IV, „Zeitſchrift für Elektrotechnik“,
II, u. ſ. w.
*)
Letzterer iſt in Dr. F. J. Pisko, „Die neueren Apparate der Akuſtik“, Wien 1865,
abgebildet und ſehr ausführlich beſprochen; dieſes Werk enthält auch genaue Angaben der
Verſuchsreſultate, welche der Verfaſſer citirten Werkes mit dem Apparate erhalten hat. Fig. 638
iſt daraus entnommen.
*)
F. J. Pisko, „Die neueren Apparate der Akuſtik“, p. 241.
**)
Herr Regierungsrath Director F. J. Pisko hatte die Liebenswürdigkeit, mir dieſen
intereſſanten Brief zur Verfügung zu ſtellen. Den Inhalt des Briefes betreffend, muß hier
bemerkt werden, daß man damals meinte, eine Membrane müßte für verſchieden hohe Töne
durch Spannungsverſchiedenheit geſtimmt werden, und daß ſie gleichzeitig nicht alle Töne zu
geben vermöge. Hiernach konnte in der That nicht erwartet werden, daß ohne Accommodations-
vorrichtung an einer Membrane dieſe alle Töne eines Klanges aufzunehmen und wieder-
zugeben vermöge. Die Praxis hat hier die Theorie überholt.
*)
Verfaſſer vorliegenden Werkes, damals Aſſiſtent für Phyſik an der Wiener techniſchen
Hochſchule, hatte im December desſelben Jahres Gelegenheit, mit einer größeren Anzahl von
Telephonen gemeinſchaftlich mit dem Ingenieur Herrn F. Niſſl zu experimentiren. Die
Verſuche, welche ſich nicht nur auf das Sprechen mit Einſchaltung größerer oder geringerer
Widerſtände in die Drahtleitung erſtreckten, ſondern auch auf Uebertragung von Muſik (Clavier,
Violine, Zither, Zither und Ocarina und vielſtimmige Chöre) ergaben ſo günſtige Reſultate,
daß wir uns entſchloſſen, dieſe Verſuche wiederholt öffentlich durchzuführen und ſo die erſten
Telephonconcerte
in Europa veranſtalteten.
Das Wiener „Fremdenblatt“ (vom 23. December 1877) ſchrieb über eines derſelben:
„Es war ein veritables telephoniſches Concert, welches geſtern im Polytechnicum ſtattfand,
und das Problem, ob Töne auf die weiteſten Diſtanzen zu Gehör gebracht werden können,
ſcheint beinahe gelöſt. Während in einem Saale des zweiten Stockes ſich ſechs (bei anderen
Verſuchen auch mehr) Perſonen einfanden, welche in die auf kurze Entfernung vorgehaltenen
Telephone ſangen, ſaßen in einem am entgegengeſetzten Ende eines langen Ganges ſich befin-
denden Zimmer 20 Herren vor einem Tiſche, an welchem ſich eben ſo viele Telephone befanden.
Die telephoniſche Leitung entſprach einem Widerſtande von 30 Meilen (Telegraphendraht).
Nachdem das Signal gegeben war, begannen die Productionen. Zuerſt ein einfaches Lied,
welches etwas ſchwach klang, und bei dem die Melodie auch nicht ganz zur Geltung gelangte.
Offenbar muß ſich das Ohr zuerſt an das Telephon gewöhnen. Dann kam ein Choral, bei
dem es ſchon etwas beſſer ging, nur blieb der Text noch unverſtändlich. Dann aber ſangen
ſie „Die Capelle“ mit einer Präciſion, einer Deutlichkeit, welche geradezu verblüffte und zu
lautem Beifall, der auch ſofort den Sängern telephoniſch mitgetheilt wurde, hinriß … An
das Vocalconcert ſchloſſen ſich einige Inſtrumentalproben, welche gleichfalls geradezu glänzend
verliefen; jede Note kam zur Geltung, die Töne wurden mit einer außerordentlichen Reinheit
telephonirt … Einen überraſchenden Effect machte zum Schluſſe ein Verſuch mit einem
großen Telephone, bei welchem ſogar die Nothwendigkeit entfiel, das Ohr an den Schallbecher
anzulegen. Die Töne waren in einer Diſtanz von drei bis vier Schritten noch vernehmbar.“
*)
Welcher Art die Schwingungen ſind, in welche die beiden Membranen gelangen,
kann hier nicht auseinandergeſetzt werden, und zwar umſo weniger, als die Meinungen hierüber
getheilt ſind. Wir verweiſen in Bezug hierauf auf die Specialwerke z. B. Th. du Moncel:
„Le Téléphon“.
*)
Es wird hin und wieder zwiſchen Batterietelephon und Mikrophon unterſchieden;
doch da beide auf demſelben von Hughes präciſirten (Seite 890) Principe beruhen, werden
ſie hier in einem Abſchnitte beſchrieben.
*)
„Bericht über die internationale elektriſche Ausſtellung“, Wien 1883, von Dipl.
Ing. F. Klein, p. 259.
*)
In welcher Art der Batterieſtrom das Klingelwerk in Bewegung ſetzt, iſt mit
Hilfe der Zeichnung leicht einzuſehen. Der Strom durchfließt die Drahtwindungen des
Elektromagnetes i' und fließt dann durch h' d' zur Erde ab. Hierdurch wird der Magnet
erregt und zieht den Anker m' an, welcher an dem bei h' befeſtigten Hebel ſitzt. Dieſer ſchlägt
dann mit dem an ſeinem freien Ende befeſtigten Knopfe an die Glocke g' an. Im ſelben
Momente wird aber der Stromſchluß unterbrochen, da der Hebel mit d' außer Contact kommt;
der Elektromagnet läßt daher den Anker m' los, der nun wieder in ſeine urſprüngliche Lage
zurück ſchwingt und den Contact bei d' neuerdings herſtellt, wodurch der Magnet abermals
erregt wird und den Knopf des Hebels wieder zum Anſchlagen an die Glocke veranlaßt
u. ſ. w., ſo lange der Taſter F in der Station A mit a in Berührung erhalten wird.
*)
C. Grahwinkel: „Lehrbuch der Telephonie“.
*)
c1 iſt nicht gezahnt, weil von hier aus kein Strom hineingelangen kann.
*)
Vergl. Fig. 683, Seite 919: Man denke ſich die Linienleitung von der Station A
nicht mit der Station B verbunden, ſondern an A4 (Fig. 694) angeſchloſſen. Der Taſter T
(Fig. 683) wird niedergedrückt und hierdurch der Stromweg von der Batterie V über den
Taſter T, den Contact a, die Linie, den Indicator A4 (Fig. 694) die Schiene 4 IV und
durch E zur Erde hergeſtellt.
*)
Eine eingehendere Beſchreibung der Conſtructionsdetails, ſowie überhaupt einiger
anderer Generalumſchalter, welche auf der Wiener elektriſchen Ausſtellung zu ſehen waren,
findet man in dipl. Ing. F. Klein’s Ausſtellungsbericht: „Die Telephonie von Prof. Dr.
F. J. Pisko“.
*)
In der Beſchreibung der deutſchen Fernſprechämter folgen wir im Weſentlichen dem
vorzüglichen Lehrbuche der Telephonie von C. Grahwinkel.
*)
In jüngſter Zeit werden jedoch, wie Poſtrath Oeſterreich mittheilt, die Klappen-
ſchränke bedeutend ſchmäler gebaut, indem man 10 Klappenreihen zu 5 Klappen übereinander
anordnet und die 25 Bohrungen an jeder Seite des Schrankes ganz wegläßt. Um nun doch
ſtets einen Elektromagnet ausſchalten zu können, wurde einerſeits die Stromführung zum
Indicator abgeändert, andererſeits jede Leitungsſchnur mit zwei voneinander verſchiedenen
Stöpſeln verſehen. Einer derſelben behält nämlich ſeine urſprüngliche Einrichtung, d. h. er
beſteht auch in dem Stücke r b (Fig. 696) aus iſolirendem Materiale (Hartgummi), während
der Stöpſel am entgegengeſetzten Ende der Leitungsſchnur in dem Theile r b aus Meſſing
beſteht, welches mit s leitend verbunden iſt. Die Aenderung in der Stromführung läßt ſich
durch eine Vergleichung des Querſchnittes in Fig. 698 mit jenem in 699 erkennen. Während
nämlich bei der neueren Einrichtung die Klemme A1 (Fig. 699), d. h. jene Klemme auf der
Oberkante des Klappenſchrankes, an welche die Linienleitung des Abonnenten A angeſchloſſen
iſt, ſowohl mit der zugehörigen Bohrung als auch mit dem Elektromagnete E in Verbindung
ſteht, iſt dieſe Klemme bei der älteren Einrichtung mit der Klinke eines ſeitlichen Bohrloches
verbunden und erſt von hier aus die Leitung über y m (Fig. 698) zum Elektromagnete E
geführt. Wie dieſe neue Einrichtung wirkt, ergiebt ſich aus obiger Beſprechung der Schaltung
mit Hilfe der Fig. 699. Die Wirkungsweiſe der neuen Einrichtung wird bei Fig. 700
beſprochen.
*)
„Elektrotechniſche Zeitſchrift“, Bd. III, p. 244.
*)
Die Angaben hierüber ſind F. J. Pisko’s bereits citirtem Ausſtellungsberichte
entnommen.
*)
Dieſes Compenſationsverfahren iſt im Philosophical Magazine 1879 und anderen
Zeitſchriften beſchrieben; eine kurze Zuſammenfaſſung der Verſuche findet man auch in
Th. du Moncel: „Le Mikrophone, le radiophone et le phonographe”.
*)
„Die Entſtehung der galvaniſchen und elektromagnetiſchen Telegraphie.“
*)
Nach E. Hoppe, Geſchichte der Elektricität.
*)
K. E. Zetſche, „Geſchichte der elektriſchen Telegraphie“.
*)
John Redman Coxe in Philadelphia machte im Jahre 1810 den Vorſchlag, die
zerſetzende Wirkung des galvaniſchen Stromes auf verſchiedene Metallſalze zum Telegraphiren
zu benützen. (Zetſche, Geſch. d. Telegraphie.)
*)
In Amerika wurde die Figur in neuerer Zeit derart gefälſcht, daß man von den
letzten 7 Zacken zwei abſchnitt und ſo das Jahr 1835 aus 1837 machte.
*)
Ausführlichere Angaben in Bezug auf die Geſchichte der Kabellegungen findet man
in den großen Werken von Schellen und Zetſche.
*)
Hartleben’s „Elektro-techniſche Bibliothek“, XXVI.
*)
Wenn wir uns alſo zur Verdeutlichung des oben Geſagten Brabender’s Schreibhebel
(Fig. 764) anſehen, haben wir uns das Rädchen an dem Ende i um eine horizontale Axe
drehbar befeſtigt zu denken.
*)
Die erſte Taſte führt den Namen Buchſtabenblanktaſte und die fünfte den
Namen Zahlenblanktaſte; durch ſie wird die Einſtellung des Correctionsrades zum Typen-
rade entweder für Buchſtaben- oder für Zahlendruck bewerkſtelligt; die Blanktaſten dienen
auch zur Hervorbringung der kleinen trennenden Zwiſchenräume in der Druckſchrift.
*)
Dieſer Beſchreibung fügen wir hier noch die Abbildung eines Weckers mit Selbſt-
unterbrechung (in Fig. 776) bei. Der Strom tritt bei der Klemme a ein, durchfließt die
Drahtwindungen des Elektromagnetes M M, gelangt dann zur Klemmſchraube d, in die
Feder f, welche den Anker A trägt, und von hier durch den Contactſtift c zur zweiten Pol-
klemme b. Der Anker wird durch den Magnet angezogen und der Arm B ſchlägt mit ſeinem
Klöppel K gegen die Glocke G. Hierdurch wird aber der Stromkreis zwiſchen dem Contact-
ſtifte c und der Feder f unterbrochen; der Anker geht in ſeine Ruhelage zurück und ſchließt
dadurch den Stromkreis neuerdings, u. ſ. w.
*)
Ausführlich behandelt iſt dieſer nebſt anderen M[u]ltiplex-Apparaten in A. E. Gran-
feld
: „Die Mehrfach-Telegraphie“.
*)
Kurze Kabellinien, bei welchen die gewöhnlichen Apparate oder dieſe unter Anwen-
dung gewiſſer Mittel verwendet werden können und ebenſo Erdkabel, welche man durch Ein-
ſchaltung von Uebertragungs-Apparaten in kürzere Strecken zerlegen kann, werden im Obigen
nicht berückſichtigt.
*)
Vergleiche auch Seite 725 u. f.
*)
Die Wahl desſelben iſt durch die Temperatur beſtimmt, bei welcher man das
Fungiren des Apparates verlangt. So würde z. B. Kupfer bei 1090°, Cadmium bei 500°,
Blei bei 334°, Schwefel bei 115°, Stearinſäure bei 70°, Talg bei 40° C. u. ſ. w. ſchmelzen.
*)
L. Kohlfürſt, Die elektriſchen Einrichtungen der Eiſenbahnen.

Dieses Werk ist gemeinfrei.