EinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Peter Altenberg
Märchen des Lebens

[9] Einst

Ich ging heute, 3 Uhr nachmittags, bei hellem Frühlingssonnenschein, 3. Mai 1907, auf der »Freiung« an einem Manne vorüber, der mich freundlich grüßte und ich, ich grüßte ihn höflich zurück – – –. Es war der Professor an der Universität für Augenheilkunde K. Ich liebte ihn einst fanatisch, er war 5 Jahre lang mein Hofmeister gewesen. Seitdem ist er grau geworden, Frau und Töchterchen sind ihm gestorben. Wenn wir so aneinander vorübergehen, höflich grüßend, ist es wie ein Rätsel, wohin die Dinge der Seele entschwinden!?! Ich glaube nicht, daß er Frau und Tochter lieber hatte wie einst mich, seinen Schüler. Und ich selbst hatte bestimmt nie, nie, nie einen Menschen lieber als ihn, den gütigen verständnisvollen Hofmeister. Ich schenkte ihm die Zärtlichkeit meiner Seele und er wußte sie mehr zu achten als später jene vielen Frauen, die mich schmählich verraten haben! Er wußte es, daß ich seine Güte, sein Verständnis für mich mit unendlicher Liebe vergälte, und wenn ich ihn niemals kränken hatte können, so war es deshalb, weil es eine Gemeinheit gewesen wäre aller seiner edlen Rücksicht gegenüber!

Meine Schwester, die rotgoldene Schönheit, hatte ihn auch sehr lieb, obzwar sie erst 13 Jahre alt war. Er behandelte sie mit ungeheurem Respekte. Viele fanden es übertrieben und unnatürlich, nur ich nicht. Ich gönnte ihm meine geliebte Schwester. Später heiratete er reich und die Fäden der Seele wurden abgeschnitten. Was hat er, was habe ich seitdem erlebt, erlitten?!? Nun traf ich ihn, 3. Mai 1907, [9] im Frühlingssonnenscheine, auf der »Freiung«; er grüßte freundlich, ich erwiderte den Gruß höflichverlegen. Und dennoch bin ich einst fanatisch an dir gehangen, geliebter Hofmeister. Wohin entschwindet ihr, Dinge der Seele?!?

Mein exzeptionell geliebter Schmetterling war während meiner ganzen Kindheit der Apollofalter; ich kannte alle Nuancen seiner Färbungen. Die grellroten Ringelein und die grellgelben und die glasartig durchscheinenden Flügel. Mein geliebter Hofmeister und ich gingen auf Bergwiesen auf die Jagd nach Apollofaltern. Er sagte gemessen: »Nun, dieses ist ein wahres Prachtexemplar – – –.« Ich war wie berauscht von dem Fange. Andere müssen erst ein Nilpferd schießen oder einen uralten Elefanten im Kongolande, der alle Kniffe kennt des kühnen Erlegers. Aber ich erlegte bereits als Kind in der Sonnenglut ein seltenes Prachtexemplar von einem Apollofalter. Mein Hofmeister nahm an meinem Glücke lebhaft teil. Er sagte: »Wir bringen heute eine seltene Jagdbeute – – –«. Und meine wunderschöne Schwester von 13 Jahren sagte: »Gewiß haben Sie ihm den schönen Schmetterling verschafft, lieber Herr Hofmeister – – –«. Und der Hofmeister erwiderte: »Nein, er saß im ausgetrockneten Bachbette auf einer Hollunderstaude, Peter hat sich geschickt angeschlichen wie ein Indianer auf dem Kriegspfade – – –«. Ich hatte eine Sammlung von 300 Stück Apollofaltern, aber ein jeder war für mich Kenner ein von allen anderen grundverschiedenes Exemplar. Wo seid ihr, Zeiten der Liebe zu Hofmeister und Apollofalter?!

[10]
Die GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Die Glücklichsten

Die Glücklichsten sind die Schwäne am Gmundner See. Sie genießen alle Vorteile der Zivilisation, der noblen Protektion durch die Menschen, und alle Vorteile der Freiheit, indem sie an den schilfbewachsenen Ufern eines zwölf Kilometer langen Sees wohnen! Im Winter wird ihnen von der Gemeinde aus Futter gestreut, im Herbste fliegen sie über den See mit tönendem singendem Flügelschlage, ihre Verstecke werden geschont und ihre Jungen mit Respekt behandelt. Sie gelten als Zierde der Landschaft und ohne irgend jemandem etwas Gutes zu erweisen, befinden sie sich von selbst in der Huld aller. Nie werden sie verfolgt, geschossen und gebraten und ein jeder sagt, sie hätten übrigens ein schrecklich zähes ungenießbares Fleisch. Auf die Schwanendaunen wird sogar verzichtet im Interesse der landschaftlichen Staffage, der sie redlich dienen, von selber und ohne Verdienst. Sie sind die »Lieblinge des Publikums«, und ihre Daunen schwimmen wie Sommerschneeflocken unbenützt auf dem Seespiegel. Nur einmal wurde einer vom Jägerburschen erschossen, weil er schrecklich aggressiv gegen ein kleines Boot und seine zu Tode erschreckten Insassen, junge Damen, vorging, mit Flügelschlägen, weil man sein Weib und fünf hellgraue Junge gestört und angefahren hatte mit Kiel und Rudern, wenn auch unabsichtlich. Aber auch dieser starb damals in höchster leidenschaftlicher Erregung, für sein Geliebtestes kämpfend, den edlen, beneidenswerten Heldentod, während einer Ekstase, in der [11] man keine körperlichen Schmerzen wahrscheinlich spürt!

Ein Glücklichster ist noch der wunderbare riesige Schimmel »Ali Baba«, Deckhengst in dem berühmten Gestüt Kladrup. Alle seine Lebensenergien werden liebevollst gehegt und gepflegt, daß er sie bewahre für seine herrlichen Geliebten, die berühmten Stuten.. Um ihn herum in der Welt werden täglich Milliarden von Tieren malträtiert, gefoltert, sei es zu diesem, sei es zu jenem Zwecke, geschlachtet, kastriert, dickgefüttert auf Mästung zwangsweise, für Leberentartung künstlich präpariert! Aber er, der Schimmelhengst wird gepflegt und gehegt, und als Belohnung für Dienste, die nur Freuden waren, erhält er ein reichliches Gnadenbrot in seinen schwachen Tagen.

Ein anderer Glücklichster ist noch Beethoven. Taub für die Niederträchtigkeiten seiner Nebenmenschen, ließ er die »Symphonie der Welt« in sich ungestört ertönen.. Stundenlang fischte er leidenschaftlich in Nußdorf an der Donau, war glücklich, wenn ein ungenießbarer Fisch endlich nach Stunden anbiß. Alle hielten ihn für einen verrückten Dichter, grüßten ihn aber ehrfurchtsvoll. Niemand störte ihn, er klagte sich aus in Adagios, tobte sich aus in vierten Sätzen, lächelte wehmütig über sich selbst und die Erde in Scherzos. Er fühlte sich als Geber und Spender, als Vermehrer und Entwickler, trotzdem er selbst davon nichts wußte direkt und an die Donau fischen ging.

Dann sind noch zu den Glücklichsten zu zählen die Otterhunde, welche in Rudeln reiche Züchter [12] in England loslassen gegen die Fischottern in Bächen und deren Erdhöhlen und Felsenhöhlen am Ufer. Sie hassen die Fischotter pathologisch, fürchten nicht den Tod durch ihre Rasiermesserzähne. Sie haben einen krankhaften Haß gegen die Fischottern, die ihnen nie, nie etwas Böses angetan haben. Aber wenn man sie losläßt gegen sie, sind sie glücklich! Unter deren spitzigen unerbittlichen Zähnen verenden, ist Wollust! Wozu hat man denn seine Kräfte, als um sie im Fischotterhasse zu verbrauchen?!? Die Fischotterhunde sind daher auch wirklich Glückliche! Sie kennen nur Haß und Leidenschaft. Und ein solcher Hund blickt ebenso traurig, wenn die Fischotter entwischt ist, als ein Adagio Beethovens ertönt. Sie träumen Tag und Nacht vom Fischottertode. Sie sind groß, haben ein wüstes stichelhaariges Fell und Augen, in welchen eine unerbittliche mysteriöse grausame Mission funkelt, der Fischottertod! Auch diese Organisationen sind wirklich Glückliche!

Aber diese anderen, auf dem Prokrustesbett des Lebens verkrüppelt zum Bedürfnis des Tages, sind nicht eine Stunde lang glücklich, sondern sterben dahin im Dienste, wehmütig wenn auch unbewußt trauernd um ihre zurückgedämmte Natur!

[13]
Die Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Die Donauinsel »Gänsehäufel«,
Strandbad bei Wien

Die Luft ist vollkommen staubfrei, die Wasserfläche ist wie ein weiter See. Die Insel besteht aus Weiden und Donausand. Es ist ein Labyrinth von Weiden, ein Urwald, ein Riesengeflechtwerk. Schützet diese Insel wie ein Lebensheiligtum, das Lebensenergien zubringt dem Leib des armen Städters! In der Praterstraße ist noch das Gift der Großstadt, und eine Viertelstunde später kannst du dich reinbaden von allen Schädlichkeiten! Aus dem Gewirre von kühlen Weiden blickt die Natur dich liebevoll an, trägt dir ihre Regenerationskräfte an, ohne dich zu zwingen! Wie eine heilige Insel ist es der physiologischen Wahrhaftigkeiten, ein moderner Jungbrunnen aus dem alten Märchen! Die malträtierte halberstickte Haut trinkt nun hier mit ihren Milliarden Poren Licht und Luft in sich hinein, sucht alle Sünden emsig auszugleichen, während die Seele, angeregt durch Gottes Frieden, mittut und die Sorge wegschafft, die Hemmungen erzeugt und Trägheiten! Das Auge atmet die Landschaft ein und das Ohr rastet in der weiten Stille von den schrecklichen Geräuschen der Stadt! Möwen fliegen in der reinen Luft, Wasserpflanzen dunkeln aus dem Wasser herauf. Mögen die Menschen mit Achtung diese Insel behandeln, eigentlich sogar bereits mit Andacht! Möge nicht der Übermut, und komme er auch natürlich aus überschüssigen Lebenskräften heraus, dieses Paradies der Ursprünglichkeit stören, das die Stadt Wien seinen müden Kindern erschlossen hat!

[14] Wasser, reiner Donausand und reine Luft sollen uns vom Innersten heraus Gott näher bringen. Die Zeiten sind schwer, die Körper und die Seelen sind, ohne daß sie es selbst genau wissen, übermüdet und verbittert, gleichsam unbewußt zänkisch und launenhaft, den Ungerechtigkeiten zugänglich in ihrer reizbaren Schwäche! So möge die Natur Frieden bringen und Ordnung! Diese Donauinsel »Gänsehäufel« sei ein respektierter Ort, ein Wallfahrtsort für sündige Leiber. Und wer, wer sündigte nicht hienieden?!

[15]
GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Gesundheit

Ich habe zu viel »überschüssige Lebensenergien« – – –. Wohin damit?! Daß sie sich naturgemäß aufbrauchten?!

Das Leben stellt mir ja doch nur »Fallgruben«, in die ich zuletzt hineinstürze, meine Kräfte verbrauche, um wieder herauszukommen – – –! Zum Beispiel Frauen, die man zärtlich lieb hat!

Man müßte »haushalten« mit seinen überschüssigen Lebenskräften, ohne zu geizen! Man müßte seine edlen Kräfte »krankhaft ängstlich« bewachen, was man leider aber erst kann, bis man wirklich »krank« ist. Bis dahin vergeudet man! Der Gesunde vergeudet; denn er wird durch nichts gemahnt! Erst der Kranke wird weise sparsam, nachdem es ihm nichts mehr nützt zu sparen, da er total verarmt ist! Als Gesunder die Weisheit des Erkrankten haben, da könnte man in die Sterne wachsen!

Aber das hat niemand mit Bewußtsein.

Unbewußt haben es die wenigen Lebensenergiegenies, die von selbst über 100 Jahre alt werden und im Lehnstuhle hinüberschlummern – – –. Wie haben sie gelebt?!? Jedenfalls sparsam bei einem Großkapitale an Lebensenergien. Es gibt keine »hygienischen Wunder«, die man nicht mathematisch berechnen könnte! Es sind immer Einnahmen und Ausgaben!

Gesundheit ist eine »Gnade des Himmels«.

Man muß sich ihrer wert erweisen durch die Weisheit seiner Lebensführung. Man muß [16] sie betrachten, achten und schätzen am eigenen Leibe, wie der monomane Sammler seinen echten »Rembrandt« achtet!

Leichtsinn ist Satans Fluch der Gesunden! Des Himmels Gnadengeschenk »Gesundheit« will verdient sein durch unendliche Opfer!

Bringe sie, Mensch, freudigen Herzens; Gottes Gnade ist unerschöpflich für die, die sich beherrschen!

[17]
Sommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Sommer 1906

Eine junge Dame, für die ich eine zärtliche Freundschaft empfand, hatte eine besondere Vorliebe für schönes edles Schuhwerk an Männerfüßen. Besonders ein sehr eleganter Mann hatte es ihr diesbezüglich angetan mit seiner idealen Chaussüre. Ich selbst trug Schuhe, die ich seit drei Jahren täglich trug, dreimal bereits gesohlt und überhaupt schrecklich. Ich bemerkte an dem süßen Fräulein die herbe Enttäuschung. Ein Dichter mit solchen Schuhen, pfui!

Da arrangierte ich es eines heißen Nachmittags, daß alle nahe dem flachen Ufer in den lauen Seesand barfuß aus dem Boote stiegen. Ja, ich setzte mich eigentümlich eindringlich dafür ein. Das süße Fräulein blickte mich an.

Spät abends, im Hotel, beim Abschiednehmen, sagte sie zu mir: »Verzeihen Sie es mir, P.A., Sie haben mir eine Lektion erteilt. Ich danke Ihnen.«

Ich küßte ihr stumm die Hand. Moral: Ein schöner Fuß ist schöner als ein schöner Schuh.

[18]
Die traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Die traurige Bürgerliche

Ich sagte zu Fräulein K.: »Frauen verstehen es zu wenig, ihre brachliegenden Seelenkräfte einfach für Tierattachements zu verwenden, die überschüssigen inneren Liebesfähigkeiten an edlen Hündchen oder Vögelchen ausleben zu lassen!«

Sogleich kamen ihr Tränen in die Augen.

»Nie kann es auf Erden eine zärtlichere Beziehung gegeben haben als zwischen mir und meinem Kanarienvogel. Sechs Jahre lang war es eine unerschöpfliche Zärtlichkeit, Sehnsucht und Beglückung. Er war nicht wie ein Mensch – – – denn Menschen sind nicht so! Alles an ihm war jauchzende Freundschaft und der Süßeste überbot sich in Beweisen und Beweisen seiner allerzartesten Zuneigung. Er konnte sich nie genug leisten, überpurzelte sich in Liebesbeweisen. Bei den Mahlzeiten lag er am Fußboden auf dem Saum meines Kleides, am Rücken, um ununterbrochen zu mir aufschauen zu können. Ich blickte hinab während des Essens, immer sah ich sein treues Auge auf mich gerichtet. Eines Abends, beim Nachtmahle, wollte mir meine Mutter rasch etwas ins Ohr flüstern, näherte sich meinem Sitze und zertrat ihn – – –.«

Pause.

»Ich werde nie heiraten«, sagte sie dann sanft.

[19]
XIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

XIX. Austellung der »Secession«, Wien

Ferdinand Hodler in Genf, mit kalter Kraft, mit der Poesie des weisen und kühlen Endgereiften gibst du Natur und Menschen wieder! Voll Tiefe und Einfachheit bist du!

Wie ein alter Holzfäller im Gebirge, wie einer der berühmten Tiroler Bergführer kommst du mir vor als Maler! In ernster schweigsamer Kraft dich betätigend, wortekarg, aber nahe der Natur mit ihren schweigsamen Tiefen!

Keusch und unverbraucht!

Wie wenn jemand die Flitter des Kulturtages nie zu überwinden gehabt hätte, weil er von vornherein gepanzert war mit Ernst und Würde und gleichsam von Geburt aus in anderen Regionen atmete! Sauerstoffreich! Das wunderbarste Bild ist für mich Nummer 20: Der Tag.

Seinen Weg geht Ferdinand Hodler schnurgerade, dem Schicksale seiner Organisation blindlings, ohne Zaudern, wie einem heiligen Gebote folgend, sicher geleitet von seiner ungeheuren Kraft in ihm, ein starker einfacher Wanderer auf Gipfeln! Rundum blickend, aber von oben – herab!

[20]
MusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Musik
I. Grammophonplatte

(Deutsche Grammophonaktiengesellschaft.)

C 2–42 531. Die Forelle von Schubert.

In Musik umgesetztes Gebirgswässerlein, kristallklar zwischen Felsen und Fichten murmelnd. Die Forelle, ein entzückendes Raubtier, hellgrau, rot punktiert, auf Beute lauernd, stehend, fließend, vorschießend, hinab, hinauf, verschwindend. Anmutige Mordgier!

Die Begleitung auf dem Klavier ist süßes sanftes eintöniges Wassergurgeln von Berggewässer, tief und dunkelgrün. Das reale Leben ist nicht mehr vorhanden. Man spürt das Märchen der Natur!

In Gmunden wußte ich es, daß täglich in den Nachmittagsstunden eine Dame in dem Laden des Uhrmachers die Grammophonplatte C 2 – 42531 zwei- bis dreimal spielen ließ. Sie saß auf einem Taburett, ich stand ganz nahe beim Apparate.

Wir sprachen niemals miteinander.

Sie wartete dann später immer mit dem Konzerte, bis ich erschien.

Eines Tages bezahlte sie das Stück dreimal, wollte sich dann entfernen. Da bezahlte ich es ein viertes Mal. Sie blieb an der Türe stehen, hörte es mit an bis zu Ende.

Grammophonplatte C 2 – 42 531, Schubert, Die Forelle.

Eines Tages kam sie nicht mehr.

Wie ein Geschenk von ihr blieb mir nun das Lied zurück.

[21] Der Herbst kam und die Esplanade wurde licht von gelben spärlichen Blättern.

Da wurde denn auch das Grammophon im Uhrmacherladen eingestellt, weil es sich nicht mehr rentierte.

II. Märsche

Es gibt drei Märsche, die in Musik umgewandelte Todeskühnheit und Blutdunst sind:

Lorrainemarsch (Louis Ganne).

Sternenbannermarsch (Susa).

Einzug der Gladiatoren (Fuzek).

Sie müssen mit einer kurzen und schrecklichen Entschlossenheit gespielt werden!

Der Kapellmeister werde da zum unerbittlichen Feldherrn selbst und die Instrumente mögen direkt in den Tod gehn!

Besonders kleine Trommel und Klarinette seien Helden! Sterben fürs Vaterland! Ex!

Man muß die Bataillone gleichsam sehen, die den Selbsterhaltungstrieb hinter sich zurücklassen!

Vor, vor, vor!

Eine schreckliche Krankheit hat das Gehirn, das Nervensystem ergriffen: »Du oder ich, Hund!«

Sonst nichts!

Besonders der Lorrainemarsch von Ganne, ein Extrakt von Revanchefanatismus!

Im Sternenbannermarsch geht Amerika freudig in den Tod!

Der Einzug der Gladiatoren in die Arena ist in Musik gesetztes Schicksal von Todesmutigen!

[22] Wirble, kleine, flache Trommel, daß die Trommelfelle der Hörer bersten, kreische, Klarinette, wie schwangere Frauen in Angstgeburten, und du, Baß, murmle dumpf und verhängnisvoll, wie griechischer Chor zu tragischen Ereignissen!

Du aber, Kapellmeisterfeldherr, sei unerbittlich, furchtbar und entschlossen!!

[23]
Die DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Die Dichterin

Er glaubte es gar nicht, daß sie die wirkliche Seelenneigung zu ihm habe. Er hielt es zum Teil für Frauenromantik, um Situationen zu schaffen, die außerhalb der Algebra des Irdischen sich befänden – – – das Unerwartete, Unausrechenbare! Sie mache einfach aus ihm eigenwillig ein Ideal!

Nach Jahren mannigfachen Schicksals machte sie nun Gedichte ihrer Erlebnisse. Alle waren mäßig. Nur die, die sich auf ihn bezogen, waren genial, aus Tiefen, die sonst nicht vorhanden waren. So Kernschüsse der Seele.

Da fühlte er: »Sie hat mich also doch geliebt!« Und er schrieb ihr das nach vielen Tagen.

Sie antwortete: »Nein, ich habe Dich nie geliebt, habe anderen hingegen mich leidenschaftlich angeschlossen. Aber in Dir, siehe, war ein Atom von dem vorhanden, was meinem eigentlichen, nie realisierbaren Ideale entsprochen hat, vielleicht Deine unbeschreiblich schönen Hände, die Anmut Deines Gehens, Dein Auge voll Güte und zugleich voll zarten Geistes. Dich habe ich nie geliebt, aber Du brachtest mir in einem Nichts ein Bruchstück jenes Ideales, das nicht ist und das nicht kommen wird! Nicht an Dich sind diese Gedichte gerichtet, sondern an mein Phantom, von dem Du nur einen Blutstropfen, aber eben doch einen, in Dir birgst! Ein Teilchen des Unerfüllbaren warst Du mir!

Deshalb sind es meine besten Gedichte – – –.«

[24]
PreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Preisklettern

Ich möchte diese Begebenheit aus meiner Jugendzeit, ich war damals 22 Jahre alt, nicht mitteilen, um etwas Besonderes anzuführen, sondern weil sie eine Art von Lebensweisheit enthält, die ich in meinem Leben einige Male erprobt habe, und die theoretisch mein Evangelium des Lebens enthält, fast für alle Angelegenheiten desselben. Ich kam als Großstädter im Oktober in das Gebirgsdorf R. in Niederösterreich. Eines Tages sagte die junge Wirtin zu mir: »Heute nachmittag ist das Preisersteigen eines hohen Hügels für die Bergführer und Holzknechte der ganzen Umgegend. Steigen Sie zum Spaße mit, es wird die Leute freuen – – –.« Wir fuhren zwei Stunden weit hinaus bis an einen steilen grasbewachsenen Hügel, auf dessen Plateau der Preis, 20 Dukaten, deponiert war in einem Ledersäckchen an einer Stange. Ich kam oben an, nahm das Ledersäckchen und sah alle Konkurrenten weit entfernt vom Gipfel hinaufkeuchen. Woher kam es, daß der Stubenhocker, der Großstadtkrüppel alle besiegt hatte?!? Ich hatte ganz einfach jeden Morgen nach dem Aufstehen im Zimmer die tiefe Kniebeuge jahrelang geübt, so daß meine Muskeln und Gelenke für das Aufwärtsklettern viel besser eingeübt waren wie die der besten Bergsteiger. Denn ich hatte mit solcher Präzision und Raschheit diese tiefen Kniebeugen ausführen gelernt im Zimmer der Großstadt, daß ich tatsächlich nach übereinstimmender Aussage aller Zuschauer den steilen Hügel hinauflief, wie wenn es ebener Boden gewesen wäre.

[25] Sapienti sat! Redet euch nicht auf das Stadtleben aus und eure geistigen Berufe! In einer Konzipientenstube in dem Rotgäßchen könnte man Elastizitäten erhalten eines englischen Champions, wenn man genug Kultur hätte, seinen Körper zu achten! Wie wenn jemand sagte: »Ich habe nicht die Zeit dazu, meine Nägel blank zu halten, wie der Graf so und so – – –«. O ja, Zeit haben sie alle genug; aber innere Kultur haben sie zu wenig!

[26]
Mit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Mit aufgedeckten Karten

»Soll ich, Anna, als Tierbändiger mit dir verkehren, ununterbrochen mit dem durchdringenden Blick des Weisen, des Voraussichtigen, vor dem du ängstlich wirst und zaghaft?!? Oder wollen wir, zwei Menschen, Hand in Hand gehen?!?«

»Lasse mich zuerst deine weise Macht fühlen, Liebster, bis ich so weit bin; denn viel Barbarisches, Unerzogenes steckt noch jedenfalls in mir – – –!«

Und eines Tages sagte sie: »Ich bin gebändigt –. Gehen wir nun, zwei Menschen, Hand in Hand!«

Da bemerkte er die ersten Runzeln auf ihrem geliebten Antlitz und die Züge des Verfalles – – –.

[27]
Bei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Bei Buffalo Bill

Als sie 18 Jahre alt geworden war, fragte man sie einmal, weshalb sie denn allen ihren so netten Herren Hofmachern gegenüber sich so kühl und abweisend verhalte?!?

Da erwiderte die Wunderschöne: »Es war in meinem zehnten Lebensjahre. Da war ich mit meinem geliebten Papa und dem Herrn Dichter abends bei Buffalo Bill. Papa und der Dichter waren sehr lieb zu mir und ich befand mich in außergewöhnlicher Stimmung. Der weite Platz war erfüllt von Bogenlichtschimmer und Pistolenrauch und die amerikanischen Bläser schmetterten die raschen Märsche. Alles war besonders. Es dauerte fast drei Stunden, und Papa wollte vor der allerletzten Nummer bereits mit mir nach Hause gehen.« Da sagte der Dichter: »Elisabeth darf die drei tscherkessischen Reiter nicht versäumen – – –«. Und so blieben wir. Wie im Sturmwinde kamen sie herangefegt, stehend in den verkürzten Steigbügeln, die Arme weit ausgebreitet, nirgends ein Zügel, in unendlich freier und stolzer Art, wie schwebend auf fliegenden Pferden. Ich stand auf von meinem Sitz, ich ergriff Papa zitternd bei der Hand. Seitdem kann mir niemand mehr wirklich gefallen – – –.

[28]
Die Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Die Stätten unserer paradiesischen Kinderzeit
Pehoferalm auf der »Rax«

Wie oft, wunderbares Schwesterlein Gretl, süße edle 15 Jährige, übernachtetest du selig im einsamen Frieden der Pehoferalm! Dem Nachtsturm lauschend in Bergföhrenwipfeln!

Da alles, alles noch vor dir lag, das Leben mit geöffneten Toren, gabst du dich sorglos-träumerisch hin dem Glücke der Pehoferalm!

Jetzt, nach langen Jahren, öffnet sie dir ihre Schutzhütte, Schutzstätte – – –; weinend aber, gebrochen, meidest du nun ihren Frieden, den sie dir anbietet wie eh und jeh – – –.

Pürsthof am »Gahns«

Gretl, von dir allein unter allen Frauen spürte man es ganz deutlich, daß du die mysteriöse Pracht einer Berglandschaft ebenso lieb haben konntest wie einen geliebten Menschen!

Holzgatter beim Mieseltalsteig Schneeberg

Die Menschen sagen: »Das gehört dir und das gehörtmir – – –«. Sogar im Gebirge!

Österreichs Urwald Rax Nasskamm

Im Bergwald vermodern horizontal die Baumriesen, werden zu braunroter feuchter Erde. Weil [29] die Transportkosten den Wert des Holzes verschlängen. Aber aus ihrem rotbraunen Humus erstehen neue Bäume, die bereits vom »Genie des Verkehres« verwertet werden können. Aber die Erde wird dabei dürrer und dürrer – – –.

Schneeberg Waxriegel

Vom »Baumgartnerhaus« pilgerten wir Kinder hundertemal nachts den Zickzackweg hinan, dem Sonnenaufgang zu, unausgeschlafen, frierend. Kühe schliefen auf der dunklen Alm und das niedrige schwarze Zirbelgebüsch war wie ein verzauberter Zwergwald. Feuchter Sturm blies und rauschte und wir hofften nur inständig auf Licht und Wärme. Um 4 Uhr brach die Sonne durch das Wolkenmeer –.

Schneeberg Elisabetkirchlein

Zirbelgebüsch, wie kriechst du am Boden, nachgebend dem Bergsturm!?
Elisabeth, du standest aufrecht – – –. Da brach dich der Sturm!

Knofeleben Alm am Feuchter

Hier werden keine kleinen Kinder malträtiert, hier ersehnt niemand sich Reichtümer und Ehrenämter. Nur das getroffene Reh erhebt leise Anklage. Aus dem Rindenbrunnenrohre kommt Wasser mit fadem Geschmacke. Lebe du so, daß es dir dennoch besser mundete als Pommery!

[30] Vorfrühling am Schneeberg

Schneeflecken und weiße Steine sprenkeln die graugrüne Alm. Und zwischen 11 und 2 trinkt der Boden den Schnee, welchen die Sonne ihm schmilzt!

Schneeberg Rast am Wege

Jeder schöne Punkt des Weges ist ein Ziel! Aber die anderen wollen ganz oben hinauf gelangen, rastlos.

Am Wege rasten können, mit unerschöpfter Lunge, mit unerschöpftem Herzen, wäre mehr!

Einer jungen schönen Dame, die mir erklärte,
die Natur mache sie »Melancholisch«

Je näher du den Frieden der Natur erschaust, erlauschest, die selber wunschlos, selbstlos ihre Schönheit spendet, o Fraue, desto tiefer fühlst du deine eigene Selbstsucht, Härte und Friedlosigkeit, fliehest naturgemäß den Frieden der schönen Landschaft, der dichaburteilt!

Bobsleighrennen am Schneeberg

Winter – – –; gebannt in romantischen Melancholien Tag und Nacht lauscht ein Beethoven deiner stummen Pracht, Winter! Aber die anderen müssen sich bewegen, sich von außen wärmen, nahe Ziele, Zwecke suchen körperlicher Betätigung!

[31]

Bodenwiese am Gahns

Ohne »krankhaften Fanatismus«, erinnernd an das Heimweh der Nachtigall im Käfig, enträtselt sich dir nie die Schönheit der Welt! Hysterische Melancholie ist die beste Veranlagung, einer Landschaft gerecht zu werden!

Waldbänke beim »Talhof«

Des Abends kommt frischer duftender Waldwind von allen Hügeln und von allen Bergen. Nichts geht vor und dennoch ist man gerührt und ergriffen. Der Tag ruht aus vom Sonnenbrande. Eintagsfliege »Mensch«, Waldwind wird wehen von Hügeln und Bergen, von den Bergen und von den Hügeln immerdar – – –.

Baumgartnerhaus

Märchen des Lebens! Vom Mittagstische auf der Terrasse, Baumgartnerhaus am Schneeberg, sahen wir dich in Sonnennebeln, Rax! Wie ein weißer leuchtender Kreideberg erstandest du uns Kindern, während wir gierig in zehrender Bergluft aßen und tranken – – –.

Die Blumen

Der weiße Fingerhut auf schattigen Bergwiesen, der Türkenbund, der Frauenschuh, das Kolröserl, die Berghimbeere, der Speik, der Seidelbast. Schon die Namen erzeugen Bergheimweh. Wie andere Namen Heimweh zeugen nach entschwundenen Ländern unserer Seele: Anna, Nah-Baduh, Käthe, Bessie, Gudula –.

[32] Bauernhaus in Edlach

Städter, kühle deinen »brennenden Ehrgeiz« im Schatten dieses breiten Bauerndaches!

Landfrieden Nasswald

Hast du bereits, o Mensch, trotz deinen übermütigen jauchzenden Kräften, den hohen Mut, diesem Schlachtgetümmel »Leben« vorzeitig, rechtzeitig, zu entfliehen, das dich nicht zur Besinnung kommen läßt und deine Kleinlichkeiten? Siehe, eine abgeschossene Kanonenkugel würde erst in 14 Jahren auf dem Mars landen. Und deine Sekunde erscheint dir lang und wert?! In der Stille des Landlebens vernimmst duallzu laut die Stimme deiner wichtigen Nichtigkeiten! Landfrieden ist ein Gift für Friedelose. Nur wer sich selbst gefunden im Gewirr des Kampfes, restlos, darf rasten!

[33]
In einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

In einem Kurparke

Weiße Bank dicht am Waldesrande, bereits überschattet von Sträuchern. Es ist Spätnachmittag. Der Kuckuck ruft laut, die Schwarzamsel singt eindringlich, kleine Vögel wispern. Es ist ein kurzes rundes Promenadeeck. Auf der Bank er und sie, Hand in Hand.

Es kommen vorüber

Die Gouvernante, zu dem entzückenden Mäderl:

»Vous allez voir, petite sotte, ce qu'il y aura à la maison, d'avoir voulu rester encore dans l'humidité du soir – – –.«


Ab.


Ein eleganter Herr zu einer Dame: »Und du konntest wieder nicht es sagen, liebste Elvire, daß wir am Lande absolut keine Gäste empfangen, unsere arme Ruhe haben müssen um Gottes willen?!?«

»Nein, das konnte ich eben nicht, Paul – – –.«
»Gans – – –!«

Ab.


Zwei Herren.
»Und ich halte den Altenberg dennoch für einen Dichter – – –.«
»Er ist nur ein Momentphotograph, aber freilich ein geschickter – – –.«
»Und wohin rangieren Sie den Hugo von Hofmannsthal?!«

Ab.


Zwei Damen.
»Helene will uns glauben machen, der Baron interessiere sich für sie – – –.«
[34] »Hat er nicht dir ebenso den Hof gemacht?!«
»Und dir?!«
»Geh', Du Falsche – – –«

Ab.


Zwei andere Damen.

»Also man nimmt frische Butter, passierte rote Sardellen, Kaviar, mengt das Ganze, streicht es dick zwischen 2 Bussy de Vevey auf, die man aufeinanderklappt – – –.«

»Ist es apart und schmackhaft?!?«

»Ich kann Ihnen nur sagen, die Gräfin hat sich gestern beim Tee geäußert, man könne sich daran totessen, ja man sei dazu als Gourmet sogar direkt verpflichtet – – –.«


Ab.


Lehrer und Zögling.

»Das Prinzip des Thermometers beruht also darauf, daß Quecksilber bei Kälte sich zusammenzieht, in der Wärme hingegen – – – wenn dich die Baumkronen übrigens mehr interessieren als diese Tatsache, kann ich mir ja die Mühe ersparen, ich bin nicht verpflichtet auf dem Spaziergange – – –.«


Ab.


Zwei Herren.

»Haben Sie dem Mandl sagen müssen, daß wir diese Ledergeschichte in Aussicht haben?! Nur daß er es Ihnen vielleicht wegschnappt?!«

»Aber er hat doch darüber eine ruhelose Nacht.«

»No ja, die hat er freilich – – –!«


Ab.


[35] Zwei junge Mädchen.

»Da erinnere ich mich an ein Lied von Richard Strauß. Überall wo zwei Liebende sich hinsetzen im Walde, wachsen im nächsten Jahre rote Primeln – – –.«

»Du hättest ja gar nicht den Mut, Primeln zu erzeugen – – –.«

»Desto schöner ist es, wenigstens daran denken zu dürfen – – –.«


Ab.


Zwei Damen.

»Dort auf der weißen Bank sitzen Hand in Hand unser junger Hofmeister und unsere junge Gouvernante – – –.«

»Wir werden beiden noch heute abend sofort ihre Entlassung geben – – –.«


Ab.


Vater mit Töchterchen.

»Papa, alle sprechen so viel auf dem Promenadenwege, nur du schweigst und schweigst – – –.«

»Liebling! Ich schweige wie in einem Theater, ich lausche den Dingen der Welt – – –. Aber das verstehst du nicht – – –.«

»Papa, ich bin so gern mit dir im Walde. Es ist schöner als in einem Märchenwalde – – –.«


Ab.


Das Liebespaar auf der Bank erhebt sich, geht Arm in Arm weg, unbewußt seines trüben Schicksals – – –.

Der Kuckuck ruft, die Schwarzamsel singt eindringlich, kleine Vögel wispern im einsamen Parke.

[36]
Ein BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Ein Brief

Ich schrieb einer süßen Gefallenen einen begeisterten Brief, schilderte ihr darin alle ihre Vollkommenheiten, vom Kopf bis zu den Zehen – – –.

Sie ließ mich nachts im Café L. an ihren Tisch bitten durch den Kellner.

»Sö haben mir an Brief g'schrieben?!?«

»Ja, bitte, jawohl, ich habe mir erlaubt, Fräulein – – –.«

»Was hat dös für an Zweck?!?«

Späterhin erfuhr sie, wer eigentlich dieser Briefschreiber sei.

Da sagte sie denn häufig zu ihren Herren: »Ob ihr's glaubt oder net, der Peter Altenberg hat mir an riesig begeisterten Brief g'schrieben. Kommts z'Haus mit mir, da zeig' ich ihn euch – – –.«

Und so hatte denn mein Brief dennoch in gewisser Hinsicht einen Zweck gehabt.

[37]
Meine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Meine Korrespondenz

»Du, Peter, schau', i hab' an Kren (reichen Mann) am Semmering sitzen, der jetzt aber seit einiger Zeit ›nachläßt‹. Geh' schreib' du ihm einen geschickten Brief statt meiner. Wenn du ihm dadurch die 200 Kronen herausfetzst, kriegst du davon 50. Wird dir das was schaden, no also!?!«


Ich führte für ein armes süßes Mäderl durch ein halbes Jahr die Korrespondenz mit einem reichen jungen Ingenieur in Rußland, der sie heiraten wollte. Eines Tages kam sie und sagte zu mir:

»Peter, du brauchst dich nicht mehr zu bemühen, der Schuft ist verheiratet und hat drei Kinder. Es war alles umsonst. Wir sind da beide schön hineingesprungen – – –.«


»Peter, du allein kannst mir noch helfen, ich flieg' wie irrsinnig auf den jungen Grafen T. Schreib' ihm statt meiner einen deiner entzückenden Liebesbriefe, wo man net mehr auskann, wann man's gelesen hat – – –.«

Und ich schrieb einen meiner entzückenden Liebesbriefe, wo man nicht mehr auskann – – –.

Der Graf schrieb zurück: »Fliege nicht auf moderne Gänse mit mißverstandenen P.A.-Allüren. Schluß!«

Das junge Mädchen sagte zu mir: »Du willst ein Dichter sein?! Wennst einem nicht einmal in so einer Sache helfen kannst?! Geh' scham' di (schäme dich)!«

[38] Eine war kokett gewesen, hatte sich dadurch ihren getreuen sicheren Freund mit Monatsrente verscherzt.

Sie bat mich, es ihr durch einen Brief zu richten.

Ich schrieb statt ihrer: »Du als ›alter Drahrer‹ solltest längst es doch wissen, daß wir alle dumme Ludern sind! Willst Du mit einem ungezogenen aber süßen Kindchen aufbegehren, das Dich ›anwischerlt‹, während Du es streichelst auf Deinem Schöße?!? Schau', wir sind ja so arme dumme schlecht erzogene Kindchen. Habe da doch ein bißchen Erbarmen!«

Und er hatte Erbarmen und schickte, ohne je wiederzukommen, die Monatsrente!

[39]
Die JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Die Jugendzeit

Ort Reichenau – – –
und ich mußte Abschied nehmen von der jungen Frau,
tragischen Abschied.
Was dann mit ihr wurde, weiß ich nicht.
Aber nach zwei Jahren
kam sie in einer Equipage angefahren,
totenbleich.
»Ich komme Ihnen adieu zu sagen – – –«,
begann sie ruhig ohne Klagen,
»ich werde morgen operiert – – –.«
Ich sagte: »Arme – – –. Daß Gott sich erbarme – – –«.
Und sie: »Meine Villa steht nun fertig am Waldessaume,
ganz nahe jener Bank, unter dem alten Baume,«
wo Sie mir wortlos mit den Augen sagten: »Edle Fraue!«
Nun, da ich mein Leben überschaue,
war dieses Wort das beste, das mich traf!
Nun aber bin ich müd und gehe hin zu sterben –.
Sie aber sollen mein Herz beerben,
indem ich Ihnen sage: »Heißen Dank!«
Vielleicht kommen Sie durch Zufall zu der Bank,
wo Sie das stumme Wort zu mir gesprochen – –.
Ich wollte Sie noch seh'n, den fremd Gewordenen, ein letztes Mal – – –.
Dann schenkte sie mir noch ein Strähnchen ihrer Haare
und Samstag lag sie auf der Totenbahre.
[40]
LiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Liebesgedicht

Ich sah dich den Amseln zärtlich Futter streuen –
Ich sah dich deinen alten Vater sanft betreuen –
Ich sah dich in einem Buche heilige Stellen anstreichen,
Ich sah dich in Gesellschaft unadeliger Menschen erbleichen.
Ich sah dich deine idealen Füße ungeniert nackt zeigen,
Ich sah dich wie eine Fürstin dich edel-stolz verneigen.
Ich sah dich mit deinem geliebten Papagei wie mit einem Freunde sprechen,
Ich sah dich mit einem Manne wegen eines geringen Taktfehlers für ewig brechen – – –.
Ich sah dich an Himbeerduft dich berauschen,
Ich sah dich der Stille eines Sommerabends lauschen.
Ich sah dich an dem Alltag wachsen, lernen,
Ich sah dich traurig steh'n vor trüben Gaslaternen.
Ich sah dich dein Leben spinnen wie die Spinne ihr mysteriöses Gewebe – – –
Ich schlich mich abseits, um dich nicht zu stören.
Ich werde dich aber lieben, solang ich lebe!
[41]
EntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Entwicklung

In unserer Kindheit stattete man den Löwen mit allenritterlichen Eigenschaften aus, er wurde zum Aristokraten unter den Tieren. Es war die edelste Jagd und die gefährlichste zugleich. »Was willst du werden, mein tapferes Söhnchen?!« »Ein Löwenjäger!« Alle Tanten besprachen es liebevollbegeistert.

Heutzutage jedoch ist der Löwe als ein feiges Tier entlarvt, das nur im äußersten Notfalle den »Menschen angeht« (gar nicht so unklug, Randbemerkung des Psychologen) und sogar das Weibchen vorausläßt beim Fällen einer Beute (auch nicht unphilosophisch).

Das Nashorn jedoch, das ehedem als heimtückisch-feig, plump und bösartig (es wollte sich nicht ohne weiteres umbringen lassen) galt, ist nun, in unseren Zeiten, zum adeligsten Jagdgetiere vorgerückt. Seine Plumpheit wird zu rasendem Ungestüme, sobald ein Feind naht, und grenzenloser Mut paart sich (ein schönes Wort) mit sinnloser Gereiztheit!

Es ist heutzutage die »gefährlichste Jagd«, die sozusagen einen »ganzen Mann« erfordert.

Das Nashorn flüchtet nie, sondern verfolgt den Feind in rasender Eile! Nur Sprünge nach links oder rechts können ihn erretten. Um dieses tapfere Tier nicht aussterben zu lassen und so dem Menschen ein Vorbild an Mut und Tatkraft nicht verloren gehen zu lassen, hat die Regierung beschlossen, jedem adeligen Jäger nur das Erlegen eines einzigen [42] dieser königlichen Tiere zu gestatten. Die Art, wie das Rhinozeros seinen Gegner überwältigt, ist das »zertrampeln«, obzwar er selbst lieber in ritterlicher Art vom »verderblichen Horne« aufgespießt zu werden wünschte! Das aber geschieht nur im Jäger-Walhall!

Aus dem Horne macht man jetzt teure Spazierstockgriffe. Viele derselben, ja die meisten, sind aus Rindshorn. Was kann der Weltmarkt dafür, daß die Nachfrage nach dem »adeligen mutigen Tiere« größer ist als die natürliche Einnahme an Nashornhörnern?!?

»Was möchtest du werden, mein Söhnchen?!«

»Ein Nashornjäger!«

Die Tanten lächeln liebevoll-begeistert. Seinerzeit begnügte man sich mit Löwen. Aber heutzutage muß einer schon diese häßlichen plumpen heimtückischen Tiere erlegen, die zu unseren Zeiten verachtet und gemieden waren! Ein Löwe, ein Löwe, das war doch etwas, wofür man sich einsetzen konnte. Aber auch dieses Ideal haben sie uns geraubt.

»Tante, falls es uns verfolgt, muß man nur rechtzeitig nach links oder rechts in scharfem Winkel abbiegen – – –.«

»Ja, biege nur ab rechtzeitig, in scharfem Winkel; so ist vielleicht das ganze Leben – – –.«

[43]
Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Regeln für meinen Stammtisch

Das Nägelschneiden bei Tische ist verboten, selbst mit einer eigenen mitgebrachten Schere alten Systems; besonders aber mit der neuartigen Zwickmaschine, da die scharf abgezwickten Nägel dann leicht in die Biergläser springen können, und das Herausfischen mit Schwierigkeiten verbunden ist!


Das Wort »Popo« oder Ähnliches ist tunlichst zu vermeiden. Ist das aber unmöglich, so soll es mehr oder weniger geflüstert vorgebracht werden!


Ganz private Angelegenheiten, persönlichen Ehrgeiz, Eitelkeit, Größenwahn, »Sichpatzigmachen« betreffend, sollen nicht über drei Stunden lang gesprächsweise ausgedehnt werden. Es wäre denn, daß der Verbrecher einen Französischen Champagner dabei zahlt! Jede Flasche verlängert die Zeitdauer des Gespräches, bis sie leer ist!


Mitteilungen über private Verdauungsstörungen samt Detailschilderung, die von keinem allgemeinen Gesichtspunkte getragen sind, haben dem unglücklichen Nebensitzenden in kurzen knappen Ausdrücken übermittelt zu werden; auch muß das Mitgefühl des Zuhörers diskret gehalten sein, wobei er es versuchen muß, die natürliche Freude über das Mißgeschick seines Freundes taktvoll zurückzudämmen!


Politische Gespräche haben über die Phrase: »Ich glaube, in Amerika brandelt's«, nicht hinauszugehen!


[44] Gespräche über Goethe haben nicht in eine gräßliche Anrempelei des Hugo von Hofmannsthal auszuarten!


Damen an unserem Tische, die zeitweilig »wohin« gehen müssen, haben von ihrem Gatten oder Geliebten laut und vernehmlich 20 Heller zu verlangen, da wenigstens dieser Vorgang an die »käuflichen Mädchen« uns angenehm erinnert!


Es durch längere Zeit hindurch versuchen, ob Zündhölzchenköpfe an einer Porzellanreibfläche abspringen, ist ungehörig, da es für die Frage der »Entwicklung der Menschheit«, der doch alles an diesem Stammtische dient, belanglos ist!


Junge Kellnerburschen dürfen nur gegen alle ihre Frechheiten von demjenigen in Schutz genommen werden, der sich ausweisen kann, daß er wirklich »homosexuell« sei!


Gespräche allgemeiner Natur müssen eine perfid versteckte Spitze gegen irgend jemanden an unserem Stammtische besitzen; es ist wie die Würze zu Speisen; man verdaut sie dann besser!


Liebespaare dürfen an unseren Tisch kommen; denn es ist ein untrügliches Anzeichen, daß sie wenigstensdiese Stunden nicht miteinander allein verbringen wollen; also eine Niederlage coram publico. Außerdem kann man die Dame vielleicht abspenstig machen!

[45]
Das »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Das »Flugerl«

Es gibt nur einen einzigen wirklichen Größenwahn – – – der Glaube eines Mannes an die Treue einer geliebten Frau!

Niemand hat eine Ahnung von der Hypnotisierungsfähigkeit der Frauennerven! Und es ist immer der andere, der diese Fähigkeit besitzt! Niemals man selbst!

Es ist dabei alles völlig von ihnen unabhängig, einer mysteriösen Macht unterworfen, einem Bannfluch der Treulosigkeit! Sie sind also unschuldig daran!

Ein vertrauender Mann ist ein Idiot, ein verächtlicher tausendfacher Feigling, ein Kopf-in-den-Sand-vergraber, ein unanständiger Sichselbstbetrüger! Ein Vogel Strauß mit dessen Gehirn! Die.Begehrenswerte fühlt, daß sie begehrt wird und das irritiert ihr Nervensystem! Ununterbrochen!

Im Café, im Restaurant, auf der Straße, im Tramwaywagen, im Eisenbahnwaggon, im Automobil, im Geschäftsladen, überall, überall, überall kann einer sein, dem sie sich momentan, mit geschlossenen Augen, bebend, hingeben möchte! In allen anderen ernsten Beziehungen des Daseins ist sie »wissende Heuchlerin«; nur da, nur da, mysteriös erregt und grundlos von einem völlig Fremden, wird sie unbewußte Wahrhaftige!

Ihre ängstlichen Augen, ihr gespannter, ja gequälter Gesichtsausdruck, beweisen dir die Hypnose, unter der sie sich befindet, gegen ihren Willen, [46] in bezug auf irgend einen Kerl, auf den sie momentan fliegt!

Eine Ohrfeige könnte da vielleicht momentan nützen oder irgend eine andere schreckliche Brutalität, die einfach ihre Nerven »umstimmte«! Aber auch das kann verkehrt wirken. Es treibt sie vielleicht noch mehr hinein.

Am besten ist es, man teile einer geliebten Frau aufrichtig mit, daß man beständig in der Gefahr eines »Flugerls« lebe, eines, auf den sie momentan fliege, und bei dem sie das Bedürfnis habe, sich ihm plötzlich hinzugeben, bebend, mit geschlossenen Augen – – –!

Da sagt sie dir dann vielleicht einmal aufrichtig: »Komm rasch, verlassen wir dieses Lokal, dort drüben sitzt ein ›Flugerl‹, der Offizier mit den gelben Aufschlägen, bezahle morgen, was wir gehabt haben; fliehen wir, Geliebtester, ehe es für mich, für Dich zu spät ist – – –!«

[47]
Das TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Das Tanzturnen

Ich habe die Absicht, heranreifenden Mädchen, mit Hinweglassung des schrecklichen und unnützen Geräteturnens, höchste Beweglichkeit, Anmut, Elastizität beizubringen!

Bewegung ohne sauerstoffreiche Luft ist Widersinn gegen die Natur, da eben durch Bewegung die Verbrennungsprozesse des Sauerstoffes der intensiv eingeatmeten Luft mit den Kohlehydraten des Organismus vehement gesteigert werden sollen!

Turnen ohne Mithilfe sauerstoffreicher Luft ist direkt eine Schädigung! Ich versetze hierbei den unglückseligen Organismus durch erhöhte Bewegung in die Lage, seine Verbrennungsprozesse zu steigern, und entziehe ihm zugleich das hierzu nötige Material. Also eine unbewußte Folter der Organisation!

Turnen in einem Raume, dem nicht ununterbrochen reine Luft zugeführt wird, ist eine Schädigung, Schwächung!

In meinem Turnraume befinden sich daher zwei erstklassige Elektroventilatoren, direkt in die oberen Fenster mittels Kreisausschnittes und schief gegen den Plafond zu zugeneigt, eingesetzt, die ununterbrochen frische Luft rasend schnell hereindrehen! Zugleich wird durch einen minutiös kontrollierten Heizapparat die Luft auf 14° R. erhalten.

In diesem nun so vorbereiteten Raume erfolgt das »Tanzturnen«.

[48] Das wenn auch noch so scharfe und präzise Kommandowort des Turnleiters ist ein schwächlicher und unzulänglicher Auslöser von Bewegungskräften aus den Nervenzentren des Turnenden. Gestatten Sie es mir, Ihre Aufmerksamkeit darauf hinzulenken, daß unserem Organismus eine erstaunliche Menge in edelste leichteste intensivste Bewegung umsetzbarer vitaler Kräfte, latenter Potenzen geweckt, ausgelöst und verwertet werden könnte durch Zuhilfenahme des scharfen exzitierenden auslösenden und mitreißendenRhythmus der Musik!

Die »kleine Kniebeuge«, das »Wippen«, der »port de bras«, das »Anfersen«, »Grätschen«, das »Beinwerfen nach vor- und seitwärts«, die »tiefe Rumpfbeuge«, das »Armstoßen nach auf-, seit- und vorwärts« usw., würden bei einem unerhört scharfen präzisen, fast leidenschaftlichen Rhythmus eines amerikanischen Kriegsmarsches sofort ebenfalls in scharfer, fast leidenschaftlicher Art ausgeführt werden können, angefeuert und beflügelt gleichsam von inneren mysteriösen Kommandoworten, die ununterbrochen wirksam wären, innerliche Peitschen und Sporen!

Von unbewußter Lebensfreudigkeit, von Lebensbehendigkeiten angetrieben, führte man da rastlos die Bewegungen aus, folgte magisch angelockt dem Tempo des Musikstückes, würde mitgerissen in den Taumel des Rhythmus!

Das laute gellende Kommandowort des Turnleiters möge dann die äußerste Ekstase bringen, letzte Lebenskräfte aus Schlupfwinkeln hervorlocken!

[49] Musik ist ein mysteriöser Motor für den Bewegungsapparat unseres Organismus und es ist merkwürdig genug, daß man bisher einen solchen beim Turnen nicht in Aktion gebracht hat!?!

Wie schreitet das Militär zum Marschrhythmus? Wie werden Ermüdungen hinausgeschoben? Ausgelöscht!

Meine Annonce lautet daher:

»Das Tanzturnen.

Freiturnen zur Musikbegleitung (Klavier). Ausnützung, Verwertung der motorischen Kräfte des Musikrhythmus für die Beweglichkeit des Organismus. (Zwei erstklassige Elektroventilatoren führen ununterbrochen reine Luft zu.)

P.S. Ideal angelegte, von der Natur prädestinierte Geschöpfe zahlen die Hälfte!«

[50]
Das HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Das Hotelzimmer

Um 3 Uhr morgens begannen die Vögel leise zu piepsen, andeutungsweise. Meine Sorgen wuchsen und wuchsen. Es begann im Gehirn wie mit einem rollenden Steinchen, riß alle Hoffnungsfreudigkeiten mit, die Lebensleichtigkeiten, wurde zu zerstörender Lawine, begrub die Fähigkeit, dem Tage zu genügen und der unerbittlichen gebieterischen Stunde! Den Zufällen! Ein lauer Sturm brauste in den Baumwipfeln vor meinem Fenster. Ich hatte also wegen nichts und wieder nichts das Leben der süßen Frau J. belastet und gestört. Auch refüsierte mir einer meiner Gönner von nächstem Monat an die kleine Monatsrente. Er hatte irgend etwas über mich gehört und meine Ansichten. Sie waren ihm zu radikal und unsympathisch. Meinästhetisches Ideal, Frau W., gehört seit langem denen, die sie bezahlen können. Ich, der den »mystischen Kultus der Schönheit« mit ihr trieb, war ihr stets zu unelegant angezogen, unverständlich und überhaupt verrückt. Wenn ich auf die Kniee niedersank, von ihrer adeligsten körperlichen Vollkommenheit tief, tief gerührt, sagte sie, ich sei pervers veranlagt, ich solle sie nicht blamieren! Mein Hotelzimmer erhellt sich, meine Seele verdunkelt sich. Es wird Morgen.

Das Singen der Vögel in den Baumkronen wird deutlicher, Ansätze zu Melodien sind vorhanden. Laue Stürme bringen Wiesengeruch. Es wäre die schicklichste Stunde, sich am Fensterkreuze aufzuhängen – – –.

[51]
Unser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Unser Opernhaus

Ein Freund sagte zu mir: »Komme mit zu ›Tristan und Isolde‹, du hast die neuen Dekorationen von Roller noch nicht gesehen ... Ich lade dich ein auf einen Parkettsitz.«

Wenn ich dieses »heilige Haus« betrete, dem ich die süßen Schauer in meiner Kindheit verdanke, dieses Wirklichkeit gewordene Märchenhaus, diesen edlen weiten Saal, in dem ich einst fast angstbeklommen »kommender Dinge lauschte«, bin ich immer sogleich ergriffen und gerührt, wenn auch nur wenige Besucher vorhanden sind und gleichsam noch Dämmerstimmung herrscht.

Genialstes wunderbarstes Gebäude, mit deinem aristokratischen Entree, deiner wunderbaren Logenstiege, deinen breiten niederen Logengängen, deinen Logen, die wie kleine gemütliche intime Gemächer sind, mit deinen Galerien, auf denen liebevoll gesorgt ist für jeden einzelnen, der sehen und lauschen möchte! O, du fast merkwürdig geräumiger Saal, der alle Töne dennoch liebevollst und zartest in sich aufnimmt, wie wenn er es wüßte, daß es eben seine heilige ernste Aufgabe ist! Und deine beiden Erbauer, deine Erdichter mußten sich umbringen! Aus Furcht, ein unvollkommenes Werk geschaffen zu haben!?!

Aber es war vollkommen, vollkommen; und wie ich in meiner Kindheit zum erstenmal zur Vorstellung »Die Hugenotten« diese wirklich heiligen Hallen betreten habe, so trete ich heute, ein Sechsundvierzigjähriger, noch immer mit süßem Schauer ein in diesesWundergebäude!

[52] Du, du geliebter Saal, geliebtester Raum bist geblieben, liebevoll und zärtlich jene behandelnd, die sich dir anvertrauen, um ideal zu genießen!

Aber was ist in uns, in uns vorgegangen seitdem!

Wie flüchten wir immer angstvoller und angst, voller von Jahr zu Jahr in deinen heiligen Frieden-Operngebäude, vor den Tücken des Schicksals!

Und nun kam ich durch die Güte eines Freundes wieder in »Tristan und Isolde«, anfangs September 1906. Wie eine märchenhafte Symphonie an und für sich: »Garten in der Sommernacht« ist der Beginn des zweiten Aktes. Und ebenso hat Roller es gemalt, erdichtet. Man hört, man spürt, man ahnt den nächtlichen Garten, in Stille und Duft vergraben, ein düsterer melancholischer Mitwisser menschlicher Begebenheiten. Wie wenn er das unglückselige Liebespaar liebevoll beschützen möchte durch seine nächtliche Stille, wie wenn er die letzte Romantik herbeischaffte für diese Edelromantiker, die dem Untergange geweiht sind!

Die Sterne am nächtlichen Himmel funkeln und die Gebüsche sind schwarz und kompakt. Dann kommt der feuchte, kalte, graue Übergang. Alles wird hellgrau, nebelig und der Morgen dämmert. Und das Verhängnis bricht herein. Einzelne Rosenstöcke heben sich ab von der sanften Morgenröte und sind schwarz wie Silhouetten. Feuchte Ausdünstung ist im Garten. Die Gebüsche sind hellgraugrün. Man müßte sich Katarrhe holen, aber das Verhängnis läßt keine Zeit dazu! Der Morgen dämmert gelassen und bereits empfängt Tristan die Todeswunde ... Die Rosenstöcke heben sich ab von der Morgendämmerung.

[53] Als Kind kratzte ich meinem teuren, geliebten Vater auf der Violine zum erstenmal etwas vor. Es war schrecklich. Aber er war sehr ergriffen. Er führte mich zur Belohnung in die »Hugenotten« ins »neue Opernhaus«.

Mein Vater sagte: »Das ist etwas für Kinder ...«

Aber es war gar nichts für Kinder. Denn ich langweilte mich schrecklich und verstand gar nichts.

Am nächsten Tage spielte uns Papa zu Hause die Partitur am Klavier vor. Das war noch entsetzlicher. Mit Meyerbeer waren wir endgültig verfeindet. Ein Beginn moderner Entwicklung.

Papa sagte: »Ich weiß nicht, meine Kinder haben nichts von meinem musikalischen Talent geerbt ...« Nein, das hatten sie nicht.

Aber das Haus, der Raum blieb mir in respektvoller Erinnerung. Es war eine Musikkirche. Und als ich damals erfuhr, daß die beiden Erbauer sich wegen der angeblichen Unvollkommenheit des Gebäudes umgebracht hatten, spürte ich einen fast persönlichen Schmerz über die grausame Ungerechtigkeit des Daseins! Heil Van der Nüll und Siccardsburg!

[54]
Die KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Die Kinderzeit

Meine wunderschöne Mama trug ein weites Kleid aus dunkelbraunem Tüll mit hellbraunen Samtbändchen durchzogen. Man sagte, der Hofmeister der Familie W. mache ihr riesig den Hof. Wir verstanden das Wort »Hof« nicht. Eines Vormittags wurden wir zu dem Viadukt von vierzig Metern Höhe über dem Schwarzatal geführt, wo zwei Lastenzüge aufeinander aufgefahren waren. Die eine Berglokomotive hatte die andere direkt bestiegen. Wir nahmen zum Andenken sehr viel Zigarettenpapierschachteln mit, die einem Waggon entstürzt waren. Wir waren erstaunt, keine Leichen zu sehen. Selbst der Lokomotivführer war »mit dem Schrecken davongekommen«. Papa schenkte ihm einen Gulden. Als Belohnung, davongekommen zu sein.

Eines Tages wurde berichtet, die Raupen der Kohlweißlinge fräßen alle Felder ab. Infolgedessen fingen wir alle Kohlweißlinge an den Fenstern des schrecklich heißen Speisesaales weg und zertraten sie, obzwar sie schon über die Schädlichkeit hinüber waren und nur mehr die unschädlichen Ideale ihrer Art repräsentierten. Die Raupen waren uns zu unappetitlich, sie zu vernichten. Um halb 12 Uhr vormittags kam der Bäcker mit den warmen dufdenden vierfach eingekerbten Wecken. Da aßen wir heißhungerig zwei, worauf der Kellner vier auf die Rechnung stellte.

»Kinder, Kinder, da könnt ihr ja keinen Appetit zum Mittagessen haben – – –«, sagte die Mama. Aber Pudding mit Himbeersaft fraßen wir doch noch [55] zweimal und dreimal. Auf der sonnigen sandigen Straße zwischen den Wiesen interessierten uns die Sandläufer, die sprangen und flogen und nach Moschus dufteten und mattgrün schimmerten. Ferner die Admirale, schwarzrot, und die Dukatenfalter. Alles saß am liebsten an den trockenen Wagenrinnen der Lastwagen. Da konnte man ganz nahe hinschleichen. Wie gebannt von der Hitze saßen sie. Aber im letzten Moment kam der Selbsterhaltungstrieb über sie und sie flogen wieder auf. Der Hofmeister der Familie W. ging immer öfter und öfter mit uns. Aber wir machten uns nichts aus ihm. Eines Tages wurde der geliebte Hund »Wolf« meiner Schwester in einem Bottich im Garten ertränkt gefunden. Die Gouvernante meiner Schwester weinte noch viel mehr als meine Schwester. Denn sie weinte wegen »Wolf« und zugleich wegen meiner Schwester. Während meine Schwester nur wegen »Wolf« zu weinen hatte – – –.

Ich selbst sah nur den »aufgedunsenen Kadaver« und hatte keinerlei Mitgefühl. So verteilt sich alles verschieden in derselben Angelegenheit. In einer Allee von gelben Rispenstauden stachen die Bienen und die Wespen viele Vorübergehende. Da bat ich ein wunderschönes Mäderl der Familie K., dort ja nicht hindurchzugehen, und sie mußte mir darauf einen heiligen Eid schwören. Das Mäderl erzählte es ihren Eltern. Diese besprachen es mit meinen Eltern, und infolgedessen wurde uns der Verkehr verboten, weil solche »romantische Beziehungen« ungesund seien. Was geht es ihn an, wenn sie zerstochen wird?!? Dazu ist die Gouvernante da. Der Hofmeister der Familie [56] B. kam für vier Wochen zu uns als Aushilfe für unseren geliebten Hofmeister, der verreisen mußte. Er sagte: »Gnädige Frau, Ihre Kinder sind Prachtexemplare«. Jedenfalls betrachteten wir es als Ferialwochen. Im Walde nach dem Regen roch es immer wunderbar. Nach Schwämmen, feuchter Erde, feuchtem Moos und Erdbeeren. Im Kuhstalle roch es auch wunderbar und im Pferdestalle und in dem Schupfen, in dem Holz gesägt wurde, und in der Mehlmühle und auf der Wiese am Bache, wenn die Sonne hinsengte. Dann der Duft aus der heißen eleganten Hotelküche und der Duft der Zimmer nach den Cretonmöbeln und den Zirbelkieferkästen. Alle diese Gerüche gehörten zu dem Ferienglück mit dazu. Ja, sie waren sogar ein wesentlicher Bestandteil desselben. Von dem Geruche der Bahnhofshalle und des Waggons und dem schneidig-frischen Duft der Gebirgsluft in Station Payerbach gar nicht zu reden. Mama trug oft das braune Tüllkleid mit den hellbraunen Samtbändern. Der Aushilfshofmeister wollte uns immer für sich gewinnen, aber es war gar nicht nötig, denn wir hatten ihn auch von selbst sehr gern. Er sagte zum Beispiel: »Siehst du, was mir gestern besonders an dir gefallen hat – – –« Und dann kam eine Sache herausgestrichen, die gar nicht von Bedeutung war. Oder er sagte: »Gnädige Frau, ich muß Ihnen einen reizenden Zug Ihres Söhnchens mitteilen, auf die Gefahr hin – – –«

Die Gouvernante meiner Schwester sagte zu ihm: »Monsieur, weshalb dienen?! Machen Sie doch Ihre Prüfungen!« – »Ich stehe mich so bedeutend besser«, erwiderte der Aushilfshofmeister. Im [57] Hirschpark senkte einmal plötzlich der Vierzehnender den Kopf, fegte mit dem Geweih flach am Boden gegen mich her und hatte bereits stiere glotzende Augen. Ich machte im letzten Moment einen Sprung zur Tür und er fuhr krachend gegen die Planken. Infolgedessen wurde er erschossen und ich bekam am nächsten Abend zum Souper ein Stückchen meines Mörders zu essen. Der Hofmeister sagte: »Hirsche sind gefährlicher als Tiger, weil man sie eben bloß für Hirsche hält, während man beim Tiger immer weiß, daß es ein Tiger ist!« Ich hielt diesen Satz damals für vollkommen unverständlich. Aber Mama sagte: »Wunderbar. Ist es nicht auch so mit den Menschen???« Worauf der Aushilfshofmeister ein verzücktes Gesicht machte und Mama die Hand küßte. Wir waren paff. Sehr beliebt war die Jagd auf die »Nußhäher«, die zum »Raubzeug« zählen, zum Raubgetier. Es war schwer, sich das von dem schönen Vogel mit den kleinen blauschwarzen Federchen vorzustellen. Aber wenn er am Boden lag, sagten die Jäger oft: »Du arger Sünder!« Abends, wenn es stark geregnet hatte, tappten Salamander über den Waldboden. Man hatte die Empfindung von vorsintflutlichen Welten: Der feuchtwarme stille Wald und die schwarzgelben Molche – – –. Auch die Kreuzspinne war unheimlich, und man hoffte es immer, daß Regen und Wind sie vom Netze treiben würden. Aber es war wie aus Tauen gedreht, schaukelte und brach nicht im Sturm. Die ersten Herbstzeitlosen machten uns ganz gedrückt. Wir hatten uns so riesig an das geliebte Reichenau wieder attachiert wie alle herrlichen [58] Sommer hindurch unserer Kindheit. Und an dem ersten Abend wieder in der Stadt waren wir immer tief unglücklich, obzwar es große Nüsse, Isenbartbirnen, kaltes Poulard und Sachertorte gab vor dem Schlafengehen – – –. Auch Mama war recht traurig und nachdenklich.

[59]
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Was ist ein Gedicht?!

Ein Gedicht ist eine Sache, die in dem Leser eine ähnliche Stimmung erzeugen soll, wie der sie gehabt hat, der es geschrieben hat – – –.

Gedicht: »Der Vorfrühling«.

Morgentemperatur am Hochschneeberg plus ein Grad.

Der Schnee fällt als Regen herab.

Die weißgrauen Schneefelder schimmern feucht.

Der Pegelstand an den Flüssen steigt und steigt.

Milde stürmische Luft. Trübe Witterung im allgemeinen.

In den nordalpinen Gegenden noch ungeheure Schneefälle.

Vor dem Tunnel elf der Bergbahn Lawinenstürze.

Die Hotels am Semmering sind überfüllt, Aristokratie und reiches Bürgertum gewinnen der Natur noch einige Rodelschlittentage ab. Die Sonne frißt den Schnee.

Die Erde ist gesättigt, wasserdurchtränkt. Es rinnt alles in die Flüsse ab deswegen.

Der Bauer ist erwartungsvoll.

Helga sucht weinend im Gelände nach Primeln.

[60]
ErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Erinnerung

Ich verstehe das alles nicht von der Kindheit, von diesem Gegensatze nämlich der Kindertage und der späteren. Das verstehe ich nicht. Denn hierin habe ich doch eine Kontrolle, da ich 49 Jahre alt bin und mit 9 Jahren nach Vöslau kam im Sommer. Der Arzt hatte zu meiner wunderbar schönen überzarten Mama gesagt: »Da Sie also Ihren geliebten Gatten während der Sommermonate nicht in Wien für sich einsam arbeiten lassen wollen, andererseits aber Sie und Ihr Söhnchen sehr zart organisiert sind, so rate ich Ihnen dringend zu Vöslau. Es ist trockene staubfreie Luft, stundenlange Tannenwälder, ein Bad von 22 Grad Réaumur, und ihr geliebter Gatte kann jeden Abend hinausgelangen.« Ich lernte das grünbewachsene Geländer des kleinen Bahnhofes damals fanatisch lieben, die lange eigentlich melancholische Bahnhofstraße mit dem braunen Bache, in welchem Wäsche gewaschen wurde oder Enten ein Bad nahmen, das nur die letzte Vorbereitung war zum Abgestochenwerden. Rechts war die riesige Spinnfabrik. Man wußte nichts von ihr, als daß der Direktor ein persönlicher Freund meines Vaters sei. Man war erstaunt, an einem Landaufenthalt eine große Spinnfabrik anzutreffen, mit Gärten und Blumenbeeten und stark vergittert und schweigsam. Man sah Rauch aus langen dünnen Schloten und dachte nicht weiter nach. Dann kam man zum Bade, wo es nach Linden roch und nach den sonngedörrten Planken, die das Bad umfriedeten. Bänke waren da für die Ausruhenden vom [61] Bade, für die Wartenden und Erwartenden. Die graublaue Quelle kam aus dem Innern der Erde und floß über Kieselgrund. Die Natur bot nirgends eine Pracht und Fülle, aber jede Eiche war bekannt und beliebt auf dem schütteren trockenen Wiesengrunde. Im Walde waren Büsche mit roten Beeren, mit schwarzen Beeren und mit hellgrünen Beeren, und Blumen waren nur zu zählen. Die Tannen würzten an heißen Stellen die Luft. Dem Boden fehlte entschieden Wasser, und die angeschnittenen Tannen gaben Harz von sich, ihren Lebensbalsam. »In drei Jahren müssen sie daran zugrunde gehen«, sagte unser Hofmeister, »aber der Herr Baron wird davon leben.« »Es tut ihnen aber wenigstens nicht weh«, erwiderte ich. – »Weißt du es?!« sagte mein geliebter Hofmeister. Bei der »Waldandacht« begann eigentlich erst für mich die Wildnis. Diese Waldschlucht bis Merkenstein kam mir vor wie unentdeckte Wege zum Viktoria-Nyanza. Ich war erstaunt, daß man keine scharfen Beile benötigte, um sich durch undurchdringliches Gestrüppe einen Weg zu bahnen. Immerhin war es eine Waldschlucht, die sich hinzog ins Unendliche. Der Name »Merkenstein«, dort, wo das Tal endete, war wie der Name »Ewigkeit«. In Vöslau selbst liebte ich alles, alles, jeden Gartenzaun, und die Blicke in die trostlose Ebene, wo das Bahngeleise war. Im Jahre 1866 wurden die Sachsen in den Gartenhäusern einquartiert, und am Vormittage lagen sie auf der »Waldwiese« und sangen und rauchten. Meine liebe Mama wohnte damals in der Villa »Rademacher«, am Rande der Waldwiese, hatte mich, zwei Dienstboten [62] und eine Kinderfrau, und wußte vom Kriege nur, daß die Sachsen im Gartenhäuschen einquartiert waren und auf der Waldwiese vormittags sangen und rauchten! Das Wasser des Bades war graublau und sehr angenehm lau, aber sehr bald hatte man dennoch genug und legte sich in die Sonne. Der Lindenduft kam von allen Seiten und man war sehr glücklich. Besonders Mama liebte man fanatisch. Nichts liebte man so wie Mama. Eigentlich krankhaft. Nun, und siehe, mit 49 Jahren besuchte ich eine teuere Freundin, die dort zur Erholung weilte, im Sommer 1906. Und alle meine Kindheitsgefühle kamen wiederauferstehend zum Vorschein, wie Eingesargtes, das lebendig wird. Nichts, nichts nichts, hatte sich verändert, nichts war verblaßt, alles wirkte wie einst! 39 Jahre waren spurlos an meiner Seele vorübergegangen und sämtliche Impressionen des Knaben erstanden in ungeschwächter Kraft. Mama, du bist im Grabe, Dienstboten und Bonnen sind verheiratet oder gestorben. Mein Vater ist verarmt, und die Spinnfabrik gehört irgend jemand, wahrscheinlich einer Aktiengesellschaft. Im Bade duftet es nach Lindenblüten, wenn die Zeit kommt. Und was sonst an Neuerungen ist, meldet die Kurkommission in ihren Broschüren! Ich aber spüre es nicht in meiner Seele, daß 39 Jahre vergangen sind, da ich Vöslau lieb hatte und alles, was drum und dran war. Kindheit, in mir bist du also nicht gestorben und verdorben!

[63]
Etablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Etablissement Ronacher

Es war wirklich wie der feierliche Anfang einer neuen Aera ästhetischer Freiheit. Ein Raum, angefüllt bis zur Decke mit eingeladenen Künstlern, Bildhauer, Maler, Architekten, Schriftsteller, Schauspieler, Sänger ersten Ranges, Frauen und Mädchen; und auf der Bühne in strahlendem Glanz ihrer jugendlichen Schönheit, splitternackt und vergoldet, die drei goldenen Mädchen, in edlen Stellungen zu Bronzekunstwerken sich formend. Ich will nur von der einen sprechen, die die Kunstwerke »Bacchantin« und »Wasserträgerin« darstellte. Es gibt absolut keinen vollkommeneren Frauenleib, und nur Gefühle der Rührung über dieses lebendige Kunstwerk Gottes kamen über uns alle. Da stand sie in ihrer adeligen Nacktheit und zeigte sich ohne Scheu dem ganzen, feierlich gestimmten Saale. Und zum Schlusse, als sie sich dankend tief verneigte, hatte man die Empfindung, daß alle sich vor ihr hätten verneigen sollen, der ersten wirklich ganz ganz tadellosen Frau, die sich als Kunstwerk öffentlich gezeigt hat in unserer Zeit. Ich möchte fast ein wenig pathetisch sagen, daß von dem goldenen Glanze dieser Haut ein Lichtstrahl ausgeht in die Dunkelheit der Welt und die Vorurteile aufscheucht wie Fledermäuse. Diese krankhafte Angst vor dem schönen Nackten, diese »reizbare Schwäche« unserer Welt! Man habe doch nur eine einzige Angst ... vor dem häßlichen Nackten! Ich habe es immer bemerkt, daß schöne Menschen weniger Schamgefühl besitzen als häßliche. Sie beleidigen[64] eben niemand durch ihre Nacktheit und sie fühlen sich unbewußt im Einklang mit den idealen Plänen der Natur! Aber diese anderen ziehen sich scheu zurück, wie trauernd über ihre Unvollkommenheiten. Ich habe einmal geschrieben: »Eine edelgeformte Frauenhand strebt direkt aus diesem Futteral Handschuh« heraus ans Tageslicht bei jeder Gelegenheit, aber die unedle Hand bleibt gern in ihrer Hülle verborgen und sagt: »Es gehört sich einmal nicht, den Handschuh da oder dort auszuziehen!« Die drei »goldenen Jungfrauen« in Danzers Orpheum sind keine sensationellen Schaustücke, sondern eine künstlerische Angelegenheit der Erziehung der in Vorurteilen gebannten Welt zur Achtung vor der körperlichen Vollkommenheit! Wieviele Frauen werden sich, gerührt durch den Anblick dieser »Wasserträgerin«, bemühen, durch Freiübungen und Hygiene ihren Leib zu verbessern, wieviele ihn sorgsam zu erhalten suchen, falls er diesem Ebenbilde gleicht?!? Wieviele Mütter werden, in sich gekehrt, von nun ab der Pflege des edlen Leibes ihres Töchterchens mehr Sorge angedeihen lassen als deren Kleidern und Hüten!? Ihr drei »goldenen Jungfrauen«, vielleicht seid ihr segenspendend für viele!

[65]
Les SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Les Seins

Eine Frau, deren Brüste nicht dem Ideale der Vollkommenheit entsprechen, kann eigentlich während ihres ganzen Lebens nicht eine einzige Stunde lang wirklich ganz glücklich, frei und zufrieden sein!


Si je ne vous aime pas, madame, vos seins doi-vent être comme de marbre et comme d'acier – – – mais si je vous aime, ils peuvent être comme du beurre au soleil!


Siehe, schon knospen dir die Brüste – – –. Ah, melde mir den Tag, die Nacht, da die Natur zum Weib dich macht! Dann will ich Abschied nehmen von einer Liebe, die dem »lebendigen Kunstwerk« galt!


Erkennst du, Mann, den Zweck in meinen Brüsten?!? Schon wandelt sich dir die Märchenprinzessin in die kalbende Kuh!

[66]
Die KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Die Kontrolle

Mein Frühstück nehme ich im Grabenkiosk. Es liegt im Freien und man sieht ununterbrochen geschäftige Menschen. Mein Raseur hingegen ist in der Teinfaltstraße, also ziemlich entfernt von dem Frühstücksorte. Ich bezahle dort jedoch nur 30 Heller und 10 Heller Trinkgeld. Nun war es am 7. Mai 10 Uhr vormittags bereits unglaublich schwül. Man erwartete für längstens 2 Uhr ein Gewitter. Ich war, wenn auch ohne Grund, zu Tode erschöpft, saß ziemlich befriedigt in meinem Kiosk am Graben, betrachtete die geschäftigen Menschen. Ich empfand den Weg zu meinem billigen Raseur in die Teinfaltstraße wie eine äußerst schwächende Reise: Graben, Kohlmarkt, Herrengasse, Teinfaltstraße. Mir gegenüber war das glänzende Schild: Charles Uhl, Hoffriseur. Ich wußte, daß es da 60 Heller kostete und 20 Heller Trinkgeld, also um 40 Heller mehr als bei meinem Raseur. Aber die Ersparnis an Lebensenergien?! Der erhöhte Tonus der Nerven durch die Bequemlichkeit?! Die kühle Straße und Treppe?! Ich ging zu Charles Uhl, Hoffriseur. Auf der eleganten Treppe begegnete mir ein reicher Freund, der mir einst 100 Kronen geborgt hatte in einer meiner Notlagen.

»Sie hier in diesem Hause, merkwürdig. Wohin gehen Sie denn?!« fragte der Großinquisitor.

»Ich gehe zu meinem Raseur«, sagte ich.

»So?! Es ist auch mein Raseur. Hatten Sie nicht früher den kleinen in der ›Teinfaltstraße‹?!«

»Ja, früher – – –.«

[67] »So, früher, früher?!?«

»Nein, bitte, es ist ja gar nicht mein gewohnter Raseur, es war mir nur der Weg zu weit heute, bis in die Teinfaltstraße bei dieser drückenden Hitze –.«

»So, der Weg war Ihnen zu weit?! Nun freilich, es ist aber auch heute bereits vormittags eine drückende Hitze. Apropos – –.«

»Sobald ich in der Lage sein werde«, sagte ich und stieg zum Hoffriseur weiter hinauf.

[68]
ModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Mode

Die »Mode« ist das ästhetische Verbrechen an und für sich!

Sie will nicht das endgültig Gute, Schöne, Zweckmäßige. Sie will »immer etwas Anderes

Sie will das Taumeln von einem Irrtum zu einemanderen. Sie lebt vom Irrtum, der einem anderen Irrtum Platz macht. Sie lebt von kindischen Veränderungen. Die Mode mästet die Schneider, Schuster, Hutmacher.

»Man trägt heuer ...« ist eine verbrecherische Feigheit.

Man hat ewig und immer zu tragen eine den Gesetzen der Hygiene entsprechende Sache, eine künstlerische, einfache.

Ein leichter Girardihut mit edlem breiten Seidenbande kommt nie aus der Mode. Noch ein Panama. Noch ein Sombrero. Noch eine weiße Pikeebluse. Noch ein breiter lederner Gürtel. Noch ein fußfreier plissierter Glockenrock. Noch breite, weite amerikanische Schuhe mit stumpfen Absätzen. Noch ein spanischer Schal.

»Aus der Mode« kommen nur die Irrtümer, die kindischen Spielereien, das von Schneiders oder Hutmachers Gnaden Geschaffene!

Dein Kleid aber sei deine letzte Epidermis, deine feinste künstlerische Haut gleichsam!

Der »Schliefer«, dieses weite, bequeme und nicht sehr teure Kleidungsstück, darf niemals mehr aus der Mode kommen. Es gibt eben auch in diesen [69] Entwicklungsphasen endlich ein erreichtes Endziel. Die organischen Veränderungen finden nicht statt, um den Gewerbetreibenden Aufträge zu verschaffen, sondern um nach einer Reihe von Irrtümern endlich zum Endgültigen vorzudringen!

Der Kultivierte hat die Pflicht, sich den willkürlichen Veränderungen der Mode entgegenzustellen! »Man trägt heuer ...« ist ein verbrecherischer Idiotismus. Was kümmert uns die Bilanz der Schneider, Hutmacher und Schuster?!?

Bequem, dauerhaft, einfach, naturgemäß ... darin allein bestehe die Schönheit eines Kleidungsstückes.

Der edle Stoff wirke und die weite Bequemlichkeit!

Sich nach der Mode des Tages und der Stunde sklavisch richten, ist eine Gehirnschwäche!

Eine weite Bluse aus englischem Zephir, mit kurzem Stehkragen und edler englischer Kravatte, ein Girardihut mit breitem seidenen Bande, ein fußfreier Glockenrock aus englischem Stoff, ein breiter weißer oder schwarzer Ledergürtel können niemals »aus der Mode kommen«. Was aus der Mode kommen kann, war nie wert, getragen zu werden von irgend jemand Kultiviertem, auch nur eine Stunde lang!

Sich nach der Mode richten, ist bereits tiefste Unkultur. Es beweist die Sklavennatur.

»Man trägt heuer ...« ist ein verbrecherisches Wort des Unkultivierten.

»Man trage ewig!« ist der Ausspruch des Kultivierten.

[70] Der »Großglocknererklimmer« hat seit Jahrhunderten dieselbe Ausrüstung, adaptiert für seinen bestimmten Zweck! Wir haben ebenso bestimmte Zwecke im Leben, Gipfel zu erreichen. Sollen wir uns da von der »Mode« feige verhindern lassen?!?

Überlassen wir das den »Gigerln«, denen die gar keine Zwecke und Ziele haben im Leben! Die mögen »der Mode fröhnen«! So sehr ein Mensch vom anderen sich unterscheidet, so sehr ein jeder eine mannigfaltige, besondere und eigentümliche Welt repräsentieren soll, ebensosehr soll die Kleidung eine erste Repräsentanz dieser eigenen Welt bilden. Nie wird eine »Persönlichkeit« fragen: »Was trägt man?!?« Sondern sie wird autoritativ sagen:

»Ich trage mich so!« Für jede Dame gibt es ihr ideales Kleid, ihren idealen Hut, ihre idealen Schuhe, ihren idealen Gürtel, ihren idealen Sonnenschirm. Welche Beeinträchtigung der edlen Mannigfaltigkeiten der Menschen, wenn man sich feig und skeptisch nach der Mode richtet!?!

Wie ein Gedicht gleichsam von selbst sich herauskomponiert aus einem bestimmten Dichterorganismus, so müßte jede Dame ihre Kleidung erdichten aus ihren ureigensten inneren Bestimmungen!

»Sie ist verrückt« ist dann ein Ehrentitel für »Mut seiner Persönlichkeit«. Die Farbe, die Form, die Gewebeart deiner Bluse, die Knöpfe oder Bänder daran seien so sehr dein Eigenstes, wie hundert andere Eigentümlichkeiten deines sonstigen Wesens!

»Fräulein Isabella, was tragen Sie da für eine merkwürdige Bluse?!?«

»Es ist die Isabellabluse!«

[71] »Aber dieser Schirmgriff, bitte?!?«

»Es ist der Isabellaschirmgriff!«

Sei, der du bist! – – –

Nicht mehr, nicht weniger. – – –

Aber der sei!

Und in allem und jedem!

[72]
Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Die Kindheit

Wo seid ihr, Zeiten, da wir Kinder sorgenlos, in guten Wagen, mit unseren Eltern, der wunderschönen Mama und dem wohlwollenden Papa, in unser geliebtes Kaiserbrunn fuhren, zwei- bis dreimal in der Woche, an duftenden Weiden vorbei, durch Hirschwang mit seinen Eisenhämmern; wir kannten alle Felsenstücke des Schwarzaufers und alle Stellen, wo in smaragdenem Wasser die dunklen Forellen standen und verschwanden. Und bevor wir uns zur Jause setzten, war unser Weg zu der geheimnisvollen Quelle im Schneeberge, wo aus unbekannten Tiefen der Kaiserbrunnen ein dunkles kleines Bassin in einer kalten Felsengrotte füllte. Eine Blechkanne an langem Holzstiel wurde in die dunkle Kälte hinabgetaucht, und dann tranken wir das Wasser, das ganz anders schmeckte wie alles andere Wasser, man könnte sagen: säuerlicher. Und dieses märchenhafte Wasser, mit der langstieligen Blechkanne heraufgefischt aus dunkler Grottenkälte, rinnt uns nun von selbst in die Häuser der Großstadt. Sooft ich aber im Kaffeehause den ersten Trunk dieses wirklich adeligen Wassers nehme, gedenke ich dieser herrlichen Wagenfahrten in der Kinderzeit nach dem Kaiserbrunn im Höllentale. Man öffnete uns eine versperrte verriegelte kleine dicke Tür, man betrat im Berge eine kalte dunkle Grotte und trank aus dem Kaiserbrunnen. Nun fließt er in allen Küchen aus Messingpipen. Wo seid ihr, Zeiten, da wir Kinder sorgenlos, in guten Wagen, mit unseren Eltern, der wunderschönen Mama und dem wohlwollenden Papa, zweibis [73] dreimal in der Woche in das geliebte Kaiserbrunn fuhren im Höllental?!? Die Mutter ist im Grabe und der Vater ist ganz alt. Und in allen Küchen der Großstadt fließt, seines Mysteriums entzaubert, der geliebte Kaiserbrunnen – – –.

[74]
Vita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Vita Ipsa. Das Leben selbst!

12. September 1905. Gerichtssaalnotiz.

Der 27 jährige Stationsaufseher K.M., bedienstet in einer kleinen Station nächst Br., war in heißer Liebe entbrannt, wie der »technische Ausdruck« lautet, zu der Tochter eines Bahnarbeiters, der 16 jährigen Marie K ... Das hübsche Mädchen wollte aber von K.M. nichts wissen, weil er ein schlechter Bostontänzer war, Einschrittwalzer!

Sie sagte es am 16. Mai auch ihm direkt ins Gesicht, als er sie am Kirchweihtage zum Tanze führen wollte ...

K.M. gab nicht nach, bat, drängte, flehte, weinte. Das Mädchen ließ sich nicht erweichen, haßte ihn ob seiner Unzulänglichkeiten, stieß ihn von sich. Sie ging mit einem idealen Bostontänzer zum Tanze. Alle sahen begeistert zu und applaudierten. Nun provozierte K.M. einen Skandal. Er wurde gefoltert von Verzweiflungen. Die Mutter der K. bewog das siegestrunkene Mädchen, den Tanzboden zu verlassen.

M. eilte ihnen nach, holte sie bei ihrer Wohnung ein und rief: »Ich kann nicht Boston tanzen, aber ich liebe dich...«

Er schoß dreimal und die K. stürzte blutend zusammen. Die Geschworenen sprachen ihn des Mordes einstimmig schuldig, worauf ihn der Gerichtshof zum Tode durch den Strang verurteilte ...

Er dachte: »Ich konnte nicht Boston tanzen, Einwalzerschritt. Aber ich liebte dich von ganzem Herzen ...«

[75] Der Journalist dachte: »He, aus dieser Sache läßt sich bei einigem Talent etwas Feines machen ...«

Er drehte es, zog es auseinander, walkte es, bog es, erläuterte und schilderte, wie, wo, weshalb, zerstörte die Natur und brachte seinen eigenen feinen Geist, seine Beobachtungsgabe, seine minutiösen Feinfühligkeiten ...

So, daß die Kenner sagten: »Der kann schreiben!« Aber das Leben in seiner einfachen genialen Tragik lachte Hohn über die Bemühungen des Journalisten ...

So wie es sich ereignet hatte in seiner merkwürdigen Primitivität, so war es auch künstlerisch bereits das Vollkommenste!

Der Journalist hingegen nahm die Elogen entgegen seiner Freunde, die zu ihm sagten: »Du hast es wirklich erst ins rechte Licht gerückt ...«

[76]
Das süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Das süsse Mädel
1. Vertrauen

»Du, Peter, ich verlass' mich auf dich, in allem. Du weißt es. Also bitte, sollen wir heute mit unseren alten Kavalieren in den ›Englischen Garten‹ gehen oder mit anderen anderswohin?!?«

Ich bewies ihr mit hundert Gründen, daß sie in den »Englischen Garten« gehen müsse mit ihren alten Kavalieren.

Sie sagte: »So ist es. Nein, was du für ein vernünftiger Mensch bist und dabei doch so ein großer Narr, Peter! Wenn man nur dir immer blindlings folgen möchte – – –«

Nach einer Viertelstunde sah ich sie, ganz vertieft, Karten aufschlagen – – –.

Plötzlich rief sie: »Ich habe es ja gewußt, daß man sich auf dich verlassen könne! Denke dir, Peter, es geht wirklich in den Karten ganz auf für den ›Englischen Garten‹ – – –.«

2. Das Rendezvous

Sie hatte bereits drei Rendezvous nicht eingehalten für Punkt 5.

Sie schrieb ihm trotzdem: »Komme doch, bitte, morgen Punkt 5.«

Er kam Punkt 5, brachte dunkelrote Nelken und weiße Kornblumen, eine Flasche Parfüm »Cuir de Russie« und edle Rosenseife.

Sie war aber nicht zu Hause.

Er wartete bis 8. Er legte Blumen, Parfüm, Seife auf ihren Bettpolster, ging weg.

[77] Am nächsten Tage bestellte sie ihn wieder für Punkt 5.

Er brachte drei Paar hellgraue schwedische Handschuhe, dunkelrote Nelken mit weißen Kornblumen. Sie war aber nicht zu Hause. Er wartete bis 8. Am nächsten Tage schrieb sie: »Komme Punkt 5«. Er dachte: »Was könnte ich ihr wieder morgen kaufen, das ihr Freude bereiten könnte – – –?!«

[78]
Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Kleine philosophische Abhandlung
über den Wert der Voraussicht

Principiis obsta! Im Anfange gleich müßte man sich wehren, sich entgegenstemmen! Dies wird ein Fundamentalsatz werden in der Entwicklung des modernenGehirnmenschen. Das Vorauserblicken von drohenden Gefahren in körperlicher, seelischer und ökonomischer Hinsicht, also in bezug auf die drei. Quellen unserer Lebensenergien!

Der moderne Gehirnmensch wird in seinen Clairvoyancen, in seinem Cassandrablicke den Eindruck machen müssen für die noch nicht Fortgeschrittenen eines Verfolgungswahnsinnigen! So wenig wird die unerbittliche Logik seines Vorauserkennens von den anderen noch erfaßt werden können!

Die Milliarden von Gefahren, die dem Körper, der Seele und der dritten lebenspendenden Kraft unseres Organismus, unserem Gelde, drohen, werden dem modernen Gehirnmenschen mit einer so ungeheuren und übertriebenen Deutlichkeit erscheinen, daß diese ihn zwingen wird, vorzeitig Vorkehrungen zu treffen zur Abwehr. Schicksalergeben sein ist eine Stupidität. Ich habe das Wort geprägt »Der Mörder Optimismus«! Die dumme Froheit des Leichtsinnes muß ersetzt werden durch die Bismarck-Weisheit unerbittlichen Voraus-Erkennens.

»Eine Lawine – – –!« schrie der Kenner, sah ein Kieselsteinchen ins Rollen kommen und sprang zur Seite.

[79] »Wo?! Ich sehe nichts!« sagte der sorglose Spaziergänger und war bereits verschüttet und begraben.

Dieses mein hier vorgebrachtes Prinzip hat vor allem seine kraftspendende, kraftersparende Anwendung auf jene furchtbare und tückische Erkrankung unserer Seele, »Eifersucht«, diesem wirklichen Krebs der Seele, diesem Aufzehrenden unserer Lebensenergien! Man kann da überhaupt nicht vorausschauend genug sein! Je früher man sich zurückzieht, je heftiger der gleichsam begründete Vorwurf, wir hätten nur Verfolgungswahn, uns trifft, desto gesünder für unser Seelenheil! Die Kraft unseres liebevollen Herzens, diese wirklich göttliche Kraft in uns müssen wir uns doch wirklich aufsparen für Seelen, die daran reich und glücklich werden können und so uns belohnen durch ihren eigenen erhöhten Frieden! Ein Steinfeld mit edlem Weizensamen besäen?!? Wie töricht! Wie zwecklos!

In bezug auf den »seelischen Schutz« bei Eifersuchtserkrankungen finde ich eine gewisse Anekdote einfach für kernschußtreffend:

Ein Gast saß in einem Restaurant und die riesige Dogge eines Nachbars beschnupperte ihn. Infolgedessen gab er dem Tier einen schrecklichen Faustschlag auf die Nase. Der Besitzer des Tieres stellte ihn nun zur Rede und sagte: »Wie können Sie den Hund so schlagen, er hat Sie ja bloß beschnuppert – – –?!?«

»Ja, soll ich warten, bis ich ihm schmecke?!?« erwiderte der Gast. Principiis obsta! Im Anfang gleich sich zur Wehr setzen.

Ein Herr sagte zu einem anderen: [80] »Weshalb machen Sie eine ›Saureoberskur‹ durch, seit Monaten, mein Herr?!? Sie sind ja blühend und gesund!?!«

»Wenn ich erst dann saures Obers, dieses moderne Göttergetränk, anfinge zu trinken, bis ich es nötig hätte, wäre es bereits zu spät – – –«

Eine Dame sagte: »Karl, Karl, du machst mir eine Szene, wie wenn ich wirklich schon etwas angestellt hätte ... Das ist doch furchtbar ungerecht von dir – – –« – »Ich weiß. Hildegarde, daß eine Szenenachher dir lieber gewesen wäre!«

Ein Kaufmann sagte: »Drei Jahre lang habe ich von meinem Kapital abgeschrieben. Aber das vierte Jahr könnte ich es mit einem Schlage dennoch hereinbringen«.

Mit einem Schlage. An diese feige Phrase klammerte er sich wie der Ertrinkende an einen Strohhalm.

Mit einem Schlage aber sagte er Konkurs an.

Dieser feige tückische Mörder »Optimismus«!

Bismarck träumte nicht: »Vielleicht wird ein Deutsches Reich erstehen – – –«.

Er wußte es! Er hatte es mathematisch ausgerechnet in seinen vorausschauenden göttlichen Kräften. Infolgedessen ist er ein moderner Mensch par excellence!

Sein möglich erreichbares Reich vorausschauen können ist alles! Es ausrechnen können, nicht es erträumen!

Darin besteht die Kultur, eine Übersicht zu haben über seine Lebenskräfte und danach alles einzuteilen!

Was nützte dir Sehnen und Erhoffen?!? Schreite den Weg deiner dir zugemessenen Kräfte!

[81]
Ergebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Ergebnisse der Sommerfrische
der jungen Frau B.

Die übrigen Damen der Pension gingen in den Wald, den friedevollen, duftenden, oder sie saßen in den Hausgärten, liebevoll beschützt vor Sonne und Staub. Ich aber ging in mein geliebtes Geschäft für Halbedelsteine auf dem brennheißen staubigen Postplatz. Es zog mich wirklich magisch hin. Dort, dort fühlte ich mich der Natur und ihren unerhörten Prächten und Merkwürdigkeiten noch näher gerückt als in Garten und Wald. Es war hier das Märchen der Natur vorhanden, das Außergewöhnliche, die höchste künstlerische Emanation derselben, ihr exotischer Höhepunkt! Der Geschäftsinhaber behandelte mich demgemäß wie ein Geschöpf aus einer anderen Welt ... »Also endlich, endlich bist du, Menschenkind, erschienen, das für meine starren Lieblinge dieselbe edle Zärtlichkeit empfindet wie ich Sonderling!«

Wir sprachen nur über Steine miteinander und ihre Farben und ihre Wirkungen. Wir begründeten innerlich die märchenhafte Halbedelsteinwelt! Darin fanden wir uns vollständig. Es war, wie nach vielen Mißakkorden des Lebens, ein Akkord! Es gab nur Einklang und Begeisterung. Er war ein reicher unabhängiger Mensch und ich eigentlich auch. So fanden wir uns in dieser mysteriösen Prachtwelt der Halbedelsteine, die seinen Laden füllten! Er war ganz alt und schneeweiß. Aber er war der liebevolle Herr und Hüter der Schätze der Natur selbst, die mir ans Herz gewachsen waren!

[82] Da befand sich z.B. ein Stück Goldtopas, talergroß, das leuchtete milde wie die Sonne an kalten Herbsttagen. Es bezauberte in seinem milden tiefen Glanze. Preis hundert Kronen.

Ich dachte: »Möge es doch einer erstehen, dem es wirklich eine kleine geheimnisvolle kühle Herbstsonne repräsentieren könnte!«

Dann war ein Opal vorhanden, weißgrau-grün, nur in zwei Farben. Wie das Leuchten von Fischaugen! Dann ein Opal wie zersplitterter Regenbogen! Dann einer, der nur hier und da blaulila aufflackerte und dann erlosch, und wieder aufflackerte in lilablau! Und dann erlosch! Bergkristalle gab es, schwer wie Blei und dennoch den Eindruck machend von Wassertropfenleichtigkeit, von festem Wasser! Schwarze, geschliffene Schalen mit weißen Adern. Rostrote Karneolschalen. Papiermesser aus weißgrünlichem Moosachat. Und eines wie Waldesmoos mit Scharlachpilzen.

Man betrachtete mich in der Pension wie eine Hysterische, machte sich höchstwahrscheinlich lächerlich über mich. Einer aber kaufte mir einen meiner ersehnten Lieblingssteine. Ich sagte: »Ist es wegen mir oder wegen des wundervollen Steines, den Sie vielleicht nur einem.verständnisvollen Menschen gönnen, anvertrauen wollen?!?«

Er erwiderte: »Es ist nur Ihretwegen, Gnädige. Kieselsteine haben für mich keinen Reiz ...«

Da refüsierte ich ihm sein Geschenk, obzwar es mein geliebter Stein war ...

Die übrigen Damen saßen im frischen ruhigen Walde oder in Hausgärten, an schattigen duftenden[83] Plätzen. Mich aber zog es zu dem brennheißen staubigen Postplatz hin, zu dem Geschäfte des alten Halbedelsteinhändlers. Ich sagte zu dem Besitzer: »Mein gütiger Gatte hat mir heute geschrieben:

Meine Teure, kaufe Dir doch Deine Lieblinge, an welchen Du so sehr zu hängen scheinst. Ich bin glücklich, Dich glücklich machen zu können. Ich will gern das ironische Lächeln unserer Mitmenschen in Kauf nehmen für Deine Begeisterungen, wenn ich sie auch selbst nicht teile und begreife!«

Und so erstand ich den Opal, der wie ein Fischauge glänzte, und den Goldtopas, der wie die liebe liebe Sonne war an klaren Herbsttagen. Und das Papiermesser aus Moosachat, wie feuchter Waldesboden mit Scharlachpilzen.

»Sie will sich apart machen, interessant«, dachten viele. Aber ich ertrug das, wie das Dichterherz sein Schicksal erträgt! Böswilliges Unverständnis! Wie, wie könnte es etwas anderes geben bei den Unmenschlichen?!? Meine geliebte Halbedelsteinhandlung auf dem brennendheißen staubigen Postplatze! Wie hänge ich an dir, verstehe, achte deine Schätze!

Und die anderen sagen: »Sie will sich apart machen, interessant, etwas Exzeptionelles ...«

Unsere Stunden aparten exzeptionellen besonderen Glückes werdet ihr uns aber dennoch nicht damit rauben können, Skeptiker!

[84]
Cleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Cleo de Mérode

Cleo de Mérode, du bist ein Paradigma der ästhetischen Kraft, sich äußerlich individuell zu gestalten, seine exzeptionelle Art auch nach außen hin künstlerisch zum Ausdruck zu bringen – – – Dein edler aristokratischer Nasenrücken, deine adelige Stirne, deine Augen, die Linien deines Kinnes schrieben es dir gleichsam vor, mit der öden Alltäglichkeit zu brechen und eine neuartige Umrahmung deines Edelhauptes vermittels dieses wunderbarsten Schmuckes »Haare« zu komponieren!

Es sind »spielerische Kleinigkeiten«, Niaiserien, für den Philister! Aber der Künstlermensch spürt darin bereits den gleichgearteten Künstlermenschen!

Zu allem Wertvollen gehört schließlich auch organisch (dieses Wort reite ich zu Tode) das Dekorative desselben, eine organische Mise-en-scène.

Zur musikalischen Nachtgartenstimmung in »Tristan und Isolde« gehört die Dekoration Rollers, diese liebereiche Nachahmung der mysteriös-poetischen Natur, die gleichsam mitwirkt, mittönt!

»Ich liebe die Form deines geliebten Hauptes mit den glatt gescheitelten Haaren – – –«, sagte der Künstler, »und mein Schmerz ist, daß die anderen es nicht beachten, es für nichts achten! Es ist doch so viel, bereits einen wohlgeformten Schädel zu besitzen – – –«

Cleo, du bist wie eine lebendig gewordene wertvolle Kamee! Und die Zeit kann dir kein Leid antun!

Das sind seltene künstlerische Dinge in dieser sonst öde gleichmäßig uniformierten feigen Menschheit! [85] Heraustreten dürfen durch etwas Exzeptionelles, das sich berechtigt macht durch eine besondere Vollkommenheit, ist der Weg zu einer Weiterentwicklung der Menschheit überhaupt!

Wer die »konventionellen Formen« sklavisch einhält, weiß genau, weshalb er es tut. Es fehlt ihm eben das Besondere, das ihn innerlich berechtigte, gezogene Grenzen in Freiheit zu überschreiten!

»Ich will nicht auffallen« heißt »ich darf nicht auffallen«. Es gibt Menschen, die sich eben exponieren dürfen, dem Spotte, der Begeisterung, gleichviel! Cleo, wie eine lebendig gewordene Kamee bist du, herausbefördert aus den Schätzen des Altertumes! Und dazu diese eigentlich tiefste aller Frauengenialitäten: »nicht altern«! Das, was sich alle, alle Frauen erträumen, seine eigenen Schönheitsmöglichkeiten bewahren können, über den unbesiegbaren Todfeind »Zeit« dennoch zu siegen, das erschaut man an dir gerührt, Cleo! Dabei tanzest du sanft und eigentlich lässig, wie eine Gräfin am Brettl tanzen würde! Du bedarfst keiner Entfettungskuren, denn dein körperlicher Adel schützt und schirmt dich von selbst! Du führst den modernen Frauen gleichsam ihr ersehntes Idealbild vor und in diesem Sinne bist du Künstlerin!

[86]
RheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Rheingold

Diese merkwürdige Spannung beim »Rheingold«; man wartet fast ängstlich-sehnsüchtig auf den ersten Ton und das Rauschen des Rheins. Man ist andächtiger als sonst je! Wie wenn das Rauschen, Fließen, Schimmern des Wassers alles überspülte, was die Götterlein und die Menschlein erleiden, erleben und für wichtig halten! Es beginnt mit der Tragödie »Pànta rèi«, alles befindet sich in fließender, sich umgestaltender Bewegung in der Welt. Es beginnt mit dem Rauschen, Fließen, Schimmern des Rheines. Ich dachte: »Auf alle Fälle habe ich Hasenpastete mitgebracht, denn es gibt keine Pausen. Ich werde der edlen englischen Tänzerin, die mich in ihre Parterreloge eingeladen hat, im geeigneten Augenblick von meiner Hasenpastete anbieten«. Aber es kam lange nicht dazu. Maler Roller hat links ins Eck uralte Bergföhren hingestellt, mit abgebrochenen Seitenästen und kahl, die auch ruhig besonnen blicken auf die tragischen Verwicklungen! Wie kam mir als Knabe das Gymnasium vor mit seinen Tagestragödien, wenn ich im Sommer auf dem »Pürsthof«, einer Alm im Schneeberggebiet, nächtigte und um 5 Uhr morgens über triefendes Almgras in den Forst kam, wo uralte Bergföhren mit gebrochenen Ästen und grauem Haarmoos standen und der Klopfspecht hämmerte wie ein fleißiger Schmied der Natur selbst?!? So sah ich heute, dank dem Maler Roller, die ernste Natur wie ein weiser Chorus folgen den Schicksalen der Schicksalunterworfenen! Rheinestiefe, alte Bergföhren, dunstignebeliges [87] Rheintal umspannten die armseligen Schicksale, die Herz und Geldgier schufen. In der rechten Ecke meiner Parterreloge Nr. 7 sah ich aus Holz geschnitzt eine goldene Karyatide mit adeligsten goldenen Gliedern. Sie war so ruhig in ihrer Vollkommenheit, so sicher, so überlegen nackt. Man durfte sie anschauen, ohne daß sie irgendwie geniert wäre. Auch sie thronte über den Dingen. Ich dachte: »Welcher vergessene Künstler hat dich verfertigt, welchem tadellosen Modell verdankst du deine Gestalt, das vielleicht längst an dem und jenem zugrunde gegangen ist?!?« Um 9 Uhr dachte ich an meine Hasenpastete, die, doppelt in Pergamentpapier eingewickelt, gut aufbewahrt war in meinem Rocke. Nun kam Erda aus einem Erdspalte und warnte Wotan. So der Natur gleich ist ihr Singen, wie wenn der Rhein, die Bergföhren, die nebeligen Täler warnen würden vor Kleinlichkeiten! Der Mensch, der Zuschauer, der Zuhörer erschauert, wenn Erda warnt! Ewig warnt uns in gleicher eindringlicher mysteriöser Weise vor unseren eigenen Irrsinnen die ernst-gerechte Natur ... Aber wir erbauen dennoch Burgen und Luftschlösser! Walhalla lassen wir uns erbauen von betrogenen und betrügerischen Schlechtrassigen! Plötzlich sagte die edle englische Tänzerin, die mich in die Parterreloge eingeladen hatte: »Ich habe einen sehr großen Appetit, trotz allen diesen wunderbaren Dingen – –.« Da gab ich ihr im Hinterzimmerchen der Loge meine Hasenpastete. Möge kein fanatischer Wagnerianer sie begeistert essen gesehen haben, während die heiligen Takte gespielt wurden, möge kein fanatischer [88] Wagnerianer meinen gerührten Blick gesehen haben, daß ihr die »Hasenpastete« schmeckte, während »Rheingold« weiterging. – – – Aber zum Schluß waren wir dennoch ganz hingerissen; und wir begriffen es gar nicht, daß wir mitten drin hatten Hasenpastete essen können mit Befriedigung!

[89]
Sonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Sonnenuntergang im Prater

Sie waren stundenlang im Grabenkiosk gesessen, letzter Augusttag, hatten Fiaker betrachtet mit Fremden, Automobile, wie Zugvögel von fernen Reisen, Damen auf dem Trottoire, die wunderbar sicher dahinglitten, und andere, die trippelten und tänzelten, um etwas Besonderes aus sich zu machen.

In dem Kiosk saß eine Französin, die man nur mit den Augen grüßte. Und ein süßes, junges Geschöpf mit seiner »Tante«, das man auch nur mit den Augen begrüßte. Und fremde Damen mit Schleierhüten, die man überhaupt nicht grüßte. Und einige Männer, die schon vom Urlaube zurückgekehrt waren. Alle diese Menschen kamen sich ein bißchen deklassiert vor, daß man sie im Grabenkiosk ertappte in der Haute-Saison, während die anderen noch in Ostende oder Biarritz – – –

Die beiden Freunde machten trotz alledem einige wichtige Beobachtungen, sammelten einige seltene Exemplare von Menschlein für ihre innerliche Käfersammlung, spießten sie auf, teilten sie ein in allgemeinere Klassen.

Um 6 Uhr kam das rote Automobil, Mercedes 18–24, entführte sie in die Krieau. Dort war ganz staubfreie Landluft und Stille. Ein Herr in schwarzem Anzug und schneeweißen Handschuhen bestieg ein Pferd. Ein Fiaker brachte eine Tänzerin (die Hofoper war bereits geöffnet), ein graues Automobil kam an, dumpf, Baryton singend, also über 30 HP. Das Gärtchen war voll gelber Blumen, die wie kleine Sonnenblumen aussahen, und die Kaninchen im [90] Käfig stellten die Ohren unregelmäßig schief. Die beiden Freunde rauchten Prinzesas und glotzten auf die zumeist leeren weißen Tische und Bänke. Im Vorfrühling, im Herbste entwickelt sich hier ein Leben und »Treiben«. Aber man hatte den 31. August!

Infolgedessen fuhren die beiden Freunde weiter zum Winterhafen.

Donau, kleines Bahngeleise, große Lederfabrik, holperiges Granitpflaster, gut genug für Schneckengang gehende breiträderige Lastwagen! Das Automobil aber sprang, galoppierte, hüpfte, war wie deklassiert auf dieser gepflasterten Lastenstraße. Links war der Winterhafen, rechts ein erhöhtes Plateau aus Donausand und Donaukieselsteinen errichtet, bespickt mit jungen Birken. Da hatte man einen Rundblick auf bleigraue Hügel, schwarze Fabrikschornsteine und die Glut des Sonnenunterganges. Man sah das düstere Pulvermagazin, den Laaerberg, den Zentralfriedhof, den Kahlenberg – – –. Wie in grauem, flüssigem Blei des Himmels und der Erde wogte die dunkelrote Glut der Sonnenuntergangsstreifen. Die Lederfabrik war wie ein schwarzes Ungeheuer, und drei riesige Schornsteine sandten schwarzen Rauch in die Glut, wie schmale Dampfspritzen, die ungeheuere Brände löschen möchten! Die dünnen, zarten Birken auf dem Donauschütte bebten im Abendwind, und die beiden Freunde suchten schöne, glatte, hellbraune Kieselsteine aus als Andenken an den friedevollen Abend. Auf der Landstraße wartete das rote Automobil, Mercedes 18–24, das ein kleiner Landstraßen-Orientexpreßzug werden konnte bei Schnelligkeit vier.

[91] Die rote Glut im Blei des Himmels wurde himbeerfarbig, dann dunkelgraurot. Die beiden Freunde sagten: »Nun gibt es nichts mehr zu schauen. Das Stück ist zu Ende«. Sie bestiegen daher das rote Automobil und sagten zu dem Chauffeur: »Geschwindigkeit vier, bitte – – –«

Sie rasten in den Grabenkiosk zurück.

Dort saß noch die Französin, die man nur mit den Augen begrüßen durfte.

Aber in dieser Stunde durfte man bereits zu ihr sagen: »Guten Abend – – –«

Und die beiden Herren sagten höflich: »Bon soir – – –«.

[92]
Die Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Die Königswiese in der Vorderbrühl

Ganz von dunklem Wald umsäumt, wie ein riesiger Teich von hellem grünen Grase. Das wunderbare Gras, nur spärlich untermischt mit lila und rosa Blüten, ist vor dem Tritte des Wanderers beschützt. Gleichsam ein jungfräulicher Grasboden. So sind die Wiesen dort, wo noch kein Entdecker hingekommen ist, so waren die Wiesen, bevor es Menschen auf der Erde gab. Ziehende Wolken machen Teile der Wiese plötzlich dunkel, während andere Teile wieder plötzlich stärker erglänzen infolge des Windes, der die Halme legt. Verlorene Baumgruppen stehen da wie kleine Inseln, ein bißchen Schatten spendend für niemand. Um die ganze riesige Wiese herum führt ein Spazierweg, hart an dem dunklen Tannenwald an. Die Sonne extrahiert aus Wiese und Wald einen intensiven Parfüm. Man müßte ein Büchlein schreiben nur über Wiesen. Die Wiese, dort, »wo die Großstadt abrinnt, abtropft«, dicht besetzt, belegt mit Kindermädchen und Kindern, vom Staub der nahen Landstraße gemartert, und absterbend, dennoch ein wenig Erholung spendend, in späten Abendstunden vielleicht sogar Glück – – –

Die wunderbare Bodenwiese auf dem Gahns, dem Vorberge des Schneeberges, über die man zwei Stunden lang geht und die 100 Mäher vier Wochen lang abmähen. Das edle Kohlröserl blüht dort zahlreich, das sanft nach Schokolade duftet.

Dann die feuchte Wiese, durch die ein Bächlein fließt. Die trockene kurzgrasige ausgedörrte Wiese.

[93] Die Wiese, die infolge von bestimmten Halmen mehr braun aussieht. Die Wiese, die infolge bestimmter Blüten mehr weiß aussieht. Die gelbe Wiese. Die lila Wiese. Die kurzen Wiesen auf dem Hochschneeberg, belegt mit dicken grauen Schneeflecken und dichtem schwarzen Zirbelholzgestrüpp. Die wie künstlich gefärbte Wiese im Hausgärtchen, bespickt mit zarten Rosenstöckchen. Die Wiese auf dem englischen Landsitz, die erst durch dreihundertjährige Züchtung zu dem geworden ist, was sie ist, die edelrassige Wiese.

Der Essayist würde sagen: »Kehren wir nun nach dieser kurzen Abschweifung zu unserem ursprünglichen Thema zurück – – –«.

Nun gut, kehren wir dahin zurück. Wie ein riesiger Teich von hellgrünem Grase liegt die Königswiese in der Vorderbrühl, eingebettet zwischen dunklen Wäldern. Überall ringsherum sind Bänke, gleichsam Parkettsitze, um die Wiese und ihre wechselvollen Schönheiten zu bewundern. Aber selten gleitet ein träumerischer liebevoller Blick über sie ihn. In Mondnächten atmet sie sogar weiße Nebel aus. Aber niemand sieht es.

[94]
RechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Rechtspflege

Vor wenigen Wochen wurde eine junge Mutter zu vier Jahren Kerker verurteilt, die ihr vierjähriges Töchterchen zu Tode gemartert hatte; diese Mutter hatte nach der ersten Anzeige mitfühlender Nachbarn vom Richter einen »strengen Verweis« erhalten. Mit desto tieferer Wut, desto geheimnisvoll geschickter (Knebel im Mündchen) vollführte sie von da an ihr Werk »der Zerstörung«. Dieser eine Fall hätte die »grausame, bequeme, feige Gesellschaft« aufrütteln sollen! Keineswegs. Wenige Wochen später, vorgestern, erhielt eine junge Mutter, die ihr zweijähriges Töchterchen mit einer ledernen Hundspeitsche bearbeitete und ihr Schreien mit Tüchern im Mündchen verhinderte, wieder den für das Opfer vielleicht todbringenden »strengen ersten Verweis«! Es steht mir nicht zu, in die Geheimnisse der gewiß organisch, historisch und naturgemäß entwickelten Rechtspflege kritisch-mißtrauisch zu blicken. Auch begreife ich besser als viele andere die Verzweiflung hysterischer, überbürdeter, arbeits-belasteter armer junger Mütter, die ihrem eigenen Schicksale, trostlos und die Welt verfluchend, gegenüberstehen – – –. Ich verstehe sogar diejenigen, die sich »an ihren eigenen unschuldigen Würmchen«, für die Brutalität und Gemeinheit des Lebens rächen – – –. Ich verstehe die »Hysterie der menschlichen Seele«! Was ich aber nie und nie verstehen werde, ist, daß nicht Tausende reicher Mütter sofort Spenden senden, damit die durch den »ersten strengen Verweis« des Richters aufgereizte Mutter [95] ihr ungeliebtes Kindchen irgendwohin »in Pflege« geben könne!?! Ich selbst zeichne 10 Kronen. Es ist nicht Edelsinn, ich will nicht im Halbschlafe die Lederpeitschenhiebe niedersausen hören auf die überzarte Haut einer Zweijährigen! Es stört mich.

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PA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

PA-Kollier

PA-Kollier


Ich bin einfach paff, auf der Straße, in den eleganten Restaurants, im Theater noch immer einer Menge Damen zu begegnen, die noch kein PA-Kollier tragen. Da erfinde ich wunderbare Perlenschnüre in Porzellan, Holz und Seide, und man verhält sich renitent. Soll denn die tiefe Idee, daß man von der Dichtkunst allein nicht leben könne, gar nicht belohnt werden?!? Wer hat denn dieser Idee besseren Ausdruck gegeben als ich, der ich mir beim Magistrat einen Hausierschein erworben habe?!? Dabei haben meine Schnüre die schönsten Namen, die gar nichts kosten, und eine Bleiplombe mit meinem Namen, die auch gratis ist. Die Namen sind – – – aber ihr kauft sie ja doch nicht! Die Namen sind also: Vorfrühling (apfelgrün-hellbraun), Heidelbeere (schwarzbraun), Spätherbst (dunkellila-hellbraun), die Gmundener Schnur (grün-schwarz-grau), Salamander (gelb-schwarz) usw. usw. Es gibt bereits zwanzig verschiedene Schnüre, aber das interessiert euch natürlich nicht! Freilich, wenn es sich um praktische warme Winterkleider handelte, da seid ihr dabei! Ich will übrigens nicht unartig sein und der Menschheit lieber noch ein wenig Zeit lassen, zur Besinnung zu kommen. Vielleicht ist doch mit ihr ein Geschäft zu machen!? Ich habe zwei junge Arbeiterinnen sitzen, mit Stumpfnäschen und Cleo de Mé rode-Frisuren, die einen Taglohn beziehen wie keine Arbeiterin dieser Erde! Direkt einen romantischen Taglohn. Ich selbst beziehe ihn von einem reichen Freunde, den ich anpumpe, unter dem Vorwande, [97] es müsse ein Weltgeschäft werden. Aber es kräht kein Hahn danach. Die Arbeiterin braucht zu jeder Schnur geschlagen dreiviertel Tage. So lange Pausen macht sie. Nein so exakt und delikat ist die Arbeit. Es wird nie eine Fabrikware werden können, nie! Weil man nicht einmal einzelne kauft.

Ich mache auch Schnüre in Halbedelsteinen. Die eine heißt »Der graue Tag«. Ich darf dieselbe leider nicht schildern, weil ich den Musterschutz für Frankreich, England und Amerika noch nicht erworben habe, und sie sich darauf sonst stürzen würden!

Ich sage daher nur: sie ist weiß, grau und grün.

Jetzt werden die beiden Länder schlaflose Nächte haben.

Gestern, in der Vorlesung eines Dichters, erblickte ich zum erstenmal eine Schnur, »Heidelbeere« benamset, an der wirklichen weißseidenen Bluse eines wirklichen lebendigen und überaus süßen Geschöpfes. Ich war tief gerührt. Also doch eine!

Später erinnerte ich mich, daß ich sie ihr einige Tage vorher zum Geschenk gemacht hatte.

Eine der Schnüre in Halbedelsteinen heißt »Moos im Schnee«. Wenn ich daran denke, daß es Leute geben wird, die sich diese Schnur werden erkaufen können, bekomme ich direkt Verzweiflungen über die heutige Ordnung der menschlichen Gesellschaft. »Was, du Hund, für dein armseliges Geld willst du dir diese Weltenpracht, an der meine ganze Künstlerseele hängt, erkaufen können?! Geben Sie zehn Kronen drauf, und die Schnur gehört Ihnen, wie sie geht und steht ...«

[98] Ich bin durch den Gedanken an Erwerb augenscheinlich bereits ganz verkommen. Bisher ließ ich mich von einem geliebten Bruder erhalten, der es leider nicht dick hatte. Aber jetzt, wo ich anfange, auf eigenen Füßen zu stehen, verliere ich jeglichen Halt.

Ich kann nicht schließen, ohne einen unserer berühmtesten Schauspieler zu zitieren, der an mich schrieb: »Ich habe nie daran gezweifelt, daß Ihrekunstgewerblichen Erdichtungen mit Ihren anderen gleichen Schritt halten ... «

Ich denke seitdem ununterbrochen gespannt darüber nach, ob das ein Lob oder eine Beschimpfung ist?!?

[99]
ErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Erlebnis

Ich erzähle eine Geschichte aus meinem Leben. Sie hat vielleicht nur Interesse, weil sie wahr ist. Aber das ist sie wenigstens buchstäblich.

Es war vor ungefähr 15 Jahren und ich hatte damals weder etwas veröffentlicht, noch je etwas geschrieben. Da sagte mir ein liebes gutmütiges Mädchen in einem Geschäfte: »Herr Doktor (irgend einen Titel mußte man mir doch geben), Herr Doktor, meine jüngere Schwester, das ›Sanfterl‹, wie wir sie alle nennen wegen ihrer Sanftmut, möcht' nur einmal im Jahr auf einen Ball geführt werden, nur zum Zuschauen. No, und weil sie diese noblen Grabenfiaker den ganzen Tag von ihrem G'schäft aus sieht, wo sie bedienstet ist, bildet sie sich halt den Fiakerball in der Gartenbaugesellschaft ein, das Dummerl. Ich vertrau' das Mäderl aber nur einem einzigen Menschen an, das sind Sie!«

Und so ging ich mit Elise auf den Fiakerball. Sie langweilte sich in meiner Gesellschaft entsetzlich, während ich ihre unbeschreibliche Schönheit stumm bewunderte. Plötzlich kam ein Fiaker und steckte ihr einen Zettel zu. Wie der Blitz verschwand dieser in ihren Händchen. Nach einer Viertelstunde mußte sie »irgendwohin« gehen, wohin ich nicht mitdurfte. Sie kam nicht mehr zurück. Ich suchte sie und fand sie nicht. Da fragte ich einen Bediensteten, ob es noch einen Raum gebe. Ja, im Souterrain säßen die Kavaliere, die Stammgäste der Herren Fiaker. Ich stürzte hinunter. Da saß an einem Tische mitten unter zehn Kavalieren Elise und trank Champagner.

[100] Bei mir hatte sie nur ein kleines Eis und zwei Wafferln bekommen. Mit einem Sperberblick ersah ich jenen Kavalier, der noch am nüchternsten war, stürzte auf ihn zu und flüsterte ihm ins Ohr: »Im Namen der Menschlichkeit, auf ein Wort!« Er erhob sich sofort, ging mit mir in eine Ecke. Ich sagte: »Dieses Mädchen wurde mir von ihrer älteren Schwester für die heutige Ballnacht anvertraut. Wenn sie betrunken sein wird, wird sie verloren sein! Das wissen Sie so gut wie ich! Adieu – – –.«

Ich ging hinauf, an meinen Tisch zurück. Fünf Minuten später war Elise bei mir. Sie saß da, bleich, verdrossen. Dann sagte sie: »Sie haben mir da eine schöne Sache angerichtet. So eine Blamage! Mit Ihnen geh' ich auch nicht mehr auf einen Ball«. Ich erwiderte: »Ich habe Sie zu beschützen, Elise, bis Sonnenaufgang, 5 Uhr früh, und bis das Haustor sich hinter Ihnen geschlossen haben wird!!! Von da an sind Sie frei«.

»Ah, gehen S' mit Ihnere faden Reden, da werd' ich aber wirklich gleich wild werden, wissen S', was die Kavaliere g'sagt haben?!? ›Gehen S' nur g'schwind hinauf, mit an solchen Narren, der auf an Ball mitten in der Nacht sagt: Im Namen der Menschlichkeit!‹, mit dem is nicht ganz richtig« –. »Ich fuhr mit ihr nach Hause. Am nächsten Tage sagte ihre Schwester zu mir: »No, wie hat sich das ›Sanfterl‹ benommen?!?«

»Ihrem Kosenamen entsprechend«, erwiderte ich.

[101]
GeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Geräusche

Wenn es in den alten Äpfelbäumen rauscht, ist es anders. Und wenn es in Tannenwipfeln rauscht, ist es anders. Wenn es über Felder braust, ist es anders. Wenn es im Weidenbusche rauscht, ist es anders. Wenn es über Almwiesen braust, ist es anders. Wenn es Rosenstöcke im Garten schüttelt, ist es anders. Wenn es in Birken säuselt, ist es anders. Wenn ein getroffener Hase schreit, ist es anders. Wenn ein Käuzchen am Waldessaume abends klagt, ist es anders. Wenn der Rabe halberfroren krächzt, ist es anders. Wenn der Kanarienvogel trotz Gefangenschaften schmettert, ist es anders. Wenn der verlaufene Hund heult, ist es anders. Wenn das Baby in der Wiege unhörbar atmet, ist es anders. Immer ist es anders, aber die wenigsten hören es!


Beethoven, ganz, ganz tief in dich hinein lauschtest du, Tauber, vernahmst so die Geräusche der ganzen Welt: Das Konzert des Sturmes, das Konzert der Stille, das Konzert der Klagen, das Konzert des Kicherns! Und du gabst es einfach wieder, wie Bergwände das Echo – – –. So wurde es die Musik der Welt!


Ich fuhr das süße junge Kindermädchen Sonntag abends im Boote zur Bucht. Die Ruder sangen im Wasser. Das Kindermädchen sagte: »Die Kinder sind so lieb, die gnädige Frau ist so lieb, Sie fahren mich spazieren, und ich bin nur ein armer Dienstbote«.


[102] Die Ruder sangen im Wasser, sangen im Wasser und hielten still am Weidenufer und sangen da nicht mehr, stundenlange – – –. Und dann sangen sie wieder, bis man an den Garten kam des Hauses, in dem sie bedienstet war. Und sie sagte:

»Ich werde noch horchen, bis Ihre Ruderschläge verhallen in der Nachtstille – – –«.


Die Möbel knackten im Winter um 3 Uhr morgens und ich lag als Kind in Todesangst, in Todesschweiß bis zum Morgengrauen: Es kommt jemand geschlichen, schlachtet mich – – –. Mama, Mama!


Ich war bei der Maturitätsprüfung durchgefallen, kam aufs Land zu meinen Eltern, die zu weinen begannen in ihrem Zimmer. Von der Waldwiese kam aus dem Musikpavillon der Klang der Ouvertüre zu »Wilhelm Tell«, von Tannenwipfelrauschen unterbrochen. Irgendwo sagte eine Kinderfrau zu einem Kinde: »Na warte, du schlimmes Mädi, ich werde es dem Gärtner sagen – – –«. Eine große blaue Fliege summte herein, stieß an den weißen Plafond an. Meine Eltern weinten, Papa unhörbar, aber Mama schneuzte sich.


Sie stieß im Schlafe mit dem Ellbogen an die japanische Wandmatte. Es gab einen dumpfen Klang. Ich berührte sanft ihren Ellbogen, sagte leise: »Süßestes Geschöpferl – – –«. Sie seufzte auf. Dann ward es wieder still.


Ich hörte im Bergwald einen Schuß, und ein Reh starb. Ich hörte im Garten einen Schuß, und [103] ein Nußhäher starb. Ich hörte im Hotel einen Schuß, und es starb ein junges Mädchen. Ich dachte: »Wirst du deinen eigenen Schuß auf dich hören?!?«


Meine geliebteste Geliebte putzte sich die Zähne und gurgelte melodisch mit »Salol«, spuckte aus, wie ein Miniaturwasserfall, aus einem rosigen Mündchen in ein schneeweißes tiefes Lavoir. Ich sagte zu ihr: »Betrüge mich nur mit einem unmusikalischen Menschen! Denn dieser hat dann wenigstens nicht das Glück, die Melodien deines Gurgelns zu vernehmen beim Zähneputzen!«

[104]
Abschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Abschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens
von Wien

Lieber Peter.
Ich gehe weg und Du bleibst hier.
Mehr kann ich Dir nicht sagen.
Es ist alles.
Ich gehe weg und Du bleibst hier – – –.
Ich möchte es Dir hundertmal sagen und hundertmal: »Ich gehe weg und Du bleibst hier!«
Deine
Nòkò.

Sie meldet ihre baldige Ankunft in Wien

Lieber Peter.

Jeden Abend sah ich mich bisher gezwungen, aus dem Dorfe zu gehen an das Meeresufer und zu singen in der Richtung zu Dir hin.

Nun wird es bald nicht mehr notwendig sein.

Nòkò

Sie merkt es, dass er sie nicht mehr lieb hat, sondern einer Anderen Glasperlen schenkt

Lieber Peter.

Nur diese großen wunderbar geschliffenen schwarzen Jeaitperlen gib ihr nicht, die Du einst niemandem anderen im ganzen Dorfe selbst für Geld verschafftest als mir. Nur diese gib ihr nicht!

Nòkò

[105] Letzter Brief

Lieber Peter.

Deine neue Freundin verkauft Deine ihr geschenkten Glasperlen an ihre Freundinnen. Ich habe nur zwei Deiner Ketten in Afrika an meine Mutter und meine Schwester verschenkt. Und eine dritte habe ich eines Abends in den Teich geworfen. Weshalb?! Wen kümmert es?! Aber verkauft habe ich keine.

Nòkò. [106]

Gamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Gamelang-Musik

Ich bin seit heute 2 Uhr nachmittag, 26. November, wie jemand, dem man sein Todesurteil verkündigt hat. Denn in einem Leben existieren zu müssen, in demdieses Ereignis möglich war, ist die verlängerte Qual des Hinsterbens. Ich hoffe, daß alle, alle, die irgendwie in der Lage sind, sich öffentlich an die beleidigte Menschheit zu wenden, in einer Art von hysterischer Ekstase zur Rache, zur Bestrafung aufreizen werden! Ich hoffe, daß diejenigen mit dem Worte der letzten Verzweiflungen mich ablösen werden, die nicht, wie ich, das Joch eines Poseurs oder eines Irrsinnigen tragen. Ich setze die Notiz hierher, die ich gelesen habe, und an der ich für immer innerlich krank bleibe: »Die ›Niederländische Wochen-Zeitung‹ berichtet: Eine schöne Sklavin des Sultans von Karangasam wurde von diesem so schändlich behandelt, daß sie aus dem Puri entfloh. Sie wandte sich an den Residenten von Bali und bat ihn flehentlich, sie doch nicht auszuliefern, da sie nach ihrer Rückkehr zu Tode gemartert werden würde. Der Resident durfte jedoch den bestehenden Kontrakten nicht zuwiderhandeln und mußte die Sklavin den Henkern des Sultans überliefern. Diese banden das arme Weib, auf Befehl des Sultans, völlig entkleidet und mit ausgestreckten Armen an ein Kreuz und schossen auf sie aus alten Vorderladern mit trockenen Katjangbohnen. Die Tortur dauerte fünf Stunden. Nach jedem Schuß überzeugten sich die Bestien davon, wie viele Millimeter tief die Bohnen ins Fleisch gedrungen. [107] waren. Fiel das Weib in Ohnmacht, so wurde so lange gewartet, bis es wieder zum Bewußtsein gekommen war. Der Sultan erklärte, das Jammergeschrei der Unglücklichen klänge wie Gamelangmusik. Einige Bohnen, die durch die Augen in das Hirn der Unglücklichen gedrungen waren, machten endlich ihrem Leiden ein Ende.« Und ein Europäer, der Vertreter eines kultivierten Staates, hat sie, die von uns allein noch das menschliche Herz erwartete, den Henkerbestien ausgeliefert! »Wir wollen die Sache nun einmal ein wenig nüchterner, weniger ekstatisch betrachten«, sagt der Historiker, der Staatsmann, der Völkerpsychologe. Kommet zu Wort, wenn es an der Zeit ist – – –. Aber zuerst lasset das Herz der Menschheit sich beklagen, sich ausweinen und sich schämen!

[108]
Sommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Sommers Ende

Ich sehe nun so viele Gesichter mit der »Patina des Landlebens«. So von gesteigertem Stoffwechsel verschönerte, idealisierte. Wie der Maler sie auffassen würde in exzeptionellen Augenblicken ihres trägen flachen Seins. Ein Maler müßte z.B. sagen: »Ich werde Ihnen einen Ausdruck geben, Fräulein, wie wenn Herr v.B. soeben um Ihre Hand anhielte – – –«. Diesen Ausdruck von Verklärtheit bringt merkwürdigerweise ebenso auch der Sommer und das Landleben auf die Antlitze der Menschen. Wie sorgenbefreit sind sie, so in Feiertagsstimmung wegen nichts. Wehe denen, die ganz unverändert bleiben. Irgend etwas stockt in ihnen, das die guten Kräfte der Natur selbst nicht besiegen können. Da erblickte ich eine blühende verjüngte Mutter mit ihrem ganz bleichen Kindchen. Es war sehr elegant angezogen, man küßte es, man herzte es. Ich aber war erfüllt von Besorgnis. Was ist dir, Kind, daß dir die Sonne nicht an kann, die Luft und das Wasser?! Wie könnt ihr alle so unbesorgt liebkosen, wenn die Natur ernst und geheimnisvoll ihre Kräfte, ihre edle Dienstleistung versagt hat während des Sommers?! Ein alter Herr kam zurück, wie wenn er sagen würde: »Ich habe mich noch ein bißchen herausgeschaufelt aus dem Grabe«. Junge Frauen sehen jetzt unbeschreiblich herrlich aus, und dennoch sagt ihr süßes Antlitz gleichsam: »Nun, und wofür all diese Regeneration?!« Nur damit einige, die mich nichts kümmern, schmachtend sagen: »Gnädige schauen aber aus wie fünfzehn – – –«. Manches [109] ist geschehen in den Sommertagen, in den Sommernächten, was man von den süßen Antlitzen nicht ablesen kann. Von merkwürdigen exzeptionellen Erlebnissen, von paradiesischen fernen Orten kehren die Menschen zurück in die Pflicht des Lebens, in die alte unbequeme Ordnung, über alles Erlebte geheimnisvoll schweigend. Nur Dichter und Künstler sind indiskret. Sie erheben alles in eine höhere Rangordnung, in allgemein Wertvolles, indem sie Leid und Freud verkünden! Aber die Sommerromane aller dieser Menschen bleiben ungeschrieben, ungelesen. Nur manchmal sagt einer oder eine: »Kinder, wenn ich euch erzählen dürfte – – –. Ihr würdet staunen, würdet es nicht für möglich halten. Aber ich darf nicht – – –«. Sommers Ende. Auf vielen Antlitzen bemerkte ich die »Patina des Lebens«. Einzelne Antlitze blieben unverändert. Da muß eine tiefe Hemmung sein. Sei es seelischer Art oder ökonomischer oder physiologischer. Denn die Natur, Sonne, Licht und Wasser, bemühen sichdirekt fanatisch, alle Schäden auszubessern, zu heilen, wo es nur immer noch möglich ist. Sie läßt den Kränklichen nicht im Stich, versucht an ihm ihr Möglichstes, wie die edelste Samariterin. Ein bleiches Kind, vom Sommerparadies zurückkehrend, ist etwas Tragisches. Oder eine junge Frau. Oder ein Mann, der Sorgen hat. Man nimmt sich viel, viel zu wenig Mühe, den Ausdruck des Antlitzes seiner Nebenmenschen zu beobachten. Man tut es geflissentlich nicht, um nicht gerührt, ergriffen zu werden. Man sagt: »Sie werden immer jünger«. Aber man sieht es, daß er immer älter wird. Sommers [110] Ende! Viele kehren verjüngt zurück. Aber die Winterkampagne zehrt viele aufgestapelte Lebensenergien auf. Wollt ihr nicht lieber hundert Jahre alt werden in Frieden?!? Nein, sie wollen es nicht!

[111]
Der MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Der Messerheld

Bei irgend einer Gelegenheit hat ein leicht irritierbarer, alkoholisierter, also überimpressionabler, im übrigen gut und solide gebauter Mensch aus den Sphären, die nicht »bedenken«, sondern sich »betätigen« infolge überschüssiger Lebensenergien, sein Taschenmesser gezogen und zu stechen gedroht – –. Von diesem Augenblicke an webt sich ein Nimbus um ihn, ganz von selbst, ganz ohne sein Hinzutun. Die latente Romantik, die in der Volksseele schlummert, erwacht, erschafft sich von selbst ihren Nibelungenhelden! Einen, der zusticht – –. Nun heißt er Karl B., der Gefürchtete, der Gemiedene, der Gesuchte! Einer, der anders ist als die anderen!

Jeder und jede finden ihren eigenen Vorteil darin, ihn möglichst gefährlich, möglichst heldenhaft erscheinen zu lassen. Unfähig dazu, selbständig eine Rolle in ihrer Gesellschaftsklasse zu spielen, werden sie zu Persönlichkeiten durch bloße Anhängerschaft an den Helden! Je mehr er gilt, desto mehr gelten sie!

Ein Börsenmanöver ist es des Lebens selbst!

Der Messerheld wird in eine Position hineingezwungen, die ihm immerhin mancherlei Vorteile bringt, ihm sein Dasein erleichtert! Die »Mädchen« buhlen um seine Gunst, die »Männchen« fürchten sich, ihm eine »Geliebte« abspenstig zu machen – – –.

[112] So wird er von selbst immer »tyrannischer«, vom Schicksale dazu gleichsam ein Ausersehener!

Soll er sagen: »Pardon, ich bin nicht gefährlicher als ihr, ich steche ebensowenig gerne jemanden tot wie ihr?!?«

Niemand würde vor allem er ihm glauben. Denn die Romantik der Volkesseele in bezug auf »Helden« ist starker als das tatsächliche Verhalten des Betreffenden. Er muß sich seinem Nimbus fügen!

Man braucht eben unbedingt einen, der das Messer zieht und sticht! Und im Gefängnis schmachtet!

So einen braucht man in der Phantasie!

Da war einer, lang und mager, den alle Wirte fürchteten, und alle Mädchen und alle Männer. Ich sagte zu ihm: »Halten Sie sich Ihre Position den Idioten gegenüber!«

Er erwiderte: »Brauchen Sie mir das anzuraten?!? I stich nur zu, wann es mein Ansehen erfordert! Daß sie es wissen, i bin noch der Karl B.!«

Messerhelden, wie seid ihr die unschuldigen Opfer der Volkesseele, die »Helden« braucht einfach für die Romantik ihres Herzens! Ein Lamperl wäre er an Gutmütigkeit – – – aber die Volkesseele braucht einen Messerhelden, der zusticht – – –. Nun also, Taschenmesser in der linken Hosentasche, öffne deine Klinge, wenn die »Volkesseele« es erfordert – – –! Messerhelden, ausübende Organe seid ihr einfach des romantischen Willens der Volkesseele! Gutmütig wäret ihr wie Lamperln, aber man zwingt euch zu »Heldenrollen«!

[113]
KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Knofeleben

Meine Schwester mit den goldroten Haaren, und ich dama1s Braungelockter, und mein Vater, der aussah wie ein alter Holzknecht, wir stiegen auf zur Knofeleben. Mitten im Föhrenwalde übernachteten wir in der Graf Hoyosschen Jägerhütte. Wir schliefen auf Tannenzweigen, »Graß«. Ameisen störten den Schlaf der ermüdeten Jugend. Der Mond schien auf die Waldwiese. Man schlief wieder ein, beglückt und dennoch das gewohnte Bett entbehrend. Vor Sonnenaufgang wurde man geweckt. Alles triefend vom Tau. Man schritt durch die Wälder, die kalte Feuchtigkeit von sich gaben. Man kam auf die »Knofeleben«. Geliebte Almwiese! Der Sturm blies darüber im Morgendämmern. Überall dunkle Gebüsche, Schneeflecken. Die goldroten Haare meiner geliebten Schwester wehten im Sturme, mein Vater schritt schweigend dahin. Ich liebte jeden Halm auf dieser Bergwiese fanatisch. Mein Vater ist nun 77 Jahre alt, bleibt in der Ebene. Meine Schwester hat bereits »Familie« und graue Strähne zwischen den goldroten Haaren, zittert, wenn ihr Sohn zur »Knofeleben« aufsteigt in der Sommernacht: »Mama, du hast mir doch selbst aber erzählt, wie märchenhaft es war im Morgengrauen auf der Knofeleben«?!? Dennoch zittert sie. Ich aber gedenke dieser Almwiese in Tau und Sturm, bevor die Sonne brennt und Segen spendet – – –. Alle ihre Gräser waren mir teuer, der kalte Wind strich über sie, ich hätte ein jedes streicheln und behüten mögen! Man war so ferne vom Leben der Menschen, wie ein Entdecker [114] fremder Welten. Man war so außerhalb und oberhalb. Keines der Gräser war ähnlich denen in der Ebene, und sogar der Sturm, die Luft hatten ein anderes Gepräge. Die Gebüsche waren wie niedergeduckt und die Bäume widerstandsfähiger. Die Blumen waren wie matte Abdrücke aus dem Album »Unsere Bergesflora« und das Wasser aus den Rindenröhren hatte einen anderen Geschmack als jedes andere Wasser. Man war leicht und frei und die Sorge war hinter uns. Nun steigen Vater, Sohn und Tochter seit Jahren nicht mehr auf die Bergalmen. Wir können nicht mehr uns flüchten aus dem Leben, es hält uns umschnürt, und nur der schmucke Sohn der Tochter und Schwester, der »es nicht nötig hat«, besucht die Almen, wo Großpapa, Mutter und Onkel den Frieden suchten und fanden – – –. Aber er versteht uns nicht. Denn er hat nicht das Glück, unglücklich zu sein. Alles nimmt er als selbstverständliche Gabe des gütigen Schicksals, und was uns »Kirche der Natur« war, ist ihm nur »tändelnder Ausflug«. Sollen wir ihn bedauern, beneiden?!? Knofeleben, am Rücken des »Feuchter«, von Schneebergstürmen, von Raxstürmen umspielt, wir gedenken deiner wie ein Todeskranker einer Medizin, die ihm einst geholfen hat. Und deine Gräser ertragen noch immer den Nachtfrost, erwarten geduldig die Sommerwärme. Touristen kommen und gehen, Jäger töten das Wild, und alles ist wie eh' und je. Sturm braust über geduckte Bergföhren und der Zitronenfalter schwankt über Bergesblüten – – –.

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Herrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Herrensitz in U.

Er besaß ein riesiges Gut in U. Man fuhr drei Stunden lang mit der Bahn hin, dann noch eine Stunde mit dem Wagen, respektive eine Viertelstunde mit dem Automobil, falls die Straßen fest und sicher waren, was selten oder nie sich ereignete. Die Straßen waren gleichsam angelegt wie Sümpfe vor der Festung Königgrätz. Das Gut war sehr ergiebig, aber keineswegs für den Naturfreund. Auf diesem Gute erbaute sich. der Besitzer in modernstem einfachstem Stile – weiße gekörnte Mauern, breite viereckige Spiegelscheibenfenster, rostrotes Dach – ein wunderschönes Herrenhaus mit 12 Zimmern, alle eingerichtet in schwedischem Birkenholz und mit niedrigen Messingbetten und riesigen Pendeluhren in Kristallgehäusen. »Nun wird es vielleicht zum Heiraten kommen«, dachte er. Aber es kam nicht dazu. Zu diesem Hause engagierte er eine erstklassige Köchin und einen jungen Diener, der französisch sprach, und eine alte Wirtschafterin, die die beiden beaufsichtigen sollte in ihrer Arbeitslosigkeit. Denn da entstehen die meisten Ungehörigkeiten. Nun wurde es aber das verzauberte Herrenhaus und niemand wußte, wozu das alles eigentlich da sei. Am wenigsten der Gutsherr selbst, der sich künstlich binden wollte an etwas, was nicht band.

Eines Tages brachte er eine freundliche junge Dame mit. Sie sollte den verzauberten Herrensitz ein wenig beleben, und sei es nur, daß sie mit Köchin und Diener zankte oder sich gütlich bespräche. Aber sie tat nichts dergleichen und fand alles fade [116] und gleichgültig. Man fuhr sie auf einem Dampfpfluge auf die Zuckerrübenfelder hinaus und auf die Kukuruzfelder, man zeigte ihr den herrlichen Beschälhengst namens »Vita« und andererseits die herrlichen Mastochsen. Sie erwiderte: »Wann könnte ein Brief aus D. hier ankommen? Er ist ein Tepp, aber ich brauch das für meine Nerven. Er will sich wegen mir umbringen«. Man sagte ihr, daß ein Brief wahrscheinlich nie anlangen werde, und daß man sie deshalb jedenfalls nicht hierherbefördert habe. Daraufhin beruhigte sie sich und meinte, sie habe sich nur erkundigt aus Langeweile. Es liege ihr nichts an dem »Teppen«. Nur die Fini dürfe ihn nicht kriegen. Unter keiner Bedingung. Der Besitzer des Gutes sah nun ein, daß er auch mit dieser Acquisition sein Herrenhaus nicht besonders beleben könne und die zwölf Zimmer mit den zwölf Messingbetten und den schwedischen Birkenholzkästen und den Pendeluhren in riesigen Kristallgehäusen. Infolgedessen sagte er zu den drei Dienstboten, sie möchten nur alles in peinlichster Ordnung erhalten, es könne jeden Augenblick etwas Unerwartetes sich ereignen. Aber er hatte keine Ahnung, was.

Hie und da sagte irgend eine freundliche junge Dame: »Du, ich möchte für vierzehn Tage auf dein Gut«. Aber er erwiderte: »Es geht nicht. Es ist alles besetzt – – –«.

Und die Köchin begann zu stehlen wie ein Rabe und der französisch parlierende Diener machte ihr ein Kind und der Wirtschafterin ebenfalls, um sie zu beruhigen und aus Langeweile. Da löste der Gutsherr seinen schönen Herrensitz wieder auf und verkaufte[117] sogar die Uhren in den riesigen Kristallgehäusen. Er dachte: »Wenn erst so eine kalte hochnasige pünktliche gekommen wäre, bei der alles am Schnürchen hätte gehen müssen! Oder so eine leichtsinnige verschwenderische Maitresse à la Pompadour – –?! Sogar die Uhren habe ich noch günstig angebracht!«

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KabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Kabarettlied

Ich fange mir mit meinen Blicken die Männer ein – – –!
Was kümmert's mich, ob sich's mag schicken – mein Mann schaut zu in Seelenpein.
Ich seh' ihn blaß und blässer werden – ich bin sein höchstes Gut auf Erden!
Er würde sich zu Tode kränken, tät ich mich Einemganz verschenken.
Doch meine jungen Nerven müssen die Sehnsuchtsqual von Männerherzen spüren.
Ich lasse mich nicht einmal küssen – sie aber träumen bereits alle vom Verführen!
Ich muß mir selber meine Macht beweisen, dadurch, daß ich unselig machen kann;
Denn in allzu geordneten Geleisen gibt sich der Pflicht des »Lebens« hin der dumme Mann!
So aber seh' ich alle blaß und blässer werden – ICH bin ihr höchstes Gut auf Erden!
Mein Mann tut mir aufrichtig leid bei allem diesen bösen Spiele;
Doch ließ' ich ihn in völliger Sicherheit, wer weiß, ob ich ihm dann noch so gefiele?
Am besten ist's, ich bleib' so wie ich bin – – – wie lange dauert's, ist man alt und hin!?
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Der DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Der Dichter

Sie hatte also den anderen geheiratet.

Da gedachte Herr Gerhardt jenes Abends, da er sie inständig bat, ihm an seinem Tische, ganz nahe, daß es die anderen nicht hörten, das Lied zu singen: »The sorrow of miss May«. Und als sie es beendigt hatte mit ihrer süßen sanften Stimme, hatte er zu ihr gesagt: »Ich wünschte nicht das Lied zu hören, sondern nur den Hauch Ihres geliebten Atems in mich hineinzutrinken, während Sie es leise und eindringlich zu mir sangen – – –«.

Und sie erwiderte lächelnd: »Oh pig ....« Denn sie war eine junge Engländerin.

Nun hatte sie den anderen geheiratet, der es nicht erst nötig hatte, durch ein Lied sich den geliebten Hauch des Atems zu erstehlen! Und der Dichter bekam das Lied nie mehr vorgesungen, The sorrow of miss May, nie nie mehr. Und so konnte er auch den geliebten Atem nie nie mehr spüren!

[120]
LandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Landpartie

Er machte mit ihr eine Landpartie und dachte besorgt an alles, was sie brauchen könnte. Er hatte Nadeln bei sich und Sicherheitsnadeln und Englischpflaster, rot und weiß, und Chocolat Suchard Milka, und Soda-Mint, und Arnika gegen Gelsenstiche und selbstverständlich papier poudré. Aber irgend einmal bedurfte sie gerade einer Sache, an die er nicht hatte denken können ...

»Und das nennt er liebevolle Fürsorge!« dachte die Dame.

[121]
Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Die Glückliche

Die hellbraune wunderschöne Ente auf dem Schönbrunner Teiche ist die Glückliche unter allen, allen. Umgeben ist sie von den Unglückseligen, den Geiern und Adlern, die in Käfigen sich nach den weiten Lüften sehnen. Der Condor trauert, der Königsadler trauert, der Mönchsgeier trauert. Der Uhu trauert und der Wanderfalke. Die Auerhenne trauert um ihr mysteriöses Versteck und um den Lockruf des Auerhahns im dämmerigen Bergwald. Die schwarzen Schwäne entbehren australische Seen und die Pelikane die endlosen Schilfufer. Alle, alle um die hellbraune Ente herum trauern und entbehren. Nur sie lebt wie in Freiheit – bloß geschützter, vor Fuchs und Frettchen und vor Futtermangel. Nur eines fehlt ihr – – – sie weiß nichts von ihrer bevorzugten Stellung. Sie hält es leider für selbstverständlich.

[122]
Erlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Erlebnis

Ein sehr eleganter Herr stellte sich mir im »Café de l'Europe« vor, bat mich zu Gaste samt der Tänzerin Carmen Aquileras. Er war sehr splendid und zum Schlusse bat ich ihn, doch der edlen Tänzerin bares Geld zu schenken. Da erwiderte er mir: »Mein lieber Herr Peter, ich würde mich blamieren vor mir selber, einer Frau für nichts und wieder nichts Geld zu schenken. Ich bin weder ein Trottel noch ein Dichter. Ich gebe jedoch Ihnen für die Dame hundert Kronen. Sie sind ein Dichter, Ihnen nimmt man solche Exzentrizitäten nicht übel!«

[123]
Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Die Operation

»Kellner, ich muß heute abends nur sehr Leichtes essen, weißes Fleisch – – –«.

Morgen um 11 Uhr vormittags sollte sie operiert werden im Frauensanatorium. Aber niemand wußte es. Sie schrieb an den, den sie jahrelang gemartert hatte: »Bringen Sie mich heute abends an den Stammtisch zu P.A. und bringen Sie feine Zigaretten mit, aber ohne Mundstück«.

Er brachte sie an den Stammtisch zu P.A.

Sie dachte: »Wie sind doch alle zu beneiden, die morgen um 11 nicht aufgeschnitten werden – – «.

Sie rauchte unablässig Zigaretten in der anmutigsten Art durch einen Papierspitz, den sie wie einen Federstiel zwischen den Knöcheln hielt.

An dem Tische befand sich ein Mann, der sie wiederholt besessen hatte, so aus Alkoholwirkung und zur Hebung seines Selbstbewußtseins.

Ein Baron dachte: »Sie will heute abend etwas bezwecken, man kann es jedoch nicht genau wissen, was es ist?! Vielleicht hängt sie sich heute nacht auf. Jedenfalls ist sie heute unnatürlich natürlich. Wie ein Spieler, der plötzlich mitteilte: ›Ich habe die Pique-As markiert – – –‹. Immerhin möchte ich sie mir heute sehr gerne kaufen, obzwar sie aufgedunsen aussieht.«

Sie erzählte von einem Öllämpchen, das sie geschenkt erhalten habe und das drei fadendünne Dochte habe und von einer Mischung von vier wohlriechenden Ölen gespeist werde, die einen faszinierenden Duft verbreiteten während des Brennens – –

[124] »Das riecht dennoch nur nach Literatencafé«, sagte der Mann, der sie infolge Alkohols wiederholt in Besitz genommen hatte.

»Vermachen Sie mir dieses Lämpchen, falls Sie sterben, ich schenke es meiner Geliebten, die fliegt auch auf solche Schwindel hinein – – –«, sagte der Journalist.

Der Schauspieler bestellte französischen Champagner, um die gesamte Stimmung einerseits zu besänftigen und zugleich dennoch zu heben, wenn auch wieder in einer anderen bequemeren Art und Weise.

Einer sagte seinem Nachbar ins Ohr: »Mir kommt dieses Mädchen vor wie ein gehetztes Wild – –.«

»Jedenfalls raucht sie zu viel Zigaretten«, erwiderte der Nachbarphilister.

Sie küßte bei irgend einer Gelegenheit P.A. die Hand, wie man einen Menschen behandelt, der das handliche Format »Mann« überschreitend oder unterschreitend, einer besonderen Art jedenfalls von freundschaftlicher Behandlung wert wäre!

Sie sagte: »Wer würde mir von euch Zigaretten bringen, wenn ich krank würde, sehr sehr krank?!«

Der Baron sagte, daß er es auf diesen exzeptionellen Fall gar nicht ankommen lassen würde und notierte sich sogleich ihre Adresse und ihre Lieblingszigarette.

Sie diktierte ihm leise: »Frauensanatorium Löw, Pelikangasse 15, Marke Hanum mit Korkmundstück«.

Der Baron blickte sie an. Er dachte: »Sie ist wirklich ein wenig aufgedunsen – – –«.

[125] Später sagte er: »Sie sollten sich heute ausschlafen, es ist 1 Uhr nachts – – –«.

Der Alkoholiker sagte: »Darf ich Sie nach Hause begleiten?!?«

»Leider nicht«, erwiderte die Dame, »der Arzt hat mir speziell für heute nacht jede Aufregung verboten – – –«.

Der Mann, den sie jahrelang gemartert hatte, seelisch, brachte sie nach Hause.

Der konnte ihr nicht an, weil er sie ernstlich lieb hatte. Mit dem konnte sie spielen wie ein Baby mit einem Hampelmann.

Dem sagte sie daher auch sanft zum Abschiede im Wagen: »Leben Sie wohl, Sie einziger Freund, ich werde morgen 11 Uhr vormittags operiert auf Leben und Tod – – –«.

Er konnte gar nichts sagen vor Schmerz. Und das freute sie. Sie nahm seinen stummen Schmerz mit in die Nachtstunden vor der Operation, und es war wie eine Medizin. Sie schlief gut und er schlief schlecht. So soll es wahrscheinlich sein!

[126]
Tagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Tagebuch der Elisabeth K.

Cresco, ergo sum! Ich wachse, also bin ich erst! Kein Mensch ist – – – er wird!

Aber die, die nicht wachsen können, ins Leben, ins Schicksal hinein?!? Die sind nicht.

Niemals, nicht eine Sekunde ihres verkrüppelten Lebens! Können wir werden, sein?!? Nur durch innere Erlebnisse. Aber man nimmt es uns übel – – –! »Schau die Berta an, wie glücklich sie ist – – –!«. Aber erstens schaue ich die Berta gar nicht an, und zweitens, falls ich sie ansähe, würde ich gar nicht sehen, daß sie glücklich ist; sondern das Gegenteil.


Ich habe Latein gelernt. Das sind die Folgen. Ich denke Dinge, die unanständig sind. Teilweise unverständlich. Und jedenfalls zu tief für unsereins. Solange wir die Grenze der allgemeinen Verlogenheit nicht überschreiten, können wir als geistreich gelten. Von da an aber als verrückt – –.


Ich sehe lauter Männer, die einschrumpfen.

Cresco, ergo sum!
Sie reden sich aus auf ihre wichtigeren Beschäftigungen im Leben. Es sind aber die unwichtigeren.

Weshalb fragt uns der Frauenarzt nie: »Ist Ihnen der Atem, die Ausdünstung Ihres Gatten vielleicht unsympathisch?!? Irritiert Sie vielleicht die Art und Weise, wie er sich des Morgens ankleidet, preziös oder schlampert, oder wie er des Abends die Kleider auf den Sessel legt, vorsichtig bedacht oder hingehaut?!?«


[127] Ein Hundskerl ist in mein Leben eingetreten, ein Hundskerl! Habe ich ihn gerufen?!? Nun also!


Mein Geliebter überbietet sich seitdem an Zärtlichkeiten.


Mein Gatte sagte eines Abends, daß, wenn der Hundskerl mit mir tanze, ich zu einer schwebenden Nymphe würde. Da spüre er es erst, wie sehr er selbst mich bedrücke. Seitdem tanze ich nie mehr mit dem Hundskerl. Ich achte »Erkenntnisse«! Sogar bei einem Gatten.


Der Hundskerl äußerte sich über mich, er fühle es, er könne mich zu jeder Stunde in Besitz nehmen. Mein Geliebter war empört darüber.

Ich aber nicht. Wir sind über alle diese Dinge nie empört, aber wir müssen uns so stellen, weil die Männer dumm sind – – –


Mein Gatte, mein Geliebter und der Hundskerl sind mir alle drei ziemlich unsympathisch. Ein jeder in seiner Art.


Wenn er mir die Krebse, die ich leidenschaftlich gern esse, so liebevoll zärtlich schält und herrichtet, daß ich nur das delikate Fleisch zu essen, auszuschlürfen brauche, dann habe ich ihn wirklich noch eine halbe Stunde nachher ernstlich und aufrichtig lieb – – –.


Der Hundskerl hat fabelhafte Spazierstöcke. Einen aus getigertem Bambus, gelbschwarz, [128] mit einem breiten Ringe aus Platin unterhalb der Krücke. Ich sagte zu ihm: »Ich hätte Ihnen diesen Geschmack nie zugetraut – – –«.


Mein Gatte schickte mich in ein Sanatorium, zu einem berühmten Nervenarzte. Es hat mir genützt. Ich habe einen neuen Idioten kennen gelernt.


Mein Gatte ist noch der Beste von allen. Also noch immer der Schlechteste – – –.


Ich saß, den Kopf gelehnt an die Schulter meines Geliebten. Da sagte ich: »Siehe, unsere Atem gehen in gleichem Takte, lang und tief. Wir können nichts dazu und nichts dagegen. Sie gehen in gleichem Takte. Also sind wir ausnahmsweise wirklich füreinander bestimmt – – –«.

Da dachte er: »Närrin« oder »Närrchen«. Aber er nahm sich nicht einmal die Mühe, irgend etwas Besonderes, Auffallendes, Denkwürdiges darin zu finden, es zu ergründen oder auch nur aufmerksam zu werden auf irgend etwas. Dadurch spielte er sich auf den reifen Menschen hinaus gegenüber einem unreifen. Während es doch gerade umgekehrt war. Er unterdrückte meine Naseweisheit –. Aber sie kam aus dem Gehirne!


Der Hundskerl hat mich in Besitz genommen.

Was weiß ich, wieso es kam?!? Bin ich Maupassant?!

Mein Gatte hat sich auf sein Ableben versichern lassen, damit ich, falls – – –. Er ist so nett.
Der Hundskerl hat meinen Geliebten erschossen.
[129] Mein Gatte sagt, ich stamme aus einer belasteten Familie.
Ich erwiderte: »Lenau und Novalis wahrscheinlich auch«.
Er sagte: »Das kommt von dieser Lektüre der Modernen – – –«.

Wir reisen ab. Von uns selbst weg?!? Wozu also?! Wie heißt der Ort, an dem wir wieder unser ganzes Sein ausbreiten werden wie die Ringelspielbesitzerin ihre Bude?!? Adieu – – –.

[130]
Die KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Die Kellner

Mein Vater kam zehn Jahre lang nach einer Geschäftsreise nicht mehr nach seinem geliebten Paris. Als er endlich wieder hinkam, sagte der Kellner bei »Brébant«: »Mein Herr, wir haben Sie seit langem erwartet. Wir werden Ihnen Ihr Lieblingsdiner servieren lassen, falls es Ihnen recht ist, und Sie Ihren Geschmack nicht geändert haben – – –«.

Und es kam das Lieblingsdiner, das man sich zehn Jahre lang gemerkt hatte.

Bei uns ist es anders. Wenn ein Gast zehn Jahre lang Rostbraten mit Zwiebeln haßt und er sanftmütig sagt: »Heute möchte ich etwas essen, was mir besonders schmeckt«, so erwidert der Kellner: »Vielleicht ein schönes Rostbraterl mit Zwiefel – – «.

Aufmerksamkeit ist die Quelle von Trinkgeldern! Aber das wollen sie bei uns nicht einsehen. Sie sind nicht »kultiviert« genug, um ein gegenseitiges Geschäft mit dem Gaste zu machen, bei welchem beide Teile ihren Nutzen ziehen! Der Gast ist ihnen »gleichgültig«. Das spürt dieser. Daher eine Beziehung, die gleichsam sogar feindselig ist.

In Paris gibt es ebensowenig Idealisten und Schwärmer unter den Kellnern wie in anderen Städten. Sie haben die Sucht nach erhöhtem Trinkgelde, selbstverständlich. Aber sie sind eben hierin geschicktere Menschenkenner. Sie wissen es, daß man etwas dazu tun muß. Einem Gaste auf ehrliche Weise seine Taschen öffnen, ist alles! Das ist die Kellnerkunst! Außerdem sollte man den Ehrgeiz [131] haben, in seiner Betätigung, und sei sie noch so unscheinbar, das Besondere zu leisten. Das erhöht das Lebensgefühl, steigert die Lebensenergien, kommt also dem zugute, der es ausübt. Auch das ist das beste Geschäft, das man mit den anderen machen kann! Bediene verdrossen, mürrisch, gleichgültig – – – und es wird dich schwächen, lähmen! Bediene den Gast liebenswürdig, aufmerksam, bedacht auf alles – – – und es wird dich verjüngen, dich lebendig machen und frohsinnig! Menschenfreundlichkeit ist das beste Geschäft, das man machen kann mit seinen Nebenmenschen. Aber es muß einem »organisch« sein, kein Zwang.

»Mein Herr, ich werde Ihnen heute eine 'souppe à la moelle' bringen, ich habe nämlich das herrliche Markbein dazu bereits gesehen – – –«.

Oder: »Die schönsten 'Sole' sind bereits verkauft, nehmen Sie daher heute lieber 'Branzino'; weshalb sollten Sie sich mit den kleineren Soles begnügen?!?« Man erwartet von einem regelmäßig bedienenden Kellner die zarten Aufmerksamkeiten einer Mama für ihr Baby. Aber meistens ist er ein unwilliger Pflichterfüller. Aber auch der Gast ist kein Lebenskünstler, falls er nicht »besondere Leistungen der Menschheit« besonders honoriert! Er denkt roh und unmenschlich: »Dafür ist er doch eben angestellt – – –«. Da geschieht es ihm recht, wenn er vor Ärger einen Magenkatarrh kriegt! Niemand ist angestellt hienieden für »zärtliche Behandlung«! Dafür gehören Extrahonorare!

[132]
KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Künstlerfest

Ich saß mit fünf Frauen an einem reservierten Tische des großen Künstlerfestes im Künstlerhause. Sie hatten erlesene Kostüme an und sahen aus wie aus besseren und geheimnisvollen Welten. Die eine hatte ein rosenrotes Krinolinenkostüm an, eine herzige Frisur mit tiefem Scheitel und je drei an den Ohren herabhängenden gedrehten Locken. Sie hatte einen Blick von grundlos klagenden Augen und eine reizende Stumpfnase. Die zweite hatte ein grünes Krinolinenkleid an und suchende Augen eines Kindes, das seine Bonne im Gedränge verloren hat. Die dritte hatte ein Kleid aus China, in weißer gestickter Seide, einen Elfenbeinteint und Augen, die es bereits aufgegeben hatten, die Rätsel des Lebens zu ergründen. Die vierte war ganz in schwarzem Samt erschienen, mit der korallenroten Blume »Scherzeriana« im schwarzen Lockenhaare. Ihre Augen sagten: »Wenn ihr wüßtet, was ich weiß – – –«. Aber sie wußten es alle, alle, daß das Leben kein Kinderspiel sei, sondern eine Sache für ganz gewappnete Menschen. Die fünfte war ganz in Grün gekleidet, vom Hals bis zu den Füßen. Sie hatte aschblonde offene Haare und ihre hechtgrauen Augen stellten die »Melancholie« dar an und für sich, die hundert Gründe hat und dennoch keinen einzigen, ein Irrsinn der Seele und eine Wahrheit des Geistes, daß wir noch allzu ferne sind vom Ideal! Und daß wir vergebens kämpfen werden– – –.

Diese fünf Damen ließen die Festesfreude und den Lärm der Lust an sich vorüberbrausen, waren wie [133] ein mysteriöses Eiland, an dem die Wogen der Lebensfreude brandend Halt machten und zerrannen. Alle fünf hatten die seltene Kraft, überall nur sie selbst zu sein, und mit der frohen allzu leichten lächelnden Stunde aufzubegehren in innerer Geschlossenheit! Manche Männer kamen, den Ton zu bringen, zu erzwingen, festlicher Freudigkeit, allgemein menschlichen Versinkens im Taumel des amüsanten Augenblickes – – – vergebens. Die fünf Damen saßen da und blickten auf das Getriebe und wunderten sich. Nein, sie wunderten sich nur über sich selber, daß sie so früh gelernt hatten, sie selbst zu bleiben im mutwilligen Leichtsinn, der betäuben hilft!

Mancher dachte: »Schade um diese merkwürdigen und wunderbar kostümierten Frauen – – –. Sie fügen sich nicht ein in das Getriebe«.

Nein, das taten sie nicht. Sie dachten milde: »Schwestern, o glückliche kostümierte Schwestern, die ihr für Stunden vergessen, verlöschen könnet aus eurem Leben, aus eurem Gedächtnisse, was wir Ungeschickten nicht selbst für kurze Stunden zusammenbringen, es auszulöschen in uns – – –«.

Als wir das Fest verließen, sagte jemand unter uns: »Nun, unsere Damen haben nicht viel von diesem Feste gehabt – – –«. Ich erwiderte entgegnend: »Wie wenn Erwachsene nichts hätten von Kindern auf einem Kinderballe?!?«

»Das verstehen wir nicht«, sagten die Herren pikiert, »Frauen haben lustig zu sein auf einem Kostümballe und basta!«

[134]
Aufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Aufführung der »Walküre«

Ich erblickte in der vordersten Reihe des Parketts eine junge Dame mit braunroten Haaren, so schön wie Evelyn Thaw. Obzwar ich in der zehnten Reihe saß, konnte ich sie, die einen Ecksitz innehatte, immerfort sehen. Ich sah tausend Fremde wie angezogene Wachspuppen, aber diese wurde mir durch ihre Schönheit enträtselt und der Seele nahegerückt. Ihre Schönheit zum Beispiel ließ mich um ihr Schicksal sogleich bange sein, denn auch meine schöne Angebetete saß einst tränenerfüllt in der »Walküre« und verstand dennoch allzu wenig vom Leben. Ich dachte: »Fräulein, passen Sie mir doch ja recht auf, Sieglinde nahm einen Hunding zum Manne!«

Und ins düstere Gemach brach der Frühling herein. Wie wunderbar hat Maler Roller dieses Hereinbrechen gemalt, wie einen mysteriösen Gruß aus lichteren Welten! Tore und Zaun sind schwarz und in die mondlichtblauen Nebel ragen drei alte Bergföhren, mondlichtblau verklärt in ihren Knorrigkeiten. Junge, arme, wunderbare Mädchen, weshalb rückt ihr die Kunst so endlos weit von eurem Leben ab, daß sie euch nicht störe und treffe in euren Herzen?!? Alles, was dort ist, ist in eurem eigenen Leben und alles Schicksal der Walküre und Sieglindens ist unentrinnbar in euch selber! Rotbraune Dame, schaue nicht so hin auf die Bühne, wie wenn es dich, Gott sei Dank, nichts anginge und vier Stunden nur angenehm dir verfließen! Deshalb hat Gott »Wagner« nicht seine göttliche Musikseele ausgebreitet vor dir, sondern, daß du im Klange Schicksal des Lebens [135] vernähmest,dein Schicksal, teure wunderschöne Fremde! Sitze mir beunruhigt da und ängstlich, lauschend und verzweifelt, teures Mädchen!

Im zweiten Akte hat Maler Roller in die Steinblöcke des umsprießenden Tales das schreckliche Schicksal gelegt. Zwischen Berchtesgaden und der Ramsau ist so ein Felstrümmertal, wo das Leben stockt! Was kann hier vorgehen?!? Ideale und ihre Zertrümmerung! Die Walküre verliert ihre »freie Göttlichkeit«, wird zum mitleidenden Weibe. Sieglinde schläft im Schoß ihres Geliebten friedevollst und dieser verzichtet ihr zuliebe auf Walhall! Dieses Schlafen Sieglindens hat mich immer allertiefst ergriffen. Fast alle edlen Frauen schlafen, irgendwo sich getreu verlassend wie kränkliche Kinder, lehnen ihren Kopf vertrauensreich hilflos an. Wunderbar rührend ist es, wie die Walküre »sinkt« und frauenhaftes Mitempfinden fühlt. Aber noch wunderbarer ist dieses süße, tiefe, sichere Schlafen Sieglindens im Schoße des Geliebten. Wie wenn ein Baby vor einem Eisenbahnzusammenstoß ruhig an der Mutterbrust schliefe, die Händchen in die Kleidfalten geklammert. Frau Luzie Weidt, edelste Künstlerin, wie tief ergreifst du uns als singende Frau. Nie gab es eine edlere Sieglinde. Aber in deinem Schlafen rührt uns noch tiefer die stumme Natur! Hast du vor Morgengrauen schon am »Kaiserstein«, Schneeberg, die Sonne erwartet?! Wolkenfetzen und Nebel kämpfen gegen das Licht und der Sturm wirkt gegen beide, bald zerteilend, bald zusammenballend. Hoffnungen erweckend und vernichtend. So malt Roller den Ritt der Walküren zum Felsen. Übermenschliche

[136] Wesen könnten am Kaiserstein, Schneeberg, vorübersausen vor dem Morgengrauen, versteckt in der Schlacht der getriebenen Wolken vom Morgenwinde! Man sieht den Aufruhr der Natur, man ahnt den Aufruhr im Walkürenherzen!

Als alles zu Ende war und Wotan in Traurigkeit die Walküre, sein besseres idealeres Selbst in ihm, in Schlaf versenkt hatte (wir tun das alle), traf ich am Ausgang aus der geliebten Musikkirche, »Opernhaus«, das braunrote, wunderbar schöne Mädchen vom Ecksitze in der vorderen Parkettreihe. Sie war blässer als vorher und sah ermüdet aus, erschöpft. Ich fühlte: »Möge es dich martern, nicht zur Ruhe kommen lassen, bedenklich machen und dich aufstören wie der Stock des Wanderers den geordneten Ameisenhaufen! Was daraus Vorteilhaftes für dich ersteht, wer weiß es?!? Aber die Ruhe ist jedenfalls das Schädlichste!« Das Rasten heißt überall, nicht weiterkommen! Deshalb ist in Wagners Musik das ewig Rastlose. Gottes Gipfel sind hoch, man kann nicht rasten in den Niederungen, denn er wünscht es nicht! Wollt ihr es euch aber bereits bequem machen auf euren guten Ecksitzen?! Tut, tut es ja nicht, auserlesene Geschöpfe! Nehmt wenigstens die treibende Melancholie mit, die die edle Unruhe fördert in eurer Seele! Gehet mir ja nicht befriedigt weg, sondern zerstört und verzweifelt!

[137]
Wie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Wie ich Übersetzer wurde

Monsieur Henry trug im Kabarett »Nachtlicht« ein Lied vor: »Son amant«. In früher Morgenstunde sagte ich zu ihm: »Schreibe mir dieses Lied auf. Es enthält die Kraft eines wirklich menschlichen Herzens!«

Als ich es dann in meinem Zimmer wieder durchlas, konnte ich innerlich die etwas übertriebene Art, mich auszudrücken, verantworten. Ja, uns, uns Besiegten der Seele ist es aufgebürdet, zu tragen die wirkliche Last des Daseins! Und wir tragen! Titanische Kräfte sind in unseren schwächlichen Herzen! Wir können tragen, tragen. In dieser Stunde des Siegesgefühles unserer unerschöpflichen und dennoch armseligen Herzenskräfte ward ich zum Übersetzer eines Liedes, das diese Dinge ausspricht in schlichter Tiefe.

Das Lied heißt: »Son amant« und ist gedichtet von Edmond Teulet, Kabarettier von den »Noctambules«, Paris.

Ihr Liebhaber

Du fragst, woran ich sterben muß,
Bei Arzt und Freunden rund herum?!?
Ein Leid, Geliebte, das du schufst, bringt mich nun um!
Und keiner kennet meines Leidens Wesen.
Drum sagt ein jeder banal und dumm:
»Wer weiß, er kann vielleicht doch noch genesen –!?«
Ich glaubte, daß ich hätt' die Kraft,
Das Sterben in mir zu besiegen,
[138] Das nun zwei Jahre lang in mir tobt und schafft.
Mein Herz war stark, dennoch mußt' es erliegen.
Dich zu verlassen, Süße, ist mein einziger Gram –
Nun sag' ich dir, wieso es kam – – –.
Ich sage dir, geliebteste Geliebte,
Nun, in der Stunde des Verscheidens,
Das wirkliche Geheimnis meines Leidens!
Ich sah dich eines Abends in den Garten
Hinabsteigen, ängstlich-eilig, und ich sah dann
Einen zweiten Schatten – – – einen fremden Mann.
Und diese Zwei kamen sich näher, näher – – –
Der Büsche Dunkelheit entführte sie dem Späher.
Mein Herz stand still, ich hätte können weinen wie ein Kind,
Geliebte, ich konnte von dem allen nichts verstehen –
Ich wollte und ich wollte euch nicht übersehen –
Ich hatte Furcht, da zu euch hinzugehen – – –!
Denn dann hätt' ich mit meinem Messer
Durchbohrt deinen geliebten Hals, Geliebteste,
Dich an die dunkle Erde der Allee genagelt;
Ich hatte Furcht, dich dann ganz zu verlieren!
So, so war es noch immer besser!
Ich hatte Furcht. Ich liebte dich. Was konnte ich erreichen?!?
Und ich gewann die Kraft, mich fortzuschleichen!
Kleinweis bin ich zugrund' gegangen nun durch dich.
Du siehst, Geliebte, ich hab' dich nie belogen,
Wenn ich dir sagte: »Ich liebe dich – – –«
Geliebtestes Geschöpf, nun ist es aus – – –
Leg' auf mein Grab einen Blumenstrauß!
[139]
Gespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Gespräch über einen Zweiten mit einem Ersten

»Mit mir allein beisammen bist du nie so lustig und herzig«, sagte der »glückliche Liebhaber«, eigentlich also der unglückliche.

»Ja, da habe ich doch zuviel zu berücksichtigen für dein Glück, Geliebtester.«

»Mit ihm aber bist du wie ein launenhaftes ungezogenes süßes Kindchen – – –.«

»Kann ich es mir mit ihm verderben?!? Nun also. Er ist entzückt über alle meine Ungezogenheiten. Er bedarf meiner nicht für den »Alltag«, für die Strenge des Lebens. So darf ich bei ihm ich selber sein! Aber du forderst von mir »die in dir aufgehende Frau«. Kann ich das nicht auch leisten?!? Nun also. Das »ungezogene Kindchen geht dir dabei verloren. Was macht es?!? Du hast dafür die ernste getreueste Sklavin!«

»Wenn er dich aber lächelnd und kindlich macht, bewirkt er doch fast mehr für dein Glück als ich –.«

»Für den Augenblick! Aber wir haben zu leben Jahre und Jahre! Und nicht immer bleiben unsere Haare braun und unser Teint wie Alabaster – –«.

»Also ist es ein einfaches Geschäft, das ihr mit uns Besonnenen betreibt?!?«

»Wie könnte es etwas anderes sein, da das ›Ge schäft des Lebens‹, dieses uns Erhalten wollen à tout prix, uns unerbittlich mitgegeben ist vom Schicksal, in unseren armen Nerven lauernd kauert!?!«

[140] »Wen aber braucht ihr also mehr, den bleibenden Beschützer oder den, der euch für Augenblicke verjüngt zu launenhaften Püppchen?!?«

»Wir brauchen beide. Wenn aber der erstere geschickt manövriert, geben wir unbedingt den zweiten auf, um den ersten nicht zu verlieren!«

»Ihr seid beneidenswert in eurer moral insanity!«

»Keineswegs, Geliebter. Denn wir werden entsetzlich gestraft durch die Möglichkeit eurer Langweile, wenn ihr unserer ganz sicher geworden seid! Derzweite versetzt euch in ununterbrochene Spannung und Unruhe und verhindert euch so, allzubald daraufzukommen, daß wir eigentlich ein großer Pofel sind – – –! Wenn wir den zweiten aufgeben, euch zuliebe, riskieren wir immer unser Verderben. Deshalb haben so wenige von uns den Mut, nicht mit anderen zu kokettieren!«

[141]
MamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Mama

Meine Mama ist tot. Nichts von ihr ist übrig, sie ist aus der Welt verschwunden.

Wenn sie für das Theater, eine Soiree, einen Ball frisiert, angezogen wurde, war ich als Kind verzweifelt und wie in Todesangst. Ihr Weggehen abends aus der Wohnung kränkte mich unbeschreiblich. Die Bonne sagte: »Schau' doch, was du für eine schöne Mama hast – – –«. Niemand begriff meinen Schmerz. Sie ging in die Welt, die nicht die meine, die unsere war, und zwar sogar mit Freuden. Ich war tief unglücklich. Ich sah die Zimmer mit den Öllampen, wie nach einem verheerenden Kriege, wie nach einem Unglücksfalle. Den Spiegel, an dem sie frisiert wurde, das Lavoir, in dem sie ihre zarten Hände gewaschen hatte, den Schlafrock, die Pantoffeln. Alles war so in Unordnung geraten; nur weg, weg, weg in das Vergnügen hinein! Niemand hatte Sinn und Zeit für meinen Schmerz, weder die alte gute Köchin noch das liebenswürdige Stubenmädchen, noch die Bonne. Alle setzten sich zusammen und tratschten und waren vergnügter als sonst. Ich aber hatte mein Liebstes verloren, während die anderen einen »freien Abend« gewonnen hatten.

Vor einigen Tagen stand ich nachts 2 Uhr vor dem Hause Franzensbrückenstraße 3. Ich sah zu den dunklen Fenstern hinauf im 2. Stockwerk. Hier also, um diese stille Stunde, war meine schöne Mama in unendlichen Leiden gelegen, hatte mich zur Welt gebracht. Ich hörte gleichsam mein erstes Winseln, sah Mama zu Tode erschöpft von ihrer Lebenspflicht.

[142] Also ich war da; das Verhängnis meines Daseins war nicht mehr rückgängig zu machen, ich war verurteilt für die endlosen Verirrungen; ich schrie, aber die Hebamme sagte wahrscheinlich: »O, eine gesunde Lunge!«

Nun stehe ich da, vor diesen Fenstern, in derselben Nachtstunde, höre gleichsam Mamas Seufzer wieder. Ich bin glatzköpfig und ziemlich verkommen und 48 Jahre alt und habe es zu nichts gebracht trotz herrlicher Anlagen.

Mama ist tot. Nichts von ihr ist übrig. Sie ist aus der Welt verschwunden auf Nimmerwiedersehen. Sie hat mir einen gesunden Leib, Intelligenz und Seele mitgegeben, also ihre Verpflichtung als Mutter ideal erfüllt. Sie ruhe in Frieden – – –.

[143]
Lies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Lies es aufmerksam
Ein Rückfall in »Prodromos«

Ein Kultivierter sein heißt, zum Bewußtsein seinerLebensenergien gekommen sein! Daraus erfolgt nämlich die Sehnsucht, sie zu erhalten und zu vermehren! Eine Edelmaschine stören in ihrem Funktionieren, auch ohne es zu wissen und unabsichtlich, ist noch ganz barbarisch!


Hoffentlich, Freundin, hat dir die Kur von sechs Wochen nicht sonderlich genützt bei deiner Edelschwäche!?! Sonst sündigtest du dann zehneinhalb Monate lang im Vertrauen auf diese sechs Wochen!


Die heilige Natur in uns mit ihren schier unerschöpflichen Kräften wird milliardenfach und stündlich tief beleidigt und gekränkt; aber wir haben die Frechheit und die Stupidität, sie, die ohnedies unermeßlich Nachsichtige, mit 20 elektrischen Bädern à 5 Kronen wieder versöhnen zu wollen!


Ich erwarte vom heiligen reinen Leibe die Regeneration, nicht von der heiligen reinen Seele! Ist es eineuralte Wahrheit?!? Desto merkwürdiger und tragischer für das Menschengeschlecht, daß sie so lange braucht, sich durchzuringen!


Mein Organismus ist herabgestimmt, durch ökonomische Sorge, Unannehmlichkeiten, Eifersucht, Enttäuschung; gerade um so viel ist dadurch meine Verdauungskraft herabgestimmt, vermindert, beeinträchtigt geschwächt! Die Funktionen des [144] Magens, Darmes, der Leber usw. usw. Würde ich in diesen schweren Stunden doch wenigstens die Tätigkeiten meines Verdauungssystems liebevollst schonen! Vor Ärger oder Kränkung »erbrechen« müssen, ist eine allerletzte Mahnung der gütigen Natur! Lauschen wir doch auf ihre allerersten!


Ich habe mir durch meinen »hygienischen Fanatismus« bei manchen den Titel eines Dichters verscherzt – – –. Ein Dichter ist einer eben nur so lange, als er kommende Ideale dunkel träumt, verworren stammelt in allzuvielen Worten! Wer aber weiß, wie man hinaufgelange, verliert die Poesie des Tappenden im Dunkel! Mit knappen Worten verkündet er nüchtern das Heil –.


Wißt ihr, was Sympathie ist?!? Es ist eine lebendige und zugleich mysteriöse Heilkraft und Mehrerin der Lebenskräfte, wie die Gasteiner Quelle, Karlsbad, Teplitz, Franzensbad! Ganz, ganz ebenso! »Darf ich Ihre Jacke tragen, Fräulein?!?« Unendliche Lebenskräfte strömen dir nun von Minute zu Minute von dieser toten und dennoch lebendigen geliebten Jacke durch Hand und Arm in deinen Gesamtorganismus! Du drückst sie allerzärtlichst an dich, spürst keine Müdigkeit mehr, weder Hunger noch Durst! Du bist von Dankbarkeit erfüllt und schreitest leicht wie ein griechischer Läufer! Welche Kur könnte dir das verschaffen?!? Keine!


Er hat sich für sie aufgeopfert?!? Er folgte aber einfach den unentrinnbaren Befehlen seines Nervus sympathicus! Gerade dieses »sich aufopfern« [145] war die Quelle seiner erhöhten Lebensenergien! Für jede andere wäre er zusammengebrochen. Aber hier ebenentfalteten sich seine Kräfte, wie es konventionellerweise lautet! Daher das Unverständliche des Sichaufopferns, für die anderen! Sie ahnen einfach nichts von den vitalen Kräften, den Lebensenergien, die dem sich angeblich Aufopfernden zuströmen! Sie ahnen nicht, daß es für ihn ein Gesundbrunnen, ein Jungbrunnen ist! 100 Kronen aus Sympathie gespendet, sind besser als 10 Heller gespendet auf kaltem Wege! Sich aufopfern ist eine Form des Edelegoismus! Es ist für mich zuträglicher, für sie zu leben als für mich selbst! Nur muß man für diese Kur eine Entsprechende finden! Nicht für eine jede sich aufopfern ist gesund!


So viele viele Menschen sündigen in der Geschlechtssphäre und kennen leider nicht die mysteriösen Zusammenhänge derselben mit den Nerven des gesamten Verdauungsapparates! Die Unordnung in einer der beiden Sphären erzeugt Unordnung in der anderen, und der Circulus vitiosus ist eher hergestellt, als man es ahnt! Keusch leben im Verdauungsapparat ist wichtiger als keusch leben im Sexualapparat, und die Nahrung, die deine Verdauungsnerven in keiner Weise belästigt, schwächt, reizt, ist das eigentliche Heilmittel! Potenz in jeder Beziehung ist äußerste Rücksicht auf seinen gesamten Verdauungsapparat. Bis heute hat man dieser einzigen einfachsten Wahrheit immer aus dem Wege gehen wollen durch »Sechswochenkuren«! [146] Es gibt eigentlich aber nur »lebenslängliche Kuren«! Es scheinen wirklich nur diejenigen zu den »heiligen Regenerationskuren« vordringen zu dürfen, die genug »Intelligenz« und »Erkenntnisse« dazu besitzen! Den anderen aber die Sechswochenkuren und das Hohngelächter Satans!

[147]
DiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Diskretion
Eine trockene Abhandlung

Tausende leben verschwiegen. Alle ihre Schätze der Seele behalten sie verschwiegen für sich wie der Geizhals. In der »Diskretion« suchen sie feig Schutz gegen vermeintliche Gefahren, verkriechen sich in das Dickicht ihrer selbst. Nie stürmen sie in die offene Feldschlacht des Lebens, gerne bereit, mit tausend tückischen Wunden den ehrlichen Kampf zu bezahlen! Immer vertrauen sie lieber dem »Panzer der Lüge«, in jeder Beziehung! Wieviel vergebliche Kniffe, um sich und den anderen nicht einzugestehen, daß z.B. die geliebteste Frau eigentlich »auf sie pfeife« – – –. Immer ein Hokus Pokus, mehr oder minder geschickt durchgeführt, um seine »verletzte Eitelkeit« zu restaurieren auf Kosten der Wahrheit! An und für sich sind sie eben nichts; sie leben wie Parasiten von den »seelischen Kräften der anderen«: »Sie liebt mich, also bin ich« ist ihre feig verlogene Devise! Es müßte natürlich lauten: »Ich liebe sie, also bin ich!« Aber dazu haben sie eben zu wenig seelische Kräfte mitbekommen. Sie können daher nicht gebend leben, sondern nur empfangend! Sie suchen Zeugnisse dafür, daß sie nicht »leere Gehirne«, nicht »leere Herzen« sind, die sie doch eben deshalb sind, weil sie die »Zeugnisse dafür brauchen! Ihren berechtigten', Kleinheitswahn« möchten sie umsetzen in unberechtigten »Größenwahn«, auf Kosten dummer momentan empfänglicher gutmütiger Frauen! Aber sie irren sich! Die armen Frauen fühlen instinktiv diese gemeinen [148] Manöver, geben sich momentan hin, ziehen sich aber innerlich wenigstens rechtzeitig zurück von dem, der sie als Krücke ausnützt seines humpelnden Selbstbewußtseins!

Ich schrieb schon im Gymnasium in mein Heft: »Eine Frau, der ich einst ihr Alles sein werde, armseligstes Wesen! Ich werde die günstige Konstellation ausnützen und sie aber zugleich tief verachten und vor allem belächeln! Wer bin ich, daß man mich wirklich lieb haben dürfte?!?«

Diskretion der Seele ist, alle Dinge nur so weit zu fühlen und zu bedenken, als sie einem noch »in den Kram passen«! Und in den Kram der anderen!

Der »innerlich Indiskrete« sucht die Wahrhaftigkeit auf Kosten seines Glückes. Sein Glück ist eben die Wahrhaftigkeit! Der Vogel Strauß jedoch verbirgt »diskret« den Kopf in den Sand, wenn er verloren ist.

[149]
Die SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Die Selbstlosigkeit
(ein hygienisches Märchen)

Er hatte eine sehr träge Verdauung, schwere Störungen der Darmnerven, obzwar er sonst ganz gesund war. Und da er sehr reich war, so zog er denn aus, die Fee der Gesundheit zu befragen – – –. Und die Fee der Gesundheit sagte zu ihm: »Ehe du nicht die Medizin 'Selbstlosigkeit' findest, kannst du nicht errettet werden von deinem Leiden!«

Und so begab er sich denn auf die Suche nach der Selbstlosigkeit. In vielen, vielen Fällen glaubte er sie schon gefunden zu haben, aber stets erwies es sich schließlich nur als »krasser Egoismus« und seine Darmtätigkeit konnte nicht gebannt werden. Das machte ihn bereits ganz melancholisch. Und eines Tages lernte er einen bettelarmen Dichter kennen mit einer ganz jugendlichen Darmnervenkraft.

Der Dichter sagte zu ihm: »Siehe, ich denke einfach immer an das Wohl der künftigen Menschheit!«

»Wie, derjenigen, die kommen werden, wenn du selbst gar nicht mehr existieren wirst und die Würmer dich bereits angenagt haben?!?«

»Ja, derjenigen! Das verleiht mir meine Darmnervenkraft!«

Da machte der reiche Mann sogleich ein Testament zugunsten des »Vereins für mißhandelte Kinder« –.

Aber seine Darmnerven versagten ihm dennoch den Dienst wie immer.

Da erschoß sich der reiche Mann aus Verzweiflung und verfluchte die lügenhafte Fee und den lügenhaften Dichter. Aber beide fanden sich dennoch auf [150] seinem Grabe betend ein und der »Verein für mißhandelte Kinder« schickte ein Abordnung von drei erlösten geretteten in Weiß gekleideten Kindern, die für den unbekannten Spender inbrünstig beteten.

Ihr werdet mich nun um die Moral fragen?!?

Gewisse Herzen können erst im Tode, also testamentarisch, Gutes stiften. Zeit ihres Lebens stehen sie im dunklen Banne ihrer selbst!

Ferner: Keine Selbstlosigkeit belohnt sich jedoch, die nicht »freudigen Herzens« geschieht.

Und endlich: Unsere Darmnerven üben in uns eine Art von physiologischer Moral aus, sie belohnen und sie strafen jegliches Vergehen gegen die »göttliche Natur im Menschen«!

[151]
Station Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Station Unter-Purkersdorf

Kleines braunes Holzhäuschen. Daneben eine Bank. Kleines Beet von Sonnenblumen.

Die junge Frau: »In 10 Minuten kommt der Zug aus Wien mit meinem Manne – – –.«

Der junge Herr: »Wie schön war dieser Weg heute nachmittag das Flußbett entlang; die eiserne Brücke, die Entenherde, der Leierkastenmann, der kahle Hügel, die Bäumchen, die keinen Schatten gaben – – –. Alles gewann Bedeutung, erhöhte sich von selbst zu Unvergeßlichem – – –«.

»Mit Ihnen wird alles anders; wie wenn man erst sehen, hören, fühlen, denken lernte; alles erhält sein wirkliches eigenes Leben und sogar eine Entenschar hat plötzlich alle Poesie, die sonst erst der geniale Maler ihr zu verleihen vermöchte! Das verdanke ich Ihnen unbedingt und es wäre gemein von mir es nicht anzuerkennen – – –.«

»Ich bin hier Lehrer; meine Schulkinder vergöttern mich und ich bin dem Schicksale dankbar; aber heute zum ersten Male hatte ich so eine erwachsene mittönende Seele an meiner Seite, die nicht ›aufschaut‹, sondern gemeinsam ein Duo singt von innerlichen Stimmen – – –«.

Schweigen. Die junge Frau blickt zu Boden.

Der junge Herr: »In drei Wochen nehme ich meine Ferien; sonst freute ich mich darauf wie auf ein Paradies; diesmal freue ich mich gar nicht, in die Berge zu reisen – – –«.

Schweigen.

Man hört den Zug ankommen.

[152] Der Gatte erscheint. Ein netter einfacher Mann.

»Wie wunderbar kühl du es hier hast, Geliebteste! In der Stadt zerschmolz man heute förmlich bei der Arbeit.«

Sie stellt den jungen Herrn vor.

Der Gatte: »Hier bringe ich dir Pfirsiche von ›Scheidl‹ und Cakes von ›Pernot‹ und deine sonstigen gewünschten Kleinigkeiten. Hoffentlich ist alles recht und in Ordnung. Ich hatte einen schweren Tag. Heute war die Entscheidung wegen des Geschäftes mit den Merinopelzen. Es ist aber alles gut ausgegangen«.

Die junge Frau, verlegen: »Gott sei Dank, da haben wir also für den Winter zu leben – – –«.

Der junge Herr blickt den Gatten aufrichtig freundschaftlich an – – –.

»Weshalb blicken Sie mich so teilnahmsvoll an?!? Ich weiß, wofür ich mich plage! Wissen Sie es ebenso genau in Ihrem Berufe?!?«

Die junge Frau: »Herr Dietrich ist hier Schullehrer, und hat sich meiner ein wenig angenommen – – –«.Der Gatte: »Hoffentlich sind die Pfirsiche nach deinem Geschmacke – – –«.

Sie: »Gehen wir nach Hause. Du wirst dich ausruhen wollen von den Mühen des heißen Tages –.

Adieu, Herr Dietrich, auf Wiedersehen morgen –«.

Herr Dietrich: »Nicht auf Wiedersehen. Ich trete bereits morgen früh meinen Urlaub an in die Berge«.

Sie, ängstlich: »Sie sagten doch ›erst in drei Wochen – – –‹?!?«

Er: »Nein, bereits morgen früh – – –«.

[153] Er geht langsam weg.

Der Gatte und die Gattin bleiben sinnend, versunken auf der Bank.

Der Gatte: »Anna, Anna, ich glaube, ich werde noch viel mehr arbeiten müssen als bisher für die Bequemlichkeit deiner geliebten Tage – – –«.

»Du Dummer! Du riesig Dummer! Weshalb denn?!?«

Sie ißt eine der herrlichen Pfirsiche.

»Es ist der wunderbarste Pfirsich von der Welt.«

Er blickt sie gerührt an, berührt sanft ihre Hände.

Der Vorhang fällt – – –.

Pause.

Der Vorhang geht auf.

Der Schullehrer auf derselben Bank, mit einem kleinen wunderschönen Schulmädchen.

»Du hast also, Annerl, die Sache mit dem Thermometer, die ich euch heute erklärte, gar nicht verstanden?!?«

»Nein, Herr Lehrer – – –. Und ich hätt' es doch so gern verstanden, Ihnen zuliebe – – –«.

»Wie geht es denn deiner kranken Mutter?!?«

Das Kind beginnt zu weinen, in die Hände hinein.

Er: »Ich reise morgen früh fort, in die Berge; ich bedarf sehr der Erholung. Bleibe du so brav und pflichteifrig wie bisher, Annerl, bis ich zurückkehre –«. Das Kind kniet nieder vor dem Lehrer, der auf der Bank sinnend und sorgenvoll sitzt, umfängt seine Kniee mit den Armen, sagt: »Herr Lehrer, Herr Dietrich, Gottes Segen über Sie allerwegen –!«

Der Vorhang fällt.

[154]
Die Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Die Dame tut das Richtige

Ein junges Mädchen stand mit einem verzweifelten Gesichtsausdrucke, wie gebannt, vor einem Einspännerrosse, das von seinem Herrn mißhandelt wurde. Das junge Mädchen getraute sich nicht, dem rohen Menschen etwas zu sagen. Da nahm sie ihr Portemonnaie heraus, reichte ihm zwei Kronen hin, um ihn versöhnlich zu stimmen. Der rohe Kutscher lächelte und sagte: »Behalten S' Ihr Geld, i tu ihm eh nix mehr – – –«.

Ein eleganter Herr trat vor, ließ einen Wachmann die Nummer des Wagens aufschreiben. Da murmelte der Kutscher zu seinem Rosse: »No wart', bis mir heut' abend allein miteinander im Stall sind, da werd'n mir miteinander diskurier'n, daß dir Hören und Sehen vergeht – – –!«

[155]
Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Die Braut

»Weshalb, Elisabeth, die du doch wählen konntest unter so vielen, hast du gerade diesem einen den Vorzug gegeben?!?«

Weil er einst an mich schrieb: »Möchtest du doch, Elisabeth, bei allen zärtlichen Blicken, die mein beglücktes Antlitz streifen, immer noch einen zärtlicheren Blick haben für ein Blumenbeet in einem Garten, ein Vögelchen auf einem Aste – – –!«

[156]
Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Zoologischer Garten in B.

In einem engen, ein wenig dunstigen Gebüschwege waren rechts die Gitter der Zwerghirsche von den Sundainseln und gegenüber die Pfauenkraniche mit den hellbraunen Aigretten auf dem spitzen Haupte und den milchblauen Augen und der Glockenstimme. Ein junges Menschenpaar hielt sich bei den Händen, die Finger ineinander verrankt, verankert. Sie lasen mechanisch die schwarzweißen Täfelchen: »Es ist verboten, den Tieren Futter vorzuwerfen oder dieselben zu berühren – – –«.

Da sagte sie: »Würdest du mich schützen, wenn ich es dennoch unternähme?!«

»Ich würde dich für eine ungezogene Gans halten«, erwiderte er.

Da gab sie den Zwerghirschen von den Sundainseln Brot und berührte sie.

Der Gartenwächter trat heran, begann aufzubegehren – – –.

»Ich stehe zu Ihrer Verfügung«, sagte der Herr sanftmütig und folgte dem Wächter. Wo seid ihr nun, verrankte und verankerte Finger?!? Abgründe öffnen sich wegen nichts und wieder nichts – – –. Ungezogenheit ist ein scheußliches Verbrechen!

[157]
Der Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Der Dichter

Zu einem kleinen braunlockigen Mäderl in einer Familie im Währinger Cottage sagte man: »Helena, morgen abend besucht uns ein Dichter – – –«.

»Da werde ich im warmen Bade mir den Kopf nicht naß machen, damit meine gedrehten Locken bleiben – – –.«

Dann sagte sie: »Ist es ein wirklicher Dichter, einer, der nichts zu essen hat?!?«

»Ja, ein ganz wirklicher – – –.«

»Was wird er zu mir sprechen?!?«

»Er wird sagen: Guten Abend, Fräulein Helena!« »Weshalb wird er sagen: Fräulein Helena?!?«

»Weil er sehr höflich ist und sich nicht zu Kindernfreundlich herabläßt, sondern zu ihnen ernst hinaufblickt

Helena dachte: »Wird das Souper feiner sein, weil ein Dichter zu Besuch kommt?!? Vielleicht Kaviar. Bei einem berühmten Maler war auch Kaviar. Und zum Schluß gefrorene Ananaserdbeeren«. Aber der Maler hatte zu ihr affektiert-verlegen gesagt: »Welche von deinen Puppen liebst du am meisten?!?«

Und diese Frage und der Ton dabei von gemachtem unwirklichem Interesse hatten sie sogleich chokiert.

Der Dichter erschien um 8 Uhr abends.

Er war glatzköpfig und sah sehr bedrückt aus. Richtig sagte er: »Fräulein Helena« und »Sie«. Helena saß in einer Nische und laß in einem englischen Buche. Er empfahl ihr die Lektüre angelegentlich [158] der Bücher der »Bibliothèque rose«, »Madame de Ségure, née Rostopshine«. Sie kannte bereits einige, besonders »Les vacances« und »Les malheurs de Sophie«.

Als er weggegangen war, fragte man Helena:

»Nun, wie hat er dir gefallen, der Dichter?!?«

»Man kann leichter mit ihm sprechen als mit allen anderen; er versteht alles viel rascher«, erwiderte das braunlockige Kind.

»Dummerl«, sagte man halb scherzend zu ihr. Man sagt immer halb verlegen »Dummerl«, wenn jemandgescheiter ist – – –.

[159]
Die MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Die Mama

Sie war wunderbar schön und ganz schlank wie eine Gazelle.

Und eines Abends sagte man zu ihr: »Ein reicher Mann wünscht deine jüngere Schwester zu heiraten. Aber vorerst müssen wir die ältere anbringen – –.« Und man brachte sie an. Sie gebar ihm fünf Kinder. Eines Tages kam ein Mann ins Haus, für den sie sich interessierte. Es wurde ein Familienrat abgehalten und der Mann wurde herausgeschmissen. Nun hoffte sie, daß ihre begabten Söhne und ihre schönen Töchter reich werden würden. Aber es fand nicht statt, denn es waren Idealisten. Sie dachte: »Ich habe meinen Idealismus aufgeben müssen, um euch in Schmerzen zu gebären – – – und nun rächt ihr die beleidigte Natur durch euren Idealismus an mir?!?«

Dann fuhr sie mit ihren herrlichen Töchtern nach Ostende, um jemanden einzufangen. Und es verfing sich wirklich einer in den Maschen. Aber im letzten Augenblicke entschlüpfte er. Da wurde sie fett und mißmutig.

Und eines Tages sagte der Arzt: »Das Herz ist hin – – –«.

Da sagte sie zu ihrer jüngeren Schwester, die nun auch genug mitzumachen gehabt hatte im Leben: »Weil dir eine gute Partie in Aussicht stand, mußte ich verheiratet werden. Stand es wenigstens dafür?!?«

»Nein«, erwiderte die Schwester.

[160]
Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt ist

Ich habe wieder neulich in einer Lokalnotiz gelesen von »Zuhälterliebe« und »der Schandlohn seiner Geliebten«. In den allermeisten Fällen aber ist es das Mädchen, das den Geliebten in diese Position geradezu hineinzwingt. Es ist der Wunsch ihres Herzens, den geliebten Leichtsinnigen von sich abhängig zu machen, ihn seiner Freiheit zu berauben, um ihn nicht zu verlieren! Zu diesem Zwecke untergräbt sie ihm absichtlich seine Stellung, die er irgendwo innehat und von der er selbständig leben könnte. Sie verhindert ihn, rechtzeitig bereit zu sein bei der Arbeit, indem sie ihn zum »Drah'n« verführt, ihn absichtlich zurückhält, ihn betrunken macht, kurz, seine Arbeitsfähigkeit in jeder Beziehung schwächt, seine Lebensenergien absichtlich zerstört. Ist er irgendwo bedienstet, so versucht sie es, durch provozierte Skandale oder Räusche im Lokal seine Kündigung hervorzurufen. Auch die Qualen der Eifersucht weiß sie geschickt zu benützen, um ihn in seiner Arbeitslust lahmzulegen. Endlich ist der Geliebte, durch alle diese Manöver erschöpft, von dem liebenden Mädchen ökonomisch abhängig geworden und begibt sich sozusagen ins Unvermeidliche. Jetzt hat er keine »Stellung« und muß ihr Geld annehmen. Jetzt kann sie seine ganze Zeit kontrollieren Tag und Nacht, ihn nicht aus den Augen lassen wegen der Kolleginnen, deren Hauptreiz es ist, so einen einer unglücklichen Liebenden abspenstig zu machen. Nun kann sie [161] ihn aber auch mit eigenem allzu schwer verdientem Gelde zum Kavalier herausstaffieren, was die Kolleginnen in doppelter Weise ärgert, erstens, daß sie einen so eleganten Geliebten hat, zweitens, daß sie überhaupt in der Lage ist, ihn so auszustaffieren! Wenn der Geliebte infolge des bequemen Lebens, das er nun zu führen fast gezwungen ist, sinkt und sinkt, ist seine Schuld eine geringe. Wenn er, so gesunken, nun auch eventuell die Liebe des Mädchens verliert, das ihn so weit gebracht hat, und infolgedessen in seiner Verzweiflung mordet, so ist er zu den sogenannten sympathischeren Mördern zu rechnen, bei welchen man das Wort »Sinnesverwirrung« ohne Hohnlächeln anhören kann. Hat das Mädchen den Unglücklichen einmal sicher von sich abhängig gemacht, seelisch und ökonomisch, so verabsäumt sie es niemals, aus Furcht, er könne sich sonst auf die Dauer an ihrer Seite langweilen, ihm das Amüsement der Eifersuchtsqualen zu verschaffen. Da hat er dann seine nervenzerrüttende Beschäftigung. Unregelmäßige Lebensweise und Alkohol vollenden das Zerstörungswerk. Aber die Zeitungen halten noch immer bei dem Satze: »Der Elende, der von dem Schandlohn seiner Geliebten lebte ...« Ja, hat denn dieses Mädchen ein menschlicheres, rührenderes Gefühl in ihrem ganzen Leben, als dieses Geld wenigstens einem geliebten Menschen zu schenken?!? Soll er sie beleidigen und kränken, indem er dieses Geld, das sie gleichsam anekelt, nicht annimmt und durch die Annahme es aber zu einem »Geschenk zwischen Liebenden« erhöhen könnte?!? Ich kenne viele sogenannte »ideale« [162] Strizzis, die das Mädchen schließlich geheiratet haben und in geordnetsten Verhältnissen nun ausrasten mit ihr von einem Dasein, das immerhin einige Gefahren mehr in sich birgt als das gewöhnliche. Wir, die wir an den Abgründen des Lebens gerade nur so vorbeigekommen sind oder nicht vorbeigekommen sind, wir wollen mildere Richter sein!

[163]
In einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

In einem Wiener »Puff«

»Du«, sagte die süße Anschmiegsame zu mir, »du, der da drüben ist nicht normal; er lebt auf einer Sandinsel in der Donau, läuft halbnackt herum, du siehst, er ist ganz braun von der Sonne. Der kommt nur her, um uns zu verachten! Dich auch, Peter, dich auch. Was nützt dir da dein ganzes schönes Dichten?!?«

Der Herr drüben sah wirklich aus wie das Leben selbst. Oder wie ein Afrikareisender. Gegerbt von Licht und Luft, gegerbt!

Seine Freunde an seinem Tische hatten sich alle bereits »verliebt«, wie der technische Ausdruck lautet.

Nun forderten sie ihn auf, sich ebenfalls doch endlich zu »verlieben«.

»Soll ich mich schwächen?!?« erwiderte der Braune den Bleichen. Und alle lachten.

»Is dös deine Kraft, wenn du nix zum Ausgeben hast?!?« sagte die süße Anna.

»Lass' ihn – – –«, sagte Hansi, »ein jeder weiß, was er zu tun hat. Wahrscheinlich nutzt ihm die Sonne auch nichts mehr – – –«.

»Verachten Sie mich auch?!?« sagte der Braungebratene, und wandte sich an eine, die einen Fünfkreuzerroman las und ganz darin vertieft war.

»Weshalb sollte ich Sie verachten?!? Ich kenne Sie gar nicht.«

»Wie sind Sie überhaupt zu diesem Leben gekommen?!?« sagte der Naturgemäße sanft. Das ist die öde Frage aller Dilettanten des Lebens.

[164] »Das wird den Herrn wohl wenig interessieren können –.«

»Doch. Sie scheinen mir zu etwas Besserem geboren!«

Zweite Phrase des Dilettanten!

»Ich wurde verführt – – –.«

»Aha, die Liebe

»Nein, nicht die Liebe!«

»Also die Sinnenlust

»Nein, man gab mir zu trinken, auf einer Landpartie – – –.«

»Also der Alkohol! Eines der drei Gifte mußte es ja sein – – –.«

Er registrierte das Ganze unter die Rubrik »Alkohol«.

Anna ging vorbei und sagte: »Sie, Herr Robinson Crusoe, verführen Sie mir diese Unschuld nicht –«.

Der Donauinselsandsonnenmensch ging an das geöffnete Fenster, blickte in das Dunkel des Gäßchens, das nur durch die Lampe eines Pissoirs einen grellen Fleck erhielt, roch mit Widerwillen die schlechte Luft.

Dann sagte er: »Zu wenig Respekt habt ihr vor Sonne und Luft, das ist es!«

Die Mädchen wurden momentan ganz verlegen bei dem Gedanken, daß sie wirklich vielleicht zu wenig Respekt hätten vor Sonne und Luft. Denn bisher hatten sie wirklich gar keinen Respekt gehabt davor.

Nur Friederike, die ihren Namen nie in »Fritzerl« abgekürzt hören wollte, weil sie derjenige welcher immer so genannt hatte, sagte: »Und doch haben wir einen besseren Humor als Sie – – –«.

[165] »Bst«, sagten die anderen Mädchen, »tu' ihn net beleidigen, dös g'hört sich net – – –«.

»Adieu, Verlorene«, sagte der Herr und ging.

»Wir empfehlen uns, Herr Robinson Crusoe –«, rief ihm Anna nach.

»Was habt's alle ›bst‹ gerufen, wie i den faden Bimpf abg'stellt hab'?!?« sagte Friederike.

»Man darf niemandem so die Wahrheit sagen; vielleicht wär' er doch noch mit einer aufs Zimmer gegangen – – –.«

»Ah, der nöt, der Sonnenpritschler; dö san alle zu schwach vor lauter Kraft – – –.«

[166]
Aus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Aus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem Lächeln?!?

Am Tage, an dem man erfahren hat, daß man einen Haupttreffer gemacht habe, verdaut man Speisen leicht, die man tags vorher noch hätte erbrechen müssen!

Vor dem Falle

Sie wehrt sich mit ihren letzten Kräften, die sie aber gar nicht mehr hat – – –.


Zwei Arbeiter gehen hinter einem Mädchen, das wunderbare aschblonde Haare hat: »Jessas, Jessas, de Haar, de möcht' man ins Maul nehmen, so schön sein's!«


»Von deinen Küssen, Teurer, erhält meine weiße Haut keine rosigen Flecke. Du hast also kein Temperament – – –.«

»Ich habe Achtung und Sorge um die Schönheit deiner Haut. Das ist mein Temperament!«


Die Art, eine Wagendecke zu richten, kann oft mehr Liebe und Freundschaft beweisen als Worte und Briefe und Taten!


Einziger wirklicher Triumph eines männlichen Herzens – – eine wirklich reuig Zurückkehrende.


Antlitz, Auge, adelige Hände und Finger sprechen oft laut und vernehmlich für die schweigende verstummte Frau von ihren eingesargten Träumen!


[167] Die wunderbare junge Spanierin sagte mir über meinen Brief: »Votre lettre – – – je comprends, que vous me comprenez – – – c'est tout ce qu'il nous faut – – – c'est' plus!«


Wunsch:

Ich möchte, daß eine geliebte Frau noch immer zärtlicher und liebevoller ein Blumenbeet im Garten anblicken könnte als mich – – –.


Manche Menschen sind schon ganz verkommen, und noch immer verraten ihre adeligen Gliedmaßen die Intentionen Gottes, die sie nicht realisiert haben!


Wenn man Romeo auf Ehre und Gewissen, das eben kein Romeo besitzt, fragte, ob er es denn sich wirklich zugetraute, die geliebteste Julia ganz, ganz glücklich zu machen, so müßte er erwidern:

»Ich glaube, mein Herr, für einige Wochen langt es gerade – – –«.


Die Seelen der Ehebrecher sprechen bereits miteinander, und derjenige, der um sein Glück ängstlich zittert, hört doch nur die Worte: »Guten Abend!« und »Wie geht es Ihnen?!?«!


Es gelang dem Tierbändiger, es den Tigern weiszumachen, daß er mächtiger sei als sie. Es gelang dasselbe dem Gatten bei seiner süßen renitenten Frau. Aber der Tierbändiger ist anständiger. Er sagt nie: »Sie brauchen das zu ihrem Glücke!«


[168] Er war sehr musikalisch und verachtete die Frauen! Das heißt, er erwartete sehnlichst und vergebens eine, die so wirkte wie Beethovens Adagios und Schubert-Lieder!


»Niemand hätte gedacht, daß es mit ihm so schnell zu Ende gehen würde ...« Weil sich niemand die Mühe genommen hatte, es zu beobachten!


»Ich glaube, es ist ein Sport von Ihnen, zerrissene Schuhe zu tragen!« Am nächsten Tage fand man ihn erhängt.


Prinzip! »Ich habe es mir einfach zum Prinzip gemacht, meine Briefe nicht herzuzeigen und basta«, sagte sie zu ihm. Da schlief er die ganze Nacht nicht, hatte am nächsten Tage schreckliche Migräne und versäumte eine wichtige geschäftliche Angelegenheit. Auch aß er keinen Bissen zu Mittag.


»Ich halte Bananen für das gesündeste Obst!«

»Weshalb essen Sie sie dann nicht selber?!?«

»Kann die Zuträglichkeit einer Frucht durch meinpersönliches Verhalten ihr gegenüber größer oder geringer werden?«


»Sie predigen Wasser und trinken Wein, mein Lieber!?!«

»Wäre es nicht ein größeres Verbrechen, Wein zu trinken und ihn auch noch zu predigen?!?«


[169] Es gibt zweierlei Arten von Nebenmenschen. Die, die jenen hassen, der besser französisch spricht wie sie selbst. Und die, die ihn um dessentwillen lieb haben. Diese letztere Sorte gibt es aber überhaupt noch nicht!


»Machen Sie sie eifersüchtig mit Frau B. Da wird sie schon ›gekrochen‹ kommen!«

»Ich will aber gar nicht, daß sie ›gekrochen‹ kommt!«


»Sie ruinieren uns alle Frauen, mein Herr Dichter, indem Sie Ihre Ansprüche an den Mann und seine Art und Weise vergrößern!«

»Ich sehe es ein, daß es taktlos von mir ist, die Frauen darauf aufmerksam zu machen, daß der Mann ein Wesen von unendlicher Kultur sein sollte!«

»Wohin kämen wir, bitte, wenn wir nur immer Idealen nachhängen würden?!?«

»Zu den Idealen!«

Ausspruch einer wunderschönen jungen Frau

Es ist das Seltenste auf der Welt, einen Mann zu finden, der einen ununterbrochen entschädigte für die vielen Liebhaber, die man seinetwegen nicht erhört hat!


»Das Leben ist kompliziert«, sagte sie und tat nur, was ihre momentane Laune ihr eingab.

»Das Leben ist einfach«, sagte sie und tat nur ihrePflicht.

[170] Man wird einmal so überempfindlich werden, daß man die Eifersuchtsqualen eines liebevollen Herzens, die man erzeugt, wird miterleben können. Dann wird man auch den rohen Mut verlieren, sie diesem Herzen aufzubürden! Aber dazu muß man dekadent werden, das heißt »überempfindlich«!


Mein Kind zertrat einen Maikäfer. Ich sagte zu ihm: »Denke dir ein Reich der Riesen. Da kommt einer und zertritt dich! Kein Papa mehr, keine Mama, keine Kinderfrau Mimi, kein Onkel Karl. Du bist ein Brei. Und weshalb? Niemand weiß es«.

Mein Kind dachte: »Philosophieren, gut! Aber nur net schlagen!«


»Meine Frau langweilt sich an meiner Seite!«
Tiefste psychologische Erkenntnis, die es überhaupt gibt. – – –
Weshalb schrieb noch niemand das Drama: »Langweile«?!? Das wirklich Tragischeste, das existiert?!!

»Ich will eigentlich immer verhätschelt werden. So war es bei meiner Kinderfrau Baba, so ist es nun bei Herrn Karl. Aber mein Gatte betrachtet mich als einen erwachsenen Menschen«.

»Das ist ein großes Unrecht von ihm – – –.«


Die Frauen sind die gefährlichsten Alkoholiker. Sie brauchen ununterbrochen »Räusche«. Sie wollen nicht zum Bewußtsein ihrer selbst kommen. Sie würden sich zu minder vorkommen. Deshalb brauchen sie Räusche, Betäubungen. Einer muß [171] ihnen ins Ohr flüstern: »Ohne dich kann ich nicht existieren«. Und ein anderer muß sich sogar ertränken ihrethalben. Von diesen Eitelkeitsgiften fristen sie ihr Dasein. Betäubung und Berauschung! Nüchtern würden sie es unangenehm und blamierend empfinden, daß sie nicht einmal es wissen, wie man Oxfordhemden in der Wäsche zu behandeln hat!?!


Man kann einen »wirklichen Menschen« wittern an einem Nichts, wie die edlen Hunde das Wild.


Ich sagte zu einem fünfzehnjährigen Mädchen, das sparte und sparte, nur um in eine Wagneroper gehen zu können, jeden Monat auf einen bequemen Sitz:

»Und würden Sie einen Mann lieb haben können, der für diese Dinge kein Verständnis hätte?!?«

Sie erwiderte: »Ein Mann, der nicht Musik liebte, ist für mich kein Mensch. Es ist ein wildes Tier! Wie verstünde er mich, eine mir selbst unverständliche Lebenssymphonie


Die Menschen vertragen das flache Geschwätz. Aber nicht das tiefe Schweigen! Da sagen sie alsbald: »Heute sind Sie nicht sehr amüsant! Was ist Ihnen?!? Ist Ihnen etwas über die Leber gelaufen?!? Wirklich, bei Ihnen kennt man sich nicht aus – – – Kommen Sie zu sich, mein Herr – – –«. Eben dort aber war man!

Die Engländerin

»O mein Freund, was nützt mir da deine große Liebe, wenn du mir bei der Türe nicht den Vortritt läßt?!?«


[172] Eine Dame zu ihrem Geliebten, der es etwas an Takt und Geschmack fehlen ließ; »Omne animal post coitum unhöflich!«

Gespräch zwischen zwei kleinen Knaben

»Wer ist dir lieber, der Moses oder der Rübezahl?!«

»Natürlich der Moses!«

»Mir der Rübezahl. Der Moses muß alles tun, was Gott ihm anschafft, aber der Rübezahl tut, was ihm paßt!«


Es gibt einige Worte, bei deren Nennung angeblich kultivierte Damen noch immer beunruhigt werden: »Syphilis, Hure, Päderast, Lesbierin –«. Wie wenn ein Botaniker beunruhigt würde durch die Worte: Tollkirsche, Schirling, Bilsenkraut –!?


Es gibt nur eigentlich ein einziges Laster, die Eitelkeit. Sie ist ungoetheisch. Sie führt uns statt in die Welt, zu uns selbst zurück! An den Anfang statt an das Ende!

Der Stammtisch

Herr Peter ließ sein drittes Krügel »Löwenbräu« stehen, verließ vorzeitig den Stammtisch. Zu ihr, zu ihr!

»O Peter, was hast du davon?! Sie hat einen schmucken jungen Gatten und vielleicht noch einen anderen. Was also hast du davon?!«


[173] »Ich habe davon die treibende Kraft in mir, etwas Liebgewohntes, Stammtisch und Bier, verlassen zu können!«


Aus einer Frau eine Kirche machen! Was nützte es mir denn, das Steinepos des Domes, die baumlangen Kerzen, den Duft des Weiherauches auf ihr Wesentliches zu reduzieren?!? Es gibt nur eine einzige Impotenz, die Dinge nicht mehr mit dem Reichtum der eigenen Seele ausstatten zu können!

Dichter

Jemand schrieb über mich: »Und wenn man wirklich noch daran zweifeln könnte, daß man es hier mit einem gottbegnadeten Dichter zu tun hat, so lese man nur die kleine Geschichte von dem siebenjährigen Kind!«

Aber gerade diese Geschichte hat mir die Mutter dieses Mäderls wörtlich mitgeteilt.
»Aber diese einfache Sache für wert zu halten, sie den anderen mitzuteilen, mein Herr?!?«
»Jawohl, das heißt ein Dichter sein!«

Dialog

»O, geliebtestes Geschöpf dieser Erde, du errötest, du erbleichst in Gesellschaft dieses Mannes –. Brauchst du ihn vielleicht für dein wenn auch nur momentanes Glück?!?«

»Geliebtester, indem du mich so in edler Herzensangst befragst, löst du den ›bösen Zauber‹, der mich bannte! Ich glaubte ihn zu brauchen bis dahin – – –.«

[174]

Dekadenz – Aszendenz!

Es gibt Menschen, die bereits so empfindlich reagieren auf Reizungen, daß sie bei einer zugeschlagenen Türe ohnmächtig werden könnten. Infolgedessen wird man sich allmählich bemühen, Türen vornehmleise zu schließen!

Kultur

Wenn es also wahr ist, daß sanftmütigstes rücksichtsvollstes Benehmen Frauen auf die Dauer langweilig und reizlos wird, dann – – – wollen wir ihnen lieber fade und reizlos werden!

[175]
KrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Krankheit

Ich bin krank – – –.

Der Leichtsinn entschwindet aus mir und ich bedenke die Dinge. Lebet wohl! Der Leichtsinn entschwindet aus mir! Zu spät werde ich bedenklich.

Wie schön war es, als ich gesund war – – –. Aber das wußte ich damals nicht. Das weiß ich erst jetzt.

Zum Beispiel nur, man sitzt, trinkt Tee, raucht und liest Zeitungen. Man spürt sich selbst nicht. Man ist sorgenlos, kann das Gehirn noch absperren gegen Sorgen, aus eigener Machtvollkommenheit. Sorgen erscheinen einem noch als ein Luxus des melancholischen Gemütes. Man gibt sich ihnen hin, weil man es eigentlich selbst so wünscht.

Anders, wenn man krank ist!

Da haben wir plötzlich die Fähigkeit, mit »krankhaften Zuständen« zu tändeln, verloren, sie ist uns zu unserem Schrecken abhanden gekommen! Irgend etwas ist Herr über uns geworden!

Die Sorge kommt über uns aus dem »mysteriösen Unbewußtsein«, es wird ernst mit unserem Niedergange! Es hängt nicht mehr von unserer kapriziösen Laune ab!

Vieles haben wir versäumt, das ist unser Hauptgedanke!

Die Chance, auf die Welt gekommen zu sein, haben wir stümperhaft ausgenützt, als Lebensdilettanten! Wir haben uns jedenfalls zu viel Zeit gelassen zu allem – – –.

[176] So kommt es uns vor, wenn wir ernstlich krank geworden sind – – –.

Zwischen Verbitterung und exzeptioneller Sanftmut verbringen wir nun unsere bangen Tage – – –.

Wir sehen alle Dinge nun anders. Als ob wir in »gerechtere Welten« einzögen und liebevoller würden!

Sind wir bereits dem Himmel näher?!?

Fast scheint es so – – –.

Der Gesunde ist jedenfalls brutaler, unbedenklicher, ungerechter als der, der es fühlt, daß das Leben ein Tag, eine Stunde, eine Minute, eine Sekunde ist – – –!

Vor dem Sterben stehen, scheint ein radikales Erziehungsmittel zu sein!

[177]
KindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Kindermißhandlung

»Man hätte es diesem zarten hübschen Frauenantlitz gar nicht zugetraut«, lauteten die Gerichtssaal-Berichterstattungen.

Der Präsident fragte: »Wie wurden Sie selbst, Frau Anna, im Elternhause behandelt?!«

»Sonntag hatte der Vater nichts zu tun. Da wurden wir unbarmherzig geprügelt, und ebenso an Feiertagen. Nie aber wußten wir, weshalb – – –«

Der Präsident: »Wie war Ihr Mann gegen Sie?!«

»Er prügelte mich. Einmal glaubte ich, es sei meine letzte Stunde gekommen. Aber sie war es noch nicht. In derselben Nacht nahm er mich dennoch leidenschaftlich in Besitz.«

Der Präsident: »Der verstorbene Kleine war ›ein Kind der Liebe‹?!«

»Ja, mein nachmaliger Gatte hatte in Purkersdorf einmal einen schrecklichen Rausch, in welchem er mich überwältigte.«

»Hatten Sie später keinerlei Gefühl für den daran doch unschuldigen Wurm?!«

»Nein, Herr Präsident – – –.«

Präsident: »Was hat Ihre ersten Haßgefühle gegen das Kind erzeugt?«

»Es wollte immer zur ›Ziehmutter‹ aufs Land zu rück, nannte zärtlichst ihren Namen – – –«

Präsident: »Das ist begreiflich. Dort schlug man es nicht halbtot – – –«

Die Angeklagte: »Mein Muttergefühl empörte sich, obwohl ich gar keines hatte – – –«

[178] Der Verteidiger schilderte »Armut und Elend« und sagte, hier regierten andere Gesetze; die Nerven seien eben zerrüttet und daher unverantwortlich. Hysterie der Armut!

Man gab der Frau vier Jahre Kerker mit einem Fasttage am 17. März! Viele erwünschten ihre Hinrichtung.

Jemand sagte: »Am 17. März bestraft ihr sie so strenge?! Gerade an dem Tage seiner Erlösung von den namenlosen Leiden?!?«

Die Frau ging ruhig in den Kerker. Sie kannte sich niemals aus im Leben, lebte immer und immer wieunter einem bösen Zauber; so nahm sie auch diese Verurteilung hin, niemals hoffend auf bessere gnädigere Zeiten! Dunkel sind die Wege – – –.

[179]
Die beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Die beiden Freundinnen

Eines Abends sagte mir die vergötterte Gladys: »Da du so unglückselig an mir bist durch deine unerwiderte Zuneigung, so sollst du wenigstens mein Bett, meinen Polster, mein Nachthemde küssen dürfen, armer armer Peter – – –«.

Sie führte mich in das Zimmerchen, in dem sie und ihre Freundin Olivia schliefen. Sie sagte: »Dies rechts ist mein Bett – – –«.

Ich kniete nieder, küßte das geliebte Leintuch, die Decke, umfing in unermeßlicher Zärtlichkeit den geliebten Polster, der nach ihren Haaren duftete, küßte leidenschaftlich das Nachthemd – – –.

Sie schaute zu, begann zu kichern, zu kichern, zu lachen – – –, sich zu schütteln vor Lachen, sich zu schütteln. »Eh, das ist ja Olivias Bett, dem du alle diese Zärtlichkeiten spendest, mein Bester – – –!«

Ich war tief gekränkt durch diesen Mißbrauch meiner armen seelischen Kräfte, dieses unseres heiligen Lebenskapitales, und ich erwiderte ganz ruhig: »Nun, ist deine Freundin Olivia denn nicht auch ein wunderschönes anziehendes duftendes Geschöpferl?!?«

Die süße Gladys erbleichte bei diesen Worten. Sie sagte: »Komm, gehen wir, du bist ein Komödiant. Ich bin überhaupt viel zu liebenswürdig gewesen mit dir, you foolish man – – –«.

Später sagte ich zu Olivia: »Liebliche Olivia, welches ist eigentlich dein Bett in eurem Zimmerchen, das links oder das rechts?!?«

[180] »Das rechts – – –. Aber Gladys bat mich, dir, falls du mich darum fragen solltest, zu sagen, es sei das Bett links vom Eingange! Weshalb wünschte sie denn das von mir?!?«

Später sagte ich zu Gladys: »Geliebteste, du bist ja doch liebenswürdiger zu mir als du mich glauben machen willst – – –«.

Da sagte sie gereizt: »Glaubst du vielleicht wirklich, Idiot, daß es mein Bett gewesen ist?!?«

»Ja, das glaube ich!« sagte ich pathetisch.

Da wurde sie lächelnd zufrieden, ganz zufrieden. Und dann sagte sie sanft: »Armer Peter, daß ich gerade einen anderen lieb habe und daß dir gerade Olivia nicht gefällt – – –! Aber gefällt sie dir auch wirklich ganz ernstlich nicht?!«

[181]
Das FlugerlDie beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Das Flugerl
(Diejenigen, auf die sie mit den Nerven fliegen, nicht mit der Seele)

Keine liebende Mannesseele entgeht diesem Verhängnis »Flugerl«! Das »Flugerl« ist das Verhängnis unseres Lebens! Es ist das Unentrinnbare, durch nichts zu Bannende im Weibe, es ist das »Organische« in ihr, mit ihr und gegen sie zugleich, eine Macht, eine Übermacht, ein Verhängnis in ihren Nerven –. Ob sie es dir zeigt oder es verbirgt in sich, es ist Sache ihres Taktes, ihres Feingefühles oder ihrer Koketterie und Unverschämtheit – – – aber eine jede hat ein »Flugerl«! Einen, der dich Liebevollsten, Aufopferndsten momentan auf allen Linien besiegt und bei dem sie mit geschlossenen Augen und offenem Munde die Natur walten ließe in ihrer mysteriösen Kraft – – –! Das »Flugerl« ist der Trunk für irgend etwas Verdurstendes im Weibe, den du Unglückseliger ihr nicht zu bieten hast!

Eine jede hat ein »Flugerl«, das alle Konvention über den Haufen wirft und aller Freundschaft und Liebe hohnlächelt. Es ist die Natur, die irgendwo zurückgedrängt wurde, irgendwie gefälscht, besiegt, belogen wurde, die nun bedräuend ihre Rechte fordert! Ihre Rechte!

Das »Flugerl« hat einen ganz bestimmten Gesichtstypus, eine ganz bestimmte Art zu sprechen und zu schauen, es hat eine gewisse sieghafte Nonchalance, wie die Katze mit der Maus. Man haßt das Flugerl, aber man muß sich ihm ergeben. Man befürchtet es, aber wenn es ins Leben eintritt, fühlt man sich erlöst. Man will ihm keinerlei Opfer [182] bringen, aber man flüstert ihm zu: »Nimm mich, Teufel, daß ich wieder zur Ruhe komme und menschlich werde und besinnungsvoll – – –!«

Das »Flugerl« ist das unentrinnbare Verhängnis für die liebende Mannesseele – – –. Es kann überall und jederzeit sich ereignen, im Café, im Restaurant, auf der Straße, am Lande, im Eisenbahnwaggon, überall, überall, überall. Nirgends, Mann, Liebevollster, wirst du dem »Flugerl« entgehen! Es wirkt und besiegt dich!

Nur eine Rettung gibt es: Beziehe ihn mit ein, in dein Kalkül, in das Kalkül deines Lebensglückes, deines Lebensfriedens! Wie man andere störende unentrinnbare Dinge mit einbezieht in dieses Problem »Das Lebensglück«!

Oder erkenne ihn im voraus als Gefahr, und, wo er auch auftaucht, trete auf ihn zu, grundlos, und ohrfeige ihn! Eine Naturkraft wider die andere! Und sie wird bestürzt zu dir sprechen:

»Aber Max, wie konntest du?!?« Und du wirst antworten: »Ich konnte!«

[183]
BlumenDas FlugerlDie beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Blumen

In der gelben Tonvase waren die trocknen Veilchen und in der grünen die blühenden weißgelben Fresien in Wasser. Und eines Nachts sagten die Fresien zu dem Veilchenstrauße: »Du Verdorrtes, siehe, meine Dame hat dem Dichter ihr Letztes gegeben, ihr Alles, darum werden wir nun behütet, blühen in Wasser und duften und erfreuen ihn – –.« Der Veilchenstrauß erwiderte nichts, denn seine Dame hatte wirklich nichts gespendet als ihn selbst. Er war dürr und ohne Wasser. Aber siehe, er war hergerichtet also von dem Dichter für die Ewigkeit seiner Tage und absichtlich ohne Wasser gelassen. Er lebte viel, viel länger als die blühenden duftenden für den Tag und die Stunde betreuten Fresien. Er lebte, wenn auch dürr und ohne Wasser, von dem ewigen Leben gleichsam der unerfüllten Sehnsuchten.

[184]
VorstadtzimmerBlumenDas FlugerlDie beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Vorstadtzimmer

Sie hatte das bequeme Elternhaus verlassen, um frei zu sein. Dort hatte sie ein Zimmerchen gehabt, das auf den Fluß hinausging. Am Gartenufer lag ihre Segeljacht »Wohin?!« Sie hatte in Wien, Florianigasse 10, ein Zimmerchen gemietet für 40 Kronen. Sie konnte kommen und gehen, wann und wie sie es wünschte. Sie war ihre eigene Herrin. Niemand von ihrer Familie hätte es acht Tage lang in diesem einsamen altväterisch eingerichteten Vorstadtzimmer ausgehalten. Es ging nicht auf einen glitzernden Strom hinaus und nirgends waren Gärten mit Weidenbüschen und kleinen Holzstegen zum Anlegen. Aber für sie war es eine »Rast«. Eine Rast! Niemand durfte ihr gebieten: »So und so – – –!« Sie konnte den Ofen,ihren Ofen, einheizen lassen, wann und wie sie es wünschte. Manchmal stundenlang nur mit Holz, wie die Prinzessinnen – – –. »Ich wünsche heute nur mit Holz zu heizen – – –«, fühlte sie. »Und wenn es das Dreifache kostet!«

Die alte Vermieterin lebte von ihr. Sie sagte einmal bei einer Komplikation: »Wo werde ich wieder eine solche Mieterin finden, Fräulein – –?!?«

Das Fräulein erwiderte: »Es ist eigentlich das beste Kompliment, das wahrhaftigste, das man mir je im Leben gemacht hat – – –.«

Endlich mußte sie das Zimmerchen aufgeben. Sie war kränklich und man wollte sie verheiraten an einen ausgezeichneten verständnisvollen reichen Menschen, der sie betreuen würde wie ein Baby.

Da nahm sie denn Abschied von ihrem Zimmer.

[185] Sie legte sich einfach auf den Fußboden hin und weinte – – –.

Und sie sagte zu der verzweifelten alten Vermieterin: »Vermieten Sie es aber nur an einen, der es ebenso lieb haben könnte wie ich – – –.«

»Dös gibt's nicht auf der ganzen Welt«, sagte die alte Vermieterin.

[186]
GerichtsverhandlungVorstadtzimmerBlumenDas FlugerlDie beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Gerichtsverhandlung
3. Mai 1907 in Wien

Die Mutter des unehelichen Kindes, der fünfjährigen süßen Elisabeth, hatte auf einer breiten Blechtasse kleine glühende Kohlenstücke dicht aneinandergereiht. Darauf legte sie das nackte Körperchen ihres Kindchens – – –.

Das Kind faltete die Hände wie zum Gebete, sagte: »Mutter, Mutter, lasse mich doch los!«
Aber die Mutter hielt sie fest – – –.
Die Geschworenen fanden, daß das Kind nicht direkt an den Brandwunden gestorben sei – – –.
Daher verurteilte man sie nicht wegen Mordes. Sondern zu 3 Monaten.
»Direkt« ist z.B. ein Schlag mit der Hacke auf den Kopf, wie Raubmörder es auszuführen pflegen.
Es ist viel viel schmerzloser und humaner, ja fast begreiflich vom tierischen Instinkt aus.
Aber diese werden zum Tode verurteilt – – –. Weil es »direkt« war!
[187]
Eine SzeneGerichtsverhandlungVorstadtzimmerBlumenDas FlugerlDie beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Eine Szene
(Nach einer Novelle aus dem Französischen, mit einem veränderten Schlusse)

Arbeitszimmer des Herrn.

In einen Fauteuil gekauert, die ineinander gerankten Finger zwischen den Knien, sitzt die junge Frau. Der Gatte sitzt an seinem Schreibtische, raucht Zigaretten, geht auf und ab, setzt sich wieder, geht auf und ab, setzt sich wieder.

Sie blicken sich nie an. Lange bange Szene.

Der Gatte öffnet eine Schreibtischlade, nimmt ein Kästchen hervor, öffnet es, nimmt den Revolver heraus.

Die junge Frau blickt schief hinüber, erschauert, bleibt in ihrer Stellung, regungslos.

Der Gatte: »Ans Telephon, Raymonde!«

Sie erhebt sich, geht zum Telephon an der Wand. Der Gatte gibt ihr die eine Hörmuschel, nimmt selbst die andere.

»Welche Nummer hat dein Geliebter?!?«

Sie schweigt.

»Welche Nummer hat dein Geliebter?!?«

»5712«.

Sie klingelt, ruft dann hinein: »5712« – – –.

Pause.

Der Gatte, ihr es vorsagend: »Hier Raymonde –.«

Sie: »Hier Raymonde – – –.«

Kleine Pause für die Antwort des Herrn.

Der Gatte: »In Liebe und Sorge verbringe ich meine verfluchten Tage – – –.«

Sie wiederholt es.

[188] Der Gatte: »Nur bei dir, bei dir fühle ich mich geborgen – – –.«

Sie wiederholt es.

Der Gatte: »Mein Mann ist heute morgen unversehens abgereist für drei Tage. Komme daher sogleich zu deiner Raymonde – – –.«

Sie schweigt.

Er blickt sie an.

Sie schweigt.

Er erhebt den Revolver.

Sie sagt es ins Telephon.

Unhörbare Antwort des Herrn.

Sie schreit ins Telephon: »Komme nicht! Er ist da! Wir sind entdeckt!«

Der Gatte hebt den Revolver, um loszudrücken. Sie starrt ihm direkt ins Gesicht, aufgerichtet, todesbereit, tieftraurig.

Er läßt den Revolver sinken, geht zum Schreibtisch, setzt sich. Lange Pause.

Dann sagt er langsam: »So also ist es, wenn eine Frau einen Menschen wirklich lieb hat?!? Raymonde, ziehe hin in Frieden!«

(Sie geht langsam hinaus.)

[189]
Zur Enthüllung des Kaiserin Elisabeth-DenkmalsEine SzeneGerichtsverhandlungVorstadtzimmerBlumenDas FlugerlDie beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Zur Enthüllung des Kaiserin Elisabeth-Denkmals

So bist du denn nun nahegerückt der Menge, du Entfernteste!

Rastend milde vom Leben und seiner Fülle, wie Goethe an einem Platz in nächster Nähe.

Entfernt warst du und unnahbar wie ein jeder, der innerlich kommende Welten lebt, dem, der das Nächste sieht und seinen Zweck!

Romantischen Dichtern vergleichbar bist du, mit allen ihren melancholischen Träumen, lauschend dem Sang der Baumeswipfel im Morgenwinde, und den schrillen Schrei des Lebens meidend!

Wer findet hienieden, hat allzunah gesucht – werewig sucht, der findet seine Seele!

Genügsamkeit, unromantischestes Wort dieser Erde!

Elisabeth, was konnte dir genügen?!

Bergfrieden und die eigene Einsamkeit!

Was viele zarte Edle, in sparsamen Augenblicken nur, zu erträumen, zu erleiden wagen, dazu hattest du die Kraft ein Leben lang!

Ferngerückt warst du denen, die geknebelt von Tag und Stunde den leisen Seufzer feige unterdrücken müssen in ihren Polstern nach Welten, die da kom men werden – – –. Nah warst du den Dichtern, den träumerischen wagemutigen Vorläufern der Menschheit – – –.

Nun bist du allen nahgerückt, Entfernteste! Rastend milde vom Leben und seiner Bürde, sitzest du auf einer Gartenbank, und Grün und Wasser umgeben

[190] dich wie schützend. Ernst naht die Menge, bespricht leise dies und das an Anlage und Monument, man stellt sich nah und weiter, und manchem stillen Kinde sagt die Mutter von ungefähr, wie diese hehre Frau gewesen ist – – –!

[191]
MaskenZur Enthüllung des Kaiserin Elisabeth-DenkmalsEine SzeneGerichtsverhandlungVorstadtzimmerBlumenDas FlugerlDie beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Masken
(Zu einem Maskenspiele im Kabarett »Fledermaus«)

Die Philosophin:

Immer, o Nachbar, erschaust du doch nur einen tausendsten Teil unseres wirklichen Wesens – –
Könntest du ganz uns schau'n, erkenntest du sicher uns nicht!

Die Wissbegierige:

Ich bitte Sie, was ist denn »Groteske«?!?
Das, was das Leben uns zwingt, aufzugeben von unserer wahren Natur!

Die Kokette;

Mit dem Leben spielen können, ist künstlerisch – –
Es bleiben genug dir Ausruhestunden für deinenkomischen Ernst!

Die Komplizierte:

Ohne die Masken sind wir nur Masken! Zur Einfachheit verzerrt und übertrieben erfaßlich für den gemeinen Verstand!


Die Tänzerin:

Ich bin nur Anmut und Würde! Nie sollte ich fühlen und denken! Es degradiert meine Art! Aber ich muß auch leben – – So bin ich denn privatim eine verständige Frau!


[192] Die Tragödin:

Woran, ach, bei Dichtern erst Frauenherzen zugrund' gehn!?!

SchablonenSchmerzen muß ich verlogen mich weihn!

Meine Tragödien sind zu jeglicher Stunde des Tages und unaufführbar! Und meine Dichter sindnoch nicht geboren!


Die Dichterin:

So lange ich schweigend sinne, bin ich ein wirklicher Dichter!
Wo der Mensch mit seinen Mitteln versagt, beginnt erst die göttliche Seele deutlich zu tönen!

Die Malerin:

In mir wohnt der göttliche Maler, mein Auge!
Widerspiegelnd die Dinge der Welt!
Aber vom Auge zur Hand ist der Weg allzulange – –
Blühende Wiesen verdorren zur Wüste!

Die Weltdame:

Sehet, in mir schluchzt ewig ein malträtiertes Kindchen – –
Aber das Rauschen meiner Seide übertönt es!

[193] Der Chorus:

Seht ihr in uns nur ein wüstes Farbengetändel?!?
Wir können's nicht hindern – –
Ist's mit Geschmack gemacht, lebt es auch ohne Idee!

Josef Hoffmann gewidmet im September 1907 [194]

Die ReifenkünstlerMaskenZur Enthüllung des Kaiserin Elisabeth-DenkmalsEine SzeneGerichtsverhandlungVorstadtzimmerBlumenDas FlugerlDie beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Die Reifenkünstler
Varietee – Kritik

Sie waren ganz in Weiß gekleidet und hatten 1000 weiße Holzreifen. Es waren fünf wunderschöne magere Jünglinge mit scharfen Adlergesichtern und fast eingefallenen Wangen und ein 14jähriges Mädchen, ebenfalls mit einem Adlergesicht, aber viel zarter und aristokratischer und flachsblond. Sie arbeiteten wie zu ihrem eigenen ausschließlichen Vergnügen, wie auf weiten englischen Wiesen der Fürstenschlösser. Wenn etwas fehlging, erschien es allen als das Natürlichste von der Welt und niemand hatte die Empfindung, daß sie nicht überaus vortreffliche Künstler wären. Auf den Gesichtern der Reifenspieler war freudige Erregung, wie jedes mit Anmut dargebrachte Vollkommene es auf dem Antlitze wiederspiegelt, ein edler Gegensatz zu »im Schweiße deines Angesichtes!«

Die weißen Holzreifen wurden zu lebendigen Wesen, liefen, sprangen, flogen, tanzten, rannten über die biegsamen Leiber der Spielenden. Mit äußerster Zartheit behandelte man das Mädchen, stellte sie auf bequemere Posten, auf minder exponierte in der Reifenschlacht, wo hunderte Reifen zugleich durch die Luft sausten. Zwei Jünglinge standen auf steilen Gerüsten, um alle sausenden Reifen aufzufangen.

Da sagte die wunderschöne junge Dame in der Loge zu ihren drei Kavalieren; »Wer von euch im nächsten Sommer auf unserem Schlosse auf der großen Wiese so Reifen spielen kann wie diese, erhält meine Hand!«

[195] »Zu Artisten sind wir uns zu gut«, dachten zwei der Kavaliere und verzichteten innerlich.

Aber der dritte sagte: »Wenn ich nicht veranlagt wäre, diese körperliche Vollkommenheit zu erreichen, wäre ich Ihrer, Komtesse, überhaupt nicht würdig –.«

Tosender Beifall belohnte die Reifenspieler für ihre schwierigsten Tricks. Aber in ihrem feurigen Eifer spielten sie dennoch wie ausschließlich zu eigenem Vergnügen, achteten nicht der Beifallsstürme, postierten das junge Mädchen, wo es leichtere Arbeit hatte, und als sie selbst hier etwas versah, ging einer hin und küßte sie beruhigend auf die Wange. Man hatte das Gefühl von edel-leichten Organisationen, wie Antilopen, Gazellen, Eidechsen. Man dachte sogar: »Die können nicht gemein sein, boshaft, heimtückisch – – –.«

Und in der Tat sind solche Artisten meistens gutmütig und zufrieden mit dem Schicksal.

Die Dame in der Loge sagte zu ihrem dritten Kavalier: »Sie brauchen nichts mehr zu erweisen, Sie haben bereits die Probe bestanden, indem sie zuversichtlich es auf sich nahmen; wir gehören einander! «

[196]
SchmollenDie ReifenkünstlerMaskenZur Enthüllung des Kaiserin Elisabeth-DenkmalsEine SzeneGerichtsverhandlungVorstadtzimmerBlumenDas FlugerlDie beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Schmollen

Wir waren bös geworden wegen eines Nichts – –;aber die Gehirne entzündeten sich daran, wurden reizbar, flammten auf, standen in Brand, verzehrten ihre ruhige Logik wie Zunder.

Sie verschwand in der nächtlichen Straße, tief gekränkt.

Ich nahm einen Wagen, fuhr zu ihrem Haustore.

Ich wartete von 1–5.

Um 5 kam sie.

»Wo warst du bis jetzt?!?«

Sie gab keine Antwort.

Sie läutete der Hausmeisterin.

Sie sagte: »Blamiere mich nicht vor der Hausmeisterin, verstehst du?!?«

Es wurde Licht im Hausflure.

Als ich den Torschlüssel im Torschlosse hörte, gab ich ihr einen Stoß zwischen die Schultern, daß sie an das Tor anflog. Nach einigen Minuten öffnete sich im ersten Stock ihr Fenster: »Peter, ich bin so unglücklich – – –.«

»Wo warst du bis 5?!?«

»Mit einem fremden Manne, der mich ansprach, mich fragte, weshalb ich weine und so allein sei in der Nacht – – –.«

»Sentimentale Verbrecherin!«

»O Peter, verzeihe mir – – –.«

»Ich dir?! Vielleicht du mir?! Wer könnte es entscheiden!?! Ein Erlebnis ist jedenfalls etwas, was einem nachträglich nützen soll für die nächsten Erlebnisse! Dazu allein ist es eigentlich vorhanden. [197] Das ist sein Platz in unserem Leben. Nur tot soll es nicht liegen bleiben in uns und uns noch unseren frischen Mut verpesten wollen mit seinem Leichendunste!«

»O Peter, hättest du – – –«

»Du irrst! Nichts hätte dich abhalten können, innerlich gerade so zu sein, wie du es warst! Törin, glaube wenigstens, daß deine Schändlichkeit und Schwäche unentrinnbar waren!!! Dies sei deine einzige Entschuldigung!«

[198]
VorfrühlingSchmollenDie ReifenkünstlerMaskenZur Enthüllung des Kaiserin Elisabeth-DenkmalsEine SzeneGerichtsverhandlungVorstadtzimmerBlumenDas FlugerlDie beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Vorfrühling

Ich erwachte gegen Morgen im Badener Hotelzimmer. Der laue Sturm klapperte mit den dürren Winterschoten der Bäume. Einige der Schoten flogen ins Zimmer, surrten über den Parkettboden. Die Türe zum Nebenzimmer stand offen. Man hörte das Mädchen aber nicht. Ich dachte: »Wenn man sie doch nur hörte!« Aber man hörte sie nicht. Die Schoten surrten über den Parkettboden. Ich hoffte, daß sie durch das Geräusch erwache. Aber sie erwachte nicht. Ich schlief ein.

Als ich wieder erwachte, hörte ich sie weinen.

Ich blieb ganz ganz still, versuchte es, ihren Schmerz zu erraten. Aber ich fand ihn nicht. Von unbebauten Feldern, von unbelaubten Wäldern kam Erdgeruch und Holzgeruch. Der laue Nachtsturm hatte sich gelegt.

Ich rief hinüber: »Anna, weshalb weinst du?!?«

Sie erwiderte: »Wegen nichts – – –. Wegen der Nacht und wegen des Morgens und wegen des lauen Sturmes und wegen deiner geliebten Nähe, und wegen des anbrechenden Tages, von dem man nicht wissen kann, was er uns bringen wird – –.«

Die dürren Winterschoten surrten über den Parkettboden im lauen Morgenwinde.

[199]
Zyklus »Krankheit«VorfrühlingSchmollenDie ReifenkünstlerMaskenZur Enthüllung des Kaiserin Elisabeth-DenkmalsEine SzeneGerichtsverhandlungVorstadtzimmerBlumenDas FlugerlDie beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens
À ReboursZyklus »Krankheit«VorfrühlingSchmollenDie ReifenkünstlerMaskenZur Enthüllung des Kaiserin Elisabeth-DenkmalsEine SzeneGerichtsverhandlungVorstadtzimmerBlumenDas FlugerlDie beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Zyklus »Krankheit«

À Rebours

Krankheit ist eine Gabe des Himmels: man erfährt es nämlich plötzlich, wie ungeschickt man in den gesunden Tagen gewirtschaftet habe! Man kommt zur Erkenntnis, daß man ein Narr oder ein Verschwender, Vergeuder war von Lebensenergien in irgendeiner Fasson. Wehe dem, der nie daran gemahnt wird! Das Schicksal hat dann tiefere, geheimnisvollere Torturen mit ihm vor, um ihn hinterrücks dem Untergange entgegenzutreiben. Krankheit jedoch ist das böse Gewissen des Unbewußten in uns. Eine edle, sanftmütige Ermahnerin ist es, Umkehr zu halten auf dem Pfade der Sünde. Wehe, wenn mein Gehirn nicht melancholisch wird an falsch oder überflüssig ausgegebenen zehn Kronen! Wehe, wenn es nicht schon sogleich gemahnt wird an seine schändlichen Ungeschicklichkeiten! Der Weg ist dann gebahnt zum Wechselfälscher oder Selbstmörder! Krankheit ist der Alarmruf an die gesunden Kräfte im Organismus, den heimtückisch heranschleichenden Feind rechtzeitig zu bekämpfen!

Der Gesunde pocht auf seine Gesundheit und übernimmt sich! Der Kranke jedoch wird bescheiden! Der Gesunde ist plötzlich ruiniert, der Kranke wird allmählich gesunden! Gesundheit zu erhalten, Krankheit zu beheben, dazu gehört Weisheit, Weisheit, Weisheit! Aber die Gesundheit

[200] weise zu erhalten, dazu wird niemand gemahnt; die Krankheit aber weise zu bannen, dazu gemahnt uns eben das Kranksein! Der Gesunde lebt blind und taub, der Kranke lebt sehend und vernehmend!

Krankheit ist eine Mahnung Gottes, uns, solange es noch Zeit ist, eines Besseren zu besinnen! Gesundheit jedoch ist die Schadenfreude Satans an unseren Überhebungen in jeglicher Beziehung!

Der Gesunde kann plötzlich schwer erkranken, der Kranke kann leicht gesunden! Der Gesunde torkelt dahin, der Kranke geht vorsichtig. Der Gesunde hat keinerlei Achtung vor dem Lebendigsein, der Kranke betet zu jeglicher Stunde ohne Leiden!

[201]
SorgeÀ ReboursZyklus »Krankheit«VorfrühlingSchmollenDie ReifenkünstlerMaskenZur Enthüllung des Kaiserin Elisabeth-DenkmalsEine SzeneGerichtsverhandlungVorstadtzimmerBlumenDas FlugerlDie beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Sorge

Nehmt dem Dichter diese irdische Schwere, die Sorge; auf daß er leicht werde und hinauffliege in die Nähe Gottes, und von obenherab euch Belastete betrachten könne und euch so helfen und beraten könne, da er freien Ausblick, Überblick hat und zugleich sein mittönendes Dichterherz – – –. Aber sie sagen: »Nein, dichte unter den schwierigen Umständen unseres eigenen belasteten Daseins! Da werden wir sehen, was du imstande bist! In Freiheit könnten auch wir vielleicht dichten und träumen von besseren, richtigeren und reineren Welten!«

Sehet, nein, das eben könntet ihr nicht! Und das allein ist euer Unterschied! Je freier ihr seid, desto tiefer versinkt ihr in eure eigene irdische Schwere, die niemandem nützt und euch nur belastet – – –. Das Leid der Welt wird euch fremder und fremder, die malträtierten Tiere, die malträtierten Kinder, die malträtierten Frauen sind euch nichts, und gleichgültig hört ihr den Notschrei des Lebens!

Aber der von irdischer Sorge befreite Dichter fliegt auf, übersieht die Welt und lauscht ihrem Jammern! Er sieht, wie man Gänse stopft in dunklen, absichtlich zu engen Käfigen unter Durstleiden, damit ihre Leber sich unnatürlich vergrößere – – –. Er sieht unwissende Mädchen zerstört werden wegen einer Stunde Lust. Er möchte retten und helfen. Er hat keine Waffe als seine helltönende, fanfarenartige, leidenschaftliche Stimme – – –. So beginnt er denn zu sagen, zu klagen, zu warnen, herabzusingen [202] und zu rufen in das dunkle, böse Gewirre von Leidenden unter ihm!

Einige hören ihn und lauschen, lauschen, lauschen – – –.

Nehmt dem Dichter die irdische Schwere, die Sorge, auf daß er über euch Belastete hinausfliege und von obenherab euch zusinge seine Erkenntnisse eurer Not!

Gebt ihm Flügel, auf daß er sich herabsenke, beschwichtigend, tröstend, heilend – – –.

Er allein weiß mit seiner erhöhten Freiheit etwas anzufangen – – – eure Gebundenheiten zu verringern!

[203]
KrankheitSorgeÀ ReboursZyklus »Krankheit«VorfrühlingSchmollenDie ReifenkünstlerMaskenZur Enthüllung des Kaiserin Elisabeth-DenkmalsEine SzeneGerichtsverhandlungVorstadtzimmerBlumenDas FlugerlDie beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Krankheit

Ich habe manches gelernt in meiner letzten, meiner allerletzten Erkrankung, die mit Selbstmord oder langsamerem Tode enden muß! Ausweg gibt es keinen!


Erstens ist Morphium ein entsetzliches Lähmungsmittel, den Stoffwechsel um das Sechsfache herabsetzend. Denn Laxèn Scholz, von dem bisher eine der herrlichen Pastillen genügte, mußte seitdem sechsfach genommen werden! Sapienti sat! Und die Kraft der Darmnerven ist die Kraft des Lebens!

Zweitens hat Morphium provokatorische Wirkungen, d.h. die loca minorum resistentium zeigen sich in unermeßlich erhöhter Weise an! Die Unterminierung dieser Maschine »Organismus« wird also verhundertfacht! Die Schäden werden eben plötzlich aufgedeckt – – –.


Jede nervöse Reizung in irgendeinem Organ ist der geniale, voraussichtige, weisheitsvolle Anzeiger an den Organismus, daß es sich um eine Erkrankung handelt, die der Arzt naturgemäß erst zehn Jahre später als solche diagnostizieren kann! Eine edle Vorhersagung also, an die niemand glaubt! Denn der heiligen Natur mißtraut man mehr als dem unheiligen Arzte!


Strümpell hat in einem einzigen recht: Hypnotisch heilen wollen heißt: den Teufel mit Beelzebub austreiben wollen! Aber es gibt auch solche Satane unter den Ärzten!

[204] Man müßte einem Arzt jährlich vierzigtausend Kronen geben können, um ihn dazu zu bewegen, daß er bei einem erkrankten Organismus seine bisher gewonnenen Erfahrungen den neuen nun erlebten, ihm bisher unbekannten zuliebe aufgebe!


Kohlensäurebäder, elektrische Bäder, Vibrationsmassage wären sehr heilsam, wenn die Lebensenergien, die sie in uns entfachen, auslösen, zur Betätigung bringen sollen, in uns noch vorhanden wären! Ich kann schwach glimmendes Holz zum Brande fächeln, aber ganz kaltes nie! Irgendein Fünkchen muß noch glimmen – – –.


Kein Neurastheniker hätte sich umbringen müssen, falls er es abgewartet hätte, bis die Heilung eintritt. Aber daß er es eben nicht hatte abwarten können, beweist, daß er sich eben umbringen mußte, bevor die eventuelle Heilung eingetreten war!


Die Ärzte haben zwei wunderbare Heilmittel, für die sie aber, um sie zu ergründen, langes, emsiges Studium und zwanzigjährige Praxis brauchen: Zeit und Ruhe!


Der Irrsinn ist oft die Folge von unendlich lange andauernden tiefen Gemütszerstörungen, Sorgen, Enttäuschungen, Eifersuchtsqualen und so weiter. Aber die guten Freunde extrahieren das alles auf eine geniale Weise und sagen: »Er war von jeher exzentrisch und übertrieben. Wir wußten, es würde einmal so kommen!« Ja, ihr wußtet es seit langem, [205] daß er tiefer an der Gemeinheit des Daseins leiden konnte als ihr kalten, unbarmherzigen Hunde!


Idealer Krankenbesuch.

Man setzt sich an das Bett, sagt: »Ich spüre direkt Ihre Leiden mit – – –« Dann sitzt man stumm eine Viertelstunde lang. Dann geht man, gibt den bedienenden Mädchen Trinkgelder. Die edle ›Pflegerin‹ küßt man auf die Stirn. So ist Teilnahme! Alles andre ist Hokuspokus!!!


Seelenerkrankung.

Ein junges, ganz, ganz reines Mädchenherz wurde von einem feigen, infamen Kerl gefoltert, betrogen!

Da schrieb ihr ihre glücklichst verheiratete, sie fanatisch liebende Schwester nur den einen englischen Satz: »A devil is feeling ill, when he is in an angels companion!« Übersetzung: »Ein Teufel fühlt sich nicht wohl in der Gesellschaft eines Engels!«


Man sagte zu einem leicht Erkrankten: »Ihre Geliebte betrügt Sie – – –«.

Da wurde er ein schwer Erkrankter.
Man sagte zu einem schwer Erkrankten: »Und Ihre Geliebte bleibt Ihnen dennoch ewig und ewig getreu!«
Da wurde er zu einem leicht Erkrankten.

Man hat mich in ein Sanatorium gebracht, in einem Automobil. Aber ich weiß nicht, welche Gegend es ist. Es sind große fremde Häuser ringsum, wie überall.

[206] Merkwürdige Töne gibt es, sanft-klagend-eindringlich. Von den fernen Fabriken. Dampfsignalpfeifen für Einstellung der Arbeit, Mittagspause, Rast, Feierabend – – –. Die arbeitende Menschheit tönt herüber, klagend.

Ich arbeite nicht, ich raste nicht. Niemand fordert mich auf zu dem und jenem. Es gibt nur eine innere klagende Signalpfeife: »Fort aus diesem verpfuschten Leben – – –!«


Die Ärzte sollten sagen: Nescimus!

Aber es ist vorteilhafter für sie, zu sagen: »Der Patient folgt uns nicht!«

Sollen wir Patienten ihnen diese Selbsthilfeaktion verübeln?!? Keineswegs. Wir folgten eben nicht! Lassen wir ihnen doch gnädig diesen Ausweg!


Der Arzt sollte sein Nichterkennen einer Krankheit für wertvoller einschätzen als sein Erkennen! Denn alle Bescheidenheit, Wahrhaftigkeit, Aufrichtigkeit, Selbstentäußerung läge darin! Aber er zieht es vor, den Patienten als den verbrecherischen Delinquenten hinzustellen, dem alle Schuld zukommt! Und dieser gelähmte Bettlägerige wehrt sich nicht –. Er bekennt stumm sich schuldig und stirbt!

[207]
KrankenpflegeKrankheitSorgeÀ ReboursZyklus »Krankheit«VorfrühlingSchmollenDie ReifenkünstlerMaskenZur Enthüllung des Kaiserin Elisabeth-DenkmalsEine SzeneGerichtsverhandlungVorstadtzimmerBlumenDas FlugerlDie beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Krankenpflege

Eine Frau, die, während ihr Geliebter im Sterben liegt, sich ebenso pflegt, wäscht, mit hundert Salben salbt wie eh' und je, und keinerlei Bedenken hat, sich ebenso zu pflegen und zu hegen, wie sie es gewohnt war, hat ihn nie, nie wirklich liebgehabt! Sie müßte plötzlich alles aufgeben, sich schmutzig werden lassen, sich verkommen lassen, auf ihre adelige Körperpflege vollkommen verzichten können, sich Hände und Gesicht nicht mehr waschen wollen, ja sogar die schönen Haare nicht mehr pflegen, sich in einen Abgrund stürzen lassen, wo das reale Leben zerschellt und aufhört – – –.

Es müßte alle ihre weibliche Eitelkeit plötzlich ersterben, nicht mehr sein – – –. Sie müßte zu einem Aschenbrödel werden, ganz in sich zurückgezogen und unbeachtet, nur in der edlen Pflege aufgehend und unscheinbar werdend vor Aufmerksamkeiten! Sie müßte unwillkürlich aus einer Dame zu einer »Pflegerin« werden, sich degradieren, um sich zu erhöhen!

Ihre Fingernägel müßten ihre Edelpolitur verlieren, ihre Strümpfe müßten Löcher bekommen und Knöpfe müßten ihr an der Bluse fehlen. Ihre Ungepflegtheit müßte ihre Ehre sein! Ihre Freundinnen müßten zu ihr sprechen: »Du siehst gealtert aus, meine Liebe, schließlich muß man doch auch ein bißchen auf sich schauen, solange man jung und hübsch ist – – –.«

»Dazu habe ich jetzt, Gott sei Dank, keine Zeit mehr übrig – – –.«

»Gott sei Dank?!« sagten die Freundinnen und kicherten: »Sie muß immer apart sein – – –.«

[208]
Ein Band GedichteKrankenpflegeKrankheitSorgeÀ ReboursZyklus »Krankheit«VorfrühlingSchmollenDie ReifenkünstlerMaskenZur Enthüllung des Kaiserin Elisabeth-DenkmalsEine SzeneGerichtsverhandlungVorstadtzimmerBlumenDas FlugerlDie beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Ein Band Gedichte

Ich liege sterbenskrank seit vielen, vielen Wochen danieder, kann nichts mehr schreiben; eine Nachricht, die viele Menschen beglücken wird.

Ein fremder eleganter Herr lud mich einmal in einem Café zu einer Flasche G.H. Mumm extra dry ein. Ich erzählte ihm, daß ich Rheumatismus in der rechten Schulter habe, Zahnschmerzen in der Schulter gleichsam: ich könnte daher seit Wochen nicht mehr schreiben. Da entfuhr ihm unwillkürlich ein leises »Gott sei Dank!« Infolgedessen war ich als Gentleman gezwungen, seinen Tisch und den geliebten G.H. Mumm sofort stolz zu verlassen.

Nach dieser »launigen Abschweifung«, wie wir Schriftsteller uns gerne auszudrücken pflegen, teile ich nochmals mit, daß meine körperlichen und seelischen Qualen mich verhindern, über die vielen schönen, wertvollen Dinge des Lebens zu berichten. Trotzdem raffe ich mich auf, um eine Hymne, eine Fanfare der Begeisterung ertönen zu lassen über das Gedichtbuch »Feierabend« der Ilka Maria Unger, Verlag Julius Bard, Berlin. Hier klagt sich eine tiefe, bedrängte Seele aus; es sind gedichtete erlebte Schmerzen. Nie, nie ward ein wahrhaftigeres, edleres, einfacheres, nobleres Buch geschrieben. Eine Seele weint, klagt an, zieht sich zurück in ihre aristokratischen Einsamkeiten – – –.

Ihr wenigen, die ihr mit euren Seelen zu mir haltet, haltet auch zu ihr, der begnadeten Dichterin. Ich glaube, sie wird nichts mehr schreiben, sie hat keinen Ehrgeiz, und ihre Seele hat sich ihr ausgeklagt [209] für immerdar. Es ist keine Anfängerin, sondern eine Beenderin. Sie hat sich ausgeweint. Sie tritt nicht in die Arena des Lebens, um zu kämpfen, zu siegen. Einige edle Freunde haben zu ihr gesprochen: »Ilka Maria, Sie haben so schöne Gedichte, geben Sie sie uns, tun Sie uns die Ehre an, sie herauszugeben – – –.«

Der Titel »Feierabend« bedeutet: »Siehe, ich habe erlebt und erlitten; nun ist es Feierabend geworden, errungener, erkämpfter Friede!«

Leset, leset diese Gedichte, und es wird euch eine klagende Seele rühren, ergreifen. Nur die Wahrhaftigkeiten, die man mit seinem Herzblute, mit seinem Lebensglücke bezahlt, haben, in Dichtung umgesetzt, die Kraft, fremde Herzen zu rühren, zu ergreifen – – –.

[210]
KrankenbesucheEin Band GedichteKrankenpflegeKrankheitSorgeÀ ReboursZyklus »Krankheit«VorfrühlingSchmollenDie ReifenkünstlerMaskenZur Enthüllung des Kaiserin Elisabeth-DenkmalsEine SzeneGerichtsverhandlungVorstadtzimmerBlumenDas FlugerlDie beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Krankenbesuche

Wenn sogenannte Freunde einen Schwerkranken besuchen, haben sie ausschließlich die Absicht, alles schön zu färben. Niemals hat er blühender ausgesehen, ja direkt verjüngt. Man möchte es nicht glauben, in dieser kurzen Zeit! Die Hoffnung, mit dem billigsten, was es auf Erden gibt, dem schönen liebenswürdigen Wort, sich aus der Affäre zu ziehen, ist größer als der Zwang der Anständigkeit, den die schlichte Wahrheit erfordert. Man findet sein Zimmer ganz einfach superb, viel gemütlicher als sein einstiges Heim, obzwar man genau weiß, daß er mit allen Fasern seines Herzens an jedem Winkel seines geliebten Heimatzimmerchens hing. Man vermeidet es geschickt, zu fragen, wer denn alles bezahle, und fragt diskret an, ob die drei Kronen, die man einmal rekommandiert geschickt habe, auch wirklich angekommen seien. Bei bejahender Antwort verklärt sich das Antlitz des Spenders, und er sagt: »No, siehst du, Peter, wie man dich nicht verläßt in deinen schweren Zeiten!?«

Der Kranke wird plötzlich zu einem Verfemten, mit dem man geschickt lavieren muß. Den Gesunden konnte man auf verschiedene und eigentümliche Art ausnützen und verwerten: war er gescheiter, so konnte man seine eigene Stupidität hinter ihm bequem verbergen; war er liebenswürdiger, so konnte man die eigene Roheit durch ihn geschickt kaschieren. Aber der Kranke ist zu nichts Rechtem mehr zu gebrauchen. Ihn den Würmern noch für längere Zeit vorzuenthalten, ist scheinbar eine schlechte Spekulation; [211] aber ein gewisses Schamgefühl verhindert sie dennoch, den Unterschied zwischen der Beziehung zu dem Gesunden und zu dem Schwerkranken allzu augenfällig zu machen. Außerdem könnte es ja doch unter der Million von Idioten einen geben, der die ganzen Manöver durchschaute.

Man liebte den Gesunden selbstverständlich ebensowenig wie den Kranken, aber man hatte damals wenigstens keine Gelegenheit, ihn als eine direkte Last zu empfinden, und infolgedessen hielt man seine natürlichen Grausamkeiten ihm gegenüber in gewissen Schranken der sogenannten Wohlerzogenheit. Trotzdem gönnte ihm niemand zeit seines Lebens Freude und Glück, und wenn er es sich trotzdem errang, so geschah es unter merkwürdig schwierigen, belastenden Umständen, die aus dem Neid der sogenannten besten Freunde entsprangen. Dem Gesunden gönnte man nicht eine Stunde lang seine Kraft, zu leben, begeistert zu sein, zu lieben und aufwärts zu kommen, und erst der Schwerkranke befreit die Freunde von der stündlichen Gefahr, daß er ihnen über den Kopf wachse. Wenn die Erfahrungen, die der Kranke macht, dem Gesunden zugute gekommen wären, wäre er fast ein Genie geworden an Lebenskunst; so aber wurde er das selbstverständliche Opfer der heimtückischen Lüge des Lebens.

Oskar Wilde starb, wie keiner von der Million der Enterbten je dahingestorben ist; aber viele Jahre nach seinem Tode setzte ihm eine Pariser Dame einen Grabstein, der vierzigtausend Franken kostete. Könnte der Tote seine geniale Hand emporrecken, so würde er die wertlosen steinernen und bronzenen Dekorationen [212] zertrümmern, die eine Gans seinen vermoderten Gebeinen gesetzt hat.

Gebt dem Lebendigen die Kraft, alle Genialitäten seines Hirns, seines Herzens für euch Stumpfsinnige, Keuchende, Kriechende zu verwerten und ausleben zu lassen, und überlasset die Sorge um die sechs Rappen, die den Leichenwagen des zu Tode Gemarterten ziehen werden, der Entreprise des pompes funèbres!

[213]
Das EndeKrankenbesucheEin Band GedichteKrankenpflegeKrankheitSorgeÀ ReboursZyklus »Krankheit«VorfrühlingSchmollenDie ReifenkünstlerMaskenZur Enthüllung des Kaiserin Elisabeth-DenkmalsEine SzeneGerichtsverhandlungVorstadtzimmerBlumenDas FlugerlDie beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Das Ende

Wenn man ein Sterbender ist, hilft einem die Natur, indem man alles als lächerlich, kindisch und unnütz empfindet, woran man bisher in seiner pathologischen Gesundheit zähe und leidenschaftlich sich anklammerte. Man nimmt daher Abschied von allem und jedem, was man bis dahin als die äußerste Erfüllung seines Lebens empfunden hatte!

Der Abschied wird leicht, denn der Abstand von den erträumten Idealen wird so riesengroß, daß man es gar nicht mehr begreifen kann, wie man es auch nur einen Tag lang auf Erden hatte aushalten können unter solchen Umständen. Das Getriebe der Leidenschaften und Wünsche wird zu einem pathologischen Gemengsel von wertlosen fixen Ideen, die man keinem vierjährigen Kinde zumuten möchte! Und keinem Paralytiker!

Besonders der Dichter, der alles aus eigenen Kräften, nach Gottes eigentlichen Plänen rekonstruiert, erlebt in den Zuständen seiner Erniedrigung, zum kranken, weidwund geschossenen Tiere, die schrecklichsten Enttäuschungen seines Wolkenkuckucksheims Gottes!

Wofür hat er geweint, gebetet, gezittert, gelitten, um Gottes willen?!?

Um sein eigenes Herz, das ihm die andern stündlich, täglich gefoltert, zermartert haben! Im Kloster, in der Einsamkeit des Daseins hätte er Zuflucht, Schutz gefunden! Aber der idiotische Träumer erhoffte es sich, das Leben der Hölle nach Gottes

[214] Himmelsplänen aufzuerbauen! Und eine Milliarde seelenloser Entwicklungsgehemmter stellte sich ihm im Kampfe entgegen. Die kleinsten Kleinigkeiten machten seine Seele erbeben, aber dieselben kleinsten Kleinigkeiten bewiesen ihm jedesmal, daß das Erbeben seiner Seele eine lächerliche Funktion gewesen sei, auf die nichts im Leben reagierte. Vor allem trocknen die Begeisterungsfähigkeiten ein, und man wird wie die Milliarde von anderen lebendigen Trockenmumien des Lebens!

Man erkennt es erst, daß man ein Dichter war, in dem Augenblick, wo die organischen gestörten Kräfte einen daran verhindern, es weiterhin noch zu bleiben! Eine mordende, Stoffwechsel hemmende, verlangsamende Nüchternheit entsteht in uns, und mit entseeltem Auge sehen wir die Dinge so an wie alle, alle andern. Das Gezwitscher der ersten Vögel des Morgens kündigt den verzweifelten, entsetzlichen Tag an. Die Bäume, die zarten Sträucher haben nichts mehr mitzuteilen von Gottes Gnade. Man erschaut alles ernst und traurig, geht an den Nebensächlichkeiten vorüber, und der ewige Hymnus im ewig bewegten Herzen ist verklungen. Die Welt liegt hinter dir, denn sie war dein Träumen, und was von ihr übrigblieb, ist nur wert, daß du es in Qualen verlässest – – –.

Dichter, du weißt es erst, wie sehr du begnadet warst vom Schicksale, wenn du infolge körperlicher Devastationen geworden bist wie jene andern alle!

Begeisterungsfähigkeit für alles und jedes, wenn du aus irgendeinem Grunde abstirbst im Menschenhirne,[215] dann verliert das Leben sogleich seinen Lebenswert – – –. Was wir dem Leben spenden, gibt es uns reichlichst wieder; doch tote Herzen säen und erntennichts!

[216]
Letztes BekenntnisDas EndeKrankenbesucheEin Band GedichteKrankenpflegeKrankheitSorgeÀ ReboursZyklus »Krankheit«VorfrühlingSchmollenDie ReifenkünstlerMaskenZur Enthüllung des Kaiserin Elisabeth-DenkmalsEine SzeneGerichtsverhandlungVorstadtzimmerBlumenDas FlugerlDie beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Letztes Bekenntnis

Einundzwanzigster Februar. Mondnacht. Halb drei.

Helga schläft. Mein Bruder schläft.

Alle meine guten Engel schlafen.

Aber auch die ruhen sanft, die mir bös gesinnt sind.

Nur ich, ich bin verdammt zum Wachen!

Ich predigte die Heiligkeit des Schlafes.

Und dafür straft er mich mit seiner Flucht?!

Jawohl! Denn was du andern als heilig predigst, mußt vor allem du selber heilig halten! Kraftlose Wahrheit, die an dir zerschellt!

Wer Wahrheiten erkennt, muß sie befolgen!

Auf daß die andern doppelt daran lernen, an Wort und Tat!

Das, was ich weiß, ist nur die Hälfte meines Geistes, den Gott mir hat gespendet in seiner Gnade. Die andre Hälfte ist, sein Wissen tun.

Ich predigte die reine Frauenseele und liebte Huren – – –.

Ich predigte den Schlaf, und lebte in der Nacht!

So straft mich Gott, der mir die Weisheit, die Erkenntnis ins Gehirn gegeben,

auf daß ich durch mein Beispiel läutere!

Ich aber war stets nur die Hälfte meines eigenen Geistes,

die andre Hälfte blieb ich schuldig meinem Gott in mir!

Nun straft Er mich für meine Sünden, die ich an Seinem, an meinem Geist begangen habe!

[217] Als Dichter war ich sein getreuer Sohn, erfüllt von Idealen, die da kommen werden!

Jedoch der Mensch in mir war Satans Sklave!

Ich nahm den leichtern Teil auf mich, ich dichtete, ich dachte – – –.

Jedoch die eigene Dichtung, das eigene Denken zu leben, zu erleben,

dazu, dazu fehlte mir die Kraft!

So zürnte mir mein Gott in mir, wandte sich ab, ließ mich im Stiche!

Einundzwanzigster Februar. Mondnacht. Halb drei.

Alle meine guten Engel schlafen.

Aber auch die, die mir bös gesinnt sind, ruhen sanft – – –.

Mich nur flieht der Schlaf. Ich wache einsam.

Mein Gott in mir hat mich verlassen – – –.

[218]
Zyklus »Sanatorium I.«Letztes BekenntnisDas EndeKrankenbesucheEin Band GedichteKrankenpflegeKrankheitSorgeÀ ReboursZyklus »Krankheit«VorfrühlingSchmollenDie ReifenkünstlerMaskenZur Enthüllung des Kaiserin Elisabeth-DenkmalsEine SzeneGerichtsverhandlungVorstadtzimmerBlumenDas FlugerlDie beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens
Der einsame ParkZyklus »Sanatorium I.«Letztes BekenntnisDas EndeKrankenbesucheEin Band GedichteKrankenpflegeKrankheitSorgeÀ ReboursZyklus »Krankheit«VorfrühlingSchmollenDie ReifenkünstlerMaskenZur Enthüllung des Kaiserin Elisabeth-DenkmalsEine SzeneGerichtsverhandlungVorstadtzimmerBlumenDas FlugerlDie beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Zyklus »Sanatorium I.«

Der einsame Park

Im Parke waren Sträucher wie Bergsträucher im Bergsturm mit ganz verbogenen und zusammengebogenen Zweigen. Die Blüten dufteten wie Bergblüten in unzugänglichen Geklüften, zart und von einer andern Erde geboren, geheimnisvoll infolge von Verfeinerungen. Daneben hing in einem Käfig die Turteltaube des Knaben Hans Otto Erik, des einzigen gesunden Menschen im Parke. Und selbst von ihm sagte seine bleiche reizende französische Gouvernante:

»C'est un enfant mélancolique. Il a des regards pour moi comme si j'etais une princesse de France. Il a toujours peur qu'on ne me traite pas comme son cœur tendre me traite dans chaque minute. Je crois qu'il haït tous les gens qui ne se prosternent pas devant moi. Quand il m'apporte une chaise du jardin, c'est comme le fiancé l'apporterait à sa bien aimée. Je crois qu'il est par trop malheureux que je suis bonne et servante. C'est un enfant mélancolique. – – Il voit déjà que le monde est autrement qu'un cœur tendre le commande. Je voudrais lui dire: Otto Erik, on mepaye pour mes services! mais il ne comprendra rien de toutes ces choses, comme si on dirait à un poète que le monde entier est une grande affaire de bourse –«


Der alte Fürst hat sich mit der Weltordnung leichter abgefunden; denn wenn er beim Spaziergange [219] mit der flachen Hand jeden Baumstamm berührt, ist er bereits glücklich und zufrieden.

Die »Königin«, welche niemals eine Königin war, kniet vor dem abgeschlagenen Mandelbaum nieder und betet für sein Schicksal, daß er wieder wachse. Pflanzen und Vögel sind ihre Domäne, und wenn der Dachdecker das Dach ausbessert, beschimpft sie ihn wegen der gestörten Vogelnester. Über die Menschen hat sie keine Herrschaft, aber Pflanzen und Tiere müssen es sich gefallen lassen, daß sie sich ihrer wie eine Schutzgöttin annimmt.

Dem jungen Fräulein ist der erste Kuß unter einer Gaslaterne ins Gehirn gestiegen, und indem sie alle eventuellen schrecklichen Ereignisse vorausahnt, fürchtet sie sie und sucht sie zugleich auf. So flieht sie vor sich selbst in der Todesangst, sich einmal zu

finden und in diesem Augenblicke für ewig sich zu verlieren – – –

Der Baron blickt durch sein Schildkrotmonocle kalt und hart auf den Irrsinn der Welt. Er denkt:

»Idealisten und Träumer, Religionsstifter und Weltbeglücker, was quält Ihr euch ab, um diese Herde von Milliarden blökender Schafe, die euch nie verstehen werden und von euch nichts profitieren als einen öden Religionskultus! Meine alte Wirtschafterin stopft mir meine Zigaretten und meine Strümpfe, und die Probleme der Welt sind mir nichts, je tiefer ich sie erkannt habe! Bismarck hat Deutschland geeinigt – aber China, Japan und Amerika können dieses Werk in wenigen Monaten zunichte machen! Jeder Mensch baut sich sein Nestchen. Daß ich mir keines baue, ist meine tiefste Größe! Ich lache über [220] nichts, ich weine über nichts und nichts kann mich rühren. Ich sehe nur die schauerliche Herrschaft der Unvollkommenheiten in allem und in jedem! Da putze ich mir dann mein Schildkrotmonocle und lasse die Leute über meinen angeblich komplizierten Charakter sich ihre Köpfe zerbrechen. Vielleicht habe ich dann doch den Rebbach, daß irgend jemand mich für eine nicht ganz unbedeutende Persönlichkeit hält. Das bin ich in der Tat, denn die andern nehmen die Dinge des Lebens blöd ernst, während ich sie weise lächerlich finde!«

Der Dichter allein in diesem einsamen Park nimmt die Leiden der Menschen religiös und ernst, und indem er weder sich noch ihnen helfen kann, erlebt er die Martyrien der Gefolterten und der Gekreuzigten. Ihm fehlt sowohl der Wahn als der Skeptizismus, und er geht an der Hoffnung und an der Hoffnungslosigkeit in gleicher Weise schmählich zugrunde!


Der Dichter küßte jedesmal beim Abschied den Knaben Hans Otto Erik auf die Stirn, und dieser machte dabei ein verlegenes und geschmeicheltes Gesicht.

»Mademoiselle, pourquoi ce monsieur m'embrasse-t-il toujours si tendrement sur le front avant de partir?«

»C'est un poète, mon enfant, c'est à dire il voit en toi des choses que personne ne voit que Dieu et peut-être ta petite gouvernante –«


Die Besitzerin des Parkes hatte ihre edlen Kräfte ausgegeben in Gattenliebe und Kindersegen. Oft [221] dachte sie an ihre süße Achtzehnjährigkeit, da ihr wie einem braunen Engel im weißen Mousselinekleid die goldenen Tore des Lebens weit offen standen. Was sah sie da alles, und was sah sie da alles nicht! Aber jetzt sagte sie: »Ich lasse mich nie mit meinen beiden Knaben photographieren. Es ist, wie wenn man lichte Blüten mit ihren dunklen schweren Wurzeln, an denen düstere Erdklumpen hängen, voll Kraft und unbekannten Salzen mitphotographierte. Lassen wir die Wurzeln versteckt im Erdreich, und wenn es jemand ahnt, so wollen wir ihm dankbar sein und ihm einen verständnisvollen Blick geben!«

Aber der Dichter blickte sie an und sagte: »Gnädige Frau, eine adelige Frauenseele altert nie! Sie verjüngt sich, aber niemand merkt es. Die Stunden der Nacht, in denen sie keinen Schlaf mehr findet, die allein wissen davon zu erzählen.« –

Während dieses Gespräches ging der alte Fürst mit seinen eiligen Schritten vorüber und berührte mit seinen Händen flüchtig jeden erreichbaren Baumstamm. Damit waren für ihn alle geheimnisvollen Rätsel des Lebens gelöst, und eine seltene Ruhe kam über ihn infolge seiner segensreichen Tätigkeit – –

[222]
Besuch im einsamen ParkDer einsame ParkZyklus »Sanatorium I.«Letztes BekenntnisDas EndeKrankenbesucheEin Band GedichteKrankenpflegeKrankheitSorgeÀ ReboursZyklus »Krankheit«VorfrühlingSchmollenDie ReifenkünstlerMaskenZur Enthüllung des Kaiserin Elisabeth-DenkmalsEine SzeneGerichtsverhandlungVorstadtzimmerBlumenDas FlugerlDie beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Besuch im einsamen Park

Wie wenn die müde Seele noch einmal auf längst gesprungenen Saiten ihre begeisterten Klagen singen müßte, so ist es, wenn du zu mir kommst, Helene N.!

Der Alltag weicht da wie ein böser Zauber, der uns gefangen hielt, in einem Leben, das nicht die Stunde wert ist, die es bringt! Man lebt dem Tod entgegen!

Das alte Zauberreich von melancholischen Zärtlichkeiten erblüht, und der fade Park wird zum mysteriösen Urwald, wenn dein geliebter Schritt die alten Wege wandelt – – –.

Dein Sprechen wird wieder zu Musik, der Hauch des Atems wird wieder zum Wehen von Frühlings-Gebirgs-Almen mit Kohlröschen und Seidelbast!

Dein Sitzen beglückt und dein Stehen und dein Wandeln – – –.

Alles, was dich unglücklich macht, ist zugleichmein Unglück, und deine Klage trifft ein exaltiertes Bruderherz;

Indem ich leide und dir die Last abnehme unverstandenen Kummers,

Jauchzt meine Seele, daß sie mit dir leiden darf!

Ich möchte dich ins Zauberreich entführen,

Wo du mein Kindchen wirst, gewiegt, getragen, beschützt, in überzärtlichen Armen, an für dich beben dem Herzen – – –

Weg von den Ungetümen »Menschen«, die dich mit ihrem feigen Irrsinn morden!

Bist du denn ein Distelstrauch am Wege, ein Unkraut [223] oder Brennesselgebüsch?! Bist du dem Tritt des schweren frechen Fußes ausgesetzt?!

Bist du nicht eine zarte Blüte Gottes, die behütet werden muß vor jedem rohen Hauche?!

Bist du nicht die, die unser totes Herz zum Leben wiederbringt,

Und deren zarte Gliederpracht aus unserm glotzend stieren Fischaug' ein gerührtes Künstlerauge wieder zaubert?!?

In welche Welt bin ich geraten, pfui!? Wo alles sich in schnöder Ordnung abraspelt!?

Du bist die andere! Anders wie die anderen!

Wie Ambrosia anders war als Rumpsteak mit Salat!

Göttliche Kräfte bringst du, ohne es zu wissen!

Und pflichtlos sinken wir zu deinen Füßen hin! Nur eine Pflicht erkennend, vor dir hinzuknien!

Das zugeschnittene Maß, das alle fördert, ist unsverächtlich und vergiftet uns!

Der ekle Friede sorgenlosen Daseins macht unsere Kräfte stocken und vertrocknen – – –.

Wir müssen brennen, glühen und vergehen!

Und unsere innere Träne, wenn du beim Scheiden uns ruhig die Hand reichst,

Macht uns erst wieder leben, leiden und verzweifeln,

Und auf eine Stunde hoffen, da du, Gebenedeite, wiederkehrst! Für diese Stunde leben wir in Not!

Die da sind, morden uns;

Doch die da kommen, um von uns zu scheiden, bringen uns das Glück des abgrundtiefen Seelenschmerzes wieder!

[224] Wir wollen rauschen, brausen und zerschäumen!

Des Lebens eingedämmte Ordnung ist unser heimtückischer Feind, für dumpfes Erdenleben ganz geeignet, das unter der feigen Maske der Rettung nur lahmlegt und vernichtet und vorzeitigem Tod entgegentreibt – – –.

Helene N., komme, auf daß ich hundert Stunden lang in Fieberzehrung dich erwarten könne – – –.

In Fieber mich verzehren ist mein Leben!

Und scheide von mir, auf daß ich tausend Stunden dir nachtrauern könne – – –.

Mein Geist lebt nicht vom Sein, das lahm macht und gebrechlich – – –;

Mein Geist lebt nur von Hoffen und Verzweifeln!

Du kamst, Helene N., und alles ward belebt und blühte auf – – –.

Du gingst und Trauerflore hingen über der dunklen ausgestorbenen Welt – – –.

Die Welt der Pflichten ist vielleicht gesünder und fördert manches Wertvolle in kleinem Kreise – –;

Wir aber wollen lieber an unseren inneren Symphonien elend scheitern! Des Alltags Werkelton mordet uns ebenso, nur langsamer und qualvoller – – –. Wie stumpfe Messer gegen scharfe Klingen!

Der Folter wollen wir entgehn des leeren Lebens, das unseren Organen ihre Kraft entzieht;

Und in der Schlacht trifft rücksichtsvoller uns der Tod und herrlich plötzlicher,

Als vorbereitet zu jeder Stunde eines Lebens, das weniger als nichts für uns bedeutet!

Helene N., komm wieder in den Park, [225] Wo Irre ihre irren Träume träumen – – –.

Du wirst hier doch vielleicht mehr Menschlichkeiten finden,

Als in der Welt, die sich frech-fälschlich für dienormale hält!!!

[226]
AbendspaziergangBesuch im einsamen ParkDer einsame ParkZyklus »Sanatorium I.«Letztes BekenntnisDas EndeKrankenbesucheEin Band GedichteKrankenpflegeKrankheitSorgeÀ ReboursZyklus »Krankheit«VorfrühlingSchmollenDie ReifenkünstlerMaskenZur Enthüllung des Kaiserin Elisabeth-DenkmalsEine SzeneGerichtsverhandlungVorstadtzimmerBlumenDas FlugerlDie beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Abendspaziergang

Man hat mir von der geehrten Direktion aus einen ausnahmsweisen Ausgang erlaubt aus den rostroten Ziegelmauern des Sanatoriums, von 6 bis 7 Uhr abends. Es war noch sehr schwül, aber man ahnte bereits an gewissen Wiesendüften und Lufthauchen die Segnungen des anbrechenden Abends.

Der Haushüter schloß auf mit einer Miene, die besagte: »Mir kann's schließlich egal sein, ob der Kerl sich irgendwo auf die Schienen legt. Westbahn, Südbahn, Verbindungsbahn, vor rasende Automobile, oder ob er brav zurückkommt.«

Ich betrat die staubgraue graustaubige Dorfstraße. Überall Frieden und Gesundheit, inmitten von Armseligkeit, Trostlosigkeit und Wiesen, die es zu nichts bringen konnten wegen Staub.

Da erblickte ich die elfjährige braungebrannte Schusterstochter, der ich einen Blick voll Freundschaft und Verehrung gab. Sie erwiderte: »Ich lebe hinter Kerkermauern, ich habe jetzt zum erstenmal einen menschlich-warmen Blick empfangen – – –.« Das sagte sie mit ihren edlen sanften Augen, aber deutlicher als mit Worten, die überhaupt nichts besagen!

Dann sah ich in einem Hochparterrefenster die herrliche Fünfzehnjährige, Fräulein L. Ich sagte zu ihr: »Wissen Sie es bereits, daß alle Männer feig, niederträchtig, heimtückisch und nachsichtslose Mordgesellen sind an solchen Schönheiten wie Sie?!?«

»Ich weiß es«, erwiderte sie mit ihren wunderbaren Augen.

[227] »Ich bin vorläufig eine erstehenswerte preiswürdige Ware. Aber ich werde mir meinen schändlichen feigen Käufer wenigstens gut aussuchen – –.«

Ich erwiderte: »Amen – – –.«

Dann traf ich Frau S. Sie hatte alles, alles bereits hinter sich, und ging zwischen den verstaubten Wiesen spazieren. Sie sagte: »Ich kann gar nicht in diese vielen Fenster blicken, hinter denen die dumme Jugend die Märchenwelt erwartet. Ich möchte sie alle abstechen wie Gänse, um ihnen die langjährigen Martyrien zu ersparen. Wir alle, die wir da sind, sind Dichterinnen; aber die Männer spekulieren an der Börse des Lebens. Wir haben ewig so viel Hoffnung und Dankbarkeit in uns, zu weinen für eine besonders schöne Stunde.«

Da ging die Fünfzehnjährige vorüber, mit ihren Träumen und Schäumen und einem neuen Hut aus Wien. Die Dame sah, daß ich sie unbeschreiblich liebevoll anblickte, anstarrte. Da sagte sie: »Recht so! Vielleicht wird dann der frech-begehrende-zerstörende-infame Blick der anderen Männer keinen solchen Eindruck mehr auf sie machen – – –.« Sie ging weiter zwischen den verstaubten Wiesen.

Ich kam an der Straße an einem verstaubten Heiligenbilde vorbei, das wie aus hellgrauem Ton von einem unmündigen Kinde blöd-ungeschickt hergestellt aussah – – –. Da sagte ich innerlich zu dem Heiligen: »Wer du auch seist, verleihe dieser süßen Fünfzehnjährigen die Erfahrungen der Dame auf den verstaubten Wiesenwegen und meine eigenen – – –!«

Ein Schriftsteller älteren Datums würde nun [228] schreiben: »Da sah mich der hellgraue, verstaubte Heilige an der Dorfstraße so merkwürdig an, so gewissermaßen gnädig verständnisvoll – – –.« Aber mein moderner Impressionismus, romantischer Idealismus, zwingt mich, mitzuteilen, daß das Antlitz des Heiligen ganz unverändert blieb, wie wenn man selbst von ihm diesmal etwas völlig und gänzlich Unmögliches verlangt, erbeten hätte – – –.

Die Fünfzehnjährige ging unbeschreiblich elastischen, geflügelten Schrittes die staubgraue graustaubige Dorfstraße hinab. Sie wußte es, sie könne einen jeden haben, den sie nur wolle. Aber wen sie von allen diesen wollen solle, das, das wußte sie nicht!

[229]
Krankenbesuch in I.AbendspaziergangBesuch im einsamen ParkDer einsame ParkZyklus »Sanatorium I.«Letztes BekenntnisDas EndeKrankenbesucheEin Band GedichteKrankenpflegeKrankheitSorgeÀ ReboursZyklus »Krankheit«VorfrühlingSchmollenDie ReifenkünstlerMaskenZur Enthüllung des Kaiserin Elisabeth-DenkmalsEine SzeneGerichtsverhandlungVorstadtzimmerBlumenDas FlugerlDie beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Krankenbesuch in I.

»Du, wir müssen doch einmal, liebe Erna, den kranken Peter aufsuchen. Denk' mal, der K. war schon draußen, der W. und sogar diese ganz unbewegliche und schändlich egoistische B., die da seitdem ein langes und breites erzählt über seine Leiden, die sie weniger interessieren als ein Souper avec ... im ›Schwedischen Pavillon‹. Man kann da nicht zurückbleiben – – –.«

»Ja, aber die Fahrt ist so unbequem und umständlich. Und dann ein Sanatorium – schließlich hat man ja doch auch seine Nerven und ist nicht gewöhnt daran, einen frechen Drahrer als verblödeten Melancholiker wiederzusehen – – –.«

»Ich habe eine Idee. Wir nehmen ein Automobil für die Hinterbrühl, lassen in I. eine Stunde warten und fahren dann weiter zu Baron T. – – –.«

»Ich bin einverstanden. Nur darf er es nie erfahren, daß wir bei ihm nur kurzen Halt gemacht haben – – –.«

»Selbstverständlich wird er das nie erfahren –.«

Zärtlichste Begrüßung in I.

»Nun, Peter, was sagst du, eigens für diesen staubigen Weg auf der Landstraße ein Automobil gemietet, um dich aufzusuchen. Sind wir Freunde?! No, siehst du, da beklagst du dich immer. Das ist bei dir schon ein krankhafter Zustand von Verfolgungswahn geworden!«

Nach einiger Zeit entfernt sich P.A., geht zum Chauffeur, gibt ihm 5 Kronen.

»Für die Mühe des Wartens – – –.«

[230] »Aber bitte, bitte, das wär' ja gar nicht notwendig – – –.«

»Sie, sagen Sie, fahren Sie heute noch weiter?!«

»Nur bis in die Hinterbrühl in die Villa des Baron T. In I. hab' ich nur eine Stund' zu halten wegen einem Besuch – – –.«

P.A., zurückkommend:»Meine Herrschaften, ich bin so leidend, daß ich mich momentan ins Bett legen muß. Gerade heute doppelt bedauerlich, aber der Arzt verlangt es – – –.«

»Mein liebster P.A., lassen Sie sich ja in nichts stören, das wäre unverantwortlich von uns. Wir fahren einfach in die Stadt zurück. Begleiten Sie uns nicht hinaus, gehen Sie schön in ihr Betterl und ruhen Sie sich aus – – –.«

P.A., beim Abschiede: »He, ich lasse in der Hinterbruhl den Baron T. und seine Leute unbekannterweise grüßen, sie werden mich dem Namen nach gewiß kennen – – –.«

[231]
MedizinKrankenbesuch in I.AbendspaziergangBesuch im einsamen ParkDer einsame ParkZyklus »Sanatorium I.«Letztes BekenntnisDas EndeKrankenbesucheEin Band GedichteKrankenpflegeKrankheitSorgeÀ ReboursZyklus »Krankheit«VorfrühlingSchmollenDie ReifenkünstlerMaskenZur Enthüllung des Kaiserin Elisabeth-DenkmalsEine SzeneGerichtsverhandlungVorstadtzimmerBlumenDas FlugerlDie beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Medizin

Alles in diesem einsamen Park ist doch so lächerlich, blöd und verlogen.

Da kam die Schwester der Direktorin mit ihrer fünfzehnjährigen Tochter Ella. Alles verschwand und starb dahin. Selbst meine schwere Krankheit zog sich zurück, überließ diskret ihre Seufzer dem Rauschen meiner Seele!

Gelb war ihr Teint wie das Fell einer gelben Katze, aschblond ihre dichten Haare. Sie hatte die breite Stirne Goethes und den weiten Beethovenschädel. Ihre Hände aber waren das Wunderwerk der Welt. Gelb, zart, schmal, abgegliedert, und die Nägel wunderbar.

»Ihre Tochter bedarf keiner Maniküre,« sagte ich zu der Mutter, »die Natur hat das genial selbst besorgt – – –.«

»Oh, meine Tochter bedarf keiner künstlichen Mittel, Gott sei es gedankt – – –!«

Meine Krankheit verflüchtigte sich. Die Ärzte schrieben es auf ihr Konto, besonders auf Injektionen und Lezithin. Aber das war alles schamloser Mumpitz. Die gelben, zarten, schmalen, feingegliederten Hände und Finger, die wundervollen Nägel der E.S. bewirkten es. Ich blickte auf diese Hände, wenn sie neben mir saß, ich blickte auf diese Hände, wenn sie Messer und Gabel hielten, ich blickte auf diese Hände, wenn sie den Henkel der Teeschale hielten, ich blickte auf diese Hände, wenn sie die zarten Rohrstäbe des »Diabolo« schwangen. Immer immer, immer blickte ich auf diese gelben, zarten, [232] schmalen, langen, adeligen Hände und Finger und diese von Mutter Natur ideal manikürten Fingernägel. Und die Herren Ärzte fanden, daß die Injektionen und das Lezithin merkwürdige Besserungen in meinem Allgemeinbefinden hervorriefen.

»Sehen Sie, Sie Skeptiker, auch Sie müssen uns doch schließlich recht geben – – –.«

»Ich glaube es jetzt fast schon selbst«, erwiderte ich demütig.

E.S. reiste ab. Ich sagte zu ihr:

»Ich bin krank und alt, darf ich mir eine Gnade erbitten?!?«

»Was wünschen Sie von mir?!?«

»Ihre Hand zum Abschiede küssen zu dürfen!«

»Ein Händedruck wird genügen – – –.«

Einige Tage später sagten die Ärzte: »Die Mittel stumpfen sich ab, wir werden neue versuchen müssen, P.A. verfällt uns seit einigen Tagen.«

Das Fräulein dachte: »Vielleicht hätte ich mir doch die Hände küssen lassen sollen von ihm. Ich glaube, es war sehr arrogant von mir. Wer weiß, ob sich sobald wieder eine solche Gelegenheit findet – – –.«

[233]
Eine ganz wahrhaftige BeziehungMedizinKrankenbesuch in I.AbendspaziergangBesuch im einsamen ParkDer einsame ParkZyklus »Sanatorium I.«Letztes BekenntnisDas EndeKrankenbesucheEin Band GedichteKrankenpflegeKrankheitSorgeÀ ReboursZyklus »Krankheit«VorfrühlingSchmollenDie ReifenkünstlerMaskenZur Enthüllung des Kaiserin Elisabeth-DenkmalsEine SzeneGerichtsverhandlungVorstadtzimmerBlumenDas FlugerlDie beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Eine ganz wahrhaftige Beziehung

Sie saß an einem riesigen Parterrefenster, das fast den Boden der staubigen grauen elenden Dorfstraße berührte und nähte an einer schönen blinkenden Nähmaschine Blusen von morgens bis abends. Ihre Augen hatten einen Ausdruck von Verzweiflung. Aber sie selbst wußte nichts davon. Sie nähte, nähte und nähte. Sie war ganz mager, ungeeignet für den Sturm des Daseins, der Seelen und Körper rüttelt und hinwegfegt. Abends aß sie das kalte Gemüse vom Mittagstische. Das sah ich alles durch das riesige Parterrefenster hindurch und sie sah, daß ich alles sah.

Eines Abends stand sie vor dem Haustore, so angelehnt. Da sagte sie: »Ich habe eine Stellung angenommen in Mariahilf in einer Blusenfabrik, ich werde nicht mehr privat arbeiten müssen in diesem einsamen Zimmer.«

Da dachte ich: »Dorfstraße, Dorfstraße, du hast deinen Glanz, du hast deinen Reichtum eingebüßt!«

»Man muß sich seine Lage verbessern, nicht wahr?!« sagte sie. »Ich habe Sie übrigens immer an meinem Fenster vorübergehen gesehen, dreimal des Tages. Dreimal des Tages sind Sie vorübergegangen. Aber in Mariahilf werden 40 Mädchen sein, und man wird plaudern können und arbeiten wie in einem Ameisenhaufen – – –.«

»Sie, Fräulein, ich werde auch dreimal an Ihrem Fenster vorübergehen, wenn Sie nicht mehr dasitzen – – –.«

»Ja, werden Sie das?!? Da werde ich also auch [234] zugleich zu Hause sein, wie früher, in meiner Heimat – – –.«

»Lassen Sie vielleicht Ihre blinkende kleine Nähmaschine am Fenster stehen und dabei eine Ihrer angefangenen Blusen – – –.«

»Ja, bitte, das werde ich – – –.«

Das war die einzige wahrhaftige Beziehung mit einer Frauenseele während meines ganzen ereignisreichen Lebens – – –.

Dorfstraße, graue staubige Dorfstraße, du hast deinen Glanz, du hast deinen Reichtum eingebüßt –.

[235]
VerzehrungssteueramtEine ganz wahrhaftige BeziehungMedizinKrankenbesuch in I.AbendspaziergangBesuch im einsamen ParkDer einsame ParkZyklus »Sanatorium I.«Letztes BekenntnisDas EndeKrankenbesucheEin Band GedichteKrankenpflegeKrankheitSorgeÀ ReboursZyklus »Krankheit«VorfrühlingSchmollenDie ReifenkünstlerMaskenZur Enthüllung des Kaiserin Elisabeth-DenkmalsEine SzeneGerichtsverhandlungVorstadtzimmerBlumenDas FlugerlDie beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Verzehrungssteueramt

Es war ein heißer, staubiger Nachmittag in I. Die Wiesen ächzten vor Staub und die alten Bäume an der Laxenburger Allee; der Liesingbach war grau, braun, lila und stank entsetzlich. Selbst die Hunde lagen matt in den Höfen, statt sich den üblichen sexuellen Orgien hinzugeben, die sie über die Nichtigkeit des Daseins hinüberbringen konnten. Ich bemerke weit und breit nichts Anregendes, Emotionierendes. Selbst den Mäderln bei der »amerikanischen Schaukel« konnte ich nicht für 10 Heller eine Paradiesesfreude verschaffen; denn es war niemand vorhanden, und alles schlief in schattigen Teilen von Wiesen, Höfen und Gärten. Die zwölfjährige herrliche Annerl K. hatte Kopf- und Halsschmerzen, und ich konnte ihr nur ihre Lieblingszuckerln, Obersbonbons, zuschicken. Die wunderbare sechzehnjährige Toni W., mit dem Antlitz einer heiligen ergebenen Dulderin, saß in ihrem fest verschlossenen kühlen Zimmerchen und arbeitete an einer netten Singermaschine eine Bluse für eine Freundin, die Sonntag Ausgang hatte. So ging ich die staubgraue Laxenburger Allee hinauf, bis zum braunen Westbahnstatiönchen, neben dem sich das Verzehrungssteueramt für Favoriten befand. Ich setzte mich auf ein schmales Bänkchen, das um einen der alten verstaubten Riesenbäume geschlungen war und erwartete Verzehrungssteuer-Emotionen oder Sonstiges. Aber alle Hunderte von Automobilen, von denen ich erwartete, sie würden ein wenig rechts hinauf gegen Laxenburg zu fahren, hielten perfiderweise[236] ganz strikte die linke Straßenseite ein, worüber ich allmählich in Empörung geriet. Diese Langweile der Ordnung war eine Gemeinheit, wenn man so wie so schon nur mehr auf exzeptionelle Abenteuer angewiesen ist an einem solchen schrecklichen Nachmittage. Ich hätte gerne jedem Automobil zugerufen: »Fahren Sie links, Sie Trottel, fürchten Sie sich vielleicht vor der Behörde?!?« Aber alle fuhren knapp rechts oder höchstens die Mutigsten in der Mitte, was auch noch nichts zu bedeuten hatte. Hundert Wagen mit mysteriösen Gegenständen unter verstaubten Kautschuktüchern hielten bei dem Verzehrungssteueramte. Immer forschte der Beamte mittels eines eisernen, am Ende gebogenen Stabes nach geschmuggelter Ware. Aber immer sagte er kühl-ruhig;

»Vorwärts!« Und der Kutscher bestieg wieder den Kutschbock mit einem fast geblähten, triumphierend reinen Gewissen. Ich war schon ganz verzweifelt. Kein Betrunkener weit und breit, kein Kinder-Verzahrer, wo es doch so viele lauschige Plätzchen dafür gab – – –. Endlich kam ein kleiner Wagen heran.

»Sie, Kutscher, was san denn dös?!?«

»Dös san Kuttelfleck, Herr Oberinspektor – –.« »Dös seh' i, dös brauchens mir nicht erst zu sagen! Aber was für Kuttelfleck?! Rohe oder gesottene?!?«

»Gesottene, Herr Oberinspektor.«

»Die sind gesotten?!? Das wollen Sie einer Behörde weiß machen?!? Die sind nur in siedendes Wasser eintunkt, und gerade bevor sie sieden wollten, herausgezogen, weil rohe Kuttelflecke der Verzehrungssteuer unterliegen!«

[237] »Herr Oberinspektor, ich tu nur meine Pflicht, ich bin Kutscher im Haus, man hat mir das Wagerl mit ausgesottenen Kuttelflecken verpackt – – –.«

»Nun, auf der Fahrt werden sie bei der Hitze nicht wieder roh geworden sein. Rohes Fleisch muß verzollt werden. Ihr habt es in siedendes Wasser getaucht, damit die Oberfläche gesotten ausschaut. Aber bei uns gibt's keine Oberfläche, wir dringen in den Kern der Sache ein!«

Da kommt der kleine dicke Oberinspektor heraus und sagt: »Was gibt's da langes und breites, was is dös für ein Geschmus?!«

»Herr Oberinspektor, ich habe in diesem Wagen scheinbar gesottene, aber tatsächlich rohe Kuttelflecke vorgefunden – – –.«

Der Oberinspektor wirft einen Blick auf die Ware, wie Billroth, Chrobak, Chwostek auf nicht ganz regelrechte Organe.

»Die Kuttelfleck sind roh; Verzehrungssteuer oder zurück!«

Der Kutscher schwang sich infolgedessen auf den Bock und raste wahrscheinlich viele Wegstunden zurück, da er einer unbesiegbaren Macht entgegenstand.

Ich dachte: »Meiner Ansicht nach sollten Kuttelflecke überhaupt, sei es roh oder ausgesotten, mit einer riesigen hohen Verzehrungssteuer für eine kultivierte Großstadt belegt werden, denn es ist ein fades, geschmackloses Fressen ...«

Einige Tage später sagte mir ein Freund: »Seh'n S' Altenberg, das is halt Ihr Fehler, Sie san halt ein Dichter und außerhalb des Lebens. Kuttelfleck, in [238] den Speisekarten ›Löser‹ benamset, sind geradezu eine Delikatesse. Schauen's solche Sachen sollten S' halt nicht schreiben, davon verstehen Sie nichts. Über die Frauenseele haben Sie wirklich manchmal ganz richtige und sogar aparte Einfälle – – –. Sie sollten sich dafür gerade einsetzen, daß Kuttelflecke auch roh nach Wien gebracht werden dürfen, ohne der Verzehrungssteuer zu unterliegen. A jeder kann net Rebhendeln fressen, mein lieber Herr Dichter. Dös merken's Ihnen!«

[239]
Nachträgliche Vorrede zu meinem Buche »Märchen des Lebens«VerzehrungssteueramtEine ganz wahrhaftige BeziehungMedizinKrankenbesuch in I.AbendspaziergangBesuch im einsamen ParkDer einsame ParkZyklus »Sanatorium I.«Letztes BekenntnisDas EndeKrankenbesucheEin Band GedichteKrankenpflegeKrankheitSorgeÀ ReboursZyklus »Krankheit«VorfrühlingSchmollenDie ReifenkünstlerMaskenZur Enthüllung des Kaiserin Elisabeth-DenkmalsEine SzeneGerichtsverhandlungVorstadtzimmerBlumenDas FlugerlDie beiden FreundinnenKindermißhandlungKrankheitAus unseren Tränen wird Weisheit; aber aus eurem LächelnIn einem Wiener »Puff«Ein heikles Thema, das aber recht diskret behandelt istDie MamaDer Dichter [1]Zoologischer Garten in B.Die BrautDie Dame tut das RichtigeStation Unter-PurkersdorfDie SelbstlosigkeitDiskretionLies es aufmerksamMamaGespräch über einen Zweiten mit einem ErstenWie ich Übersetzer wurdeAufführung der »Walküre«KünstlerfestDie KellnerTagebuch der Elisabeth K.Die OperationErlebnis [1]Die GlücklicheLandpartieDer DichterKabarettliedHerrensitz in U.KnofelebenDer MesserheldSommers EndeGamelang-MusikAbschiedsbrief eines Aschanti-Mädchens von WienGeräuscheErlebnisPA-KollierRechtspflegeDie Königswiese in der VorderbrühlSonnenuntergang im PraterRheingoldCleo de MérodeErgebnisse der Sommerfrische der jungen Frau B.Kleine philosophische Abhandlung über den Wert der VoraussichtDas süsse MädelVita Ipsa. Das Leben selbst!Die KindheitModeDie KontrolleLes SeinsEtablissement RonacherErinnerungWas ist ein GedichtDie KinderzeitUnser OpernhausDas HotelzimmerDas TanzturnenDas »Flugerl«Regeln für meinen StammtischEntwicklungLiebesgedichtDie JugendzeitMeine KorrespondenzEin BriefIn einem KurparkeDie Stätten unserer paradiesischen KinderzeitBei Buffalo BillMit aufgedeckten KartenPreiskletternDie DichterinMusikXIX. Austellung der »Secession«, WienDie traurige BürgerlicheSommer 1906GesundheitDie Donauinsel »Gänsehäufel«, Strandbad bei WienDie GlücklichstenEinstProsaAltenberg, PeterMärchen des Lebens

Nachträgliche Vorrede zu meinem Buche »Märchen des Lebens«

Wir haben die Märchen in die Kinderzeit verbannt, dieses Exzeptionelle, Wunderbare, Rührende, Besondere! Weshalb die Kinderzeit damit ausstaffieren, die doch romantisch und märchenhaft genug an und für sich ist?!? Im harten, strengen, kalten Leben selbst suche lieber der ernüchterte Erwachsene die märchenhaften Dinge« die Romantik des Tages und der Stunde! Auch die wahrhaftigen prädestinierten Dichter mit den empfindlicheren Herzen, Augen und Ohren, schöpfen nur aus dem tatsächlichen Ereignisse ihre besonderen Dinge, lauschen nur der Romantik des Lebens selbst eigentlich! So können also auch wir anderen alle zu Dichtern werden, falls wir uns nur die redliche Mühe geben, uns keine Perlen entgehen zu lassen, die das reichhaltige Leben an unseren eintönig flachen Strand hie und da auswirft!

Alles ist besonders, wenn es besonders empfunden wird! Und jedes Lokalereignis einer Tageszeitung kann Dir die Tiefen des Lebens eröffnen, alles Tragische und Lächerliche, wie die Tragödien Shakespeares! Es ist ein Unrecht, dem Leben gegenüber, das wir alle führen, die Dichtungen nur den Herzen der Dichter zu überlassen, nachdem wir alle doch im stande sind, aus unserem einfachen Tagesleben Dichtungen zu schöpfen! Das Privilegium des Dichterherzens höre auf durch den Fortschritt der inneren Kultur des allgemeinen Menschenherzens!

Peter Altenberg