Der Dichter
Zu einem kleinen braunlockigen Mäderl in einer Familie im Währinger Cottage sagte man: »Helena, morgen abend besucht uns ein Dichter – – –«.
»Da werde ich im warmen Bade mir den Kopf nicht naß machen, damit meine gedrehten Locken bleiben – – –.«
Dann sagte sie: »Ist es ein wirklicher Dichter, einer, der nichts zu essen hat?!?«
»Ja, ein ganz wirklicher – – –.«
»Was wird er zu mir sprechen?!?«
»Er wird sagen: Guten Abend, Fräulein Helena!« »Weshalb wird er sagen: Fräulein Helena?!?«
»Weil er sehr höflich ist und sich nicht zu Kindernfreundlich herabläßt, sondern zu ihnen ernst hinaufblickt.«
Helena dachte: »Wird das Souper feiner sein, weil ein Dichter zu Besuch kommt?!? Vielleicht Kaviar. Bei einem berühmten Maler war auch Kaviar. Und zum Schluß gefrorene Ananaserdbeeren«. Aber der Maler hatte zu ihr affektiert-verlegen gesagt: »Welche von deinen Puppen liebst du am meisten?!?«
Und diese Frage und der Ton dabei von gemachtem unwirklichem Interesse hatten sie sogleich chokiert.
Der Dichter erschien um 8 Uhr abends.
Er war glatzköpfig und sah sehr bedrückt aus. Richtig sagte er: »Fräulein Helena« und »Sie«. Helena saß in einer Nische und laß in einem englischen Buche. Er empfahl ihr die Lektüre angelegentlich [158] der Bücher der »Bibliothèque rose«, »Madame de Ségure, née Rostopshine«. Sie kannte bereits einige, besonders »Les vacances« und »Les malheurs de Sophie«.
Als er weggegangen war, fragte man Helena:
»Nun, wie hat er dir gefallen, der Dichter?!?«
»Man kann leichter mit ihm sprechen als mit allen anderen; er versteht alles viel rascher«, erwiderte das braunlockige Kind.
»Dummerl«, sagte man halb scherzend zu ihr. Man sagt immer halb verlegen »Dummerl«, wenn jemandgescheiter ist – – –.
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