Schau-Platz der Betrieger
Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln

Vorrede

Vorrede:
Lustliebender Leser.

Ohnerachtet Schande und Laster an ihnen selber verächtlich / findet man doch sehr viel Menschen von so gar ungebundener Unarth / daß sie denenselben offenbar obliegen / und sich deren als einer sonderbahrē Tugend rühmen: Wer seinem Nächsten durch List etwas abzwacken kan / den preisen sie / als einen listig-klugen Menschen / und dahero ist der unverschämte Diebstahl / überlistige und lose Räncke / ja gar Meuchelmord und andere grobe Laster im solchem Uberfluß eingerissen / daß man nicht Gefängnüsse genug vor solche Leute haben mag. Diese Buben dürffen sich noch wohl ihres Verstandes rühmen / und andern Leuthen einbilden / daß sie gebohren wären / die Leuthe klug zu machen / gleich wie die Lacedæmonier, eine sonst strenge Nation, ihren Kindern vergönneten zu stehlen / damit sie dadurch zur Behändigkeit / und die bestohlene zur Fürsichtigkeit angewehnet wurden. Die Egypter liebten gleichergestalt einen behenden Diebsta / daher rühmeten sich die Poëten der subtilität Mercurii, und der Kunst Lavernæ einer Göttin / die aller Dieben Vorsteherin war / und man hat die Erfinder des Raubens / Stelens /und anderer Plackereyen weyland fürnehmen Leuthen / so gar auch wohl Königē und Monarchē zugeschrieben; und daher kombts / daß so wackere Männer selber sich des stehlens hernach bedienet / wie von dem Fürsten aller Peripateticorum erzehlet wird / daßer damit behender umbzugehen gewust / als alle seine Vorgänger. Virgilius hat seine schönste Inventiones dem Homero und Theocrito sehr unvermerckt abgestohlen oder vielmehr abgeborget / und der in allerLateinischen Welt so hoch berühmte Cicero hat sich vermessentlich beholffen mit den Lehrsätzen der Stoicorum, Academicorum und Epicureorum.

Immittelst bleibt es doch unveränderlich dabey /daß die Laster zu tadeln sind / und die Dieberey vor eine grosse Sünde müsse geachtet werden / als welche schnur gerade / laufft wieder die Liebe / womit wir unserm Nächste verbunden sind / wie solches nicht allein im andern und dritten Buch Mosis, sondern hernach auch durch den Apostel Paulum ausdrücklich verbothen ist / in dem dieser an die Bürger zu Epheso schreibt / daß der / so gestohlen / hinführo nicht mehr stehlen / sondern sich begeben solle zu dem Werck seiner Händen. Die alten Völcker / so diese Warheit erkant / haben weyland allerley Straffen vor die Diebe erdacht / absonderlich die Griechen / und darunter am meisten die Athenienser, wie uns desfals der hochgelahrte Ludovicus Vives klärlichen Bericht thut. Käyser Fridricus III. erkante solchenden Galgen zu / undOvidius lehret / das Scyron, einer von denen berüchtigsten Dieben zu seiner Zeit in die See gestürtzet worden durch Theseus. Procustes ist durch Herculem getödtet / und Sysiphe darnieder geworffen worden.Virgilius bezeuget / daß sein Meister Balista umb seiner Räuberey willen / gesteiniget worden / und nach dem Bericht / Aristotelis / ließ der König Agramenta den Brunel auffhängen / als welcher ein gar behender Räuber war / dann durch seine unbegreiffliche Liftigkeit hatte er sich des Rings von Angelica, und des Pferdes von Sacripantus bemächtiget.

Jener Philosophus ward wegen seines Vaterlandes befraget / worauff er antwortete / er sey von der Welt bürtig / und wandere in der Welt / so lange erlebe. Ist wohl gered / dann alle Menschen sind Weltlinge der Geburth und dem Leben nach / die meisten aber sind Frembdlinge in ihrem eigenen Vaterland / und mißbrauchen die Welt / als ob sie derselben vergängliche Güter ewiglich gebrauchen könten und musten. Dadurch ist eingerissen die Augen-Lust / die Fleisches-Lust und ein hoffärtiges Leben wozu sie vom Satan /ihrem Fürsten / welcher sein Werck hat in den Kindern des Unglaubens / angereitzet und unterwiesen werden / und gleich dieser / ihr Herz und Lehr-Meister / selber ein uhralten außgeübter und durchtriebener Tausend-Künstler also hecket er noch täglich /und insonderheit zu diese Zeiten eine grosse und zahlreiche Bruth in seiner gottlosen Lehr-Schule aus / allermassen List und Betrug noch niemahlen zu solcher hohen Staffel ihrer Excellentz gediegen sind / wie sie jetzo zusehen. Zu verwundern ists / daß an etlichen Orthen / fürnehmlich in volckreichen Städten / gewisse Lehr-Meister sich einfinden / welche denē / so Lusten dazu haben / um einen gewissen Preiß / solche Hand-Griffe zeigen und sothane Regeln geben / wodurch hernach manchem ehrlichen Mann sein Haab und Guth / offtmahls auch Leib und Seelabgenommen wird. In Abgang des nechst verwichenen 1686 Jahrs fand man zu Paris einen solchen leichtfertigen Lehr-Meister / der seine Discipeln in der Wissenschafft der Filouterie oder des hurtigen Beutelschneidens mit allem Fleiß unterrichtete. Er bekam für jede Mann vor die Unterrichtung 30 biß 40 Rthl. und hatte er einen grossen Anhang / ob auch gleich damahl seine leichtfertige Schule zerstöret worden / ist doch kein Zweiffel / er wird mit seiner Compagnie dadurch keines weges vertilget seyn.

Aus der mündlichen Erzehlung eines vollkommenen durchtriebenen Gaudiebes ist man ziemlich hinter ihre gottlose Geheimnüsse kommen / nehmlich wann sich ihrer 20/30 biß 100 und mehr zusammen geschlagen / formiren sie ein rechtes Corpus oder Gilde / haben ihre Gesetze / Regeln / Ordounantzen / und bestraffen die / so dawieder handeln. Einer davon ist Obrister / dem alle andere Diebe gehorchen / und dieser ordiniret allerhand Diebesstücklein. Dieser weiß und kennet den Unterschied seiner Untergebenen /darum schicketer die verschlagnesten an die gefährlichste Oerther. Dieser Capitain examiniret alle / die sich in ihre Compagnie begeben wollen / und giebt ihnen 3 Monath Zeit / umb ihre Arth und Gemüth zu erforschen / da er sie inzwischen in allerhand subtilen Diebs-Griffen unterrichtet / wie sie nehmlich etwas von der Höhe holen mögen ohne Leiter / Stock oder Strick; wie sie ein Pferd stehlen / darauff der Mann würcklich sitzet; wie sie einem Hoffmann das Halß-Tuch vom Leibe nehmen / der da unter viel hundert Menschen stehet. Nachdem nun der Lehrling tüchtig befunden worden / wird er angewiesen / entweder zum Rauben / Beutelschneiden / klettern / oder wozu er sonsten geschickt ist. Hierin verfahren die Diebe viel klüger / als sonsten in andern Societäten / Städten und Aemtern geschiheit / dann ihr Corpus kan wohl bestehen / weil einjeder von ihnen eine Bedienung erlanget / dazu er geneigt und bequem geachtet wird. In andern Societäten gibt man die Aembter an Leute / die offt weder Sinn noch Geschickligkeit dazu haben / man nimbt Geld dafür / oder befördert einen durch Gunst /der zu seiner Charge offt so tüchtig / als der Sack-Pfeiffer alhier in der Thum-Kirchen. Im übrigen ist der Diebs-Capitain / gemeiniglich ein alter weiser und fürsichtiger Mann / von dem Stehlen befreyet / weil es ihm / dazu an Hurtigkeit und Kräfften ermangelt /wannenhero er es nur theoreticè mit seinen Leuthen überleget / was dieseselben practicè hernach ausführen müssen. Sie kommen einmahl in der Woche zusammen an einem bestimten Orthe / da der Capitain Rechenschafft von einem jeden fordert wegen seines Diebstals / so einer etwas wieder ihre Regeln mißhandelt / wird er als dann gestrafft / wie auch der / so sich träg und unvorsichtig erwiesen. Ein solcher muß zum ersten mahl den Theil / den er an dem gestohlnen Guth hat / entbehren / zum anderumahl aber cassiret man ihn auff etliche Wochen oder Monathen / oder man macht ihn aus einen Dieb zu einen Außspäher /und Schildwacht Von allen gestohlnen Sachen legt man den fünfften Theil an die Seite / vor den / der die gefangenen Diebe vom Pranger / Galgen und Rad erlösen soll. Von dem Rest ziehet man den zehenden Theil zu guten Wercken / wie sie es nennen / und hievon unterhält man die Krancken von der Compagnie /die Gefangenen so es sein kan / loß zu kauffen / und der Brüderschafft sonsten auff alle Weise beförderlich zu sein. Sie nehmen keine Frau in ihre Gesellschafft /es sey dann die hohe Noth / oder ein sonderbahrer Verstandt und Bequemlichkeit bey solchem Weibe /wie bey der alhier eingeführten Falsette / sie wissen wohl daß den Weibern das Plaudern allzu gemein /darumb mag auch bey grosser Straffe kein Diebsgesellschaffter seiner leiblichen Ehe-Frauen etwas von der Heimligkeit ihrer Zunfft offenbahren. Derjenige /welcher stielet / hat so viel als der Capitain / vor seine Gefahr und Arbeit / die Consorten haben einen dritten / und die Auspäher und Schild-Wachten einen fünfften Theil. Ein jeder weiß sich in seinem Ambt zu halten / wie es dasselbe erfordert / ist die Gesellschafft sehr groß / so versamlen sich nur gewisse Sorten daraus wochentlich an dem bestimten Orth / als erstlich die Räuber / als dann die Staffadoren / hernach die Kletterer / ferner die Währ-Wölffe / dann die Wollzieher / weiter die Aposteln / hernach die Kinder-Diebe /endlich die Beutel-Schneider / und dann zu letzt der Hoff-Meister. Aber es würde all zu lang fallen / alhier die gantze Beschreibung sothaner Diebs Republicq anzuführen / welches gleichwohl bey einer andern Gelegenheit / weil es merckwürdig / nicht soll unterlassen werden.

Sothane behende Dieberey aber gehet nicht allein itzo würcklich in Franckreich / Holland / Engelland und andern Orthen gewaltig im Schwange / sondern es werden wohl gantze Nationen gefunden / die solches Laster / als eine freye Kunst preisen. Die Europæische Tartern sind solche Vögel / welche sich nicht allein von der Beraubung ihrer angräntzenden Völcker erhalten / sondern es ist auch so gar unter ihnen erlaubt / einander mit einer behendigen Geschwindigkeit dieses oder jenes abzuzwacken / und wofern der Dieb nicht würcklich und auff der That ertappet wird /mag er das Gestohlene hernächst / alß sein mit Recht erworbenes Guht besitzen. Die Mohren in Guinea machen allerseits Profession vom Diebstall und sind darin so fertig / daß es nicht zu beschreiben / weßfals dann die daselbst handlende Europeer wohl Argus Augen von nöthen häben / sich vor ihrer behendigen Entwendung fürzusehen. Die geraubte Christl. Sclaven in Constantinopel und in der Barbarey suchen vielfältig ihre Nahrung in dem Diebstahl / darunter man so fertige Meister findet / daß die Unchristen selber sich über deren Behändigkeit offtmahl entsetzē. Und obwohl dieselbe sehr grausahm mit diesen ihren Sclaven verfahren / sehen sie ihnen dannoch in diesen Stücken gantz gütig durch die Finger / eben als wann man sothane Fertigkeit mehr preisen als abstraffen muste.

In diesem Buch / günstiger Leser / wird man von allerhand list- und lustigen Hand-Griffen solcher verübten Diebereyen eine gantze Menge finden / überdem siehet derselbe auch hieselbst abgehandelt mancherley listige Striche / die sich in vielen andern Begebenheiten eräugnet haben / also / daß man hieraus wohl erkennen mag / welcher Gestalt die Welt itzo im argen / insonderheit aber im Betrug und List gleichsahm ersoffen ist. Man hat diese Geschichte zusammen getragen / theils dem Leser zur Warnung oder Lehre / damit er durch Lesung derselben bester massen gewitziget werde / sich für den Ränckē sothaner listigē Dieben u. losē Leuthen zu hütë / fürnemlich aber bey müssigen Zeiten die ermatteten Sinnen dadurch wieder auffzumuntern / und sich darin die Zeit zu kürtzen / dann ob es gleich scheinet / als hette man wenig aus dergleichen Sachen zu lernen / so muß man hingegen doch wissen / daß kein Buch so übel geschaffen / daraus man nicht etwas gutes erlernen möge. Und wie der Leib seine Nahrung durch Hunger und Durst erheischet / also verlanget offtmahl das Gemüth seine Nahrung und süsse Speisen in dergleichen list- und lustigen Erzehlungen und Exempeln, worin es gleichsahm einiger massen vergnügt wird / welche Vergnügung mit gutem Fug ein Nutze kan genennet werden / und in sich selber beruhet / wie die Tugend ihre Ubertrefflichkeit in dem erweiset / daß sie sonder alles äuserliche Ehr- und Gewinnsüchtiges Absehen /zu lieben und zu loben ist. Viel ist nützlich / das nicht allemahl nothwendig ist / wie die Ribbe / welche GOTT aus Adams Seithen genommen. Alhier wird man finden Exempeln fürtrefflichen Verstandes / der aber mißbrauchet / und nur zum Laster angewendet worden / woraus zu schliessen / daß sothane Leuthe /wofern ihnen die übele Aufferziehung / oder böse Gesellschafften und Verführungen nicht im Wege gestanden / auch in der Tugend den höchsten Grad leicht hetten erreichen mögen. Die einige so genandteFalsette dienet der Welt zu einem Muster wunderbahrer List und Behendigkeit / dergleichen man bey einem gemeinen Weibs-Bilde / wie dieses gewesen /und annoch ist / wohl sein Lebenlang nicht mag erhöret noch erlebet haben. Lieber Leser / liese dieses Büchlein zu deiner Erbauung / und nicht zur Nachfolgung / es wird dich nicht gereuen / weder das angewandte Geld noch die Zeit / aber hüte dich vor der Nachfolge / welche dir schlechten Nutzen / wohl aber sehr grossen Schaden bringen kan.

Register, über die List- und Lustige Welt-Händel

Register, über die List- und Lustige Welt-Händel.

Capitel Pagina
1 Der betrogene Kramer 1
2 Der listige Dieb 3
3 Der betrogene Betrieger 5
4 Die lebendige Pastete 6
5 Der unverschämbte Dieb 7
6 Der betrogene Advocat 8
7 Die listige Frau. 9
8 Der betrogene Jude 10
Ein dergleichen Possen 12
9 Die listige Phryne 13
10 Die listige Lebens-Rettung 13
11 Der betrogene Richter 15
12 Die listige Fontimama 17
13 Die verwegene Behändigkeit 19
14 Der verzeihete Diebstall 20
15 Der betrogene Alarbe 21
16 Der gefährliche Diebstall 23
17 Der listige Engelsmann 25
18 Der betrogene Segelmacher 27
19 Die listige Auffenthalt 29
20 Der verschlagene Bassa 30
21 Das falsche Gespenst 34
22 Der vermeinte Teuffel 35
23 Der unglückliche Dieb 37
24 Die boßhaffte List 38
25 Der listig-bestohlne Käyser 42
26 Der fertig bestohlene Cardinal 42
27 Der betrogene Roßkam 44
28 Der verschlagene Landfleger 46
29 Der listige Teuscher 47
30 Der betrogene Baur 49
31 Der listige Gast 50
32 Der kluge Advocat 52
33 Die betrogene Fürsichtigkeit 53
34 Der überredete Baur 55
35 Der behende Schneider 56
36 Der behende Müller 58
37 Der ungemeine Diebstal 59
38 Der behende Kirchen-Raub 61
39 Der behende Beutelschneider 63
40 Die unglückliche Beutelschneider 65
41 Die listige Rache 66
42 Der betrogene Bürger 69
43 Der betrogene Weinhändler 72
44 Der überlistete Advocat 74
45 Die verlohrne Wette 79
46 Die betrogene Italiänerin 83
47 Der betrogene Wechseler 87
48 Der fürsichtige Dieb 93
49 Der vermessene mörderische Dieb 95
50 Der wunderlich entdeckte Diebstal. 97
51 Der listige Goldmacher 99
52 Der wohlbezahlte Wucherer 101
53 Der behende Dieb 102
54 Der listig-erlösete Gefangene 103
55 Die mörderische List 106
56 Der betrogene Buhler 107
57 Der listige Narr 109
58 Der seltzame Beicht-Vater 113
59 Die verschlagene Weiber-List 115
60 Der künstliche Betrieger 118
61 Der betrogene Hertzog 121
62 Der geteuschte Margraff 122
63 Der verkleidete Türck 124
64 Der übel-bezahlte Wirth 126
65 Der liederliche Schmarotzer 128
66 Die listig-erworbene Buhlschafft 129
67 Die betrogene Hochmuth 137
68 Der lustige Student 141
69 Der betrogene Dieb 142
70 Die hintergangene Ehebrecherin 143
71 Der listig betrogene Hörnträger 144
72 Der betrogene Münch 145
73 Der listige Spanier 147
74 Der listig verborgene Diebstahl 148
75 Die betrogene Diebe 150
76 Der zweymahl bezahlte Esel 152
77 Das gestohlne Schwein 153
78 Der bezahlte Wirth 158
79 Der possirliche Doctor 159
80 Die behende Magd 160
81 Der betrogene Ehebrecher 160
82 Die betrogene Spitzfündigkeit 161
83 Der lustige Narr 162
84 Der listige Hannibal 162
85 Der spitzfindige Blinde 163
86 Der kluge Richter 164
87 Das listig getreue Eheweib 165
88 Die betrogene Holländerin 171
89 Die betrogene Alt-Mutter 175
90 Die listige Behändigkeit 177
91 Die listige Köchin 178
92 Die Schelmische List 179
93 Der grobe Spitzbube 182
94 Der Syracusische Betrieger 185
95 Der hintergangene Wucherer 189
96 Der gezwungene Tantz 191
97 Der listige Fuhrmann 193
98 Der doppelt-betrogene Marggraff 195
99 Der angemaste Trauer 201
100 Der listige Buhler 203
101 Die hintergangene Einfalt 206
102 Der arglistige Beutelschneider 208
103 Der listige Mörder 217
104 Der Rechtfertige Mörder-Lohn 215
105 Der unglückliche Spieler 227
106 Der betrogene Spieler 229
107 Der hintergangene Bauer 231
108 Der geteuschete Westphälinger 233
109 Der unerschrockene Westphälinger 235
110 Die Spielers List 237
111 Der listige Jude 241
112 Der betrogene Pfaff 245
113 Der listige Mantuaner 246
114 Der überlistete Quacksalber 246
115 Die abgedroschene Buhler 248
116 Die mit Behendigkeit vergoltene Kühnheit. 250
117 Der übel belohnte Lautenist 251
118 Der listig entwante Esel 251
119 Das gestohlne Pferd 253
120 Die behende Schneiderin 254
121 Der vergoltene Ehebruch 256
122 Der bestraffte Ehebruch. 257
123 Der listige Pabst. 259
124 Die mit List erworbene Braut. 260
125 Der falsche Envoye. 263
126 Der falsche Potentat. 265
127 Der falsche König von Portugal. 267
128 Der listige Persianer 271
129 Der leichtfertige Betrieger 272
130 Der listige Ehebrecher 281
131 Die listige Sultanin 293
132 Der überlistete Pabst 297
133 Der eingebildete Paradieß 299
134 Der listige Ubelthäter 301
135 Der listige Poet 301
136 Der kluge Hertzog 302
137 Der listig verheelte Ehebruch 304
138 Der verschlagene Spanier 305
139 Das übelgehaltene Testament 306
140 Der betriegliche Fürst 307
141 Die listige Semiramis 308
142 Der falsch-betriegliche Sultan 309
143 Der listige Chur-Fürst 310
144 Der listige Printz 312
145 Die Bayrische Verschlagenheit 313
146 Der falsche Bischoff 315
147 Der betrügliche Hatto 318
148 Der redliche Betrug 321
149 Die listige Uberredung 324
150 Der listige Perlenschlucker 328
151 Der listig betrogene Cavallier 330
152 Die listige Tryn 333
153 Der betrogene Reuter 335
154 Das übelgelungene Spiel 336
155 Der unglückliche Kirchen-Dieb 343
156 Der sich selbst verrahtende Buhler 344
157 Die vergoltene Beschimpfung 350
158 Die veränderte Schrifft 351
159 Die listige Gegen-Betrug 354
160 Das listige Kenn-Zeichen 358
161 Der behende Laken-Dieb 363
162 Der listige Soldat 367
163 Das gestohlne Pferd 371
164 Der ungebetene Gast 374
165 Der betrogene Edelmann 376
166 Die listige Erlösung 378
167 Der gerettete Hertzog 379
168 Die Florentinische Rettung 380
169 Die kluge Erfindung 381
170 Das rettende Uhrwerck 382
171 Der betrogene Geitz 382
172 Das seltzame Geschick 385
173 Die listige Betrieger 390
174 Der listige Eseltrieber 391
175 Der schlaue Soldat 391
176 Der arme Teuffel 393
177 Der vorsetzliche Hanrey 394
178 Der betrogene Zauberer 397
179 Der betrogene Betrieger 399
180 Die behändigkeit eines Bauren 403
181 Die listige Käyserin 405
182 Der kluge Richter 406
183 Der verständige Türck 406
184 Der verrahtene Diebstahl 408
185 Der listige Griff 408
186 Das gestohlne Pferd 409
187 Der entdeckte Diebstahl 410
188 Der listige Advocat 411
189 Die überlistete Klugheit 413
190 Die abgewiesene Unrechtfertigkeit 414
191 Der listige Ulysses 416
192 Die verständige Tapfferkeit 418
193 Der Rhetorische Zanck 420
194 Das seltzame Uhrtheil 421
195 Der betrogene Zöllner 422
196 Die Klugheit Davids 423
197 Der überlistete Kornwuchrer 424
198 Die Jüdische Weißheit 424
199 Der überlistete Jud 426
200 Der seltzame Schrecke 426
201 Die listige Rache 427
202 Der wohlbezahlte Richter 428
203 Der behende Knecht 429
204 Die listig entwandte Schuh 429
205 Die kluge Buhlschafft 430
206 Der betrogene Schneider 431
207 Die seltzame Wette 431
208 Die gestraffte Buhler 433
209 Die betrogene Einfalt 435
210 Das verwechselte Kleid 436
211 Die Bauren List 439
212 Der seltzame Liebes-Handel 440
213 Der leichtfertige Scribent 445
214 Die listige Buhlerin 450
215 Der betrogene Courtisan 454
216 Der glückselige Bastard 460
217 Der gestohlene Rock 462
218 Der hintergangene Eyffersucht 463
219 Der stehlende und bestohlne Dieb 470
220 Der bestohlne Bürger 477
221 Die entwandte Tapezereyen 480
222 Das betrügliche Maulschloss 481
223 Der listig betrogene Advocat 488
224 Der falsche Diamant 493
225 Die hintergangene Kauffmannin 496
226 Der übelgelährte Meister-Knecht 503
227 Der entführte Gastwirth 506
228 Der gefährliche Diebstahl 509
229 Der betrogene Kauffmann 513
230 Der blutgierige Räuber 516
231 Die betrogene Einfalt 519
232 Die Gaudiebische Spitzfindigkeit 524
233 Der listige Amertis 526
234 Das bezahlte Gespenst 530
235 Der Mißlungene Betrug 534
236 Der behende Gastgeber 536
237 Die betrogene Judenschafft 539
238 Das gestohlene Silber-Geschirr 543
239 Der Genffer-dieb 544
240 Der listige Soldat 547
241 Der beschämte Dieb 548
242 Der betrogene Cancellist 549
243 Der öffentliche Dieb 549
244 Der betriegliche Spanier 550
245 Die betrogene Aebtißin 551
246 Der einfältige Bauer 553
247 Der listige Spieler 554
248 Der listige Quacksalber 554
248 Der betrübte Gefangene 555
250 Die gestohlene Kuh 556
251 Der behende Handwercker. 558
252 Der übel bezahlte Jud 558
253 Der listige Studenten-Griff 559
254 Der unterrichtete Bauer 560
255 Die unzeitige Reue 561
256 Der arme Freyer 562
257 Der bezahlte Apotecker 565
258 Der listige Soldat. 566

Ende des Registers.

Register über den durchtriebenen Bau-Dieb Du Vall

Register über den durchtriebenen
Bau-Dieb Du Vall:
Die Erste Abtheilung

Darin dessen Geburt und Aufferziehung / seine erste Reise nach Paris / allda er eines Procurators Dienst kombt / und dessen listige Streiche erzehlet werden. pag. 3

Die Andere Abtheilung.

Er wird von seinem Herrn aus dem Hause gestossen / komt in des Hertzogs von Buckingam Dienst; Seine erste Liebes-Possen in Engelland / und seine Wiederkunfft in Franckreich. pag. 7

Die Dritte Abtheilung.

Er lehret das Falsch-Spielen / gewinnet eine grosse Summa Geldes von einem jungen Edelmann / wird aber von demselben unterwegens angetastet / halb todt geschlagen / und ihm all sein Geld genommen. Geräth an das Stehlen. pag. 12

Die Vierdte Abtheilung.

Artige Dieberey an einem Goldschmied in Paris verübet: Er verwundet einen Edelmann / warumb er die Flucht aus Paris nimbt; Erzehlung noch einiger anderer verwegenen und listigen Diebstahle.

pag. 15

Die Fünfte Abtheilung.

Er ziehet nach der Normandie / allda er mit einem Gasconier und Engelländer ins Spielen geräth / mit welchen er sich in Compagnie einlässet. pag. 29

Die Sechste Abtheilung.

Der Gasconier erzehlet seinen Lebens-Lauff / wie auch der Engelländer / darauff sie alle drey einander huld und getreu zu seyn / zusammen sich verschweren. pag. 31

Die Siebende Abtheilung.

Nachdem Du Vall und seine Gesellen sich mit Pferden und aller Nohtwendigkeit versorget / werden sie Strassen-Räuber in Engelland / und haben unterschiedliche wunderliche Vorfälle. pag. 57

Die Achte Abtheilung.

Wunderlicher Diebstall / den Er und seine Gesellen an einem Edelmann in der Graffschafft Esser verübet. pag. 61

Die Neundte Abtheilung.

Nachdem Er unterschiedliche Oerter in Engelland durchstrichen / ward er von seinen Gesellen bestohlen. pag. 71

Die Zehende Abtheilung.

Er kömbt nach Richmond / alda Er den Gasconier / der ihn bestohlen / antrifft / denn er tödlich verwundet / und wird darüber gefangen / und als jener auff seinem Todt-Bette ihn angeklaget / ward Er zum Tode veruhrtheilet / und ausserhalb Londen gehencket. pag. 77

Die Eilffte Abtheilung.

Allhier werden noch etliche List- und boßhaffte Stücklein des du Vall erzehlet / so er in Franckreich / über vorbesagte begangen / wie sie von einem andern Authore schrifftlich verzeichnet sind. pag. 85


Ende dieses Registers.

Register über die betriegliche Falsetta worin für gestellet werden

Register über die betriegliche Falsetta worin für gestellet werden / derselben ungemeine Listig-und Behändigkeiten.

Geschichte Pagina
Die Ertz-Betriegerin Falsette 3
1 Falsette erreichet ihren Zweck nicht 4
2 Falsette betrieget eine Krämerin 5
3 Falsette beziehet einen Prediger 8
4 Die Betriegerin wird in einer Heurath gestöhret 20
5 Falsette erbeutet ein Silber-Geschirr 20
6 Die Betriegerin beziehet einen Mann umb 20 Reichsthaler 23
7 Falsette bekömpt Schläge für Beute 25
8 Falsette laufft übel an / wirckt sich doch loß 26
9 Ein Priestet thut der Falsette viel guts 31
10 Falsette schlägt abermahl einen Blossen 35
11 Hier spielet Falsette einen artigen Possen 36
12 Falsette beziehet einen Zöllner sehr listig 38
13 Falsette locket einen Officierer ins Netz. 39
14 Falsette verheuratet sich / komt aber übel an 42
15 Falsette muß ihr gestohlnes Guth mit Schanden wieder geben 66
16 Itzo wird Falsette über ihren Schelmstücken zu Hamburg ertappet. 74
Endlich wird die Falsette für Gericht geschleppet / und empfängt ihre Straffe. 75

Erinnerung

Erinnerung / an den Lust-liebenden Leser:

Der Verfasser dieser List- und lustigen Welt-Händel /versichert einen jeden hiemit / daß die hierin begriffene lust- und listige Geschichten aus sehr vielen Authoribus ausgezogen sind / deren sie ein jeder Liebhaber nach seiner Gelegenheit / die Zeit zu kürtzen /oder sein Gemüth davon zu ergätzen nach seinem Belieben bedienen kan; Und dafern verspüret wird / daß diese Materie viel Liebhaber und einen guten Abgang bekommen / soll es der Mühe wehrt erachtet werden /den andern / oder wol gar den dritten Theil sothaner List- und lustigen Händel gegen bevorstehendes Jahr auff die Oster-Messe heraus zu geben / darinn man fürnehmlich allerhand Estaats / Heurahts-Kriegs-Kunst- und andere sehr merckwürdige / nachdenckliche und sinnreich Behendigkeiten / davon unser List-und Lust-Magazin reichlich angefüllet / zu deß Lesers höchster Contentement in annehmlicher Redens-Arten und beliebter Verwechslung publiciren wird.

List- und lustige Welthändel

1. Der betrogene Krahmer
I.
Der betrogene Krahmer.

In der Welt-bekandten Stadt Amsterdam wohnete ein Krahmer / der allerhand Seiden Wahren / Strümpffe /Hüte und was dazu gehöret / zu kauf hatte. Dieser war so begierig zu handeln / daß kein Fremdling seine Bude vorbey gieng / den er nicht anhielt / und ihn zu Handeln hinein nöhtigte: Er hatte dabey eine solche Einbildung / daß er meinte / kein mensch könte ihn in handeln übersetzen / oder betriegen / gleich wie nun sein Nahme in gantz Niederland bekant war / also kam derselbe auch zu den Ohren eines Lust- und listigen Osterlings (also nennet man der Orthen die Leute / so aus dem Osten von Europa in Holland ankommen) welcher es vor ein geringes achtete / diesem oder jedem durch einen behenden Griff / etwas abzuzwacken. Wie dieser vor die Bude besagten Kauffmans kam / rieff ihn derselbe hinein / und ließ sich mit ihm in einen Discurs ein / fürwendend / er habe ihn vor diesen mehr gesehen / dannenhero setzte er ihm ein Frühstück vor / und wolte ihn dadurch zum Handel verpflichten. Unter dem Essen forschete der Niederländer / ob er nicht ein und anders von Nöhten hette? Ja sprach der Osterling / wann er ihn nicht würde übersetzen / wolte er wohl ein hundert paar Seydene Strümpffe von ihm nehmen. Worauff jener: Ich habe zwar eben nicht so viel parat / aber in einer halben Stunde kan ich sie lieffern. Hiemit war der Frembde zufrieden / und gedachte / es würde sein Profit alhter zu machen stehen. Immittelst sprach er zu seinem Wohltähter: Mein Freund / ich habe in meinen Logiment 2 oder 3 Beutel mit Geld stehen / welche ich dem Haußwirth nicht gar gerne [1] vertrauen will / wollet ihr sie wohl in eure Verwahrung nehmen? Ja gerne / war des Niederländers Antwort / sendet sie nur her / ich will sie woll bewahren. Als gieng der Fremdeling hin / und brachte die Beutel eben zu der Zeit /da der Kauffman die begehrte Zahl der Seydenen Strümpfē parat hatte. Nach dem dieser das Geld empfangen / welches eine Tracht von etwa 1000 Rthalr. zu sein schiene / fragte er diesen angenehmen Gast /ob er auch etwas mehr vor nöhten hette? jener forderte noch dieses und jenes biß er an Wahren bey 1400 Gülden empfangen hatte. Dieselbe ließ er an das Schwollische Schiff bestellen / und gab vor / daß er denselben Abend mit seinem Kauffman Rechnung machen wolte / umb denselben zu bezahlen / und den Rest seines Geldes wieder abzufodern / immittelst aber hatte er in der Stadt noch ein und anderes zu verrichten und sich zur Rückreise parat zu machen. Der Kramer verließ sich auff das Geld / so er in verwahrung hatte / und sagte / daß es mit der bezahlung eben kein Eyl hette / und solle er auch noch ein halb Jahr damit anstehen. Darauf nahmen sie einē höflichen Abschied von einander / unn der Femdling gieng fort denselben Abend stillschweigends mit dem Schwollischen Schiff / von Schwoll aber nahm er einen gantz andern unbekanten Weg / also daß kein Mensch erfahren kunte / wohin er gestoben oder geflogen wäre. Wie er nun etwa 2 Tage ausgeblieben / begunte der Kauffman einige Gedancken zu bekommen / ob es auch recht mit diesem Manne seye / er rahtschlagte mit seiner Frauen / und sie beschlossen / noch eine volle Woche des Frembdlings zu warten / nach deren Verfliessung sie resolvirt waren / das Gericht zu versuchen / das ihm vergönnet sein möchten / das hingesetzet Geld zu besichtigen / und sich davon bezahle zu machen.

[2] Wie nun in derselben Wochen (auch noch in vielen folgenden) der Osterling sich nicht wieder einstellete /gieng der Amsterdammer zu den Herren des Gerichts /und erwiese seine Sache mit Zeugen / wie und von wem er dieses Geld empfangen hette / und was ihm davon zu käm / nach dem Beweiß der angezeichnete Waaren / so er dem Käuffer davor eingehändiget hette. Aber wie verstört, sahe er bey der Nase nieder /als er in den eröffneten Beuteln an statt der Silbernen Thaler und Ducatons nichts anders / als lauter Schwedische Kupferstücke fand / er stund erstarret / und wünschete dem Osterling eine ungesegnete Reise. Er möchte aber fluchen wie er wolte / so muste er selber bekennen / er habe sich seiner Klugheit zu früh gerühmet / und sey von einem Osterling betrogen worden.

2. Der listige Dieb
II. Der listige Dieb.

Zu Rotterdam am Marckte saß der Schultz mit etlichen Herrn in einem Hause und truncken mit einander / da sie bald mercktē / welcher gestalt ein Gaudieb auff einen Kauffmann laurete / und demselben gewaltig nachgieng / der Schultz sandte dem / nach seine Diener hin / und ließ hin und wieder auff den Dieb lauren. Wie nun dieser dem Kauffmann / dem er gar lange nachgestellet / seinen Beutel zuletzt wegpractisiret / packten ihn die Diener an / und führeten ihn zum Schultzen / welcher ihm vorhielt / wie er so keck sein dörffte / daß er am hellen Mittage ein solch Schelmstücke begieng / und zwar in Gegenwart vieler Leute? Es ist mein Ampt und Kunst / antwortete der Gefangene / ja mein Pflug und Raht / davon ich mich ernähren. Der Schultze fuhr fort / weistu Vogel auch wohl / daß du und deines gleichen mit aller Kunst an den Galgen gehören? Das hoffe ich nicht / nahm jener auß / der Galgen [3] ist nur vor die Unglückseligen / und nicht vor die andern / ob ich aber unter die Zahl der Unglücklichen zu rechnen / kan ich nicht wissen / ein jeder hofft das beste. Sey zu frieden / sprach der Schultz / wirstu den Beutel wieder mit solcher Behändigkeit an seinen vorigen Ort bringen / als du ihngenommen hast / so soll dir Leben und Freyheit geschenckt seyn / und weil der Dieb dieses versprach /zehlete der Schultz vorher das Geld / und merckte die Müntz Sorten. Darauff ließ er den Dieb gehen / dem aber gleichwohl die Diener abermahl zugeordnet wurden / damit er das Ding recht bestellen möchte. Er machte sich hierauff zum Kauffmann / und brachte demselben seinen Beutel so behende in die Tasche /daß er nicht einmahl gewahr worden / daß er verlohren gewesen: Darauff gieng der Dieb seines Wegs und die Diener brachten dem Schultzen bericht / der alsobald einen auß ihrē Mittel nach dem Kauffman sandte / und ihn zu sich ruffen ließ. Dieser wuste nicht / was er mit dem Schultz zu theilen hette. Gieng demnach halb verstört hin. Ihr wisset vielleicht nicht / sprach jener warumb ich euch zu sprechen begehre / die Ursach ist diese: Ich habe mit diesen Herren gewettet /daß ich wisse / wie viel Geld ihr bey euch habt / und in welchen Sortē dasselbe bestehe. Der Kauffman hörte hoch auff / und wettete mit dem Schultzen umb eine freye Zeche Reinischen Weins. Hierauff beschrieb der Schultz die Summa und Müntz Sorten /und als der Kauffman im nach sehen die Warheit befand / und gestehen muste / daß die Wette verfallen /hielte er dieses vor ein Magisches Kunststück / der Schultz aber bedeutete ihm / was mit seinen Beutel vorgefallen / denselben möchte er auff ein andermahl besser verwachen / weil / wann er nicht dafür gewachet / derselbe nicht mehr in seiner Gewalt wäre / hievor bedanckte sich der Kauffman / bezahlte seine Schuld / und gieng seines Weges.

3. Der betrogene Betrieger
[4] III. Der betrogene Betrieger.

Eine Magd solte Abends späth umb 11 Uhren ihren Herren von einer Gasterey bey der Leuchten einholen / unterwegs begegnete ihr ein dem ansehē nach seiner Monsieur / der sich mit ihr in ein Gespräch einlässet /und unter andern fragte / wie viel sie wohl dis Jahr für sich bringen könte / welches sie auff 40 Gülden schätzete / daß ist sehr wenig sprach der Begleiter / wann ihr wollet / so sollet ihr diesen Abend / und zwar ohne Mühe 40 Gülden verdienen / wann ihr mir nur einmahl wollet zu willen seyn. Die Dirne söhnete sich nach dem Geld / und ließ sich verleiten zu einer Sache / die sie hernach nimmer abwischen aber stets bereuen kunte. Darauff foderte sie auch ihr Geld. Monsieur gab ihr zu verstehen / daß er eben itzo so viel nicht bey sich hette / er zeigte ihr aber seine Wohnung an /und bestellete sie / am folgenden Tage die schuld abzufodern. Die verlangte 40 Gülden machten ihre Füsse / daß sie zu bestimter Zeit sich einstellete /dabey aber vernam sie / daß ihr Schuldener nicht einheimisch / und weil sie mit derselben Antwort etliche mahl abgespeiset worden / laurete sie von weitem auff / wann er auß oder ein gienge in sein Hauß. Zu letzt ertappte sie ihn / da er aus seinem Hause kam / dannenhero sprach sie ihn umb die Schuld an / aber jener leugnete / und gestunde ihr nichts. Sie nicht Faul /schicket ihm einen Herren Diener / und lässet ihn für dem Richter fodern / brauchte keinē Advocaten / sondern als ihr gegenpart kommet / bringet sie ihre Sache durch ein Gleichnüß vor: Indem sie vorgab / sie habe diesem Freund einem Keller vor 40 Gülden verheuret / er aber gestünde ihr itzo keine bezahlung: Mein Herr / sprach der beklagte / es ist wahr / daß ich von [5] dieser Persohn einen Keller geheuret habe / aber der Keller war nicht Wasser-Dicht. Das habt ihr woll gewust /wo die Dirne ein / ehe ihr den Keller mieretet: Worauff der Richter: Wolan / habt ihr vorher gewust / daß der Keller nicht Wasser-Frey gewesen / so must ihr das Geld dafür bezahlen. Hiemit hatte der Proces ein Ende / und er muß wieder seinen Willen und Danck die 40 Gülden bezahlen / dessen sich die Magd etwas erfreuete.

4. Die lebendige Pastete
IV. Die lebendige Pastete.

Auff einer Unversität wolten sich etliche Studenten gutlich thun / darumb bestelleten sie bey dem Frantzösischen Koch eine gute Pastete / selbige zur angesetzten Stunde zu haben. Zween andere Studenten hatten solches gehöret / wolten demnach diesen Leuten einen Possen spielen / und der Magd / wan sie vom Frantzman zurück käme / das Leckerbißlein entwältigen. Sie passen also zu bestimter Zeit auff und wie sie eine Dirne mit einer Tracht vorbey gehen sahen / fallen sie dieselbe gar Ungestüm an / und reisse ihr die Pastete auß der Hand / dieselbe befunden sie noch gantz Warm / darumb eileten sie nach Hause / ruffe ihren Hospes und alle Leute im Hauß zu sammen /ihne zu zeigen / wie glücklich sie auff dem Raub gewesen. Indem sie die Mäntel ablegen / hören sie etwas Pfeyffe sie machen die Serviet von einander / da in zwischen die umbstehende sich über die kleine Stimme verwunderten / und rieffen: Hört! Hört! was ist das? Wie aber die Serviet abgewunden / fand man ein neu gebohrnes Söhnlein darin gewickelt / worüber die Studenten wacker außgelacht wurden / als die das Kindlein behalten und erziehen lassen musten.

5. Der unverschämbte Dieb
[6] V. Der unverschämbte Dieb.

Zu Paris wohnete ein sehr berühmter Doctor / der wegen seiner grossen Wissenschafft von jederman gebraucht ward / ein durchtriebener Bube / laurete auff ihn / da er wuste / daß er mit einer Summe Geldes / so er auß etlichen Häusern zusammen gebracht / bey sich hatte. Es war Abends umb 9 Uhr / da begegnete er dem Doctor auff der Strassen / machte grosse Complementen nach Frantzosischer Mode und sprach: Mein Herr / ich muß itzo so kühn seyn / daß ich euch auff der Strassen anspreche / ich bin in eurem Hause gewesen / und habe eine gute Zeit eurer heimkunfft erwartet: Ich bitte euch umb des Himmels willen /kompt mit mir / dann meine Hauß-Frau hat solche Bauchschmertzen / daß sie alle Minuten zu sterben meinet. Der Doctor versahe sich alles gutes / gieng mit den Buben / und wie er ins Hauß kommen / machte sein Führer die Thüre fest hinter ihm zu. Langt darauff einen langen ledigen Beutel her / und spricht: Herr Doctor / diese ist meine Frau / sie hat grosse Bauchschmertzen: Wollet ihr mir diesen Beutel mit Geld füllen / so sollet ihr von mir nach Hause begleitet werden. Der Doctor erschrack und wolte schreyen /als er aber die Pistol vor dem Kopf sahe / füllete er dem Schelm den Beutel und wolte seines Wegs gehen; Der Dieb sprach / Herr / ich will euch geleiten / damit euch nicht ein neuer Posse gespielet werde. Er gehet also mit der Pistol in der Hand neben ihm her /und wie sie vors Hauß kommen / klopfet der Dieb an / und spricht zum Doctor-Herr / es will regenen / ihr müsset mir euren Mantel leihen; Hiemit nahm er ihm denselben vom Halß / und gieng seines wegs. Am folgenden Tage erkündigte [7] sich der Doctor wegen des Hauses / darinn er am vorigen Abend seltzame Bauch-Schmertzen curiren müssen / er fuhr aber / daß der Dieb schon weg und nicht mehr zu finden war.

6. Der betrogene Advocat
VI. Der betrogene Advocat.

Sween Bauren waren in einen Streit mit einander gerahten / dannenhero kam einer davon in die Stadt und nahm den berühmtesten Advocaten an / ihm seine Sache für Gericht zu bedienen. Am folgenden Tag kompt auch der ander Bauer zu eben diesen Advocaten / und begehrt vor Geld seines Beystandes. Dieser aber hält ihm vor / welcher gestalt er von seinem Gegenparth schon bedungen und besprochen sey / recommedirt ihm aber einen andern / der / seinem fürgeben nach / eben so verschlagen alß er / schreibt auch ein Zettelchen / und erinnert den Bauren / selbiges bedeuteten Advocaten zu bringen / so werde er sein bestes in dieser Sachen thun.

Der Baur ist auch ein Fuchß / nimbt den Zetel mit sich und zeigt es dem Dorff-Priester / dessen Erklärung er darüber bittet / weil es in Lateinischer Sprache geschrieben war. Der Priester lieset und lachet /spricht endlich zum Bauren also: Mein Freund / der Inhalt dieses Brieffs lautet auff gut Deutsch also: Bruder / ich sende dir diesen fetten Vogel / du kanst ihn annehmen / ich habe seinen Gegenpart / auch ein fettes Wildpräth angenommen / lasse uns diese Vögel pflücken / so lange sie Federn haben; Der Baur wuste wohl / wo ihm der Leib offen / gieng zu seinem Gegepart / erzehlete demselben die Meinung der Advocaten / und sprach: wir können uns in der güte vergleichen / so sind diese / Kumpen am meisten vexirt: Solchem kamen sie nach / und die Advocaten bekamen das Nachsehen.

7. Die listige Frau
[8] VII. Die listige Frau.

Eine überauß listige und durchtriebene Frau gieng in einer wohlbekanten Stadt zu einem Goldschmied /und hielt ihn vor / daß ein Priester desselben Orts zwo silberne und vergüldete Kannen zu einem gewissen Gewicht / welches sie nennete / zu sehen und von ihm zu erhandeln begehrte / der Goldschmit lässet 2 stattliche Kannen herbringen / welche der Frauen sehr wohl anstehen / und bittet also den Meister / er möge seine Magd mit ihr und den Kannen zu dem Pastorn senden / so würde er guten bescheid erlangen. Solches geschichet / und wie die Frau mit des Goldschmits Magd in des Priesters Hauß kommen / fodert jene die Kannen von dieser / und gehet damit die Stiege hinauff. Da sie zum Priester kombt / sagt sie: Mein Herr / ich habe eine Dirne auß meiner Freundschaft mit mir gebracht / welche nicht recht bey Sinnen / und allezeit von Silber und Gold redet / daß es also scheinet / als wann sie von einem Geitz-Teuffel besessen wäre / ich bitte euch / thut euren Fleiß / redet ihr ins gewissen /und bringet sie doch nach euren besten wissen auff einen andern Weg. Der Priester hat mitleyden mit der Frauen / und verspricht ihr seinen fleiß. Also gehet die Frau mit den zwo Kannen / so sie unter einem Verdeck getragen / wieder von dem Priester / und nimbt die Abrede / daß die Dirne allein zu ihm kommen / und sich von ihm unterrichten lassen soll. Wie sie hinunter ins Hauß kombt / spricht sie zu der Magd: Gehet hinauff zum Priester / der wird euch das Geld vor die Kannen geben / die Dirne steigt hinauff /und der Priester heisset sie nieder sitzen. Er siehet sie eine zeitlang an / und fragt endlich / wo sie jetzo diene? [9] Bey dem und dem Goldschmitt / war die Antwort / welcher euch die zwo Silberne Kannen geschickt hat. Mein liebes Kind / sprach der Priester /du must dein Gemüth nicht so sehr auff daß Irrdische wenden / sondern vielmehr nach dem trachten / was droben ist. Daß thue ich auch / gab die Magd zur Antwort / aber ich habe nicht lange Zeit / der Herr gebe mir nur das Geld vor die 2 Silberne Kannen. Priester. Vorhin waren es nur Silberne Kannen / und nun wiltu auch noch Geld dazu haben / Dencke doch nicht so sehr auff daß Zeitliche / trachte vielmehr nach dem ewigen Schatz der kein Ende hat. Dirne. Ey Herr /was haben wir hier viel vom zeitlichen und Ewigen zu reden? ich muß daß Geld vor meines Hauß-Wirts Kasten haben / die Zeit wird mir zu kurtz / ich soll noch zum Marckt gehen / und ein gericht Fische hohlen zur Mittags-Mahlzeit. Der Priester redet ihr nachmahlen beweglich zu / umb sie von dem vermeinten Irrthum abzuführē / aber die Magd spricht: Herr / habt ihr von der Frauen / die jetzo von euch weggangen ist / keine Silberne Kannen empfangen? Vor die selbe will ich das Geld abholen. Ich bin von keinem Geitz-Teuffel besessen / sondern Gott Lob bey guten Verstande /und weiß wohl / was ich reden soll. Hierauff dencket der Priester dem Dinge nach / ruffet nach der Frauen /aber die ist fein sauber davon geschlichen / und nirgends zufinden / worauß ihr Betrug offenbahr wird. Der Goldschmitt verlohr das meiste dabey / und der Prediger sambt der Magd waren vexirt.

8. Der betrogene Jude
Ein dergleichen Possen
Ein dergleichen Possen.

Ein Ander / dem Ansehen nach / wackerer Cavallier kombt auff einer berühmten Messe zu einem frembden Juden / und fodert ihn mit vielen Edelgesteinen zu seinem Principalen / der ein Fürst sein solte. Der Jude stecket alle sein Geschmeide zu sich / und folget dem Cavallier / wie dieser mit ihm in ein ansehnlich Hauß kommet / nimmt er die Jubelen von ihm / alß wan er sie in dem Gemach / seinem gnädigsten Herrn zeigen wolte. Der wartete lange Zeit / aber er bekommet keinen Bescheid / endlich klopfet er vor dem Gemach an; man thut ihm auff / aber von seinen Jubelen / wie auch von dem Fürsten und dessen Cavallier weiß niemand zu sagen / sondern man bedeutet ihm / daß vor etlichen Stunden ein Mensch / so und so gekleidet /durch dieses Gemach zur Hinter-Thür hinauß gangen wäre / alwo er auff die Gassen kommen kunte. Hierauß merckte der Jude / daß sein Schatz weg / und er rechtschaffen betrogen sey / der sonsten gewohnet war / andere Leute zu betriegen.

9. Die listige Phryne
[12] IX. Die listige Phryne.

Phryne eine weltbeschriebene / fürnehme und sehr reiche Hure in Griechenland / bekam einsmahls von dem fürtrefflichen Mahler Apelles, (ohne Zweiffel gegen einen andern Dienst) die Freyheit eines von seinen allerbesten Gemählden zu erwehlen / welches ihr solte geschencket sein. Weil sie nun keine sonderbahre Kennerin solcher wunder-raren Stücken war / erdachte sie einsmahls / da sie sich bey Apelle befand /diese List / und ließ einen dazu bestelleten Knaben ruffen / es wäre eine Feuersbrunst in der Nachbarschafft entstanden. Darauff siehet sich Apelles alsobald nach seinen Gemählden umb / darin sein gröster Reichthum bestunde / und trachtete / die köst- und künstlichsten am ersten zu bergen / vor allen Dingen aber war er bemühet ein Conterfait des Cupido zu retten / und als das beste Gemählde der eingebildeten Brunst zu entreissen. Solches nahm die Phryne in acht / und weil Apelles unversehens erwiesen / daß dieses das rareste Stuck wäre / erwehlete sie solches hernach / auß allen Bildnüssen / für sich / und Apelles erkandte ihre List zu späthe.

10. Die listige Lebens-Rettung
X. Die listige Lebens-Rettung.

Viele haben durch verbottene Liste ihre Säckel mit frembdem Gute bereichert / aber folgende warhaffte Geschichte stellet unß für / ein Exempel eines Mannes / der durch einen behenden und wohlvergönnten Griff sein Leben erhalten hat.

Zu Zürch in Schweitzerlande war vor Zeiten ein starcker und freudiger Rittersmann / Jacob Müller genandt / der dem nachmahligen löblichen und frommen Käyser [13] Rudolph von Habspurg sehr auffsätzig war /und ihm alles zu wieder thät / was er nur thun kunte. Es trug sich aber zu / daß Anno 1279 dieser Rudolph / alß damahliger Graff im Elsaß / den Jacob Müller ohngefähr auff freyem Felde antraff / und weil er wohl wuste / daß er sein abgesagter Feind war / rante er eylig und im vollem Grimm auff ihn zu / ihm alsobald den Rest zu geben / und zu erstechen. Da aber der Ritter solches sahe / stieg er behende vom Pferd / zog seine Hosen hinunter / und setzte sich unter einen Baum / alß wolte er seine Nohtturfft thun. Weil er sich ohne dem nicht getrauete / dem Graffen zu entrinnen. Wie nun der Graff also im Zorn auff ihn zurante /und ihn gleich durchstechen wolte / bahte er mit auffgehobenen Händen / umb Gottes willen / er solte doch so lange einhalten / biß er auffgestanden / und seine Hosen wieder zugemacht hatte. Solches sagte ihm der Graff Augenblicklich zu / und hielt so lange an sich. Der Ritter aber war so listig / daß er die Hosen in den Händen behielt / und sagte: So schwer ich zu Gott und allen Heiligen / daß ich diese Hosen nimmermehr auffziehen und zu nesteln wil / und so lange werden auch Eure Gnaden mein Leben fristen / wollen sie anders ihrer Gräfflichen Zusage nicht zu wieder leben. Alß sich nun der Graff ein wenig hierauff besann / der sonst ein freundlicher und sanfftmüthiger Herr war /reichte er ihm seine Hand / und verziehe ihm alles /was er alß ein Feind gegen ihn mißhandelt / nahm ihn darneben zu seinem Ritter und Diener an / der ihm auch Zeit seines Lebens sehr treulich gedienet. Deswegen ihn, hernach Rudolphus sehr lieb gehabt / weil er wohl wuste / [14] daß er ein starcker und freudiger Held war / dem es weder an der Faust / noch an verschlagenem Kopff mangelte.

11. Der betrogene Richter
XI. Der betrogene Richter.

Zu der Zeit als der Weltbekante hochgelährte Thomas Morus annoch würcklicher Cantzeler in Engeland war / brachte man etliche Diebe und Beutel-Schneider für Gericht / die man ihrer behenden Bubenstück wegen gar hart und peinlich anklagte. Einer aber von den Gerichtlichen beysitzern / ein alter ansehnlicher Mann / schalt die Ankläger / warumb sie nicht acht auff ihre Beutel und Taschen gehabt / und auß Unachtsambkeit solchen Leuten gelegenheit gegeben / ihnen die Beutel abzuschneiden. Man könte deswegen mit den Beklagten nicht so hart noch strenge verfahren. Den dabey Gegenwärtigen Cantzler verdroß diese Rede / daß der alte Herr den Beutelschneidern noch über zu helffen bemühet war / und hies demnach die Beschuldigten wieder abtreten. Auff den Abend aber schickte er nach einem von diesen / den man vor den schlimsten und fertigsten in seinen Diebsgriffen hielte / und sagte zu ihm / Ob er sich nicht getraute / bewustem alten Herren auch seinen Beutel / wann er gelegenheit dazu hette / abzuschneiden? So fern er dieses könte Werckstellig machen / solte es ihm zwar keine Gefahr bringen / doch müsse er ihm dem Beutel wieder geben. Er solte auch umb dieser Behendigkeit willen / wegen seiner begangenen andern Thaten ein Gnädiger Urtheil empfangen. Und der Cantzelrr gab ihm darneben selber Gelegenheit / wie er es solte machen und angreiffen.

Folgenden Morgens lies er eben diesen berüchtigen Beutelschneider fürs Gericht fodern / der dann umb vieler losen Händel willen hart beschuldiget ward. Er[15] antwortet aber / welcher Gestalt er der zuversichtlichen Hoffnung lebte / ein gnädiges Urtheil zu empfangen / wan ihm nur vergönnet wurde / dem Herrn Cantzler / oder sonst einem beysitzenden Richtern etwas heimlich ins Ohr zu sagen. Darauff gab der Cantzlar ihm die Wahl / er möchte ihm nur selber einen auß ihnen erwehlen / dem er solche Heimlichkeit vertrauen wolte. Da bath er umb den Alten / der vorigen Tags sein und seiner Diebischen Cammeraden Wort trefflich geredet. Dieser stehet auch alsobald auff / und gehet mit dem verschlagenen Buben an die Seite / zu vernehmen / was er ihm heimliches entdecken wurde. Der Beutelschneider zischete ihm zwar was heimliches ins Ohr / nahm aber daneben des Richters Taschen fleissig wahr / die derselbe an seiner Seiten hangen hatte / und schnitte ihm selbige mit grosser Behendigkeit gantz ohnvermerckt ab. Der Alte / der hievon nichts wuste / setzte sich drauf wider nieder / und Thomas Morus beginnet alsobald zu erzehlen welcher Gestalt etliche Gefangene umb eine Beysteung hetten anhalten lassen / weil sie nichts zum besten hetten / und sonst Hungers sterben / und elendiglich verderben musten. Er zog hiebey alsobald etwas auß seinem Beutel / ihnen solches zu contribuiren / mit bittlichem Ersuchen / die andern Herrn möchten ihm darinn nachfolgen. Wie solches geschah / kam die Reige auch an den Alten der geschwinde nach seiner Taschen griff / aber dieselbe nicht mehr an seiner Seiten antraff / darauff er ganz erzürnet außfuhr / was dieses vor ein bößhaffter Frevel wäre? Es hatte dieser gottlose Bube an diesem öffentlichen Gerichts-Orth / in Gegenwart aller Gerichts-Persohnen ihm seine Tasche abgeschnitten. Solchen Gestalt könte ja ein ehrlicher Mann nirgends das seine mit Frieden behalten. Darüber lachte der Cantzler mit den übrigen Herrn / und sagte: Ein andermahl solte er [16] den Beutelschneidern nicht mehr das Wort führen / und die Ankläger damit abweisen / daß sie besser hetten sollen auff ihre Beutel acht haben / allermassen er itzo selber dieser behenden Diebes. List nicht hatte entgehē können.

12. Die listige Fontimama
XII. Die listige Fontimama.

Mit grosser Verwunderung lieset man von den sonst klugen Spartanern / daß der Diebstal ihrer Jugend frey gestanden / und derjenige / der etwas unvermerckt weg practiciren können / gelobet; der aber / der sich auff der That ertappen lassen / nicht wegen des Diebstals / sondern wegen seiner Trägheit / sey abgestraffet worden. Es scheinet / das den Sclaven zu Algiers auch ein solches Gesetz gegeben / sintemahl sie sich dermassen in dieser Kunst üben / das man bekennen muß / die Gaudiebe zu Paris können diesen das Wasser nicht reichen / wie solches folgende Exempel darthun werden:

Fontimama, mit seinem rechten Tauf-Nahmen Emanuel / ein Italiänischer Schlave / hat durch seine langwierige Erfahrung und Geschwindigkeit diesen Nahmen verdienet / daß er / absonderlich der Dieb bey Christen und Türcken genennet worden. Er war des Alli Pisselings Sclave / weil nun der Herr ihm so wenig als den andern zum Unterhalt reichte / so wuste er sich seiner Finger Geschwindigkeit dermassen zu bedienen / das man gestehen muste / es habe die Natur an ihm ein Meisterstück erwiesen / und einen vollkommenen Dieb an ihm fürgestellet. Er war bey einem jeden gefürchtet / und von andern / die seine Kunst-Griffe gern lernen wolten / sehr beliebet / auch mangelte es [17] ihm niemahls an Gelegenheit / mit andern seinen Freunden ein gut Leben zuführen. Vormittags könte er so viel stehlen / als er den Mittag den Gästen vorzusetzen nöthig hätte.

Einsmahls nöhtigte er Reinhard Saldens / einen fürnehmen Sclaven / gegen Mittag zu Gaste: Jener erschien zu bestimbter Zeit / fand aber nichts zu beissen oder zu brechen. Fontimama bath seinen Gast / einen Spatziergang mit ihm zu thun / und selbst anzusehen /wie er einkauffen könne. Führte ihn also bey einige Juden; Diese sitzen auff den Ecken der Gassen mit einem kleinen Tische / und wechseln Reichsthaler gegen Aspern ein. Fontimama trat hinzu / zeigte dem Juden einen guten halben Reichthaler / mit Begehren /olchen umbzusetzen / der Jude war willig / und zehlete all sein Bestes / und Fontimama wuste so zierlich seiner Finger sich zu gebrauchen / daß ein falscher halber Thaler an des guten Stelle zu liegen kam / und die Aspern mit Hauffen an die Seite flohen: Wie die Summa abgezehlet / wolte der Jude den halben Thaler noch eins besehen; fand aber / daß er umbgetauschet /foderte also seine Asper wieder / und warff dem Fontimama sein falsch Geld für die Füsse. Dieser nicht faul / er warff nach einigen Scheltworten / als wen ihm groß Ungleich geschehen / die Asper über den Tisch / das eins hie / das ander dahin außsprang / ob die Zahl richtig gewesen / kan ein jeder erachten / wie er mit seinem Gast in Bain kam / hatte er so viel erworben / daß sie wie Printzen leben könten. Auff eine andere Zeit gehet er über die Gasse / und siehet / daß ein Türck Geld wechseln lässet; Er schleichet geschwind hinzu / und hat im Augenblick des Juden Kasten / darin eben für 16 [18] Thaler Aspern wahren / gefasset / gehet damit sachtes Schrits seiner Wege / biß auff die nechste Ecke / da er seine Füsse so wohl arbeiten ließ / daß sie ihn in kurtzer Zeit in dem Bain brachten / und alle die ihm nacheylten in dem Wahn ließ / er wehre verschwunden.

13. Die verwegene Behändigkeit
XIII. Die verwegene Behändigkeit.

Sein Herr Alli Pisseling befielet ihm einsmals mit ihm zu gehen / Inschlitt zu holen / und solches nach der Muly zu bringen / damit die Galeen könten geschmieret werden. Diesen Tag ließ sichs an / als wen der Diebs-Planet in seiner grösten Erhöhung stund / dann Fontimama that eine Probe über die ander. Ehe sie hinkamen an den Orth / wo das Inschlit eingekauffet ward / bleibet Alli stehen / und redet mit einem vornehmen Türcken. Dieser hatte nach Landes Gebrauch einen wohlgespickten Beutel an einer seidenen Schnur am Halse beugen / der dem Fontimama wohl anstund / das er die Sache kurtz und gut machte / und dem Beuttel hurtig wegschnitte / Alli Pisseling / der kein Auge von Fontimama abgewendet hatte / war es innen geworden / sprach ihn also hernach aus kurtzweil umb die Helffte an: Fontimama der es wohl vermuhtet / hatte den Beutel schon so gefeget / daß nichts übrig geblieben / beklagte sich also gegen seinem Herrn /daß er vergebliche Mühe gethan; so dem Herrn mit dem Beutel gedienet / stehe er zu seinem Dienste /Alli muste des Possens lachen / und ließ ihm dem Beutel zum Gelde.

Indessen kamen sie an den Orth / wo das Inschlit solte geholet werden / und Fontimama schlepte sein Bestes [19] nach der Muly zu; daselbst ward es / wie es in Schaffs-Fellen gefasset / stückweiß geliefert / und die Zahl von Alli selbst auffgezeichnet. Als nun schon eine ziemliche Zahl der Felle hingebracht / und Alli sich umbkehret / etwas zu befehlen / hat Fontimama geschwinde ein Fell unter dem Arm / und gehet damit davon. Im Nachzehlen wird es gemisset / und Fontimama zur Rede gesetzet. Dieser aber entschuldigte sich zum höchsten / und gebrauchte unter andern diese Worte: Lieber Gott / ist das nicht zu beklagen /das ich allemahl der Dieb sein soll / als wen keine mehr in Algiers wären als ich. Ich habe die richtige Zahl ja gebracht / und bin nimmer weg gewesen / als mehr zu holen / wen solt ichs den gethan haben / etc. Alli drohete ihm Nase und Ohren abzuschneiden / wo ers erfahren könne / dieser erbietet sich auch die Zunge zu missen: Meldete aber dabey / der Herr solle sich versichern / wenn ers gleich gethan hatte / so wurde doch der Herr den Tag nicht erleben / daß er es erfahren wurde.

14. Der verzeihete Diebstall
XIV. Der verzeihete Diebstall.

Kurtz drauff setzet sich Alli Pisseling sambt andern Officiren in den Magazinen / die auff Pinno stehen /zu Tische / und alle Anwesende legen ihre Röcke und Schuh ab; welche Fontimama ohn Verzug seinen Cammeraden hin zu partiren wuste: Er für sein Persohn / blieb immer in der Kammer / und wartete auff /so das Pisseling und die andere Gäste / denen Alli des Fontimama Possen und Streiche erzehlet hatte / ihn kein Augenblick vermisseten. Wie sie auffstehen /und weggehen [20] wollen / befinden sie sich in die Zahl der Rocklosen und ungeschueten eingeschrieben. Einer sahe den andern an und nachdem sie lustig oder jähzornig / liessen sie die Gebärde blicken. Sie haten zwar keinen Schein an Fontimama / aber doch verursachte dasjenige / was Alli ihnen von ihm erzehlet einen Argwohn / er müsse ihnen den Possen gerissen haben; so daß aller Augen flammend auff ihn gerichtet waren. Alli Pisseling / der selbsten nicht anders muhtmassete / aber doch nicht begreiffen konte / wie es zugegangen / weil er nicht weg gewesen; rieff ihn allein / und sprach: Fontimama / ich weiß / daß du /und niemand anders das Guht gestohlen / wiewohl ich nicht weiß / was du für Mittel dazu gebraucht: Wolan / er sey dir alles geschencket / gib mir nur meine Schuh und Rock wieder / und als denn komm herein /und erzehle / wie du solches gemachet; Ich schwere dir / es soll dir kein Leyd wiedefahren. Fontimama fraget: Herr / ist Parol dabey? Alli antwortet: Parol /griff damit an seinen Bart / welches die höchste Bekräfftigung. Fontimama führete seinen Herrn nur in ein Neben-Kammer / da lag aller Bettel unter alt Segeltuch. Also kam Alli Pisseling wieder zur Gesellschafft / und erzehlte ihnen / was er außgerichtet / vermochte auch so viel bey den andern / daß ein jeder seinen Rock und Schuh von Fontimama lösen muste.

15. Der betrogene Alarbe
XV. Der betrogene Alarbe.

Zu einer andern Zeit müste er auf seiner Salee rudern /und sie kamen an einem Orth zu Lande / welcher Terra Vechia genennet wird. Er sambt andern [21] Sclaven musten auffs Land und Wache halten / die Alarben /wenn sie mercken / das Galeen in der Nähe / versamlen sich gemeinlig umb die Sclaven / und tauschen Nägel und ander Eysenwerck von ihnen / weil solches bey ihnen sehr theur; dieß geschah auch zu diesemmahl / und also wurden Fontimama Gesellen etzliches Güthleins loß / und die Alarben kamen wieder zu Hause / und verkündigten ihren Nachbahrn / daß sie Eysen angetroffen hatten. Ihrer zween begaben sich auff solch Gerüchte nach den Galeen zu / und traffen eben den Fontimama an / welchen sie befragten / ob er kein Eysen zu kauff habe. Dieser / der wohl wuste /daß die Alarben rechte dumme / alberne Schöpfe seyn / antwortete: Er habe ein köstlich stücke Eysen zu kauff / wenn sie nur resolut Geld hätten; zeiget ihnen mit diesen Worten das Galee-Ancker. Diese Alarben besehens von forn und hinten / und gefält ihnen das gröste Stück trefflich wol; accordiren also umb 5 Rthlr. So bald Fontimama das Geld im Seckel hat /spricht er zu den Schöpfen / die sich an dem Ancker erheben wollen: Ihr Narren sehet ja wohl / daß es euch zu schwer ist: Gehet hin und holet mehr Hülffe /ich wil denn mit Hand ausschlagen. Diese / welche vermeynten einen trefflichen Fang zu haben / lieffen in vollen Sprüngen den Dorff zu / Fontimama aber bracht einen Sclaven ihn der Schildwache abzulösen; und also trat er in die Galee / legte auff das eine Aug ein Pflaster / und legte sich hin / als wenn er schlieff. Die Käuffer kamen indessen selbst 20 angetreten /und waren eyferig das Ancker-Tau abzulösen: Weil aber die Soldaten solches nicht zugeben wolten / so ward ein Tumult und lustiges Katzbalgen / wodurch Alli Pisseling / der hinten in seinem Gemach ruhete /aufgewecket ward / der auch so fort nach der Ursach des Lermens fragte? Die Alarben klagten ihre Noht /und [22] Alli merckte wol / das Fontimama zu Wercke gewesen / und gedachte zu erfahren / wie er dißmahl sich außwickeln wolle. Befahl also; Es solten alle Sclaven für ihn und die Alarben übertreten. Fontimama war der erste in der Reihe / und kam mit einem zu gekläbten Auge / hinckend und verstelleres Mauls und Armen heran gekrochen / das Alli lachen / die Alarben aber Mitleiden haben musten / einen so übel zugerichteten Menschen zu sehen. Alli fragte: Obs dieser? Nein / antworteten sie / der Kerl war frisch und gesund / und solch ein Krüppel nicht wie dieser. Damit humpumbte Fontimama fürüber / alle andere folgten; Aber der Thäter war nicht drunter. Damit stellete sich Alli zornig / und befahl / man solte das Geschmeiß zur Galee außprügeln. So bald befohlen /so bald gethan; sie wahren froh / daß sie entliessen /und könten davon nachsagen / daß sie zu Marckte gewesen. Wie die Alarben weg / lässet Alli den Fontimama ruffen / und sprach zu ihm: Was soll haben für meine Mühe / daß ich dir übergeholffen habe? Fontimama gab zur Antwort: Venta / das ist mein Herr: Wenn ich dieß nicht gethan hätte / so währ es gantz still auff der Galee gewesen / und der Hr. hätte auch nichts gekricht. Mag also der Hr. gedencken / er habe noch was zu lachen bekommen / und mir die geringe Beuthe lassen für meine Erfindung.

16. Der gefährliche Diebstall
XVI. Der gefährliche Diebstall.

Es hat sich von Anno 1638 in Algiers ein Mann im Sclaven-Stande auffgehalten / welchen wir / nach seinen Sclaven-Nahmen Jacoma nennen wollen; Dieser hielte ein Tabern auff / und brennete [23] Brandtwein. Einsmahls kombt Fontimama gegen Abend zu ihm /und trincket / welches zu verwundern / sieben halb Nössel Brandtweins / sitzet also biß gegen Mitternacht. In so voller Weise gehet er mit einem kurtzen Kuh-Fuß / Zange / und andern Gerähte auffs Mausen auß / kombt aber so bald nicht für der Thür hinauß /da begegnet ihm die Wache. Denn es ist gebräuchlich / daß alle Nacht 150 Mann die Runde gehen / welche sie nun auff der Gassen ertappen / die nehmen sie gefangen: Sind es Sclaven / so werden sie dem Divan zu erkennet / sind es Mohren oder Türcken / die ohne Lattern gehen / werden auff Cassabaa gefangen gesetzt / und kommen ohn 100 Schläge nicht loß. Imgleichen auch / so werden die Gassen die Nacht über verschlossen / wie den zu solchem Ende allenthalben Thoresein. Wenn aber die Wache passiret / bleiben solche so lange offen / biß sie wieder zurücke kombt /welches etwa nach zwo Stunden geschicht. So bald Fontimama die Wache vermerckte / warff er sich zur Erden / und wickelte sich zusammen / lag auch so lange still / biß die Wache / die ihn für einen Stein ansahe / fürüber war. Da stund er auff / und passirte die Thore / von Babel Bahar biß in die Juden-Gasse /die nach Babel-Sund hinan gehet. Hie brach er in einen Schneider-Winckel / da er vorigen Tages Geld zehlen gehöret / und köstliche Kleider hengen gesehen / und nam / (weil das Geld weg gebracht war /) ein Paquet zu sich von schönen Seidnen / Sammetten /und andern köstlichen Kleidern / als er eben schleppen könte: Damit aber der Schneider seiner gedencken möchte / ließ er etwas daselbst liegen / welches ihm zu schwer mit zutragen war / legte auch einē gutē Strick dabey nieder / und gieng davon; [24] kam also glücklich wieder nach Jacoma Tabern / von da er folgendes Tages das Guth nach dem Bain schlepte / dem Guardian sein Theil (dafür / daß er ihn die Nacht auß dem Bain gelassen) gab / und folgend zu Gelde machte / was er erbeutet. Bey dem Schneider / den er visitire hatte / mangelte es wenig / daß er nicht den Strick auffgenommen / und sich erhäncket hätte.

Es ließ sich endlich ansehen / daß es Fontimama gleich gülte / welchen er bestall: Denn er kam einsmahls zu vorgedachten Jacoma / und begehrte die Nacht über in seiner Tabern zu schlaffen. Nun hatte Jacoma eine grosse Kiste stehen / und etwa 2000 Rthlr. Geldes drin; welcher Gestalt es aber Fontimama gemercket / kan ich nicht wissen. Ob ihm nun wol Jacoma einen Orth anwiese / da er schlaffen solte / so blieb er gleichwohl auff der Kiste liegen; welches Jacoma verdächtig fürkam / und also die Nacht über heimlich Wach hielte. Umb Mitternacht nahm Fontimama seine Künste herfür / war aber noch nicht weit kommen / alß Jacoma schon mit einem guten Prügel ihn besuchte; also ward er braun und blau geklopffet /und dem Hause außgejaget / hat auch nach der Zeit das Hertze nicht gehabt wieder zu kommen.

17. Der listige Engelsmann
XVII. Der listige Engelsmann.

Damit wir aber nicht meinen / daß Fontimama zu Algiers allein Diebes-Meister gewesen / so wollen wir noch ein paar lustiger Händel fürstellen: Ein Engelländer hielte im 1644. Jahr mit seines Herrn Tochter zu / und leistete ihr die Nacht über [25] treulich Gesellschafft / wodurch er bey der Dirnen in solcher Vertraulichkeit geriethe / daß sie ihm ihre köstliche Kleinodien zeigte / und er abmercken könte / an was Ort / daß sie verwahret wurden. Er wartet so lang /biß ein Schiff nach Livorud zu gehen / segelfertig /auch des folgenden Tages abzugehen willens war / da machet er des Abends die Dirne truncken / schleichet zu der Kiste / worin ein Schachtel mit allerhand Kleinodien auff 6000 Reichsthaler werth. Wie er die Beute geholet / weckt er sie auff / treibet seinen Willen nochmahls mit ihr / und nimmet also von ihr Abschied. Gehet auch stehendes Fusses zu Francisco Capati / einem Italiänischen Kaufmann / weil der an der nechsten Wand wohnete / ihn bittend: Er wolle doch ihn Morgen mit dem frühesten loßkauffen / damit er mit dem Schiffe fortkommen könne; Er habe Mittel empfangen sich zu lösen; Wolle aber / damit sein Herr ihn nicht zu hoch halte / selbst nicht accordiren /gibt ihm also Commission auff 1000 Reichsthaler /neben Verheissung grosser Belohnung für seine Mühe. Don Francisco war begierig Geld zu gewinnen / nam es also auff sich / lösete ihn auch für 550 Reichsthaler: Der Sclave kombt loß / gehet zu Schiffe / und glücklich durch. Die Dirne / welche von aller Sache nichts Wuste / verwunderte sich / daß sie ihren Serviteur nicht sahe / vernimbt endlich / er sey gelöset und weggereiset / welches sie den betrübte; aber noch mehr / alß sie ihren Verlust merckte / und also spührete / wodurch er gelöset worden. Kurtzlich: Durch ihr Heulen und Klagen ward die Sache ruchtbar / und Francisco ward als ein Hehler angeklaget / verdammet / und ihm aufferleget: Daß Gestohlne biß auff den Letzten Heller zu bezahlen; Er möge sehen / sich an dem Engelländer zu erholen. Jenes muste geschehen /dieses [26] aber fiel Don Francisco unmüglich / muste also den Spott zum Schaden haben.

18. Der betrogene Segelmacher
XVIII. Der betrogene Segelmacher.

Für einigen Jahren / hat zu Algiers / in der fürnehmsten Barbarischen Raubstadt / ein fürnehmer Türck ein schönes neues Schiff-Segel bereiten lassen / wofür er / weil das Segeltuch allda gar theur / etliche hundert Reichsthaler auffwenden müste. Hierauff haben etliche gefangene Christen-Sclaven / als deren gewöhnliche Nahrung / bey solchem elenden Zustande /gemeiniglich von frembden Guth kombt / indem sich die See-Diebe / nach möglichkeit / auff Zulassung /wieder bedieben / einen Anschlag gemacht / und versucht / ob sie dem Seegel könten eine andere Herrschafft zu wegen bringen. Einer von diesen Raben-Künstlern geht hin / zu dem Meister / der daran arbeitete / und bittet eine Kohle Feuers; Damit er seine Tobacks-Pfeiffe dabey anzünden möge: Weiset zugleich dem Meister ein ziemlich Stück Tobacks / und verspricht ihm etwas davon mitzutheilen. Solches nimbt der Segelmacher zu grossem Danck an / und gehet hin / Feuer zu holen. Der listige Sclav wirfft geschwind einen Zippel vom Segel für die Thür hinauß; gehet folgends dem Meister auff dem Fusse nach / und hält denselben mit Tobackschmauchen / so lange auff / biß er vermuhtet / seine Rott-Gesellen würdē mit der Beute allbereit weg gegangē: Der Meister aber noch eine gute Weil sitzen blieben seynd / und des Tobackschmanchens geniessend / für übermachter Süssigkeit dieses an ihm selbsten sonst bittren Rauchs / seinen[27] Schaden so bald nicht gemerckt. Unterdessen eylen die ehrlichen Segel-Hinnehmer mit der Beute geschwinde nach ihren Abnehmer; dieser alsofort damit zu dem rechten Eigen-Herrn desselben / und bietet ihm sein Eignes / nunmehr aber Gestohlenes umb hundert Reichsthaler feil. Derselbe meinet / er kauffe jetzo mit dem Glücke selbsten: Zahlet derhalben die 100 Rthlr. so geschwinde auß / als ob ihm beydes das Tuch und Geld geschenckt wäre; gehet darauff hin in tausend Freuden / besagtem Meister anzudeuten / was für ein herrliches Segel er umb halbes Geld gekauffet hätte; sonder Nachdencken / daß gestohlene Wahren allezeit am wolfeilesten. Je frölicher er aber dahin kombt; Jemehr ihn der traurige Blick des von der Sicherheit nunmehro auffgewachten Meisters bestürtzt machte: Und zwar noch vielmehr / da er hören muste; Man wurde ihm ohne Zweiffel sein eigenes Segel verkaufft haben / sintemahl ihm / dem Meister / allererst für einer Stunden / eines gestohlen wäre. Da man nun recht nach sahe; fand sichs / der Meister wäre ein Prophet / und hätte recht geweissaget. Also kam der Reu-Kauff hinten nach. Das hat die Begierde des Tobacks außgerichtet / wodurch der Meister gekörnet worden /zur Unbehutsamkeit.

Worauff zu wissen: Ob sie gleich auff der That ertappet werden / so dürffen sie sich doch nicht ihres Lebens befahren / sondern werden mit einigē Schlägē unter die Fußsohlen nach dem Werth dessen / das gestohlen worden / belohnet und forgejaget / kan der Sclave aber den Thurn mit dem Gestohlenen erreichen / ist er frey / und darff niemand ihn Scheel drüber ansehen. Alle Abend wird das gemausete verkauffet /wozu sich einige / die lange Zeit da gesessen [28] und allda die Freyheit erlanget haben / daß sie ohne Ketten auß und eingehen mögen / gebrauchen lassen; Dieselbe kauffen die Sache umb halbes Geld an sich /und suchen hernach darauß ihren Profit; Es schadet ihnen auch nicht / daß es den rechten Herrn wieder zukauffe gebracht wird.

19. Die listige Auffenthalt
XIX. Die listige Auffenthalt.

Es begibt sich offtmahlen / daß die gefangene Sclaven fürnehme Leuthe sind / und sich mit der Arbeit gantz nicht beheiffen können / dahero stehen solche Gefangene überauß schlecht / es sey den / daß sie sich mit Practiquen davon helffen / wie auß folgenden 2 Exempeln zu ersehen.

Ein Ritter auß Franckreich war viel Jahr ein Sclave gewesen / hatte aber (weiß nicht / auß was Ursache) weder Schreiben noch Geld von Hauß empfangen /gleichwohl ward er mit aller Arbeit verschonet; Lebete wie ein freyer Mann / war wohl bekleidet / aß und tranck recht delicat / und hielte offtmahls seinen guten bekandten offen Hoff. Diese geruhige Tage aber erwarb und erhielt / er folgender Gestalt: Er machte mit Renegaden / insonderheit seinen Landsleuten gute Kundschafft / von denselben nam er Geld auff Zinse /mit welchem er sich bey dem Guardian von der Arbeit loß kauffte / und vorerwehnter massen sein Leben zubrachte; wenn die Zahl-Zeit heran kam / so nam er von andern auff / und bezahlte den Ersten / weil er sich nun so richtig in der Zahlung hielte / hatte er allenthalben Credit / und konte ziemliche Summen auffbringen / auch jährlich noch ein ziemliches überhaben / in Ansehung / daß alle Renegaden Soldaten seyn /die bald zu Felde / bald auff die freye [29] Beuterey mit dem Feinde zu thun haben / dannenhero allemahl einige seiner Creditoren umb die Hälse kamen / und er also der Zahlung halber quitirt wurde.

Rodrigo ein Spanischer Großsprecher / der in seinem freyen Stande immer von Degen und Pistolen zu pralen pflegte / ob man ihn gleich mit einem rauchen Handschuh jagen könte / wuste sich durch seine Rodomontaden in seinem Sclavenstand zu ernähren; Den er ließ sich bey alle Händel als Scheidsmann mit Spanischer Gravität finden. Es war ihm aber nichts neues / ein oder mehr Paar an einander zu hetzen / damit er sich hernach darzwischen legen / Friede machen / und bey dem Vertrag eine freye Zeche erhalten können. Die Krüger sahen ihn dieser Ursachen halber gerne /weil er ihnen Nahrung brachte / auch ihnen offters zur Zahlung behülfflich war. Den es gibt insgemein bey der Zahlung einig Hader zwischen den Krügern / die Christen-Sclaven sein / und den Türcken / die sich wohl ersoffen haben / nicht zahlen wollen; wenn sich nun ein solch Tumult erheben wolte / so lieff Rodrigo nach dem Guardian / und ließ den Bain schliessen. Fiengen den die Türcken Händel an / und wolten ihr Messer zücken / oder Gewalt brauchen / so kam Rodrigo von hinten zu mit einer Leiter / und warff solche den Türcken übern Halß / hiel sie also / biß der Guardian kam / der zwang sie den zur Zahlung / und nam sie darzu in Geld-Busse / davon Rodrigo sein Antheil hatte.

20. Der verschlagene Bassa
XX. Der verschlagene Bassa.

Alhier wollen wir anführen einen verschlagenen Bassen von Algiers / der durch einen listigen Griff [30] einem andern seinen Sclaven ab und ihm selber / dadurch 8000 Kronen zugesprochen hat.

Ein Ritter auß dem fürnehmsten Geschlechte in Portugal / dem in der Beschreibung der verdeckte Nahme Oenophilo gegeben wird. Hatte mannigmahl seine Hänmit dem Degen in der Faust beygeleget; aber es auch dannenhero so weit gebracht / daß er /unangesehen seines Geschlechts und Qualitäten /zweymahl zum Tode verurtheilet worden / zweymahl aber durch die Wolredenheit seines Vorsprachs Gnade und Leben wieder erlanget hatte. Im Jahr 1539 Jahr ward er zum Drittenmahl beschuldiget / daß er einen nieder gemachet habe / weil er nun dem Gerichte nicht trauen dürffte / gieng er mit seiner Frauen zu Schiff / in willens nach Indien / (der Zuflucht aller Portugalischen Missethäter) zu reisen.

Nach einigen Tagen ward das Schiff von See-Räubern genommen / und Oenophilo ward sambt seiner Frauen an einen Mooren / Parino genennet / für Sclaven verkauffet / er machet aber mit seinen Herrn einen Vergleich wegen seiner Freyheit / dergestalt / daß seine Frau in Freyheit zurücke kehren / und das Löse- Geld senden; Er aber indessen als Sclave zu Burge bleiben solle. Die Frau reisete weg / Oenophilo lebte gleich den andern Sclaven / da reitzete ihn der Müssiggang zu böser Lust; den er verliebte sich in seines Herrn Frau / und erwartete Gelegenheit / ihr seine Liebe zu offenbahren.

Kurtz hierauff begab sichs / daß Oenophilo Kundschafft mit 2 Rittern von Maltha (welche Frantzosen /und dießmahl Sclaven wahren /) machte / welche Don Oenophilo für einen recht verständigen / auffrichtigen / wohlerzogenen [31] und beredeten Mann ansahen / und also sonderliche Freundschafft mit ihm hielten: Nöhtigten ihn also auff einen Trunck Weins / und strengeten ihn an / daß er Bescheid thun muste / welches er in Portugal nicht gewohnet gewesen. Wie er das Haupt voll Weins / und das Hertz voll Liebe hatte /gieng er gleich nach Hause / und fieng an seines Herrn Frauen auffzuwarten. Zu allem Unglück kam der Herr zu Hause / welcher alsofort Don Oenophilo anfiel / und einige gute Maulschellen gab. Don Oenophilo / welcher in seiner Sclaverey nicht klüger war /alß er in seiner Freyheit gewesen / bezahlte die Ohrfeigen mit gleicher Müntze / und unterließ nicht / eine gute Zinse dabey abzulegen.

Sein Herr / welcher nicht allein wegen der Schläge sehr entrüstet / sondern auch seines Weibes halber sehr vereyfert war / wolte diese beyde Affronten rächen / lieff also im Zorn nach des Bassa Pallast /klagte Don Oenophilo daselst an / mit Begehren / er möge nach Türckischem Gesetze lebendig verbrennet werden. Es ward alsofort den Chiausen oder Gerichts-Dienern befohlen / den Mißthäter für Gericht zu bringen / daß er sich verantwortete: Dem Befehl ward gehorsamet / und Oenophilo ward für den Bassa Ibraim Hozi gebracht / welcher ihn anredete: Du wirst beschuldiget / daß du einen Türcken / und welches das Meiste ist / deinen Herrn geschlagen / dannenhero mustu den Gesetzen dieses Landes zu folge / entweder dein Christenthum verläugnen / oder lebendig verbrennet werden. Don Oenophilo wolte zwar leugnen /und gab für / er habe nur die Schläge versetzet / und außgenommen / brachte auch einē Türcken / der zu seinem besten redete / zum Gezeugnüß: Es möchte aber nichts helffen / des Herrn Anklage ward für gnugsamen [32] Beweiß geachtet / also gab der Bassa ohne andere Ceremonien so fort das Urtheil: Oenophilo solte entweder ein Türck / oder lebendig verbrandt werden. Dieser Unglückseelige Mensch fand sich in grosser Angst / antwortete gleichwohl als ein guter Christ und tapfferer Ritter: Er wolle ein Christ leben und sterben / worauff so fort das Urtheil fiel: Er soll lebendig verbrennet werden. Es ward auch alles hiezu fertig gemachet / und die Chiausen brachten den Elendigen zum Thor hinauß / ihn zu verbrennen; wurden aber hieran durch folgendes gehindert.

Der Bassa / welcher geitzig / zugleich auch listig war / wolte auß dieser Sachen Vortheil suchen / stellete also dem Divan die Frage für: Ob nicht der Parino durch das außgesprochene Urtheil seines Sclavens verlustig sey / und sein Recht an demselbē verlohren habe? Diß könte niemand leugnen. Drauff sprach er ferner: Weil sich der Herr durch sein eigen Ansuchen seines Sclavens begeben hat / so folget; daß der Sclave dem grossen Herrn (dessen Persohn ich präsentire) heimgefallen sey. Weil nun derselbe Mache hat /einem verurtheilten Gnade zu ertheilen / so schencke ich diesem Sclaven in seinem Nahmen das Leben /worauß folget / daß der Sclave mir zukomme. Der Divan billigte solches / (den wer hat je gehöret / daß eine Krähe der andern ein Auge aushacke?) und Oenophilo ward unverhoffe vom Todt errettet. Sein Herr verlohr 6000 Reichsthlr. Hatte Ohrfeigen bekommen /und es selbst geoffenbahret / daß Oenophilo seine Stelle bey dem Weibe vertretten habe. Es ward Don Oenophilo alsofort in des Bassa Bain gebracht / woselbst er so lang an Ketten gelegen / biß der Bassa getödtet ward. Im 1643 Jahr ward er von Isouff Bassa gegen Erlegung 8000 Reichsthaler / loß gegeben.

21. Das falsche Gespenst
[33] XXI. Das falsche Gespenst.

In einer freyen Reichs-Stadt ist vor nicht gar vielen Jahren von einer abgefäunten Magd ein solches List-Stücklein practisiret worden / welche etliche Soldaten / bey Nächtlicher Weil / in ihres Herrn (eines Doctors) Behausung eingelassen und selbige in weissen Hembden dem auffgewecktem Herrn und der Frauen gezeiget. Diese meinten nicht anders / dann es wären greuliche Gespenster: Hatten also das Hertz nicht /herfür zu gehen / und den Gespenstern recht unters Gesicht zu sehen; besondern musten etliche Nächte nach einander / sich in ihren Schlaffkammern enthalten / und weitlichen Schwitzen / für lauter Oracul annehmende / was ihnen diese Sibylla vor Bescheid und Nachricht / von denen angeregten Gespenstern ertheilte / als unterdessen die betriegliche Magd mit den Gespenstern Buhle / in der Stuben tantzte / und die Kästen und Käller im Hause visitiren halff. Endlich betrog sie ihren Herrn und Frau mit der Warheit; Sagte: Es wäre lauter Betrug / und musten nur Diebe seyn; (wie es den auch waren) mit denen sie sich hefftig herumb getummelt: und hette einer sie gar umbs Leben bringen / zween andere aber solches verwehren wollen; Darüber sie aneinander gerathen / und sich jämmerlich selbst zerfetzt und verwundet hätten. Gestaltsahm die Arglistige diese Wercke der Finsternüß und erlogene Märlein desto scheinbahrer zu machen /hin und wieder auff dem Pflaster etliche Tropffen von Ochsen-Blut vergossen / dazu Menschen-Haare gestreuet hatte / als wehren sie aus dem Kopff gerissen.

[34] Jedoch / als das Kind mit der Zeit / die Warheit ans Liecht gebohren / und man etliche gestohlne Sachen /unter ihrem Gerähte gefunden: Ist sie eingezogen /und weil ihr frommer Herr selbst dafür gebeten / daß man sie nicht am Leben straffe / mit einem Staub-Schilling begnadigt worden.

22. Der vermeinte Teuffel
XXII. Der vermeinte Teuffel.

Einem andern aber ist gleichwol solcher Betrug glücklicher von statten gangen / daß er sich selbsten zum Gesvenst gemacht. Masenius gedenckt in seinen Spitzfündigkeiten / eines gewesenen Soldaten / Johannes Bergensis: welcher / nachdem er endlich ein Religios worden / zu erzehlen pflegen: Er sey einsmahls im Lützenbürger Lande / durch Hülffe seines Spieß-Gesellen den Schorftein herab gelassen worden / und mitten auff den dicken Stäben / daran die Speckseiten hingen / wie ein Hahn gesessen; Die Schincken an ein Seil gebunden / und seinen Diebs-Gesellen hinauff zu ziehen / überreichet. Indem bricht unversehens einer von den Stöcken / darauff der Nächtliche Beutmacher (den der Nahme Dieb ist für Soldaten zu grob) ritte: Darüber Roß und Mann zu Boden und herunter fallen. Von dem Tumult dieses also herunter-fahrenden Schlot- oder Schorstein-Reiters erwacht der Pfarr-Herr / (welchem die Schincken gehörten) sambt seinem gantzen Haußgesinde; läst Liecht zünden: Willens seinen ungebetenen Gast zu bewillkommen / und dem Gefallenen auffzuhelffen. Aber was thut hingegen diese verschlagene Speck-Maus; welchem als einem [35] Kinde der Finsternüß das Liecht sehr ungelegen kam? Es wolte nirgend sich eine Außflucht erblicken lassen; wohin er auch immermehr seine Diebs-Aenglein wendete / weil ihm dan nichts anders einfallen will; nimbt er einen Anschlag auß dem Stegreiff /oder / wie die Lateiner reden / unter der Hand: beschwärtzt sein gantzes Antlitz mir Ruß / und macht an seiner Persohn dem Teuffel ein Conterfait: Lauff darauff in so visirlicher Gestalt / ungescheut unter die / so ihn mit prügeln zu segnen gekommen; bläst ihnen das Liecht vor der Nasen aus / und stellet sich allerdings nicht anders an / gleich wäre er der Leibhafftige Kohl-schwartze.

Der Pfarr-Herr erschrickt hefftig / unterstehet sich den bösen Geist / mit gewissen kräfftigen Formulen zu vermaledeyen und bannisiren: recitirt etwan etliche Sprüche und Gebetlein / auß der Teuffels Geissel (sind gewisse Gebet-Büchlein wieder die Gespenster /) da für diesen Teuffel doch Meister Hanß / mit seinem Staub-Besem weit solte kräfftiger sein gewest: und befiehlt ihm entlich / er solte weichen / und sich trollen. Der gemenschte Teuffel / und verteuffelter Mensch nimbt sich an / als werde er genötigt / gemach zu thun: rufft derwegen / oder brüllt vielmehr; man solle Thür und Fenster sperweit öffnen / daß er möge von dannen gehen. Das geschicht; und ist man froh dazu / eines solchen schwartzen Gesellen loß zu werden. Also kombt der Dieb (wolte sagen der Soldat) fein manirlich davon / und nimbt reißaus / hier über triumphirt der Pfarr-Herr auß dermassen / und rufft: Mein! Wie hab ich gleich wol / mit meinem Zusprechen / den Bößwicht geängstigt / und ihm den Raum zu enge gemacht! Aber des Morgens / wie dieses Teuffels-Künste recht sichtbar / hergegen die zum Rauchschlot hinauß gespatzirte Schincken unzehlbar worden: [36] hat er solchen lächerlichen Betrug in der gantzen Nachbarschafft ausgebreitet / und behauptet: Die menschliche Arglistigkeit sey in der Boßheit oft eben so spitzfindig / als wie der Teuffel selbst / derowegen dem listigen Mauß-Kopff dan auch vermuthlich gleicher Lohn / wie dem Teuffel würde zu Theil werden. Wiewohl / gedachter massen / sich gleichwohl der Schinck-Mauser bekehrt; die Raben-Federn fallen lassen / und ihm darvor Tauben-Fittichen gewachsen.

23. Der unglückliche Dieb
XXIII. Der unglückliche Dieb.

Es gehet aber nicht allemahl an; sondern man versteht zuweilen die Sache unrecht / und läst ein solches diebisches Gespenst auffknüpffen. In Niederland hat sich gleicher Fall begeben; aber nicht gleichen Außgang gewonnen. Ihrer drey verlarveten sich; einer in einen Teuffel / der ander für ein Todt / der dritte für einen Engel: und machten auff einen reichen Mann / der aber dabey ein karger Filtz war / einen Anschlag / ihm ein guth stück Geldes abzuschrecken. Der Teuffel geht zu Nacht am ersten in sein Hauß unn zu ihm fürs Bette; jagt ihm einen Schrecken über den andern ein; fordert auch endlich den Todt herzu. Dieser (der Todt) stellet sich / gleich wolte er ihn schlagen: aber gleich darauff erscheint der Engel / tritt ins Mittel / wehrt ab / und spricht: Dein Gebett ist für Gott kommen / und ihm angenehm; Dafern du nur dem Gelde / welches du zu grossem Schaden deiner Seelen / besitzest / wirst absagen. Unterdessen fängt der / vom Engel / abgetriebene Teuffel / so laut an zuheulen / daß mans auch [37] ausser dem Hause hört / und die Leute auß der Nachbarschafft herzu lauffen. Da man dan bald gemerckt /daß es lauter Larvenwerck und angestelte Possen. Worauff die armen Teuffel ergriffen / und den Schluß ihrer Comödie (oder vielmehr Tragödie) am Galgen machen müssen: Massen man sie alle drey / in solcher Gestalt und Habit / darinn man ihrer mächtig worden / auffgeknüpfft darüber nachmahls Jedermann geschertzt / und die Rede gangen: Es sey der Todt /Teuffel und Engel auffgehenckt worden. Solches schlechtes Trinck-Geld bekamen diese für ihren Auffzug.

24. Die boßhaffte List
XXIV. Die boßhaffte List.

In Champagne ist eine Gesellschafft von Tartarn /Egyptiern / oder Zigeunern in einem Marckflecken angelangt / und allda Herberge gesucht: Unter welchen eine Schwangere / so kurtz zuvor ihren Mann verlohren hatte / darnieder kommen / und von den andern /wegen ihrer Schwachheit / zurück gelassen worden. Die edle Frau / welcher der Marck-Flecken eigenthümblich zustunde; erbarmete sich über diese Verlassene / und leistete ihr allen Beystand. Als sie aber vermerckte / daß es der Kinderbetterin das Leben kosten möchte / indem die Kranckheit von Tag zu Tag überhand nahme: Liesse sie die Krancke / durch den Geistlichen des Orths besuchen / und zu Rettung ihrer Seelen bewegligst ermahnen: massen sie auch die kurtze Zeit ihres übrigen Lebens / zu einem seeligen Todte / woll angewendet. Bevor nun die letzte Stunde herbey nahete; bedancket sich die Zügeinerin gegen[38] ihre Wohlthäterin: Und gab ihr zu vernehmen / wie sie in der Jugend ihren Eltern entführet / sich mit einem flüchtigem Edelmann / der einen ermordet / und wegen Sicherheit / sich unter die Zigeiner begeben hatte / verehliget / auch mit ihm diese Tochter Oliviam erzeuget: welche sie ihr befehlen / und einen Beutel mit hundert Kronen / zu ihrer treuen Hand anvertrauen wolte; mit Bitte / ihr solches Geld vorzutragen / biß sie erwachsen / da sie solches zu einer Außsteur von nöthen haben möchte. Avoye / also nennete sich diese Edle / hörte mitleidig zu / und verspricht ihr auch alle müglichste Wilfahrung / deses Mädglein von so böser Gesellschafft ab / und zu allem gutem /in ihren Diensten auffzuziehen: Verhoffend / ein Werck der Christlichen Liebs-Schuldigkeit darinnen zu leisten: empfängt also dem Beutel mit dem Gelde /und nimbt Oliviam auff unter ihren andern Dienerinnen / nach Tamaris / der Zügeinerinnen / bald darauff erfolgten Todt / ehrlich und wohl zu unterhalten. Olivia erzeigt sich wol / ist fleissig und getreu / daß ihre Frau keine Klag über sie haben können; sondern vielmehr wegen ihrer Bescheidenheit und guten Sitten /ihr mehr / als andern ihren Bedienten / mit Gunsten gewogen worden. Hierauß entstunden nun Haß und Neid / unter den andern Mädgen / wieder diese Zigeinerin / wie sie es nenneten: und wurde ihr alles Unheil / so sich in dem gantzen Dorff begabe / meuchellistig beygemessen: Und zu Beglaubung solcher Verleumdung / mischten sie vielerley Wurtzeln / Kräuter / Pergamen-Zettel / mit unbekanten Buchstaben / unter ihr Gerähtlein: Und was verlohren wurde / muste alles die Zigeinerin entzücket haben. Die Frau wil diesem Verdacht keinen Glauben geben / und entschuldiget[39] ihre Unschuld mit der Ankläger Verweiß / darüber sich dann die Feindschafft vermehret.

Was begibt sich? Leon der Sohn im Hause / verliebt sich in Oliviam; und ob er wol vermeinet / es wäre dieses Schloß leichtlich zu erobern; hat er doch mehr Wiederstand gefunden / als er überwältigen mögen; indem er nicht nur mehrmals abschlägige Antwort erlanget / sondern sie auch sein unziemliches Beginnen seiner Frau Mutter angesagt / welche ihm das Haupt mit einer scharffen Laugen gezwaget. Nach diesem wandelte Leon seine Liebe in Haß und Feindschafft; und weil ihm / nach Pariß zu reisen anbefohlen; wil er nicht / ohne zuvor verübte Rache / scheiden / massen er die Gelegenheit erkundschaffet / unvermerckter Weise auß seiner Frau Mutter Schatz /der Olivia hundert Goldstück zu entwenden / und hundert Bltlein Eychen-Laub an die Stelle einzulegen. Damit scheidet er / und verzehrt das Geldlein zu Paris / in vollen Freuden.

Avoye gibt bald hernach der Olivia verlaub / ihrem Sohn alle Veranlassung zum bösen auß dem Wege zu räumen; welcher bald wieder nach Hause kommen /und etliche Streitigkeiten in der Nachbarschafft vortragen solte. Indem sie nun ihr das anvertraute Geld einhändigen wil; findet sie den mit Blättern angefülleten Beutel viel zu leicht / und schleust auß diesem Betrug / daß die Olivia / von ihrer Mutter / die Zauberkunst ererbet / und die vorgemelten Anklagen / ausser allem Zweiffel wahr sein müsten. Hierüber wird ein Geschrey in dem Schloß / Olivia hinauß gestossen /und von den rasenden Bedienten und Bauren mit Steinen verfolget / daß sie in ihrer Unschuld zu Boden geworffen / und also jämmerlich umb ihr Leben [40] kommen müssen. Leon kehret wiederumb nach Hause /und fället in ein Hitziges Fieber / daß die Artzte ihn verlassen / und der Beichtiger seine Seele zu heilen /beschickt wird. Es kunte ihm nicht unwissend sein der Olivia jämmerlicher Todt; und daß er desselben Ursacher / sagte ihm sein Gewissen. Dieses zu entdecken /eröffnet er dem Beicht-Väter und seiner Frau Mutter den hinterlistigen Diebstall / durch welchen er Olivia verächtliches / und wie er es nennete / verrähtliches Verfahren gegen ihn zu rächen vermeinet: Nicht wähnend / daß es zu einem solchem Ende außschlagen solte / und daß diese Unschuldige umb das Leben kommen würde.

Hierüber betrübte sich die alte Mutter / daß sie ihr den blutigen Leichnam der Olivia nicht auß den Sinne schlagen konte: Und bedünckte sie / daß solche That umb Rach gen Himmel schreye / wie das Blut des gerechten Abels. Weil sie nun dieses Verfahren nicht sattsam bereuen kunte; verschaffet sie die hundert Kronen / benebenst noch andern gewissen Einlünfften für Tamaris und Oliviam järliche Seelen-Messen zu lesen: und gehet kurtze Zeit hernach den Weg aller Welt.

Leon stehet von seiner gefährlichen Kranckheit auff: richtet aber seiner Mutter letzten Willen keineswegs auß / und verlachet die Wiederstattung des entwendeten Geldes. Es ruhet aber die Straffe vor der Thür: den er von einem andern von Adel / der ihn /wegen Ehebruchs / in Verdacht hatte / unversehens in allen seinē Sünden ermordet worden.

Dieses wahre und klagwürdige Exempel lehret /daß man niemand / es sey die Bezüchtigung und der Argwohn [41] so groß / wie sie immer wollen / unverantwortet / vielweniger unbefraget / deß Diebstals schuldig halten solle.

25. Der listig-bestohlne Käyser
XXV. Der listig-bestohlne Käyser.

Jener vermessene Dieb dürffte dem niemahls gnug gerühmten Käyser Carolo V. vor seinen Augen die Tapeten hinweg stehlen. Dann alß er vernommen / daß alle Hoff- und Kammer-Diener / auff Befehl Ih. Käyserl. Mayst. sich fertig machten zubevorstehender Reise / und ein jeder das Seinige beschicken thäte; nam er die Gelegenheit war / und gieng gar ins Käysers Gemach / sehend / daß daselbst wenig Bediente verhanden / die umb Seine Mayst. auff die Reise selbige anzulegen / geschäfftig waren. Erstlich trat er hinzu / und machte mit gebogenen Knien / wie zu Hoff gebräuchlich / dem Käyser eine Reverentz; fing darauff an die angeschlagene Teppicht / mit grosser Eylfertigkeit herab zu nehmen / und gar sauber und hurtig in ein Bündlein zusammen zu wickeln / so daß der Käyser und die bey ihm waren / selbst zusahen. Ob er nun gleich vor dem niemahln diese Raben-Kunst geübt; gieng er doch mit dem Handwerck so meisterlich / und ohn allen Argwohn / umb / daß er alle Tapezereyen hinweg bekam / und den ordentlichen Auffheber derselbigen / welcher eben damals in andern Verrichtungen gewest / aller Mühe gäntzlich überhebte. Laß mir das einen listigen und unverschämten Dieb seyn.

26. Der fertig bestohlene Cardinal
XXVI. Der fertig bestohlene Cardinal.

Dem hätte / weil er dem Käyser bestohlen / die Ehre[42] gebührt / über alle andere Diebe zu hangē. Doch weiß ich nicht / ob ihm derjenige ein Haar breyt / an List /weichen würde / der dem König von Franckreich /Francisco I. einen kurtzweiligen Possen gerissen. Mitten unter der Messe / die man damahls mit grosser Solennität celebrirte / nahete sich ein gar prächtig gekleideter Seckel-Besucher zum Cardinal von Lottringen / und entwendete ihm heimlich etwas auß seinem Beutel. Weil er aber in acht genommen / daß es niemand gemerckt / ohn allein der König / der gar steiff dahin gesehen hatte / ließ er sich doch solches gar nicht abschrecken; sondern lächelte dem König freundlich zu / und winckte ihm mit einem Finger / er solte schweigen; gleich geschehe dieses in Schertz. Der König / als ein lustiger und kurtzweilliebender Herr / vermeinete nicht anders / dann es wäre ein bey Hoff nicht ungemeiner höfflicher Poß: stellete sich demnach / als hatte er diesen Diebstall nicht gesehen. Nach geendigter Messe aber verlangte ihn / den Handel recht zu wissen / und gab dem Cardinal / unterm Gespräch anlässige Rede / nach seinem Beutel zu sehen. Als nun dieser nicht fand / was er da hinein gelegt / und deßwegen sehr bestürtzt wurde; hub der König / der alles hatte angesehen / und nur jetzo Ursache zu schertzen gesucht / noch viel hefftiger an zu lachen. Entlich aber / nachdem er sich eine gute Weile am Gelächter ersättiget / und gnug damit ergetzet /nunmehr aber ihm ernstliche Geschäffte zu Handen stiessen: Befahl er / man solte dem Cardinal wieder zustellen / was ihm / Angesichts seiner / wäre hinweg genommen: Sintemahl er noch in der Meynung beharrete / es hätte irgend ein edler Höffling in Schertz /und mit dem Vorsatz wieder zugeben entnommen /weil ihn die stattliche Kleidung des Diebs verführet. Aber dieß Galgen-Vögelein war längst davon geflogen; und kam so wenig wieder / [43] als des Noe Raben zum Kasten. Hernach wie man erfahren / daß ein alter Ertz-Dieb / in adelicher Hofftracht / auffgezogen kommen / und das Gold hinweg gepartiret; und sich der Cardinal höchlich verwundert / warumb der König / der sonst ein Liebhaber der Gerechtigkeit / an dieser / und zwar in der Kirchen / unter der Messe /begangenen Dieberey / sich so sehr ergetzte: Da sind dem guten König erst recht die Augen auffgangen /also daß er die Kühnheit des Diebes verfluchet / und den Handel gründlich erzehlet / wie er bey sehenden Augen hetrogen worden; Auch endlich geschworen /que c'estvit la premiere fois, q'un larron l'avoit voulu faire Compagnon: Es sey daß erste mal / daß ein Dieb mit ihm Vertraulichkeit und Cammeradschafft stifften wollen.

27. Der betrogene Roßkam
XXVII. Der betrogene Roßkam.

Ein gewisser Mann in Niederland / dem wir den Nahmen Peter so lange zulegen wollen / hatte ein nothwendige Reise vor / gieng demnach zu einem seiner bekandten / und fragte: Ob er ihm nicht ein gut Pferd anzuweisen wüste. Dieser verwiese ihn an einen betrüglichen Roßtäuscher / welcher den Peter in seinen Stall führete / und ihm die Wahl unter viel Pferden ließ. Peter war kein sonderlicher Kenner dieser Wahre / bath ihn demnach / daß er ihm auff guten Glauben /das sich zu einer langen Reise wohl schickte / eines überlassen solte. Jener blieb auch dabey / er möchte selber eines kiesen. Peter schlug die Augen auff eines / welches wohl bey Fleisch / und alß der Roßkam betheurete / daß er wohl gewehlet hätte / geschahe der Kauff umb 15 Krohnen. Peter setzte [44] sich drauff / und das Pferd erzeigte sich wunder-hurtig. Wie er aber nur eine Stunde oder etwas mehr fort geritten / ward das Pferd so müde / daß er es mit keinen Sporen noch Peitschen fortbringen kunte. Dannenhero merckete er /daß man ihn hintergangen. Er reitet zum nechsten Dorff / stellet das Pferd in einen Stall / und befiehlt es wohl zu futtern / heuret inzwischen ein anders / und vollbringet seine Reise. Alß er wieder zurück kompt /setzet er sich wieder auff sein voriges Pferd / so sich inzwischen wacker erholet hatte / und reitet vollends nach Hauß / bringet aber das Pferd zum Roßtäuscher /und bittet denselben / er möge es ihm etliche Tage futtern / weil er bald wieder eine Reise antreten muste. Er rühmet dabey des Pferdes unvergleichliche Güte / und betheuret / daß er sein lebtag kein solch gutes Roß unterm Leibe gehabt / alß welches allezeit lieber fliehen alß gehen wollen. Der Roßtäuscher sahe / daß das Pferd so wohl bey Fleisch / und nicht ein nasses Haar hatte / dachte demnach / er habe geirret /indem er es vor ein schlechtes Roß gehalten / er fragte Petern / ob es ihm wieder zukauff sey. Nein / sprach Peter / dann ich weiß nicht / wo ich so bald wieder ein solch gutes Pferd bekommen mag / wann ich wieder reisen soll. Durch diese Verwegerung ward der Roßkam noch mehr angesporet / daß er dem Käuffer hart anlage / er wolle es ihm doch zu Gelde ansehen. Peter wegerte sich eine gute Zeit / setzet es ihm doch endlich auff 26 Kronen an / jedoch mit dem Beding / daß er seine bevorstehende Reise noch drauff verrichten möchte.

Der Roßkam meinet / er habe wohl gefischet / aber Peter nimmet / wie er nach Hause kommen / einen listigen Mann / den wir Henrich nennen / zum Gehülffen an / welcher sich zum Roßkam verfüget / und ein Pferd zu kauff begehret. [45] Dieser zeiget ihm deren ziemlich viel / und preiset sie hoch / aber Henrich schlägt sein Auge auff das Pferd / welches ihm Peter angewiesen / und umbständlich bezeichnet hatte / der Roß-Käuffer wil selbiges zwar nicht gerne loßschlagen Alß ihm aber Henrich so sehr anlieget / werden sie des Kauffs umb 32 Kronen einig. Henrich giebt ihm eine Krone auff die Hand / und dem Stall-Knecht eine Real / daß er ihm das Pferd zween Tage futtern möge; Worauff er davon scheidet. Gleich drauff kombt Peter gestieffelt und gesporet / und begehret sein Pferd / weil ihm ein nothwendiger Ritt alleweil unversehens vorgefallen. Der Roßkam bietet ihm die Wahl unter den andern Pferden an / spricht aber / er könne ihm sein voriges nicht schaffen / weil er selbiges gleich verkaufft hette. Peter macht sich unnütze /und beginnet zu schelten / daß er dem Accord nicht nachgelebet / der Roßkam schlug endlich loß / und sprach: Mein Freund / habt ihr mir das Pferd nicht zu Geld geschlagen? Wolan / so habe ichs wohl verkauffen können / wann ich euch euer Geld schaffe / lieff drauff eylends hin / und holete die bedungene 26 Kronen / welche Peter nach langer Wiederrede und vielem Protestiren zu sich nahm / und seines Weges gieng. Henrich aber blieb auß / und ließ sich nicht mehr sehen / dem Peter sein wenig außgelegtes Geld ersetzte / welches er wohl thun kunte. Aber der Roßkam /der ihn hatte betriegen wollen / fiel selber in die Grube / die er einem andern gegraben hatte. Das war /List mit List vergolten.

28. Der verschlagene Landpfleger
XXVIII. Der verschlagene Landpfleger.

Rufinus ein Verwalter deß Käyser Arcadii hatte Euthalium [46] zu einem Landpfläger in Lydiam gesetzt / der hielt sich in seiner Pflägerey gar übel / betränget und Brandschätzt die Unterthanen auff das allerärgste /deßwegen ward er von Rufino mit 15 Mark Golds /(welches so viel als 1500 Sonnen Kronen) doch seinem Verdienen nach viel zu gnädig / angelegt und gestrafft. Was hat dieser Euthalius zu schaffen? Er sucht einen geschwinden Betrug / läst ihme zween gantz gleiche und ähnliche Seckel machen / in den einen thät er güldene / und in den andern Kupfferne Pfenning: Er zählt den Abgesandten Rufini das Gold vor /sie beschauens / wiegens / findens gut / schiebens wieder in den Sack / darauff ersieht Euthalius seinen Vorrheil / zwackt den Sack mit dem Gold meisterlich hinweg / legt den mit Kupffer angefülten an die Stadt / der wird mit Rufini Siegel besiegelt / und demselben zugebracht; Diese Verschlagenheit hat dem Euthalio /bey Arcadio und Rufino nicht allein keine Ungunst gebracht / sondern er ist von ihnen noch mit höherē Aempteren begabet worden.

29. Der listige Teuscher
XXIX. Der listige Teuscher.

Zu Augst / oberhalb Basel / da vor Zeiten die berühmte Studt Augusta Rauracorum gestanden / hat es noch viel alte Gemäuer / sonderlich vielerley Gänge und Gewölber unter der Erden; Ein Landberriger beredet etliche Persohnen von Seckingen und derselbigen Orthen / wie daß ein mercklich grosser Schatz in diesen Gewölbern verborgen / und wo sie ihm etwas Vorschul thun wolten / getrauete er ihm solchen herfür zu bringen; sie gaben ihm Glauben / und spendirten ein ziemlich Geld [47] auff ihn. Er hielt sie lange Zeit vergeblich auff: Endlich aber da er sahe / daß er die thörichten Leuth länger mit eyteler Hoffnung nicht auffhalten kunte / bestimbte er die nachfolgende Nacht / da solte sich ein jeder mit einen Zubergefast in den bewusten Gewölbern befinden / dann er dermahleins den langerwünschten Schatz erreicht hette /jedoch solten sie fleissig acht haben / daß keiner sich unterstünde zu reden / und wann er jedem sein Theil auffgeladen / solten sie ohne alles rasten und hinter sich sehen / damit davon lauften / zum Theil deswegen / daß die Schätze in gewissen Zeichen und Stunden / gegraben / von dannen getragen und verändert müssen werden / dann sie sonsten zu andern Zeiten von bösen Geistern verwahret / und ihnen mit keiner Gewalt möchten benommen werden: Zum Theil auch /dieweilen die Obrigkeiten / da die Schätz gelegen /wo sie dessen in Erfahrung kämen / darauff greiffen /und sie darumb handhaben würden. Inzwischen hatte dieser arge Fuchs viel falsche gelbe Pfenning und etliche Stück Eysen / die er wie Silberweiß gemacht oder verzinnet / gantz meisterlich in die Erden / da er zuvor gegraben / gespickt; Alß nun die Intressirten bey eyteler Nacht abgeredter massen mit ihren Zübern in die Gēwölber kamen / zeigte er ihnen bey einem kleinen Liechtlein / so er in einer Laternen hatte / in der Erden den gefundenen Schatz / legte den Finger auff das Maul / deutet ihnen zu schweigen / und stellt sich mit der Schauffel gantz ernstlich zu der Gruben; wolan /die guten Lappen wusten vor Freuden nicht / was sie machten / aber der Schatz-Gräber fieng an auffzuladen / lud einem nach dem andern seinen Zuber-voller Erden / daß es einem Esel genug gewesen / ließ sie schnell fort lauffen / und letzlich lieff er auch / aber nicht deß Wegs / da die andern gelauffen / dann er begehrte [48] keines Trinck-Gelds. Alß nun die guten Gesellen heimb kommen / hatten sich etliche halb lahm /andere grosse Plätz auff dem Rücken abgetragen / und da es Tag ward / funden sie den Betrug / verfluchten den Kunstreichen Meister / und erkandten ihre Thorheit / aber viel zu spät.

30. Der betrogene Baur
XXX. Der betrogene Baur.

An einem Orth der Landgraffschafft Turgaw trugen die Land. Sassen viel junge Färcklein oder Schweinlein in Säcken auff einen Jahr-Marckt / und legten sie dort nach ihrer Gewonheit auff dem Platz zu verkauffen / ein Bürger auff dem Platz daselbsten wohnhafft /hatte ein klein Bräcklin oder Hündin / dem lieffen viel andere Hunde nach / wie dann eben auff selbigen Jahrmarckt bey 10 kleiner Hunden in deß Bürgers Hauß kamen (dann die Hauß-Thüre hatte unten ein außgeschnitten Loch / wie an etlichen Orten bräuchlich / daß man etwan einem Hündlein oder Katze Auß- und Eingang läst) alß nun der Bürger ein solch Gelauff von Hunden in seinem Hauß sahe / nam er einen Sack / spant ihn aussen an die Thür / für das Loch / und mit einer Spießruhten jagte er die Hunde /die lieffen eylend dem Loch zu / und ranten also für sich selbsten in den Sack / den verband er / und ließ sie unten im Hause liegen: und alß sich ungefehre in Getümmel in einer Gassen erhub / lieff männiglich /sonderlich auch die Bauren / so die Schweine feil hatten / dahin / zusehen was es wäre. Hierzwischen legt der Burger den Sack mit den Hunden auff den Platz /und nimbt einen andern mit Schweinen hinweg / da nun der Lermen fürüber / und jedermann auff dem Platz wieder zur Stelle [49] kam / wolt ein guter Mann dem Bauren / dessen Sack hinweg war / seine Färcklein abkauffen / und begehret dieselbigen zu sehen /ließ deßwegen den Sack auffthun / und den jungen Fasel herauß schütten / da waren es lauter Hunde /welche auch eylends davon lieffen / dessen der Baur sehr erschrack / wuste auch nicht was er anfangen solt / oder was diß Wunder zu bedeuten hätte / deßwegen er also voller Schrecken zu dem Pfarr-Herr lieff /(welcher sein Gefatter) ihme die Sache zu klagen; Immittelst trug der Bürger die Färcklein wieder auff den Platz an seinen vorigen Orth / nam seinen Sack wieder / und gieng davon: Da dann der Pfarr-Herr mit dem erschrockenen Bauren bald vorhanden: Alß aber der Bauer sahe / daß der Sack wieder voll / erschrack er noch vielmehr / weil er vermeint / es wären durch Zauberey wiederumb andere Hunde darein kommen /dürffte ihn deßwegen nicht anrühren / biß andere ehrliche Leute den Sack öffneten / darauff vergieng ihme der Schrecken allgemach / sonderlich da er seine Färcklein erkante.

31. Der listige Gast
XXXI. Der listige Gast.

Es kam einsmahls ein guter Kerl / der unter Wegs war geplündert worden / in ein Wirts-Hauß / so auff offener Strassen stehet / und weil er den Hunger nicht mehr erdulden könt / benebens aber kein Geld hatte /setzet er sich einmahl zu Tisch / und ließ ihme gewaltig aufftragen / aß hiemit seine Haut voll / dann er gedachte / müste er doch mit dem Wirth in Unfrieden gerahten / so wäre es ja besser / er hette wohl / alß übel / gezecht; Alß nun das Essen geendet / versucht er / wie er mit List / mit Schertz / oder [50] Kurtzweil sich von dem Wirth könte entledigen / sprach deßhalben zu demselbigen: Saget mir lieber Herr Wirth / was steht alhie für eine Straff drauff / wann einer den andern ein Maulschellen gibt? Der Wirth sprach: Eine Krone. Der Gast nahet sich auff diese Antwort zu dem Wirth / sprechendt: So gebet mir dann ein Maulschellen umb ein Cronen / bezahlet euch von selbiger umb das Mittagmahl / und gebt mir den Rest herauß: Der Wirth ward hierüber zornig / und sagte: Es seye dir Lieb oder Leyd / so mustu mich mit gutem barem Gelde / und nicht mit Speyworten bezahlen. Alß nun der gute Gesell gesehen / daß ihm der Poß nicht angangen / suchet er ein ander Mittil / und stellet sich /als ob er auch zornig wäre / und sagt: Hörestu Wirth /du stellest dich sehr trotzig gegen mir / als ob ich nur ein Heuschreck / du aber ein rechter Hildebrand wärest / du solt aber wissen / daß ich dich wol ein guten Wegwolt jagen / besiehe mich nur wie du wilt: Da der Wirth / der sonst ein starcker frecher Mann / und sich vor keinem andern entsetzt / solches höret / ward er über die massen zornig / und vermeint / dieser solte ihn so gar nicht bewegen / geschweigen / lauffen machen: Der Gast aber beharret auff seiner Meynung /und der Wirth hielt das Wiederspiel. Letzlich sagt der Gast: Er wolle umb die Zech wetten / und der Wirth /der vor Zorn sich nicht bedacht / nahm die Wette an /da stund der Gesell in aller Eyl auff / sprang zu der Hauß-Thür hinauß / und hub an zulauffen so starck er möchte / der Wirth sahe ihm eine Weil zu / entlich aber / und damit das Zehr-Geld nicht ermangeln müste / lieff er dem Gast eine gute Weil nach / also daß er ihn schier entlauffen / welcher sich gähling umbkehrt / und zum Wirth sprach: [51] Du hast das Gewett verloren / dann ich hab dich ein guten Weg zu lauffen gemacht; Als der Wirth dieß höret / vergieng ihm der Zorn / muste seiner selbst lachen / und ließ damit den guten Gesellllen hinziehen.

32. Der kluge Advocat
XXXII. Der kluge Advocat.

Drey junge See-Räuber hielten sich ein Zeitlang zu Siena auff / allwo sie 4000 Ducaten in einer Wechsel-Banck gelegt / und dem Wechsler außdrücklich befohlen / er solle kein Geld außgeben / sie wären den alle drey bey einander / einer unter ihnen so Verschlagener als die andern / stellete sich / als wären ihm schöne Güter und Land-Sitze nächst bey der Stadt umb einen rechten Pfenning angetragen / welche er für alle drey kauffen wolt / deßwegen dem Wechsler kund gemacht wurde / sich gefast zu machen / dann sie in kurtzem all ihr Geld von nöthen haben wurden; Mittags gab dieser listige Fuchs Achtung auff seine zween Gesellen / welche mit andern auff die Jagt ritten: Dieser sprach zu ihnen / wie das er 50 Ducaten von nöthen / das Hauß mit Nothwendigkeiten zu versehen / und da die zween bey der Wechsel-Banck fürüberritten / der Dritte aber zu Fuß mitgieng / sprachen die zween Reitenden zu den Wechsler: Unser Mit-Gesell wird etwas von dir fodern / daß kanstu ihm geben / gedachten aber nicht / daß sie ihr Gesell betriegen würde: Dann er nam all ihr Geld auß dem Wechsel /und zog damit eylends davon. Alß nun die zween von der Jacht kommen / und verstanden / wie es gegangen / fiengen sie ein Rechts-Handel mit dem Wechsler an / sprachen: Er solte eine so grosse Summa Gelds nicht herauß gegeben haben / [52] sie wären den alle drey (laut mit ihme gethanen Vergleiches) beyeinander gewesen / darumb muste er ihnen die Summa noch einmahl bezahlen / wie sie dann ein solches Urtheil gegen ihm am Rechten ethalten. Dem Wechsler ward nicht unbillig Angst bey der Sach / gieng aber zu einem listigen verschlagenen Procuratoren / dem er seinen Handel nach der Länge erzehlet / und darüber Rahts begehrt: Der hieß ihn den folgenden Tag wiederkommen / weil er sich über die Sach bedencken wolte: Und da er den folgenden Tag wieder kam / sprach der Procarator zu dem Wechsler: Gehe hin mit deinem Klägern wiederumb für Gericht / bekenne daß du übel gethan / indem du das Geld bezahlet / dann laut des Vergleichs hätten alle drey beysammen sein sollen / und sprich: Du wollest die Summa noch einmahl bezahlen / jedoch laut dem Vertrag / daß nochmaln alle drey zu ihm kommen sollen. Als die zween Jüngling dieses höreten /liessen sie den Wechsler mit Frieden / dann sie sahen wol / daß sie viel zu lang auff ihren dritten Mann warten müsten.

33. Die betrogene Fürsichtigkeit
XXXIII. Die betrogene Fürsichtigkeit.

In der Stadt Meyland hat vor etlichen Jahren einer dem andern eine Dublone auß dem Maul gestohlen /welches folgender Gestalt zugangen ist: Ein Herrn-Diener oder Einkäuffer hatte von seinem Herrn eine Dublone empfangen die Nothwendigkeiten für den Haußgebrauch zu kauffen / solchen hat der Einkauffer bey des Ertz-Bischopffs Wohnung / (da solche Hauß-Sachen feil gehalten werden) auff dem Platz auff der Hand hin und her geballet / und seine kurtzweil damit getrieben; etliche wol gekleidete Spitzbuben oder Beutelschneider [53] haben solches war genommen / und dieser Dublonen allerhand Fallen gerichtet / endlich ist einer dieser Seckel-Finder zu dem Einkäuffer gangen / und ihme zugesprochen / er solle das Geld nicht also vor Männiglichen sehen lassen / er möchte leichtlich durch böse Buben dessen beraubt werden / darüber er seinem Herrn schlechte Rechnung bringen würde; Darauff der Einkäuffer sich vernehmen lassen / er wolte die Dublone wol an einem Orth behalten /daß ihme solche niemand stehlen würde / damit schob er sie in das Maul / darauff gieng der Spitzbub hinweg / erzehlt es seinen Gesellen / wohin der Einkäuffer die Dublone behalten; alsobald nahm ein anderer von ihnen etliche Dublonen und etwas Müntz in die Hand / gieng stracks bey dem Einkäuffer durch / als ob er da fürüber wolte / und da er zu demselben kam /stolperte er / und fält das Geld / so er in Händen hatte / alles an den Boden / dessen er sich sehr übel erhub /bate den Einkäuffer / er wolte ihm helffen das Geld zusammen lesen und auffklauben / welches er willig thät / wie er ihme dann etlich Stück auffgehoben und zugestellt hat / darzwischen aber viel Volcks hinzu lief / umb zusehen / was da wäre / da beklagt sich der Spitzbub / wie ihm noch ein Dublon mangelte und abginge / worüber die Leuth noch mehr auff der Gassen suchten / und doch nichts funden / darumb sie den Spitzbuben fragten / wer ihme geholffen das Geld auffheben? Er antwortet / niemand / dann dieser Einkäuffer / darauff die Leuth dem Einkäuffer zugesprochen / so er die Dublone gefunden / solle er sie dem guten Gesellen zustellen / aber der Einkäuffer läugnet / konte doch wegen im Mund habender eygenen Dublon kümmerlich reden / da sprach der Spitzbube zu den Umbstehenden; sehet ihr Herrn / dieser Einkäuffer hat gewiß etwas in das Maul geschoben / dann [54] er ja nicht recht reden wil / da hiessen die Leuth den Einkäuffer das Maul auffthun / dessen er sich sperret /ward ihme also das Maul mit Gewalt auffgebrochen /ein Dublon gesunden / und er dafür gehalten / als hätte er dem andern die Dublon stehlen wollen / da halff auch kein Versprchen / der Spitzbub trug die Dublon davon / und der Einkäuffer kam umb seines Herrn Geld / darzu ward er für ein Dieb gehalten.

34. Der überredete Baur
XXXIV. Der überredete Baur.

Als zu Zurzach / einem berühmten Flecken in der Schweitz / einsmahls auff einem Jahr-Marckte ein frommer Hauß-Mann 3 Ehlen blauen Tuch zum Kleide gekaufft / da beratschlagten sich 3 listige Schälcke / die solches gesehen / mit einander / wie sie mittelst einer behenden List / dem Bauren das Lacken abnehmen möchten / und da sie erfahren / wohin er seinē Weg nach Hauß zu nehmen hette / richteten sie ihre Practick also ins Werck; Der eine stellt sich nahe bey einen Flecken / der andere einen Musqueten-Schuß weiter / also noch weiter der dritte / welcher ein ansehnlicher Mann mit einen schönen Bart / solcher gestalt / daß je einer den andern sehen könte / als nun der Bauer mit seinem blauen Tuch aus dem Flecken kam / gieng ihm der erste umb etwas entgegen / als ob er in dem Flecken wolt / da sie nun zusammen kamen / sprach der Schalck zu dem Bauren / Gott grüß euch mein lieber Freund! Wie theuer habt ihr eine Elle dieß grün Tuchs gekaufft? Der Baur sprach / wie sagt ihr? Solte dieß Tuch grün sein? Nein sagt er weiter / es ich nicht grün sondern blau / und kostet dessen Ell 1 fl. /der Schalck verharret / [55] das Tuch wäre grün / der Bauer aber wolt mit ihm umb daß Tuch wetten / sofern er ihm so viel Geld daran setzet: Daß belobten sie beyde / immittelst nahet sich der andere Schalck /der auch sich stellete / als ob er schnur stracks in den Flecken wolt / und ob er den ersten nicht kennete /den sprachen die zween streitige an / er solte ihnen doch sagen / was das Gegenwertige Tuch für ein Farb hätte? Der sprach zu ihnen / ich glaub / daß ihr nicht gescheid seyd / sehet ihr nicht daß es grün ist? Der Bauer wolte noch nicht verlohren geben / dann er zweiffelt / es wäre ein angelegt Spiel (wie es auch war) sondern berufft sich auff den nachkommenden unpartheyischen Mann / wie dann der dritte alte Schalck darauff anlangte; als nun der Baur solchen alten ansehnlichen / und seinem Bedüncken nach /ehrlichen Mann ersahe / sprach er zu ihme: Mein frommer redlicher Mann / kommet herzu / und entscheidet mich von diesem Man / mit welchen ich gewettet habe / dieß hievor Augen liegende Tuch sey grün / und ich glaub es sey blau / was ist euer Meynung darüber: Da sprach der alte Schalck: Es muß ja ein jedes Kind sehen / daß dieses Tuch grün ist / da muste der arme Bauer das Tuch verlohren haben / und dem ersten Schalck zukommen lassen / der es hernach mit seinen beyden Gesellen theilete.

35. Der behende Schneider
XXXV. Der behende Schneider.

Zu Poictiers in Franckreich wohnete vor kurtzer Zeit ein Schneider / der im Unterschlagen des Stoffes / etc. so fertig / daß er sich nicht enthalten kunte / wann er ihm selber ein Kleid machte / etwas davon abzuzwacken. Dieser machte einsmahls seinem Gevattern ein Kleid von schönem rothem Tuche / und behielt davon ein gut Stück / der Gevatter merckte [56] den Handel zum Theil / wolte sich doch nicht beklagen / dann er wohl wuste / daß sich jeder mit seinem Handwerck nähren müste; Uber etlich Tag kam der Gevatter für des Schneiders Laden / und schwätzet mit ihme / über eine Weil fragt ihn der Schneider / ob er Lust hätte zu einem Häring? Dann es war in der Fasten / er war willig / und gieng mit dem Schneider hinauff / als sich aber der Schneider erinnert / daß er einen neuen Rost in seinem Laden stehen hätte / stund er auff die Stiegen / rufft seinem Jungen / er solte ihm den neuen Rost hinauff bringen / der Jung aber hatte es nicht recht verstanden / sondern vermeint / der Meister hatte ihme befohlen / er solte des Gevatters stück neu Roht hinauff bringen / welches er etwan seinem Gevattern wieder geben wolt / gieng deßwegen über das Aug / also nennen diese Schneider ihren Zippel-behälter / nam das Stück Roht / und trug es hinauff / dessen der Schneider sehr erschrack / sonderlich / weil der Gevatter sein Tuch erkante / der alsobald zum Schneider sagte: Wie / Gevatter Meister / hastu nicht mehr von meinem Tuch genommen / dann dieß Stück? Aha / aha / daß ist zu wenig / der Schneider aber sprach zu ihm: Meinstu / daß ich dir / als meinem lieben Gevattern / das Tuch habe stehlen wollen? Siehestu nicht /das ichs hab hinauff gebracht / und dir zustellen lassen? Ey wol ein schön Ding / ich erspare ihm sein Tuch / und er sagt / ich stehle ihm solches. Der Gevatter war wol zu frieden / nam sein Tuch und zog davon / aber weh dem armen Lehr-Jungen / dann so bald der Gevatter auß dem Hauß / nam der Schneider den Ellen-Stab / und lehret den Jungen eine andere Lection / daß er es ein andermahl besser verstünde /was rost oder roht war.

Nachfolgender Schneider war nicht viel besser: Zween [57] Bürger eines wohlbekandten Orths / wurden uneinig auff offner Gassen / deren der eine zuvor ein Schneider gewesen / derselbig sprach zu dem andern /schweig still du kleines Männlein / ich kan mich noch gar wol erinnern / daß ich dir auß anderthalb Ellen Tuch ein paar Hößlein gemacht / da sprach der ander: Ja wohl / so hastu mir viel Tuchs gestohlen / dann ich hab dir allezeit mehr dann zwo Ellen zu einem paar Hosen gegeben / und ist mir niemahlen einiger Fetzen verblieben / was wolt der gute gewesene Schneider machen?

36. Der behende Müller
XXXVI. Der behende Müller.

Nun gibt den Müllern auch den Ruhm / daß sie an frembden Gut mit grosser behendigkeit ihren Vortheil zu suchen wissen / wie deren Stücklein zum Theil aus den zwo nächst folgenden Erzehlungen erhellen:

Zu einem Müller kam ein Bauer / der wolte ein Malter Korn mahlen / und weil der Müller ziemlich verdächtig / wolte er selbst der Arbeit beywohnen /dann er nicht gesinnet war / aus der Mühlen zugehen /biß er selbsten sehe / wie viel Meel das Malter Korn geben möchte / als er nun den Meister allein in der Mühlen fand / überliefert er demselbigen das Korn zu vollen / da aber der Müller aufgeschüttet / und da beneben des Bauren vorhaben und meinung vermercket /sprach er zu dem Bauren: Lieber Nachbar / siehestu diese Katze (war des Müllers seine / und lag daselbst auff einen Kasten) glaubstu auch / daß diese Fisch fangen könte / und in das Wasser springen solte? Dann du weist das die [58] Katzen zwar gerne Fisch essen / aber die Füsse nicht netzē: Der Bauer Antwortet ihm / daß er solches nicht glauben könte / da nam der Müller die Katz auff den Arm / und sprach zu dem Bauern / komm mit mir auf den Tham ans Wasser hinauß / da wirstu mit Verwunderung sehen / wie bald die Katz ein Essen Fisch fangen wird / führet damit den Bauren hinauß / setzt die Katz nieder / und ließ den frommen Mann in dem Wahn / als wurde die Katze bald ihr Prob-Stück thun; Immittelst stieg der Müller-Knecht (welcher des Meisters Willen wol wuste) durch das heimliche Stäglein in die Mühle /nam ein Theil von den Korn / und verkroch sich wieder: Und da nun der Baur sambt dem Müller lang genug auff dem Tham gestanden / und die Katz nicht in das Wasser springen wolt / sprach der Bauer zu dem Müller: Ich glaub nicht / das heut dein Katz was fangen werde / worauff der Müller antwortet: Fängt diese nichts / so fangt doch einander (vermeinte seinen Knecht / der albereit etwas von dem Korn gefangen hatte.) Der gute Baur verstund es aber nicht /gieng wieder in die Mühle / da er sich dann verwunderte / daß sein Korn nicht mehr außgeben hatte / vermeint doch anders nicht / dann der Müller were redlich mit der Sach umbgangen.

37. Der ungemeine Diebstal
XXXVII. Der ungemeine Diebstal.

Man erzehlet von einem andern Müller / welcher einem Bauern 5 viertel Korn von einem Mütt soll geraubt haben / da doch ein Mütt nicht mehr dann hält /die Sach verhält sich aber folgender Gestalt: Ein Bauer hatte ein Mütt Korn auff einem [59] Pferd zu der Mühlen geführt / der Müller / welcher den Bauren von weitem kommen sehen / beschloß das Hauß und die Mühlen gantz eigentlich / ließ sich weder sehen noch hören; Der Baur kombt zu der Thür / klopffet an / ruffet / Holla! Holla! Aber niemand antwortet ihm /er steigt ab / bind das Pferd an / läst den Mütt-Korn auff demselbigen liegen / gehet hinder das Hauß / willens den Müller zu suchen; Der Müller gibt darauff Achtung / laufft eylends zu der fordern Thüren hinauß / nimbt das Korn / schüttet es in einen Kasten / verbirgt den Sack / macht die Thür wiederumb zu / und begiebt sich schnell in das Hintertheil des Hauses: Indem rufft der Baur / und der Müller gibt ihm Antwort / gehet damit zu der Hinter-Thür hinauß / der Bauer sagt ihme / wie er Mütt-Korn beyder Vorder-Thür auff dem Pferd liegen hätte / bittet ihn freundlich / ihme denselbigen geschwind zu mahlen / dann er des Mehls / wegen vieler angestelten Arbeitern / höchlich von nöhten. Alß sie aber mit einander für das Hauß kommen / und das Korn dahin war / stellt sich der Müller / als ob er darumb nichts wüste / und ihm sehr leyd wäre: Was thut der gute Baur? Er spricht den Müller an / er solle ihm ein Mütt-Korn leyhen / dann einmahl müste er eylend Mehl haben / der Müller sagt ihm solches zu / nimbt den Mütt aus dem bewusten Kasten / mahlet ihn dem Bauren / und nahm noch ein Viertel von demselbigen Korn / und giebt dem Bauren das Mehl von dreyen Vierteln / da doch der fromme Baur ihm hernach den gantzen Mütt redlich bezahlt. Zu diesem setz ich folgenden Anhang: Zu Freyburg hat ein Bauers-Mann den Müllern insgemein gar schmählich zugeredet / und sich so weit vergessen /daß er geredt / die Müller seynd alle mit einander Diebe; Alß aber die Müller die Stadt [60] solches erfahren / haben sie den Bauers-Mann vor dem Ober-Amptmann hefftig darumb beklagt / darauff der Ober-Amptmann den Beklagten gefragt / ob er dieser Worten beständig / und dieselben zu erweisen wuste / oder ob dieselbigen wiederruffen wolte? Darüber der gute Gesell dem Amptmannan antwortet / wie er der Worten geständig / ihm aber leyd sey / daß er solche geredt / könte nichts beybringen / sey aber bereit den Müllern abzureden / und ihre Ehr zu restituiren / jedoch bähte er den Hn. Amptmann gantz demühtig / er wolte ihm so viel Zeit geben / biß die Müller allzusammen kämen / dann weil er sie auff einmahl gescholten / wolte er auch allen auff einmahl abreden /so er aber heut diesen in Freyburg genug thäte / wurden Morgens die aus dem Elsaß / Ubermorgens die auß dem Suntgaw / andere Tage aber die auß dem Schweitzer-Schwaben / Wirtenberger / Lottringer und andern Landen kommen / hätte er also damit wol ein Jahr zu thun / wolte deßwegen ihrer Zusammenkunfft erwarten. Hat aber ihnen biß Dato noch nicht abgeredet.

38. Der behende Kirchen-Raub
XXXVIII. Der behende Kirchen-Raub.

Nach dem Promotheus das Feuer von Himmel geraubt / ist nichts so heilig / das nicht solte entheiliget werden. Gott siehet vom Himmel auf der Menschen thun /und die Gottlosen bleiben nicht vor ihm. Wann der Haußvatter wüste / zu welcher Zeit der Dieb kommen würde / solte er nicht wachen? GOtt aber weiß es /und siehet auff das niedrige. Wie solte er dann ungestrafft lassen / alle die seinen Tempel / [61] als sein Hauß /das ihm zu ehren gebauet worden / bei rauben?

Zu Paris haben vor wenig Jahren die Augustiner Mönchen ein Jubelfest gehalten / bey welchem völliger Ablaß gegen der Gebühr / zu erwerben. Unter einer grosser Menge zusammen geloffnen Volcks /muß sich auch eine grosse Unordnung finden / welche den Beutelschneidern ein halb gewonnenes Spiel an oder in die Hand giebt; dann dieses Handwerck einen schlechten Verlag von nöhten haben / und so bald die Arbeit geschehen / hat der Meister das baare Gelt in den Händen. Bekant ist / daß das Almosen in eine Schüssel geworffen / und wann selbe voll / in einen grossen Stock gestossen wird / darvon hernach die Notdurfft verschaft / und unter andere Armee pflegt außgetheilt zu werden. Auff diesen nun von zweyen Tagen deß Jubelfests her wol angefülten Stock /machten 5 kühne Helden unter den Beutelschneidern /die nur auff grosse Striche bedacht / diesen listigen Anschlag.

Auf den Abend gehen sie in die Kirchen / und einer unter ihnen fällt / zu Folge genommener Abrede / zu Boden / als ob er von der Pest / welche damals sehr agirte / plötzlich gestorben. Die andern werffen einen Mantel auff ihn / und sagen / daß er die Pest an dem Hals gehabt / aber doch vor seinem Todt den Ablaß seiner Sünden gewinnen wollen / daß sie ihn nicht zu Hauß behalten können / und gebärden sich sehr Ubel. Die Mönchen gehen beseits / als welche kein Lust zu sterben hatten / wie auch andere / so in der Kirchen waren. In dem nahet die Nacht herbey / und der Prior bietet ihnen Geld / wann sie diesen ihren Gesellen wegtragen würden / damit ihre Kirche nicht verschreit / und sie des Almosens beraubt / verarmen möchten.[62] Sie begehrten ein Laiter / Stricke / und nehmen etliche Kronen zu Lohn: tragen aber keinen Verstorbenen /sondern den Geldstock / mit dem Mantel bedeckt /aus der Kirchen / und hilfft der / so zuvor als todt niedergefallen / tragen / weil sich der fünffte darvon gemacht / und also nicht mehr als vier gesehen worden. Als nun diese Raub-Vögel das Gelt vertheilet; den Stock verbrennet / in dem die Mönchen ihre Kirchē auß räuchern / den Bösen Lufft zu vertreiben / und als sie die Ablaß pfenning zehlen wollen / und nicht gefunden / haben sie ihre pfleger in Verdacht gehabt /als ob sie solchen entwendet hätte: weil aber der Beweiß solcher Untreue schwer / hat keiner die Katzen die Schellen anhengen wollen; daß niemand wissen mögen / wo dieser Stock / mit so grosser Baarschafft hingekommen. Es gab / sich aber / aus sonderer Schickung des gerechten GOttes / daß der jenige /welcher den Todten bey der Abnahm gespielet / mit der Pestilentz würcklich bestraffet wurde / und in der Beicht bekennet / daß er einer von den Kirchenraubern / der der Augustiner Almosen stehlen helffen /und ist also nach dieser Bekantniß / Gott weiß wie /dahin gestorben. Die andern aber sind wegen andrer Diebs-liste in Verhafft / und an den Galgen kommen.

39. Der behende Beutelschneider
XXXIX. Der behende Beutelschneider.

In Franckreich / und sonderlich zu Paris / ist vor wenig Jahreh annoch berühmbt / oder vielmehr beruffen gewesen / ein Ertz-Filou / nahmens L' Esclair, welcher sich sambt seinen Mitgesellen einsmahls auff dem Jahr-Marck zu St. Germain erhub / zusehen /welcher am meisten Geld / und am wenigsten Verstand hätte: Indem [63] ersehen sie einen Mahler von Antorff / schliessen auch bald auß dessen rothen Kopff und grossen Bauch / daß es in seinem Laden gut für sie seyn werde / zu handeln.

L' Esclair gehet zuerst hinein / sagt zum Mahler /er sey ein Kauffmann von Thoulouse / und wolt etliche schöne Stück mit sich führen / wann er sie umb ein Billiges lassen wolte. Der Mahler sagt: Er wolle ihm ein Dutzet zukommen lassen. L' Esclair besiehet die schöne Kunststücke: Unterdessen kombt des Esclair Gesell auch in den Läden / und bittet den Mahler / er soll ihm eines von seinen Gemählten zeigen: Entlich ersehen sie ein schön Täfflein / darauff Cleopatra gemahlet / solches wollen sie beyde haben / und hat doch keiner Lust / es umb Geld zu kauffen: Alß nun des L' Esclair Gesell den Kaufmann auf ein Seitē zeucht / und sie annimmet / etwas heimliches mit ihme zu reden / gehet L' Esclair auch hernach / fähret ihm unvermerckt in den Sack / und erwischt ein Wischtuch / darinnen auch viel Geld. Alß aber der Kauffmann in seinem Hosen-Sack das Wischtuch suchen wil / ergreifft er dem Esclair die Hand / welche er ihm hält / und fänget an umb Hülffe zu schreyen.

Esclair wincket seinem Gesellen / daß er bey ihn gehe / und giebt ihm heimlich unter seinem Mantel mit der andern Hand das Wischtuch mit dem Geld /daß / wann man nichts bey ihm finde / man nichts mit ihm anfangen könne. Der ander aber geht dem Laden hinauß / und kombt darvon. Der Kauffmann ergreifft den Esclair beym Halß / und sagt: Er habe ihm sein Wischtuch und Pistolen gestohlen; Aber weil Esclair wie ein Bürger gekleidet / ein ehrlicher Mann zu seyn schiene / auch wuste / daß der Dieb schon hinweg war / fänget er an so laut / als der Mahler / zu schreyen /schweret ihm / er soll ihn wieder gut machen / und einen Wiederruff [64] thun / daß er ihn für einen Räuber ansehe. Unterdessen aber / da man Esclair besuchet /und nichts bey ihm findet / rufft des Esclair Gesell auff allen Ecken des Marcks auß: Wer ein Wischtuch mit Geld verlohren habe / wann er nur gewisse Müntze nennen könte / dem solte sein Geld wieder werden. Der Mahler erfähret solches / und wird ihm angst /daß er dem Esclair so hart zugesetzt / hoffet auff der andern Seiten / er werde wieder zu seinem Geld kommen / entschuldiget sich wegen des Argwohns / so er von Esclair gehabt hatt. Esclair war wol zu frieden /daß er also davon kommen könte.

40. Die unglückliche Beutelschneider
XL. Die unglückliche Beutelschneider.

In eben diesem Lande lebte ein beruffener Säckel-Fäger / Nahmens Maillard; Nachdem dieser wegen seiner vielfältigen bösen Stücklein zu Paris / woselbst er auß dem Gefängnüß mit genauer Noth entwischet /sich nicht mehr sicher sahe / begab er sich mit noch 4 seiner Diebes-Cammeraden von dannen / und raubeten erschrecklich im Walde Senlis (welchem man den Zwiebel-Wald nennet /) dann alle / welche auß Niederland / von Cambray / Antorff / und von vielen andern Orthen kamen / wurden in diesem Wald jämmerlich umbgebracht; weiln es ein dicker / finsterer / und deßwegen gefährlicher Wald für die / so in Picardie reisen wollen / ist.

Wie nun solche Gesellen hin und her streiffen /desto eher etwas zu erhaschen / giengen ihrer zween den andern weit vor; Alß sie aber durch Royes und Dondidier / da ein grosses Schiessen angestellet war /zogen / verhofften sie alda [65] etwas stattliches zubekommen / ehe sie wieder zu ihren Gesellen kämen. Derohalben blieben sie bey solchen Schiessen: Aber das Glück wolte ihnen dißmahls nicht wol. Dann alß sie einem Schieß-Gesellen von Amiens / seinen Mantel gestohlen / wurde ihnen so hart nachgesetzet / daß sie endlich ergriffen / über zween Tag mit Ruthen außgestrichen / und mit der Lilien gezeichnet wurden: Alß sie nun von einer Gassen zu der andern geführet / und von einem grossen Hauffen begleitet wurden / welche ihnen in das Angesicht speyen / und sie mit Dreck würffen / nahmen sie ihnen vor / sich an ihnen zu rächen. Und alß sie an der Pforten / altem Brauch nach /ihre fünff Schilling empfangen hatten / und von Mondidier verwiesen waren / begaben sie sich zu ihren Gesellen in den Wald de Pont / und klagten denselbigen das Unglück / so ihnen wiederfahren.

41. Die listige Rache
XLI. Die listige Rache.

Es war aber Maillard von natur sehr rachgierig / dannenhero nahm er ihm vor / er wolte sich rächē / wo nicht an der Obrigkeit / doch auffs wenigste an dem Hencker. Gehet darauff mit seinen Gesellen / und verkleidet sich wie ein Bauer. Nun muß man aber mercken / daß die Marcktage der Hencker pflegte etwas zu nehmen von aller Essen-Speiß / so auff dem Marckt verkauffet wird.

Maillard kaufft ihm etliche Säck Korn / setzte sich damit auff den Marckt / wie die andere auch: Befielet unterdessen seinen Gesellen / sie sollen allen mögligsten Fleitz anwenden / daß sie einem den Beutel abschneiden / und so bald ihme bringen: Die feyerten nicht / sondern [66] gehen hin / und schneiden des Leutenants (welcher ein Richter der Peinlichen Sachen war) Weibe / welche Korn kauffte / den Beutel / so an einer silbern Kette hieng / ab / so geschwind / daß sie es nicht mercken kunte: Bringen auch so bald den abgeschnittenen Beutel dem Maillard / welcher auff dem Marckt saß / und sich wie ein Bauer stellete.

Alß er nun den Beutel emfpangen / kam der Hencker und wolte das seinige auch von ihm haben: Maillard nimbt sein Mäßlein / füllet es voll Korn / verstecket unter das Korn den gestolenen Beutel / und gibt ihme sein Gebühr / und mit solchem auch dem Beutel / welchen er aber nicht sehen könte.

Der gehet seinen Weg fort / und kombt zu des Leutenants Weibe: Und da er wolte einem Bauren einen Stoß geben / der ihm sein Gebühr nicht bezahlen will / stösset er das gedachte Weib so hart / daß sie schier zur Erden gefallen wäre; Darüber dann Mayllard frölich wurde; dann er gedachte / der Stoß würde an gehn / sich in kurtzen zu rächen / saget derhalben zu denen / die nahe sassen: Sehet den Hencker an / wie er die Frau drücket / mich düncket / er wolle ihr den Beutel außführen.

Eine halbe Stunde hernach / als ermeltts Weib einen Korb voll Birnen bezahlen wolte / siehet sie /daß der Beutel mit dem Geld sambt der silbern Ketten ausgeführet ist: Sie siehet sich umb / und siehet niemand / als den Hencker: Nun hatte sie keinen Argwohn auf den Hencker / dann sie kunte ihr nicht einbilden / das die / durch welcher Hand die Ubelthäter gestraffet werden / mit Diebs-Nägeln krauen solten: Sie gehet auff dem gantzen Marckt auff und ab / fraget / ob jemand einen Beutel gefunden / und gehet darauff an alle Orth / da sie zu vor gewesen: Unterdessen sagt Maillard zu seinē Nachbaren / er habe gesehen / daß der Hencker DiebsSchärlein [67] gehabt / und der Frau nach der silbernen Kelten gegriffen; das Geschrey bricht so bald auß / es sagts eins dem andern /biß es des Leutenants Weib auch erfähret; welche in ihrem Argwohn desto mehr gestärcket wird / weil sie dem Hencker umb sich gesehn: Sie läst ihn greiffen und besuchen; als man aber in seinen Kleidern nichts finden kunte / wird jederman darüber bestürtzet; der Hencker verschwur sich; er wäre des bezeugten Diebstals unschuldig / und dachte nicht / daß ihm ein solcher Posse von dem Maillard gerissen worden. Alß man nichts bey ihm finden kunte / ist einer unter dem Volck / der rufft / man soll auch seinen Sack besehen.

Hierauff leeret man dem Hencker seinen Sack / und jederman verwunderte sich / da man auff dem Boden seines Sacks dem Beutel und die silberne Kette fand. Maillard stund auch unter dem Volck / stellete sich als wäre er ein Picard / und sagte: Er hielte vor rahtsam / wann man den Hencker mit der Maasse mässe /mit welchen er andern pflege zu messen / und wann es mangeln solte / wolte er selbst Geld zu schiessen /daß man einen Strick kauffen möchte: Ja sagt er: Wann ers noch einem andern gethan hätte / so gieng es noch etlicher masse hin; Aber daß er solchem Weibe den Beutel geschnitten / daß sey zu grob /dann da habe er seinen Wiedersacher selber zum Richter. Man führet den Hencker in des Leutenants Hause / welcher / als er dessen Unverschämbtheit siehet / spricht er ihm so bald das Urtheil / daß er an offentlichen Strassen soll mit Ruhten außgestrichen /und mit der Lielien-Blume gezeichnet werden: Er hatte ihn bald gar auffhencken lassen / wann er nicht von ihm appelliren können; aber weil man so bald keinen andern Hencker haben kunte (man hätte entweder nach Compiegne / oder Noyon nach einem schicken müsse / [68] die weil keine nähere Stadt diese Wahr hatte) der ihn striegeln könte / war da des Maillards Gesellen einer / der gab sich an und sagte: Wann man es ihm erlauben würde / wolte er den Hencker sowol als ein ander außstreichen / daß jederman solte zu frieden sein: Man zeucht den unverschuldeten auß: Dieser Filon fing an mit ihm die lange Gassen hinab zu tantzen / und war kein offentlicher Platz / da er nicht eine grosse Ruthe verstriche: Dann je mehr der Hencker bate er solte ihm nicht so Unbarmhertzig sein / jemehr striche er darauff: und also wurdē des Maillards Gesellen / welche von weitem diesem Bären-Tantz zusahen / gerochen an den Henckern /welcher sie auch vorher redlich bezahlet hatte.

42. Der betrogene Bürger
XLII. Der betrogene Bürger.

Gleich wie Paris eine Welt voller Volck / also ermanglts auch daselbst nimmer an Beutelschneider und Leut betrieger. L'Escluse war ein Meister darunter /welcher vor allen Dingen dahin trachtete / daß er dieses oder jenes wolhabendē Bürgers Zustand umbständlich außforschete / als er nun auff eine Zeit woll auß gekundschafft / daß ein vornehmer Bürger / so in der Strassen St. Antoine wohnete / einen Meyer oder Hoff-Man hatte zu Lovore en Parisis, gehet er an selbigen Orth und spähet alles wol auß. Er erforschet alle Gelegenheiten des Hoffes / und erfähret / wie der Hoffman und seine Knechte heissen. Und alß er dieses Fundament gelegt / nach dem Exempel der Jäger /welche des Abends die Höle besehen / welche sie Morgends durchsuchen wollen; kehret er wieder [69] gen Paris / zeiget seinen Gesellen an / was er außgespürt habe / was er auch für ein Garnstellen wolle / den Hasen zu fangen: Und als er wuste / daß der Bürger zu Hauß war / verkleidet er sich zuweilen als ein Bürger und Bauer verfügt sich zu ihme und redet ihn also an.

Mein Herr / es ist nun acht Tage / daß ich auf eurem Hofe Lovore diene / bey Martin le Clair / aber es ist uns ein grosses Unglück wiederfahren. Der Bürger und seine Haußfrau würden darüber sehr bestürtzt / dencken / ob vielleicht der Hoff sey abgebrennet /oder der Hoffman gestorben: Fragten derhalben was es sey?

Mein Herr / antwortete L'Escluse / ihr sollet wissen / daß / als euer Hoffman und ich gen Paris jetzunder kommen / und etliche Früchte herführen wollen / und wir in die Vorstadt St. Martin kommen / uns ein Radt zerbrochen / darüber mein Herr von dem Korn ihme ein Bein zerfallē.

Dieses hat mich gawaltig erschrecket / doch ist mir dieses so bald eingefallen / daß ich der Pferde eins genommen / und ihn zu dem Bailleul / welcher nahe bey dem Creutz du Tiroir wohnet / geführet habe: Unterdessen aber habe ich seinen Sohn Peter le Clair bey dem Korn gelassen / der soll ihn verwahren / und alda zwey neue Räder machen lassen: Bin also hieher kommen / Euch meines Herren wegen zu bitten / daß ihr ihn besuchen wollet. Als nun der Bürger dieses höret / stehet er auf / und zeiget mit Verenderung seiner Farbe an / daß ihm solch Unglück hertzlich Leyd sey; desgleichen ist des Bürgers Weib nicht weniger drüber bekümmert / und wolte so bald mit ihren Eheman hingehen den Hoffman zu besuchen / aber L'Escluse machte / daß es nicht geschahe / und gieng nur der Bürger mit.

Als sie nun auff dem wege seynd / reden diese von Ackern [70] und Gütern / Lovore en Parisis / ob sie noch wol gebauet seyn / wie und wo sie liegen / und dergleichen: Da nun L'Escluse dem Bürger / als dem Hoff-Herren / solche Antwort geben kan / wolte er nicht zweiffeln an der Auffrichtigkeit dieses vermeinten Fuhr-Knechts. Als sie aber nahe an die Gassen St. Martin kommen / und durch die Jacobs-Gasse in die Gassen St. Honnore gehen wollen / sagte L'Escluse: Mein Herz / ihr wisset doch selber / wo Bailleul wohnet / so muß ich wieder zu meinen Pferden gehen /und sehen / daß die Räder gemacht werden: Aber das ist der Mangel / daß ich keinen Schilling habe / den Wagner zu bezahlen: derohalben wollet mir eine Krohn 2 oder 3 leihen / damit ich die Frucht in die Korn-Halle führen könne: dann wann ich komme /wird der Marcke schon gehalten seyn; der Bürger beschwert sich nicht darüber: Er findet aber nicht mehr in seinen Seckel als 2 Pistolen / dieselbe gibt er ihm und gehet seinen Weg forth / vermeynet / er werde seinen Hoffman bey dem Artz antreffen. Sie scheiden also von einander / der Bürger gehet zu dem Wund-Artz Bailleul / L'Escluse aber wendet ümb / und gehet durch die Gassen St. Martin / als wolle er zu seinen Wagen und Pferden gehen / aber er gienge den kurtzesten Weg. Den er ware noch nicht zu frieden / daß er dem gedachten Bürger 2 Pistolen durch sein Vorgeben hette auß dem Beutel gelocket / sondern nimbt ihm vor / er wolle so bald auch so viel von des Bürgers Weibe erhaschen. Bricht durch die erste Gassen /setzt seine Hoffnung / auff die Geschwindigkeit seiner Füsse / gehet in des gedachten Bürgers Hauß / da er die Frau antraff / da sie sich noch anzoge / thäte / als wann er sehr gelauffen hätte / und sagt: Meine Frau /euer Herr hat mich hieher geschickt / [71] er bittet euch /ihr wollet ihn ohn Verzug 25 Pfund Geld schicken; Die Frau / welche gar alt war / gibt ihm so bald was er begehrt. Und als er das hinweg hatte / brauchte er die vorige Arglistigkeit: Bate die Frau / sie solte ihm 2 Pistolen geben / daß er die neue Räder bezahlen könte. Alß er aber nun hatte / was er begehrte / gehet er zu seinen Gesellen / und erzehlet das grosse Glück / fangen darauff an zu Essen und zu Trincken / und machten sich lustig.

43. Der betrogene Weinhändler
XLIII. Der betrogene Weinhändler.

Alß dieser L'Escluse einsmahls wuste / daß ein vornehmer Wein-Händler in der gegend S. Eustache /gute Kundschafft in Burgund / in der Stadt Auxerre hatte / und daß man ihm eine grosse Menge Weins in kürtzer Zeit schicken soll / kleidet er sich / wie ein Schiffmann / gehet hin zu gedachtem Kaufman / welchen ich P. Espine nennen wil / und redet ihn also an: Mein Herr / es ist draussen am Wasser ein Schiff voll Wein / welches euch von Herzn Laulean / Kauffman zu Auxerre wird zugeschicket: ihr kont an das Wasser kommen / und den Wein empfangen / die Brieffe an euch / die ich im Schiff gelassen / und mit zu nehmen vergessen / könnet ihr alsdann lesen / und selber sehen / was er schreibet.

Alsobald läst der Kauffmann die alte Weinfasse /so noch in seinem Keller waren / hinweg thun (Platz zu machen für den Wein / der so solte eingekehrt werden) und das Frühstück zu bereiten.

L' Escluse ist wolgemubt / daß ihm der Poß so wohl angehet / fänget an mit seinen Backen-Zähnen zu mahlen / und zu trincken: Unter Essens aber erzehlet er [72] dem Herrn Espine / wie grosse Gefahr sie außgestanden auff dem Wasser Seine.

L' Espine nimbt etliches Geld bey sich / daß er die Unkosten / so auff dem Wein hin und wieder lauffen wurden / so bald bezahlen könne / und hat schon Sorg / er werde nicht Fuhrleute gnug bekommen können /daß sein Wein heimgeführet werde: Aber er wird sehr bald das Gegenspiel befinden: Dann alß sie gar nahe kommen / a la Greve / nimmt sich L'Escluse an / er habe vergessen / sein Wambs mit zu nehmen: sagt zu dem Herrn de l'Espine / er soll nur gehen zu dem Haven St. Paul / dann er wolle eben so bald / als er /auch da seyn.

Der Kauffmann / welcher an keinen Betrug gedachte / gehet seinen Weg fort / und wartete ein Zeitlang auf seinen Schiffman / welcher aber nicht begehret wieder zu kommen: Dann er kehrete stracks wiederum / kam in grosser Eyl in des Kauffmanns Hause zur Frauen gelauffen / und sagte ihr: Ihr Herr hätte nicht mehr als vor 4 Stück Wein Gelds bey sich genommen / und muste noch 40 Cronen haben / dann es wären noch 24 Stück Wein in dem Schiff / diese giebt ohn einiges Nachdencken noch 40 Cronen / mit welchen er sich zu seiner Gesellschafft verfüget / und die Beute außgetheilet.

L' Espine wird unterdessen unwillig / daß er so lang warten soll / nimmt ihm entlich vor / er wolle alle Schiff im Haven besehē / ob er vielleicht möchte antreffen / das / so ihm zustünde: Aber er kunte nichts finden. Gleichwohl aber konte er das noch nicht glauben / daß der Schifmann ihn hätte betriegen wollen /bevor ab / weil er ihm so viel vom Wein erzehlet /und auch mit ihm gefrühstücket hatte: Dencket auch /wann er je betrogen sey / so koste es ihn nicht mehr als die Mahlzeit: Endlich aber / nachdem er am Wasser auff und abgelauffen / und alles wol durchsehen hatte / muste er wieder im Schimpf heim gehen / [73] und selber bekennen / daß der Schiffmann nur seiner gespottet hatte.

Alß er nur zur Hauß-Thür eintrit / fraget ihn seine Hauß-Frau / warümb der Wein nicht komme / da sie ihm doch mehr Geld / als er begehrt hätte / geschickt habe. L'Espine erschricket / und fragt / ob sie ihm Geld habe nachgeschickt? Und als sie eine dem andern erzehltē / was ihnen wieder fahren / sahen sie /daß sie betrogen waren.

44. Der überlistete Advocat
XLIV. Der überlistete Advocat.

Ein überaus listiger Advocat nahmens le Bref aus der Picardie / verfolgte zu Paris ein Apellations-Sache /und als er einsmahls auff die neue Brücke ausspatzirte / neue Zeitungen zu vernehmē / fand er / was er nicht suchte. Dann als er dem Spiel / welches daselbst fürgieng / zusahe / stelleten sich ihrer zween ein / deren einer wie ein Spanier / der ander wie ein Frantzoß gekleidet waren. Diese als sie den Picard wohl besehen /und alles wohl betrachtet hatten dauchte sie / es wäre einer / der ihm die Seyl über die Hörner werffen lasse. Derohalben der Spanier diesen anredete: Mausaur /die Pistoll ist guht? Ich sie gebe dem Maussaur / er mich soll führen in Losament / dann ich Spaynol bin /ich weiß nicht / ich verlohren die Man / die Dolmetsch; Ich bin in Herberg zu drey weissen Thiren; er wolte aber sagen zu den 3 weissen Tauben.

L' Bref nimbt die Pistol / und sagte: Sie sey guht /es werde sich niemand beschweren sie für guht anzunehmen. Auff diese Wort stellete sich des Spaniers Geselle / als trieb er sehr an ihm / daß er mit ihm gehen [74] solte / und ob er Sorg habe / daß L'Bref ihme vorkomme sagt derhalben zum Spanier: kommet /mein Herr! ich wil euch in die Herberg führen.

Der Spanier nimbt sich äusserlich an / als habe er nicht Lust dem Frantzosen nach zu folgen / sagt derohalbē zu L'Bref heimlich / er sey schon vielmahl von Beutelschneidern betrogen worden / und traue deßwegen dem / der sich selber anbiethe ihn in die Herberge zuführen / nicht wol: Bitte ihn derohalben / er wolle mit ihm gehen / er wolte ihm gern eine Pistolen geben.

Dieser Frantzos / wiewol er sonsten ein durchtriebener Schalck war / konte doch nicht den Betrug merckē; sondern weil er ein mitleyden mit diesem vermeinten Frembden hatte / welcher sich Kranck stellete / gehet er mit / ihn in seine Herberge zu führen / bevorab / weil er gedachte / er könte eine Pistolen gewinnen. Also machen diese drey sich auff / und hatte einer gegen den andern gantz wiederwärtige Gedancken. Der Spanier erzehlet dem L'Bref auff dem Wege / wie man in seinen Land den Frembden so viel Treu erzeige / und daß es ein Werck der Barmhertzigkeit sey / wann man einen Frembden auß der Rauber Hände helffe / und ihn an sichern Orth begleite. Durch solche bewegliche Worte wurde L'Bref noch mehr zum Mitleiden gegen ihn bewogen.

Als sie nun den Weg herab zum Palais gingen /und durch die Schuflickerey wolten zu den 3 weissen Tauben gehen / kam zu ihnen ein anderer Filou / gekleidet wie ein Spanier / auß Gallicien: Und als er den Spanier sahe fält er ihm ümb den Hals / und spricht zu ihm: Monssaur! O lange Zeit ist es / daß ich nicht gesehen habe euch / wie euch gehet es / ich mir wol gehet / ich muß einmahl mit euch und die gantze Geselschafft trincken.

[75] Der andere bittet / er wolle ihn entschuldigen /dann er müsse in seine Herberge gehen; entlich aber verspricht er / mit ihm zu Mittag zu essen / doch daß die in seiner Geselschafft mit kommen solten: Der Bref und sein Gesell / welcher biß auff solche Zeit sich gar einfältig gestellet / und kein Wort geredet /gehet endlich mit. Hierauff bereitet man das Mittagmahl: Die zween Spanier stellen sich / als seyen sie hertzlich froh / daß sie sich ein mahl angetroffen; der Bref aber ist froh / daß er beneben einer Mittags-Mahlzeit auch eine Pistol bekommen / der Spanier aber / welcher zu erst den Frantzosē auff der neuen Brücken angetroffen / damit man ihren betrüglichen Anschlag destoweniger mercke / stellet sich / als sey ihm übel / und wolte ihm die Speise nicht schmecken; als es der andere Filou siehet / redet er ihm also zu: Ey mein Herr / ihr müsset euch lustig machen: Wann ihr schon ausserhalb eurem Land seyd / so seyd ihr versichert / daß ihr bey guten Freunden seyd; Spricht ihm auch ein Hertz ein / daß sie darauff anfangen zu Essen und zu Trincken / und vergisset der Breff seiner auch nicht. Als sie aber ein wenig gesessen / und von dem Wein warm worden / ließ der Spanier ihm Karten bringen / die Zeit ein wenig mit den Filou zu vertreiben: Unterdessen aber hatte der Bref sein Gespräch mit dem andern Spanier / welcher ihm von allerley Essen gab.

Der Spanier zu den drey weissen Tauben nimbt die Karten / und spricht zu dem Filou / dem Frantzosen /er wolle ihm ein Spiel weisen / mit welchem er neulich 50 Pistolen verlohren habe. Der andere Spanier gehet unterdessen hinauß / nimbt sich an / als habe er was im Hauß zu verrichten / und bleibet der Bref allein mit dem Filou dem Frantzosen / welcher sagte /er verstünde das Spiel / und wolte mit ihm umb eine Cronen spielen.

Sie fangen hierauff zu spielen / der Bref aber zu [76] zu sehen / und das Spiel auch zu lernen / sobald als er das Spiel verstund / fing er an zu beweinen das Glück dieses Frembden; dann er dachte / er würde all sein Geld verlieren.

In dem sie nun spielen / kommen zween ihres Handwercks in ihre Kammer / und nahmen sich an /als wann einer den andern nicht kennete: Nach deme nun die beyde einem Spiel oder zwey zugesehen / sagten sie zu dem Spanier: Mein Herr / wir wiederrahten euch zu spielen dann ihr werdet all euer Geld verspielen. Als Breff dieses hörete / die beyde erst ankommene hätten auch ein Mitleyden mit den Spanier / wie er; war Er zu frieden / daß es ihm diese gesagt hatten /dann er dorffte ihn nicht warnen. Der Frembde sagte /er wüste das Spiel wol / und wolte noch 30 Pistolen auff setzen: Dann es war also angestelt.

Des Bref Gesell / welcher lange Zeit kein Wort gesagt / wendet sich zu dem Bref / und spricht zu ihm: Wann ich Geld genug hätte zu solchem Spiel / wolte ichs auch spielen; Derohalben wann ihr das halbe Theil wollet einsetzen / so will ich geschwind bey einem meiner Freunde so viel entlehnen / als mir wird vonnöhten seyn: Ey es wäre doch eine Lust / wann unser jeglicher dem Spanier könte abgewinnen / daß er ihm ein stattliches Kleid davon könte machen lassen.

Die zween frisch angekommene erbaten sich auch /sie wolten halben Theil einsetzen / als es der Bref sahe / daß nicht allein diese / sondern auch der vermeinte Frembde so hertzhafftig war / dachte er / es wäre eben so guth / da er / als die andere / der Frembden Geld hätte / sagte derohalben / er wolte in das Spiel setzen / alles was er hätte: So bald gehet sein Gesell zur Kammer hinauß / und nimbt sich an / er wolle Geld entlehen / damit der Bref den Betrug desto weniger mercken könte; Unterdessen [77] suchte der Bref auß seinen Hosen-Sack 20 Cronē. Der Filou kompt so bald wieder / und wirfft auff den Tisch 15 Pistolen für seinē Theil / aber der Bref sagte er habe nicht mehr als zwantzig Cronen: wie wol aber jener sich beschwerte umb so wenig zu spielen / sagte er doch / er wolte wieder sie nicht weniger als 40 Cronē setzen /unn solten sie beyde mit einander 40 Cronen einsetzen: Er zehlete hierauff seine 40 Cronen / und thut sie in ein Wischtuch / ihr Geld aber in ein anders / daß ers desto leichtlicher möchte hinweg nehmen. Der Filou sagt zu dem Bref: Nehmet ihr die Karten / ihr spielet ebē so wol als ich / dann ich weiß / wir beyde werden gewinnen. Der Bref dachte nicht / daß er verlieren solte / nimbt die Karten / und nach dem er sie in 3 Theile getheilet / und die erste Karte gesehen /siehet er die andere an / welche die Sand-Uhr war /daß ist / daß alßdann / wann die ersten wurden kommen / sie ihm wurden anzeigen / daß die darauff folgen wurde: Und damit ers nicht vergesse / sahe er sie nicht mehr als dreymahl an: Sein Gesell sagt hierauf: weiset mir die Uhr / daß / wann es komme / ich es euch sage; und nimbt die Karten / stellet sich / als sehe er die Sand Uhr an / unterdessen aber stecket er unvermerckt eine Karte zwischē die zwo / nemblich zwischen die Sand-Uhr / und die erste Karte / und gibt sie ihm darauff wieder: Der Bref / als er die 3 Karten genommen / legte er sie unter die Sand-Uhr /daß sie sich nicht zwischen den zweyen finde / darauff fänget er an die Karten / eine nach der andern ümb zu schlagen / und schluge zweymal auff jede wie man thun muste / also sagend: Daß ist sie nicht / biß er die Sand-Uhr gefunden / da sagte er: Daß ist sie; dann er meinete / er hätte das Spiel gewiß / aber da die Sand-Uhr eins schlagen solte / schlug sie Fünf / und für ein Asdecoeur / bekam er eine cinq de Carreau.

[78] Darüber verstummete er: Der Spanier aber nam die zwey Wischtücher mit dem Geld / und kunte den Weg in seine Herberge ohne einige Nachfrage finden. Der andere Filou / der Frantzoß fing an wieder den Bref zu rasen / sagte / er hätt gemacht / daß sie das Spiel verlohren hätten: Dann / da er die 3te Karte unter die ander legen sollen / hätte er sie zwischen die beyde gelegt / dann die dritte Karte war auch ein Cinq de Carreau / war aber dem Frantzosen nicht umb Schaden zu thun / sondern begehrte nur dem Bref angst zu machen. Dann er traff die Thür so wohl als andere /aber Bref blieb gantz allein bestürtzet: Dann er hatte das Recht seiner Recht fertigung / daß ist / sein Geld verlohren.

45. Die verlohrne Wette
XLV. Die verlohrne Wette.

Auß Franckreich hat man vor einigen Jahren des Lands verwiesen einen Ertz-Beutelschneider / Nahmens Adrastus von Pontoise. Dieser begab sich drauff nach der Stadt Panzano in Italien / und weil er dem Obristen darinn einsmahls wieder etliche Conjuraten sein Leben errettet / halff ihm dieser zur Danckbarkeit allemahl / so offt er auch des Diebstals wegen angeklagt ward. Gleichwohl machte ers so grob / daß der Obriste ihn bedrohete / er muste das Stehlen lassen /oder er würde ihn müssen straffen. Ich bin aber /sprach Adrastus / zum Stehlen gebohren / wie ein Vogel zum Flug / und wann ich solches lassen könte /wolte ich lange wieder in Franckreich gewesen seyn. Ich wil euch ein Meisterstück sehen lassen / daß kein Mensch / er sey so verschlagen als er wolle / sich vor mir soll vorsehen können / wann ich einmahl [79] mir vorgesetzt ihn zu bestehlen / und will ich umb 50 Kronen mit euch wetten / daß ich euch / so fern ihr allein in euer Schlaff-Kammer seyd / das Beth unter dem Leibe stehlen wil / und sollet mich daran nicht verhindern können.

So must du dann (sagt der Oberste) ein Schwartzkünstler sein. Ich versichere euch / mein Herr / antwortet Adrastus / daß ich die schwartze Kunst nicht gelernet / aber diesen Abend solt ihr in der That erfahren / daß ich euch die Warheit gesaget.

Der Obriste sagt / er wolle seiner warten / auch die Thür verwahren / daß er nicht in sein Hauß kommen könne / und also gaben sie das Geld / darumb sie gewettet hatten / in die dritte Hand / damit / wer das Geld gewinne / es bald haben möge. Er spindisiret bey sich selbsten / wie er die Sach angreiffe / damit er seiner Verheissung ein Gnügen thue / und das Geld gewinnen möge / siehet sich umb / daß er eine Leyter / Klüppel / Zangen und ander Mäuerzeug bekommet /und gehet damit zu des Obersten Hauß.

Nachdem Adrastus seine Leiter angeschlagen / steiget er oben auff den Hauß-Giebel / fänget an mit seinen Instrumenten zu arbeiten / zerreisset das Dach /und thut oben den Boden hinweg. Der Herr / welcher im Bette lieget / höret das Klopffen / und sagt bey sich selber: Man siehet wohl Adraste / daß du die Sachen übel verstehest / deine 50 Kronen seyn verlohren / dann dein Geklopff hat mich erwecket.

Unterdessen aber arbeitete Adrastus fleissig mit seinen Werckzeugen / seinen vorgenommenen Raub ins Werck zu setzen; Wiewohl es auch den Herrn im Hause verdroß / daß man ihm das Hauß oben sehr verderbete / jedoch weil er hoffte / er wolte die Wettung gewinnen / litte ers mit Gedult.

[80] Als das Loch oben in der Kammer durch Adrastum gemacht war / wartet der Herr mit Ungedult zu sehen /was doch das für ein Ende nehmen würde / und meynete nicht anders / alß daß er die Wettung gewonnen hette: Indem fällt der arme Tropff durch das Loch herab / als wann er todtwäre. Der Obriste erschricket über dieses Spectackel / dann er siehet / daß der Adrastus todt ist. Er rufft so bald seinem Diener / und nehmen den Todten stillschweigens / und werffen ihn an einen Orth / da allerley Unrath zusammen floß.

Alß nun der Obriste wieder in seinem Beth ruhen wil; kombt ihm das seltzam vor / daß er in seiner Kammer sein Beth nicht mehr findet. Er gehet in seiner Kammer auff und ab / und weiß nicht / ob das ein Traum oder Zauberey sey / bildet ihm ein / Adrastus habe sich gestellet / als wann er todt sey / auff daß /wenn man ihn hinweg trage / einer seiner Gesellen komme / und das Beth hinweg nehme; Wann er aber wiederumb bedencket / wie der todte Cörper gantz kalt gewesen / wie kein Glied am Leibe sich mehr gereget und beweget hat / wird er einer gantz andern Meynung: Indem er aber in solchem Zweiffel ungefehr auff den Tisch siehet / findet er einen kleinen Brieff /in welchem also geschrieben stehehet:

Mein Herr / es ist mir Leid / daß ich euch diese Nacht in eurem Schlaff und Ruhe verhindert: Dann die Wettung / so ich mit euch gethan / hat mich gezwungen euer Beth hinweg zu tragen: Es ist aber solches zu keinem andern Ende geschehen / alß euch würcklich zu bezeugen / daß keine Schalckheit ist /welche ich nicht wisse anzustellen / und wiewohl ihr mich Todt gefunden habt / so wil ich doch Ursach nehmen / euch den morgende Tag zu besuchen euern[81] Befehl anzuhören und außzurichten / auch zu beweisen daß ich allezeit bin und bleiben werde.

Mein Herr

Euer demühtigster Diener

Adrastus


Des Morgens kombt Adrastus zu der versprochen Zeit mit einem / welcher das Beht wieder bringet /und foderte die 50 Cronen / welche er gewonnen hatte. Mein Freund sagt zu ihm der Herr / ihr solt das Geld / darumb wir sie gewettet haben / nicht bekommen: Dann ich habe in meiner Wette außgedinget / ihr sollet keine Zauberey gebrauchen. Welches ihr aber nicht gehalten habt. Dann ich sehe euch lebendig und bey guter Gesundheit / da ich euch doch vergangene Nacht für todt weggetragen. Es ist mit doch zu viel /daß ihr mir mein Dach und Boden zerbrochen und durchlöchert habt.

Mein Herr antwortet dieser / ihr möget thun was es beliebet: Wann ich aber mache / daß ihr selber bekennen müsset / daß es mit keiner Zauberey zugangen /seyd ihr dann zufrieden / daß man mir die 50 Kronen /darumb wir sie einander gewettet haben / liefere? Ja /sagt / der Oberst aber ihr werdet das nicht zu wegen bringen können: Dann das ist natürlicher Weise nicht geschehen. Damit sie nun den rechten Grund der Sachen sage / antwortet Adrastus / so wisset ihr / daß gestern einer auffgehencket worden mir gar gleich gesehen / sonderlich / was die Nase in Barth anlanget. Bin also hingangen / und den zu dem Galgen genommen / ihme meine Kleider angezogen und ihm durch Hülff meiner Mitgesellen oben auff ein Hauß geschleppet; und als ich sahe / das ich nicht mehr [82] als ein Loch machen durffte / hinein zukommen / nam ich mir vor / durch das Loch den gehenckten Cörper in die Kammer fallen zu lassen / dann ich wuste / daß ihr ihn würdet hinweg tragen / und wurde ich unterdessen / Zeit genug haben / durch Hülff meines Mitgesellen / das Bett hinweg zutragen. Ihr könnet nun hingehen / und den todten Cörper des Gehenckten selber besichtigen / und könnet mir das Geld / so ich gewonnen / geben. Der Oberste wurde hierüber noch mehr bestürtzet / schlug dem Adrasto auff die Achsel / und sagte: Er müste sich über solches Stück verwundern / und dieweil er nicht so bald glauben / auch ihm das Geld nicht geben wolte / er hätte dann alles wohl gesehen / giengen sie mit einander hin / des gehenckten Cörper zu besehen / welcher dann noch ein stück vom Strick an seinem Halß hatte. Seit der Zeit hiel der Oberste viel von diesem Räuber / und machte ihn zu einem Trabanten / weil er allerley Arglistigkeit erdencken kunte.

46. Die betrogene Italiänerinn
XLVI. Die betrogene Italiänerinn.

Nach dem dieser Adrastus eine zeitlang des Obersten Trabant gewesen / und zugleich das Diebs-Handwerck getriebē / lernete er alle Oerter in der Stadt kennen / wo die schönsten Dames und Frauen finden waren. Unter andern machte Kundschafft mit einer sehr reichen / welche lange Zeit ziemlich Geld von ihm einnahme. Aber seydt der Zeit / mit Adrasto sie gemeinschafft gemacht / spührete sie / daß zu weiln ein siilberner Teller oder Becher dahinden bliebe. Als nun des Adrasti besuchen eine zeitlang gewähret / [83] und die Frau ihn ein wenig kennen lernet / war sie so sorgfältig / und ließ alles wol verwaren / damit er nicht etwas mit sich nehmen könte: Als nun allgemach der Beutel anfieng die Schwind sucht zu bekommen / stellete er sich gar verliebet gegen ihr / gab auch auß / er wolte seine Freund dazu gebrauchen / damit er sie möge zur Ehe bekommen / die Frau weil sie hörete /daß er von Heuraten redet / stellete sie sich Freundlich daß sie sich unter einander / die Ehe verbiessen. Adrastus hatte aber in seinem Hertzē keinē andern Vorschlag als daß er sie unter diesem Schein betriegen wolte Entlehnet derhalben etwas Geld von seinen Freunden und stellete seine Sach an / daß sie zur Kirchen gehen.

Adrastus wartet unterdessen auff Gelegenheit sein Weib zu berauben / und als auff eine Zeit sie in die Kirche gangen war / nimbt er ihr 800 Cronen / stahl ihr also in einer Stund / an welchem sie lange Jahr gesammlet. Und als er dieses gethan / zeucht er gen Florentz / da man dan der Waaren eben so wol / als an andern orthē findet und nachdem er sich wie ein vornehmer von Adel gekleidet / führet man ihm die schönste Weiber in Florentz zu dan das Spiel-Wirts und Hutē-Hauß war sein stetiges Lokament / und gieng es mit dem Geld / wie es sonsten mit unrechtem Guth pfleget herzu gehen / daß es nicht lang wäret.

Adrastus gieng so lang mit dem Krug zum Brunnen / biß er ihn endlich zerbrach. An statt der Rubin-Streinē welche er den Florentischen Donnes an die Finger gesteckt / stecken sie ihm an die Stirn ander abscheuliche h.e. er bekam die Frantzosen. Da lernet er / was ein Quintlein Wollüsten gegen so viel Schmertzen / die gemeiniglich darauff erfolgen / gelten muste.

Wie wol er aber unaußsprechliche Schmertzen außgestanden / hat er ihm doch solches keine Warnung seyn [84] lassen / sondern da er wieder geheilet / hat er sein voriges Leben wieder angefangen.

Und weil er noch etliche hundert Cronen von seinem Raub übrig hatte / machet er Kundschafft mit einer Italiänischen Donne / welche ihn noch nicht gesehen hatte / wie nun diese sehr schön war / hatte sie auch viel güldene Ketten / Diamanten und andere köstliche Sachen / Adrastus / der solches sahe / bedencket sich / wie er die Sache klüglich möge anstellen / damit er etliche bekommen möge.

Nun truge es sich zu allem Glück zu daß die Frau die Kette von den Diamanten / welche sie hiebe vor von einem fürnehmen Herren bekommen / zerbrach /wickelte sie in ein Papier / und steckt sie bey sich in den Sack. Adrastus war deßmals bey der Donna Laura / dann er holte denselbigen Abend bey ihr schlaffen /dieweil er gesehen / daß die Diamanten an einem solchen Orth waren / daß er sie leichtlich suchen könte.

Alß der Abend herbey kommt / essen diese mit einander / Donna Laura laurete auf des Adrasti Seckel /welcher aber hoffte / er wolte das jenige was er spendirén würde / gar bald wieder haben: Was geschicht? Umb die Mitternacht stehet Adrastus auff / nimbt sich an / er wolle auff das heimliche Gemach gehen / oder das Jammer-Geschirr suchen: Er aber begehrte nichts / als der Donna Laura Rock und die Diamanten zu suchen / er findet den Rock / greifft in denselben und findet / was er begehret; und weil er nicht weiß / wo er sie woll versteckē / damit man sie bey ihm nicht finden möge / verschlinget er sie / und legt sich darauff wieder im Bett.

Des Morgens aber / als sie in ihrem Sack suchte /und nichts als das blosse Papier funde / rieff sie ihren Mägden / nimbt sie allein vor / und fraget: Ob sie ihre Diamanten nicht gesehen haben: und als sie an [85] ihrer Mägden Worten und gebärden siehet / daß sie unschuldig seynd / gehet sie in die Kammer / darinnen Adrastus lag / und schnarchet / nimbt seine Kleider /und gibt sie den Mägden / daß sie dieselbe durch suchen sollen. Adrastus erwachet darüber / fraget / was sie thun? aber er wird heßlich von der Frauen Laura angeschnautzet. Adrastus macht sich auch unnütz /sagt: er wüste nicht / wessen man ihn anklage / und that sie ihm groß Unrecht / daß sie an seiner Treu zweiffele / weil sie selber an ihm gespühret / wie lieb er sie habe.

Indem nun dieses vorgehet / und Adrastus sich anzeucht / Donna Laura aber dreuet / wann er die gestohlene Diamanten nicht wieder gebe / wolle sie ihn ins Finstere setzen lassen / da kompt des Adrasti Ehe-Weib / und weil sie bey der Obrigkeit erlanget hatte /daß man ihn solt greiffen und einziehen / läst sie ihm durch die Leuthe / welche sie mit gebracht hatte /nach dem Kopff greiffen. Donna Laura wolt ihn auß ihrem Hauß nicht gehen lassen / er hette ihr dann ihre gestohlene Diamanten wieder geben / die Bulerin aber von Pantzand wolte ihn gefangen setzen lassen. Der Commissarius und seine Diener werden darüber zweiffelhafftig / und wissen nicht / was sie mit Adrasto anfangen sollen. Die Donna Laura ruffet unterdessen die Obrigkeit auff ihren Seiten umb Hülffe an /und erlanget so viel / daß die Richter und Regenten zu Florentz befehlen / man solle Adrastum auff der Donne Laura Anklage gefänglich einziehen / und ihn wegen der geschehenen Anklag ferners befragen. Aber etliche Leute liessen der Donna Laura heimlich sagen / daß er sie ohn allen Zweiffel wie Pillen wurde eingeschluckt haben / solte derohalben ihme ein starckes Clystir eingeben lassen. Dieser Raht wurde für gut angesehen.

Wiewohl nun Andrastus wieder die geschehene Anklage [86] allerley einwendete / und sich entschüldigte /ließ man nichts destoweniger den Apotecker kommen / und ihm ein scharffes treibendes Clystir zubereiten. Aber das Glück wolte ihm wol / dann weil entweder die Diamanten ihme noch nicht auß dem Magen kommen waren / oder sonsten nicht hatten fortgehen können / gab er nichts wieder als das blosse Clystir. Donna Laura wird sehr bestürtzt / als sie sahe / daß sie in ihrer Hoffnung betrogen war: Aber noch betrübter wurde sie / da sie sahe / daß die andere Frau ihn ließ in das Gefängnüß legen / dann da wurde sie beraubt alles dessen / was sie suchte. Alß er nun in dem Gefängnüß die Diamanten außlerete / welche andere bey ihm gesucht / gibt er zween Diamanten den Pförtner / daß er ihm des Nachts die Thür auffmachte / und ihn liesse davon lauffen. Von dannen begab er sich in Franckreich.

47. Der betrogene Wechsler
XLVII. Der betrogene Wechsler.

Wie Adrastus zu Pariß bey seiner vorigen Brüderschafft wieder angelangt / hielt er sich wie ein Vornehmer von Adel / und nachdem er erfahren / daß ein Wechsler allzeit grosse Posten Geldes bey sich stehen hatte / und dieselbe übermachte / brach er / alß dem äuserlichen Ansehen nach / ein ansehnlicher Edelman einen armen Jungen / Naucles genant / in seine Dienste. Alß dieser durch getreue Dienste eine zeithero seines Hern Gunst erworben / daß er ihn über alles gehen lassen / verführete ihn Adrastus / daß er seines Herren Geld-Schlüssel in Wachs abgedrückt ihm überliefferte / und sich nach vollbrachtem Diebstal in seine Zunfft begäbe. Wie solches [87] Naucles zu Wege bringt / lässet Adrastus solche Schlüssel machen / und gibt sie dem Naucles. Acht Tage hernach wurden dem Wechseler 1000 Cronen von purem Gold / welche er nach Rom an einem Prälaten über machen solte / gebracht. Dieses ward Adrastus angesagt / sambt allen vorgefallenen umbständen. Da nun der Wechseler außgangen / gab Naucles ihm seines Herren Buch /darinnen geschrieben war / was er für Geld empfangen / sagte ihm auch / das in zween Säcken lauter Cronen wären / und schriebe darin: Ich Firmin Adraste / habe heut diesen Tag gegeben dem Herren Mar tin le Noir / Ordinary Wechseler von Paris nach Rom / die Summa tausend Cronen / in zween Säcken: Nemlich 500 Cronen an Gold / und 500 Cronen an Pistolen / die Pistole für 7 Pfund 6 Schilling: Dessen Zeugen Frantz Timon und Peter le Reux: welche Summa Gelds er mir versprochen von Paris gen Rom zu übermachen / so bald / als ich alda werde ankommen seyn. Geschehen den 10ten Aprilis.

Unten an dieser Schrifft verwandelte er die Buchstabē / machte des gesagten Wechselers Hand nach /und schriebe drunter: Ich habe diese Summa Golds dem Herren Carie Wechseler überliefert / daß er sie in meinem Abwesen gen Rom übermache.

Alß nun Naucles diese Wort lieset / sagt er / der Handel werde sich schicken / aber er hette die Species nicht recht gesetzet / dann in den zweyen Säcken seyen keine Pistolē / sondern die gantze Summa Gelds sey an lauterm Gold und Cronen.

Und das ist eben das Mittel / sagt Adrastus / dadurch ich den Wechseler betriegen will / dann ich will jetzo bald die [88] Fünfhundert Cronen an Pistilen holen und geben: Unterdessen aber / daß dein Herr nicht daheim ist / solen auß einem jeglichen Sack 250 nehmen / und die Pistolen an der genommenen Cronen Platz thun / weiln ichs deßhalben entlehnet; vergesse es auch nicht / daß du die zwey kleine Zettel an den Säcken abthuest / und thue hergegen die zween Zettel /auff welchen geschrieben stund: Für Herrn Adrastum / in die Säcke.

Als nun Naucles gnug unterrichtet war / nimbt er der Zeit in acht: und als sein Herr bey einem seiner Freunde bey dem Abend-Essen / und sonsten kein Mensch / als nur eine Magd im Hause war / schleust er mit dem falschē Schlüssel die Kisten auf / darinnen sein Hr. pflegte sein Geld / Kauffbücher / Verschreibungen / Handschrifften und dergleichen Sachen /daran viel gelegen war / zu bewahren / thut das Buch / welches er dem Adrasto gegeben hatte / wieder hin ein / leeret die zween Säcke / nimbt Fünfhundert Cronen / und thut an der selbigen statt hin ein die Pistolen / so ihm gegeben worden / und bringet dem Adrasto / welcher seiner in der nechsten Herberg wartete /die Fünfhundert Cronen / Adrastus nimbt solche 500 Cronen und gibt sie denen wieder / welche ihm gedachte Pistolen geliehen hatten; dann die gantze Brüderschafft der Beutelschneider hatte zu sammen geschossen / damit solcher Anschlag ins Werck gerichtet werde.

Etliche Tage hernach / als Adrastum dünckete / es wäre Zeit seinen Anschlag ins Werck zu setzen /kombt er mit den vornehmsten Filous zum gedachten Wechseler / und redete ihn also an: Mein Herr / es sind mir in dieser Statt seit ich mit euch geredet / Geschäffte vorgefallen / welche mich verhindert / daß ich in Italien / wie ich mir vorgenommen [89] hatte / nicht ziehen kan; derohalben wollet mir das Geld / so ich euch mir nach Rom zu übermachen / gegeben / wieder zustellen.

Mein Herr antwortet der Wechseler / es ist hier nicht das ihr suchet / es wird vielleicht bey einem andern seyn. Ich / antwortet Adrastus / weiß keinen andern Mann / der mein Geldt empfangen / als ihr / euch habe ich neulich tausend Cronen geben / 500 an Cronen und 500 an Pistolen. Der Wechseler / welcher zwar wuste / daß er tausend Cronen empfangen / aber nicht in was für Species / antwortet mit unwillen / er kenne ihn nicht / er möchte woll ein unverschämter Gesell seyn / daß er ihm solches abfodere: Was /sagte Adrastus / unverschämter Gesell? haltet ihr mich für einen Narren? wollet ihr mir mein Geld auch leugnē / wie ihr vielen andern ehrlichen Leuten gethan habt? Gestehet ihr nicht / daß ihr vor 8 Tagen tausend Cronen von mir empfangen habet / welche ihr in Italien mir nach Rom sollet übermachen? Mein Freund /antwortet der Wechseler / ich weiß nicht / ob ihr voll Weins oder Närrisch seyd? Ich kenne euch nicht /habe euch auch niemals mit Augen gesehen.

Adrastus spricht: Heist ihr nicht Martin le Noir? Der Wechseler / alß er seinen Nahmen höret / wird so bestürtzt / daß er nicht weis / was er sagen soll.

Als aber Adrastus Zeugen mitgebracht / setzten sie an den Wechsel / und sagen / er sey ein loser Mann: Dann sie selber haben gesehen / daß er die tausend Cronen empfangen habe. Der Commissarius / so in solcher Gegend wohnete / alß er dieses Gezänck hörete / gehet er mit etlichē Dienern in des Wechselers Hauß / welches / alß das Adrastus siehet / macht er sich noch viel unnützer / und will [90] sein Geld von dem Wechseler haben / und sagt zum Commissario / Mein Herr / sagt er: Es ist nunmehro 8 Tage / daß ich in Italien zu verreisen mir gäntzlich vorgesetzet hatte /und habe dem Herrn le Noir alhier tausend Cronen zugestellet / daß er mir solche gen Rom übermachte /aber unterdessen seynd mir andere Geschäffte vorkommen / umb welcher willen ich noch zwey Monaht verbleiben muß / und da ich nur herkomme / und mein Geld will von diesem Mann wieder haben / spricht er / er kenne mich nicht / ich sey ein Land-Betrieger und dergleichen.

Mein Herr / sagt der Wechseler / ich sage / daß dieser ein Räuber ist / und solle man ihn billig gefangen nehmen: Algemach algemach / (antwortet das Volck /welches umb sie stunde) ihr redet gar hertzhafftig: Ja freilich / sagt der Wechseler / warumb nicht? Er will mich überreden er habe mir Geld gegeben / und habe ihn doch mein lebenlang nicht gesehen; habe ich nicht Ursach / mich über ihr zu beklagen und die Obrigkeit deßwegen anzuruffen.

Adrastus antwortet: Wiewol ich / was ich sage /mit Zeugen beweisen kan / wie ich dann entlich solches Mittel werde gebrauchen müssen / jedoch / wann ers weiter leugnen wil / begehre ich zu meinen Beweißthum / sein eigenes Buch zu sehen / darinnen er seine Auß- und Eingabe pfleget einzuschreiben / ich weiß / daß ihr alle dieses Manns Betrug sehen werdet. Der Wechseler / welcher nichts anders wünschete / als daß er auß dem Argwohn / welchen alles Volck / so diesem Gezänck zu hörete / durch des Diebstals falsche Anklag auff ihn geworffen / käme / läst seine Register und Bücher herfür bringen.

Indem nimbt Adrastus die Zeit in acht / zeucht dem Commissarius auff eine Seite / und sagt: Sein Geld sey [91] in zweyen Säcken / zeiget ihm auch an / was sie für Merckzeichen haben / nennete auch die Species /so in den Säcken seynd.

Daß Buch wird gebracht: Adrastus suchet den Tag / an welchem dem Wechseler solche Summa Geldes zugestellet worden / und nachdem er es durchblättert /spricht er zu dem Commissario: Mein Herr / ich bitte euch / ihr wollet diese Clausul lesen / und mir sagen /ob das nicht ein Schelm-Stück sey von diesem Mann /daß er mir mein Guth leugnen / und bestehlen wil. Der Commissarius lieset über laut daß jenige / was Adrastus zuvor durch Gelegenheit des Naucles in solches geschrieben hatte.

Der Wechseler wird hierüber bestürtzt / und betheurets inständig / daß er Adrastum niemahls gesehen. Ihr möget so lang schwehren wie ihr wollet / sagt Adrastus / einem solchen falschen Schinder will ich auff sein Schweren nicht trauen / man muß hingehen zu dem Herren Carre eurem Bunds Genossen / ob sich die zween Säck mit dem beschreibenen Speciebus bey ihm befinden.

Man gehet so bald zu Herren Carre / aber er will von nichts wissen / man schleust hernach dem angeklagten Wechseler die Kisten und Kasten auff / wiewohl er sich sehr darüber beschwerte / aber da erschrack er noch mehr / da man die zween Säcke auffgethan / und die Zetlein / welche nicht allein angezeichnet / daß das Geld dem Herrn Adrasto zugehörte / sondern auch der Specierum in solchen Säcken gedachten / darinnen gefunden. Adrastus / weil er ohne das noch Zeugen bey sich hatte / zog die Säck mit dem Geld zu sich / und gab den Ausswechsel davon.

[92] Der Commissarius und der umbstehende Pöbel schrieen ihn auß vor einen losen Mann / und gab selbst der Commissarius dem Adrasto das Geld. Also überredet Adrastus das Volck / undb errog Arglistig diesen Wechseler. Gleich wohl / alß Naucles hernach auff einem Diebstall ertappet worden / hat er diese That bekant / und Adrastus ist gefangen worden.

48. Der fürsichtige Dieb
XLVIII. Der fürsichtige Dieb.

All was unerhörten Greueln der Teuffel seinen Anhang verleiten könne / solches hat zu ihrem Schaden erfahren müssen ein 17. Jähriges geitziges Weib zu Leiden / welche auff der Maar / bey der neuen Kirchen gewohnet / in der Gassen / da viel Kramer und Händler ihr gewerb triebē. Man hielte dieses Weib für sehr reich / weil sie gute Einkunfften aber ein gar geringes Außgeben hatte / und sich mit einer Magd behalffe / daß sie also / sonder grossen wiesterstand beraubet und außgeplündert werden künte; Wie dann solche gelegenheit etliche Diebs-Gesellen veranlaste /einen Anschlag auff sie zu machen / eine Beute von ihr ohne gefährlichen Krieg zu bekommen.

Einer von den erbarsten Beutelschneidern / stellete sich verliebt in die Magd / kame sie zu besuchen /und gabe sich nicht nur für einen Buler / sondern für einen Freyer an / wie er nachmals bekante. Auff einen Abend kommet er mit dieser seiner künfftigen Hochzeiterin Sprache zu halten / und nimmet umb 10 Uhr in der Nacht urlaub von ihr. Zu Morgens fande man die Alte in ihrem Bette ermordet / und die Magd gleichfalls todt unter der Thür des Zimmers. Die that wird [93] ruchtbar / und redet jederman mit Verwunderung darvon. Niemand aber wuste auff wenn der Verdacht zu stellen vermuhtlich wäre / daß mehr als einer diese Taht volbracht / weil sie 6 oder 7 Säcke mit Gold außgelehret / und solche auff der alten Bette hingeworffen / welche sie sonder zweiffel bald und leichtlich erwürget / die Magd aber hatte sich auß äussersten Vermögen gewehrt / weil sie unterschiedliche Wunden / und ihr die Gürgel nicht mit einem Schnit /sondern auch durch etliche Stiche verletzet war.


Diese listige Gesellen haben nur das bare Geld mit sich genommen; daß weisse Gezeug / mit welchem die Hauß-Mütterlein in Holland ihre gröste Freude haben wie auch das Silber-Geschirr / haben sie nicht berühret / damit sie nicht etwan dadurch verkundschafftet und zu verdienter Straffe gezogen würden. Aber vergebens trachtet die menschliche Klugheit sich der göttlichen Gerechtigkeit zu entbrechen. Kein Ubel bleibt ungestrafft / es geschehe über kurtz oder lang / hier zeitlich oder dort ewig. Man hat möglichste Nachfrage auff die Tähter gestelt / aber keinen in Erfahrung bringen können / und ist der Ruff gangen /daß es keine gemeine Beutelschneider müssen gewesen seyn / welche sonsten wegen anderer Händel in Verhafft genommen waren: doch hat verlauten wollen / daß der angegebene Freyer zu Gent in Flandern erkranckt / und in der rasenden Weise / diesen Mord auff seinem Todt-Bett erzehlet / und solchen wenig bereuet habe: Wäre auch von der Obrigkeit deßwegen bestrafft worden; wann ihn nicht der voreilige Todt davon befreyet / warumb aber die andern nicht sind entdecket worden / steht dahin.

49. Der vermessene mörderische Dieb
[94] XLIX. Der vermessene mörderische Dieb.

In einer wohl berühmten Statt in Niederland / da Recht und Gerechtigkeit im Schwang gehet / hielte sich ein Bürgers-Mann mit sonderbahrer Freunschafft verbunden / gegen seinen an Barschafft sehr reichen Nachbarn. Dieser liesse sich des Nächsten Haab gelustē / und hierdurch war sein Hertz mit losen Gedancken angefüllet / daß er ihm bey einem Schlösser einen Diebs-Schlüssel machen lassen / damit er in das Hauß und Thüren brechen könte.

Als er nun wohl wuste / daß der Nachbar mit seinem Weibe und Sohn in der Kirchen / und niemands /als eine Magd zu Hause / kame dieser / sperret daß Hauß auff / und gehet hinein / fürgebend / daß ihr Herr gegen ihm hinauß in die Kirche gegangen / und habe er notwendig einen Brieff zu schreiben. Die Magd wiese ihm das Schreib-Stüblein / da der Schatz begraben lage. Er setzte sich zu schreiben / und ließ die Feder mit fleiß fallen: Die Magd neiget sich solche auffzuheben / da stieß ihr der mörderische Geitz-Hals den Dolchen in den Halß / und gabe ihr so viel Stiche auff der Erden / daß sie bald zu schreyen auffhörete.

Ein altes Weib hörete in der obern Stuben den Tumult / und laufft zu / zu wissen / was geschehe / der Mörder aber macht sich an sie / und verbarge ihr gleichfals den noch Bluttrieffenden Dolchen in die Brust. Nach verübten Mordthaten / nimmet er das Geld / schleust die [95] Tühre hinter sich zu / und gehet seinen Weg: Versichert / daß die Todten ihn nicht verrahten / niemand aber lebe / der den Diebstahl wisse / als eben der ein Maul habe das schweigen könne. O Eitele Gedancken / die einen fehl geberen müssen!

Alß nun der Mann wieder auß der Kirchen nach Hause wil / kan er nicht einkommen / weil das Ingericht des Schlosses durch den Diebs-Schlüssel verderbet war / liesse deßwegen den Sohn bey den Nachbaren einsteigen / der ihm die Thür eröffnete. Da fanden sich die in ihren Blut liegende todten Leichnambe /und der Verlust seines lang gesamleten Reichthums! Mit was betrübten Augen er solches ansahe / ist gleich zu erachten.

Er berichtet solches der Obrigkeit / welche den Augenschein durch ihre Bediente einnehmen / und nach dem Thäter trachten lässet; Aber alles vergeblich /und wuste man nicht / auff wenn man den Argwon werffen solle / Der Mörder komt selbst / seinen betrübten Freund zu tröstē / und in diesem Trauer-stand bey zu stehen. Mit was vermessenheit hat er doch in das Hauß gehen können / welches er mit dem unschuldigē Blut angefüllet / sich zu bereichern? die absonderliche umbstände werden wegen beliebter Kurtze übergangen / und satzte sich nun dieser Diebische Mörder in allem Uberfluß / also / daß er magere Ochsen kauffte / und sie wieder verkauffte: Nun nahete auch die Straff-Zeit herbey / und die Rache Gottes konte das volle Sündenmaß nicht mehr mit milder Hand gedültig übersehen: daß unschuldige Blut schrie umb Rache gegen den Himmel: Aber auff gantz unvermuteter Weise: Es war das Wasser in des Mörders Brunnen trüb und untrinckbahr / deswegen er die Brunnenfeger bestellete / solches auß zuschopffen /[96] damit wieder frisches nachquellen möchte. Siehe da fande man auff den Grund den vorbesagten Diebs-Schlüssel / auff welchem auch des Meisters Zeichen /der ihn gemacht / zu sehen war. Der Schlösser wird fürgefodert / und bekennet / daß es seine Arbeit sey /wolte sich auch des Mannes / welcher es machen lassen / wohl erinnern / wann er ihm wieder zu Gesicht käme. Die Warheit zu erforschen muste sich der Schlösser wie ein Bauer ankleiden / und dem Meuchel-Mörder Ochsen anbiethen: Alß er umbständig vermeldet / daß er eben diesem Mann den Diebs-Schlüssel gemacht / hat man solchen herfür gezogen /und ihm denselben gewiesen / darob er sehr erschrocken / und hat die That / von seinem gewissen überzeuget / bekennt: Deßwegen er / wie Rechts / als ein Mörder gerädert worden.

50. Der wunderlich entdeckte Diebstall
L. Der wunderlich entdeckte Diebstall.

Der Reichthum wird füglich mit dem Regenbogen verglichen! Sein Opelnfarbbunter Glantz erfreuet das Aug / und ist ein Vorbott des künftigen Regens: Also kommet nach der Geld-Freude das nachgehende Sorgen-Kleidt / und kan man durch manchen Glücksfall wol zu dem Reichthum gelangen; sonder Gottes Seegen aber denselben schwerlich lange erhalten / indem man den Verlust findet / wo man sein verlohrenes Guth oder Gewin zu suchen pfleget.

Dieses hat erfahren ein reicher Kauffmann zu N. welcher unter vielen Gütern / die er einpacken lassen /einen Strumpff mit Tahlern in einen Güter-Ballen mit eingehüllet / was fügte sich? Die Hauß Thüre [97] war offen / und zu allē Unglück ersahe solches ein listiger Dieb / bemerckte die grösse des berühmten Geld-Sacks / und trachtete einen dergleichen mit Steinen angefüllet / einzuschieben / nimmet zu sich Nadel und Faden / verschleicht sich in das Hauß / eröfnet den Ballen zu Nachts / und spielet den Betrug so meisterlich / daß er an statt des Geldes / die Steine in den Ballen sonder verdacht nähet / und mit dem Geld heimlich davon kommet.

Dieser Diebstal wäre sonderzweiffel verschwiegen geblieben / wann ihn Gott nicht auff sonderbahre Weise entdeckt hätte / vielleicht dem Unschuldigen Hanndelsman zu Ulm / dem solcher Ballen zugefertiget worden / ausser Gefahr zu setzen.

In dem Wirts-Hause / wo der Ballen Guts mit andern zur Wagen gebracht werden sollen / war ein Geißbock / wie dergleichen die Wirthe zu haben pflegen / der stösset an dem Ballen so lang / biß die Kieselsteine herauß drangen / und auff die Erde fielen. So bald der Fuhrman solches sahe / und leichtlich erachten kunte / daß man keine so nichts werthe Steine über Land-schick würde / hat er den Kauffman entbotten / der sich nicht gnugsam verwundern kunte /daß sich sein Geld in Steine verwandelt.

Eben solche Nacht / als der Diebstahl besagter massen geschehen / hatte der Kauffman einen Jäger in dem Hause / welcher ihm ein Wildbrät von einen Fürsten verehret / gebracht / und dieser Jäger war zu Nachts auffgestanden (vielleicht sich zu erleichtern) und geriethe in den Verdacht / er und seinen Jung hätten das Geld herauß genommen / und die Steine hinein gethan. Diesen falschen Verdacht mehrete / daß der Jung zufrühe darvon gangen / und ob sich wol der Jäger sich sehr entschuldigte / wurde er doch zu Verhafft gebracht / und unbedachtsam an die Folter der Marter-Bancke geworffen / [98] da er zwar nichts bekennet / aber dardurch zu einen Armen Menschen worden. Dieser Jäger bliebe / mit Verneinung des Dibstals /wie gesagt / beständig / und wurde zwar der Gefängnüß / keineswegs aber des starcken Verdachtes erlassen. Nach geraumer Zeit wurdē etliche N. Nach Speyr gesendet / da sie unter andern erfahren / daß ein Dieb bekennet / er habe zu N. obgemeldten Diebstal /durch verwechselung des Geldes mit Steinen begangen: Diese abgeordnete berichten solches umbständig nach Hause / so bald der Kauffman indächtig worden / wie bößlich er mit dem Jäger verfahren / hat er ihm auß reuigem Gemüthe / 800 fl. freywillig außzahlen lassen. Vielleicht aber hat er solche Marter wegen andere Missethaten / auß gerechter Verbängnüß Gottes /verdienet.

51. Der listige Goldmacher
LI. Der listige Goldmacher.

Grosse Herren bekommen auch offt eine Nase von der Behendigkeit gemeiner Leuth-Betriger / wie solches unter vielen erfahren hat Cosmus / der Groß-Hertzog von Florentz / der von einem betrüglichen Goldmacher meisterlich betrogen worden.

Adrian ein Distilirer und Marcktschreyer in Italiē /pflegte hin und her auff die Jahr-Messen zu reisen /seinen Qvarck zu verkauffen: Und ordnete den Krancken unterschiedliche Artzeneyen / welche er selbsten mischete / und muste man ihm die Kräuter / Wurtzel und Samen aus der Apothecken nach Hause schaffen /unter welchen sein Calcifur das Vornehmste war. Dieses Calcifur war pulverißrtes Gold / mit andern Gesäme gleicher Farbe vermenget: Solches [99] verkauffte niemand den Appotheckern / alß er / und wann es seine Patienten wieder abholen liessen / wie gesagt / so behielt er sein Calcifur / und mischte die andern Artzneyen / war auch so glückselig / daß er gute Curen thate / und sein Calcifur zu Rom / Venedig / Verone /Modena / und andern Orthen bekand und begehret würde. Nachdem er solches bey vier Jahren getrieben / so kompt er nach Florentz / dem Groß-Hertzog eine Mummschwantz zu bringen / und den lang vorbedachten Betrug werckstellig zu machen. Dieses Vorhabens läst er sich bey dem Groß-Hertzogē anmeldē /daß der in gantz Welschland wol bekante Adrian nun zu Florentz angelangt; dem Groß-Hertzogen als einem Liebhaber aller Wissenschafften / ein sonderbahrer Geheimnüß zu eröffenen.

Der Groß-Hertzog hört ihn an / und er weist ihm wie das Gold zu machen / setzet Quecksilber im Tügel / und thut darzu das Calcifur: Daß Quecksilber verrauchte / der bey gemischten Samen verbrennete /und das pulverisirte Gold schmoltze zu sammen. Der Groß-Hertzog preisete sich glückselig ob dieser Kunst / umb so viel mehr / weil er sie in seinem abwesen probirt und just befunden; Ja nicht nur mit dem Calcifur zu Florentz / sondern auch mit dem / welchen er von Venedig / Rom / und andern Orthen herbringen lassen.

Adrian eröffenete dem Hertzog / daß er von seinem Weib zu Barcelona Brieffe empfangen / eiligst nach Hause zu reisen / und bathe umb 25000 Kronen gemüntztes Silber; nebenst versprechen / nach bestellung seines Hauß-Wesens wieder zu kommen / und sich zu ferner unterthänigster Auffwartung ein zustellen.

Der Groß-Fürst verschaffte ihm eine Galeeren und das [100] begehrte Geld: Damit segelt er auff Barcellona /und als er dar glücklich angelangt / schreibt er an den Hertzog ein Danck Briefflein / und entdeckt selbsten den verübtē Betrug / mit vermelden / daß er sich künfftig besser führsehen solte / der Groß-Hertzog lobte diesen ungerechten Haußhalter / und konte kein Calcifur mehr zu bekauffen bekommen. Hierauß ist zu lernen / wie man sich für solchen Betrügern zu hüten habe / und ist in Engeland ein Gesetz / daß keine privat Persohn ohne des Königes Willen / Chimice Goldmachen solle.

52. Der wohlbezahlte Wucherer
LII. Der wohlbezahlte Wucherer.

Wie klug sind doch die Kinder der Welt sich für den Hunger und der schwerē Armuth zu sichern und zu hüten? Wie vielerley sündliche Erfindungen haben sie / sich zu bereichern? So gar / daß sie auch mit den Gaben Gottes / mit Wein und Getreid den meisten Wucher treiben / und den Seegen in einen Fluch verwandeln. Wieder solche Wucherer List und Gewalt zu gebrauchen / wan man keine andere Mittel hat ihren rauberischen Händen zu entkommen / solte vielleicht für Unsträfflich können vertheidiget werden.

Ein solcher Fall hat sich begeben in der grösten und wundersamsten Städte eine in Welschland / von welcher ein nächst-angräntzender Fürst / der des Virgilii Vatterland besitzt / etliche tausend Malter Korn erkauffen wolte / seine Vestung damit zu versehen. So bald solches ruchtbahr worden / ist das Korn umb zweē Drittelheil aufgeschlagen / und was vorher eine Kronen gekostet / muste nun für drey bezahlet werden / wer es haben wolte.

[101] Der Fürst wolte diese Korn-Juden mit gleicher Müntze bezahlen / und liesse Geld prägen / welches einen so starcken Zusatz von Kupfer hatte / daß es nur ein Drittelheil werth dessen waß es gelten solte. Mit dieser Müntz zahlete er das Korn / und kauffte so viel er haben wolte. Nach dem solches der Herrschaft solcher Stadt durch die Müntz-Meister eröffnet worden /haben sie dem Fürsten verweißlich zugeschrieben /und begehrt / er solte sein böses Geld wieder einwechseln. Der Fürst hat ihnen geantwortet / daß er durch ihre Wucherer zu solcher List bewogen worden / und habe ihnen ein drittel / so viel damahls / alß er anfänglich kauffen wollen / das Korn gegolten / bezahlt / hat auch in seinem Fürstenthumb / solche neue Müntze auff ein drittel / nemblich so viel sie werth /gesetzt / und ist wegen dieses Stückleins von vielen gelobet worden.

53. Der behende Dieb
LIII. Der behende Dieb.

Gleich wie die Mücken sich von anderer Leute Bluth speisen / also pflegen sich auch die Diebe von fremden Guth zu nehren / und viel / sonderlich wann sie schlaffen / an meisten zu setzen / wie dessen ein Exempel folgē solle.

Es schreibet Cardanus l. 16 de Subtilitate, daß zu Meyland ein Ertz Beutelschneider gewesen / welcher in der Kirchen die gröste striche gethan / in dem er falsche Hände gehabt von Eysern Blech / und solche hat er regieren / auffheben / und mit dem Paternoster sincken lassen können / in zwischen aber hat er in seinen rechten Händen / dessen / derneben [102] ihn Gekniet /den Beutel erwischt / ist aber endlich in die Hand der Obrigkeit gefallen / und mit seinen eisern Händen in der Lufft verarrestieret worden.

Etliche Diebe zu Paris hatten Nachrichtung / daß ein reicher Kauff-Herr verreist / und folgendē Tag wiederkommen solte. Sein Hauß nun zu berauben /brachten sie des Nachts eine Music / und in dem Musiciren öffeneten sie daß Hauß mit ihren Diebs-Schlüsseln / und kame einer / der dem Kauffherren am gleichsten ware / in der Schlaff-Hauben herauß / führete sie mit Lichtern hinein / und also gewannen sie Zeit / das gantze Hauß / ohne allen Verdacht der Nachbarschafft / aus zu plündern. Als nachgehends der Kauffman wieder kame / fande er sein Hauß bestohlen / und wurde die List auff befragen entdecket.

Ein wunderliche Mumschantze war auch diese /daß ein Junger Beutelschneider in Engels-Kleidern zu einen abergläubischen / geitzigen reichen Manne hinein kam / und ihn vermahnete / daß er sein Geld / als ein Wurtzel seines Elends und schweren Sorgen / von sich thun solle / nahme auch den Beutel / und wurffe ihn seinen Gesellen zum Fenster hinauß. Der Alte kunte nicht glauben / daß dieses ein guter Engel / weil er ihm sein Guth nahme / finge deswegen ein grosses Geschrey an / daß die Nachtbarschafft zu lieffe / und wurde der Gesell in den betrüglichen Engels-Kleidern an den Galgen gehenckt.

54. Der listig-erlösete Gefangene
LIV. Der listig-erlösete Gefangene.

Ein Frießländischer Edelman kam auß Franckreich /und hatte seine Reise vollendet / willens [103] sich wieder nach Hause zu begeben. Dieses Vorhabens gelanget er nechst bey Kammerich / auff einen Dorff / darbey ein reiches Kloster gelegen / dessen Abt sich bald zu ihm in das Wirths-Hauß fande / und verhoffte seinen schönen Friesischen Hengst von dem Fremden zu bekommen; in solcher Hoffnung bliebe der Abt bey der Mahlzeit / und zechten diese beyde auff guth Teutsch mit einander.

Als nun der Abt vermeinet / es wäre Zeit umb das Pferd zu werben / bate er den Edelmann / er möchte ihm doch seinen Hengst zu kauffen geben / weil er nach Hauß reisen / und dergleichen / nach beliebter Wahl haben könte. Der Edelman lobte das Pferd / und antwortete mit einen starcken Nein / versichernd / daß dergleichen schwerlich zu finden / und daß er keine Ursache habe zu versilbern / was er zu Fortsetzung seiner Reise bedürftig / solte ihn entschuldigen und lustig seyn: Jauchtzte und schrie von heller Stimme /erwiese sich also voll und toll / das der Orthen nicht gebräuchlich ist.

Als nun der Abt sahe / daß er eine Fehl-Bitte gethan / ersinnet er einen andern listigen Ranck / nicht nur des Friesen Pferd / sondern auch seine Zehrung zu bekommen / wie aber? Er nahme Abschied / zahlete seine Zeche / und schickte etliche starcke Bauren in das Wirts-Hauß / mit Befehl / den besessenen (von Spiritu vini) mit Ketten zu fesseln und zu der Kirche zu führen / da er den bösen Geist folgenden Tages beschworen und von dem armen Menschen außtreiben wolte.

Als solches unverzögert werckstellig gemachet worden / läst der Abt das Pferd in seinen Stall ziehen / und nimmet seyn Feleisen / darinnen noch 80 Krohnen waren / zu sich / und läst den bezechten Teutschen in eine Capell unter der Kirchen sperren / ihn /als einen unsinnigen eine Zeit über zu unterhalten /und entlich [104] sein Pferd und Geld für Fang- und Kost-Geld zu behalten / oder ihn wol gar / in solchem Grab der Lebendigen / verschmachten zu lassen / welches Mörderliche beginnen Gott in Gnaden abgewendet /wie folget: Eben zu solcher Zeit reiste ein Teutscher Fürst auff Kammerich / und kame bey diesem Abt zu übernachten; weil sich aber die Mahlzeit verzögerte /spatzirte der Fürst mit seinen Edlen in die Kirchen /und kame einer von seinen Leuten nechst zu dem Orth / da der Frisische Edelman verschlossen lag / welcher so bald erbärmlich zu schreyen anfinge / und hoch elentlich bate ihn anzuhören / machte auch mit seinen Ketten ein gerassel / daß der Fürst Ursach nahme zu fragen: Wer der Orten enthalten lieget / der Abt sagte / daß es ein besessener / von welchem er den bösen Geist außtreiben wolte: Es ware ihm der Geist des Reben Saffts bereit aus dem Kopff / und ruffte er elendiglich / man solte ihn doch anhören / und sich eines verlassenen Edelmans erbarmen; erzehlte auch kürtzlich sein Geschlecht / Namen / und die Ursachen warumb er in Jammer gerathen / bittend ihn wieder loß zu machen.

Der Fürst hörete der Sachen Verlauff / und erkente leichtlich / daß der Abt mit dem Geitz-Teuffel besessen und nöthiget ihn entlich / daß er den gefangenen für die Taffel muß kommen lassen / da sich dann die Warheit entdecket / und daß er muste besessen sein /damit der Abbt sein schönes Pferde besitzen möchte. Er hatte 3 Tage außgenüchtert / oder vielmehr Hunger und Durst gelitten / geßwegen sich begirigst gelabt. Nach dem er also in seinen Sinnen gantz richtig ist befunden worden / hat ihm der Abbt sein Pferd wieder einhändigen müssen / wann er nicht deßwegen bey dem Bischoff beklagt / und vielleicht gar umb seine Abtey gebracht werden wollen / daß also dieser Friese mit grossen Freuden geschieden.

55. Die mördrische List
[105] LV. Die mördrische List.

Zween Ertz-Mörder reiseten einsmahls eine gute Zeit zusammen / machten einen Menschen nach dem andern hinweg / und mit solcher List / daß ihr Handwerck lange währete / der eine wurde doch reicher als der ander / daß verdroß diesen / daß jener einen Pfenning von dem Blut-Gelde mehr hatte als er / trachtet ihm heimlich nach / wie er doch des andern Geld darzu bekommen möchte / fand aber keine gelegene Mittel / biß sie einsmahl am heissen Sommer-Tag ihre Mahltzeit nicht weit von einen tieffen Brunnen hielten / da ging der eine hinbey / guckte hinein / schüttelt den Kopff / ging wieder zu seinen Cammeraten / lieff bald wieder zum Brunnen / machte vorige Minen mit allerhand Gelächter / der ander sahe dieses / fragte warum er in den Brunnen sehe / ja / sagte jener / ehe ich noch in deine Compagnie kam / hatte ich hier eine brafe Litze / den da begegneten mir eine Braut und ein Bräutigam / die waren auff das beste außgestaffirt / die wolten hierbey auff den nechsten Dorffe zur Hochzeit gehen / die erwürgte ich / und fand einen guten Heller bey ihnen / wie ich den hatte / warff ich sie allebeyde in diesen Brunnen / und da sehe ich sie noch in tantzen / du machst was anders tantzen sehen / sagte der ander / es wird dir träumen / ja wohl träumen sprach jener / gehe hinbey / da wirstu sie sehen /die Braut hat einen rohten Rock an / unten ein weisses Kleid / der ging hinbey / sah und sah / rieff unterdessen du Stock-Narr ich sehe ja nichts / ja sagte jener /ging hiermit zum Brunnen / du stehest nicht an dem rechten Orthe / kom auff diese Seite / der ander ging hin / da sagte jener / und führet [106] ihn auff die Höhe /daß er ihn destobesser hinunter stürtzen könte / und wie der ander seinen besten Fleiß im sehen gebrauchte / gab er ihm einen Stoß in den Rücken / daß er hinunter purtzelte; Der war voller Freuden / und sahe seinen Cameraten zappeln / biß er ersoffen war / da zog er ihn wiedrumb herauß und wolte seines Geldes Herr werden / und wie er über dem besten Beuthmachen war / kamen ohngefehr etliche Wandersleuthe darzu /lieffen hinbey / und sahen was er machte / da ließ der Mörder seinen Muth sincken / spannete das Hasen-Panier an / und meinete zu entkommen / jene sahen den Todten für sich liegen / welcher kaum recht erkaltet / verstunden sein lauffen unrecht / und holten ihn ein / nahmen ihn mit / und brachten ihn in das nechste Städtlein für die Obrigkeit / da ward er alsobald examinirt / und dem bestalten Hencker überlieffert! da er dann auch nach Mörderischer Arth andern zum Exempel abgestraffet wurde / und wurde also Mörder über Mörder.

56. Der betrogene Buhler
LVI. Der betrogene Buhler.

Ein reicher Jüngeling aus vornehmē Geschlecht / verliebte sich in eines Trompeters Frau / welche sehr schöne war / suchte derhalber Gelegenheit bey sie zu kommen / der Trompeter aber / der wartet auff vielen Hochzeiten auff / da machte er sich zum erstenmahl mit ihr bekamt / nahm Abrede / wann ihr Mann noch eines auffwartet / so wolte er ihr zusprechen / und ihr bessere Tractament verschaffen / als sie auff der Hochzeit hätte / sie bewilligte dieses / und wie ihr Mann wieder eine Hochzeit bediente / that sie ihm dieses bald kund / er sandte zuvor so viel Speise und[107] Tranck hin / nebenst so viel Silber-Geschirr zu einer Taffel damit zu zieren / stellte sich auch bald darauf ein / und wie sie nun gessen und getruncken hatten /sagte er / nun wollen wir Constantinopel stürmen /dieses war die Lösung / damit verfügte sich das junge Weib an ihren Orte (als nemblich in das Bette / alwo das stürmen solte gehalten werden) dieser Jüngeling stürmte lustig darauff loß / und wann die Jungfrau gnug gestürmet / gessen und getruncken hatte / und machten sich von einander / sie brauchten dieses so viel / biß es der Trompeter erfuhr / gedachte / ob er das stürmen nicht vertreiben oder zum wenigsten eine Beute davon tragen könte / weil er sich sonsten wenig rechen würde / weil ihm der Bursch etwas zu hoch im Sattel saß / gieng unterdessen / wie er wuste / daß es bald Zeit war / eilends von der Hochzeit hinweg / und kroch in eine hierzu offen gelassene Türe heimlich /nicht weit von diesen beyden in einen Schorstein / und sahe ihre Neuligkeit alles zu / biß das der Monsieurchen sagte / nun wollen wir Constantinopel stürmen /welches ihrer Losung war / indem wolten sie auffstehē / da setzte der in dem Schornstein die Trompette an /und bließ Allarm / Allarm / Allarm / die beyden meinten es steckte der Teuffel darinnen / lieffen was sie nur lauffen konten zum Hauß hinauß / der Trompeter nahm all das Silberzeug und schloß es weg / und ging nach der Hochzeit / da ihm dan die Frau folgte / er ließ sich nirgends davon mercken / war mit der Beute die er bekomm hatte / gar friedlich / dieses währete so lange / biß daß seine Frau in den Wochen kam / da bath er diesen Stürmer zu Gefattern / welcher sich auch einstellte / und sein voriges stürmen auch reichlich bezahlte / und wie an vielen Orthen der Gebrauch ist / daß man die Paten zur Kind-Tauffe oder Abent-Essen ladet / [108] geschach es an diesem auch / der Bursch gedachte nicht eins an das Silberzeug / gieng hin und fand alles für sich auff dem Tische / da er sonst vermeint / das Gespenst hätte es mitgenommen / besah eines nach dem andern / achtet es aber zwar nicht viel / aber weil sein Wapen darauff gestochen / hätte ers der Ursachen gerne wieder gehabt / fragte derhalben seinen Gefattern / wo er dazu kommen währ / er antwortet / wie ich noch in dem Kriege war / wolte einer einsmals Constantinopel stürmen / und ich bließ /Allarm / Allarm / Allarm / da wurde der andere verzagt / lieff davon und ließ mir dieß zur Beute / das kunte der Bursch bald mercken / forderte ihn hernach allein / bath umb Verzeihung / gab ihm so viel Silber als dieses wehrt war / daß er nur sein Wapen nicht wolte sehē lassen / nam dasselbige mit dem Wapen wieder / und verehrte ihm für sein voriges stürmen noch vier hundert Reichsthaler.

57. Der listige Narr
LVII. Der listige Narr.

In dem heraus gegebenen Element Marot ist dieses nebenst vielen lustigen Dingen auch zu finden / welches künfftiger Zeit den liehabenden besser wird mit getheilet werden / unter einem Titul des Marotens Geburth / Leben und Todt: Als vorgenanter Marot einen reichen Kauffmann bey König Heinrich sahe / welcher sonder zweiffel umb seines Geldes halben beym König in grossen Gnaden / gedachte er / köntestu mehr Gnad beym König erwerben / du soltest auch ein Kauffmann werden / gieng derhalben zum Könige / und sagte / Sire / ich will ein Kauffmann werden /leihet mir 1000 Cronen / der [109] König sagte Marott /womit wilstu handeln / es giebt ja Kauffleute genug in Franckreich; Marott sagte / Sire gebet mir 1000 Cronen / bin ich kein Kauffmann in Franckreich / so bin ich ein Kauffmann in Italien / Spanien / Engeland /Teutschland / oder wo ich sonsten hinkomme. Der König ließ ihm 1000 Cronen geben / damit reisete er nach den prinsipalisten Städten nacher Italien / und wo er hin kam losirte er in die besten Herbergen / da wenig Kauffmannschafft zu thun war / sondern nur lauter Geld zu verzehren / gedachte hiermit auf ein ander Kaufmannschafft / er war freygebig in bezahlen / wann er wieder wegreisete fragte er den Wirth / habe ich alles bezahlt / wann dann der Wirth ja sagte / so sagte er: Herr / wann ich wieder zurück komme und sitze bey andern / so sollet ihr mich zu keiner Rechnung fodern / da habt ihr so viel im Vorrath / und wann ihr das Geld einfodert / und die Reye an mich kombt / so ist dieses meine Losung daß ich bezahlt /ich nehme meinen Hut ab: und spreche: Hut bezahle den Wirth. Ihr müsset dann antworten: Der Herr soll bedancket seyn. Und wan gefragt wird / wie daß zu gehet / so sagt nicht / daß ich zuvor bezahlt habe: dieses befahl er auff der gantzen Reise den Wirthen / wo er losirte blieb alles guth. Er kam nacher Rom / da fand er zwey fürnehme Herren / die bekamen einen grossen Wechsel / die wolten sie zu ihrer Reyse gebrauchen / welche des Königs Hoff in Franckreich gerne sehen wolten / umb sich eine Zeitlang alda auffzuhalten / diese Herren fragten nach einem / der die Sprache und des Landes kündig war / wurden hiemit bey Marotten gebracht / sprachen ihn auch an / ob er die Sprache und des Landes kündig wäre? Marott sagte / ja / da bahten sie ihn / ob er nicht mit ihnen reisen wolte nacher [110] Pariß / sie wolten ihn Kostfrey halten / nein / liebe Herren sagte Marot / Kostfrey zu halten in solchen Logementern als die Herren einkehren / daß kostet zu viel / und ich habe es nicht nöhtig /wie es die Herren auff der Reyse sehen werden / ich muß doch des Orthes hin / so wil ich ihnen einen Reiß-Gefährten geben / wurden hiermit eins / und reiseten forth / und wenn sie zur Herberge kamen / sagte Marot: Mess. hie ist guth seyn / führte sie allemahl zu den Herberge da er gewesen war / welche auch für solche Herren nicht uneben waren / sie kamen in eine statliche Herberge / und hielten Mahlzeit / nach verrichteter Mahlzeit foderten sie die Rechnung / der Wirth kahm und brachte die Rechnung / die beyden Herren bezahlten / und wie die Reyge an Marott kam /sagte er / da Hut / bezahle den Wirth / griff hiermit an seinen Hut. Der Wirth sagte / der Herr soll bedanckt seyn. Wie sie weiter reiseten / brachte er sie in die Haupt-Städte allenthalben in seine vorige Wirts-Heuser / da sie allenthalben stattlich tractirt würden aber für viel Geld / und wann die Reyge an Marotten kam /sagte er immer: Da Hut bezahle den Wirth. Worauff ihm zur Antwort würde: Der Herr sol bedanckt seyn. Die Herren verwunderten sich umb Marotten / wusten aber nicht / daß er vorhin auff der hinreyse schon voraus gezahlet / und dieses alles also abgeredet hatte. Sie kahmen ein mahl in ein Wirths-Hauß / alwo sie nicht weit mehr von Paris waren / da fieng Marott wieder an: Da Hut bezahle den Wirth. Die Herren wurden lustig / weil die Reise so weit abgelegt / genossen einen guthen Trunck Wein / fragten auch daneben Marotten / wie es doch käme / daß alle Wirthe unterwegens von ihnen so viel Geld genommen / und wann das Zahlen an ihm kommen / hätte [111] er nur gesagt / da Hut bezahle den Wirth / womit sie friedlich gewesen. Marott antwortet / Mons. es ist mit meinem Hut nicht wie ihr meinet: Wie dann fragten die Herren / ist er etwan anders als unser Hute? Ja freylich sagte Marott / der Hut kostet mir ein grosses Geld / und so lang ich den trage / darff ich in keinem Wirts-Hause Geld geben / die Herren fragten / wie daß zugienge /da erzehlte ihnen Marott / daß ein fürtreflicher Meister selben gemachet / und sonderliche Caracters hinein gethan / daß kein Wirth von demselben Geld foderte / der diesen Hut trüge / die beyden jungen Herren besprachen sich zu sammen / weil sie noch viel fremde Herschafften zu besuchen hätten / sie wolten Marotten den Hut abkauffen / fragten ihn derhalben: Wie hoch er den Hut schätzet? Marott sagte / der Meister der ihn gemacht / ist Todt / und ich kan solchen Hut nicht wieder bekommen / ich habe sonsten noch einen von selbiger Arth machen lassen / ob derselbe die Wirckung auch an sich hat / weiß ich noch nicht / weil er von mir nicht probirt ist. Die Hn. hielten ferner an umb diesen Hut / sie wolten ihm geben /was er begehrte / wollan Monsieurs sprach er: ich will ihn zwar verkauffen / aber er muß nun noch auß dieser Herberge helffen. Dieses wahren sie friedlich / wie sie nun bezahlten / sagte Marott: Hut bezahle den Wirth / der Wirth sprach: Der Herr soll bedancket seyn. Da fragten sie / wie theuer der Hut wäre / er sagte / 1000 Cronen und nichts weniger / wollan die sollet ihr von uns in Paris empfangen / antworteten die Herren / so bald wir die Wechsel bekommen. Marott war friedlich: Wie sie nun da kamen / gedachten die Herren mehr an den Hut / als an ihre Wechsel /nahmen ihn mit seinem Hut heim / und bezahlten ihm mit guten Contentement. Marott [112] gieng mit Freuden zum König / sagte Sire / da habt ihr 1000 Cronen /die seynd euer / wollet ihr noch ein 1000 oder was dazu haben / ich will sie euch leihen? Der König fragte: Marott / womit hastu sie gewonnen? ich habe meinen Hut verkauffet Siere / damit habe ich es gewonnen / nun so behalte sie / sagte der König. Die vorgenandte Herren besahen den Hoff / wurden Marotten beym König gewahr / zehreten auff ihren Hut / den sie theuer gekaufft / lustig fort / wie sie nun weiter wollen / fragten sie umb Rechenung. Der Wirth brachte sie /der eine Herr nahm den Hut ab / und rieff Marottens Worte / aber es folgte kein Danck / er gab ihn den anderm / ob er besser Glück hette / sie forderten noch eines Rechnung / der Wirth brachte sie wieder / der ander täht es dem vorigen nach / aber es gieng ihm eben als dem vorigen / sonder Danck musten sie abziehen / sie hielten Rath / wie ihm zu thun / ihr Geld war verzehrt / Marott hatte davon das beste / und des Huts Glück war Todt / sie wurden eins / und giengen zum König / beklagten sich wieder Marotten / wie er sie betrogen / und nun hetten sie kein Geld / die Leute zu bezahlen / viel weniger zu reisen / bahten ihre Majst. möchten ihnen behülflich sein / daß sie zu dem ihrigen kämen / daß sie mit Ehren könten fortkommen. Der König hörte wo es hinaus wolte / befahl den Herren 1000 Cronen aus seinem Schatze zugeben /schüttelte den Kopff / und sagte: Ja ja / Marott hat woll gekauffschlaget.

58. Der seltzame Beichtvater
LVIII. Der seltzame Beichtvater.

Zu Vianen / eine Stadt in Welsch-Braband wohnete ein Schneider / welcher Arbeit genug [113] hatte / erwartete derselbe nicht fleissig ab / sondern lag lieber in Bier-und Wein-Kellern / und verbrachte da Zeit und Geld /unterdessen feyrte die Frau zu Hause auch nicht /thate sich fein was zu gute / und weil der Mann des Abends allezeit gar späte und truncken zu Hause kam / war er zu der nächtlichē Arbeit gantz untüchtig /also ließ sie den Gesellen bey Tage verrichten / was der Mann des Nachts thun solte: Unterdessen nam die Nahrung ab / da war keine Arbeit / und die Nadel war ihm zu heiß in Händen darumb legte er das übrige seines Vermögens in allerhand Niederländische Wahren / heurete ein grösser Hauß ward ein Kauffmann /und zog mit einem seiner Kinder in Städten und Märckten herum / seine Wahren loß zu werden / welches auch einen guten Anfang hatte / wann er dann nicht zu Hause war / so stellete die Frau daheime den Handel fort / krigte gute junge Kauffleute an die Hand / bey welchen sie so viel Credit erlangte / daß manchmal Capital und Zinsen geschenket wurden / die Ursache sind leicht zu erachten / also daß ihm die Hörner so starck wuchsen / daß jederman dieselbige sehen und mercken kunte / sonderlich / weil er hasibilem qualitatem darneben agirte / er aber merckte sie nicht / ob er sie gleich in dem allerbesten Christallinen Spiegel beschauet hätte / biß endlich das Gerüchte gar zu groß ward / daß es ihr auch die Nachtbarn in die Augen sagten / und über die Strassen außrieffen / daß sie so und so viel in einer Nacht verdienet hette. Nun er war neben seinen Hasirlichen Qualitäten / ein spitzfinniger Kopff / wie solche Leuthe gemeiniglich sind / umb hinter die Wahrheit zu kommen / erdachte er diese List / weil sie der Päbstlichen Religion zugethan waren / also persuadirte er mit Geld und guten worten den Pater dahin / daß er ihm erlaubte eine Mönchs-Kappe anzuziehen / in Beichtstul sitzen zu gehen / und seinem Weib [114] die Beicht abzuhören / welches auch redlich anging / den er zog die Kappen über das Angesicht / daß sie ihn nicht kennen könte daß er mehr erfuhr als er zu wissen begehrte und ihm lieb war / sie stellete sich vor den neuen Pater sehr demühtig / und beichtet demselben gerade herauß alles was sie gethan hatte / unter andern sagte sie: Herr Pater /als mein Mann noch ein Schneider war / hielt ich mit meinen Gesellen zu / mehr alß mit ihme / welches mir leyd ist / er sagte: das sey dir vergeben / darauff bekante sie weiter mit Seufftzen / ach als mein Mann das Handwerck verließ / und ein Kauffmann ward ließ ich zu Behülff unserer Nahrung viel junge Kauffleute zu mir ein / und hab nach ihren bösen Willen gethan /welches alles mir leid ist / er schütelt zwar den Kopff / sagte aber: es sey dir auch vergeben / weiter sagte sie: Ach ich habe noch mehr gesündiget / den ich habe woll weiß nicht wie viel mahl bey Pater Andreassen gelegen / da ward der Beicht-Vater zornig /zog die Kappen vom Haupt / und sagte: Du loses Weib / wars noch nicht genug / daß du mit Schneidern und Kauffleute gehuret hast / du must auch mit Pfaffen huren? Da sie aber sahe daß er ihr Mann war /fing sie an zu lachen / und sagte / ey mein lieber Mann seyd ihr das; Ich hab mich drey mahl verändert / ihr auch / den erst wahret ihr ein Schneider / darnach zum andern wurdet ihr ein Kauffmann / und zum dritten seyd ihr ein Münch worden / hat es euch nun freygestanden / euch drey mahl zu verändern / wer solte mirs dann verwehren können? Darüber ward er beschämet / muste stille schweigen / und sich in die gehörnete Brüderschafft gedültig einschreiben lassen.

59. Die verschlagene Weiber-List
LIX. Die verschlagene Weiber-List.

Wer in Italien gewesen / der wird nicht verwunderlich [115] halten / was in folgender Erzehlung berühret werden soll / den man in derselben Landschafft viel Männer-liebes Weibs-Volck / und darzu sehr verschmitzet und verschlagen findet / so / daß sie auch den allerklügsten Mann zu betriegen sich unterstehen solten: Zu Parma war eine sehr berühmte wunderschöne / doch aber dem Augenschein nach / keusche junge Witwe /diese / ob sie woll nach ihres Mannes Ableiben sich immer zu Hause hielte / konte doch wegen angebohrner Brünstigkeit der Italiäner auch mitten in ihrem Sorg-Jahr vor ihnen nicht ohnangefochten bleiben /dann der eine wolte sie noch lieber haben als der andere / und ob sie gleich vorschützete / und bathe /man solte sie doch in diesem ihrem Trauer Stande nicht beunruhigē / so half doch alles nichts / und gienge ihr fast wie der Penelope / welche alle ihre Buhler mit einem stücke Geweb zwantzig Jahr lang auffhielte / sie aber konte kaum 20 Tage ohngemolestiret verbleiben. Nun waren ihrer dreye / welche für andern ein sonderlich Absehen auff sie hatten / und liessen sichs sehr sauer umb sie werden / ihnen aber mit Gewalt zu wiederstehen war in ihren kräfften nicht / dieselben aber gerichtlich zu verklagen / und durch die Richter ihnen Thür und Hauß verbieten zu lassen /war ihr verdächtig / besann also diese List / sie wohneten nahe am Kirch-Hofe / also daß sie von hinten zu auff den Kirch-Hoff kommen kunte / machte mit dem Todten-Gräber einen Verstandt / daß er eines Menschen länge / aber nicht gar tieff eine Grube graben solte? welcher / weil er seine Gebühr gedoppelt empfing / sich nicht unwillig bezeigte / unterdessen hatte sie den einen des Abends umb zehn / den andern umb eilff / und den dritten umb zwölff Uhren zu sich in ihr Hauß beschieden / es war aber keiner / der von den andern etwas [116] wuste / und meinete / ein jeder würde zu seinem Vergnügen die allerglücklichste Stunde getroffen haben: Der erste stelte sich zur bestimbter Zeit ein / dem stellete sie vor / sie hätte mit einen auf tausend Kronen gewettet / daß sie einen lebendigen Menschen in den Sarg und in das Grab bringen wolte / so er sich dazu wolte gebrauchen lassen /so würde er ihr nicht allein das Geld gewinnen / sondern sie selber auch noch zur Ehe bekommen: Dieser /ob er gleich nicht Lust hatte bey lebendigen Leibe in ein kaltes Grab zu krichen / sondern viel lieber mit lebendigen als mit den Todten sich vereinigen wolte /muste doch umb guter Hoffnung willen / ihrem begehren ein gnügen leisten / kleidete sich aus und ließ sich mit einen Sterbe-Kittel sich in einen Sarg legen / und ohne Gesang zu Grab tragen. Mittler weile und so bald dieser zur Erden bestätiget / erschien auff bestimbte Zeit der ander / den Caressirte sie über die massen freundlich und versprach ihm güldene Berge /wenn er ihrem begehren ein gnügen thun wolte: Er aber erwartete mit verlangen / was seine Beherscherin gebiethen würde / versprach auch / daß so es müglich / er ihr zu Dienste stehen wolte: Da sagte sie: Es wäre ihr nechster Freund gestorben / derselbe aber wäre schon begraben / aber auß erheblichen Ursachen noch nicht mit Erden bedeckt worden / begehrte derowegen von ihme / daß er nur diese eine Nacht bey der Leiche in dem offenen Grabe / in eines Engels Gestalt und Kleidung / mit einer brennenden Kertze stehen / und Wacht halten möchte: Wer war williger als er / in Hoffnung / daß es zu seines willens vergnügung gereichen würde? So bald aber dieser nur abgefertiget /stellete sich der dritte zu bestimbter Stunden ein / und verspricht sie eben wie den vorigen / und begehrt an ihn / daß er sich von [117] ihr in eines teuffees Gestalt auß kleiden lassen! und hin auff den Kirch-Hoff gehen solte / ihr aus einem schon offenen Grabe einen Todten Cörper zuholen / dieser war williger als willig und versprach sich solches endlich außzurichtē / gehet damit in seiner Teuffels Larve nach dem Grabe zu /und wil den Leichnamb heraus nehmen / der vermeinte Engel / dem die Wache befohlen war / wieder setzte sich so guth er kunte / es halff aber nichts / sie griffen einander in die Haare / und schlugen sich tapffer herumb / in dem aber die beyde einander in die Haare liegen / da mercket der lebendige Todte / es möchte endlich über ihn außlauffen und er das Gelach bezahlen müssen / erhobe sich derowegen aus dem Sarck / und suchte den nechsten Weg nach Hauß / da die andern dieß vermerckten / meineten sie / daß der Todt ihnen beyden zu leibe wolte / lieffen davon / und befunden daß sie alle drey von einem Weib betrogen waren /und ihrer keiner dürffte hinforth sie ansprechen.

60. Der künstliche Betrieger
LX. Der künstliche Betrieger.

Ein junger Mensch / Peter von Braband genannt /hielte sich im vorigen Seculo in Franckreich auff /welcher in seinem Bauch eine vollkommene Rede formiren kunte / und alles sprach was ihm beliebte / sonder eintzige berührung der Lippen / wodurch er viel Menschen hinter das Licht führete. Er war unter andern verliebt in eine schöne Jungfrau zu Pariß / die keinen Vatter mehr hatte / weil er aber ihre Mutter zum Ja-Wort keines Wegs bringen kunte / so machte er in seinem Bauche / als sie mit einander redeten /eine Stimme / wodurch er den abgelebten Mann / als den [118] Vater der Jungfrau / darstellete / als welcher sich beklagte / daß er deßwegen / weil seine Frau bedencken trüge / diesem Brabander die Tochter zu geben im Feg-Feuer grosse Pein leiden müste. Die Mutter erschrack über dieß Weklagen ihres Mannes / und sagte ihm die Tochter zu / welcher aber / nachdem er die Frau etwa ein Monath gehabt / mit ihrem Geld /worumb es ihm eigentlich zu thun war / nach Lyon davon ging / und die Tochter sambt der Mutter sitzen ließ. Hier ward er berichtet daß ein sehr reicher / aber wegen seiner Schinderey übel berüchteter Wechseler /neulich gestorben / gehet deßwegen zu seinem gelassenen Sohne / welcher bey dem Kirch-Hoffe spatzieren ging und sprach zu ihm / daß er etwas wichtiges /so ihn belangte / anzubringen hätte. Da er ihn nun ermahnete / mehr auf die Ehre und die Seele seines Vatters zu sehen als auff seinen Todt / hörete man alsobald eine Stimme / welche den abgelebten Cörper vorstellete / dabey sich der Brabander also zu verhalten wuste / als wann er von nichts wüste. Durch diese Bauch-Stimme ward der Sohn erinnert / des elenden Zustandes / darinnen der Vater nach dem Tode gerathen / und daß er wegen seiner Boßheit nunmehro in der Helle grosse Pein leiden mußte / theils wegen seines bösen Lebens / theils weil er seinen Sohn zum vollen Erben aller mit bösem gewissen erworbenen Schätze eingesetzt hatte. Er berichtete auch / daß er davon nicht könte entlediget werden / es sey dann /daß der Sohn unter die / so dessen am meisten benöthiget / Allmosen außtheilete / solches wären aber die unter den Türcken gefangene Christen. Er solte deshalben dieser Persohn glauben zu stellen / welcher von guthen Leuten / zu befreyung etlicher Christlicher Sclaven / nach Constantinepel abgeschickt / und durch Gottes sonderbahre Führung hierher kommen[119] wäre. Ob nun gleich der Sohn der klügste nicht war /so wolte er doch so leicht nicht vom Geld / antwortete deßwegen / daß er sich hierüber bedencken / und ihm / dem Brabander folgenden Tag an diesem Orth bescheid ertheilen wolte.


Inzwischen dachte er hin und her / und hielte den Orth verdächtig / wo er diese Stimme gehöret / als welcher schatticht / dunckel und bequem were / einen Betrug zu stifften / führete demnach diesen Betrieger andern Tages / an einen andern offenen Orth / aber indem sie schon mit einander redeten / hörete der Sohn gleichwohl den vorigen Vogel singen / mit dem Zusatz / daß er dem Brabander ohngesäumt 6000 Güldee überantworten / und täglich 3 Messen zu Erlösung seines Vaters Seele solte singen lassen / sonsten wäre der selbige in Ewigkeit verdammt. Weil nun der Sohn gewissenhafft und erschrocken war / so dachte er dem Dinge nicht weiter nach (zumahl solch gewonnenes Geld gemeiniglich Flügel zu bekommen pflegt) sonder zehlte dem Betrieger 6000 Gülden zu /ohne zurückgebung einiger Hand-Schrifft / oder gegenwart eines einigen Zeugens: Der Vater kam zwar hierauff nicht wieder / seinem Sohn beschwerlich zu fallen / aber dieser ward von den andern Wechselern /denen er das / so passiret erzehlte / wacker außgelacht / die ihm zugleich den Betrug dieses Brabanders entdecketē: weil aber dieser sich schon unsichtbar gemacht / und alsobald an einen andern Orth begeben /so zog ihm der Sohn diesen Verlust dergestalt zu Hertzen / daß er in wenig Tage auch mit Todte abgieng / und zu seinem Vater reisete / umb sich dieser Sachen wegen gründtlich unterrichten zu lassen.

61. Der betrogene Hertzog
[120] LXI. Der betrogene Hertzog.

Es kam einsmahls an den Hochfl. Wurtenbergischen Hoff ein Alchimist mit Gold inwendig an gefülten Todten-Kohlen / wie er nun dieselben in Tigel warff /in welchen der Mercurius gesetzet war / da muste das Gold nothwendig herauß Schmeltzen / und das Quecksilber verrauchen. Bißweilen hatte dieser Betrieger auch einen Jungen in einer Kisten verborgen /welcher / wann der Fürst die Kammer zugeschlossen hatte / herfür kam / und Gold in den Schmeltz-Tiegel warff / darauff er sich bald wieder verschlosse. Dieser Betrug ward auch zu letzt offenbahr / und muste der lose Gold-Macher (vel quasi) als ein Dieb und Betrieger / einen mit Gold-Blech bezierten Galgen beschweren. Bey vermeltem Hertzog von Würtenberg gab sich nicht lange nach dem ersten ein anderer Alchymist an / mit dem erbieten / er wolle den Fürsten in der Gold-Kunst unterrichten / daferne man ihn aber auff einem fahlen Pferde oder auff Lügen ertappen würde / so solte man ihm einen Strick zur Vergeltung gebē.

Dieser Bösewicht gab einen Kramer ein gewisses von guten Golde gefeiltes Pulver / mit Befehl / demjenigen / der es hohlen würde / das Loth vor einen Batzen oder 2 Schilling zu geben; hievon machte er Gold / dann es war gutes Gold / ob er ihm den Nahmen Nix gab. Der Hertzog ließ auch von diesem Pulver hohlen / und bekam Gold auff dieselbige Weise. Da meinte er / er wäre nun auß Nix ein perfecter Goldmacher worden / begabte also den Meister mit einer güldenen Ketten / und einem Pferd / und ließ [121] ihn seines wegs wandern. Nach seinem Abschied wolte der Hertzog von dem Kramer mehr Nix haben / fand sich aber betrogen / weil ihm dieser sagte / der vermeinte Alchymist habe ihm selber ermeltes Pulver zukommen lassen. Dieser Schelm kommet dem sogenanten Daniel aus Siben-Bürgen zimlich gleich.

62. Der geteuschte Margraff
LXII. Der geteuschte Margraff.

Zween Betrieger / welche an Geld zu kommen trachteten / machten mit einander einen Anschlag / daß einer von ihnen beyden sich vor einen perfecten Alchymisten außgeben solte / der andere hergegen vor einen Marck-Schreyer oder Quacksalber, dieser solte unter andern Dingen ein gewisses güldenes doch Schwartz-Gefäbtes Pulver / unter dem Nahmen Resch / zu kauff haben. Diese lose Betriger wusten aus dem gemeinen Gerüchte / daß Margraff Ernst von Baadē zu der Alchymia überauß grosse Beliebung trug / derhalben suchte der erste Audientz bey ihm / und erbot sich /unglaubliche Dinge zu thun / ja ihn selber in der Gold-Kunst zu unterweisen; der Printz ließ sich bereden / eine Probe zu sehen / und bestellete zu dem Ende alles / was / nach Anweisung des Künstlers /nöthig erachten ward.

Wie solches geschehen / sprach der Betrieger: Alles ist nun woll bestellet / und es mangelt uns nicht mehr / alß einig und allein das Pulver von einer gewissen Wurtzel / die man Resch nennet / welches ein Haupt-Stück bedeutet. Es ist in allen Apotecken /aber am besten bey den Marck-Schreyern zu bekommen. Augenblicklich muste ein Edel-Page hinlauffen /und von [122] dem Quacksalber etwas von diesem Pulver kauffen / welcher zu dem Ende seinen Kram recht vor dem Schloß außgeleget hatte / woselbsten er mittelst seiner starcken Stimme alle Leute an sich lockte. Als der Page zu ihm kam / und forschete / ob er die Wurtzel Resch zu kauff hatte / antwortete er mit Ja / und zwar solche / die viel besser wäre / als man sie in einer eintzigen Apothecken in der Stadt finden würde. Alsobald langte er von diesem Pulver auß einer Schwartzen Büchsē was herfür / und wog dem Edel-Knaben vor einen guten Groschen oder 2 Schilling ab. Dieser laufft eilends zu seinem gnädigsten Herren / und überliefferte das Pulver / welches der Betrieger alsobald auff das Queck-Silber schüttelte und das Gold wieder herauß nahme / welches er ohne Mühe vor ein sauberes Gold auff die Probe stellen kunte.

Dieses gefiel dem Fürsten so woll / daß er den Goldmacher / der seine Gedancken solcher gestalt vergüldet hatte / mit einer ansehnlichen Summa Geldes verehrete und ihm auff sein Ersuchen einen günstigen Abschied gab. Nach seinem Abzug fuhr er fort in der Goldmacher-Kunst sich zu üben / und es glückte ihm sehr woll / so lange das Pulver Resch währete. Wie aber dasselbe alles verbraucht war / und der Fürst aus den Apotecken mehr wolte hohlen lassen /da war kein Mensch zu finden / der dieses Resch kante. Daß also der Fürst den Betrug beklagte / und den Betriegern nachsetzen ließ / aber vergeblich /dann ihr Weg war der weiteste / und ihre Zeit die kurtzeste. Man hat dergleichen leichtfertige betriegerische Goldmacher zu allen Zeiten viele gefunden /doch hat es einer dem andern an List zuvor gethan.

63. Der verkleidete Türck
[123] LXIII. Der verkleidete Türck.

Emanuel Romero / ein Spanier hatte sich vor etwa 37 Jahren zu Ceuta (welches in Africa gelegen / doch Spanisch ist) Heußlich niedergelassen / und mit seiner Frauen 7 Kinder gezeuget; aber sein verteuffeltes Gemüth war so verstocket / daß er Weib und Kinder auß den Augen setzen / und muthwilliger Weise zu dem Mohren überlauffen kunte. Also gab er sich Anno 1648 zu Tituan beym Gouverneur daselbst an / und begehrte ein Muselmann zu werden / mit dem erbieten; der Stadt solche Dienste zu thun / als ein Schiff mit 30 Stücken nicht verrichten solte. Cadem Aamet nam ihn mit Freuden auff / und erwartet den Außgang seiner Verheissung mit verlangen / verwunderte sich gleichwol / warumb Emanuel (der nunmehro Mahomet Rais genennet ward) seine Haare nicht nach Türckischer manier wolte scheren lassen.

Die Ursache fand sich aber bald: Den er rüstete einen Barq aus / und nam 20 Spanische Renegaden in Christen Kleidern zu sich / mit solchen seegelte er nach der Spanischen Seite; Traff auch daselbst noch des ersten Tages einen seinen gewesenen Nachtbaren auß Ceuta an / der eine Barcke mit Vicinalien dahin führen wolte / damahl pralete er und meldete jenem /er sey auff Kauffmannschafft verreiset gewesen / wole also ebenmässig nach Ceuta. Jener ist froh seinen Nachbaren wieder zu sehen / und dieser legte ihm an /unterm Schein [124] der Freundschafft / springt also mit den seinen über / und überwältiget seinen Nachbaarn ehe den jener vom Feinde wuste. Mit dieser Beute und Christen gehet er nach Timan / und ward im Triumpff empfangen. Vier Moren hielten eine Fahne über sein Haupt / und die 8 gefangenen Christen wurden (mit Stricken umb den Hals an einander gebunden) hinter ihm von Siratna nach der Stadt begleitet / da er den Gouerneur eben über Taffel antraff / Cadem stund auff / und nam alsobald seinen Tulpand vom Kopff /und setzte solchen dem Mahomet Rais auff / welches die höchste Ehre / die einem wiederfahren kan. Nach diesem trieb er gemeldtes Hand-Werck 8 Jahr / wodurch er sehr viel arme Leuthe machte / ja er scheuete sich nicht in Spanien ans Land zu treten / und die Leute daher zu holen / wie er den einsmahls bey Gibraltar an Land gekommen / und einen Wein-Gärtner umb Herberge angesprochen / der ihm solches abgeschlagen / mit Vermelden / er habe nur eine kleine Hutte / und gleichwohl vier Knechte / und eben so viel Kinder / sambt einem Weibe / welche noch ihr Kinderbette halte. Mahomet fasset solches zu Ohren /kam also die Nacht mit den Seinigen / und hohlete sie alle nach Timan.

Endlich liefferte ihn gleichwol seine Verwegenheit zur gebürlichen Straffe. Den er kam mit einer grossen Barque zu Malaga an; Woselbst der Herr Michiel de Reuter mit seiner Flotte eben auff der Reede lag. Er fuhr mit einem Boot zu Lande / und gieng in eine Tabern; woselbst er einen Trunck that / und sich umb sahe / ob er nicht auff die Nacht etwas erschnappen könnte / es wolte aber wegen der Holländer gegenwart keine Gelegenheit geben. Also setzte er sich wieder ins Boot / und fuhr dem Hn. Admiralen [125] an Boort / bey dem er sich beklagte / daß er mangel an Vicinalien habe / und in Malaga für kein Geld was zu kauffe kriegen könne: Bath also / ob er ihm nicht für Geld und gute Worte etwas beysetzen könne. Der Hr. de Reuter sahe ihn für einen ansehnlichen Mann an / ließ ihm also einige Käse und etwas Biscotti zu kommen: Dessen bedanckte er sich / und fuhr wieder an sein Schiff. So bald er daselbst ankam / machte er Seegel /und ließ die Türckische Flagge hinten abwehen / taht auch einige Schüsse den Holländern zur Bravade /und gieng durch. Der Hr. de Reuter entrüstete sich sehr über dieses Buben Bravade / ließ also den Ancker kappen / und fuhr in Persohn dem Bösewicht nach; ertappete ihn auch einige Stunden hernach / hie machte der Admiral kurtzen Proceß mit ihm / den er ließ ihn an die Raa auffhencken / und kam also mit diesem Wümpel wieder angefahren. Die zu Mallaga bathen umb den Cörper / der ihnen auch übergeben ward: Sie schlepten ihn noch den gantzen Tag durch die Stadt / wünscheten aber dabey / daß sie ihn noch Lebend solcher Gestalt hätten tractiren mögen.

64. Der übel-bezahlte Wirth
LXIV. Der übel-bezahlte Wirth.

List und Betrug ist auch bey manchen / die sich kein Schwein beduncken lassen / zimlich gemein worden /wie dann von einem Gelehrten erzehlet wird / welcher manchen Wirth umb die Zeche betrogen / und unterander einsmahls nach Wetzflar / so eine kleine Reichs-Stadt an dem Lohn-Fluß belegen / kommen /und nicht weit davon einen Dorff-Wirth beredet / er sey ein Hammel-Treiber / habe jetzo dreyhundert[126] Stück aus dem Wester-Wald geholet und wolte auff Franckfurt damit. Ließ ihm aufftragen / und füllete seinen hungerigen Kragen wieder / der zimlich lär worden / die Hämmel blieben lang auß / der Wirth sagte / sie müsten vielleicht am Zoll auffgehalten werden: potztausend sprach er / daß hab ich vergessen /habe dazu kein klein Geld / lehnet mir etwan einen Ducatē Geld / ich wil selbst wieder zurück kommen; Der Wirth langete nicht allein das begehrte Geld /sondern vertrauete ihm über das sein Pferd / daß er desto besser könte fort kommen / daß es war gar schlüpferig gehen. Der große Vie-Händler ritte forth /kaum hatte er eine halbe Meil geritten, da begegnete ihm ein Jude / den fragte er / ob er nicht zu schachern hätte? dieser Braune seye feil. Der Jud / welcher frembd war / kante diesen Kerl nicht / handelte also mit ihm / wurden eins um zwantzig Thaler; Unthier dachte / es ist besser den Juden betrogen als den Wirth / sprach deßwegen / er solte ihm die neun Ducaten geben / und dem Wirth im nechsten Dorff seinenthalben die übrige entrichten / welches ihm auch der Jude außzurichten versprochen / und die Hand darauff geben. Der Jud / welcher zu vor zu Fuß gewesen / ritte jetzo freudig da hinauß / weil er seiner Meinung nach / sehr wol gehandelt hatte / meynete 10 Thaler am Braunen zu gewinnen / und damit der Verkäuffer keine Ursache möchte haben / den Kauff umbzustossen / ritte er alsobald zum Wirth / brachte ihm den Ducaten / der Wirth nahm sie an / und sprach: Mauschi steige ab / der Braun ist mein / ich hab ihn dem Hämel-Treiber geliehen. Der Jude wolte den Braunen nicht lassen fahren / doch muste er entlich /weil der Wirth mit seinen Nachbarn bezeugete / daß das Pferd sein were / wolte der Jud sein zwantzig Thaler wieder haben / möchte er sie holen.

65. Der liderliche Schmarotzer
[127] LXV. Der liderliche Schmarotzer.

Ein ander Schmarotzer / der gerne was gutes aß und tranck bey seinem Geld-losen Beutel / ist in der Pfaltz auff ein Dorff gangen / und hat den Wirth daselbst gefragt / ob er nicht ein Fuder-Weins kauffen wolte / es sey ein köstlicher Trunck. Der Wirt / welcher über 4 viertel nicht mehr in Faß hatte / accordirte mit dem Handels-Mann / truncken einen guthen Wein-Kauff darauff. Da nun der Abend herbey kam / wischete er das Maul / und hinderließ beym Wirth / daß er des Morgens den Wein bey ihm umb 8 Uhren abholen solte. Der Wirth hatte die bestimte Zeit in acht genommen / und kam umb acht Uhr da mit seiner Fuhr /den Wein abzuholen / klopffte lange an deß Vaters Thür / biß entlich der alte herfür kam / und fragte /was er begehre? Da ihn nun der Bauer berichtet / wie ihm sein Hr. Sohn (dann er war ein Geistlicher gewesen / wann mir recht ist) gestriges Tages habe ein Fuder-Wein verkaufft / welches er jetzo kommen sey zu holen. Der Vater / welcher sich ein halb Jahr mit einem Aemgen beholffen / sprach mit tief geschöpftem Seufftzer / O des bösen Bubens / ich habe keinen Wein im Hauß / und er wil noch verkauffen / merckte wol daß er den Rausch des vorigen Tages bey diesem Bauern muste geholet haben / schickte hinauff / ließ ihn auffwecken / dann der Rausch war noch nicht gar außgeschlaffen. Da er vernahm / daß der Bauer den Wein holen wolte / erschrack er hefftig / dann er hatte nicht mehr an die bestimbte Stunde gedacht. Als er nun über eine halbe Stunde [128] zubracht mit dem Ankleiden / und der Bauer nicht weichen wolte / er währe dann bezahlt / muste er doch entlich herbey / aber es ist böß zahlen / wo keine Dütgens seynd / sagt der Holländer / wolte der gute alte Vater-Ruh haben / so muste er für seinen Sohn 5 Maß Wein zahlen.

66. Die listig-erworbene Buhlschafft
LXVI. Die listig-erworbene Buhlschafft.

Zu Genua lebte eine adliche Dame / nahmens Romana welche wegen Mangel behöriger Mittel / sich daselbsten einen reichen Seiden-Weber auf inständiges Einrahten ihrer Eltern / verheurahtete / weil aber ihr Mann / dessen dritte Frau sie war / schon bey zimlichen alter / und also die jenige Schuldigkeit ihr nicht leisten kunte / die ihr alß einer blutreichen frischen adelichen Damen gebühret / bildete sie ihr ein / es sey ihr erlaubet deßfals bey einem andern sich Rahts und Erstattung zu erhohlen. Gleich wie aber das Frauen-Zimmer / dieser Orthen mehr / als anderswo eingesperret ist / und man genaue Achtung auff sie hat /also verbarge sie ihr heftiges Anliegen eine Zeitlang /und ersahe inzwischen einen wackern jungen Edelmann / der ansehnlich von Persohn und von guten Geschlecht / aber gleichfalls nicht sonders von Mitteln war. Zu diesem trug sie eine hertzliche Affection /weil er bißweilen durch ihre Strasse / darin sie wohnet / vorbey gieng / weil er aber hievon den geringsten Winck nicht bekommen hatte / sie auch nicht wuste /wie sie ihm ihre Gunst / und mehr als erlaubte Gewogenheit / zu verstehen geben möchte / erdachte sie endlich nach reiflichen langem Nachsinnen folgende List:

[129] Sie hatte vernommen / daß dieser Edelmann / nahmens Leonardo / gar offt zu einen alten München gieng / und sich in der Gottes-Furcht fleissig mit ihm unterredete / und wie dieser alter Münch wegen seines heiligen Wandels in der gantzen Stadt sehr bekant /also lobte er des Leonardo Tugend und Glaubens-Eyfer über alles / weil er wuste / das solches etwas seltzames bey Edelleuten zu sein pfleget. Romana suchet Gelegenheit zu diesem Münch ins Kloster zu kommen / zu dem sie sprach: Andächtiger Vater /euer heiliger Wandel / und guter Glaube / den ihr bey jederman habt / verdienet nicht / daß man übel von euch rede. Ich bin berichtet worden / daß ein Edelmann / nahmens Leonardo sich offt bey euch einfindet / welcher sich sehr andächtig stellet / da er doch in seinem Hertzen Ehebrecherische Gedancken führet; Ich aber / welcher er seine Liebe anzutragen sich unterstanden / bin nicht von solcher Arth bösen und leichtsinnigen Weibern / wie ich ihm etliche mahl durch seine zu mir gesandte Kuplerinnen gesagt / und ich hatte mir vorgenommen / ihm meinen Mann und Bruder auff den Halß zu weisen / wann er nicht von mir ablassen würde / aber ich schone seines ehrlichen Geschlechtes / darum komme ich zu euch / und bitte ihr wollet ihm bey erster Gelegenheit das Gewissen schärffen / und ihn vermahnen daß er meiner gäntzlich müßig gehe / wo er nicht in Scham und Schaden fallen wolle. Der Münch verwunderte sich sehr über diese Rede / weil aber die Romana dieselbe mit etlichen erdichteten Trähnen bekräfftigte / tröstete er sie nach äussersten vermögen / darauff sie entlich wieder von ihm schied / nachdem sie ihm eine harte Krohne in die Hand gestecket / weil sie wuste / daß er von den Almosen lebte. Wie nun hierauff Leonardo wieder zu diesem Geistlichen Vater [130] kombt / hält ihm derselbe seine Gleißnerey / und ungebürliche Liebe zu der Romana vor / und bestrafft ihn hefftig. Leonardo / der von der Romana gehöret / aber dieselbe im geringsten nicht kante / versuchte sich mit hohen Eyden / daß man ihn mit Unrecht beschuldigte / und wünschete der Romana alles Unglück auff den Halß / und weil er in seine Reden sehr beständig / bringet er den guten Geistlichen in einen Zweiffel. Ob sie auch an seiner Persohn einen Irrthum begehen möchte / tröstete ihn demnach / unn ermahnet ihn / so es ja also gewesen /von der Romana abzustehen / und ihrer gantz und gar müssig zu gehen / worauch sie von einander schieden.

Romana ließ sich von der Zeit stets an dem Fenster sehen / welches auff die Strassen gieng: Sie hatte sich prächtig angekleidet / und passete auff ihren Leonardo / welcher in seinem Sinn gedachte / du must doch zum wenigsten bemühet sein / ob du diese adliche Jungfrau möchtest zu sehen bekommen / welche dich so eigentlich kennet / dahingegen du ihrer doch die geringste Kundschafft nicht hast: Nam also seinen Weg bey ihrem Hause vorbey / und wie er nahe hinzu kommen / thäte sie das Fenster einwenig auff / und grüssete ihn überauß freundlich: Welches ihm seltzame Gedancken machte / gleichwol danckte er ihr / ohne Zorn / und gieng weiter fort / wo er zu thun hatte. Hierauff dachte er der Sachen nach / und bildete ihm ein / der Münch habe sich an der Frauen Persohn geirret / und ob er gleich eben insonst erheit keiner andern nachgienge / mutmassete er dannoch / es müsse ihn eine andere bey dem Ehrwürden Vatter also angegossen haben. Wie er demnach am folgenden Tage wieder zu seinem München kam / erfuhr er die Confirmation /daß es diese Frau und keine andere / die [131] ihn nun zum andernmahl verklagt hatte. Dann dieselbe war sobald Leonardo bey ihr fürüber gangen / zum Pater kommen / hatte gewaltig geweinet / und ihm geklaget / daß ihr der Leonardo itzo noch viel stärcker zusetzete / als jemahlen vorhin / bathe deßwegen ihn bald von der ungebührlichē Liebe zu ihr abzureissen / oder sie wurde nicht ermangeln / ihn deßwegen / für aller Welt zu beschimpfen / der Münch tröstete sie / und hielte ihr für / wie Leonardo mit hohen Eyden bekräfftiget / daß er sie gar nicht kenne / viel weniger jemahlen die Gedancken auff sie gehabt / und bahte / sie möchte solch ungeleiche Gedancken von ihm fahren lassen. O des leichtfertigen Buben! Sprach sie darauff / O des vermessenen Lügeners! kan er es leugnen / daß er gestern etlichemahl meine Wohnung vorbey gangen / und alß ich mich mit fleiß vor ihm verbarg / durch eine alte Kupplerin kurtz hernach diesen Ring und Beutel mit etlichen Gold-Stücken zu mir gesandt / in Hoffnung /mich dadurch zu seiner Ehebrecherischen Liebe zu reitzen? hiemit zog sie einen schönen Ring und einen güldenen Beutel mit etlichen schönen Rosenoblen auß der Tasche / und sprach ferner; sehet da lieber Vater! dieses Unterpfand kan ihn schlagen / als mir die alte Vettel diese Stück überreichte / hette ich sie vor Zorn schier alsobald ins Wasser geworffen / aber nachdem ich mich ein wenig besann / dachte ich / es würde Leonardo am füglichsten von meiner Liebe abgeschrecket werden / wann er die mir übersante Buhlen-Geschäncke wieder bekähme / und daraus erlernete /daß er durch Gaben meiner Ehre keinen Schaden thun würde / weil ich aber besorgte / wann sie die alte Frau wieder zurück bringen solte / dörffte sie leichtlich /wie wol mehr geschehen / dieselbe vor sich behalten /und fürwenden / ich hette sie angenommen / [132] und dadurch wurde Leonardo nur in der Liebe hitziger. Solchem nach habe ich euch / Ehrwürdiger Herr Vatter /diese Dinge gebracht / damit ihr sie ihm selber einhändiget / als einen gründlichen Beweiß seiner Vermessenheit / dabey aber / und worumb ich euch abermahl gar hertzlich wil gebehten haben / vermahnet ihn / daß er diese und alle seine Gifften und Gaben bey mir vergeblich anwenden wird / möge sie demnach für sich selber behalten / weßfals ich ihm diese durch eure Hand wieder zustelle / und daß er sich ja hüte / dann ich durch sein fürters beschwerliche Anhalten nicht genöhtiget werde / ihn bey den Meinigen anzugeben / so dörffte ihm alsdann gewißlich ein offentlicher Schimpff wiederfahren / wornach er sich zu richten haben kan.

Hiemit nahm die Romana Abschied vom Pater und beschenckete ihn mit einem reichen Allmosen-Pfenning / zumahl er ihr versprach alles fleißig auszurichten / worumb sie ihn gebehten hette / der gute Leonardo / der bald darauff auch ankam / ward gar rauch von der Heil. Kloster-Person empfangen / es fehlete wenig / der Münch hette ihn alsobald verdammet / weil er annoch so beständig leugnete. Wie du freches Welt-Kind! sprach er zu ihm / kanstu wol leugnen ein Ding / daß ich dir Sonnen klar machen kan? Siehe hier diesen Ring und Beutel mit Geld! Siehe! schaue! wie stehestu nun? Ey feiner Heuchler! Aber ich sage dir /Romana der Ausbund aller ehrbahren Frauen ist selber nun zum andernmahl bey mir gewesen / und hat mich gebeten / ich solle dir diese leichtfertige Gaben wiedergeben / damit du daraus erkennen mögest / wie so gar nichts du an ihrer Liebe erlangen mögest. Ich bitte dich aber umb deiner Ehr und hohen Freund schafft willen / lasse sie zu frieden / wo du nicht selber dich in das äuserste Verderben [133] stürtzen / und für der gantzen Stadt zu Spott werden wilt.

Leonardo nahm diese schöne Sache / und gedachte / daß diese eine ander Bedeutung haben müsten / nach dem er sich also ein wenig besonnen / eben als wann er seine Sünde innerliche bereuete / sprach er: Ach Vatter / mein Gewissen ist mir gerühret / ach vergebet mir meine Sünde / ich wil mich bessern / und nimmermehr an die Romana gedencken. Auff diese Worte schärffte ihm der Pater das Gewissen noch vielmehr /vermahnte ihn zum Guten / gab ihm endlich auff Begehren / die Absolution / und ließ ihn mit einem Kuß wieder von sich gehen. Leonardo ging also bald nach der Romana Hauß / wo sie sich abermahl unfehlbar am Fenster sehen ließ / und als sie von ihm freundlich gegrüsset worden / sprang ihr das Hertz im Leibe vor Freuden. Nun hastu schon halb gewonnen / sprach sie bey sich selber / und hoffte auff Gelegenheit / ihren Buhlen bald bey ihr zu sehen. Gleich wie es aber in Genua übel gedeutet wird / wann ein Frembder mit einer Hauß-Mutter redet / also sahe sie kein Mittel /zu ihrem Willen. Endlich aber erdachte sie durch ihre Behendigkeit folgende List: Sie ließ einen Brieff schreiben / darin ihres Mannes Bruders Frau zu Massa ihrem Manne / dem alten Seiden-Weber zu wissen thäte / welcher gestalt sein Bruder / ihr Ehe- Mann vor wenig Tagen ohne Kinder verstorben / dahero sie verbunden / ihme solches kund zu thun /damit sie sich fordersambst und zwar in der Güte wegen seiner ziemlichen Verlassenschafft aus einander setzten. Diesen Brieff ließ sie durch eine unbekante Persohn ihrem Mann überlieffern / welcher alsobald nach diesem Bißlein schnapte / und sich also gleich am folgenden Tage [134] auff die Reise nach Massa erhub. Er war aber kaum aus dem Thor kommen / da verfügte sich die listige Romana wieder zu ihrem Pater / fing bitterlich an zu weinen / und klagte ihm /Wie Leonardo / da kaum ihr Mann aus dem Hause gewesen / nach Massa zu reisen / ihr durch eine alte Vettel dieses zarte Hembd und ander Leinen-Gerähte (welches sie hierauff dem Pater reichte.) übersant /und vermelden zu lassen / sich erkühnet hatte / er wolle auf den Abend in Ihren Garten am Norder-Ende kommen / und an dem daselbst befindlichen grossen Maul-Beerbaum zu den Fenstern ihrer Schlaff-Kammer klettern / sich hinein werffen / und wann er dieses Hembd und beygehendes Leinen-Geräht angelegt /sich rechtschaffen mit ihr ergetzen. Ach umb des Himmels willen / helffet mir von diesen Buben / haltet ihm seine Stücklein mit solchen Umbständen für /wie ich sie euch erzehlet / so wird er sie nicht läugnen können / überreichet ihm zu seinem Uberweißthumb auch dieses Gerähte / und versichert ihn / wofern er sich noch ein eintzigesmahl erkühnen wird / meine Erbarkeit und Ehre zu bekümmern / daß ich alsdann keine Gedult mit ihm haben / sondern anderwelt Mittel suchen werde / die zulänglich gnug seyn mögen /ihn seines Frevels / wiewohl allzuspäte / gereuen zu machen: Ach ich betrübte / angefochtene Frau! Hierauff fieng sie hertzlich an zu weinen / daß auch der alte Münch selber mit weinete / dessen sie doch in ihrem Hertzen lachete. Nach empfangenem Trost /den sie abermahl mit einem reichen Allmosen vergolten / ging sie ihres weges / und lebte der Versicherung / ihr Courtisan würde den Possen wol gemercket haben / und sich auff den Abend bey ihr einfinden.

Es ist aber nicht zu beschreiben / wie der Münch hierauff [135] den guten Leonardo / da derselbe seiner Gewohnheit nach fast allemahl ein Tag umb den andern zu ihm kam / mit rauchen Scheltworten anfuhr; Etliche Tage her / sprach er / hastu dich wolgehalten /und die Romana hat keine Anfechtung deinetwegen erlitten / aber jetzo beginnestu dein Gottlosses Wesen wieder herfür zu suchen / welcher Zauber-Geist hat dir so bald sagen können / daß der Romana Ehe-Mann diesen Morgen nach Massa verreiset? Schäme dich / daß du desfals die Wahrsager umb Raht fragest / noch vielmehr aber / daß du dir einbildest / du wollest die allerkeuschete Romana durch Geschencke /und reiche Gaben zu deinen gottlosen Willen bringen. Sie wird sich und dich zugleich vieleher mit einem Dolch erstechen / ehe sie ihrer Ehre und Zucht einen solchen Flecken anhinge. Leonardo wolte sich mit Fleiß etwas unwissend stellen / umb noch mehr von diesen Sachen zu hören / worauff dann der Pater das Leinen-Geräth herfür zog. Dieses warff er ihm ins Gesicht / und sprach: Daß du mitten auf dem Meer sässest mit deinem Ehebrecher-Hembd nimmbs wieder zu dir und gibs lieber den Armen / als daß es zu unehren gebrauchet / dein unverschämbtes Hertz muß nicht zu ergründen seyn / welches sie nicht scheuet /diesen Morgen dieses Leinen-Gerähte zu der Züchtigen Romana zu schicken / und ihr andeuten zu lassen / daß du diese künfftige Nacht zu ihr kommen und deine Unzucht mit ihr treiben wollest / hierauff beschrieb er ihm alle Umbstände / wie ihm solche die listige Romana vorgestellet hatte.

Leonardo nahm das Geräthe zu sich / fiel dem Pater zu Fuß / und sprach: Nun so sehe ich / daß noch ein guter Engel über mich wachet / weil alle meine böse Anschläge zurücke gehen müssen / umb meine Seele zu retten: Er [136] stellete sich ferner / als hätte er überaus grosse Reue wegen des Vorgegangenen / und versprach dem Pater sich zu bessern / und der Romana gäntzlich müßig zu gehen / ja wofern sie ihn noch einmahl verklagen würde / solle er Macht und Recht haben / ihn in der Justitz-Hände zu lieffern / und ihm sein Recht thun zu lassen / solche Poenitentz gefiel dem Pater überaus wol / absolvirte ihn demnach /seegnete ihn / und ließ ihn mit dem schönen Leinen-Gerähte hinwandern / welches er alsobald anlegte /und gegen die Nacht an obbeschriebenem Orthe sich einstellete / den Baum hinauff stieg / und das Fenster offen fand / er stieg in die Kammer / und ward von der Romana mit beyden Armen empfangen / köstlich tractiret / und hernach zu Bette geführet / darin sie des München Eyffer und Thorheit von Hertzen lacheten /auch so offt zusammen kamen / als es die Gelegenheit zuliesse. Aber bey dem Münch kam desfals keine Klage ein / welcher den Leonardo hernach für den frömsten Edelmann hielte / nach etwa einem halben Jahr starb dieser Seydenweber / welcher von seiner Frauen so artlich betrogen und nach Massa verschicket worden / und weil Romana an statt der Kinder lauter Gold und grossen Reichthumb von ihm ererbet / nahm sie Leonardo zur Ehe / umm nicht allein zu Mitteln zugelangen / sondern auch die begangene Schande durch sothanes Heiliges Band einiger massen wieder abzuwischen.

67. Die betrogene Hochmuth
LXVII. Die betrogene Hochmuth.

Hochmuth nimpt selten einen guten Ausschlag / wie folgende warhaffte Geschichte bekräfftiget. [137] Eine fürnehme sehr reiche / schöne und geschickte Jungfrau /auß einem wohlbekanten Geschlechte in Seeland entsprossen / hatte durch ihr anmuhtiges und liebreiches Wesen alle ansehnliche junge Gesellen an sich gezogen / daß sich deren einer nach dem andern bey ihr anmelden / und umb sie werben ließ / ob sie nun gleich gerne mit ihnen umbgieng / wolte sie sich doch keines weges ihrer Meinung nach / so sehr erniedrigen / daß sie sich mit ihrer einem eintzigen in ein Ehegelübde eingelassen hette / sondern da war der eine zu arm / der ander zu klein / ein ander nicht höfflich genug / ein ander zu jung / ein ander zu frech / zu alt /zu hoffärtig / oder hatte sonst etwas an ihm / welches sie von ihm abschreckete / mit einem Wort / sie hoffete dermahleins eine fürnehme Stands-Person zu heurahten / als deren sie sich allein werth achtete.

Diese ungemeine Hochmuth verdroß 2. oder 3 der principalisten Jüngling in Seeland / daß sie beschlossen / die Chrysenien / also wollen wir sie nennen /auff eine artige Weise zu betriegen / und sie ihren Hochmuth bereuen / zu machen. Nachdem sie sich lange Zeit mit einander berahtschlaget / befanden sie einen Italianischen Schorsteinfäger / Nahmens Jacomo am tüchtigsten zu ihrem Anschlag / derselbe war von schöner Gestalt / wohlgewachsenem Leib und bey gutem Verstandt. Sie kamen mit ihm zu reden /und hielten ihm für / daß sein Glück anitzo blühete /wofern er Hertz gnug hette / zu einer Heurath mit einer qualificirten / reich und führnehmen sehr schönen Jungfrau sich zu bequemen: an welcher sie sich dieser Gestalt zu rächen gesonnen. Nachdem Jacomo dagegen eingewant / daß er sich nicht capabel achtete / ein solch wichtiges Werck gebührlich auszuführen /sintemahl es ihm an benöthigen Geldern und anderm Verlag ermangelte / [138] da versprachen sie ihm mit so viel Geld beyzuspringen als er hiezu von nöthen hette / und wenn die Heurath ihren Fortgang gewonnen /solte es ihm leicht fallen / aus der Jungfrauen Mitteln / zumahl sie ein einziges Kind ihrer sehr reichen Eltern / ihnen das fürgestreckte Geld wieder zu erstatten / jedoch behielten sie ihnen vor / nach gehaltener Hochzeit / noch eines zu verrichten / welches die Hochzeit oder Ehe keines weges stören könte. Jacomo / der nach Glück trachtete / gieng solches endlich ein /und auff der andern Einrahten fieng er die Werbung folgender massen an.

Er legte also bald 2. wohlgekleidete Diener zu /kleidete sich sehr prächtig und kam als ein fürnehmer Herr zur Stadt herein geritten / legte sich in die für nehmste Herberge / jedoch nicht weit von der Chrysenia Behausung / und am folgenden Tage gieng er hinzu / als er sahe / daß sie an der Thür stund / grüssete sie höfflich und nachdem er ihr einen Wechsel-Brieff auff etliche 1000. Dublonen gezeiget / forschete er / ob sie ihm / weil er ein Frembder / keinen Bericht zu ertheilen wüste / wo die Persohn wohnte /welche diesen Wechsel zu bezahlen angewiesen wäre / im gleichen / ob dieselbe auch bey gnugsamen Mittel / dergleichen Wechseln in kurtzem mehr zu bezahlen / sintemahl er sich seinem Standt gemäß zu halten / und an diesem Orth / als welcher er ihm für andern sehr wol gefiel / noch eine Zeit lang zu verbleiben gesonnen wäre. Die Jungfrau gab ihm auff alles guten Bescheid / und seine Person stund ihr im ersten Anblick dermassen an / daß sie ihm leichtlich vergönnete als er bey ihr anhielte / sie möchte es ihm nicht übel deuten / wann er sich bißweilen / umb die Zeit / als ein Frembder / zu kürtzen / bey ihr einstellete / die zierliche Niederländische Sprache aus ihrem Munde anzuhören. Es war aber der principaleste Uhrheber dieses Betrugs / [139] nehmlich einer von ihren abgewiesenen reichen Courtisanen in dem Wechsel-Zettel genennet / dannenhero verfüget er sich zu demselben /und überleget ins Geheim diese Wichtigkeit noch weiter mit ihm und denen übrigen Interessenten. Hierauff gehet er wieder bey Gelegenheit nach der Chrysenia /und gewinnet sie durch sein anständiges Wesen und liebliche Discursen / daß sie ihm ihre Gunst zusaget /wofern ihr Vater drein willigen wolte. Er spricht den Vater gleicher gestalt an / und derselbe begehret Bedenckzeit / gehet aber fürnehmlich zu dem Principalesten Interessenten dieser gemachten Karten / und weil er dem Jacomo einen grossen Wechsel bezahlet / hat er seinetwegen guten Bericht von ihm zu erlangen /dieser aber bekennet / daß Jacomo aller Muhtmassung nach ein fürnehmer Herr seyn müsse / weil ihm seyn Correspondent aus Italien seinethalben viel grosse Dinge geschrieben / wie er nemlich ein grosser und sehr reicher Herr wäre: mit diesem Bescheid gehet der Kauffmann wol vergnüget nach Hauß / beredet sich mit seinen Freunden / und wird also Verlöbniß und bald hernach die Hochzeit vollenzogen. Als dieses geschehen / fodern die Interessenten den Jacomo / und halten ihm für / daß er durch sie ein glücklicher Mann worden / und nun erfordere seine Schuldigkeit / Krafft seines Versprechens ihnen noch in einem eintzigen Stück zu wilfahren / welches darin bestünde / daß er künfftigen Tag seine vorige Schorsteinfegers Kleider anlegen / und vor seiner Frauen und Schwieger-Vatter offentlich bekennen muste / wie er ein warhaffter Schorsteinfäger seines Handwercks. Solches will ihm zwar schwer in Kopff / gleichwol betrachtete er / daß durch ihre Hülffe er sein Glück gemacht / leget dem nach / begehrter massen / seine schmutzige Kleider an den Leib und die lange Stange auff den Halß / womit er vor [140] seine Wohnung kommet / und die Chrysenia zu sprechen begehret / die Magd wil ihn nicht einlassen /aber er kehret sich nicht dran / dringet zu seiner Frauen in die Kammer / und gibt zu erkennen / daß er der Jacomo ihr Mann / aber dabey ein Schorsteinfeger seines Handwercks sey / welches er ihr hiemit habe offenbahren wollen / im übrigen sey er bereit dasjenige /was ihm an Mitteln mangele / durch getreue Liebe und seinen guten Verstandt zu ersetzen. Chrysenia erstarret über dieser Zeitung / aber ihr Vater kan sich ehe begreiffen / welcher nach gepflogenem Rath mit seinen Freunden / den Jacomo / als sein Schwieger-Sohn behält und mit seiner Persohn / ob dieselbe blut arm / er auch seinetwegen den vorigen Wechsel bezahlen muste / zu frieden ist. Die Chrysenia gibt sich endlich auch drein / und hat hernach sehr wol mit ihm gelebet: Sonsten ist dieses Exempel eine Warnung /daß man nicht zu hoch steigen soll / damit man nicht auff einmahl einen gewaltigen Sprung thun müsse: niemand sol sich über seines Gleichen achten / sondern einen jeden nach seinem Stande ehren.

68. Der lustige Student
LXVIII. Der lustige Student.

Ein armer / doch subtiler und verschmitzter Student zu allerhand Sachen / ward deshalben hin unn wieder von jungen Burschen geliebet / daß er allenthalben /wo er nur hin kam / freye Zehrung hatte / es dauchte ihn / aber er könte zu nichts kommen / wann er nicht ein sein Capital hette / verließ derhalben seine Gesellschafft und zog auff Paris / fand auch allda bald eine Compagnie von Burschen / die ihn wegen seiner Geschicklichkeit / sehr liebten / und wolte einer für dem andern gerne bey ihm seyn / [141] doch dachte er / hiemit wirstu noch nichts vom Capital kriegen / bedachte also dieses / er heurte eine Kammer unn borgte von seinen Cammeraten ihre köstlichste Kleider / machte darmit in seiner Stuben einen mächtigen Zieraht nebenst einem Schneider-Tisch. Nun war ein Schneider der spendirte trefflich auff Moden / zu dem gieng er gantz verkleidet und sagte / was er ihm geben wolte /wann er ihm einen Orth weisete / da ein Bönhas saß /der viel neuer Moden bey sich hätte / der Schneider gab ihm zwey Ducaten / und er gieng Abends mit ihm und wieß die fürm Fenster hangende schöne Kleider /damit war der Schneider zu frieden / brachte auch des andern Tages seine andern Meister mit hin und wolten den Boinhasen jagen / da hatte sich der Student umb geputzet / daß er ihnen unbekant war / saß auch bey dem Tisch / als wann er nähete / den nahmen sie zuerst beym Kopff und wolten ihn mit nehmen / aber er wolte nicht / schlugen und stiessen unterdessen tapffer auff den unschuldigen Böhnhasen loß / biß zu letzt die Nachbarn nebenst seinen vorigen Cammeraten darzu kamen unn halffen ihm zuerst loß / brachtens auch bey der Obrigkeit dahin / daß ihm die Schneider für seine Schläge 50. Frantze Krohnen geben müssen / diß war seyn erstes Capital.

69. Der betrogene Dieb
LXIX. Der betrogene Dieb.

Solte es wol zu tadeln seyn / wann man einen Dieb wieder mit der Müntz bezahlt / damit er andern so offt gelohnet hat? Ein solcher liederlicher Gesell hatte eines ehrlichen Manns-Kind verführet / also / daß er ihn mit zu seinem Handwerck gebrauchte / und that einen Ritt mit aus / da sie dann allenthalben etwas bekamen / entlich kamen sie bey ein [142] Wasser / dar lag schönes Leinen / der Dieb kunte nicht hinzu kommen / ließ den andern auff der Schildwacht / stiege abe /und zog sich aus / schwamm hinüber / und holte von dem köstlichen Leinen ein Stück nach dem andern /wie nun seine Schildwacht sahe / daß er gnug hatte /nahm er es nebenst des Diebes Kleidern auff sein Pferd / gieng also mit vier Beinen darvon / der Dieb möchte sehen / wie er folgete.

70. Die hintergangene Ehebrecherin
LXX. Die hintergangene Ehebrecherin.

Auff eine Zeit bekam ein Balbierer Lusten bey eines Apotheckers Frau zu schlaffen / welche sehr schön war / wie er nun offtmahlen bey ihr angehalten / doch allezeit abschlägige Antwort bekommen / so trug sichs zu / daß der Mann ausgereiset war / gieng er also wieder zu ihr / und hielte jemehr und mehr bey der Frauen an / die Frau ließ sich entlich wegen Begierligkeit des Geldes überreden / giengen also beyde zu Wercke / wie nun dieß geschehen war / borgete er ihr einen Mörsel ab. Der Mann kompt wieder zu Hauß / als der Balbierer diß gehöret hatte / brachte er den Mörsel wieder hin / und sagte zu dem Mann: Er solte ihm nun das Geld wieder langen / daß er seiner Frauen zu Pfande gelassen hatte. Dem Mann kam diß frembde für / sprach derhalben zu seiner Frauen / ob sie von diesem Man ein Pfand genommen hätte / ich wil ihm wol 100. Gülden borgen / geschweige dann einen Mörsel zu leyhen. Die Frau böß und halb beschämpt / sprach: Ich wolte ihm nicht sonder Pfand wegleyhen / hat er den Mörsel wiederbracht? Ja sagte der Mann / es ist gut sprach sie / da ist dann sein Pfand wieder / aber ich [143] schwere ihm / daß er nimmer in meinem Mörsel wieder stossen soll. Ihe Mann aber wuste nicht was sie für einen Mörsel meinte / oder in welchem Mörsel der Balbier gestossen hatte.

71. Der listig betrogene Hornträger
LXXI. Der listig betrogene Hornträger.

In einer gewissen Reichs-Stadt trug sichs zu / daß ein alter Mann eine junge Frau heyrahtet / welche sehr schön war / er aber ein glaub-loser Mann / so daß die Frau sich nirgends konte hinwenden / so war er allzeit hinter ihr. Auff eine Zeit trug sichs zu daß ein Kauffmann in ihrem Hauß logirte / welcher die Glaub-Losigkeit dieses Alten sahe / wuste nicht wie ers am besten angehen solte / daß er die Frau möchte allein sprechen. Endlich bedacht er einen Fund / und rieff des Morgens als der Mann noch auff dem Bette lag /umb zu trincken / der Mann der so früh nicht konte auffstehen / sagte gegen seine Frau: Gehet geschwinde zu dem Kauffmann / und höret was er wil /aber kompt geschwinde wieder. Sie ging hin / und fragte was sein Belieben wäre / er spricht / thut so wol und bringt mir einmahl zu trincken / welches sie thäte. Ich sehe wol sprach er / daß euer Mann so glaublos ist / daß man euch nicht einmahl kan zu Worte bekommen. Darauff sie antwortet / das ist war / aber ich weiß Raht: kompt Morgen Nacht umb ein Uhr vor mein Bette / denn ich liege an der Seite der Thür / und weckt mich auff / ich wil euch einen Gefallen erzeigen / welches er annahm zu thun / kame also des Nachts / wie sie Abschied genommen hatten / mit ihr seiner Liebste Lust zu pflegen / in dem erwacht sie aus dem Schlaff und griff ihn bey der Hand und hielt ihn fäst / rieff darnach [144] ihrem Mann aus dem Schlaff /und sagte gegen ihm / der Kauffmann versucht mich in Unehre zu bringen / und ist hier vor einer kleinen Weile gewesen / und sagte zu mir / ich solte in den Hoff kommen / daselbst wolte er meiner verwarten. Thut so wol und stehet auff / ziehet meine Kleider an /und gehet an meinen Platz sitzen / und wenn er noch nicht da ist / wird er alsobald kommen. Der Alte ließ sich überreden / und gieng hin / unterdessen verrichtet der Kauffmann mit der Frauen seine Lust. Wie nun solches geschehen / sprach die Frau zu dem Kauffmann / gehet nun hin zu meinem Mann / und haltet euch / als wenn ihr bey ihm schlaffen wollet. Der Kauffmann gieng hin / und fand den Mann in Weiber Kleidern sitzen / und sprach zu ihm / ja Lieb / sie ist schon hier / ich habe mich versäumet / das wolle sie mir zu gute halten / und begunt nach den Brüsten zu greiffen / und nach dem Schurtztuch zu langen: Ey nun / sagte der Kauffmann / und hatte unterdessen einen guten Knüttel schlug ihr tapffer damit umb die Rieben und sprach: Was meinstu Hure wol / daß ich es darum thue / daß ich bey dir schlaffen wil / nein /ich thue es dich nur zu versuchen / was du thun woltest. Wie der Alte nun wieder zu der Frau kam / sagte er: liebe Frau es gereuet mich / daß ihr nicht da gewesen seyd / es wäre nur umb einen Versuch zu thun gewesen / ich kriegt lustige Schläge / da ich mich hielte als ob ichs ihm vergönnen wolte. Aber die Frau lachte und gedachte bey ihr selbst / ich habs besser gehabt als ihr.

72. Der betrogene Münch
LXXII. Der betrogene Münch.

Folgende Geschichte laufft mehr auff eine listige Vergeltung / als auff einen Schaden aus. Es [145] geschahe einsmahls / daß aus Paris zween Barfüssen Münche einen guten Weg reisen musten / und kamen im Felde in ein Wirtshauß / welches allein lag / fragten nach ein wenig zu Essen / die Wirthin sagte: Ihr lieben Leute / wir sind erst neulich hieher kommen / und haben ohne das nicht viel gehabt / unterdessen hab ich noch ein Huhn / wolt ihr das haben / so ist es hier / ey ja sagten die Münche / sie solte es ihnen bringen. Die gute Frau wuste nicht / daß die Barfüsser kein Geld bey sich trugen / machte das Huhn zu rechte /und brachte es ihnen für. In deme kamen zwey Cartheuser-Münch / die hatten die andern schon hinein sehen gehen / fragten auch nach etwas zu essen / da sagte die Frau / sie hätte nichts als ein Huhn / das hätte sie zwey andern München fürgesetzet / die Cartheuser fragten ob sie kein Geld dafür haben wolte? Ja sagte die Frau / wir sind junge Anfänger / und zwar arme Leute / ich muß Geld dafür haben / ja sagten die Cartheuser / von ihnen kriegt ihr nichts / bringt es uns / wir wollens reichlich belohnen die andern aber als Barfüsser die tragen kein Geld bey sich / die Frau lauffet alßbald nach den andern zu / und fraget: Ob sie ihr nicht einen Thaler wechseln könten / nein sagten sie unser Orden bringet mit sich / daß wir kein Geld bey uns tragen müssen / so / sagte die Frau / wer bezahlet mir dann mein Huhn? die Münch antworteten / wann ihr Geld dafür begehret / so nehmt es wieder hin / so die Frau auch that / kriegten also die Cartheuser diß Huhn zum Anbiß / was geschah / die armen Barfüsser merckten / daß es von ihren Mittverwandten angestifftet war / daß sie fasten musten / verfügten sich unterdessen bey sie / und reiseten fort / gedachten aber / können wir ein Possen wieder anrichten / es sey uns nicht verdriessen / entlich kamen sie an einen Morast / [146] da sie durch musten / und weiln die Barfüsser weder Schuh noch Strumpffe anhätten /baten sie die Cartheuser / welche wol bekleidet waren / sie möchten sie auffnehmen / und hindurch tragen /ja sagten die Barfüsser / das sind wir schuldig zu thun / nahmen sie also auff / wie sie nun kamen / da es fast tieff war / rieffen die Cartheuser / nun Brüder haltet nur fäst / wann wir hinüber kommen / wir wollens euch reichlich belohnen. Ey sagten die Barfüsser /habt ihr auch Geld / ja sagten die Cartheuser / wir haben Geld gnug bey uns / hiermit warff ein jeder Barfüsser / seinen Cartheuser in den tieffen Schlamm / und rieffen: Lieben Brüder / unser Orden vermag es nicht / daß wir Geld tragen / und weil ihr Geld bey euch habt / müssen wir euer Geld nebenst euch von uns ablegen / verdencket uns diß nicht / hiemit war die Mahlzeit vergolten.

73. Der listige Spanier
LXXIII. Der listige Spanier.

Man findet unter allen Nationen verschlagene Diebe. In Spanien lebte weyland ein verruchter Bube / der sich Sanchez nannte / dieser war des Stehlens so gewohnt / daß es ihm ohnmöglich war / solches zu unterlassen. Unter andern stahl er einem Adelichen Cavallier eine gute Anzahl junge Hünlein / welcher die Gedancken also bald auff ihn warff / dieweil er eben damahls nicht weit von seiner Wohnung seine Auffenthaltung hat: Schickte derowegen alsobald einen Scherganten mit etlichen seinen Dienern ihn zu fahen aus / welcher als er es vermerckt / suchte er sich zu salviren / gleichwol auch der jungen Hüner zugeniessen / und den Cavalier zu beschämen: Schnitt [147] derowegen den Hünern allesampt die Gurgel ab / warff sie in ein Bütt mit Wasser / legt Leynene Tücher oben darauff / ließ seine Frau und eine seiner Tochter einen Kessel mit Wasser über das Feuer hencken und sich allerdings stellen / als hetten sie eine Wesch zu verrichten vor / und als der Schergant mit sambt den Dienern / den Diebstahl zu suchen ankommen / und fragten / wo die jungen Hüner weren / die Er dem Edelmann gestohlen / fing er alsobald an zuläugnen / und sagte / er sey ein ehrlicher Mann / könne sich derowegen nicht gnugsam verwundern / wie Er in einen bösen Verdacht bey ihnen gerahten / daß sie ihn wie einen Dieb kämen zu besuchen: Könt und begehre jedoch solches ihnen nicht zu verwehren / als deme sein gut Gewissen seiner Unschuld Zeugnüß gebe / daß nemblich nicht er / sondern einanderer die Hüner gestohlen: Unterdessen nahmen die Frau und Tochter das Wasser aus dem Kessel / und gossens über das Getüch / unter welchem die Hüner lagen / der Sergant und Diener aber durchsuchten das Hauß / und alle Kisten so darin waren / und dieweil sie vermeint / es were in der Bütten anders nichts als Tuch / und aber sonsten nirgend die geringste Anzeigung der Hüner konten spühren und finden / giengen sie wiederumb darvon / und glaubten für gewiß / es sey der Sanchez gantz ohne Schuld / und wieder alle Billigkeit in solchen Verdacht gezogen.

74. Der listig verborgene Diebstahl
LXXIV. Der listig verborgene Diebstahl.

Als dieses dem Sanchez so glücklich ablieff / stahl er auff eine andere Zeit eben diesem Edelmann ein fettes Schwein / stach solches alsobald nieder / zog [148] alle Därmen und das Eingeweide heraus / vergrub es in ein Loch / welches er in dem Garten gemacht / besorgend / wenn er das Fleisch auch daselbsten hin vergrüb / es möchte darinnen verderben / erdacht derowegen alsobald einen andern Fund nagelt dasselbige steiff und fäste unten an die Taffel seines Tisches /auff welchem er täglich Mahlzeit hielte: Unn setzt dieselbige nachmahls wiederumb an seinen Orth / legt ein schön weiß Brod-Tuch oben darauff / welches an allen vier Orten fein lang herab hieng / und befahl seiner Tochter das Essen darauff zu setzen. Als solches geschehen und sie sich kaum gesetzt / die Mahlzeit einzunehmen / siehe da kam der Sergeant mit den Dienern wiederumb / das Schwein zu suchen: Denen gieng er mit frölichem Angesicht entgegen / und baht sie mit ihm vorlieb zunehmen und seiner Mahlzeit zu geniessen / bekam aber die Antwort / sie seyen nicht umb Essens willen / sondern das Schwein / so er gestohlen / zu suchen kommen / welches als er gehört /sagt er mit zornigen Worten / ihr unterstehet euch mit allen Kräfften mich zu Schanden zu machen / werdet aber meine Unschuld eben so wol befinden / als euch vor wenig Tagen geschehen: Ich hab so viel von eurer verlohrnen Saw / als da auff meinen Tisch zu finden /schlug damit auff den Tisch und sagt: Suchet nach allen euren Gefallen / daß sie denn auch thaten / und das gantze Hauß / wie zuvor durchstöhrten / und als sie abermahl nichts gefunden / und ihrer keiner unter den Tisch zugreiffen gedacht / giengen sie wiederumb darvon / und liessen den guten Sanchez über seiner Mahlzeit ungeirret / die er dann mit seinem Weib und Töchtern mit vielem Lachen verzehrt.

75. Die betrogene Diebe
[149] LXXV. Die betrogene Diebe.

Wie nicht lange hernach die Fasten-Zeit heran nahete / warff dieser listige Kumpe seine Augen auff ein Hüner-Hauß / welches auff 4 Seulen auffgerichtet /mit Weyden umbzäunet / und mit einem Dach von Stroh bedeckt war / und dacht auff eine List / wie er dasselbige bey nächtlicher Weil / wann die Hüner all darinnen / möchte ersteigen: Und dieweil eben damahls Regenwetter eingefallen / und die Nächte sehr dunckel waren / nahm er solches zu seinem Vortheil /und wandert bey eyteler Nacht dem Hüner-Hauß zu. Und ob wol der Hoff mit vier grossen Hunden oder Rieden bewacht ward / ließ er sich doch dasselbige gar nicht anfechten: Dann er hatt eine gewisse Kunst alle Hunden / wo er hinkam / zuschweigen und ihnen die Mäuler dermassen zu zuhalten / als seyen sie stumm gebohren und hetten niemahls bellen können. Vermög dieser seiner Kunst / stieg er gantz unverhindert in das Hüner-Hauß hinein / nahm alle Hüner und Cappaunen sambt den Hahnen aus demselbigen heraus / trähet ihnen die Hälse umb / warff sie zusammen in einen Sack / welchen er derenthalben mit sich genommen / und als es jetzund an dem war / daß er wiederumb wolte herab steigen / und seinen Diebstal heymtragen / hört er ein Gemürmel vier starcker Jüngling / welche offt und vielmahl in diesem Hauß gearbeitet / derowegen den Hunden bekant / und hatten sich demnach für denselbigen nicht zu fürchten / daß sie sie wurden anbellen und jemand erwecken / diese vier ehrliche Vögel / welche Brüder / hatten auch wie Sanchez ein Aug auff das Hüner-Hauß geworffen /und derowegen eben diesen [150] Vorschlag / dasselbige zu plündern / und die Hüner mit ihren Buhlen das folgende Fest über in Freuden zu verzehren: Giengen derowegen zu dem Hüner-Hauß hinzu / huben dasselbige von den vier Posten herab / legtens auff ihre Achseln und trugens mit allem dem / so darinnen auff denselbigen hinweg. Wie damahls dem guten Sanchez als er dieses Vornehmen gehöret / muß zu muht gewesen seyn / kan ein jeglicher ehrlicher und sorgfältiger Dieb leichtlich ermessen: Sintemahl keine Mauß jemahls vor der Katzen in solchen Aengsten gestanden /als allhie dieser armer Tropff. Denn dieweil er albereit bey männiglichen so beschreyt / und für den allergrösten Dieb gehalten ward / macht er ihme kein andere Gedancken / wann er einmahl über einen Diebstahl ergriffen würde / als daß er muste hangen. In solchen seinen Aengsten und aller schweresten Gedancken fiel ihm ein / daß ihn die dunckele und finstere Nacht aus dieser grossen Gefahr am allerbesten könne erretten: Nam ihme derowegen vor / aus dem Hüner-Hauß zu springen / und in aller Eyl darvon zu lauffen / damit er von den vier Dieben / so nach ihm kahmen / und unten bey dem Hüner-Hauß stunden / nicht erkant würde. Indem er aber noch in solchen Gedancken schwebte / von dem Ausgang in allem Zweiffel stunde / und die vier Brüder biß auff einen guten Bogenschuß von ihrem Hause kommen / empfand der eine unter ihnen / daß das Hüner Hauß so viel schwerer /als es seiner Gelegenheit nach seyn solt: Sprach derowegen zu dem andern / so ihme im tragen am nechsten war / empfindestu auch lieber Bruder / wie dieses Hüner-Hauß / welches nur von Weyden und Stroh gebauet so mächtig schwer? freylich empfinde ich es /antwörtet derselbige / ich kan anderst nicht gedencken / dann es sey der Teuffel selbsten darinnen / dessen ward aber der Sanchez über allemassen [151] froh / vermeynet er hört eines Engels-Rede / und fieng demnach alsobald an gantz erschröcklich zu brüllen / und sagt. Ja ich bin der Teuffel / ergriff damit einen Capaunen bey den Füssen / und warff ihn aus den Hüner-Hauß heraus / und demjenigen / so dem Loch in dem Tragen am nechsten / an den Kopff / der dann alsobald anfieng zu schreyen und sagt / wir sind allesampt des todes / wurffen derowegen alle vier das Hüner-Hauß von ihren Achseln herab und flohen ohn alles Hindersich sehen mit grosser Furcht davon / vermeynent / es komme der Teuffel / immerdar hinter ihnen her / und begehre sie zu verderben: Ja es war der Schrecken so groß / daß sie selbigen im Marck und Beynen befunden / müsten sich so bald sie heym kamen / zu Bette legen / und konten sich in etlich viel Tagen nicht darvon wieder erholen. Don Sanchez aber war destomehr erfreuet / und trug seinen Raub mit guten Genügen heim.

76. Der zweymahl bezahlte Esel
LXXVI. Der zweymahl bezahlte Esel.

In Spanien hat sichs einmahl begeben / daß ein verruchter und gottloser Bube einem Ritter seinen Esel entführet / welcher ihm wegen seiner guten Schenckel und geschwinden Gangs sehr lieb. Damit er ihm aber nicht nachforschet und an der Farb erkent / strich ihn der Dieb über seinen gantzen Leib mit einer andern Farb an / ritte damit in eine Stadt / und schickt ihn /von dannen auff eine Marck 6. Meil davon gelegen /dahin dann auch der gemelte Ritter kam: Als er demnach auff dem Marck hin und wieder spatziert / ersahe er seinen Esel welcher braun gewesen / nunmehr aber schwartz gefärbt war / [152] und sprach: So war als ich leb / wann dieser Esel braun wäre / so sag ich / es sey meiner / so gleich ist er ihme sonst in allen Stucken: Und dieweil er ihm / wie er vermeint / so gar ähnlich /wolt er ihn nicht aus den Händen lassen / sondern kaufft und bezahlt ihn auch also bahr umb drittehalbhundert Real / und ritte damit in Gesellschafft vieler andern darvon; Ehe sie aber weit geritten waren /fieng es an dermassen starck zu regnen / daß als sie noch ein halbe Meil von Hauß waren / ward der Edelmann wol benetzt / dem Esel aber die schwartze Farb allenthalben abgewaschen und der Betrug also genug entdeckt / und offenbahret. Solches noch besser zu er fahren / ließ ihn der Edelmann / da er nachher Hauß kommen / mit lauem Wasser allenthalben waschen /und befandt nach solchem / daß er betrogen / und seinen eigenen Esel so theuer wiederumb erkauffet hette: Und dieweil er dessen sehr übel zufrieden / fragt ihn seine Hauß-Frau / ob er denjenigen / welcher ihm den Esel verkaufft / auch noch getrauet zu erkennen /wenn er ihn sehe / ja antwortet er / ich wolt ihn wol kennen: Und als sie wiederumb fragt / woran? antwortet er / aus seiner Granatischen Sprach / und dieweil er an dem einen Auge blindt. Oder bösen Zeichen / sagt seine Hauß-Frau: Warumb? fragte er hinwiederumb / sind es böse Zeichen? so böß antwortet sie / daß sie ärger nicht seyn könten: Dann wie man in den Sprichwort zu sagen pflegt:


Wer einem Granatenser glaubt.
Der ist seiner fünff Sinn beraubt.
77. Das gestohlne Schwein
LXXVII. Das gestohlne Schwein.

Auff einer gewissen Universität in Franckreich / da[153] eben eine heßliche ansteckende Kranckheit grassirte /sahen etliche gar vorschlagene Studenten / daß ein Doctor Medicinä / ihr Nachbahr ein treffliches Schwein geschlachtet / und selbiges im Hoff an einen Pfahl umb auszutrucknen / damit es zum saltzen desto bequemer wäre / auffgeschlagen hatte. Weil sie nun dem Doctor ohne dem nicht gut / trachteten sie darnach / wie sie ihm einen Possen machen / und das Schwein entwenden möchten. Solches geschahe bey Nacht / und wie der Doctor frühe morgens dasselbe nicht siehet / wird er bestürtzet / wirfft gleichwol augenblicklich seinen Argwohn auff die rechte Thäter /als welche umb dergleichen Stücklein ohnedem in keinem guten Ruf warē / dannenhero gehet er zum Stadthalter des Orths / und bittet umb Gerechtigkeit. Er erzehlet ihm so viel Umbstände / daß ihm derselbe einen Stadt-Diener zugibt / der den Studenten 1. 2. 3. und gar zum viertenmahl befiehlet / dem Doctor das Schwein wieder zuzustellen / die Studenten aber wolten nicht dran / sondern giengen hin / und läugneten wacker. Der Doctor erlanget endlich / das Haußsuchung geschehen möchte / wiewohl der Stadthalter /als der ein grosser Studenten-Freund / lange nicht dran wolte / darauff wird den Studenten bange / jedoch erdachte einer davon alsobald eine List / und sprach zu seinen Cammeraden: Wir wollen in einer unserer Cammern einen Tisch mit einem schönen weissen Tuch lassen bedecken / auff dasselbige allerley Gläslein / Becher / Oele / Pflaster / Salben und dergleichen stellen und legen / wie man in denen Cammern / darinnen Patienten liegen / zu thun pflegt /als da man viel und mancherley Artzneyen von nöhten und im Vorraht hat: Und wann der Stadthalter jemand schickt das Schwein zu suchen / und derselbige in die Cammer kommt / so stellet euch allesambt sehr traurig / sehet [154] wie ihr Threnen mit untermischten Seufftzen heraus bringen / und wann jemand die Ursach solcher euerer Traurigkeit zu wissen begehrt / so antwortet ihm mit traurigen Gebärden / und sagt / es liege einer euerer Gesellen an der jetzt regierenden ansteckenden Seuche in dem Bette tödtlich kranck: Und welches das allerärgeste so stehet ihr in Sorgen / es sey auch der meiste Theil der übrigen unter euch mit solcher Seuch albereit auch angesteckt: und damit sie es desto besser glauben / wollen wir das Schwein anstatt des Patienten in das Bett legen / ihm ein Schlaffhauben auffsetzen / und die Decke sein wol hinauffziehen / damit man es desto weniger könne sehen und mercken: Für das übrige last mich sorgen: Dann wie ihr wisset / so stehet die gantze Stadt dieser Schwach heit halben in grosser Forcht / und wird sich keiner leichtlich zu dem Bett hinzu nahen / vielweniger die Decke auffheben / zubesehen / was darunter liege.

Als die übrige ihres verschmitzten Gesellen guten Vorschlag vernommen / kunten sie nicht auffhören zu lachen / richteten alles dasjenige / was er ihnen gerahten / alsobald ins Werck / und schlugen alle Forcht /destomehr von sich / dieweil es ein solche Sach / die nicht umb Leib und Leben zuthun: setzten demnach die Taffel zurecht / das Tuch und alle obgemelte Sachen drauff / legten das Schwein in das Bett / setzten demselbigen ein Schlaffhauben auff / umbwickelten und verdeckten ihm den Halß / Stirn und Rüssel / mit einem weissen Tuch / liessen die vordere Füsse mit Lumpen umbwickeln / und mit Ermeln angethan ein wenig über der Deck heraus ragen: Sie waren mit diesem allem kaum fertig wordē / da kamen die Hauptleute beneben den Scherganten von dem Stadthalter geschickt / klopfften ihrer Gewohnheit mit grosser Ungestümm an der Thür des Hauses an / trungen / als man ihnen die Thier auffgemacht / [155] mit hellem Hauffen ohn allen Gruß oder Zusprechen hinein / giengen strackswegs hinauff in den Saal / funden die Studenten sehr traurig und weynendt beyeinander: Dann der eine seufftzet und klaget der ander weynt / der dritt lege seinen Kopff auff die Hand / schlug die Augen unter sich und war sehr traurig / der vierte schlug die Hände zusammen / sahe über sich und seuffzet: Und so fort an / endlich schriehen sie alle zusammen und rufften / ach des armen Tropffen / unsers Gesellen / ist es müglich / daß wir ihn also sollen verlieren? ach es kan nicht anders seyn / sintemahl kein Artzney das geringste an ihm ausrichten und verfangen wil: O Todt /verschon dieses jungen und freudigen Hertzen / und was sie dergleichen klägliche Wort mehr vorzubringen und zu erdencken wusten.

Uber diesem Klagen und Heulen wurd die gantze Wacht sehr verstürtzt / derowegen dann einer aus den Hauptleuten fragte / was ihnen begegnet / darüber sie sich so sehr beklagen und ängstigen: Deme gab der eine Student zur antwort und sagt: Ach in dieser nächsten Cammer liegt einer unserer Gesellen / mein allerliebster Freund und Bruder an der jetzt regierenden ansteckenden Seuch tödtlich kranck: Und welches noch ärger / so stehen auch wir allesampt in denen Sorgen / daß wir ihme werden nachfolgen / sintemahl fast keiner unter uns / der sich nicht übel befindet: Gehet hinein / liebe Herren / gehet hinein / und helfft uns unsern Bruder beweinen: Als solches der Capitain vernommen / macht er die Cammerthür ein wenig auf / sah hinein / zuvernehmen / ob ihm also wer / wurde des Krancken / wie oberzehlt / in dem Bett und eines andern / welcher bey dem Bett saß / und den Krancken tröstet und zu einem seligen Abschied mit vielen Weinen / Worten und Gebärden stärckt / zusampt den vielen Gläsern und Häfelein [156] auff dem Tisch gewahr /geriet darüber in eine grosse Furcht / zohe den Kopff alsobald wiederumb zurück und gieng ohn alles GOtt behüte euch / mit seiner Gesellschafft wiederumb aus dem Hauß hinaus / verfüget sich in solchem Schrecken zu dem Stadthalter / konte kaum reden / bracht endlichen so viel heraus und sagte: Ach Herr / wo habt ihr mich hingeschickt? Was ist es / fragt der Stadthalter / der Herr hat mich / antwortet er / wiederumb / in ein Hauß gesendet / in welchem ich einen an der jetzt regierenden bösen Seuch hab gefunden todtkranck liegen: Und alle übrige Studenten / so in demselbigen Hauß sind / sitzen beysammen und dasselbige nicht allein von wegen ihres krancken Gesellen /sondern auch umb sich selbsten / dieweil sie sich gleichfals dieser Kranckheit zu befahren / und allbereit jetzund nicht wol befinden. So bald solches der Stadthalter vernahm / schrie er mit lauter Stimme /weg / weg mit euch allen / gehet umb Gottes willen aus meinem Hauß / sintemahl wie ich besorg / ihr eben so wol angesteckt seyd / und kompt so lieb euch euer Leib und Leben ist / so bald nicht wiederumb herein / biß ich euerer selbst begehr und nach euch schicke: gieng damit in seine Schlaff-Cammer und sucht seine gewöhnliche Artzney / solchen Schrecken zu vertreiben. Nach dem der listige Student das schnelle Abweichen des Hauptmanns und seiner Gesellschafft vernommen / zog er sich alsobald an /gieng zu dem Stadthaltern / ließ die übrige Studenten in grossem Gelächter zu Hauß / kam vor den Stadthalter / erzehlet demselbigen die gantze Sache / wie es nemblich von Anfang biß zum Ende ergangen / welches ihm denn überallemassen wolgefiel / und kont dessen nicht gnugsam lachen / sonderlich dieweil er vernamm / daß niemand unter ihnen kranck / und sagt / O ihr Studenten seyd ärger und listiger als der Teuffel selbst / glaub demnach gäntzlich / es sey [157] kein List und Bubenstück in der Welt / daß ihr nicht wisset /und wehe dem / der in euere Hände kombt. Befahl ihnen gleichwohl dem Doctori das Schwein wiederzugeben / welches doch den Studenten gar nicht beliebt /als welche nichts zu dem Ende nehmen / daß sie es wollen wiedergeben: Und sagt der Student / es wer ihnen solches ein ewige Schand und ihrer Klugheit sehr verweißlich / umb welches willen man sie für Narren in beyden Rechten halten würde: Sintemahl nehmen und wiedergeben keinem Verständigen wol ansteh / und derowegen auch ihnen nicht gebühren woll: Aber damit sie für billiche Leute angesehen würden / die die Gerechtigkeit lieb hetten / schickten sie dem Stadthalter einen Schincken und etwas von den Würsten / das übrige aber verzehrten sie mit grossen Freuden und bey gutem Wein / also daß der gute Doctor nicht das Geringste darvon genoß.

78. Der bezahlte Wirth
LXXVIII. Der bezahlte Wirth.

Ein Reuter / der den gantzen Tag bey regnichtem Wetter durch den Koth geritten / und einen zottichten Hund bey sich hätte / kam abends in eine Herberg /dem der Wirth / weil er dem Hund auch zuweilen was zu warff / die Zech doppelt anrechnet / mit Vermelden / der Gast muste zwo Mahlzeitē bezahlen / eine für sich die andere für den Hund. Der Reuter lächlend /sagte: Was ich thun muß / wil ich gern thun / und bezahlte für den Hund auch. Weil er nun so wol bezahlt hatte / ward er in eine herrliche Kammer / darinnen zwey Bette geputzt stunden / geführet; Nachdem ihn nun der Wirth gesegnet / legt er sich in das eine / den Hund in das ander Bette / [158] welches er übel zugerichtet hatte. Als aber der Wirth sein Bett wolte bezahlt haben / kamen sie miteinander für die Obrigkeit / die nach Erkäntnüß der Sachen den Reuter loßgesprochen / und den Wirth für die Hunds-Mahlzeiten noch darzu gestrafft daß er keinem Hund die Zech mehr zurechnete.

79. Der possirliche Doctor
LXXIX. Der possirliche Doctor.

Ein bekanter lustiger Doctor saß bey einer fürnehmen Churfürsten über der Taffel / da ward erstlich eine Suppe auffgetragen / dem Doctor aber zum Possen kein Löffel vorgelegt / welches der Churfürst wol wuste / und sprach demnach / Herr Doctor esset Suppe mit / der Doctor wolte nicht sagen / was ihm gebräche / der Churfürst sprach: ein Schelm der nicht Suppe mit isset. Der Doctor dieses hörend / nahm Brod / schnitt die Kruste herunter / hölte sie aus /steckte die Gabel drein / und aß Suppe mit / als die Suppe aus war / aß er seinen Löffel / mit beygefügten Worten: ein Schelm der seinen Löffel nicht frist. Einsmahls kamen viel frembde Fürsten zu dieses Doctors Wohnstatt / schickten ihm einen Laquey / mit Bitt zu ihnen zu kommen; Er entschuldigte sich / er hätte jetzt seine Schuh zu flicken gegeben. Diese schickten ihm ein paar neue Corduanische Schuhe / damit er sie besprechen möchte / er kam / saß mit zu Taffel / aß und tranck / redet aber nicht. Da sagten die Herren zu ihm: Herr Doctor / wir haben gehört / daß ihr ein kurtzweiliger Mann seyd / macht uns auch lustig. Dieser tranck noch eines / stund auff / und sagte: Ich bin meines Churfürsten Narr / wollet ihr einen haben / so schafft euch einen / und gieng davon.

80. Die behende Magd
[159] LXXX. Die behende Magd.

In der Münsterischen Belagerung gieng eine Magd aus der Stadt / eines und anders zu samlen / welcher ein Bischofflicher Reuter gewahr ward / der sie besprang / ehe sie es innen ward. Er begehrte / sie solte ihm doch einen Reuter-Dienst thun / welches die Magd nicht eingehen wollen / weilen sie umb deßwillen nicht für die Pfort hinaus gedörfft / sondern daheim eben so wol zurecht kommen können. Die Magd stritte wol und ritterlich / dann sie war eine starcke Persohn. Endlich sprach sie / weils ja seyn soll und muß / so schicket euch zuvor recht darzu. Da nun der Soldat seine Kleider theils von sich warff / und die Untere aufflösete / lieff die Magd beyseit / sprang auffs Pferd / und rante der Stadt zu / und ließ den Reuter im Hembd stehen.

81. Der betrogene Ehebrecher
LXXXI. Der betrogene Ehebrecher.

Ein gottloser Ehebrecher war umb die Abend-Zeit aus der Stadt geritten / umb in dem nechsten Dorff seiner schändlichen Wollust zu pflegen; wie er nun an den bestimmten Orth ankame / bande er sein Pferd an einen Dornbusch / der nahe beym Dorffe ware / und eylte / seine gewöhnliche Unfläterey zuvollbringen. Die Einwohner des Dorffs / denen des Ehebrechers böse Gewohnheit und wollustiges Leben nicht unbekant ware / führten indessen das Pferd heimlich hinweg / und stellen an dessen statt einen sehr grossen Ochsen dahin / versahen denselben mit Sattel und Zeug und erregten darauff einen grossen Tumult / daß der [160] Ehebrecher sich eilends auff die Flucht begabe: Als nun selbiger bey finsterer Nacht voller Schrecken sich auff sein vermeintes Pferd in Höchster Eyle geschwungen / der Ochs aber / wegen seiner ungewöhnlichen Last / und empfangener zimlichen Schläge zu brüllen / auch hin und her zulauffen begunte / lage der Reuter in kurtzem auf der Erden mitten unter den Dornhecken / und meinte nicht anders / als habe er auff dem Teuffel geritten / der ihn wegen seiner verübten Laster-That / habe wollen davon führen / liesse dannenhero / was er konte / und liese nicht nach / biß er die Stadt-Thore erlanget.

82. Die betrogene Spitzfündigkeit
LXXXII. Die betrogene Spitzfündigkeit.

Als eines Bauern Sohn seine Studier-Jahre zu Ende gebracht / und sich wieder bey seinem Vatter auffhielte / lage ihm derselbe öffters in den Ohren / er solte doch seine Kunst einmahl sehen fassen / dem aber der Sohn allzeit zur Antwort gabe / es sey die Zeit darzu noch nicht verhanden. Einsmahls aber trug sichs zu /daß er nebenst seinen Vater und Mutter / zu Tische sasse / und drey Eyer vor sich hatte / da sagte er: Nun hab ich Gelegenheit überkommen / eine Prob meiner Kunst von mir blicken zu lassen: Ich wil erweisen / es seyen allhier fünff Eyer / ob gleich nur drey in der Schüssel erscheinen! Als der Vater fragte / auff was Arth und Weise solches geschehen könte? Da fuhr er alsofort: wo drey sind / da sind auch zwey; es sind aber allhier drey / drumb sind auch alhier zwey. Darauff subsumirte er: Drey und zwey aber machen fünffe; derohalben weil hier drey und zwey sind / so sind auch allhier fünffe. Der Vater gab dieses alles zu /und sagte: wol [161] mein Sohn / ich lobe deine Spitzfindigkeit. Ich wil aber von diesen fünff Eyern zwey vor mich nehmen / und das dritte deiner Mutter geben /die übrigen zwey kanstu vor dich behalten.

83. Der lustige Narr
LXXXIII. Der lustige Narr.

Als der Bischoffs von Würtzburg Schackls-Narr einsmahls etwas Schlimmes gestifftet hatte / würde einem Diener Befehl ertheilet / ihn ins Gefängnüß zu legen. Der Narr muste mit fort / wie ungern auch daran kame / er sahe aber im Gefängniß keine bequeme Lagerstatt / sondern nur die blose Erde vor sich / dannenhero wolte er durchaus eher nicht hineintreten / biß man ihme darin eine Streue machte / umb sich darauff zu lagern. Als aber der Diener solches verrichtete / und mit der Zubereitung der Lägerstatt beschäfftiget ware / da schlosse der Schalcks-Narr die Gefängniß-Thier hinter ihme zu / und legte ihn gefangen / von dem er doch selbst hätte eingekerkert werden sollen / überbrachte darauff die abgezogene Schlüssel dem Bischoff / der eben dezumahls mit andern Gästen noch zur Taffel sasse / und sagte: Es hat mich viel Mühe gekostet / biß ich diesen Schelmen ins Gefängniß gebracht und eingeschlossen! Der Bischoff verwunderte sich / und rieff: Wie? hastu den jenigen gefangen gesetzt / der dich gefänglich verschliessen sollte? O ho! versetzte der Schalcks-Narr / wir habens auff solche Weise beyde nicht recht verstanden.

84. Der listige Hannibal
LXXXIV. Der listige Hannibal.

Als Hannibal vom Antiocho flohe / kam er den Cretensern. Weil er aber wol sahe / daß er und seine[162] Schätze in nicht geringer Gefahr seyn würden / wegen der Cretenser Geitz und Zauberey / die hiervon allbereit gute Nachricht bekommen hätten: Als wolte er sich des Rahts und Fleisses bedienen / fülte dannenhero etliche Tonnen mit Bley / und legte zu oberst ein wenig Gold und Silber darauff. Dieselben liesse er /in Gegenwart der Cretenser / in der Dianen Tempel niedersetzen / sich stellend / als ob er seine Güter auff solche Weise ihnen anvertrauen wolte. Indem er sie nun also betrogen hatte / füllte er die Ehernen Statuen / die er mit sich gebracht hätte / voller Goldes / und leget sie zu Hauß in einem Winckel nieder. Die Cretenser verwahrten in dessen den Tempel mit grosser Sorgfalt / umm nicht so wol / solchen vor den Räubern zuverwahren / als zuverhüten / daß Hannibal nicht / ihnen unwissend / kommen und die niedergesetzte Schätze wieder mit sich davon führen möchte. Also liesse Hannibal den Cretensern das Nachsehen /und flohe mit seinen Goldgefüllten Statuen zum König Prusia.

85. Der spitzfindige Blinde
LXXXV. Der spitzfindige Blinde.

Zu Zeiten Alphonsi / des Königes von Arragonien /lebte zu Agrigent / einer Stadt in Sicilien / ein arglistiger blinder Mann / welcher in der Insul hin und her reisend / ohne einigen Geleitsmann / auch unterweilen es scharff sehenden Leuten bevor thate. Als dieser in die fünffhundert Cronen zusammen gebracht hatte /und nicht wüste / was er damit solte anfangen / würde er endlich Rahts / damit sie ihme nicht möchten gestohlen werden / dieselben ins Feld zu vergraben. Als er nun damit umbgienge / ward es sein Gefatter und guter Freund innen: Derselbe gieng darnach hin / grub an [163] dem Orth / den er gemercket / hinein / und nahme das Geld hinweg. Etliche Tag hernach / kame der Blinde wieder dahin / und wolte fühlen / ob sein Geld noch vorhanden wäre / er fand aber nur das ledige Nest / welches ihn gleichsam in Verzweiffelung brachte. Endlich muthmaste er / daß niemand anders /als sein Nachbar und Gefatter ihme dieses hätte mitgespielet / und ward Rahts / ihme mit List zu begegnen. Er führte ihn beyseits und sprach zu ihme: lieber Nachbar! Ich bedarff eures guten Rahts: Ich hab eine Summa Geldes von tausend Kronen / davon habe ich die Helffte an einen sichern Orth verborgen: Ich weiß nicht recht / was ich mit dem übrigen machē solle /weil ich nicht geschickt bin / solche Güter zubewahren / sintemahl ich keinen Stich sehen kan. Dieserwegen / wann ihr es vor rahtsahm befindet / wolte ich diese Helffte zu der andern legen / dann ich wolte alles gerne nach dem Raht meiner guten Freunde handeln. Der Nachbär stellte sich / als liesse er ihme diese Meinung gar wolgefallen: Und damit er dem Blinden allen Argwohn benehme / und die gantze Summa beben könte / lieff er bald darauff zu dem Orth / und steckte das gestohlne Geld wieder hinein. Bald darnach kame der Blinde zu dem verborgenen Orth und als er seine erste Summa wieder fand / nahm er sie mit Freuden / ruffte darnach seinem Nachbarn /und sprach mit lauter Stimme: Gefatter / der Blinde hat heller gesehen / als der zwey Augen hat: Und begabe sich lustig und frölich nach Hause.

86. Der kluge Richter
LXXXVI. Der kluge Richter.

Zu Constantinopel hatte ein Jud einem armen Christen eine gewisse Summa Geldes geliehen / mit dem[164] Beding / daß er ihme zu benanter Zeit den Hauptstuel wieder erlegen / an statt des Wuchers oder Zinses aber / zwo Untzen Christen-Fleisch lieffern solte. Nach Verfliessung des Zahl-Termins / bezahlte der Christ dem Juden das Capital; Wegerte sich aber des Zinses. Die Sache komme endlich vor den Türckischen Käyser Solymann: Welcher / nachdem er des Juden Grausamkeit / und des Christen Armuht vermercket / ein Schermesser herbey bringen lässet / und selbiges dem Juden darreichet / mit diesen Worten: Siehe da! gebrauche dich jetzt deines Rechtens / und schneide ihm ein Stücklein heraus / an welchem Glied oder Ort / es dir beliebet: Hüte dich aber / bey Verlust deines Lebens / daß du ihme nicht über zwo Untzen heraus nehmest. Den Juden erschröckte die Gefahr dermassen / daß er ferner keinen Zins begehrte / und lieber freywillig denselben nachlassen wolte / als mit solcher genauen Bedingung schneiden / dabey er leicht seinen eigenen Halß verschneiden mögen /wann er das rechte Gewicht nicht getroffen.

87. Das listig-getreue Eheweib
LXXXVII. Das listig-getreue Eheweib.

Nachfolgende Geschichte ist sehr mercklich / darumb müssen wir sie mit ihren Umbständen anführen. Es hatte sich der Welt bekante Hugo Grotius / dessen Ruhm durch seine Schrifften ewig lebet / aus verkehrtem Religions-Eyffer (angemerckt er den Arminianern zugethan war) mit dem von Barnefeld in einen bösen Rahtschlag zu weit eingelassen / und deßwegen den Urtheil-Spruch erfahren müssen / daß er zu Löuenstein in ewiger Gefängniß sitzen solte / daraus er endlich mit sonderbahrer Behändigkeit entwischte. [165] Er hatte erstlich die Hoffnung daß er würde der Gefängnüß entlediget / und wieder auff freyen Fuß gestellet werden; Nachdem er aber schon über 2 Jahr gesessen hat er angefangen den Muht fallen zu lassen / und mit seiner Hauß-Frauen / die zu Löuenstein bey ihm Hauß hielte / sich berahtschlaget / wie er auß der Gefängnüß entrinnen möchte. Sie haben viel und mancherley Mittel mit einander bedacht / wie solches könte ins Werck gerichtet werden / aber endlich für das Beste befunden / daß Grotius sich in einen Kasten einsperren lassen solte / darin seine Frau ihre weisse Waaren oder andere Sachen zulegen pflegte.

Es begab sich dazumahl / daß der Lieutenant / welchem die Bewahrung des Hauses und der Gefangenen / so darinnen lagen / sonderlich des Grotii und Hohgobertii / anbefohlen gewesen / eine Commission bekam / eine neue Compagnie Soldaten auffzurichten / deßwegen er auff Heußden zog / etliche Völcker daselbst zuwerben. Grotius und seine Frau / als sie des Lieutenant Abwesenheit vernommen / haben dafür gehalten / daß es nunmehro die rechte Zeit wäre / ihr Vornehmen ins Werck zu stellen. Darum Grotii Frau zu des Lieutenants Weib kam / und anzeigte / sie wolt gern künfftigen Montag eine Kiste mit Arminianischen Büchern hinweg schicken / ihr Mann zerrisse und bräche ihm selber den Kopff so sehr damit und studirte sich so müde darin / daß sie es nicht länger ansehen möchte. Des Lieutenants Frau gab zur Antwort / sie möchte solches wol thun. Aber Grotti Frau sperrete anstatt der Bücher ihren Herren in den Kasten. Dieweiln nun dieser offt auff und abgetragen worden / also daß die Soldaten / so daselbst in Guarnison lagen / demselben wol kenneten / ward nicht so genau darauff gesehen.

Ehe aber Grotius sich hinein beschliessen ließ /legte [166] er sich eine Weile darin / und versuchte / wie lange er darin würde liegen können. Er war nur vierte halb Schuh lang. Die Frau wante eine Sand Uhr umb /und ließ dieselbe zweymahl auslauffen / in welcher Zeit man leichtlich von Leuenstein nach Goreum den Stromm hinabfahren kunte. In wehrender Probe saß sie auff der Kisten / und spührete / daß ihr Mann sich stets regte / die Füsse an sich zog / und wieder von sich streckte. Sie ermahnte ihn / solches nicht zu thun / denn es könte geschehen / daß einer im Schiff sich auff den Kasten setzte / und dadurch merckte / daß ein Mensch darin verschlossen läge.

Am Sontage (war der 3. Mertz alten Stils) legte sich Grotius in den Kasten. Seine Frau gab ihrer Magd die Sache zu erkennen / und befahl ihr / sie solte mit reisen biß gen Gorcum und die Kiste in das Hauß führen lassen / da sie pflegte einzukehren. Sie rieff dem Diener der die Kammer der Gefangenen auff und zusperrete / und begehrte von ihm / daß er mit einem Soldaten den Kasten hinunter tragen wolte. Als sie nun anfingen dieselbe zutragen / sagte der Soldat: Die Kiste ist so schwer / als wann ein Arminianer darinen versperret wäre. Grotii Hauß-Frau antwortete bald darauff: Es sind Arminianische Bücher. Wie sie den Kasten mit grosser Mühe die Treppen hinunter gebracht hatten / sprach der Soldat: Wir müssen sehen / was in dem Kasten ist / gieng darauff hinzu des Lieutenants Frau / sagte zu ihr: Der Kasten ist dermassen schwer / daß es wol der Mühe werth / denselben zu besichtigen. Sie gab zur Antwort: Es hat keine Noht / Grotii Hauß-Frau hat mir gesagt / es seyen Arminianische Bücher darinnen; Traget den Kasten nur in das Schiff. Die Soldaten thaten solches / und murreten gleichwol untereinander / wiederholten auch zum [167] öfftern diese Worte: Es lieget gewißlich ein Arminianer hierinnen. Solches hörete eines Soldaten Weib / und sprach: Es ist vor diesem mehr geschehen / daß man einen in einen Kasten gesperret / und also hinweg gebracht hat / darumb könte auch wol ein Arminianer in diesem Kasten seyn. Gleichwol / schleppten ihn die Soldaten fort / und brachten ihn in das Schiff. Als dieser Kasten zu Gorkum ankam / wolten ihn die Schiff-Knechte nicht tragen / weil er sehr schwer war / sondern wolten einen Schlitten holen lassen / und an den Orth führen / wohin er gehörte. Die Magd aber wolte solches nicht gestatten / sondern sagte / es wären kostbahre Sachen darin / die leichtlich brechen könten / baht derhalben den Schiffer / er solte sie tragen lassen / wohin er begehrte / sie wolte ihm wol lohnen. Der Schiffmann holete eine Trage /und trug die Kiste mit seinen Sohn biß in das Hauß /da sie solte gelieffert werden. Als dieselbe hinein gebracht / und der Schiffmann hinweg gangen war /schloß die Magd den Kasten auff / und Grotius gieng frisch und gesund heraus: Er legte eines Mäurers Kleid an / nahm eine Kelle in die Hand / gieng also hinten aus über etliche gassen / und über den Marckt und eylete nach dem Wasser-Thor zu / ließ sich darüber setzen / und kam nacher Wohlwyck in Braband /da er viel Remonstranten fand / die sich sehr verwunderten über seine Erlösung und Ankunfft / und sich derselben zum höchsten erfreueten.

Allhier nahm er einen Karren / und fuhr auff Antorff zu. Wenn er von ferne jemand kommen sahe /bückte er sich nieder / damit ihn niemand kennen solte. Zu Antorff fand er etliche Arminianische Prädicanten / die sehr froh waren / da sie ihn sahen / auch sich verwunderten / als er ihnen erzehlte / wie er davon kommen wäre.

Von Antorff hat er ein Schreiben an die Herren [168] General-Staaten abgehen lassen / darinnen er vermeldet /er hätte seine Freyheit gesucht / und erlangt / daran er gethan / was alle Creaturen zu thun pflegten: Hätte solche auch dergestalt zuwege gebracht / daß er ihre Bande und Eysen nicht gebrochen / und wolte er ihre Hochm: versichern / daß er nichts thun würde / welches den vereinigten Niederlanden nachtheilig seyn möchte / wiewol sich hernach das Widerspiel befunden. Nun müssen wir uns wieder nach Löuenstein wenden. Als Grotius des morgens von dannen aus seiner Kammer getragen worden / war es daselbst still /und meinte man nichts anders / als daß er noch in seiner Kammer wäre. Die Soldaten brachten des Mittags die Speise wie gebräuchlich auff seinen Tisch / und ob sie ihn zwar nicht sahen / gedachten sie doch nichts Arges. Mitlerweile kam die Magd von Gorcum wieder zurücke / unn erzehlte ihrer Frauen / wie das ihr Herr in Braband wäre. Was vor eine freuliche Post solches der guten Frauen gewesen / ist leicht zuerachten.

Als die Soldaten des Abends wieder kamen / umb Grotio den Tisch zudecken / sahen sie ihn abermahl nicht / darumb fragten sie nach ihm / und ward ihnen zur Antwort gegeben / er möchte vielleicht in seinem Studier-Kämmerlein seyn; Sie schaueten hinein / aber er war nicht vorhanden / hierauff giengen sie alsobald zum Lieutenant / welcher am selbigen Tage wieder zu Hause gekommen war / und sagten ihm / sie könten Grotium nicht finden. Der Lieutenant fragte des Grotii Frau / wo ihr Herr wäre? Sie antwortete / ihr möget ihn suchen / als aber der Lieutnant starck bey ihr anhielt / und kurtz umb wissen wolte / wo er wäre /sagte sie: Ich habe ihn in einer Kisten lassen hinaus tragen / ihr könnet zu Gorcum nach ihm fragen lassen. Habe ichs euch nicht offt gesagt / wir / wolten einmahl unsere Gelegenheit ersehen / [169] und es euch wieder einträncken / daß ihr uns so hart hieltet? Der Lieutenant reiste stracks nach Gorcum / kam umb 9 Uhr auff den Abend vor die Pforte so ihm auff Begehren eröffnet ward / gieng alsobald zum Stadt-Voigt / und erzehlete ihm die Sache. Dieser besuchte das Hauß /und fand zwar den Kasten / aber der Vogel ward daraus geflogen.

Seine Frau ward darauff in ihres Mannes Kammer eingeschlossen / aber die Herren Staaten befohlen bald / man solte sie ledig lassen sambt allem was ihr zustunde. Sie ward von vielen gelobt / nicht allein wegen ihrer Klugheit / sondern auch wegen der sonderbahren Treu und Liebe gegen ihrem Herren. Drey Tage vorher hatte dieser Grotius wegen seiner Gefängnüß vier Verse in ein gewiß Stambuch geschrieben / welche / hiessen:


Quos Matris alvus Carceredit in Lucem,
Queis Corpus animum more Carceris vincit,
Quos Morte functos terra Carcer exspectat,
Nunquam nimis timere Carcerem debent.
Die / die der Mutter-Leib / der Kercker / bringt ans Licht /
Und denen ihr Gemüht / die Freyheit unterbricht.
Der Leib / der es umfast; ja die auch selbst der Erden /
Wenn sie der einst erblast / Gefangne müssen werden /
Die scheuen nicht zu sehr den Kercker auff der Welt /
Der nur den irdnen Leib in sich gefangen hält.

Diese Erlösung stundt der Printzeßin von Conde so wol an / daß sie zu des Grotii Eheliebsten sagte: Es verdriesse sie / daß sie dergleichen an ihrem Gemahl auch nicht erwiesen / dann derselbe hatte auch lange Zeit in Franckreich gesessen.

[170] Sonst hat Franciscus von Montmorancy / ein Jesuit / wegen dieser erlangten Freyheit dem Grotio in folgendem Epigrammate gratulirt.


Jure tuæ libros colis instrumenta salutis,
Et tibi præcipuo sunt in amore loco;
Fecit enim, Groti, Dreberdum fertur in amore loco;
Efferturque liber ut esle queas.
Mein Grot! du thust sehr wol / daß du die Bücher liebest /
Als wordurch wird dein Glück verwunderlich geheegt;
Dann da man sie zu dir und wieder von dir trägt /
Verschafften sie / das du dem Kercker Urlaub giebest.
88. Die betrogene Holländerin
LXXXVIII. Die betrogene Holländerin.

Wie der zwölffjährige Stillstand zwischen dem König in Spanien und den Vereinigten Niederlanden gemacht ward / daß einer zum andern frey und sicher reisen möchte / fuhr ein Schiffer von Enckhusen zum offtern nacher Antwerpen brachte Waaren hin und holte was nützlich war wieder. Dieser wohnte bey einem Schmiede / (welcher gar neulich ein junges Mädgen gefreyet / mit Nahmen genant Aigen) zur Heuer / und wann bey Winters-Zeiten das Wasser mit Eyß bedecket / und die Kälte sonsten sehr groß war /gieng der Schiffer (Ferru genant) zu seinem Haußwirth dem Schmidt / stellete sich für seine Eese / da er schmiedet / und genoß die Hitze / da fragte der Schmidt / was er diesen verwichenen Sommer verdienet / und wie es auff der Reyse gangen / auch in Antwerpen den [171] Sommer zugestanden? der Schiffer Ferru erzehlte den Verlauff / welcher offtmahls was lustiges mit sich brachte / von Herrligkeit der Stadt Antwerpen / und auch / was da sonsten geschehen / insonderheit aber von den Spaniern / wie so grosse Herren darin währen und das schöne Frauen-Volck sonderlich liebeten. Des Schmieden seine Jungefrau hörte dieses so gerne / daß sie mächtige Lust darzu kriegte /dieses allda zu sehen / baht derhalben Tag und Nacht ihren Mann / er möchte sie doch einmahl mit Ferru nacher Antwerpen fahren lassen / der gute Schmiedt hätte kein Ruh / biß er das Jawort von sich gab / das junge Weib säumte sich nicht lang / machte viel schöne Sachen zusammen und bildet ihr ein / sie hette alda Verwandten wohnen / denen wolte sie dieses mitbringen / putzte sich mit silbern Busen-Ketten / die dreymahl umb den Leib giengen fein zierlich auff / gieng zu Ferru dem Schiffer / und baht / wenn er wieder fahren wolte / solte er bey Zeiten sprechen: die Zeit kam herbey / Ferru wolte fahren / da war lauter Freude bey Aichen / sie nahm hundert Gülden zu sich / und gab ihren Mann Adjeu / welcher ihr zwar schmertzlich nachsahe / aber doch des vielen Bittens halben ihr den Willen lassen muste / daß sie mit fuhr. Aichen siegelte dahin / und wie sie für Antwerpen kamen / stieg der Schiffer aus / umb seine Fracht-Brieffe zubestellen /und besuchte allda die Börse / das gute Weibchen stundt auff dem Schiff / und wartet auff ihrem Ferru /aber es währet ihr zu lange / biß er wiederkam / nahm derhalben ihre beste Sachen heraus und zog sich an /besahe sich von unten biß oben / ob sie den Jan von Spanien schön genug war / ihre hundert Gülden steckte sie bey sich / und prangete dahin / als ein junger Pfau / kam in Antwerpen / und sahe den grünen Wald / der gefiel ihr so wohl / [172] daß sie denn zuerst besehen wolte / spatzierte da hinauff / und setzte sich unter einen schönen Baum / sah die Stadt an mit sonderlicher Beliebung / unterdessen kam ein Signor Jan von Spanien daher getreten / und hatte einen langen Bratspieß an der Seiten / einen Punjart oder Dolch auf der andern / gieng als ein Eysenfresser auff das Weibchen zu / sprach sie auff Niederländisch an / mit diesen Worten: Goyen Dach Nichtje: dieses junge Weib sahe den Signor mit fliegenden Ermeln und Seiden Strümffen / weil sie ihr lebtag die Tracht nicht gesehen / mit grosser Verwunderung an / bildet ihr auch ein / daß er ein besserer Allmodist mit Seidenen Hosen als der Schmidt mit seinen Schurtzfäll für dem feurigen Offen wäre / und weil er sagte: Nichtje goyen Dach / machte sie die Rechnung / es wäre einer von ihren gemeinten Verwandten / sagt wieder: Ich dancke u Cousin. Well wo ist u Nahm / der Spanier sagte Jan. Den Zunahmen Spaniart vergaß er mit Fleiße / Aige sagt: Ich habe einen Bruder / der heist Jan / ich weiß nicht / ob ihr das seyd oder nicht / well ja / sagte Jan (aber schlechter Bruder) fuhr hiemit weiter fort / und nöthigte Aige mit in seinem Quartier in die Lepel oder Löffel-Strasse in einem Ertz-Hurhauß / das war zimblich auffgeputzt / Jan sagte Nichtje / diß ist mein Hauß / und das seynd meine Verwandten / wieß hiemit auff die Huren / welche wann es höfflich geredt wird / an den Orten nur Täubchen genandt werden: dieses gefiel Aigen so wol / daß sie die andern alle Schwestern nante / deren gar viel waren / und auch zuletzt durch Jan von Spanien nicht allein Schwestern genant / aber seine Mitt-Weiber möchten gewesen seyn. Die losen Schwestern sahen Aichens feine Kleider an / verliebten sich darin mehr / als an ihrer genanten [173] Schwester. Jan gedachte an die hundert Gülden / befahl den Spanischen Wein zubringen / aber mit Aichens Schaden / die genoß ihn lustig / gedachte sie wäre bey ihrem besten Freunde / aber umbgekehrt. Jan fragte ob sie mit gutem Winde überkommen wär /sie sagte ja / da wurde sie noch frölicher. Jan gedachte gewonnen Spiel / ließ Zucker in den Spanischen Wein geben. Aichen ward frölicher / aber mit ihrem Schaden / tranck so viel / daß sie darüber einschlieff / da brachte sie ihr vermeinter Ohm in eine Kammer / verfügte sich zu ihr in das Bette / nahm hernacher die hundert Gulden zum Tranckgeld / nebenst ihrem Silbern Bussen / gieng hiermit davon / da funden sich die Tauben herbey / kleideten sie aus / und zogen ihr ein altes geflicktes Bootsmans Kleid an / das doch nichts werth war / und setzen ihr an statt ihrer Seidenen und Knippelshüllen / ein blaue Jungens Mütze auff / kriegten einen Tragbahr / huben sie darauff /und trugen sie ein paar Gassen durch / und legten sie für eines Mannes Thür unter ein Schuer / da schlieff die gute Aiche fein sanffte biß des Morgens die Mägde die Thür aufmachten / lag Aige dar / sie meinten es wäre ein Bootsmans-Jung / schüttelten ihr lustig / aber Aiche gab kein Gelaut mehr von sich / als well / well Jan Cousin / well / well / und lag immer still / indessen war Ferru voller Angst umb seine Haußwirthin / suchte sie Gassen bey Gassen durch /biß entlich der Mann auff stund / wo Aiche für der Thür lag / und befahl das volle Schwein weg zubringen / da erwachte sie / besann sich / rieff immer über Jan / Jan / sie sah ihr Kleid an / das war umbgekehrt /ihre hundert Gülden nebenst dem Silberzeug war dahin / Aiche wrang die Hände / rieff: Ach / ach mein Ohm Jan / seyd ihr gestorben / ich weiß nicht wo ich bin / [174] ach Jan / ach Jan / wo seyd ihr hinkommen / ich seh euch ja nicht mehr / in dessen kamen die Leute so häuffig umb sie / als wann ein neuer Quacksalber mit dem Pickelhering vorhanden / Aige rieff und schrie immer mehr und mehr über Jan / aber well Jan blieb aus / und kam an statt seiner der gute Schiffer Ferru wieder / gieng die Gassen durch und durch / suchte seine Aige fast mit Thränen / und wie sie seiner gewahr wurde / rieff sie immer / ach mein Ferru! ach mein Ferru! well bin gey dar? aber Ferru gieng vorbey / kante sie nicht / suchte nur seine Aige / dieser rief immer: ich bin Aige / mein lieber Ferru ich bin Aige des Schmidts Frau von Enckhäusen / kompt und helffet mir / ich weiß nicht wo ich bin / Ferru sagte: seyd ihr Aige / ihr seyd ein versoffener Schlüngel toll und voll / ich suche eine Frau du Narr / hiermit nam die Aige ihr Bootsmans Hülchen ab / und zeigte ihm ihre Flechten / da sah der gute Ferru / wie das Schaff geschoren war / besan sich / und fing fast an zu weinen /wie nun dem guten Ferru und dem jungen Weibchen zu Muhte gewesen / auch wie sie von dem Schmiede bewillkommet / laß ich den Leser urtheilen.

89. Die betrogene Alt-Mutter
LXXXIX. Die betrogene Alt-Mutter.

Es fügte sich einsmahl / daß ein Gaudieb in der von Amsterdam nach Harlem fahrenden Jacht-Schuyt sich nieder setzte / seinen Vortheil / oder Glück / wie es sothane Leute nenne / zusuchen / allda kam Er neben einer alten Frauen zusitzen / die ziemlich viel Geld bey ihr hatte / weil sie zu Harlem einige Wahren [175] einkauffen wolte; Diese alte Frau hatte ihr Geld in einer Taschen / die sie vor ihrem Leibe unter dem Schürtztuch hangen hatte. Als nun dieser lose Gast also bey dieser Frauen saß / hatte er viel Gesprächs mit ihr /hieß sie allezeit Groß-Mutter / da die andern Leute meyneten / daß diese Frau seine rechte Groß-Mutter were / unterdessen gerieth die Groß-Mutter in Schlaff / da sagte dieser gegen die andern Leute / die in der Schuite waren / ich muß meiner Großmutter einmahl einen Possen machen / ich wil ihr die Tasche eins lausen / und sehen ob sie es auch mercken wird. Er steckte seine Hand sachte unter ihr Schürtztuch / und nam eine Hand voll Ducatonnen herauß / und sagte zu dem Volck / das solches mit Verwunderung ansahe /sie müsten nicht lachen / zeigete den Leuten die Ducatonnen / und sprach / ich muß doch sehen ob es meine Großmutter auch wird gewahr werden / die Leute untereinander meynten / daß es seine eigene Großmutter were / und dachten / daß Er es aus kurtzweil thäte; Alß nun die Schuyte auff den halben Weg kam / und die Leute auf eine andere außsteigen müsten: ward die Großmutter von den Leuten aufgeweckt aus der Schuyte zu gehen. Dieser Gast / der nebenst der alten Frau gesessen und das Geld gezeigt / machte sich eylend aus der Schuyte / und an statt / daß Er in die andere Schuyte gehen solte / machte Er sich aus den Staub und ließ die Großmutter mit ihrer ledigen Tasche allein fahren. Als nun die Leute ihn nicht in der Schuyte mit sahen / sprachen sie zu der alten Frau / wo ist euer Cousin? was für ein Cousin? sagte die Frau; der neben euch gesessen antworteten die Leute; das ist mein Cousin nicht / sagte sie / ich kenne ihn nicht mehr als ihr ihn kennet / worüber sie alle anfingen zu lachen / und sprachen: kennet ihr ihn nicht / er sagte ja / daß ihr seine [176] Großmutter wäret / und hat immittelst da ihr schlieffet / euch die Tasche gelauset / und hat uns eine Handvoll Ducatonnen / die Er daraus genommen / gezeiget / mit vorgeben / daß er solches euch zu kurtzweil thun wolte / worüber die alte Frau sehr erschrack / fühlete nach ihrer Taschen / und fing an laut zu schreyen und zu heulen und sprach /daß ihr alle ihr Geld gestohlen sey / davor sie zu Harlem wahrē vor ihrem Kram hatte kauffen wollen / daß sie die Persohn / die sie ihres Alters halben / Großmutter geheissen ihr lebtage / nicht gesehen / also daß die Frau ohne ihren Cousin und Geld nach Harlem fuhr / und die Waaren so sie für baar Geld einzukauffen gedacht / auff Borg nehmen muste: die andern Leute so es mit angesehen / musten sich verwundern /daß dieses mit solcher List und Geschicklichkeit geschehen war.

90. Die listige Behändigkeit
XC. Die listige Behändigkeit.

Zu Leipzig pflegen die Spitzbuben auch gemeiniglich in den Messen aufzuwarten / umb ihrer Nahrung nach zu gehen. Einer derselben trat einem Fuhrman eben entgegen / sahe / daß Er seine Hand in der Taschen /die andere aber über eine andere grosse Tasche hielte. Dannenhero sahe Er ihm recht ins Maul / und begunte zu Hojanen; der Fuhrman ward hierdurch bewogen auch zu Hojanen / hielte derowegen die Hand / so Er auf die Tasche gelegt hatte auß grosser Bescheidenheit vor den Mund / und in dem Er dieses that / war jener mit seinem scharffen Messer parat / schnitte die Tasche weg / und lieff damit durchs Volck / kam [177] auch glücklich davon / und des Bauern Nachlauffen und Schreyen war vergeblich.

Gar listig fiengen es auch jene Pennäl auff einer teutschen Universität an / die promovirten (also nennt man auff Academien das Stehlen) einen Hammel /und führeten ihn durch die Gassen nach ihrem Logiment. So offt aber der Hammel schrie / so offt rufften sie holla! holla! damit man des Hamels Geschrey nicht hören kunte. Sie brachten auf solche Manier den Hamel ins Hauß und auf die Stube / stachen ihm den Halß ab und hielten ihn heimlich / der Nachforscher kam auch baht den Wirth / ihm zu vergönnen in sei nem Hause Nachsuchung zuthun / denn sein Hammel wäre gewiß drein kommen / daß ward ihm vergönnt /er suchte aus einer Stube in die ander / wie Er aber vor die rechte kam / da hatte man ein Bette gemacht /den Hamel hinein gelegt / und saß einer vorm Bette und hatte ein Buch in der Hand / wie der Sucher nun hinein eilen wolte / winckete und sprach der Leser: Bleibet zurück / hie lieget ein sterbender Mensch. Jener ließ sich abschrecken / gieng davon und bekam seinen Hammel nicht wieder.

91. Die listige Köchin
XCI. Die listige Köchin.

An einem gewissen Orth hatte der Pastor den Schultzen zu gaste gebeten / sagte derwegen zu der Köchin /sie solle ein paar Hüner braten / die Köchin hatte den Knecht zum Bräutigam / der muste die Braten wenden / dieser tunckete zu Zeiten in das abgedrüppete Fett /das schmeckete ihm so wol / daß Er nolens volens gezwungen ward die Hüner anzugreiffen. [178] Die Magd wolte den Bräutigam gern bey Ehren erhalten / erdachte alsobald einen Ranck. Der Schultze kam an /die Köchin hieß ihn wilkommen / und sagte! Mein lieber Schultze mich Jammert euer / wie das; fragte Er? Sie sprach: Ich habe gehöret / ihr habet unserm Herrn einsten was zu wieder gethan / alß hat er beschlossen / nachdem ihr wolgegessen und getruncken / wil er euch beyde Ohren abschneiden / der Schultze sagte: So mag Er sein Gastgeboth allein behalten /und gieng zum Hause auß. Indem dieser wegging /lieff die Köchin zur Stuben ein / rieff dem Herrn / und sagte / wie der Schutze in die Küche gekommen /beyde Hünner vom Spieß genommen und zum Hauß außgangen / der Pastor lieff zu der Haußthür / rieff dem Schultzen nach / und sagte: Nur eins / nur eins (scilicet solte er wieder geben) der Schultze aber sprach: Nein / ich wil sie beyde behalten (meynte die Ohren) und lieff was erlauffen kunte.

92. Die Schelmische List
XCII. Die Schelmische List.

Vor kurzer Zeit hat sichs zu getragen / daß eine Persohn von Sutphen nach Amsterdam zu einem Buchhändler gangen / seine Rechnung zu bezahlen / da er aus seinem Räntzel ein Schnuptuch voll Golde herfür langete / wovon er dem Buchführer das Seinige zahlete / und das übrige wieder in seinen Sack steckte. Der Buchhändler danckte ihm vor gute Bezahlung / und nante ihn bey seinem Nahmen / und muste sich ohngefehr zugetragen haben / daß ein Spitzbube herumb spatzierer seye / der ihn bey seinen Nahmen nennen /und daß er die Rechnung [179] bezahlet / gehöret hatte. Wie dieser Sutphener nun auß dem Hause des Buchhändlers und an die Neue Brücke kommen / begegnet ihme eine Persohn die ihn wilkommen hieß / und gab ihm die Hand / nennete ihn bey seinen Nahmen: Der Sutphener aber sagte / ich kenne euch nicht; der ander aber sprach / ey kennet ihr mich nicht / kennet ihr denn diesen Mann nicht / und nennete einen Mann /der diesem Sutphener bekannt war / eine Persohn / die gleich in seiner Nachbarschafft wohnete / (welches nur auß Muhtmassung geschahe) der ein Wein verkauffer ist? Ja sagte der Sutphener den Mann kenne ich wol. Mich wundert sehr / daß er mir keine Antwort schreibet / da ich ihm doch schon drey Brieffe geschrieben habe; Nun ersuchte ich euch / mir / so es euch beliebet / die Freundschafft zuthun / und einen Brieff meinentwegen mit zunehmen / und ihm einzuhändigen / ihr werdet mir daran eine grosse Freundschafft erweisen. Wol / sagte der Sutphener / daß ist eine geringe Mühe / das wil ich gern thun. Darauff sagte der ander / ich bitte euch / so es euch beliebt /mit mir hiernahe beyzugehen / ich wil geschwinde ein Briefflein verfertigen / daß wil ich wol thun / sagte der Unschuldige / und ging mit diesem Spitzbuben in die Neue-Strasse in eine Herberge: Wie er dahin kam / forderte er Feder und Dinte / als wolte er schreiben; Unterdessen kombt ein Monsr. hinein / und wünschet ihnen einen guten Tag / und sagte / meine Herren /mache ich euch auch einige Molestic / daß ich hier herein komme: Nein sagte der ander (denn es war einer von seiner Rotte) wir haben nichts sonderliches zuverrichten / ich wil nur ein Brieffgen schreiben /das dieser Persohn mit nach Sutphen nehmen soll. Hierauff begunte die Person / die zuletzt hinein kommen war / zu erzehlen / wie [180] so gar teuffelisch er zu Platz kommen wehre / an einem Orthe / da er alle sein Geld verlohren hätte / und kunte nicht ersinnen / wie er darzu kommen wehre; wie ist das zugangen? sagte der ander; wenn ich eine Karte hätte / antwortete dieser / ich solte es auch können weisen / denn solch Spielen kan ich nicht verstehen. Darauf ward eine Karte gefodert / die auch alsbald gebracht wurde / da sagte der zu letzt hinein kommen war / zu seinen Mitgesellen / last uns umb einen Schilling spielen / denn ich darff es nicht hoch anfangen / weil ich ein so unglückseeliger Tropffe bin. Wol sagte der ander / es sey umb einen Schilling / und langete einen Ducaton aus seinen Schiebsack / und bahe den Sutphener ihm zu wechseln / da kombt der andere plötzlich / und schlägt ihn unversehens ins Gesicht / daß er hinten über die Banck fiel / da stunden die zween Spitzbuben auf / nahmen das Schnupfftuch sambt dem Gelde / das der Sutphener herfür gezogen hatte / und lieffen darvon. Als dieser Unschuldige wieder aufkommen war / und sahe / daß viele Spitzbuben weggelauffen waren / und sein Geld mitgenommen hatten / erschrack er sehr / und lieff was er lauffen kunte / nach dem Hause / da er die Rechnung bezahlet hatte / klagte allda sein Unglück / und baht / daß der Freund mit ihm nach der Herberge gehen möchte / wie denn auch geschahe / und nam noch einen Freund zu sich. Wie sie dahin kahmen / giengen sie hinein / die zwey Leute zusuchen / funden auch ein Gemach voller Leute / aber der unschuldige Sutphener kente diejenigen nicht / die ihn geschlagen und das Geld genommen hatten / und sagte / daß sie nun länger Haar hätten / als ihm dauchte / daß sie zuvor gehabt hatten /da sie mit ihm daselbst waren. Die zween Freunde sagten / daß er es wol müsse wissen / ehe man [181] jemand anredete. Das Volck so in dem Gemach war / als es sahe / daß einiges Suchen nach jemand war / (wie denn die Spitzbuben vielleicht auch wol darbey sassen) begunten sie lustig anzufahren / und sagten: Was / zum Teuffel / sucht ihr hier? Meint ihr / daß hier Schelmen und Diebe sein / daß ihr einigen Argwon sasset / packet euch von dannen / oder der Teuffel sol euch den Halß brechen; Ihr Hunde packet euch stracks weg / oder wir wollen euch schlagen / das euch der Teuffel hole; Ihr Schelmen / sol man in einer ehrlichen Gesellschafte Schelmen und Diebe suchen? Dieses gab dem unschuldigen Sutphener und seinen zween mitgenommenen Beyständen ein solch Schrecken / daß sie stillschweigend weggingen; Und der unschuldige Sutphener muste sonder Geld sich weg machen / aber hätte noch leicht eine gute Tracht Schäge darzu bekommen.

93. Der grobe Spitzbube
XCIII. Der grobe Spitzbube.

Anno 1676. hat sichs zugetragen / daß eine gewisse junge Persohn im Herbst aus dem Haag kommen /welcher wegen seines Herrn / der zu Amsterdam wohnete / etwas Geld im Haag empfangen hatte / und itzo auff dem Weg war / über Leyden nach Amsterdam zu fahren / dieser ward in besagter Stadt Leyden von dreyen Messieurs / wie sie äuserlich schienen / angesprochen / daß sie sich stelleten / als wann sie auch mit nach Amsterdam wolten / in seiner Geselschafft denselben weg zu reisen. Es hatte aber vorbesagter Jüngling ein Räntzel mit ohngefehr 800 Gulden / den er selber trug / welches die Gäste vermerckten [182] und gedachten / daß es sich nicht gebühre ihnen diesen Hasen entwischen zulassen / wendeten derhalben allen Fleiß und Mittel an / solches ins Werck zurichten. Nachdem sie nun mit einander durch Leyden gangen waren / von dem weissen Thor an / biß auf die Fehre bey dem See-Thore / so war es noch eine halbe Stunde zu früh / mit der Schuyt von dannen zufahren /da sie dann die Zeit zu vertreiben / biß so lange die Schuyte abfahlen solte / ein paar Spiele in der Karte spielen wolten; wie der Jüngling ein Spiel oder gespielet / stehet er auf / hinten auf das Secret zugehen /und nimbt seinen Räntzel / mit sambt dem Gelde und gibt ihm der Wirthin / solchen so lange zu bewahren /biß die Schuyte fahren solte. Einer von diesen Spitzbuben / der stillschweigend aufgestanden / und ihm nach gangen war / gab acht darauf / was er wegen des Räntzels bestellete / kombt sachte wieder in die Kammer / und erzehlt es seinem Mitbruder / was er von dem Jüngling gehöret / und wie er den Rentzel der Wirthin zu bewahren gegeben hatte / biß daß die Schuyte fahren würde. Wie dieser Jüngling hinten gewesen war / kombt er wieder in Kammer / dachte an nichts arges / und fänget wieder an zu spielen. Da stehet einer von diesen Spitzbubē auf / gehet aus der Kammer und sagte / ich muß eins hinten gehen. In dem gehet er zu der Wirthin und sagt: Frau Wirthin /beliebet euch nicht mir meines Bruders Rentzel zu geben / es wird Zeit / daß wir uns bereit machen nach der Schuyte zu gehen / es wird sonsten auff die letzt so voll / daß man kaum in der Schuyte sitzen kan. Die Wirthin sagte ich wil dem Freund / der mir den Rentzel gegeben hat / denselben wieder zu stellen. Wol /Frau / sagte dieser Spitzbube / ob ich mir ihn zu stellet / oder ihm / das gilt gleich viel / er ist mein Bruder / und hat noch was zuthun / ich wil vorhin gehen / vor uns bey [183] den Raum zu hatten / er wird so folgen / denn sie sind jetzo beschäfftiget die Rechnung zu machen. Die Frau dieses glaubete / gibt dem Spitzbuben den Rentzel / und gehet darmit in die Schuyt / wie ihm denn von der Wirthin nachgesehen ward. Wie dieser Spitzbube in die Schuyte kommen war / sahe er sich umb nach dem Hause / ob ihm auch jemand nachsehe / und wie er nun seine Gelegenheit ersahe / machte er hinten in der Schuyte das Türchen offen / und gieng zur Schlupe der Schuyten hinauß. Die andern 2 Spitzbuben hielten unter des den Jüngling auf / endlich es ward Zeit / daß die Schuyte fahren solte / und ward geruffen / ob noch jemand da wäre / der mitfahren müste / da bezahleten sie in der Eil ihr Gelach / und laufft ein jeder geschwind zur Thür hinauß / in die Schuyte zukommen / dieser Jüngling lieff auch nach der Wirthin / und sprach / beliebt ihr mir meinen Rentzel wieder zugeben. Euren Rentzel sagte die Wirthin mein Herr / den hab ich eurem Bruder zugestellet / er sitzet ohngefehr hinten in der Schuyt / der Jüngling erschrickt sehr / und sprach; Frau / was habt ihr gethan / es ist mein Bruder nicht / ich kenne die Leute nicht mehr als ich euch kenne / sie sind auff der Strassen zu mir kommen / hierauf erschrickt die Frau imgleichen / sie lauffen mit einander nach der Schuyten /die Persohn zu suchen / wie sie in die Schuyte kommen / finden sie dergleichen Persohn nicht / die Leute die in der Schuyte sassen / sagten / daß eine Persohn mit einem schweren Rentzel in die Schuyte kommen /aber hinten wieder hinauß gegangen war. Die Wirthin sambt dem Jüngling gehen wieder aus Schuyten / die andern zween umb ihren Mitbruder zufragen / wie aber ins Hauß kommen / hatten diese sich auch auß dem Staube gemacht / und war niemand zufinden /welches einē grossen Aufflauf und Tumult unter [184] dem Bolck auf der Fehre gab / dieser Jüngling prätendiret den Rentzel von der Wirthin / als welchen er ihn gegeben / so wolte er ihn von ihr auch wieder haben /die Wirthin sagte hingegen / ihr seyd selb dritte miteinander hereinkommen / ich hab unter euch Leut kein Unterscheid gemacht; dem möchte sein wie ihm wolte / der Jüngling muste seine fortsetzen und seinen Rentzel mit dem Gelde dahinten lassen / welcher seinem Herrn sonder Zweiffel nicht wird wilkommen sein gegewesen / weil er auf solche weise seine Sachen nicht wol außgerichtet hatte.

94. Der Syracusische Betrieger
XCIV. Der Syracusische Betrieger.

Berlinger / ein Syracusaner / von geringem Stande und grossem Verstande (wann anderst die Klugheit also zunennen) hat erst im zehenden Jahr seines Alters zu reden angefangen / gleichsam / ob hätte er so lange gedichtet / so lange die Elephanten trächtig gehen / Fürsten und Herrn zu betriegen / allermassen in den Kinderspielen von Jugend auf er seinen Anfang dazu gemacht / und seiner Schalckheit meisterliche Proben geleistet.

In der Jugend wurde er zur Schulen gehalten / daß er etlichermassen des Lateins mächtig worden / welches gleich dem Zucker ist / und keine Speisen verderbet / ich wil sagen zu allen Ständen dienlich ist. Nachdem nun sein Vater dieses Zeitliche gesegnet (dann seine Mutter Todesverblichen / als sie ihn auff diese Welt gebohren) begab sich dieser Berlinger zu einem Goldmacher / die Kunst zu erlernen / welche die verborgene Schätze / so der Geitz und die Natur vergraben / ausscharret. Mit diesem Meister schiffete[185] er in Africa / lässet sich zu Zeiten für einen Meer-Räuber gebrauchen / und erbeutete so viel / daß er sich entschleust einander Leben auzufangē / damit er nicht sein Leben / und zugleich das in einer bösen Viertelstunde verlierē möchte / was er durch etlicher Jahre Gefährligkeiten erworben hatte. Sein Angesicht war von der Sonnen verbrennet / seine Augen schwartz und lieblich anzusehen / seine Haare lang /krauß und pech-schwartz / und hatte auff seiner Reise die Africanische Sprache gelernet / daß er sich in seinem Vaterlande für einen Frembden angeben dürffen. Nachdem er nun seine fahrende Haab / ich verstehe sein Schiff / versilbert und zu Golde gemacht / sich mit einem langen schwartzen Rock bekleidet / stieg er zu Malta / allda er war angefahren / nachdem er ein Türckisches Schiff / dessen Hauptman / sich zum Christlichen Glauben bekehret / und in der heil. Tauffe Odoart benennet worden / in eine Neapolitanische Gallee und setzete glücklich über.

Unterwegs kombt er in Erfahrung / daß allda viel vornehme und reiche Leute / unter welchen auch ein Herr von Caraffa / dem Chimischen Rauchwerck oblieget: bemühete sich deßwegen einen Diener zu haben / der von solchem Handel einigen Bericht hatte / und fand eben einen / der zuvor bey dem Herrn Caraffa gedienet / den er zu sich genommen.

Berlinger nennete Odoart von Africa / und wiese seinen Tauffzettel auff / welchen er den vorbesagten Türcken entwendet / zubeglauben / daß er sich zu dem Christen Glauben bekehret.

Diesem Diener / Chiano genandt / vertrauete Berlinger / nachdem er zuvor die Verschwiegenheit endlich versichert / wie er und sein Priesterliches Geschlechte ein Geheimniß [186] wüsten / auß ellen Metallen Gold zu machen / heisset ihm deßwegen einen Distillter-Ofen / Kolben / Tiegel / Kohlen und andere Gerähtschafft einkauffen / weil er Gold vonnöhten hätte. Wie solches geschehen setzte er Quecksilber ein / und bestreuete es mit einem weissen Pulver / dadurch es dicht Gold wurde / wie der Diener vermeinte / und solches wurde ihm zu verwechseln anvertrauet. Der Diener bringet das Geld für das Gold / und eröffnete so bald seinem ersten Herrn / wie er den Meister aller Meister gefunden / und erzehlet / was er mit Augen gesehen / und mit Händen betastet. Caraffa eylet / diesen Africaner zu umbfangen / und erkaufft mit vielen höfflichen Worten und kostbahren Geschencken etliche Gerstenkörnlein schwer von besagtem Gold Pulver. Wer war in seinem Sinn glückseeliger als Caraffa? So gar / daß er seinen Freunden / nicht verbergen mögen / und ihnen die Probe dieser Goldmacher-Kunst gewiesen / darüber sie erstumet / und verlangt /solches auch zulernen. Diese haben ihn nun gastiret /mit Kleinodien / Kunststücken und allerhand Seltzamkeiten beschencket / dagegen aber wenig von dem Pulver / auf viel Millionen aber Hoffnung erkauffet.

Es war dieses Pulver gefeiletes Gold / welches mit edner weißlichten Farbe bedeckt gewesen / wann nun das Quecksilber verrauchet / so ist das Pulver zerschmoltzen / und das Gold flüßig worden. Diese Pulver nun wuste er jedem in geheim beyzubringen / und zu berichten / daß GOtt alles mit seinem außwachsenden Samen erschaffen / daß alle Metalle / Gold oder Silber / wegen mangel der Sonnen-Hitze / mehr oder minder reiff / und daß solchen Mangel [187] das Kunstfeuer ersetzen / und sein Pulver die Metallen fruchtbahr machen und zeitigen könne.

Nachdem er nun seine Geschencke durch die dritte Hand / mit vorwand / daß er solche wieder verschenckte / zu Gelde gemacht / und bey 5000 Ducaten / durch Wechsel nach Rom gehen lassen / gibt er vor /daß er ein Gelübde gethan / bey seiner Bekehrung baarfuß nach Rom zu Wal fahrten / seine Andacht allda abzulegen. Von Rom übermacht er seine Gelder nach Venedig / und folget bald hernach / von dar wanderte er in Savoyen / veränderte mit den Kleidern den Nahmen und den Bahrt / und nennete sich einen Ritter von Syracusa. Weil ihm aber sien Gewissen sagte / daß er in gantz Italien nicht sicher sein könte /nimbt er seinen Weg in Flandern / und verspricht dem Hertzogen in Parma / damahligen Staathalter / 1000 Italiäner auf seine Unkosten zu werben / wann ihm vor einen jeden Mann eine bedingte Summa Geldes bezahlet würde. Solchem Versprechen giebet der Hertzog Glauben / begnadet ihn mit einem schönen Rappier und einer güldenen Ketten / und verfertigte ihn mit gewöhnlichen Werb-Patenten wieder ab.

Indem er sich nun zu Florentz aufhält / fügte sichs /daß Caraffa (welches sein Vermögen und Hofnung inzwischen verrauchet ist) mit seinem Diener Chiomo sich auch allda befunden / und Krieges-Dienste anzunehmen gewillet / sich bey diesem Werber angegeben. So bald Berlinger diese zween ersiehet / erschrickt er /wendet sich umb / und befielet seiner Befehlhaber einem / sie auff eine andere Zeit wieder zu bescheiden / ist aber bedacht / sich aus dem Staub zu machen.

[188] Caraffa hätte diesen Betrieger nicht erkant / wann er nicht einen Traum von ihm gehabt / der ihm den vermeinten Africanischen Odoart in Soldaten-Kleidern eigentlich vorgestellet.

So bald nun der Tag angebrochen / und Berlinger in der Kirchen Meß hörete / betrachtet ihn Caraffa unvermerckt / und wird aus allen Umbständen in seinem Wahn bestätiget / wie auch sein Diener Chlomo: Eröffnet deswegen dem Groß-Herzogen / was mit diesem Land-Betriger vorgegangen. Der Groß-Hertzog lässet Berlinger in verhafft / und von dar auf die Galeen bringen / gibt aber dem Caraffa nichts von seinem Vermögen / sondern rameinet / das solches des Hertzogen von Parma Mittel / und muste er sich mit diesem Bescheid abfertigen lassen / er hätte sein Geld auf seinem redlichen Spiel verlohren.

95. Der Hintergangene Wucherer
XCV. Der Hintergangene Wucherer.

Wer einen Juden und einen reichen geitzigen Wucherer listigerweise hintergehet / ist zwar in seinem Gewissen nicht loß gesprochen / aber die Weltliche Obrigkeit dörffte es vor einen Possen achten. Zu Venedig wohnete ein sehr reicher und gewaltig karger Wucherer / Nahmens Diego / und neben ihm wohnete eine fromme Wittebe von gutem Adel sambt ihren zweyen Kindern / einem Sohn und einer Tochter / jener hieß Bernardo und diese Lucretia. Itzt genanter Tochter war überauß schön / aber die Mittel mangelten ihr /daß sie sich nicht nach ihrem Stand verheurahten kunte / sondern sambt ihrer Mutter das Brod durch subtile Hand-Arbeit gewinnen muste / weil sie [189] aber ihres geitzigen Nachbarn / des Diego Tochter / als ihre vertraute Freundin vielfältig besuchte / gewan der alte Geck eine unzeitige Liebe zu Ihr / und hätte gerne von diesem anmuhtigen Wildpräth etwas genossen /dessen er doch gar unwürdig war / gleichwohl hinderte ihn die Furcht grosser Straffe / daß er seine Gedancken eine gute Zeit heimlich hielte / und sich in seinem Hertzen quälete. Immittelst gibt sich ein feiner Adelicher Jüngling bey der Lucretien Mutter an / und weil er seine Nahrung zu Felde in einer ehrlichen Kriegs-Charge suchte / worb er umb die Tochter /welche ihm bald zugeschlagen ward. Die Mutter war nun drauf bedacht / woher sie etwas Geld auff Renten nehmen / und ihre Tochter gebührlich aussteuren möchte. Zu solchem Ende muste Bernardo zu Diego gehen / und ihn umb 1200 Kronen ansprechen / gegen eine übliche Zinse.

Diego hätte der Wittibe sonsten nicht einen Thaler geliehen / aber in Betrachtung der schönen Lucretien /sagte er dem Bernardo nicht allein die begehrte Summa auff 3 Jahr ohne Zinse zu leihen / sondern versprach ihm daneben absonderlich noch 300 Kronen vor seine Persohn / wann er es dahin bringen möchte / daß ihm seine Schwester zu willen wäre. Bernardo gedachte diesen alten Bock rechtschaffen zu putzen / versprach ihm demnach sein bestes / und wie er es dem Vorgeben nach / so weit gebracht / daß er mit Beliebung der Lucretia zu ihr in ihre Schlaffkammer kommen möchte / da zahlete ihm Diego die bedungene Summa der 1500 Kronen. Bernardo hatte dem Bräutigam schon Nachricht hievon gegeben / und verabredet / wie sie den Alten empfangen wolten /aber seine Mutter und Schwester wusten nichts von des Diego Vorsatz und Bedingung. Zwo Stunde in die Nacht hohlet Bernardo den Wucherer [190] ab / führet ihn in den Garten / und lässet ihn an einer Leiter zu der Lucretia Schlaffkammer hinauff stiegen / wie er am Fenster rasselt / und schon halb hinein war / da sprang die Magd aus dem Schlaff / und rieff / Dieb! Dieb! Lucretia und die bey ihr schlaffende Mutter erwacheten dadurch gleichergestalt / und machten noch einen grössern Lärmen / daß demnach auch die Nachbarn zu Beinen kamen / Diego eylete also zurück /und wie er die Leiter wieder betreten / zohe selbige der Bernardo unten auß / daß er oben hinab fiel / und hart verwundet ward. Bernardo machte sich alsobald aus dem Staub / und verfügte sich / verabredet ermassen / zu dem Bräutigam / der die Nachtwache schon zu seinen Diensten hatte / welche den guten Diego alsobald in ihre Corps de Guarde und hernach ins Gefängniß führeten. Wie er vor Gericht kam / muste er sein Vorhaben / nach gedrehter Peinbanck / gestehen /wobey er aber einführte / daß die Lucretia schon in sein Vorhaben eingewilliget / und die Stunde / zu ihr zu kommen benennet hätte. Aber so wol diese / als auch Bernardo schwuren / daß sie von allem nicht die gerinste Wissenschafft gehabt / sondern daß der Diego sehr auff ihn getrungen / biß er ihn solchergestalt hätte hintergehē müssen. Solchem nach ward Diego auff 3 Jahr der Stadt verwiesen / Lucretia behielte die 1200 / Bernardo die 300 Kronen / und jene nahm bald drauff ihren Bräutigam.

96. Der gezwungene Tantz
XCVI. Der gezwungene Tantz.

Zu Pariß sange bey Nachtlicher Weil ein Teutscher Edelmann auff sein eigen Plaisir ein Liedgen / solches hörete ein Französischer Edelmann mit Verwunderung [191] / daß dieser so trefflich wol sange; fragte darauff nach / wer so gesungen / als er erfahren / daß es ein Teutscher er wehre / verdrosse es ihn / daß ein Teutscher ihn im Singen übertreffen solte. Schickte also gleich des andern Tages nach dem Teutschen Edelmann / und ließ ihn bitten / ihme die Ehre zu gönnen /in sein Losament zu besuchen. Der Teutsche / weil er den Frantzosen nicht kante / schlug es rund ab. Der Frantzoß ging selbst zu dem Teutschen / und baht ihn mit grosser Ehr-erbietung auff sein Losament / also daß sich der Teutsche bereden ließ / und mit ihm hinginge. Der Frantzoß tractirte ihn im Anfang sehr köstlich / nach langem Gespräch fragte er ihn / ob er gestern des Nachtes an jenem Orth nicht ein Liedgen gesungen? Als der Teutsche es bejahete / bahte er ihn /ob er dasselbe ihm zugefallen nicht einmahl singen wolte / dann er sich sehr darin verliebet. Der Teutsche sange und zwar zum öfftermahl / weil der Frantzoß (wenn er auffhörte) ihn immer wieder bahte / im Singen fortzufahren; Endlich verdrosse es den Teutschen / sagend: Er könte nicht immer singen; und er wüste nicht wie er dieß verstehen solte. Der Frantzoß / als der nur Action an ihn suchte / sagte / er solte singen oder es würde nicht gut werden: Der Teutsche wolte sich zu fernerem Singen nicht zwingen lassen; Darauf kriegte der Fantzoß einen starcken Prügel (den er schon zuvor zurecht gesetzet) und prügelte den Teutschen wack er auff seinem Losament ab / und ließ ihn hernach gehen. Der Teutsche seinen Schimpf zu revangiren / ließ ihn des andern Tages fodern / ginge gleich auch zu erst hinauß / zoge sich auß / schluge seinen Mantel umb sich / und verbergete eine Mousqueton darunter / und erwartete also des Frantzosen. Der Frantzoß erschiene alsbald / zohe sich auch gleich auß / und ging wolgemuhtet auf den Teutschen loß. Der Teutsche [192] warff seinen Mantel von sich / und schluge seine Mußqueten an / und rieffe Frantzoß tantze / oder ich schiesse. Dieser erschrackte und sagte / dieß ist ja keine Manier. Der Teutsche: Hastu dich in mein Singen verliebt / so hab ich mich jetzt in dein Tantzen verliebt. Rieffe drauf wieder / tantze oder der Teuffel hole mich / ich schieße dich daß dir der Rauch darnach gehet. Der Frantzoß voller Schrecken mußte tantzen / und wann er aufhören wolte / rieff er wieder / tantze forth / und schneide Capriolen /oder ich schiesse. Ließ also den Frantzosen tantzen /biß er gantz müde war / da warff er seine Mousqueton von sich / grieff zum Degen / und ging auff den Frantzosen loß. Der Frantzoß vom Tantzen ermüdet / konte sich vor dem Teutschen nicht recht defendiren. Der Teutsche dieses merckend / lieffe dem Frantzosen ein / kriegte ihn bey dem Kopff / schmiß ihn zur Erden /prügelte mit dem Degen ihn wacker ab / und trate ihn mit Füssen / sagend: Deine an mir begangene Manier ist nun mit dieser meiner Manier sattsam vergolten. Hiermit ging er davon / und sagte: Nimm so mit fürlieb / Frantzoß!

97. Der listige Fuhrmann
XCVII. Der listige Fuhrmann.

Man erzehlet / es habe einer aus einem Ober-Teutschen Dorff / Nahmens N. Bock / auff der Landstrassen zu fahren pflegen / und da er von einem gefragt ward / was er mit dem grossen Hund thäte / den er bey sich hätte? Antwortet dieser / so ein arger Schalck war / er habe Commission solcher Hunde funfftzig für einen Edelmann zukauffen / und er wolte gern einem ein Tranckgeld spendiren / der sie ihm bey einander brächte. [193] Diesen guten Gesellen dauchte / das Geld wehre leicht zu verdienen / nahm ein Reichsthaler auf die Hand / und versprach ihm in 14 Tagen die genannte Zahl Hund / einen umb 3 Kopffstücke / wie sie accordirten / zu liefferen. Der Fuhrman fuhr also seines Weges forth / der ander aber bemühete sich fast sehr / daß er seine Liefferung thun könte / brachte auch in 8 Tagen alle Hunde zusammen / thät sie beyeinander in einen Stall / und muste sie auf eignen Kosten halten / biß der Käuffer wieder / die 14 Tag gingen herumb / es kam kein Käuffer / und die Hunde wolten viel fressen / es ward dem gutem Samler bang / der Käuffer wurde seine Hunde nich abholen / wie es dann geschahe / über 8 Tage nach den verflossenen viertzehen / kam der Käuffer / doch gar anders / nicht als ein Fuhrman / sondern als ein Both / hatte ihm den Bart auff Frantzösisch scheren lassen / und mit etwas Wachs das eine Auge zugekleibet / daß man gemeinet / er hätte nur eins / ließ ihm im Wirthshauß ein halb Maaß Bier langen / unterdessen musicirten die Hunde so gut sie es gelernet; Der Both fragte den Wirth /was das für eine Music währe? Der Wirth antwortet /es sey für drey Wochen ein Fuhrman durchgefahren /der habe einem guten Tropffen einen Thaler auff die Hand gegeben / daß er ihm 50 Hunde solte zusammen bringen / und die Anzahl sey schon viertzehen Tage beyeinander gewesen / haben den guten Gesellen schon für fünff Gulden Brod gefressen / und es habe ihm dem Bothen ganz ähnlich gesehen / und wann er zwey Augen hätte / wolte er glauben / daß ers selbsten wehre; Er aber hat es gar weit von sich geschoben /dem Wirth sein Bierbezahlt / und sich fort gemacht /seinen Fuhren nach / welche er durch einen andern Weg neben dem Dorff hatte vorauß geschickt. Hat also die Hunde lassen fahren / und seinen Thaler lieber nicht wieder fodern wollen / [194] als 5 Floren für Brodt / und 50 Floren für die Hunde zahlen. Der Verkäuffer und Samler hat seine 5 Floren zerschmeltzen müssen / und einem jeden seinen Hund an Bezahelung wieder gegeben.

98. Der doppelte betrogene Marggraff
XCVIII. Der doppelte betrogene Marggraff.

Bey dem Könige in Franckreich war ein Marquis in grossen Gnaden / welcher einsmahls von demselben Ordre bekam / sein Hauß schleunigst zu bestellen /dann er müsse noch heute eylends gen Hofe kommen /umb in einer Ambassade gebraucht zu werden. Diesen Königl. Befehl zeigte er alsobald seiner Gemahlin /die er inbrünstig liebte / nahm von ihr Abschied / und erhub sich von Stund an gen Hoff. Kurtz vor seiner Ankunfft aber hatte der König ein Schreiben durch einen Courirer erhalten / daß ein frembder Fürst den andern Tag bey Ihr. Königl. Majestät wolte die Visite ablegen / weßwegen der König sich anders resolvirt /und einen andern Herrn an des Marquis Statt abzufertigen. Unterdessen behielte der König den Marquis bey der Taffel. Als nun die Taffel gehalten / nahme er von Ihrer Königl. Maytt. Abscheid / und verfügte sich nacher Hauß / so bald er zu Hauß in sein Zimmer eintritt / findet er einen Hoff-Cavallier (auf welchen er sonsten viel hielte) bey seiner Gemahl im Bette liegen: Die Gemahlin war der Meinung / als ob er schon längst fort gereiset / und nun sicher / erschracke zum hefftigsten / wie nicht weniger der Cavallier. Er selbsten stutzte und entsetzte sich sehr dieser Action /doch resolvirte er sich kurtz / und redete diesen Cavallier ganz höfflich also an: [195] Monsieur: Ich bedancke mich / daß er eben das jenige so liebet / was ich biß Dato am höchsten auf dieser Welt geliebet: Der Cavallier aus Furcht griffe eylend nach seinen Hosen und Degen. Der Marquis diese Furcht sehend / sprach ihm ferner zu; Monsieur / er fürchte sich nur nicht / und thue nach seinem Belieben was ihm beliebet. Der Cavallier diesen guten Worten nicht trauend / suchte nur Gelegenheit sich geschwind darvon zu machen. In wehrendem Anziehen des Cavaliers / spatzierte der Marquis im Saal auff und nieder; Alß nun der Cavallier fertig / und nun ohn dem gehen wolte / nöhtigte ihn der Marquis noch zu einem Trunck oder Kaltschaale zu verbleiben; Dem Cavalier aber welchem vor diesesmahl die Sicherheit viel lieber als der Trunck ware / suchte nur bloß seinen Abschied / welchem der Marquis das Geleit biß vor die Thür gabe /bedanckte sich nochmahln dessen / doch mit dem Beding / daß er erstlich verschwiegen sein / und nimmermehr wiederkommen solte / so solte er sich seiner vorigen Freundschafft versichern / wiedriges Falls oder im Gegentheil / wo er solches nicht halten würde /wolte er sein abgesagter Feind biß in todt verbleiben. Der Cavalier sagte ihm solches auff Cavaliers Parole höchlich zu / und ging frölich darvon. Als nun der Marquis wieder in den Saal kame / hatte sich seine Gemahlin unter der Zeit biß in die Helffte wiederumb angeleget: Welche der Marquis gantz entrüstet mit solchen Worten anfuhre: Wie du vergeylte Caroigne und verfluchte Bestie / ist das die ungefärbte Liebe zu mir und die Treue so du mir vor GOtt und der Welt so theur zugeschworen. Geschwind (sagt er / hiermit grieffe er an der Wand hangenden Pistolen eine) bereite dich zum Tode / ich wil dir nunmehro ablohnen /wie du es verdienet. [196] Die Gemahlin den Todt vor Augen sehend / thäte eylend einen Fußfall / baht und schrie überlaut (wie sie sahe daß es Ernst ware und er den Hahn auf setzte) er möchte doch noch vor ihrem Ende ein Bitt von ihr anhören; auff solche Anhörung /fieng sie gantz wehemühtig und auff das inständigste an zu bitten / er möchte doch (so fern er ein Christliches Hertz und gleich wie GOtt zu erbitten wehre) ihr noch so viel Zeit lassen / sich zu bekehren / und wegen begangener Sünden / Gnade von GOtt zu erbitten / damit nicht ihre Seele zugleich dem Leibe abgestraffet / und in die Höllische Verdamniß gestürtzet würde. Der Marquis ließ sich erwegen / legte die Pistol auff den Tisch / wandte die Sand-Uhr umb / und sagte zu ihr / so lange biß diß Stundglaß aus ist / laß ich dir Zeit; Sihe zu / bekehre dich recht / hiermit gieng er hinäuß / und verschlosse sie in dem Saal /und erwartete die Zeit. So bald nun die Stunde verflossen / gieng er wieder hinein / fande sie halb kniend / und mit dem Kopffe auf dem Bette gleichsam in einer ohnmacht liegend / ihr Gebet-Buch vor ihr zur Erd (welches sie gebrauchet) liegen; Nach Ermunterung dieser Ohnmacht / sahe er ihre Augen von Thränen gantz roht und dick / ja solcher gestalt / daß auch noch ein Thräne dem andern folgte: fieng abermahls gantz wehemüthig und mit sehr schwacher Stimme ihn also an zu reden! Auch gnädiger Herr ich bitte umb Gnade / ich bekenne daß ich unrecht gethan. Wiewol nun solches dem Marquis sehr zu Herzen gieng / als der sie zuvor so inbrünstig geliebet / so konte doch die Lieb vor diesesmahl ihn nicht zur Barmhertzigkeit erwegen / diesen angethanen Schimpff bey ihm zu überwinden. Doch sagte er zu ihr: Erzehle mir alles ausführlich / ob er dir oder du ihm / die erste Gelegenheit darzu gegeben / [197] und dieses mit gründlicher Warheit / alsdann werde ich (nach dem ich verspüren werde / daß du die Warheit geredet) schon wissen / was ich zuthun haben werde. Hierauf erzehlete und bekennete sie (in der Hofnung ihr Leben zu erhalten) alles aufrichtig. Der Marquis fragete sie / ob es ihr dann auch von Hertzen leyd were? Welches sie mit unaußsprechlichen Seuftzen und Weinen bejahete / auch Gott und ihn umb Verzeihung bahte / versprechend / Zeit ihres Lebens nicht mehr vergleichen zu thun: Und als sie ihm die Hand hierüber gegeben / stieß er ganz unbarmhertziger Weise ihr sein zuvor Verborgenes stilet / einmahl oder acht in die Brust (mit diesen Worten / du solt es mir auch nimmermehr thun) daß sie zur Erden niedersancke. Nach verrichteter That / zohe er sein allerbestes Kleid an (als ob er zur Hochzeit gehen wolte) und gieng gantz freudig hin zum König. Der König solcher geschwinden Wiederkunfft ungewohnet / fragte die Ursach dessen; Der Marquis bahte gleich umb Perdon und des Königes Schutz; Der König der ihn vor allen andern liebte / sagte ihm solches zu. Hierauf erzehlete er die gantze Action / und wiese ihm das annoch blutige Stilet. Der König fast nicht glaubend schickte eylend hin / gewisse Nachricht einzuholen. Unterdessen fragte der König / warumb er dann seine Gemahlin so hart abgestraffet / und den Cavalier so frey / und zwar so höfflich hätte weggehenlassen? Der Marquis gab zur antwort / seine Gemahl hätte ihme vor GOtt und der Welt die Treu zugesagt / der Edelmann aber nicht / deßwegen er ihm nichts verdencken könte. Der König liesse ihn (umb desto besser vor seiner Gemahlin Anverwanten zuschützen) in ein besonder Gemach unter dem Schein des Arrests mit Soldaten verwachen / biß so lang Gefahr mehr keine zu fürchten. Die Abgeschickten unterdessen [198] brachten Bericht / daß die Gemahl (ob gleich sie 8 Wunden) noch beym Leben / und keine darunter tödtlich were. Der König gefahl müglichsten Fleiß anzuwenden / sie durch erfahrne Artzte zu curiren. Indessen schickte der König ein scharffes Mandath an dero Anverwanten / sich umb das geringste nicht (weder an dem Marquis noch den Seinigen) zu vergreiffen / bey Verlust Leib und Lebens. Entlich nun als sie gäntzlich restituiret und curiret / ließ sie der König zu Hoff führen / und ihr ingleichen ein appart Zimmer einräumen / alles ohne des Marquis wissen; Als nun den König dauchte Zeit zu sein / aus dieser Tragäd / eine Comoedi vorzustellen: Ließ er ihrer Seits alle Anverwanten zur Taffel kommen / wie auch den Marquis / welchen er beredete / daß er ihn mit den Anverwandten der Action wegen vertragen wolte / damit hinführo keine Gefahr zu fürchten. Uber der Taffel nun wurde die Action kurtz proponirt / von den Freunden dem Marquis verziehen / und also eine feste Vertrauligkeit und Freundschafft wiederumb aufgerichtet. Letzlich fragte der König den Marquis: Ob es nun ihm nicht leid wehre / seiner Gemahl beraubt zu sein? Nein im geringsten nicht / sagte der Marquis. Wiederumb fragte er / ob er sie dann nicht zum wenigsten betrauren wolte? Nein sagte er / sie meritire es nicht / und er muste gedencken / als daß er keine Gemahl gehabt hatte. Weiter fragte der König / ob er dann nun sich nicht wieder verheurahten wolte? Ja / antwortete er /und wann ich auch heute eine wüste die mir an stünde / so wolte ich dieselbe heurahten. Der König sagte /nun wolan / wir haben euch eine andere Liebste auß ersehn / und diese sollet ihr mir zugefallen heurahten. Der Marquis stellete alles in Ihrer Königl. Majest. belieben / sich dessen [199] Gnade versichernt / und verhoffent / es werde Ihre Königl Majest. alles dahin disponiren / daß ihm ersprießlich wäre. Hierauf wurde nun auf des Königs Befehl das Gemach eröffnet / und die Gemählin durch einen vornehmen Cavalier hinein geführet / der König stund alsofort von seinem Sessel auff / empfinge sie / führete sie zu dem Marquis und übergabe sie ihm / mit diesen Worten: dieß ist die Dame die der König euch zu einer Gemahlin præsentiret. Der Marquis sahe sie mit Erstaunung an / und wuste nicht was er sagen solte / doch sagte er / wann er nicht wüste / daß er seine Gewahl ermordet / so schwüre er / daß diese dieselbe wäre. Der König lächelte und half ihm bald aus dem Traum / erzehlete den gantzen Verlauff / und sagte: Nunmehr wolte er sie ihme zum andernmahl anvertrauet haben: Und weil sie ihn noch einmahl wegen des Verbrechens umb Verzeihung bathe / und von neuem zusagte ihm getreu zu verbleiben / gabe er seinen Willen darein; Bevorab weil er sahe / daß Gott sie sonderlich beym Leben erhalten / in dem er gäntzlich gemeynet / daß sie schon längsten todt wäre / liesse er sich es wol belieben / verzeiheten / einander von Hertzen / und wurde hierüber jederman erfreuet / der König und alle Anverwanten wünscheten Glück darzu / und würde alles Trauren in volle Freuden versetzet. Nach etlichen Tagen aber erfähret der Marquis / wie daß der Cavalier in einer Compagnie sich dessen berühmet /und des Marquis Höffligkeit vor eine Furchtsamkeit außgeleget / als welcher nicht einmahl sauer darüber gesehen: Der Marquis referiret solches dem König /bittet darneben umb Permission, diesen Cavalier durch ein offenel Cartel ausfodern zulassen: Auf Consentivung des Königes wird der Cavalier auf den Platz vor [200] dem Schloß in Gegenwarth der gantzen Hoffstatt gefodert / welcher auch alsobald erschienen /den der Marquis auff solche Art anredete: Ob er nicht wuste / wie höfflich er ihn tractiret / als er seine Furcht gesehen / und ob das die versprochene Parole wäre / daß er jetzt ihme vor sein Gutes so mit Bösem ablohnete: Wolan sagte er ferner / damit du sehen solst / daß ich dich nicht aus Furchtsamkeit sondern aus Höffligkeit habe loß gelässen / und damit ich dich zu einem Mißbraucher meiner Höffligkeit und zum öffentlichen Lügner machen wil / so wil ich doch noch aus Höffligkeit die Revange auf Cavaliers Manier an dir suchen / wie wol du es nicht meritirest; Hiermit grieffe er zum Degen / und rieffe ihm zu: Wehre dich so gut du kanst. Der Marquis aber wurde des Cavaliers Meister / lieffe ihm ein / nahm ihn den Degen / zerbrach die Kling zu Stücken / ließ ihn hernacher (weilen er keine Hand ferner an ihn legen wolte) durch etliche mit Prügeln darzu bestellete Diener dermassen Bastioniren / daß er in wenig Tagen hernacher seinen Geist must aufgeben.

99. Der angemaste Trauer
XCIX. Der angemaste Trauer.

Du dieser Damen schicket sich nachfolgende / von welcher Philander von Sittwald schreibet / daß sie sich über ihres Mannes Absterben nicht wolte trösten lassen. Als nun einer zu ihr kam / ihr Trost mit zu theilen / und eine andere Parthey für zuschlagen /sprach sie: Ey sagt mir davon bey leibe nichts / ich nehme mein Lebtage keinen Mann wieder / stellete sich als ob sie umb dessen Willen sehr unwillig were! Da nun die Trösterinne stillschwiegen / und hinweg wolten [201] gehen / sagte sie / ich wil darinne euren guten Raht nicht verachten / wen meinet ihr / was ists für einer? Und aber gedencket er einer andern / welche aus grossem Leid ihres verstorbenen Eh-Herrns / und vieler Treu / ihr bey des Mannes Grab ein eigen Häußlein bauen lassen / damit sie nur gnugsam weinen könte / bliebe also Tag und Nacht draussen beym Grab / es war niemand der sie trösten möchte / die Traurigkeit über die getrennete Lieb war mehr als hundeet Klafftern lang unermeßlich. Nun trug sichs zu / daß man einen Missethäter an den Galgen hing /ward auch einer desselbigen zu hüten geordnet / damit er nicht etwan von seinen Freunden herunter genommen wurde; Dieser Wächter / da er des Lichts gewahr ward / da das er traurige Weib saß / gieng er hin / zu vernehmen was da währe / und da er sie kläglich Weinen und Seufftzen sahe / ward er bewegt / dem Weibgen zu zu sprechen / sich auch nahe zu ihr zu setzen und zu trösten. Die Magd / welche ihr Gesellschafft leistete / redete auch dazu / dieß sey ein wackerer junger Gesell / sie solte sich doch nur erinnern lassen. Ja wol sprach sie / sagt nichts von jungen Gesellen / ich nehme mein Lebtag keinen Mann wieder / o wie könte ich das meinem tausend-Schatz zu leid thun / der hie begraben liegt? fiel indem auf das Grab so lang sie war / doch richtete sie ihr Magd und der Diebs-Wächter wieder auff; die Nacht verging allgemach / und der Tag begunte anzubrechen / welches den Wächter forttriebe / nach seinem Dieb zu sehen / aber was Raths da? der Dieb war abgenommen / unterdessen dieser das betrübte Weib getröstet / lauffet wieder zu dem Häußlein / rupffet die Haare aus dem Kopf / und gehabt sich sehr übel. Entweder er muste wieder einen todten Cörper an den Galgen hangen / oder selbst daran. Das Weib / so vorhin gar betrübt war / ward hie erst recht taurig / doch er [202] holet sie sich / auf Zusprechē der Magd / welche rieth / man solte den todten Mann aus dem Grab nehmen / und ihn an statt des gestohlenen an Galgen hencken / und sie wiederumb diesen Jungen heurahten / welches der Wächter und die Frau beydes zufrieden wahren; freueten sich des guten Rahts / gruben den Todten auf / und hingen ihn an den Galgen. Das mag wol ein falsches Thier gewesen sein! Die ihren Hertzlieben Mann an den Galgen hänckt / and alsbald wieder einen andern heurahtet.

100. Der listige Buhler
C. Der listige Buhler.

Bulfried Weyland Lombardischer König zu Pavia hatte eine überauß schöne Königl. Gemahlin / so gar /daß dieselbe von jederman der sie sahe / geliebet werden muste. Er hatte aber dabeneben unter andern seinen Dienern einen schlechten Bauren Sohn / jedoch von gutem Verstand / arthlichem Wesen / und der an äusserlicher Gestalt dem Könige selber meistentheils gleichete / weil dieser nun auff den Füssen sehr hurtig / und es ihm im Lauffen kein anderer gleich thäte /hatte ihn die Königin / wann sie spatzieren ritte /gerne neben sich / wodurch der Lacquey allgemach ein heimliches Liebes-Feuer gegen die schöne Königin in seinem Hertzen empfand. Er dürfte aber sich nicht unterstehen / desfalß mit ihr zu reden / dannenhero bedachte er sich lange Zeit / ob er dieser ungebührlichen Gluth wiederstreben möchte. Endlich / als er sahe / daß das Feuer immer zunahme / resolvirte er sich / bey der Königin zu schlaffen / und solte er auch des ärgsten Todes drüber gewärtig seyn. Er versteckte sich demnach heimlich hinter [203] die Tapeten des jenigen Saals / der zwischen des Königs und der Königin Schlaffgemach war / (dann der König schlieff nicht alle Nacht bey seiner Gemahlin) und sahe zu / wie der König angekleidet wäre / wann er zur Gemahlin gehen wolte. Der König kam bald darauf in einem langen Nachtmantel / hatte eine brennende Kertze in der einen / und ein Stöcklein in der ander Hand. Mit diesem klopffete er 2 mahl sachtmühtig an / und alsobald kam eine vom Schlaff noch nicht völlig erwachte alte Kammerfrau / machte die Thür auff / und nahm dem Königin die Kertze ab / welcher sich darauf zur Königin verfügte / und nach einer halben Stunde in demselben Habit wieder nach seinem Schlafgemach kehrete.

Der verliebte Lacqucy zeugete ihm alsobald einen solchen Nachtmantel / versteckete sich wieder an seinen vorigen Orth / und wie es ihn Zeit deuchte /schlug er Feuer / nahm die brennende Kertze in die Hand / und klopffete mit einem Stöcklein 2 mahl an. Darauff ihre vorbedeutete Kamerfrau die Thür eröffnete / und ihm die Kertze abnahm. Er warf den Mantel von sich / legte sich zur Königin / und erlangete den Zweck seiner Liebe / und ob er gleich kein Wort dabey redete / ward ihm solches nichtübel gedeutet /weil der König selber / wann er nicht recht auffgeräumt / nichts dabey redete.

Uber eine halbe Stunde / gieng er seines Wegs /und legte sich gantz unvermerckt in sein gewöhnliches Bette. Kaum aber war er in Sicherheit / als der König selber kam / die Zinse der Liebe von seiner Gemahlin abzufodern / welche sich dessen höchstens verwunderte / und deßwegen sagte / mein Herr König / wie sol ich das verstehen / daß ihr zum andernmahl in einer halben Stunde kommet? Ich [204] bitte euch / schonet, eures Leibes. Gleich wie nun der Königin von geschwinder Resolution war / also gedachte er wol / daß er betrogen wäre / wolte doch seine Gemahlin bey ihrer Einbildung lassen / und sagte: Mein Hertz / ich komme / so offt es mir beliebt / wofern ihr aber meinet / ich dörfte desfalß schwächer werden / wil ich wieder meines Weges gehen. Also gieng er in die Kammer / darin die Diener schlieffen / er tratt hinzu /und legte einem jeden die Hand auff die Brust / umb zu sehen / ob ihm auch das Hertz klopfete / dann er kunte leicht erachten / daß der Thäter noch nicht eingeschlaffen wäre. Endlich traff er den rechtschuldigen / der über den gantzen Leib zitterte / dannenhero er schon beweiß gnug hatte / jedoch wolt er in der Nacht keinen Tumult / noch diese Sache vor jederman offenbahr machen / dannenhero schnitte er dem schuldigen einen Zopf Haar ab / umb ihn dabey zu kennen / und gieng also davon. Am folgenden Morgen berieff er alle seine Diener / aber der Schuldige hatte in der Nacht allen seinen Kammeraden einen Zipfel Haar abgeschnitten / daß also der König nicht wissen kunte / wer der Thäter wäre / dannenhero sprach er also zu ihnen: Es hat mir diese Nacht einer unter euch einen schlechten Possen erwiesen / wer schuldig dran ist /der komme solcher gestalt nicht wieder / dann seinentwegen ist schon Anstalt gemacht / aber ist er klug / so wird er sich auch nicht selber verrahten / gehet hin im Frieden. Also blieb die Sache verborgen / und der Laquey hatte sein Ziel erreichet.

101. Die hintergangene Einfalt
[205] CI. Die hintergangene Einfalt.

In einer Nahmhaften wohlbekanten Stadt wohnete ein Tuchmacher / der eben nicht der Klügeste war / aber seine Jungefrau hatte nebst ihrer guten Gestalt auch etwas mehr Witz im Gehirn. gleich wie er alt / und ihr / wie sie es begehrte nicht gnugsam auffwarten kunte /noch wolte / als hielte sie es vor erlaubt / ihre Nahrung ausserhalb Hauses zu suchen / zu dem Ende bestellete sie durch ihre mithelffende Magd einen feinen starcken Jüngling / Nahmens Antoni / daß er in der folgenden Nacht zu ihr auff ihr Meyer Gut in dem ohnweit der Stadt belegenen Dorff käme / allwo sie ihm etwas zu sagen hätte. Die Magd / in Erwartung eines guten Trinckgelds / bestellte das Gewerb gebührlich / und also kam Antoni gegen die Tunckele zu der Frauen / mit dem sie / nach eingenommener delicaten Mahlzeit sich ergetzete / und ihn ersuchte / so offt zu ihr zu kommen / als ihm beliebte. Sintemahl sie den Sommer über meist in dem Dorffe sich auffhalten würde. Sie gab ihm aber ein Zeichen / nehmlich / er solle acht haben auff den todten Eselskopf /den sie auf einen hohen Pfahl in dem Wein-Garten beym Hause auffgerichtet hatte / stünde selbiger mit dem Maul nach der Stadt gekehret / so sey Sicherheit vor sie beyde. Wofern er aber nach dem Berge zielete / wäre ihr Mann kommen / solches unterhielten sie eine gute Weile / biß endlich / da sie eben bey einem schönen paar Kapaunen und etlichen Flaschen guten Weins ihre Abendmahlzeit halten wolten / der Mann drüber gar plötzlich anklopfete / ehe Antoni noch kommen war. Sie gab die Gerichte und den Wein alsobald der [206] Magd / selbige unter einen Pfirsichbaum in den Garten zu tragen / als worunter sie ihres Buhlen schon etliche mahle erwartet hatte. Darauff lässet sie den Mann ein / und setzet ihm etwas von kalten Speisen für / nach eingenommener Mahlzeit aber gehen sie mit einander schlaffen / und weil sie in der Confusion vergessen hatte / den Eselskopf umbzukehren /kamendlich Antoni und klopfete fein leise an der Haußthür an / die nicht weit von der Schlaffkammer war / der Tuchmacher hörete es / und stieß seine Frau an / welche sich stellet / als ob sie schlief / er aber weckete sie auf / weil das Klopffen nicht ablassen wolte / und sagte / es klopffet jemand an der Thür. Ach mein lieber Mann / sprach sie / liget nur fein still / es ist ein Gespenst / das mich schon etliche Nächte geängstiget hat / aber durch mein kräftiges Beschweren / habe ich es noch allemahl er vertrieben; So kanstu / war seine Gegenrede / die bösen Geister verbannen? Ja / antwortete sie / ich habe solches von einem Einsiedler gelernet / und wann ihr wollet / so stehet /mit mir auff / wir wollen diesen Geist schon wegtreiben. Also giengen sie mit einander zur Thüre / und sie sprach: Mann / reuffert euch / er thäte solches / und wie das geschehen / sprach sie: o du schändlicher Geist vor der Thüre Hasleban Tapsicon Rebarbosi Boruntaf ist Kisiotri: Weiche weg / und packe dich zu dem Pfirsichbaum in meinem Garten / da wirstu finden / was du suchest / mit uns hastu zu diesemmahl nichts zu thun: Man reuffert euch noch einmahl. Der Tuchmacher folgete ihr / und Antoni merckete schon /wie es stunde / gieng in den Garten / und fand / was man daselbst vor ihn hingelegt hatte / damit machte er sich wieder nach Hauß / und verzehrete es in freuden. Am folgenden Abend aber / als der Tuchmacher wieder nach der Stadt gekehret / preisete [207] er seine Frau bey jederman / welche inzwischen mit Antoni seiner Einfalt von Hertzen lachete.

102. Der arglistige Beutelschneider
CII. Der arglistige Beutelschneider.

Clario war von einem fürnehmen Geschlecht / und ließ sich in seiner Jugend sehr wohl an / als er aber 17 Jahr erreichet / fühlete er die stechende Pfeile der Liebe / und hielt sich deßhalben fleißig zu den Weibs-Persohnen / und war lustiger Natur / also daß er vieler schönen Töchter Gunst in der Stadt erlangete: Aber an statt / daß er sie wieder solt lieben / verachtet er sie / und warf seine Liebe auf die schöne Cloride / eine Edel Jungfer / welche doch seiner gar nichts achtete: und wie wohl er sie durch seine Freunde zu Ehren begehrete / war doch alles vergeblich.

Dieses veruhrsachte / daß er aus Unsinnigkeit / in welche er deßhalben gerieth / seine Freunde und Vaterland verließ / und gen Pariß zog.

Als aber das Geld verzehret war / begab er sich in der Beutelschneider Kunst. In dieser Diebs-Gesellschafft nahm er durch Hoffnung / zu besserm Glück /Ursach / sich zu bösen Dingen zubegeben: Er ging bey Tag und Nacht aus zustehlen / schnitt die Beutel ab / überdölpelte die Einfältigen / und betrog / die frisch zu Pariß ankamen: Die andere Filous oder Beutelschneider gebrauchten sich seiner / und setzten alle Vorschläge durch ihn ins Werck / weil er Hertzhafftig war / und ward also in kurzer Zeit für den besten Beutelschneider in Pariß gehalten. Unterdessen / als Cloride sich verheurahtete an einen von Adel aus [208] Champagne / der sich fleißig zu Hoff hielte (dann er hatte auch am Königlichen Hoff ein gewisses Ampt) und auff eine Zeit im Streit seinen Mitgesellen erstach ward er deßwegen hart verfolget / und gefangen get Pariß geführet.

Als nun Claride solches erfahren / machte er sich auf und zeucht gen Pariß / durch ihre Vorbitte / ihrem Ehe manne das Leben zu erhalten.

Als sie nun in Pariß auff und abgehet / ersiehet sie Clario in der Gassen S. Jacques / und erinnert sich der vorigen Lieb / so er zu ihr getragen. Sie aber nimbt nicht wahr / daß dieser Beutelschneider (welcher ihr von einer Gassen zur andern nachfolget / zusehen /wo sie hinginge / und warumb sie wäre gen Pariß kommen?) sie so wol ansiehet. Endlich aber / als sie nah zu S. Wes kompt / und mit einem Hoff-Procuratore redet wegen ihres gefangenen Ehemannes / gehet er auch herbey / und Laustert was sie mit einander reden / vernimbt auch / daß sie den folgenden Sambstag wieder nach Hause ziehen / und 500 Cronen holen solte / umb seinen Kopf zuretten. Als er nun solche Zeitung angehöret / setzt er ihm vor / er wolle sich an der Cloride / wegen des Schimpfe / rächen.

Er erwartet der angestellten Zeit / und zeucht hinweg den Sambstag / da sie auch auf sein soll / mit sei nen Gesellen nach Champagne / aber sie begehren ihr Vohrnehmen noch nicht ins Werck zu setzen / dann sie solte erst hinziehen / und Geld holen. Damit ihnen aber der Braten nicht entgehe / so läst Clario der Cloride nachfolgen durch seinen Gesellen / welcher ihr in Champagne nachzeucht / damit er möchte auskuntschafften / wann sie wieder nach Pariß werde ziehen.

Und als Clario die Zeit weiß / das Cloride soll wieder gen Pariß ziehen / machte er sich mit seinem Gesellen [209] auff / und dencket mit ihm auff allerley Mittel /wie er Cloride in sein Garn bringen möchte; und sagte zu seinem Gesellen / welcher sehr verschlagen war: Wann er diese Edelfrau kommen sehe / soll er ihr entgegen gegen / sie freundlich empfangen / und überreden / er sey ihr Vätter / und gehöre ihm das nechste Schloß zu. Dann er hoffe durch solche Wort werde er sie bewegen können / daß sie ihm in den Wald nachfolge / da er den würcklich sein Vornehmen an ihr vollbringen wolle.

Filander (dann also hiesse des Clario Gesell) folget diesem Vorschlag / gehet / als wolte er auff die Jagd gehen / auf dem Weg auf und abspatzieren / und als er Cloride ersiehet / gehet er ihr entgegē / empfänget sie als seine Baaß freundlich / und erzehlet ihr / daß er bey dem König habe Gnade vor ihren Ehe-Juncker erlanget / und man habe ihm gesagt: Ihr seyd heim gezogen / und wollet Geld holen / welches ihr dem Ankläger zu seiner Befriedigung geben sollet. Weil das Hauptstück numehr verrichtet / und ich euch eben zu rechter Zeit antreffe / solt ihr / wann es euch beliebet /in meinem Hause das ihr vor euch sehet / ein schlechtes Mittagmahl geniessen helffen.

Cloride verwundert sich sehr / daß sie von dem Filander so freundlich empfangen wird. Sie weiß zwar /daß in solcher Gegend ihres Ehemans Freund gewohnet / aber sie hatte den / der sie anredet / niemahl gesehen: Gleichwohl wird sie froh / da sie höret von ihrem Junckern erzehlen / daß er bey dem König solte Gnad erlanget haben / derhalben spricht sie also zu ihm:

Mein Herr / wiewohl ich noch niemahls das Glück und die Ehr gehabt / euch zusehen und zukennen / jedoch verursachet die Hoffnung / die ihr von der Gnad / so mein Ehemann soll erlanget haben / mir macht /daß ich tausendmahl / gesegne den Tag / da ich euch habe angetroffen. [210] Bitte aber / ihr wollet mich entschuldiget halten daß ich bey euch für dißmahl nicht bleiben kan. Doch verspreche ich / daß mein Edelmann und ich / wann wir wiederumb kehren werden /euch gewißlich besuchen wollen.

Meine liebe Baaß! sagt hierauff Filander / ich lasse es nicht zu / daß / wie ihr ohne das so nahe bey meinem Losament vorüber reyset / ihr mich nicht besuchen sollet. Weil ihr mir diesen Gefallen erzeiget /antwortet Cloride / kan ichs nicht wol abschlagen /wolte ohne das gern auch meine liebe Baaß eure Haußfrau besuchen / und kennen lernen. Auff diese Wort führet sie Filander strack zu dem Wald / darinnen Clario ihr wartete.

Diese Edel Frau hatte bey sich einen Laqueyen /derselbige merckte es / daß Filander seiner Frauen wolte ein Bubenstück beweisen. Derhalben sagt ers ihr / und bat sie / weil sie den vermeinten Vetter ihr Lebenlang nicht gesehen hätte / solte sie sich durch ihn von ihren Wege nicht abwenden lassen / aber sie vermeinet / ihr Vertrauen würde sie vor Unglück behüten. Gleichwol aber / da sie in den Wald gehen /kompt sie eine Furcht an: Dann sie merckte / daß sie Filander nicht stracks zum Schloß / welches er ihr im Anfang gewiesen / sondern das er sie je länger je mehr in den Finstern Wald führete: Doch hatte sie noch Hoffnung / weil Filander freundliche Gespräch mit ihr hatte.

Als sie nun mitten in den Wald seynd / kompt Clario / vermummet mit einem Degen in der Hand herfürgesprungen / und fordert mit Ungestümm Geld von ihnen: Der Laquey / welcher seiner Frauen Pferd bey dem Zügel führete / springt so bald darvon / und lässet seine Frau Cloride im Stich.

Filander nimbt sich nach an / als kenne er den Clario nicht / sagte zu Cloride / sie soll deswegen nicht furchtsam seyn; [211] Dann wann der nur allein sey / wolle er seiner bald mächtig werden / sie soll nur vom Pferd steigen / es an einen Baum binden / und sich hinter ihm halten / dardurch dann Cloride neue Hoffnung bekam / weil sie meinete / Filander wäre treu gegen ihr / und gedacht nicht daß das so angestellet sey.

Erstlich zwar sahen sich die zween Beutelschneider gar sauer an / und hatte das Ansehen als wann einer dem andern gar das Leben nehmen wolte: Aber der Streit währet nicht lang; Dann Filander stellete sich nur / als könne er sich nicht länger wieder den Clario währen: Endlich werffen sie diese Edel-Frau / nieder und binden sie an 4 Bäume / umb Unzucht mit ihr zu treiben.

Wie es nun der Cloride wehe thäte / nicht allein /daß sie sich auff des Filanders Wort verlassen / sondern daß sie sich solte schänden lassen; also thät ihr das noch viel weher / daß sie den / der mit solcher Unsinnigkeit Gelegenheit sie zu tödten suchete / nicht erkennen kunte. Aber da er seine Larven abgezogen /und sie ihn erkante / wurde sie darüber noch mehr bestürtzet; Dann sie sahe / daß des Clario vorige Liebe sich in Rach berkehret hatte. Bat derhalbē / daß sie möchte bey Leben und Ehren erhalten werden / und sagte: Ist es euch vielleicht umbs Geld zuthun? So gebe ichs euch hiermit so bald. Clario / der ihm diese Worte wenig ließ zu Hertzen gehen / antwortete: Weil du hiebe vor meinem Willen nicht hast genügen thun wollen / so muß es jetzo mit gewalt geschehen / auff diese Wort binden sie die Cloride an Händen und Füssen / thun ihr das Wischtuch in den Mund / damit sie nicht schreyen könne / und schicken sich / sie zu nohtzüchtigen. Dann Clario und Filander waren gar zu verhitzet auff dies Wildpret.

[212] Der Laqueye aber / welcher die Flucht genommen stund am Eingang des Waldes: Und als er drey Männer ersiehet / schreyet er denselbigen zu / sie solten ihm zu Hülff kommen: Als er nun seinen Herrn unvermuhtlich ersiehet / redet er ihn also an: Es seynd 2 Räuber über ihr / und wollen sie hinrichten. Hierauf ritten sie sporenstreich den Wald hinein / und kommen an den Orth. Und als Madicourt sein Eheweib /welcher die Haar den Kopff herab hingen / wie auch die Räuber so das Geld / daß sie der Cloride abgenommen / zehlten / ersiehet; ergrimmet er / und dieweil er sich wegen solcher ihm zu gefügten Schmach rächen wil / verfolget er Clario mit seinen Mitgesellen.

Cloride / welche über solche unversehene Hülf so bestürtzet / als erfreuet wurde / als sie ihres Junckern /wie auch der andern / so sie wieder auffgebunden /ansichtig wird / spricht sie: O der glückseeligen Stunde! Wann ihr nicht jetzo kommen wäret / hätten mich diese Räuber ermordet.

Die Wort der Cloride bewogen Madincourt so sehr / daß er Clario und seinem Gesellen also hart nach setzt / daß sie so bald auf der Wahlstatt das abgenommene Geld wieder geben müssen. Cloride fraget unterdessen ihrem Chemann / wie erledig worden.

Ich kan wol sagen / antwortete Madincourt / daß ich gar glücklich herauskommen bin: Dann umb den Mittag / da alle Gefangenen wieder in ihre Löcher sich machen / ließ ich mir den Bart abscheren / nahme einen andern Mantel / ein schändliches Kleid / einen garstigen Hut / und eine Fläsche in die Hand / als wäre ich außgeschickt / Wein zu holen / und bin also darvon kommen / daß es auch der Thorhüter keiner gewar worden / und zu allem Glück habe ich diese Herren angetroffen / welche unsern [213] Weg ziehen: Endlich hab ich auf dem Wege eurer Laqueyen ersehē /der hat mir und den beyden Herren umb Hülf zugeschryen / und an diesen Orth zu euch geführet. Hierauff wendet er sich zu Clario / und seinem Gesellen /prügelt sie / und führete sie gefangen zum Galgen: Würde aber / ich weiß nicht / durch was für hin Glück / aus dieser Gefahr wieder erlöset.

Dann als sie aus dem Wald gehen / ersiehet Madincourt 5 oder 6 Persohnen / wolgerüstet / geschwind zu ihm reiten: So bald fallen Mandincourt die Gedancken ein / es werde der oberste Blutrichter erfahren haben /daß er außgebrochen sey / und werde diese Reisige ihm nachgeschickt haben; Wender hierauff umb / läßt die 2 Gefangene fahren / setzet sein Weib hinter sich auf das Pferd / und gibt dem die Speren.

Als diese sehen / daß Madincourt die Flucht gibt /theilen sie sich in zween Hauffen / und setzen ihm starck nach / also daß / da sie noch auf ein 50 Schritt von einander seynd / Madincourt sein Weib muß vom Pferd auf die Erden nieder setzen / damit er desto besser entgehen möge / aber es war umbsonst: Dann er hatte mit schrecklichen Reutern zu thun / welche ihm so bald im Nahmen des Königs befohlen / er solte ihnen nachfolgen / und das Gewehr von sich geben. Madincourt erschrickt / über diese traurige Zeitung /und wil ihnen all seine 500 Kronen geben / damit er desto ehe möchte ledig werden: Aber sie wollen nicht / sie wüsten dann zuvor / warumb er solche Gefangene mit sich führe / und wer ihm solche Gewalt gegeben hätte / die Leut also gefangen zu nehmen.

Madincourt wuste nicht / was er antworten solte /dem Clario und Filander war auch nicht heimlich bey der Sache / dann zween aus den Reisigen waren bey Clario und Filander blieben / sie zu verwahren / unterdessen [214] / daß die andern viere dem Madincourt und seinen Gesellen nachfolgeten.

Endlich aber / führete der Capitain dieser Reisigen Madincourt in den Wald / ließ ihn biß auf das Hembd ausziehen / nahme seinem Weib alles / was sie hätte /und sich in ihren Krahin schickte: War aber noch froh / daß er mit dem Leben / solte darvon kommen: Und als er an den Ort kame / da Clario und Filander waren / thäten diese dem Capitain einen Fußfall / umb die vorige Freyheit wieder zu erlangen.

Der Capitain dieser Reisigen oder vielmehr Mörder befiehlet / man soll sie ledig machen / und reitet zurück zu Madincourt / und desselben Weibe / welche allein sitzen / und ihr Unglück beweinen; Und / stösset beyden den Degen durch den Leib / daß sie so bald todt dahin fallen / aber der Mörder welcher unter dem Schein ein Schützen solche schreckliche That an Madincourt begangen / ist der Carfour gewesen. Viertzehen Tage zuvor / ehe Clario dieses beginge /hat er ihm sechs Röck / wie des obersten Blutrichters Diener / pflegen zu tragen / machen lassen / dieselbigen ließ er seine Mitgesellen aulegen! zog durch alle Häuser der Bauern / unter dem Schein / als wann er einen Ubelthäter suchete / und stahl des Nachts / was er des Tages nicht hätte mitnehmen dürffen: Also daß das Glück dem Clario sonderlich wol wolte / daß Confour eben an den Orth kam / da er seiner am meisten bedürffte / und Carfour machte es für seine Mühe und Arbeit nach dem alten Sprichwort: Der die Wahl hat / kan allezeit das Beste daraus lesen: Dann von den 500 Cronen nahme er nicht mehr als 400 / und ließ Clario und Filander die übrige 100 Cronen /zogen also freudig gen Pariß. Doch weil Carfour so ungleich die Beute mit ihnen abgetheilet / nahme ihm Clario für / er wolte solches rächen / und solte [215] er auch darüber sein Leben einbüssen. Derhalben zeucht er in Champagne / da Carfour sich aufhielte / und machte in kurtzer Zeit so viel Kundschafft mit dem Carfour /daß derselbe ihn für seinen besten Gesellen hielte /führete ihn mit auff die Beute / entdecket ihm seine Anschläge / und erzeiget ihm alle Freundschafft. Aber Clario siehet unterdessen alles auß / wo Carfour sein Geld hinthäte.

Hierauf bricht Clario dem Carfour eine Lade auff /und nimbt ihm hundert Pistolen / welche Carfour den Abend zuvor in des Clario Gegenwarth hingeschlossen hatte / und machet sich darvon / aber Carfour schmeckete den Braten / als der viel verschlagener als Clario war / reitet ihme nach / erjagt ihn / und führet ihn zu einem Wald / bindet ihn an einen Baum / und wil seine Gesellen holen / daß sie auch an des Clario Exempel lernen / daß sich keiner an seinem Lehrmeister reiben soll. Als aber diese kommen / und wollen den Clario / welchen Carfour schon übel zerschlagen /vollends fertig machen und todt schlagen / kommen ein hauffen Reuter von Dision / und wollen Carfouri fangen.

Als Carfour siehet / daß ihm diese Reuter zu nahe auff den Halß kommen / gibt er seinem Pferd die Sporen so hart / daß er ihnen aus dem Gesicht kombt /zween aber von seiner Gesellschafft / welche wegen ihrer abgerittenen Pferde ihm nicht folgen kunten /musten zum Pfand bleiben / und zeigeten an den Orth / da Clario angebunden war / auch ihren Vorschlag /daß sie Clario todt zugeschlagen vorgenommen hatten / wann sie nicht darzu kommen wehren. Als nun dieses die Reuter höreten / kehreten sie umb / ritten in den Wald / funden ihn an den Baum angebunden /und wurde / wiewol er gantz blutig von Carfour geschlagen war / von den Reutern hinweg genommen /setzetē ihn sampt seinen zween andern [216] Gesellen hinter sich auf die Pferde / und führeten sie in die Stadt Dision / da dann nach außgestandener Folter / und darauf erfolgeten Bekäntnüß sie zum Rad verdammet wurden.

103. Der listige Mörder
CIII. Der listige Mörder.

Ohnerachtet die Mörder und Räuber wol wissen / was vor eine Straffe ihnen für behalten sey / kehrete sich doch ein Verruchter Bösewicht in Franckreich gar nichts hieran. Dieser / Nahmens Coufour / war eines Metzgers Sohn von Bontegey in Burgund. Sein Vater wolte ihn anfangs zum Ackerwerck anhalten: Aber wil er innerliche Bewegung spührete / welche ihn zu hohen Dingen antrieben / wolte ihm solches Bauren Wesen nicht schmecken / begabe sich darauf in das Kriegswesen / so / daß er in wenig Jahren / weil er sich tapffer im Kriege verhielte / für den Mannhafftesten Cavallier in Burgund gehalten wurde: Dann er konte sich in alle Ritterliche Ubungen so wol schicken / daß er daher bey vornehmen Herren sehr berühmt wurde.

Endlich aber / als er die beste Zeit seiner Jugend im Krieg zugebracht / bemüheten sich die Edelleut in solcher Gegend / daß ihm eine seine ehrliche Edel Jungfrau des Herrn de Pantel Tochter zur Ehe gegeben wurde.

Coufour hielte sich im Anfang gar bescheiden /wurde von Jedermann hochgehalten / erwarbe auch ein schönes Hauß / bey den Brüdern de Mailly / da er sich aufhielte. Bracht auch durch seine Freunde zuwegen / daß er an den [217] Hoff des Hertzogen aus Lothringen kame / und wurde ein Kriegsmann unter den Herrn von Rocheborn / welcher seiner Compagnie Lieutenant war. Von der Zeit fieng er an aus dem Geschirr zuschlagen: Er wuste alle Gelegenheit / einem den Seckel mit dem Geld zu erhaschen. Und wuste sein Persohn so wol zu spielen / daß unmöglich ihm beyzukommen war.

Dieses kam dem Herrn von Rocheborn zu Ohren /und weil er sich fürchtete / es möchte ihm dergleichen auch wiederfahren / ließ er ihn zu sich forden / nachdem er ihm sein böses Verhalten ernstlich verwiesen /auch vermahnet / hinführo besser zu leben / gibt er ihm seinen Abschied; Als Coufour siehet / daß er so schlecht abgefertiget wird / schmertzet es ihm sehr /und wird so rasend darüber / daß er zwölff leichtfertige Gesellen an sich hänget / und streiffet in Lohtringen hin und wieder / biß an die Franckfurter Pforten.

Unter andern wird von ihm erzehlet / daß / als er auf eine Zeit einen Kauffmann von Pariß auff einen Marckt kommend angetroffen / er umbgekehret und sagte vier seiner Gesellen / sie sollen auf die Lothringische Gräntze in einen Wald sich begeben / und aufwarten: Er aber komt zu einem alten Einsiedler / der in solchem Wald wohnt / und bittet / er wolle ihm seiner Röcke einen leyhen! Der Eindsiedler beschwert sich zwar: Endlich aber / als ihn Carfour überredet /er wolte ihn zu nichts Böses brauchen / leyhet er ihm den Rock.

Hierauf verfügt er sich zu seinen Gesellen / kleidet sich wie ein Einsiedler / befiehlet ihnen / sie sollen an solchem Ort bleiben. Und dieweil er beyläufftig die Zeit wuste / da der Kauffmann solte vorüber reiten /machte er sich an den Weg. Der Kauffmann fraget /wohin er wolle / [218] dann er meinte / es wäre ein einfältiger Einsiedler: Coufour sagt / er komme aus der Stadt / und habe ein Artzt gesucht / der solle kommen zu seinem Mitgesellen / der hundert und funffzehen Jahr alt / jetzt in Todes nöhten liege.

Der Kauffman fraget / wie das zugangen / daß der Einsiedler / der nur von Gemüsen / Wurtzeln und Kräutern gelebet / zu einem so hohen Alter kommen: Coufour schneid wacker auf / daß daher der Kauffmann ein Verlanlangen bekommet / den Einsiedler zu sehen.

Coufour ist froh / daß ihm sein Poß angangen / bittet den Kaufmann / er wolle den alten Einsiedler besuchen / bevorab / weil seine Clauß über 50 Schritt nicht von dem Weg abgelegen: Der Kauffmann folget: Als er dreyßig Schrit in den finstern Wald kombt /wird er von 5 Freybeutern umbgeben / welche mit blossen Degen und Röhren auf ihn zugehen / sagend /Geld oder Blut: Der Kauffmann hierüber bestürtzt /wil sich hinter den vermeinten Einsiedler verbergen /fraget ihn / wo der Weg nach der Clausen sey / dann er nicht glaubt / daß es von dem / der ihn führete /also angestellet wäre. Als Coufour siehet / daß der Kaufmann weit genug von dem Weg / greifft er ihm selbsten nach dem Kopf / wirfft ihn von seinem Pferd / und schweret / wann er nicht den Seckel mit allem Geld gebe / so müst er sterben. Der Kaufman hatte nicht mehr als 100 Cronen bey sich / doch ehe er von dem Marckt gezogen / hatte er bekommen einen Wechsel-Brieff / und solte das Geld zu Pariß empfangen; Coufour siehet / daß ihn seine Hoffnung betrogen / wird darüber so rasend / daß er den Kauffmann todtschlägt: Läst hernach durch einen seiner Gesellen den Rock den Einsiedler wieder einlieffern / und nachdem er das Pferd deß Kauffmans zu Nancy verkauft / verfügt er sich gen Pariß.

[219] Als aber Coufour zu Pariß den Wechselbrieff ihm wil bezahlen lassen / wirfft man einen Argwohn auf ihn / daß er ein Strassenräuber sein müsse: Man fraget ihn / wie er diesen Brieff bekommen / als man siehet / daß er in seinen Reden unbeständig / nimbt man ihn gefangen / der Obrigkeit zu lieffern.

Als Coufour siehet / daß er also verschlossen / wachet ihm sein Gewissen auff / und prediget ihm / daß wann er einmahl in der Obrigkeit Hände komme /werde ihm ein solch Urtheil gesprochen werden / daß er darüber den Kopff werde einbüssen / nimbt ihm vor lieber zum Fenster hinaus zuspringen / und solte er auch den Halß abstürtzen / als des Morgenden Tages erwarten: Zerschneidet darauf in lange Bände /Mantel und Hosen / knüpffet ein Stück an das andere / bindet sich an das Fenster / läst sich in Schlaffhofen hinab / und errettet sein Leben.

Coufour begiebt sich darauff nach Hauß / fänget an sich wie einer vom Adel zu halten / thut ein Larven vor / reitet auff die Beute / und bringet seinem Weib köstliche Sachen heim.

Als nun Krieg im Lande Nivernois war / sahe Coufour / daß solches Gelegenheit für ihn / sein Rauben fort zu setzen / macht daher ihm einē Anhang von Henckermäßigen Gesellen in Hoffnung / ein vornehmes Ampt zu erlangen / begiebet sich zu der Fürstin von Nivernois / und erlanget 400 Pistoletten / eine Compagnie Carabiner zu werben / welche er auch zusammen brachte. Als er aber wolte auff das Schloß Sansoy gehen / eine Befatzung dahin zulegen / befahl ihm Herr de Collange / welcher in Nivernois / General-Lieutenant war / er solte sich mit seiner Compagnie nach Nevers begeben.

[220] Coufour wird ungehalten / daß er soll abziehen: Derhalben fängt er an durch das Land zu streiffen /bedränget das arme Bauersvolck / und ward also mit des andern Schaden sehr reich.

104. Der rechtfertige Mörder Lohn
CIV. Der rechtfertige Mörder Lohn.

So lang der Krieg in Nivernois / wie auch in Champagne währete / wurde das Land mit brennen und Mordē erfüllet. Die Fürstin von Nivernois / als sie sahe / daß sie von des Konigs Volck / welches der Marschall Herr von Montigny führete / umbgeben / schickte sie den Marggraffen von Galterande in Champagne zu dem Fürsten von Nevers / anzuzeigen / was bey ihnen vorgienge.

Dieser Marggraff aber fürchtete / er möchte seinen Feinden unter die Hände kommen / weil er durch Auxerrois durchziehen muste / liesse sich den Capitain Coufour mit dreyßig seiner Soldaten begleiten / und dachte / weil er solches Geleit bey sich hatte / wurde ihm destoweniger Ungelegenheit begegnen. Als Coufour ungefehr zwo Meilen mit ihm gegangen / greifft er dem Marggraffen nach dem Kopff / sagt / weil er des Konigs Diener sey / so wolle er ihn hiemit für seinen Gefangenen annehmen / und unfehlbahr demselben überlieffern.

Wie / sagt der Marggraff / wilt du so mit mir umbegehen? Ich schwer / antwortet Coufour / daß ihr entweder mit mir müsset kommen / oder ich schlage euch hie todt / und also führete dieser den Marggraffen in sein Hauß de Mailly / und verwahrete ihn.

Als der Herr von Collange / und der gantze Land-Adel solches erfuhre / nahmen sie auff die hundert Reisige [221] zu sich / kamen für des Coufour Schlosse /dasselbige mit Gewalt einzunehmen den Marggraffen wieder zu entledigen: Coufour liesse sich oben auff der Maner sehen / sagend / wann sie die geringste Gewalt anlegten wolte er / den sie begehrten / todt über die Mauer in die Wassergräben werffen: Welches sie bewoge / daß sie einen Accord traffen / und eine grosse Summe Geld ihm versprechen mussen: Hielt auch den Marggraffen so lang / biß er das Geld empfangen. Gleichwol hat er hernach solchen Meineyd wol bezahlen müssen: Dann der Marggraff ließ ihn peinlich anklagen / und zu Ville neufe / zum Strang verdammen. Als aber der Friede wieder beschlossen / wurde Coufour übel damit zufrieden: Sich wieder nach Hauß begeben / wolte sich nicht schicken / dann er muste sich besorgen / der Marggraff würde den Schimpff an ihm rächen / und das wieder ihn außgesprochene Urtheil vollstrecken: Weil er nun gewohnet / von Diebstahl und Raub zu leben / bringt er zusammen einen hauffen verzweiffelter Buben / und streifft durch das gantze Land.

Auff eine Zeit traff Coufour einen vom Adel an /welcher aus der Provintz Auxerrois war / und in schweren Gedancken ging: Als ihn Coufour fragte /wohin er wolte / antwortet er / zu allen Teuffeln: Wie sagt Coufour / zu allen Teuffeln / die Teuffel seynd ja in der Höllen; Warlich / sagt der vom Adel / ich kan das wol sagen / daß die Teuffel eben so wol auff Erden als in der Hölen seyn / dann ich hab nun in die vier Jahr eine Rechtfertigung führen müssen / die mich so viel gekostet / daß ich bald alles eingebüsset: Hab derhalben keine Ruhe in meinem Hertzen / und lebe in stätiger Traurigkeit.

Coufour tröstet ihn / erkläret sich auch / wann er ihm mit etwas dienen könte / so solte er an ihme einen solchen [222] Mann finden / welcher viel williger sey zu dienen / als er möchte seyn / ihn umb etwas anzusprechen. Der vom Adel dancket ihm wegen seines guten Erbietens / und bittet / er wolle ihm zwey hundert Cronen lehnen / mit Verheissung / ihm solch Geld in Monathszeit wieder zugeben. Coufour leyhet ihm das Geld / der vom Adel / welcher sein Persohn auch wol spielen kunte / nimbt das Geld / gehet nach Auxerre /und macht sich auff Coufour Seckel lustig. Darnach gehet er zu dem Marggraffen von Gallerande / erzehlet ihm den vorgangenē Streich / zeiget auch an /wann er ihm nur hundert Soldaten zu gebe / wolte er den Coufour lieffern.

Der Marggraff läst ihm den Anschlag gefallen /nimbt ihm vor / selber dabey zu seyn: Und nachdem er einige seiner besten Freunde zu sich kommen lassen / machen sie sich zu dem Orth / da sie verhofften den Räuber anzutreffen: Aber mit ihrem grossen Schimpff und Schaden. Dann Coufour / hatte ihren Anschlag erfahren / ließ sein Anhang zusammen kommen / und lautet auff sie an einem Waldchen / da es /als sie einander antraffen an einen Scharmützeln gienge / und wurden etliche sehr verwundet. Confour gieng auff eine Zeit in des Edelmans Hauß / ermordete / etliche Bauren / welche ihn nicht hinein lassen wolten / nahm mit sich statliche Tapezerey / 400 Cronen werth.

Auff ein andere Zeit in Burgund / traffe er einen vornehmen Herrn an / und als er selbigem den Beutel abforderte / meinet er / er spottete seiner / da ihm aber so hart zugesetzet wurde / versprache er ihm etliche Renten / so er zu Pariß stehen hätte / welches Coufour annahme: Als aber der Herr gen Pariß zoge sich bey dem Könige deshalben zu beklagen / erfuhr es Coufour / zoge ihm nach / und als er ihn in einer engen Gassen antraffe / richtete er ihn so zu / daß er bald darauff sterben muste.

[223] Als er dieses lauch begangen / entwicheler nach Poictou / damit er allda unverhindert rauben könte. Und als er einen jungen reisenden Menschen / der ihm begegnet / gefraget / wo er hin wolte / fiel er über ihn / und besuchte ihn: Weil er gar kein Geld bey ihm fande / erkante er / daß es ein junger Mensch der sein Glück zu suchen außziehen wolte: Derhalben zohe er ihn auff die Seiten / und sagt / wann er Lust hätte mit ihm sich zu nähren / wolte er ihn in seine Gesellschafft nehmen / und alles Glücks / das sie halben /theilhafftig machen.

Diese Verheissung würckte so viel bey ihm daß er solches vornahme. Hierauff wird dieser junge Gesell in die Diebs-Zunfft eingeschrieben / und als Coufour siehet / daß sein Hertz zu allem Bösen geneigt / gibt er ihm Brodt zu essen / so in des ersten Kauffmans Blut / welchen er erschlagen / geduncket war. Von der Zeit ward er der Unbarmherzigste unter dem Hauffen /wolte man einen angreiffen / so war er als einer / der das Mord-Handwerck am besten verstunde / mit forne an.

Als aber dieser etliche Monath mit solchem Handwerck zu gebracht / erkante er das verdammliche Leben / darin er sich muthwillig gestürtzet / und weil sein Gewissen ihm nicht Ruh liesse / nahme er ihm vor / heimlich sich wieder aus solchem bösen Leben zu begeben / war auch nicht mehr so begierig auff die Beut / wie zuvor. Courfour warf deßwegen einen Argwohn auff ihn / gab ihm Achtung auff die Garn / und als er auff ein Zeit ihn nicht unter der Diebszunfft funde / gieng er ihm nach / schlug ihn todt nahme sein Pferd / Kleider / und was er bey ihm fand: Kam darnach zu seinen Gesellen / schwur ihnen / daß der erste / der von ihm und seiner Gesellschafft ohn Erlaubniß abstehen würde / solte darüber seinen Halß einbüssen.

[224] Von dannen begab er sich auff Pariß / streiffte daherumb. Als auf eine Zeit der Blutrichter vernommen / daß er sich in dem Wald bey Fontainebleau aufhielte / und darauff ihn auch suchte / hat Coufour sich als ein Einsiedler verkleidet / und ist ihm auff der Landstrassen entgegen gangen. Als die Soldaten ihn fragten / ob er nicht Coufour hätte hören sagen / erzehlet er ihnen / wie er so ein gar böser Bub und Räuber wäre / und bald selber in seiner Clausen nicht vor ihm sicher wäre / dieweil er manchmals bey ihm über Nacht läge: Sagte auch / daß eben solche Stunde er ohn allen Zweiffel in seiner Clausen wäre / und wann sie ihm wolten folgen / wolte er sie dahin führen. Was geschicht / der Blutrichter / meynet dem allem sey also / folget mit seinen Dienern diesem vermeinten Einsiedler: Als sie aber 200 Schritt ungefehr in den dicken Wald kommen / werden sie von viertzig Räubern umbgeben / welche mit aller Macht auf sie zuhauen / stechen und schiessen / verlassen auch so bald ihr Nest / und begeben sich an einen andern Orth /daß man sie destoweniger antreffen möchte / weil sie nimmer ohne das zweymahl an einem Orth über Nacht blieben.

Unterdessen redete man in Pariß von dem Morden /und Rauben des Coufour: Dann da war kein Beutelschneider in Pariß / der nicht unter des Coufour Regiement gehörete: Dann er gabe ihnen Gesetz und Ordnung / er herschete über sie alle; Gleichwol kam er nimmer in Pariß / er hatte sich dann verstellet.

Einsmals kam dieser Ertzräuber zu einer Edelfrauen / so umb Corbeil wohnete / sprache sie an umb ein Summen Gelds / und gab ihr zu verstehn / daß ihn die grosse Noht darzu triebe / versprach ihr auch solches innerhalb viertzehen Tagen wieder zu geben. Wiewol dieses der Edelfrau anfangs gar frembd für kame / jedoch wie sie [225] endlich erkante / wer er wäre /und sie befürchten muste / er wurde ihr mehr Schaden / als alle ihre Feinde zu fürgen / wann sie ihn nicht etlichermassen seiner Bitt gewehren würde / gab sie ihm 50 Cronen / welche er ihr ach zu der bestimmten Zeit / in eben solchen Sorten und Müntze / wieder zustellete.

Unterdessen gieng der Krieg an mit den Aufrühren in Franckreich / und weil Coufour wuste / das kein besser Gelegenheit für ihn wäre / als in solchem trüben Wasser zu fischen / begab er sich wiederumb in den Krieg / unter den Connestable: Aber von Tag zu Tag wurde vor Herrn de Luyne geklaget / daß er unter seinem Regiment den Obersten der Räuber haben solte. Aber der Herr von Luyne wolt ihn nicht außmustern / wegen seines großē Gemüths / verhoffte auch /er würde mit der Zeit von seinem bösen Leben abstehen / darinnen er aber sehr betrogen wurde: Dann nachdem er etliche vornehme Herren von Hoff aufgeopffert / machte er sich aus dem Staub.

Endlich begiebt er sich mit einem Soldaten / la Rache genant / in Languedoc / da er dann so viel Raub und Mord begienge / daß er gezwungen war /über das Gebirge in Savoyen zu ziehen / ward aber wunderlich gefangen: Gleich wie er von vielen Leuten / welche er beraubet / war beschrieben und kundbahr gemacht worden / also begab es sich / da ein vornehmer Rahts Herr von Chambery / seiner ansichtig wurde / und sein Thun und Lassen gnugsam außgekundschafft hatte / fält es ihm ein / daß er der Coufour seyn muste / von welchem man so viel in Franckreich sagte / und als Coufour in dem Saal dieses Herrn mit einem Edelmann auff und abspatzierte / nimbt gedachter Herr etliche Diener zu sich / läst ihm nach den Kopff greiffen / und gefänglich einziehen.

[226] Das Parlament zu Dion erfuhre diesen glücklichen Fang / schriebe an den Rahts Herrn / daß er ihnen solchen Ubelthäter wolle überschicken: Welches auch geschahe / und nach dem man ihn nicht allein peinlich anklagtē / sondern auch also fragen liesse daß er darauf alle Diebstall / Mord und Rauberey / an vielen begangen / bekante / wurde ihm das Urtheil gesprochen / daß er sambt seinem Knecht lebendig solte geradbrechet werden / welches Urtheil Anno 1621. den 12 Octobris / durch den Hencker an ihm vollstrecket worden.

105. Der unglückliche Spieler
CV. Der unglückliche Spieler.

Zu den listigen Ränck-machern gehören auch fürnehmlich gezehlet zu werden / die in Franckreich /und den Niederlanden befindliche falsche Kartenspieler / vor denen sich ein Frembder gar wohl für zu sehen hat / allermassen aus diesen wenigen Stücklein / die ich ietzo einführen wil / ihre Behändigkeit / die Leute zu betriegen / grossen theils erhellen wird.

Vor wenig Jahren begab sichs / daß eine Persohn für ihren Herrn nach Gröningen / Embden / und so weiter mit Schuldrechnung außgesand war / umb Geld einzufodern / welches er auch empfieng. In seiner Rückreise kombt er mit Gelde ziemlich beladen zum Gröningschen Schiffer / mit demselben nach Amsterdam zu fahren / bedinget die Cajute und Versicherung wegen seiner Persohn und Geldes / welches er auch alles erlangete; Unterdessen waren daselbst zween falsche Spieler / die diese Person außkundschafften / wo er mit seinem Gelde würde hinkommen / und [227] da sie sahen / daß er mit seinem Gelde zu Schiffe gieng /wolten sie auch mitfahren / und ersuchten den Schiffer / daß sie möchten in der Cajute sitzen. Der Schiffer antwortete / die Cajute ist versagt / wil aber dieser Monsieur euch bey sich nehmen / das stehet in seinem belieben / ihr könnet ihn darumb ansprechen. Sie giengen zu ihm hin / und wünschten ihm einen guten Tag und sagten / mein Herr / muß er nach Amsterdam? Ja sagte der ander / ist mein Herr in der Cajute? fragten sie weiter / Ja antworte er / die hab ich bedinget. Wol / sagten sie / so darinne niemand mehr ist /als mein Herr / so ist die Cajute groß genug / daß wir zur Gesellschafft mit darinne seyn können. Der andere / sein Geld zu bewahren / daß er seines Herrn halben bey sich hatte / wegerte sich solches. Das war zwar etwas / sie wusten ihn aber dermassen zu bereden /daß sie mit in die Cajute kahmen. Wie sie nun darinne waren und also fuhren / solte man umb die Zeit zu vertreiben / ein Kartenspielgen vor die Hand nehmen. Man gerieth diesem nach an das Spielen / der Amsterdammer gewan zuweilen ein pahr Spiele / welches ihn dermassen anreitzete / daß die andern gleichsam beleidigt und erzürnet zu seyn schlenen / Revange wegen ihres Verlustes zu holen / welches sie mit solcher List thaten / daß der unschuldige Amsterdammer / ehe zwo Stunde verlauffen waren / zwey Säcklein mit Ducatons verspielete. Als sie nun fortfuhren /kamen sie an den Orth / da man gemeiniglich mit dem Schiffe anleget / also daß diese falsche Spieler sich in der stille wegzumachen suchten. Der Amsterdammer /der von seines Herrn Geld so viel verspielet hatte /war in grossen Aengsten / und wuste nicht / wie er es anstellen solte; [228] Zween Säckel mit Ducatonnen weniger nach Hause zu bringen als er empfangen / könte die Rechnung nicht außmachen / wol davon zu kommen. Sagte derowegen zu dem Schiffer / was sind das für Leute / wie / sagte der Schiffer ihr sie nicht? Der Monsieur sagte / was kennen? ich kenne sie nicht. Wir haben aber im fahren die Zeit zu vertreiben /etwas gespielet / und ich bin ein ziemliches Geld darüber loß worden / ich weiß nicht / wie ich das anstellen soll? Loß worden? sagte der Schiffer / das sind falsche Spieler / die müssen es euch wieder geben /oder wir wollen sie etwas abdreschen. Dieses ward rüchtbar / man sprach sie an und sagte / daß sie das Geld wieder geben müsten / welches sie dem Monsieur mit Falschheit abgenommen hatten. Sie antworteten darauff: sie hätten es ehrlich gewonnen / ihr? ehrlich gewonnen / sagt der Schiffer / ihr seyd Schelme und falsche Spieler / alsbald / gebt diesem Monsieur sein Geld wieder; sie sagten wiederumb / daß sie das Geld ehrlich gewonnen hatten / und wolten es nicht wieder geben. Also gerieth der Schiffer mit seinem Knecht ihnen über den Leib / und schlugen diese zween falschen Spieler so elendiglich ab / daß sie braun und blau aus ihren Händen kamen / und der Amsterdammer bekam sein Geld biß auf den geringststen Pfennig wieder. Welcher denn zur Danckbarkeit dem Schiffer und seinen Mithelffern eine gute Collation spendirte / und mit einander einen fröchen Abend machten.

106. Der betrogene Spieler
CVI. Der betrogene Spieler.

So hat sichs auch unlängst zu getragen / daß drey Personen / so in den Haag kommen waren / 2 oder 3 Tage sich daselbst aufzuhalten / aussen [229] vor dem Haag spatzieren giengen / sich etwas zu erlustiren. Da geschah es / daß sie drey Personen ansprachen / die prächtig gekleidet waren; Die sagten / meine Herren /es ist allhier sehr ergötzlich und lustig / spatziren zu gehen; Das ist so / sagten sie; Da sagten die andern /es ist itzo viel Volcks hier auffen / weil ein Bähren-Gefechte sol gehalten werden. Wie / sagten die andern / sol hier ein Bähren-Gefechte seyn? Ja sagten sie /beliebt euch solches zu sehen / wir gehen auch darnach hin. Also giengen die Schaaffe mit den Füchsen /dieses Turnierspiel zu sehen. Als sie dahin kamen /war es noch allzu früh / daß das Gefechte geschehen solte / da sagten die falschen Spieler: Meine Herrn /last uns hier ein wenig in die Herberge gehen / und so lange dar verziehen / biß das Spiel angehet. Wie man dahin kommen / ward gesagt / zu Verkürtzung der Zeit ein wenig in der Karten zu spielen / die kombt vor den Tag / man spielt ein Spiel drey oder vier / die Frembden gewonnen allemahl / da schien es / daß die andern / nehmlich die falschen Spieler / begunten böse zu werden / daß sie mit so schöner Karten allezeit verlohren; Diese Spiele waren jedesmahl der Satz einem Ortsthaler. Nun sagten sie daß sie wegen ihres Verlustes Revange suchen wolten / zogen auß ihren Schiebsäcken eine Handvoll Gold / und gaben vor / das were Gold / das sie geerbet hätten / welches sie zur Revange wagen wolten. Die andern hingegen erschracken / daß so viel Geld herfür kam / da sie zuvor nur umb so wenig gespielet hatten / und sagten / Messieurs / das ist zu hoch; Mitlerweile wird man eins / daß man umb zehen Ducaten spielen wolte; Die Karte ward gemenget und gegeben / ein jedweder meinte schön Spiel zu haben; aber endlich sahe man /daß die unschuldigen das Gelach bezahlen musten. Die falchen Spieler strichen das Geld / die andern aber sahen [230] auß / als wenn sie sauern Wein getruncken hätten. Waren sie nicht wohl für ihre drey gewonnene Spiele dran gewesen? Darmit giengen sie / ohne das Bähren-Gefechte zu sehen / wieder nach dein Haage zu.

107. Der hintergangene Bauer
CVII. Der hintergangene Bauer.

Einsmahls gieng ein Bauer über die neue Brücke zu Amsterdamm / und trug unter seinem Arm einen Sack mit Bettlacken / umb solche zu verkauffen. Wie er nun über die Brücke gehet / kombt eine Person / und Spricht ihn an / fragend; Mein Freund / wo gehet die Reise nach zu? nirgends hin / sagte der Bauer / ich wolte diese Lacken gerne verkauffen / ich komme itzund von einem Orth her / da sie mir sehr wenig nach meiner Meynung darauff biethen / ich muß sehen /daß ich etwas mehr darfür kan bekommen; Was /sagte der ander / seyd ihr ein Narr / ich weiß einen Schiffer / der ein Genuesfahrer ist / der itzo überal Latens auffkauft / die er nur bekommen kan / da solt ihr noch wol einmahl so viel Geld dafür kriegen. Das wil ich wol thun / sagte der Bauer / wo wohnt der Schiffer? Hier nahe bey / sagte der ander. Der Bauer gieng mit diesem Vögel fort / und nicht weit von dannen giengen sie mit einander in eine Herberge; Wie der Bauer hinein kam / fragte er / wo der Schiffer were? Es ward geantwortet / er ist eben itzo außgangen / er wird aber alsbald wieder hier seyn. Man forderte ein Glaß-Bier / und wie sie ein wenig gesessen hatten /kam eine Person in das Gemach / da der Bauer mit seinem Meckeler zu den Laken saß / der ihm dem Kauffmann anweisen solte. Nun die Person so hinein[231] kam / sagte zu ihnen / meine Herren mache ich euch auch einige Verhinderung? Nein / sagte der ander /ich warte nur nach den Schiffer der nach Genua fähret / ich wolte sehen / daß ich vor diesen Freund 30 Bettlaken ihm verkauffen könte. Wol / ist es anders nicht /so hoffe ich euch daran nicht verhinderlich zu seyn. Dieser Letzte ließ ihm auch ein Glaß-Bier reichen /und wie sie so da sassen / und der Haußmann auf den Schiffer wartete / redete man bald von diesem bald von jenem. Endlich komt es auff eine Karte auß / die ward vor den Tag gebracht / und diese zween beginnen mit einander zu spielen. Sie spielten ein Spiel oder zwey / da sagte der eine / so den Bauer hinein geführet hatte / zu ihm / was düncket euch / soltet ihr es mit mir wol halten wollen? mich düncket / daß ich schon Spiel habe: Ich kan nicht spielen / sagte der Bauer / was solt ich dann davon urtheilen? zudem hab ich auch kein Geld. Der es nun mit dem Bauer halten wolte / gewan wol vier oder fünff Spiele nach einander / stieß den Bauer an / und sagte heimlich zu ihm /sehet ihr wol / da hättet ihr bereits so viel gewonnen: Endlich der Bauer wolte es einmahl mit seinem sich also stellenden Freund halten / und setzte ein Bettlaken gegen einen Reichsthaler auff / er gewan daß Spiel / das machte ihm einen Muth. Der Bauer gedachte Geld zu gewinnen / und hielt weiter mit dem Spielen an: Dieses gieng also ein mahl drey oder vier fort / eins umbs ander an; Endlich verlohr der Bauer alle seine Bettlaken / ehe er den Schiffer gesehen / der dieselben von ihm kauffen solte; Auff diese Weise hatte der Bauer seine Bettlaken sonder Geld verkaufft.

108. Der geteuschete Westphälinger
[232] CVIII. Der geteuschete Westphälinger.

Nicht weniger hat nachfolgende Person gar wenig Geld vor fein Leinwant empfangen: Nehmlich: Es kam ein Westphälinger Leinwandskramer mit einem stücklein Leinwand zu Amsterdamm vor den Häusern gehen / und fragte / wie diese Leute gewöhnlich thun /ob man auch ein stücklein Leinwand / das sehr schön sey / zu kauffen beliebte / er wolte es guten kauff /und umb halb Geld geben. Worauf denn viel Leute sagten / wir haben jetzo nichts nöthig / wir spinnen hier selber. Nun auff unsere Geschichte zu kommen /so kam dieser Kramer mit seinem stücklein Leinwand unter seinem Arm / vor eine Herberge / da er nach seiner Gewonheit mit diesen Worten ansprach / beliebt euch ein stücklein Leinwand? Darauf die Leute mit Nein antworteten. Aber darinnen sassen in einem Gemach etliche Leute / die es höreten / die sagten / lässet den Mali mit seiner Leinwand herein kommen / wir wollen es wo besehen. Der Leinwandskramer komt in das Gemach / da zween Messieurs sassen / welche in der Karten spielten / die sprachen zu ihm Freund /was habt ihr zu kauffe; er antwortete / meine Herren /ich habe ein Stücklein Leinwand zu verkauffen / das sehr schön ist / und gutes kauffs / darauff sagten sie /so muß es auch seyn / sonsten würde es uns nicht die nen. Ja sagte der Kramer / halb umb sonst: Das ist brave / sprachen sie / gut Kauff dienet uns. Also bin ich es auch willens zu verkauffen / antwortete der Kramer / und kam also mit reden bey den Gästen nieder zusitzen. Der eine / neben dem der Kramer saß /gewan allemahl das Spiel / das der Kramer gewaltig gern sahe / welches diese Gäste bald vermerckt[233] merckten: Worauff der eine / neben dem er saß / ihn allemahl anstieß und sagte / wolt ihr es mit halten /ich muß diesen jungen Lappen etwas beschneiden. Der Kramer der nicht wol dürffte / oder muste gewiß wissen daß er gewinnen solte / sahe immer / daß die Persohn / so ihn anstieß alle Spiel gewan / begunte ein wenig Lust zu kriegen / und hielt es ein mahl mit der Persohn / so neben ihm saß und gewan. Welches dem Leinwands Kramer so einen Muth machte / daß er nimmermehr es mit seinem Cameraden halten wolte: Der ander / welcher allemahl dem Ansehen nach verlohr / sagte / wie zum Teuffel bin ich so unglücklich / daß ich hier alle mein Geld verliere. Indem diese also fort spieleten / schien es / als wenn der / so es mit dem Kramer hielt / sehr gut Spiel hatte / und der andere gleichfals sprach auch / ich spiele / so daß derjenige / sol es wieder den Leinwand-Kramer und seinen Mitbruder hielte / sagte / das Spiel halte ich auf 25 Ducaten; und ich sagte der ander bin zu frieden / und stieß den Bauer an / was wollen wir thun / es scheinet daß der Kerl seines Geldes müde ist; denn mit solchem Spiel / were es auch noch tausend Gülden / er were sie quit. Ey lieber sehet eins / ein König / ein Bauer / und noch zween Trümpffe / ich sage noch / stunden tausend Gülden auffm Spiel / er were sie quit. Spielet darauff / sagt der Bauer / wir wollen es außführen / und alsdann wil ich darvon gehen. Wie nun das Spiel zum Ende war / hatte der Bauer und sein Mittgesell verlohren / das war der halbe Theil vor ihn; hatte er nun zuvorn einen Schilling oder etliche zusammen gewonnen / die muste er itzund alle wieder herauß geben / und sein stücklein Leinwand darzu / und kam darbey noch etwas zu kurtz / das wolten sie ihm mit schlagen bezahlen / diesen aber zu entgehen / war er froh / daß er nur aus dem Hause kam / und hatte sein Leinwand / die er [234] umb halb Geld verkauffen wolte / vor die Lust zum Spielen im Stiche lassen müssen; und ist also ohne Leinwand nach Hause kommen.

109. Der unerschrockene Westphälinger
CIX. Der unerschrockene Westphälinger.

Es kam zu besagtem Amsterdam eine Leinwandskramer aus besagtem Land durch die neue Straffe herein /und fragte gleichergestalt vor den Häusern / ob nicht jemand ein stücklein fein Leinwand kauffen wolte? in dem kam er bey einer Herberge in gemeldter Strassen / da er hinein geruffen / und von dreyen Messieurs ersuchet ward / gegen Morgen mit einem stücklein feiner Leinwand dahin zu kommen / welches des andern Tages auch geschahe. Der Kramer komt dahin mit einem stücklein Wand / er wird hinauf geruffen / da das Leinwand besehen ward / und begunten darumb /was es gelten solte / zu handeln. Indem zog einer von diesen Gästen eine Hand voll Gold aus einer Ficken /legte es auf die Taffel / und sagte zu den Kramer /komt her / ich wil mit euch darumb spielen / ich setze dieses Gold gegen euer Leinwand. Der Kramer sagte /ich kan nicht spielen; Und blieb also mit seiner Leinwand stehen. Unterdessen fiengen die andern an / mit einander zu spielen / und der Kramer satzte sich nieder und schmauchte eine Pfeiffe Toback / und wartete darbey mit Verlangen / sein Geld zu empfangen /worüber sie mit ihm waren eins worden. Wie sie eine Weile gesessen hatten / nam der eine / so das Gold allda niedergeleget / dasselbe auf / und zehlete es wie der über / und sagte darnach / es weren 4 Stücke davon gestohlen / und beschuldigte alsbald den [235] Kramer / daß er sie gestohlen hätte / stehet auf und fält ihm am ersten auff den Leib / und schlägt gewaltig auff ihn loß / weiter tommen sie selb vierdte / drangen ihn hinter die Taffel / schlagen ihn braun und blau /und nehmen ihm alle sein Geld aus seinem Sacke /halten vier stücken Gold in ihrer Hand / und weisen sie unter dem Gelde / so sie aus seinem Schiebsack herauß genommen hatten / und sprachen / seyet ihr Schelm wohl / da ist das Geld / das ihr gestohlen habt / und schelten und schlagen ihn weidlich ab / und jagen ihn von oben die Treppen herunter / und sprachen: Du Dieb / wir wollen dich Geld stehlen lehren. Darauff der Kramer sagte / daß sie das lögen / er hätte ihnen ihr Geld nicht gestohlen / und wie er herunter komt / laufft er eiligst zur Thür herauß / und schreyet Mord / Brand / Mord / Brand / und zwar mit solchen erbärmlichen Geberden / daß die Nachbaren erschracken / vor die Thüre kamen / und fragten / wo ist der Brand? Der Kramer / so heßlich zerschlagen / seine Kleider zerrissen / den Hut vom Kopf verlohren / rieff mit grossem Jammern: Da sind Diebe / die haben mir meine Leinwand und Geld gestohlen; Der Wirth kam alsofort und wolte den Kramer wieder ins Hauß haben / er solte sein Geld und Leinwand wieder kriegen (welches sie / kein Wesen und Tumult zu machen ihm gerne wolten wieder geben) aber der Bauer sprach /sie sollen darmit nicht loß kommen / und haben mich also darzu geschlagen. Unterdessen kamen durch diesen Aufflauff viel Leute vor die Thür / und darunter auch ohngefehr ein Schultzen-Diener / so vorüber gieng / der fragte die Leute / was allda zu thun were /darauff geantwortet wurde / daß allda ein Mann geschlagen und ihm sein Geld abgenommen were. Der Diener gieng in das Hauß / da ward ihm erzehlet / daß [236] der Kramer diesen Monsieur sein Geld gestohlen /welches sie auß seinem Schiebsacke wieder herauß geholet / und er darumb Schläge bekommen hätte. Der Kramer aber sagte / daß weren alles eitel Lügen /sie hätten ihm sein Geld sampt seiner Leinwand gestolen / und noch darzu so geschlagen / also daß ein grosser Tumult da war / der eine sagte daß ihm sein Geld und Leinwand gestohlen sey. Darauff der Diener sagte / der Kramer solte mit nach dem Gefängniß gehen / das wil ich gerne thun / sagte er / aber der ander soll auch mit gehen / denn er ist ein Dieb. Weil dieses Wesen wehrete / kamen die andern drey davon / und der Kramer nebenst dem / der ihm beschuldigte / nach dem Gefängniß / allda sie beyde verhöret wurden / und befunden / daß der Kramer recht hatte / und der andere ein falscher Spieler war / dem auff Nachsuchen alle sein Gold / das er sonder Zweiffel mit falschen Spielen gewonnen hatte / abgenommen / und er in geheim wacker gegeisselt und gestäupet wurde. Der Kramer ward frey ohne Unkosten loß gelassen und bekam sein Landwand wieder. Dargegen der andere mit einem rothen Futter-Hembde beschencket und der Stadt verwiesen ward.

110. Die Spielers-List
CX. Die Spielers-List.

Was vor sonderbahre Griffe die Spieler manchmahl anwenden / einen andern zu hintergehen / Solches kan man nicht gnngsam beschreiben / ich wil ein merckliches Exempel desfalß ein führen. Es reisetenzween falsche Spieler von einem Jahrmarckt zum andern /ihr Brodt durch sothane unredliche Kunst zu erwerben: Der eine gab sich für den Herrn auß / und [237] der ander für dessen Knecht / unter diesem Deckmantel mit mehrer manier in die besten Herbergen zu kommen und zu logiren; Als diese zween gehöret / daß ein Umbgang in Antwerpen solte gehalten werden / und daß ihnen dieses eine gute Gelegenheit seyn wurde /unter so vielen Zulauff des Volcks einigen Gewinn zu machen / so vernahmen sie auch bald unter der Hand in welchem Herbergen am meisten gespielet ward /wie sie nun solches inne worden / begaben sie sich darnach zu / und fragten den Wirth / ob sie nicht auff 5 oder 6 Tage Logiment haben könten / welches ihnen der Wirth gerne verwilligte / indem er aus ihren Kleidern urtheilete / daß er einen vornehmen Herren für sich hätte. Sie waren nicht lange daselbst gewesen /da kamen zwey von den andern allda logirenden Gästen in die Kammer / die bey ihnen einen Antwerpern jungen Gesellen hatten / welche einander zum Karten spiel außgefordet / und giengen an eine Taffel die an dem Ende des Speise-Saals stund / sitzen / und fiengen mit einander zu spielen. Der eine von diesen zween falschen Spielern / nemlich der sich für einen Herrn außgab / fügete sich / als ein Zuschauer mit bey der Taffel / gleichsam das Zusehen des Spiels mit zu genniesen. Sie spielten mit einander etliche Stunden /darinnen sie einander nichts sonderliches / das was zu bedeuten gehabt / abgewonnen / und waren dem Ansehen nach so friedlich mit dem Glück / daß niemand von ihnen die allergerinste Unlust bezeigete. Endlich begunte ihr Spiel zu zunehmen / und das Geld floß wie Ebbe und Flut / bald zu diesem / bald zu jenem /die Feindschafft und Zorn entzündete sich jemehr und mehr / und die Karten stiessen gleichsam als wütende Wellen auß auff einen unter den dreyen / dergestalt daß sie ihn gleichsam zu Wasser schmoltzen / mit Verlust bey 200 Gülden. Der Antwerper / weicher verlohren [238] hatte / versprach den andern Tag wieder zukommen / und wolte wegen seines verlohren Geldes Revenge suchen. Als diese zween falsche Spieler des Nachts / in ihrer Kammer schlaffen gangen / fieng einer an zu dem andern zu sagen; Unser Geld ist bey nahe zum Ende / wie müssen von nun an auch anfangen sparsam zu leben / oder es wird bald umb uns geschehen seyn / denn so es euch beliebt / so wollen wir den Gewinnern mit dem jenigen was uns noch übrig ist / das Ihre sehen abzustreiffen. Dieser Vorschlag wird gut befunden / und sie berahtschlagten sich zusammen / auff was weise der Knecht seinem Herrn seiner Gegenpartey Karte unbermercket solte kund thun / damit sie also des Gewinnens desto mehr versichert wären / ihr Absehen fiel endlich auf die Knöpffe / an des Knechts Wambse / mit Zusammensetzung der Finger / welches als sie es etliche mahl versuchten /so wol verstunden / als die Worte selber. Des folgenden Tages gegen Abend kamen die Spieler ihrer gethanen Zusagen nach wieder in den Saal / und sagten /daß sie das Spiel wieder vor die Hand nehmen woltē. Weilaber der / der des Abends zuvor verlohren hatte /kein Geld hatte zu leihen bekommen können / wolte derselbe auf Credit spielen / so aber die andern nicht thun wollen / und wären also unverrichteter Sache wieder von einander gangen / wo nicht der eine falsche Spieler diese Gelegenheit wargenommen hatte /sagende / meine Herren / weil einer von eurer Gesellschafft nicht / als es euch behagt / spielen kan / hätte ich wol Lust / da es euch nicht zu wieder / desselben Stelle zu vertreten. Damit ihr eures Zwecks nicht verfehlen möchtet / jedoch mit außdrücklicher Protestation / daß es allein zur Lust / nicht aus Begierde geschehe.

Die andern liessen ihnen seinen Vorschlag gefallen / und weil sie sahen / daß er noch sehr jung war / gedachten [239] sie ihn wol balde auff eben die Weise wie den Antwerper zu tractiren. Darauff setzten sie sich an die Taffel / und dieser vermeinte Herr rieff seinen Knecht / daß er ihm eine Parthey Geld herlangen solte / darauf der ander ihm ohngefehr 50 Gülden brachte / welches ihr gantzer Reichthum war / und trat darauf ein wenig zurücke / biß das Spiel angieng / da dann sein Herr ihn wieder rieff / das Liecht zu putzen / und da dieser Gast sich ein wenig übel darüber bezeugte /schalt ihn sein Herr mit diesen Worten auß: Wie Lecker / habt ihr so viel zu thun / daß ihr uns dieses selber thun lassen wollet? bleibt hier / und sehet was zu thun ist; der Knecht schwieg still / und hielt stets die Hand auf der Brust / und sahe seinen Herrn niemahls an / also daß niemand deßwegen einigen Argwohn haben kunte. Gleichwol thät er stummer weise seinem Herrn alles zu wissen / jedoch wolte er die Kunst nicht allezeit gebrauchen / sondern ließ allwege /nachdem sein Herr zwey oder drey Spiel gewonnen /ihn eines verlieren / die andern wieder anzuflammen /und darnach gewan sein Herr doch alles wieder. Kurtz / diese zween falsche Spieler wusten ihre Künste so vorsichtig ins Werck zu stellen / das sie den andern niemahls die Hoffnung benahmen / das verlohrne wieder zu gewinnen / also / daß ob schon die Zeit schlaffen zu gehen / kommen war / sie dennoch nicht geneigt schienen zu seyn / mit ihrem Gelde in Ruhe zu stehen / welches den gar nahe darzu kam / und machte sich dieser vermeynte Herr so fort desselben Meister. Dadurch die andern sich dermassen angereitzet befunden; Daß sie schwuren / des andern Tages Revange deßwegen zu suchen. Wie solches der falsche Spieler hörete / daß noch mehr Vortheil zu machen vorhanden war ließ er die zween andern diesen Abend noch bey 30 Gülden wieder gewinnen / sie also mit diesem Anlocken sie [240] gegen den andern Tag desto mehr anzukörnen; Hiemit schieden sie also von einander / und begaben sich zu ihrer Ruhe.

Des andern Tags kamen sie wieder zum Spiel mit Gelde wol versehen / das sie bey Händen voll auf die Tafel wurffen und sprachen: Courage mein Herr /sehet hier / das ist noch zu euerm besten. Der falsche Spieler antworte ihnen hierauf / meine Herren / wiewol ich so reich nicht bin / so wil dennoch erweisen /daß ich euch nicht weichen wil. Hierauff gieng das Spiel wieder an / und der Knecht stellete sich wieder an seinen vorigen Ort / allezeit mit den Augen auf die Erde sehend / als wenn er in tieffen Gedancken stünde. Es wehrete nicht lange / diese zween gute Herren verlohren über 500 Gülden an Gelde / resolvirten sich auffzuhören / wol sehend / daß sie bey diesem Spielen nicht viell Rente würden legen können. Der falsche Spieler ware hierüber nicht sehr betrübt / weil das Spiel bereits auff sein höchstes kommen war; Sie bezahlten noch den selben Tag ihr Gelach / und giengen gar bald auß der Herberg und aus der Stadt / und spieleten eine Zeitlang wieder des reichen Mannes mit demjenigen / so sie in kurtzer Zeit so gemachlich gewonnen hatte.

111. Der listige Jude
CXI. Der listige Jude.

Ein vornehmer Jüdischer Rabbi in Deutschland / genant Elias Levita der Deutsche / referirt zu Ende seines Büchleins / welches er Sepher Harcabha nennet /folgende Historie: Man findet in dem Buch der Thaten des Weisen Abraham Abben Esra / daß er auff eine Zeit mit 15 seiner Schülern und 15 leichtfertigen Buben [241] übers Meer gefahren / also / daß deren in allem 30 waren. Es geschahe aber eins Tages / daß sich ein grosser Stinn erhube / daß man besorgte / das Schiff würde zerschmetten und zu Grunde gehen / deßwegen der Schiff Patron den halben Theil von den 30 Personen ins Meer zu werffen befahl / damit das Schiff solchergestalt in etwas erleichten würde / da sahe der weiser Aben Esra / daß es anders nicht / sein möchte /antwortete demnach: Dieser Befehl ist weißlich und wohl / allermassen es besser / daß der halbe Theil /als daß alle Menschen umbkommen: Wir wollen aber also drumb losen; Die 30 Mann sollen in einem Cirem nach ein ander gestellet werden / und man soll allemahl den Neunten davon ins Meer werffen / so lange / biß noch 15 davon übrig sind. Die 30 Männer giengen solches ein / und übergaben die Ordnung zu machen / dem Aben Esra / welcher die Ordnung so künstlich anstellete / daß seine Schüller alle erhalten /die leichtfertige Buben aber allesambt ins Meer springen musten. Die Ordnung machte er also: Erstlich stellete er 4 Schüler / nach solchen 5 leichtfertige / als dann 2 Schüler und darauff 1 Leichtfertigen / ferner 3 Schüler und 1 Leichtfertigen / weiter 1 Schüler und drauff 2 Leichtfertige / wiederumb 2 Schüler und 3 Leichtfertige / und alsdann 1 Schüler und 2 Leichtfertige / letztlich 2 Schüler und 1 Leichtfertigen. Wann wir die Schüler nun mit A. und die Leichtfertigen mitB. bemärcken / stunden sie in folgender Ordnung:

AAAA. BBBBB. AA. B. AA.A.B.A. BB. AA. BBB. A. BB. AA. B. Wann man nun von fornen biß hinten hinauß zehlen / und allemahl nach dem Ende wiederfornen anfängt / jedoch den 9ten außschiesset / und [242] denselben alsdann nicht wieder mit zehlet / so werden alle B. außgestochen werden / und die A. stehen bleiben. Die Hebræer haben in ihrer Sprache darüber einen Merckwürdigen Vers gemacht / aber bey dem Lateinischen Vers


Populeam virgam mater Regina tenebat.


kann man diese Ordnung gar füglich behalten / darin die 5 Vocals A.E.I.O.U. gelten die Zahlen 1. 2. 3. 4. 5. nehmlich A. gilt 1 / und U. 5 die Mitler auch das ihrige nach der Ordnung. Wolte man aber die siebende Person allemahl außschiessen / hätte man sie stellen müssen nach diesem Lateinischen Vers


Rex anglicum Gente bona dat signa serena.

Vor den ersten Vers / könte ein Teutscher nachfolgende Teutsche:
So du etwan bist gefallen hart /
Steh widr / Gnade erwart /
Vor den andern Lateinischen aber / die Teutsche Reimen gebrauchen
Es war in uns Elend ohn maß /
Aber Christ hat geendet das.

Andere Autores geben dergleichen für mit 15 Christen und so viel Türcken oder Juden. Die Regel dazu zu finden ist nicht schwer / und zwar in allerhand Zehlen und Zahlen. Zum Exempel / der Personen wären 12 /und der 11te solte allemahl sterben / so mache 12 Strichlein in einen Circul / und fange an zu zehlen wo du wilt / durchstreich allezeit das Eilffte / biß 6 davon außgetauscht sind / so wirstu folgende Ordnung überkommen.


1 Schuldiger2 Unschuldiger
1 Schuldiger3 Unschuldiger
4 Schuldiger1 Unschuldiger

Dieses kan man im Kriege gebrauchen / wann das Loß komt / damit die Unschuldigsten erhalten wurden. Es ist mir [243] aber nicht glaublich / daß der Jüdische Kriegsheld Josephus im Jüdischen Kriege sich durch dieses Mittel beym Lebē erhalten / zu Zeit / da er mit 40 Juden / aus Furcht vor dem Feind / sich in eine Höhle verkrochē / wie Egesippus und Josephus berichten / jener im 18 Cap. seines 3 Buchs von der Zerstörung Jerusalem / dieser aber weitläufftiger im 6 Buch des Jüdischen Kriegs am 71 und 72 Cap. Es verhält sich also: Als Josephus aus Furcht für dem Tito Vespasiano mit 40 Halßstarrigen Juden in eine Höle / sich zu bergen / stiege / und sich darin aufhielte / biß sie von Hunger nicht länger bleiben kunten /da gab Josephus den Rath / sie solten neben ihm Mannlich unter den Feind setzen / und lieber vor demselben ritterlich sterben / als in der Höhle vor Hunger verschmachten. Wie aber das Jüdische Volck allezeit halßstarrig gewesen / kunte sie auch itzo Josephus mit aller seiner Geschickligkeit nicht bewegen; sondern ihre Meinung war / es solten durchs Loß allemahl 2 auß ihrem Mittel erwehlet werden / welche einander stechen solten / solches gottloses Begehren muste Josephus / weil er gar nicht wolte gehöret werden /nothwendig mit den andern eingehen. Er ordnete aber die Sache so geschicklich / daß er nebst einem gar schwachen Juden zu letzt überblieben / dessen er sich auch gar leicht hatte bemächtigen können. Nun sagt ein Frantzösischer Autor / er habe solche Ordnung gemacht / daß der dritte allezeit solte umbkommen /weil er aber den 16 oder 30 Orth eingenommen / habe er sein Leben salviret / aber so mans probirt / daß die zwo Zahlen nicht angehen / sondern der dreyßigste sterben müsse / hatte er dafür den 31 setzen mögen. So aber allezeit der Neunte hatte sterben müssen /hätte er den 22 oder 30 Orth einnehmen können / so der siebende dran gemust / wären der 27 [244] und 31 Oerther die besten und sichersten gewesen. Was aber Josephus mit dem letzten Juden angefangen / kan bey Egesippo und Josepho an vorbesagtem Orth nachgelesen werden.

112. Der betrogene Pfaff
CXII. Der betrogene Pfaff.

Ein Pfaff von Onzian in Franckreich / nahe bey Amboise / ward von einer Wirthin / die er unterhielte /beredet / sich anzustellen / als ob er durch einen Wundartzt / Nahmens Petrus des Serpens / bürtig von Vilantrois in Berry / sich wolte schneiden lassen /damit er ihrem Mann inskünfftig allen Argwohn benehmen möchte. Dieser schickte nach seinen Befreundten / eröffnete ihnen sein Anliegen / und dahero verursachtes nothwendiges Vorhaben / machte sein Testament / und damit er die Sach desto besser verbergē kundt / hat er zu gedachtem Meister Peter / welchem er zuvor die Losung geben / und vier Cronen verehret / daß er sich nur also stellen solte / gesagt /daß er ihme seinen Todt von Herzen verzeihen thäte /wann sich solcher vielleicht begeben solte: Darauf er sich unter seine Hände begeben / binden / und gantz also zurichten lassen / als ob man ihn in der That schneiden solte. Es hat aber der Wirth / als er den Possen gemercket / sich zuvor zum Meister Peter gemacht / ihme doppelt so viel / als der Pfaff gethan / zu geben versprochen / und ihn damit beredt / daß / da er also den armen Herrn Hansen in seiner Gewalt / und ihn wol angebunden hätte / er sein Ampt in der That verrichtet / und den Schnitt recht gethan / und den Pfaffen damit bezahlet hat / daß er nicht im Brauch hätte mit seinem Handwerck Vexation zu treiben. Also nun ist der mit seinem grossen Schaden betrogen worden / [245] der / auß Listigkeit eines Weibs / einen andern hat betriegen wollen.

113. Der listige Mantauner
CXIII. Der listige Mantauner.

Zu Mantua / einer berühmbten Lombardischē Stadt /sahe einer auff eine Zeit einem Pfaffen einen grossen Beutel mit Geld tragen / welchen er ansprach / daß er ihme für seinem Dorff. Pfarrer hülffe ein Chor-Hembd kauffen. Der Pfaff ist dessen zu frieden / und gehen sie mit einander in einen Laden. Als nun der Betrieger wolte / daß der Pfaff solches anziehen solte / damit er / ob es die rechte Länge und Weite hätte / sehen möchte / und der Pfaff deßwegen den Beutel von sich legte / und umbwendete / da nam der Dieb geschwind denselbigen / und lieff darvon: Der Pfaff aber ihm nach / und der Kauffmann hinter dem Pfaffen her. Weiln aber der Dieb schrye / man solte den unsinnigen Pfaffen halten / und solches / weil er im Chor-Hembd über die Gassen / beym hellen Tag / lieffe /geglaubt ward / so ist der Dieb also mit dem Gelb entloffen. Dergleichen soll sich auch vor Jahren zu Anterst zugetragen haben.

114. Der überlistete Quacksalber
CXIV. Der überlistete Quacksalber.

Im Jahre 1621 befand sich Braguetta mit der berühmten Isabella Andreyni / und seiner gantzen Italiänischen Compagnia zu Lyon / welcher / ob er wol verschlagen gnug / doch durch einen Nahmens Pancerotte / [246] betrogen worden ist. Dann / dieweil er nicht allein auff dem dem Platz du Change seine Salben verkauffte / und sein Gauckelwerck triebe / sondern auch Comödien agirte / und damit viel Gelds zusammen brachte: So wolte er eine Fürhang vor sein Theatrum mahlen lassen / kunte aber mit dem Mahler / des Lohns halber / nicht eins werden. Welches / als es obgedachter Pancerrotte vernimmet / so gehet er zum Braguetta / und sagt: Er were ein Mahler / mit Verspechen / seines Fleisses / ihn vergnügt zu machen. Braguetta kompt mit ihm überein / gibt ihm auf die Hand an Geld drey Pistolen / sambt dem Leinwand darzu / und Pancerotte verspricht / solchen Fürhang /wol und gebührlich zur Zierde seines Theatri / verfertiget / innerhalb 8 Tagen zulieffern. Es gehen aber wol drey Wochen vorbey / daß Braguetta nichts von jenem vernimbt / biß er ihn endlich in der St. Johannes-Gassen antrifft / und ihn fragte / ob das grosse Tuch oder Fürhang / zu seinem Spiel oder Schauplatz / gemahlet? Und so es nicht sey / daß er ihm die Lein wand sampt den dreyen Pistolen / widergeben solle. Pancerotte / sagte zu ihm / wie daß der sich betriege /und ihn vor einen andern halte: Dann er kein Mahler /sondern ein Schuster were / und wiese ihm ein neues paar Schuh / so er unter seinem Arm hatte / sampt einem Maßstab. Unser Braguetta / als er lang mit dem Pancerotte disputirt / und ihme tausenderley Injurien angehenckt hatte / muste also zufrieden seyn / weiln er nichts mit ihm außrichten kunte. Unter denen so ihnen zusahen / sprach einer / ich verspüre wol was es ist: Ein Betrieger / hat einen Charlatan / daß ist /einen Gauckler / Seylfahrer / Tyriackskrämer / Comödianten / etc. ertappet.

115. Die abgedroschene Buhler
[247] CXV. Die abgedroschene Buhler.

Es hat sich vor zu getragen / daß zween Studiosi iuris sich auff einer hohen Schul in Franckreich / in eines Notarii sehr schönes und Holdseeliges / nebens aber auch ehrliches Weib dermassen verliebet / duß sie ohne dieselben nicht leben kunten. Sie waren Landsleute und Kammer-Gesellen / wolten auch Liebs-Gesellen seyn: Verliessen die Institutiones und den Codicem / und blätterten das Buch von der Kunst zu bulen durch / giengen ihrer Dame stets vor die Thür /und gaben derselben ihre Meynung zu verstehen. Als nun dieses lange Zeit gewäret / so hat die Frau endlich solches ihrem Ehewirth angezeiget / welcher mit lachendem Mund zu ihr saget: Wie daß er mit Fleiß sich aus dem Hauß begeben / sie aber den einen oder den andern Studenten / wann er vorüber gehe / zu ihr beruffen / und ihme vermelden / wann er sie liebe /daß er sich auff den Abend / wann es finster / vor der Thür finden lassen / und so lang da warten solle / biß ihr Mann / so außzugehen / nach demselben sich verfügen werde / und daß er demselben / so ihr zuwider sey / einen guten Abend mit Prügeln gebe: so wolle sie ihm hergegen versprechen / ihn (so ferrn er seinem Camarada / oder Cammer-Gesellen / nichts davon sagen werde) zu lieben / und ihme das wiederfahren zu lassen / was er an sie begehre: Und eben solches soll sie / die Frau / auch mit dem andern Studenten vornehmen: denselben aber an einen Ort / neben dem Hause / eben zur selbigen Stunde auffwarten lassen /und ihme sagen / daß sie die Magd / wann er kommen / [248] und ihrem Mann Stöß geben solle / zu ihm dahin schicken wolle. Als nun die Sach von ihr dergestalt wol bestellt / und beede Studenten jeder absonderlich / dem andern unwissend / ihren Dienst hierin versprochen hatten / auch die Nacht und verabschiedte Stunde kommen war / schickte die Frau ihre Magd an den angedeuteten Orth / welcher dann der erste Student /so vor der Thür warten sollen / begegnet / dem sie /daß sie ihren Herrn heimholen wolte / und daß er auff ihn da warten solte / vermeldet: Und sich zu dem andern / so an dem besagtem Ort allbereit auffgewartet hatte / verfüget / den sie geheissen / ihr etwas wenigs nachzufolgen / weiln ihr Herr jetzt gleich aus dem Hauß / etlicher wichtiger geschäffte halber / gehen wolle. Dieweil es nun stock finster / und keiner nichts redete / damit sie nicht verrathen würden / so gaben die zween Studenten / als die beede vermeynten auff den Notarium zu schlagen / einander mit Prügeln nachdrückliche und wiedergiebige Stösse / also / daß der Notarius und sein Weib vor Lachen schier umbgefallen seynd; die beede aber nicht auffhörten / biß sie von ferne einen hellen Schein ersahen / so sie vor die Scharwache hielten: daher sie endlich von einander abgelassen / und unterschiedliche Weg genommen /aber in ihrem Losament wieder zusammen kommen seynd / sich doch / unvermeldet des Unfalls / zur Ruhe begeben / und Morgens / da sie im Bett träncker und übel zugerichteter sich befunden / was jedem begegnete er zehlet / verstanden haben / allererst einander selbsten / ihnen unwissend / also tractirt / und sie des Notarii Haußfrau also betrogen hätte. Daher der eine diese Verse gemacht hat:


[249]
Wer mit unzüchtiger Liebesbrunst
Sein Hertz närrisch angezündet sehr /
Der erwarete von solcher Kunst /
Nichts / als Unlust / Schadn und Unehr.
116. Die mit Behändigkeit vergoltene Kühnheit
CXVI. Die mit Behändigkeit vergoltene Kühnheit.

In Niederland buhlete ein junger Gesell mit einer Jungfrau / doch nicht der Meynung / das er sie eheligen wolte / sondern / nach seinem Gefallen / sich / die Zeit zu vertreiben / mit ihr besprechen möchte. Damit aber das Mägdlein allezeit das Beste hoffte / bot er ihr jederweilen einen Ring / als ein unfehlbahr Pfand seiner Liebe. Das Mägdlein / wolte den Ring nicht annehmen / oder in einigen Anmuth willigen / ehe und bevor es ihre Eltern sie heissen: offenbahrets demnach denselben: dieweil sie es für ein erwünschte Gelegenheit hielten / liessen sichs gefallen / und hiessen die Tochter / wann er wiederkäme / und ihr den Ring geben wolte / den mit geziemender Ehrerbietung anzunehmen. Als er nun wieder kompt / und nach langgeflogener Unterredung ihr abermahl / voriger Gewonheit nach den Ring beut / und sie / auffgegebener Eltern Beliebung / ihn empfangen wolte / mit vorgethaner Rede / daß sie ihn als ein unaufflößliches Band ihrer beeden Lieb und künfftigen Heyrathszeichen /verwahrlich beylegen wolte: Und indem sie darnach greifft / ziehet er seine Hand wieder zurück / stecket den Ring bey sich / und sagt: Pfuy / Jungfrau hat euch eure Mutter das Weigern noch nicht gelehrt? Sie gibt ihm geschwind einen guten Backenstreich / und spricht? Juncker / hat euch euer Vater das Weichen nicht gelehrt?

117. Der übel belohnte Lautenist
[250] CXVII. Der übel belohnte Lautenist.

Es wolte einer / der eben nicht der verständigste / seiner Hertzgeliebten eines Morgens sehr frühe vor Tage / unter ihrem Fenster ein Musicalisch Stücklein auffmachen lassen. Dieses nun zu verbringen / handelt er mit einem der besten Lautenisten / welcher in die lauten sang / und also anfieng: Wegen euer bin ich kommen hieher etc. Als dieses der Verliebte gehöret /ward er zornig / und sprach zu ihm. Ich hab mit euch gedinget / hir mich zu singen / so singt ihr für euch. Wann ihr kein andem Gesang könnet / so gedenck ich euch nicht zu bezahlen: oder / wann ihr je wollet / daß wir zufrieden bleiben sollen / so ihm dieses / und dieweil ihr jetzt für euch gesungen habt / so singet nun auch für mich.

118. Der listig entwante Esel
CXVIII. Der listig entwante Esel.

Auff den Marckt zu Neapolis kam einsmahls eine arme Baurin / welch auff einem Esel allerhand EssenSpeise geladen / umb selbige feil haben häte. Zween listige Diebe / so den gantzen Tag nichts filchen kunten / musten gleichsam aus Noth gedrungen / ich an diese Bäurin machen. Verglichen sich doch eines füglichen mittels / wie es ohn ihr / der Bäurin sonder Schaden / geschehen möchte. Indem nun der eine dieser Frau ihr Waar abkaufft / und sie mit langem Marcken / und anderm Sprechen lang anffhielte / erwischte der Esel / so nicht weit davon gestanden /setzte [251] sich drauff / und ritt denselben / unvermerckter Sachen / durch ihme bekanten Abgassen hinweg: Entlebnet auch unterwegen / auff ein Pfand (wie in dergleichen Städten man allerley Kleider außleihet / und darzu sondere Läden zufinden seynd) einen Trauer-Rock wie solchen die Bauren zugebrauchen pflegen /paßirte strack einem Closter zu / und sagte zu dem Guardian / mit traurigen Worten und kläglichen Gebärden: daß sein Vater ohnlängst verstorben / und ihm im Todt-Bett befohlen / daß er für ihn etliche Seel-Meß halten und gewisse Allmosen außtheilen wolte. Nun were ihm aber nichts dann dieses geringe Thierlein / welches er verkauffen könte / übergeblieben: Bäte derowegen sie solten selbiges gebührlich anschlagen / was die Seel-Messen kosten / herab ziehen / und den überrest / ihme die Allmosen davon zu entrichten / herausser geben / dieses war der Guardian gar wol zu frieden / beydes / weil sie den Esel zur Haußhaltung wol brauchen möchten / er auch mit diesem Gesellen ein guthertzig Mitleiden hatte: Gab ihm derowegen eine Cronen hinauß / und versprach die Seel-Messen zuverrichten. Als nun entwischen die Bäurin dieses Diebstals gewahr wurde / stellte sich der ander / dem sie ihr Waar zu kauffen geben / gar mitleidig / halff ihr den Esel hin und wieder suchen /führete sie / weil ihm der Anschlag bewust / allerhand Abwege: doch / als er vermeinet / es werde sein Gesell schon in dem Closter fertig seyn / kam er also daher / und erführen auf gehabte Nachfrag / daß ein Esel in das Closter geritten / und daselbst bereits verhandelt worden. Kamen derowegen zum Guardian /welcher dieser Bäurin (weil sie in continenti beweisen thäte / daß der Esel ihro gehörig) solchen wiedergab: Und bekam dieser / so mehr gedachte Bäurin / also wohl geführt / wie billich / noch ein Trinckgeld zum besten.

119. Das gestohlne Pferd
[252] CXIX. Das gestohlne Pferd.

Eben in dieser berühmbteen Italiänischen See-Stadt war ein berühmbter Chirurgus / Jacobo Segge genant / welcher in der gantzen Stadt hin und wieder viel Patienten hatte / derowegen / solche zu besuchen / er ein gutes Klepperlein weisser Farb / hatte. Nun befande sich aber ein listiger Dieb / der ihme solches nicht allein heimlich aus dem Stall entwendet / sondern noch über das / diesem Barbirer einen sondern Possen reissen wolte. Kauffte derowegen gute schwarze Farb bey einem Seidenfärber / und machte das Pferd allerdings schwartz / rute solches folgends an das Orth /da man Pferd seil zuhaben pflegte. Bote selbiges doch also theuer / daß es niemand kauffen kunte / biß oberwehnter Barbierer ihm auffstieß / welchem ebenmässig keines unter den Pferden / sonst feil waren / zuschlagen wolte: also / daß ihm endlich sein eignes /und zwar umb ein rechtes Geld angetragen ward. Welchem dann diese Waar über die massen wolte fiel / mit vermelden / daß er wol bey seinem Eyd betheuten könte / daß er unter unzahlbahren Pferden noch keins angeroffen / welches / ausserhalb der Farb / seinem verlohrnen guten Schimmel mehr gleich were. Der Verkäuffer ließ mit ihme handlen / schwur auch bey seinem Eyd und Gewissen / daß dieser Kauff ihn /den Käuffer / gar nicht reuen werde / es were dann vielleicht / wann er solch Pferd zuviel netzen oder abwaschen möchte. Mester Jacob ließ sich dieses nicht irren / und sagt: Daß seine Jungen ohne daß nicht gar embsig / und diß Orts gern diese [253] Mühe sparen würden. War auch solches Kauffs je länger je mehr also froh / daß er offt seinem Gesind vermelder Erwehnete in Warheit nunmehr / daß er den Verlust seines vorigen Klepperleins nicht empfinde / in Ansehung dieses selbigem durchauß in allen guten Tugenden so gleich und ähnlich were. Weil aber auff eine Zeit starck ein langwirig Regenwetter eingefallen / doch nichts destomniger / dieser gute Mann hin und wieder reisen muste / fier sein Kleper an allgemach etwas graulicht / und folgend Tag fast gar zu einem Schecken / er auch drüber halb unsinnig / und zu einem Gecken zuwerden. Thät also mit höchstem Unwillen allererst verstehen / wie und welcher Gestalt das Wasser ihme den Reukauff verursachen möchte.

120. Die behende Schneiderin
CXX. Die behende Schneiderin.

Es ist noch nicht gar lange / daß ein Schneider Lion in Franckreich gefangen gesessen / den sein Weib alle Tage zu besuchen / hingangen ist. Zur selbigen Zeit fand sich auch ein reicher Wechsel Herr von Genug in der Gefängnüß: nicht wegen eines Lusters / oder Schulden / sondern etlicher Händel halbet so selbiger Zeit empor giengen / und das Königreich anbetraffen. Dieser ließ gar offt in seiner Kammer / nehend dem Bett / ein schönes Schlagührlein hängen. Des Schneiders Weib / als sie diese Kammer einmahls offen stehen sahe / gieng sie hinein / und stahl dieses ührlein. Der Wechsel-Herr oder Handelsmann gieng bald hernach wieder in seine Kammer: und da er seines ührleins vermisset / suchte er solches hin und wie der /und fragte bey einem und andern darnach / kundt [254] aber nichts davon vernehmen. Der Kerckermeister befihlt /man solte niemand auß dem Hause gehen lassen / biß das überlein gefundē sey. Als man nun allenthalben /sonderlich bey den Gefangenen / nachsuchet / und die Schneiderin sich befürchtet / es möchte auch das visitiren an sie kommen / und das ührlein bey ihr gefunden werden / benebens aber im Zweiffel stehet / ob sie es in das heimliche Gemach werffen / oder / was sie damit thun solle? So resolvirte sie sich / wegen des Gewins / weil das ührlein auffs wenigst 50 Cronen wert gewesen / dasselbe in ihrer Natur / oder vordern Leib zu verbergen: Welches sie auch unvermerckt verbracht. Dieweil aber das ührlein angezogen war /so schlug es zu seiner Zeit in ihrem Leib fünffe. Die dieses höreten / waren wol darüber bestürtzt / und kundten nicht muthmassen / wo es seyn möchte. Man erinnert dessen den Handelsmann / und thut auff ein Neues eine durchgehende Besuchung. Aber das war vergebens. Da / nun eine Stunde vorbey / so schlägt es sechse / und weiß noch niemands / wo das ührlein verborgen seyn müsse. Es gehet daher noch eine Stunde vorbey / und siehe / es schlägt das drittemahl. Endlich wird dessen die Schneiderin bezüchtiget / die es aber starck und beständig läugnete / und erleidet / daß man sie abziehet / und allenthalben bey ihr suchet /aber nichts findet. Als dieses der Kercker- oder Gefangenen Meister gesehen / sprach er: Sie hat sonder zweiffels das ührlein in ihren vordern Leib gethan /man muß da suchen: Aber weil solches entweder einem Wundartzt und Barbirer / oder einer Hebammen gebürte / so war niemand / der sich dessen unterstehen wolte. Man läst einen Wundartzt kommen /welcher mit seinem Instrument / speculum matricis genant / da ist / aber sich dessen nicht bedienet. Dann da er mit gantzem Gewalt / wie sehr sich auch die Schneiderin [255] dessen gewehret / bey ihr nachgesucht /so mercket er ein Ende an dem seidenen Schnürlein /so an dem Uhrlein / und nicht gantz in den Leib kommen war / welches er mit seinem rostro corvino, oder Endtenschnabel / und zugleich auch damit das ührlein / mit aller Anwesenden grosser Verwunderung / heraußziehet / so darauf das Lachen bey ihnen verursachet hat / weiln sie vermeynet / die Schneiderin gehe mit dem Tag schwanger / nachdem sie Stunden gebohren hatte / und insonderheit der obgedachte Genuesische Wechsel-Herr / welcher zu ihr gesagt? Meine Freundin / ich verzeihe es auch; da habt ihr ein Pistolen an Geld / euer Kindheit zu halten / aber kombt nicht mehr wieder. Man hielt dafür daß / wann / an statt des Barbirers oder Wundartztes sich eine verständige Frau darbey befunden / daß sie ihr ein gutes Brühlein gekocht hätte / wie man dann den Frauen / so erst des Kindes genesen seynd / zu thun pfleget. Dann sie es wol verdienet / dieweil sie mehr als zwo Stunden in Kindsnöthen gewesen ist.

121. Der vergoltene Ehebruch
CXXI. Der vergoltene Ehebruch.

Ein Medicus zu Florentz / hatte eines Schneiders Weib geschwächt / als er vom Schneider / ihrem Mann / ihr von dero Kranckheit zu helffen / nach Hauß geschickt worden / welches sie ihm zu seiner Heimkunfft mit weinenden Augen geklagt / der Schneider aber sich nichts gegen dem Medico hat vermercken lassen. Ohngefehr acht Tage hernach / als der Schneider die Stunde des Medici Abwesenheit von Hauß außgespähet / nimbt er ein gar schönes stück Tuch / und bringts des Medici Ehefrauen / beredet sie / daß er ihme Befehl [256] habe / daß Maß von ihr zu einem Rock / zu nehmen: da dann / als sie sich mit dem Schneider abseits / die Kleider abzulegen / begeben / er ihr eben den Gewalt an that / als ihr Eheherr der Schneiderin angethan hatte.

122. Der bestraffte Ehebrecher
CXXII. Der bestraffte Ehebrecher.

An dem Hofe eines gewissen Frantzösischen Printzen hielt sich einer / Nahmens Angoulevent ordinari / auff / und kunte wohl mit Fug ein Hof-Hurenwirth genennet werden / der stets zusahe / wie er so wohl andern /als insonderheit ihm selbst / etwas zu wegen bringen kundte. Dieser späet zu Pariß ein junge Frau auß / so erst nenlich sich daselbst in einer Vorstadt / an einen Barbirer verheurachet hatte / welche / dem Ansehen nach / an Schöne und Höffligkeit keiner andern etwas nachgeben thäte. Angoulevent brauchte da viel Mühe / biß er mit ihr Gelegenheit zu reden bekam. Welches dann in ihrem Hauß / in Abwesenheit ihres Manns /geschahe: Da er ihr in der Barbierstuben endlich seinen Willen eröffnete. Diese junge Schönheit zeigete dieses Ertzkuplers Begehren ihrem Ehewirth an / welcher ihr befihlt / sich ein andermahl freundlich gegen ihm zustellen / und demselben die Zusage / seinen Willen zu erfüllen / zu thun / unterdeß er sich einer Reise auffs Land annehmen wolle. Da nun Angoulevent sie des andern Tags in der Vorstadt antrifft / und mit ihr zu reden Gelegenheit bekompt / erzeiget sie sich nicht allein gar freundlich gegen ihm / sondern berichtet ihn auch / daß ihr / Mann verreiset were /und daß sie ihm wollte ein Nacht-Essen geben / darzu sie ihm dann eine Stund [257] nante. Anguoleuent war frölich / und schickte durch einen Jungen alles das / so zum Nacht-Essen vonnöthen war / und kam ein wenig hernach selbst zu seiner vermeinten Bulschafft / setzte / nach gehaltenem guten Gespräch / sich mit ihr zu Tisch / continuirte seinen liebliche Discurs: Unterdeß der Barbirer mit zweyen guten Freunden an einem Ort verborgen war / von dannen er / durch ein Thürloch /davor ein Teppich hieng / alles das sehen kundte was dieser geile Mensch vor hatte / und mit Ungedult der Stund erwartete / daß er ihn überfallen möchte. Als das Essen vorüber / trachtet Angoulevent nach dem Bette / und schicket sich daher zum außziehen der Kleider: Die listige Frau aber bittet ihn / ein frisches Hemmet anzulgen / so sie ihm geordnet / ehe er sich ins Bett lege: Welches er ihr auch nicht abschlägt. Da er nun gantz fertig das Hemmet hinweg zu thun / so kommen die oberwehnte drey / ein jeder mit einer guten Hand voll Ruthen / ihm ein rohtes Hembd zu geben / und gehen dergestalt mit ihm umb / daß er sich nie bey einem solchen Fest befunden Und je mehr er alarmo, mordio, und dergleichen schreyet / je mehr sie ihm Streich geben / und so lang treiben / biß ihme das Blut von allen Orthen herunter laufft / und er für todt auff dem Boden außgestreckt / vor ihnen da gelegen ist. Als er nun ein wenig wieder in die Kleider kommen / haben sie ihn endlich auß dem Hauß gejagt / und ihme mit Stecken noch ein gute Nacht geben. Er zog stillschweigend fort: Und weil er in dieser Vorstadt bekant war / so gieng er zu einem seiner guten Freund / da er des andern Tags sich gar kranck befande und / sieben oder acht Tage zu Bett bleiben muste: Nach deren Verfliessung / und da er ein wenig sich erholt / hat er sich zwar bey der Obrigkeit der zugefügten [258] Schmach halber / beklaget: Weil aber seine Sachen nicht wohl hergehen wolten / so hat er die Klag verlassen / und sich zur Ruhe begeben.

123. Der listige Pabst
CXXIII. Der listige Pabst.

Pabst Bonifacius VIII. hat aus grossem brenendem Ehrgeitz etliche Buben heimlich verordnet / und in des Pabsts Coelestini Schlaffkammen (der sonst ein schlechter und einfältiger Mann war) ein geschickt /welche des Nachts mit leiser Stimm / gleich als wann sie vom Himmel were / ihn überrreden solten / daß er von dem Päbstlichen Ampt und Hoheit solte abstehen / dafern er sonst gedächte beym Leben zu bleiben. Mit solcher List hat er diesen einfältigen Mann betrogen /und ihn nicht allein von der Päbstlichen Hoheit herunter gestossen / sondern hat ihn auch / als einen Übelthäter / zur ewigen Gefängnüs verdampt / daß er also grosser Sorg und Hertzenleyd für der Zeit hat sterben und sein Leben schliessen müssen. Als er Pabst worden / hat er sehr hefftig wieder den König in Franckreich / Philippum / mit dem Bann gewütet / und sich unterstanden / ihm das Königreich zu nehmen / und an den Römischen Stul zu bringen / darauff der König solchen seinen listigen Practiquen zuvor kommen /dieselben zu nicht gemacht / und hat den Pabst selbst gefangen genommen / und im Gefägnüß tödten lassen / welches ein neues aber doch rechtmässiges Exempel der Rache gewesen / an dem Pabst zu Rom bewiesen. Und diß ist der jenige Pabst / von man insgemein sagt: Er hat das Pabsthumb erlanget wie ein Fuchs /hat gelebet wie ein Löw / und ist gestorben wie ein Hund.

124. Die mit List erworbene Braut
[259] CXXIV. Die mit List erworbene Braut.

Es ist ein Streit unter den Naturkündigern warumb theils Kinder ihren Eltern / theils aber denselben nicht gleich sehen? Insgemein wird solches den Bildungskräften / und dann der unterschiedlichen Beschaffenheit des Saamens / wie auch dem Gestirn beygemessen / und solches alles kan sich finden in zweyen zugleich empfangenen und gebohrnen Kindern / welcher Mutter etwan eine Persohn zu der Zeit / in welcher sich die Leibesfrucht zu gestalten pfleget / betrachtet /wie wir hievon ein denckwürdiges und wahre Exempel / ob es gleich einem Freuden-Spiel nicht gar unähnlich / beyfügen wollen. In der Stadt Aquila im Konigreich Neapoli / haben sich zween Knaben gefunden / welche in dem Angesicht / an der Stirne / Alter /Grösse und Geberden / einander gantz völlig gleich /daß keiner vor den andern zu erkennen gewesen / als dan den Kleidern / welche bey Hermolas viel stattlicher / der eines Edelmanns Sohn / als bey Eleonor /eines gemeinen Bürgers Kind. Als Hermolas die Knaben-Jahre zurücke gelegt / wird er von seinem Eltern nach Siena gesendet / aldar seinem Studiren ferner obzuliegen. Er findet aber eine Jungfrau Prudentia genand / welcher Schönheit ihme seine Freyheit zu einer angenohmen Dienstbahrkeit machte. Er sahe wohl /daß er zu ihr keinen Zutritt / alß durch die Thür der Kirchen / ich will sagen / durch eheliche Verbündniß /zu welcher ihn Eltern / weil sie vermeint / die Tochter bey diesem reichen Neapolitaner wohl anzubringen /gerne verstanden; Seine Eltern aber einwilligen zu machen / wußte er keinen Raht. Indem er nun mit diesen Gedancken [260] umgehet / verliebt sich Hortensia eine Adeliche Jungfrau in diesen Hermolas / und weil sie keine Gelegenheit / ihm anzusprechen / schreibt sie ihm einen sehr höfflichen Brieff / welchen er / zu einer Kurtzweil mit gleicher Müntz bezahlet. Die Verliebten lassen sich füglich mit den Jägern vergleichen / welche das Gefangene verlassen / und einem andern nacheilen; Also hatte Hortensia Quintellum /der sie brünstig liebete / bereits in ihren Garten /wolte aber den schönen Neapolitaner erjagen. Als nun Quintellus sahe / daß ihme Hermolas seiner Liebsten Gunst weggenommen / lässet er ihm sagen / daß er der Hortensia müssig gehen solte / oder ihne zu einem abgesagten Feinde haben würde; Hermolas sagte / er solte einen Mann finden / der sich für der Weiber Waffen (den Worten) nicht fürchtete. Es gange ihm aber Quintellus mit seine Beystände so lange nach /daß er Hermolas entich begegnet und ihne Mörderischer Weise angriff. Der Neapolitaner stunde an einem Thor / und schützte sich dergestalt / daß ihm Quintellus in den Degen laufft / und in das Bein ver wundet / darüber er auch zu Boden gefallen / und Hermoles / der auch etliche geringe Wunden hatte / zu entspringen Gelegenheit bekommen. Quintellus wird zu den Wund-Artzt getragen / und befindet sich sein Stich zwar gefärlich / aber doch nicht tödlich. Hermolas aber müste dem Gefängnüß entfliehen / und sich zu Viterbo eine Zeit auffhalten / entfernet von seiner schönen Prudentia / welche den Ruff erschallen lassen / das Hermolas nach Aquila verreiset / und nicht mehr wieder kommen würde. Indessen würde Quintellus von seinen Wunden geheilt / und ob er woll Hermolas erstlich beschuldiget / hat er doch nachmals sein Unrecht erkand / und ihn wieder entschüldiget / damit aber seine Freunde keines wegs zu Frieden sein wollen. [261] Hortensia machet sich heimlich in Mannes-Kleidern darvon / und kompt nach Aquila / ihren Hermolat zu ehlicher Beyliebe zu bewegen / nachdem sie aber in der Stadt herumb spatzieret / begegnet ihr Eleonor / den sie für den Hermolas / wegen besagter Gleichheit ansiehet / und auff das freundlichste zuspricht. Als dieser den Irthum / so ihme mehrmahls begegnet / erkennet / und höret / daß es eine reiche von Adel / will er solches Glück nicht aus Handen lassen / doch ihren Worten auch nicht vollen Glauben zustellen / sondern bittet sie / daß sie bey einem seiner Freunde etliche Wochen verharren wolte / biß er seine Eltern zu solcher Verehlichung willigen machte. Inzwischen nimpt er seinen Weg auff Siena / und leget seine Werbung bey Hortensia Freunde selbst ab / die ihn für Hermolas / welcher den Sienesern noch nicht trauen wil / ob er gleich gehöret / daß Quintell sein Feind wiederumb genesen / in das Gefängenißllegen lassen. Bevor nun Eleneor in das Gfängeniß gekommen / und von Hortensia Freunden das Ja-Wort zu dem Ende erhalten / daß ihre Tochter nur möchte wieder kommen / schreibt er alsobald nach Aquila /und bittet seine verhoffte Hochzeiterin sich wieder einzustellen / wie sie auch gethan / den vermeinten Hermolas hat sie aber / in den Gefängnüß / und als hätte er sich entführet / beklagt gefunden. Nach dem aber der Hermolas wieder nach Siena gekommen /und von seinen Freunden Urlaub erlangt / Prudentia zu freyen / wird er ungefehr von den Schergen begegnet / und weil sie vermeinet / daß er auß dem Gefängnüß gebrochen / alsobald angefallen / und wieder in Verhafft genommen. Sie funden aber allda Eleonor /für Hermolas / und wurde den Irrthumb / welchen die Gleichheit ihrer Angesichter machte / bald erkant. Sie bekennen beede die Warheit / werden [262] gegen einander gehöret / und weil Hermolas dem Richter die Hand gesalbt / sind sie der Verhafft erlassen / und wieder auf freyen Fuß gestellet worden; Da dann Hermolas ohne fernere Verzögerung Prudentiam gefreyet / und mit sich nach Aquila geführet / welche ihren Nahmen in der That erwiesen / und sich bey seinen Eltern und Freunden geliebt und geneigt gemacher. Weil nun Hortensia in des Eleonoris Angesicht gefunden / was sie an Hermolas geliebet / hat sie von ihme nicht absetzen / sondern den Betrug für angenehm halten /und sich mit ihm trauen lassen wollen / welche auch nachmahls / als die Schiffer die Ungewitter erzehlet /was sich wegen der grossen Gleichheit Hermolas und seines Angesichts begeben / zu frieden gewesen / hat auch durch seine Demuth / Hortensiam und ihre gantze Freundschafft zugunstiger Gewogenheit veranlaßt.

125. Der falsche Envoye
CXXV. Der falsche Envoye.

Vernehmet / was sich zu Wien für ein behender Spitzbube im Monath Julio Anno 1685 eingefunden. Dieser gab sich auß für dem Marquiß de Caretta / und nante sich einen Envoye des Herzogs von Savoyen. So bald er in gemeldte Käyserl. Residentz kommen /ist er gestiefelt und gesporet in des Hn. Graffen von Königs-Egg Hauß gangen / und als ein naher Vermandter an desten Frau Gemahlin / einer gebohrnen de Porel / bey deroselbē sich addressiret / vorgebend /er wäre Page bey obgemeltem Hertzog gewesen /hätte sie in der Jugend gesehen / und alle Umbstände dergestalt erzehlet / daß die Gräffin ihm Glauben beygemessen: Worauff der Marquis [263] sich beklaget / daß er die Gräffin / als sie letztmahls in Pietmont gewesen /weil er sich eben in seinem Gouvernament auffgehalten nicht sprechen und ihrer Fräullein Tochter Heurath begehren können / weil ihm nun damahl das Glück gefehlet / und er indessen eine andere Frau gewonnen / welche im letzten Zügen läge / und aller Medicorum Meinung nach / keine Hoffnung mehr zu ihrer Genesung wäre! so ersuchte er sie auff dem Fall ihme ihre Tochter zu geben; welches sie aber / mit einiger Erfindung / ihm zwar abgeschlagen / aber wegen des vermeinten nahen Verwandnüß / alß ein emportement einer verliebten Jugend excusirte / und den Acces ins Hauß noch weiter vergönnete / ihm auch alle Ehre anthate. Dieser Marquis begehrte bey der Käyserl. Mayst. Audientz / zeigte aber zuvor seine Instruction Krafft / welcher er ein Regiment zu Pferd /3 Jahr in Ihr. Käyserl. Mayst. Dienste zu erhalten / offeriren solte / und gab vor / er hatte sein Creditio auß Unachtsamkeit im Hause vergessen; Wegen dieses annehmlichen Vortrags nun / ward er zur Audientz gelassen / worbey er den auch dieselbe Propostitiones hat; darauff hatte er auch bey beyden Käyserinnen und der Churfl. Braut Audienz / empfing gleicher Gestalt von dem Cardinal Ambassadeur von Spanien und Venedig die Contre-Visite / und weil er einsmahls bey dem Hn. Graffen Brandiß einen Stoß von dem Thür-Hüter bekommen / brachte er denselben auff Käyserl. Befehl in Arrest. Folgends begehrte er Audientz bey Ihr. Churfl. Durchl. von Bayern / und weil dieselbe noch nicht angekleidet waren / und die Audientz so fort nicht er erstatten konte / befand er sich offendirt /drohete derhalben einen Courier abzusenden / dahero ihm den Compliment gemachet / und solches excusiret wurde. Uber dieses [264] ließ er eine Käyserl. Livre machen / und ließ ihm durch des Printzen von Savoyen Bedienten am Käyserl. Hoffe auffwarten. Er spielete auch mit vornehme Dames / und verlohr 1000 Ducaten / wolte aber solche mit Bayrischen Ducatē bezahlen; Die Dames santen selbige wieder zurück und unter andern Damen wurde einer von solchē Ducaten nachmals 100 zugesand / mit dem erbieten / das Auffgeld nach zu senden. Dem Hn. Graff von Königs-Egg / hat der Marquis das Creditiv am Käyser unter den Savoyschen Wapen gezeiget / auch bey den Venetianischen Ambassadeur einen Rath / seinen Vasallen von Venedig mit seinen Train überbringen zu können / erlanget. Dem Spanischen Ambassadeur / hat er seine Instruction gezeiget / auch dessen Raht in allen gefraget / und erhalten. An den Hertzog von Savoyen / hat er auch einen Courier expediret / und von verschiedene Kauff-Leuthe 8000 Ducaten auffgenommen; Endlich aber auff einen Abend hat er sich verlohren / und haben ihm seine Diener folgenden Tages gesuchet / biß man endlich gemerckt / daß er sich auß dem Staube gemacht; sind demnach seinen Dienern die Kleider wieder außgezogen / und diejenigen gegeben / so ihm Geld geliehen / auch dem Petschierstecher / so ihm die Savoyischen Wapen gestochen /außgelachet worden.

126. Der falsche Potentat
CXXVI. Der falsche Potentat.

Mit was für sonderlichen Practiquen manchmahl sich dieser oder jener für einen Printzen / König oder Käyser außgegeben / und gute Zeit dafür geachtet worden / davon haben wir über Vorgemeltes [265] noch verschiedene Exempel. Daneben auff solche Weise / gab sich ein Liederlicher Gesell Anno 1275 in Flandern vor Balduinum der Gräffin Johannæ Vater auß / welcher Käyser zu Constantinopel gewesen / und zu Adrianopel war verlohren worden / als man ihn aber umb sonderbahre Sachen befragte / verstummete er / und muste sein Leben am Galgen enden. Anno 1286 gab sich einer / Nahmens Tilo Calupus / vor Käyser Friedericum Suevum auß / und sagte / er wäre nicht gestorben / sondern Walfahrten gewesen / dem auch unter andern vielen Fürsten / Hertzog Henrich von Braunschweig glaubete / der des Käysers Tochter hatte / massen er viele Heimligkeiten wuste / weil er sich lange Zeit an des Käysers Hoff auffgehalten /aber Rudolphus Habspurgensis / damahliger Käyser /kam hinter seine Stücklein / und ließ ihn verbrennen. Als König Olaus von Dännemarck nach Schweden seegeln wolte / da blieb das Schiff in einem Sturm /etliche Leute aber schwummen davon / darauff begab sichs / daß die Dantziger ein Kitzel an kam / den Dähnen eines anzumachen / sie traffen einen Bauren an / welcher dem König Olao in allem gleich war /demselben verhiessen sie / ihn als einen König nach Copenhagen zufhüren / wann er ihrer wieder eingedenck sein wolte / dieser willigte drein / und weil er vermittelst eines Spiritus familaris alle Heimligkeiten wuste / so ward er mit freuden angenommen / ehe aber die Königin mit ihm zu Bette gienge / ließ sie Achtung auff seinen Nabel geben / welcher dem König Olao so groß als ein Hüner Ey vor dem Bauch gelegen dabey ward er erkant / unn am folgenden Tage verbrandt. Anno 1583 betrog ein Kürßner /Nahmens Moritz Eußner den König von Spanien über die massen liederlich / er gab sich auß vor einen Schlesischen Fürsten / hatte viel Diener / und gab vor / daß er und [266] sein gantzes Land die Römische Religion angenommen hätte / worüber der König dermassen erfreuet war / daß er ihn in grossen Ehren hielt / und grosse Geschencke reichen ließ / weil aber ein Schlesischer Edelmann ungefehr an eben diesem Spanischen Hofe sich mit ihm wegen etlicher vornehmen Geschlechte zu Hause in einen Discours einlässet /und er nicht darauff antworteten kan / so ward der Betrug offenbahr / und er sambt seinen Dienern in köstlichem Peltzwerck bekleidet / mit langsahmen Feuer zu tode geschmäuchet. Ich würde nachfolgendes Exempel ebenmäßig zusammen ziehen / wann es nicht überaus merckwürdig wehre.

127. Der falsche König von Portugal
CXXVII. Der falsche König von Portugal.

Anno 1601 / hat sich ein verlauffener Münch auß Calabria von Teverna bürtig / vor den König Sebastian aus Portugal (der vor 20 Jahren in Africa von den Mauren erschlagen) außgegeben. Erstlich kam er nach Venedig / und begehrte beym Raht Audientz / daselbst erzehlete er den Verlauff seines Lebens / und wie seine Vorfahren nach einander in Portugal regieret hätten: Deßgleichen seine grosse Niederlage in Africa / und wie er sich in Calabria in ein einsahm Leben begeben / und ganz entschlossen gewesen were / sich nicht zu offenbahren / beydes / weil er sich seines Unglücks geschämet / und dann weil er seine grosse Unbesonnenheit / und Unvorsichtigkeit im geführeten Kriege straffte: Dafern ihm der Geist Gottes nicht eingegeben hätte daß er wieder in seinen vorfgen Standt / darinnen er gebohren were / gelangen würde. Daß er sich aber bey dem Raht zu Venedig zum aller ersten [267] angegeben / geschehe darumb / daß derselbe als höchst verständig am besten urtheilen würde von der Warheit seines Zustandes. Und damit sie ihm destomehr Glauben zustellen möchten / so erzehlete er mit allen Umbständen / und nennete sie mit Nahmen /was die Venetianer vor Gesandten zu ihrem Könige Sebastian ehemahlen geschicket / was ihre Werbung gewesen / was sie vor Bescheid mit von ihm nach Hause gebracht / und was darüber berahtschlaget worden. Der Raht von Venedig / so in allen Dingen gar behutsam gehet / ließ der Abgesandten an den König Sebastian Relationen auffsuchen / und funde alles gemäß / wie es erzehlet. Es waren ihm viel scharffsinnige und nachdenckliche Fragen vorgeleget /wegen seiner geführten Regierung / aber er war so resolut und unerschrocken in seiner Antwort / daß ihnen ihrer viel vor den rechten König Sebastianum hielten /andere aber vor einen Schwartzkünstler. Der Spanische Gesandter erhielt so viel / an statt seines Königes / daß er als ein Land-Bettrieger in gefängliche Hafft genommen ward / nackend außgezogen / und besehen / ob die Zeichen des Leibes / denen so man an den König Sebastian gemercket / zufinden: Man fand ihr wol 17 / welche entweder von Stann waren /oder auch wohl durch Kunst gezeuget / als / daß eine Hand längerwar als die ander / eine grosse Unterlefftzen / etc. Endlich / nachdem sie ihn lange Zeit gefangen gehalten / damit sie seiner loß wurden / schafften sie ihn innerhalb drey Tagen das Venedische Gebieth zu quitiren / oder sie wolten ihn auf die Galleeren schmieden lassen. Wie er nun wieder loß kam / begehrten etliche Portugieser / so zu Venedig wohneten / daß er doch mit ihnen reden wolte / ob seine Stimme des Königes Sebastiani Stimme / wie das Angesicht[268] zusagen möchte / er redete sie auff Portugisische sprachen mit gar Majestättischen Gebärden / also an: Machet euch keinen Zweiffel / lieben Kinder / daß ich nicht der unglückseelige König Sebastian aus Portugal sey / nicht daß ich meines Königreichs unwürdig /sondern der Sonnen Liecht und des Lebens / welches ich doch umb meines Volches Wolfarth willen salviret: indem ich mir für Augenstelle / was ich fürgenommen / daß ich wieder des Cardinals / meiner Mutter Bruder / des Königes Philippi / meiner Frau Mutter / der Königin und aller der Meinigen Raht / einen vertriebenen Heidnischen König den Mulei Hamed wieder einsetzen wollen / dadurch ich nur meine vergebliche Ehre und nicht die Fortpflantzung des Christl. Nahmens suchete / und damit ich solche Armee aufbrachte / meine Unterthanen mit grossen Schatzungen beleget / auch den Adel bey Verlust ihrer Privilegien und Lehnen mit zu ziehen zwang / die ich doch eines theils von Cadix wieder zurück schickete /indem ich mehr auf des Mulei Hameds Lügen / als der in Africa grossen Beystand finden würde / und meiner gröste Macht trauete / als auff meiner treuen Diener Raht. Und weil meine grosse Unbesonnenheit / so viel 1000 Menschen / die der Christenheit nützlich hätten dienen können / in Africa umbs Leben bracht / so habe ich keine Lustmehr zu Leben / und wolte gewünschet haben / daß ich schon längst der schwerlichen Bürde dieses Lebens benommen gewesen: Weil ich durch viel außgestanden Unglück gelernet / daß alle Menschliche Weißheit gegen Gott zum Narren wird /daß dieß / so er beschlossen / geschehen muß / bin ich nun gezwungen worden / außzugehen / wohin er mir befiehlet / und mich für diesen zu erkennen gegeben /so er wil / daß ich seyn soll. Als er dieses geredet /[269] fieng er an zu weinen / und machte daß alle Zuhörer auch weinen musten: Weil sie vermeinten / sie thäten GOtt und dem Vaterland einen Dienst daran / wenn sie ihren König in einen sicheren Orth verschafften /verkleideten ihn in Mönchs-Kleider / und führeten ihn nach Florentz / daß er desto sicherer nach Rom kommen möchte. Aber der Groß-Fürst ließ ihn gefänglich einziehen / und schickte ihn dem Vice-Roy von Neapolis zu / als er nun vor den Vice-Roy von Neapolis kam / erschien er ihm unerschrocken / und mit einer Heroischen und Majestätischen Gebärde. Wie er nun im Saal gieng / und noch ziemlich weit von dem Vice-Roy war / welcher vielleicht wegen grosser Hitze den Hut abgezogen / ruffet er mit heller Stimme: Graff von Lemos decket euch! Dieses redete er so ernsthafft und unerschrocken / daß alle Umbstehende sich entsetzen / der Vice-Roy antwortete: Wer hat dir Gewalt gegeben / mir zu befehlen? Er antwortet: Ich weiß gar wol / daß ihr der seyd (erinnert euch nur) den Konig Philippus meiner Frau Mutter Bruder zweymahl zu mir schickte / und von diesem Handel redete er so außführlich und umbständlich / daß er den Vice-Roy gar perplex machte / und der gemeine Pöbel gewiß dafür hielte / daß er die Warheit redete. Der Vice-Roy / sagte: daß er ein Land-Betrieger were. Diese Schmach thäte ihm so weh / daß er dem Vice-Roy wieder schmählichen begegnete / aber es konte ihm nicht helffen / daß er nicht in das Casteel d'Ovo gefänglich geführet ward / da er denn nichts anders ruffete / als man solte ihn in Portugal führen / und dem Volck zeigen / so würden ihn nicht allein Menschen /sondern auch Thiere und Steine vor den rechten König Sebastian aus Portugal erkennen. Endlich ist er auf die Galeeren geschmiedet worden.

128. Der listige Persianer
[270] CXXVIII. Der listige Persianer.

Herodotus schreibt / das sich nach Cambysis Todt /ein Magus Smerdes genant / welchem Cyrus die Ohren abschneiden lassen / sich vor Smerdin Cambysis Bruder außgegeben / und durch Hulffe der andern Magorum 7 Monath regiret / ist aber auff folgende Weise entdecket worden; Es war Othanes ein fürnehmer Fürst in Persien / dessen Tochter / wie auch alle andere Cambysis Weiber diese falsche Smerdes zur Concubinen gebrauchte / dem ward verdächtig / daß dieser Smerdes sich von niemand wolte sehen lassen /schickte zu seiner Tochter / ließ befragen / bey was für einem Mann sie schlieffe? Als sie dem Vater wieder zur Antwort sagen ließ / sie wüste es nicht / könte auch mit keiner andern reden / denn so bald dieser ins Reich getretten / hätte er die Weiber alle sondern lassen / vermehrete solches Othani den Argwohn / befahl derhalben sie solte / wenn sie mehr bey ihm schlieffe /und erentschlaffen / fühlen / ob er Ohren hätte / fünde sie Ohren / wehre es der rechte Smerdes / wo nicht /der Mogus. Die Tochter thut es / befindet keine Ohren / welches sie Othani berichtet / Othanes verbindet sich noch mit sieben fürnehme Persischen Fürsten /daß sie solches nicht wollen ungerochen lassen / ziehen zu sich Prexaspen / so den rechten Smerdin umb gebracht / welcher auff ihr Anhalten auf einen hohen Thurm tritt / und in Beysein alles Volckes erzehlet /wie es ergangen / und daß er auf Befehl Cambysis den Smerdin selber erwürgt hätte / und die Magi nun regiereten / ermahnet auch das Volck / daß sie sich wieder in die Freyheit setzen solten: Als er dieses gesagt /stürtzet er sich vom Thurm / und fället den Hals ab /[271] darauff fallen die sieben Persische Fürsten ins Schloß und hauen alle Magos darnieder. So schreibet auch Tacitus / daß sich ein Knecht aus Ponto / in allem Neroni gleich / für Neronem auß gegeben / welchen die Parther auffgenommen / aber hernach von Calpurnio ertödtet worden. Die meisten Exempel derer / die sich fälschlich vor eine gewisse Persohn außgegeben /haben wir in Moscau / deren unter andern noch vor wenig Jahren einer / so sich vor den rechten Erben desselben außgab / in Nieder-Sachsen herumb reisete / auff des Groß-Hertzogs begehren aber gebunden hingeschickt ward / und was sol ich sagen / die Brieffe von dannen melden uns / daß im Anfang des Monats Octobris vergangenen Jahrs sich einer vor den Groß-Hertzog auß gegeben / weil man ihn aber vor ein Betrieger befunden / sey er geviertheilet / und der rechte Printz Eedor Alexovitz zum Reichs-Erben /und Nachfolger erkläret worden.

129. Der leichtfertige Betrieger
CXXIX. Der leichtfertige Betrieger.

Zu Paris hat man vor wenig Jahren einen leichtfertigen Buben gesehen / dessen Stücklein ich von anfang biß zu Ende erzehlen muß / und nach den Worten eines Edelmans / den er auch betrogen hat / also lautet die Beschreibung des Edelmans: Sein Vaterland war Kärnten / und war er eines Bürgermeisters Sohn /oder eines Freyherrn Bastart / wie er selber zuletzt als hernach folgen wird / zu verstehen gegeben; ein Mans ohngefehr von erlich dreyßig Jahren / oder darüber /langer / gerader Statur / trug gelbe lange Haare / und Bart / roth und weiß von Gesicht / wohl studiret und beredet / auch erlicher Sprachen / Lateinisch / Spanisch / Jataliänisch und [272] Frantzösisch kündig / und gewiß von Ansehn eine solche Persohn war / daß es einem vornehmen Herrn wohl angestanden hätte. Erstlich hat er in Patria zwey Pferde geborget / und gantz mit davon geritten / und sich damit durch Pohlen in Lieffland gemacht / und in die vornehme Stadt Riga begeben / alda ein überauß reicher Mann ein Gold-Schmidt gewohnet / so eine eintzige Tochter gehabt /welche überaus schön war / mit derselben machte er Kundschafft / insinuirte sich auch bey Vater und Mutter so weit / weil er sich vor einen Oesterreichischen Graffen auß gab / daß ihn das Mensch lieb bekommen / und er sie zur Ehe genommen. Nachdem aber der Gold-Schmidt einen Bothen in Oestereich gefertiget / umb sich zu erkündigen / wie es umb seines Eydams Sachen stünde / und er vermerckt / daß der Bothe bald wieder kommen möchte / machte er sich stillschweigend davon / und ließ sein Weib hoch geschwängert dar sitzen / brachte auch sonder Zweiffel ein groß Stück Geld davon. Nach diesem ist er in ein ander Königreich gezogen / alda er sich für einen Oestereichischen Frey-Herrn / einen von Berneck außgab / mit den vornehmsten Herren machet er zu Hoffe Kundschafft. Nun wohnte eine Gräffin dero Orthen /so eine erwachsene. Tochter hatte / bey dieser insinuirte er sich auch / und wird die Gräffin so hefftig gegen ihn verliebt / daß sie ihm die Ehe zusagte; wiewohl nun ein Bothe in Oestereich geschickt war / eilten sie doch mit der Hochzeit so sehr / daß sie des Bothen Rükkunfft nicht erwarten / sondern ward stanlich gehalten / weil er ihm aber leicht die Rechnung machen kunte / was der Bothe für eine Post bringen würde / hat er seine Gemahlin dahin persuadiret / daß sie ihre beste Sachen zu Gelde gemacht / und sich mit ihm stillschweigend [273] in ein ander Königreich begeben. Wie nun der außgeschickte Bothe wiederkompt / und berichtet / daß dieß Geschlecht gar nicht vorhanden /sondern vor 100 Jahren verstorbē / ist ihm bald nach geschickt / und er in Arrest genommen worden. Er gehet auß dem Arrest nach Hofe / machet sich unnütze / und fraget / wer ihn in Arrest nehme / ob ers ihm auch zu zahlen hätte / daß er da solte mit seiner Gemahlin im Wirts-Hauß so lange Zeit liegen / und seine Reise nach Hause nicht fortstellen? Der König läst ihm sagen / weil ihm diese Herberge zu theur / so wolle er ihm eine wolfeilere bestellen / läst ihn darauff beym Kopf nehmen / zu unterst in einen Thurm werffen / und nur mit Wasser und Brodtspeisen: die Gräffin aber läßt er in einem Wirthshauß nach Würden tractiren. Endlich kam er dergestalt loß / daß er beyde Königreiche / wie auch / daß er eine Gräffin geheurahtet / verschweren müssen / und des Landes verwiesen worden / die Gräffin aber ward ihrer Frau Mutter wieder zu geschickt. Wie dieser nun auf Hamburg kombt / und erfähret / daß ein Schiff nacher Sevilien in Spanien lauffen werde / kommet er zu den Kauffleuten / so mit fahren / giebet sich für einen Ostreichischen Herrn / und deß Käyserl. Gefandten / so in Spanien residirte / nahen Bluts-Freund aus / bittet /sie wolten ihn mit dahin nehmen / denn sein Freund seiner begehret / und zehrfrey halten / sein Hr. Vetter würde es ihnē alles danckbahrlich wieder erstatten. Weil nun den Kauffleuten der Käyserl. Gesandte bekant / nahmen sie ihn mit / und hielten ihn gantz zehrfrey / als er in Spanien kömbt / redet er die Kauffleuthe also an: Ihr wisset / daß ihr Lutheraner Ketzer seyd / und alhier die Inquisition ist: Werdet ihr mir die Zehrung nicht nachlassen / und noch ein gewiß Stück-Geldes dazu geben / wil ich euch [274] euch bald in die Inquisition bringen. Wollen sie nun seiner loß werden / müssen sie ihm die Zehrung schencken / und das begehrte Geld geben. Diesem nach kombt er zu Marpurg in Hessen / leget sich in ein Wirtshauß / giebet sich für einen Oesterrechischen von Adel auß / mit Nahmen Andreas Holde zu Weinhiß / bittet einen Schlesischen von Adel zu sich / klagte ihm / wie er von den Räubern aus Niederland herauf reisend / were beraubet worden. Nun möchte er sich seinen Lands-Leuten nicht offenbahren / denn er wuste / daß sie nicht Mitleiden trugen / und bittet ihn / er wolle ihm 6 Reichsthal leihen (welches auch dieser that) er wolle sie ihm von Cassel / dann er seinen Wechsel erwartet / mit gutem Danck wieder schicken / schreibet ihm auch einmahl oder drey von Cassel / bittet umb Gedult / schicket aber nichts: Daher ich seine Hand kennen lernen. Hernach hat er sich auch zu Speyer befunden / alldar grosse Acten auff setzen lassen / mit Vorgeben / wie ihm seine Gemahlin mit Unbilligkeit were vorenthalten worden / und vorgegeben / er wolle beym Käyserlichen Kammer-Gerichte klagen / daß man ihm seine Gemahlin zustellen muste. Solches hat mir ein Doctor so damahls zu Speyer gleich practiciret / referiret / und die Acten gewiesen / er hat auch in Italien zu Venedig / durch seine Praxin sich berühmbt gemacht / denn er in einem Teutschen Wirtshauß eingekehret / alldar auch drey Oesterreichische Herren /Herrn von Stein logirten / mit welchen er Kundschafft machte / sich vor einen Frey-Herrn von Eck außgebend / auch unterschiedlichemahl von ihnen Geld erlangete / wie er aber zu offte wiederkombt / und sie erfahren / daß drey Herren von Eck zu Padua studiren / machte sich der älteste von den Herrn von Stein stillschweigend auf / zeucht nach [275] Padua / und erkündiget sich bey den Herrn von Eck / ob sie irgend einen Vetter hätten / der also gestalt were. Sie berichteten /daß sie die Letzten im Geschlecht; Zwar hätten sie noch ihres Vatern Bruder / were aber ein alter Eyßgrauer Mann / daß er nicht außreisen könte. So sich nun einer vor einen Herrn von Eck außgebe / muste er ein Land-Betrieger seyn. Wie nun der von Stein wieder auff Venedig kombt / und der von Eck wiederumb Geld sollicitiret / schlug ihn der von Stein zu guten Zügen ab / muß auch einen schriftlichen Wiederruff thun / daß er nicht der wehre / vor den er sich außgegeben / solches hat mir ein Dänischer von Adel / einer von Lindenau in Engelland erzehlet. Denselben Frühling kam er in Engelland / giebet sich an in unserm Logis / die Italiäner / da dießmahl 4 Oesterreichische Herren waren: Und weil wir gleich bey der Mahlzeit /läßt er einen Oesterreichischen Herren heraus fordern. Nun war ein Schlesischer von Adel Hanß von Cölln /so hernachmahls in Türckey gewesen / dem Herrn etwas ähnlich / und auch also gekleidet: fordert also der Knabe denselben heraus / denn er den Oesterreichischen Herrn nur von Gestalt und Kleidung beschrieben. Wie Cölln heraus kombt / machte er sich unnütze / daß er ihn als einen alten Freund so lange warten liesse / Cölln entschuldigte sich / es wehre ihm nicht eher gesaget worden / dazu wüste er nicht wer er wäre: Dieser sagte / ja ihr wollt mich nur nicht kennen / da er doch sein naher Bluts-Freund / und ein Herr von Eck were. Cölln replicirte / daß er kein Oesterreichischer Herr / sondern ein Schlesischer Edelmann were / wie er höret / daß er unrecht troffen / bittet er den Oesterreichischen Herrn heraußkommen zulassen / welcher ihn mit auff seine Kammer nimmet. Weil[276] aber / auch ein vornehmer Teutscher Graffe gleich bey ihnen / so einen vom Adel bey sich hat / der diesen Gesellen kennet / und dieser den vom Adel erblicket /hat er gebeten / die Kammer zu verschliessen / damit sie allein mit einander reden möchten: ist also auf den Morgen früh wieder entwischet: Nachdem aber bald darauff die Oesterreichischen Herren wieder aus Engeland verreiseten / ist er länger darinnen geblieben /und sich noch dazu für einen Ritter Johanniter-Ordens außgegeben / sich bey zwey vornehmen Teutschen Herren insinuirt: Und weil jetztgedachte Herren ziem lich gezehret / ihr Herr Vater unwillig gewesen /ihnen Geld zuschicken / doch einen Wechsel gemacht / und dieser Gesell solches außgekundschaffet / hat er gegen die jungen Herren vorgeben / er hätte ihren Herrn Vater dahin persuadiret / daß er einen Wechsel gemacht / ihnen auch ziemliche Außputzer gegeben /daß sie so frisch hinein gezehret / die Herren Creditoren erfordert / mit ihnen Abrechnung gehalten / ihnen verwiesen / daß sie den jungen Herren so viel außgesetzet / und wiewol es ihr Herr Vater zu zahlen nicht schuldig / hätte er ihn doch für dißmahl überredet /wegen welcher seiner gehabten Mühe die Herren ihm einen statlichen Ring verehret / und hat damahls Cölln / welcher auch in Engelland verblieben / mit ihme gute Kundschafft gemacht / so mir dieses auch referiret. Dieß Jahr umb Fastnacht / kömmet er nach Pariß / logirt in der Teutschen Herberg zum Eysern-Creutz. Als ich nun mit dem von Cölln und einem andern Schlesier auf den Abend nach Tische spatzieren gienge / kombt ein Teutscher Balbirer zu uns / welcher berichtet / daß ein Oesterreichischer Herr zum Eysern Creutz / einer von Weinhiß (also nennete er sich) ankommen / wo er ihn recht kennete / hätte [277] er ihn vor 2 Jahren zu Orliens gesehen / wäre ein rechter Land-Betrieger. Wie er ihn nun beschrieb / fiel Cölln bald ein / daß es eben dieser seyn würde / so in Engelland gewesen. Derhalben wir uns vereinigten andern Tages das Frühmahl in gedachtem Wirtshauß zu nehmen. Weil aber ein Märckischer von Adel alldar sein Logis hatte / wolten wir ihn zuvor sprechen; kamen aber aus Irrthumb in des neuen Herrn Kammer (weil sie neben einander) so noch in Bette lag / und als er uns sahe / den Vorhang bald vorzog / derwegen wir umb Entschuldigung baten / daß wir unrecht gegangen zu dem Märckischen vom Adel / und bald darauff zur Mahlzeit giengen; Cölln aber kante ihn bald / daß er der wäre / so in Engelland gewesen. Weil wir aber noch bey Tische sitzen / kommet der obengemelte Teutsche Graffe mit seinem vom Adel / welcher diesen Gesellen vormahls gekennet / und saget; Lieben Herren / ich höre / daß ich einen Vetter hier habe /einen von Eck / möchte sehr gerne mit ihm reden /Cölln berichtet / daß es eben der sey / so in Engelland gewesen. Nach vollbrachter Mahlzeit / verfügen wir uns in des Märckischen vom Adels Kammer / zuwarten / ob man an ihn kommen möchte / denn er die Kammer fest zugeschlossen. Nun gieng ohngefehr ein Schweitzerischer Doctor / den er umb Geld betrogen /zu ihm / und wie er wieder abtrat / ließ er die Thür offen / darauff Cölln alsobald hinein tritt / entschuldiget sich / daß er ihm / als wir des Morgens drinnen wahren / nicht die Reverentz gethan / denn er ihn nicht gekennet. Er will Cölln nicht kennen. Cölln aber beweiset ihm so viel / daß er es gestehet / er sey eben der / so in Engelland gewesen / und ein Herr von Eck / weil aber viel Oesterreichische Herren dar wahren beraubet / und sich ihnen nicht gleich halten könte /[278] so würden sie ihn verachten / bäte derowegen / er wolle ihn nicht melden / sondern er wolte ein ander Logis nehmen / welches er ihm nennt / so solte er zu ihm kommen / damit sie mit einander Conversiren könten. So bald nun Cölln berichtet / daß er eben der sey / so in Engelland gewesen / gebet der Graff zu ihm hinein! (wir andern blieben vor der Thür stehen) und redet ihn also an: Er hätte verstanden / daß er ein Herr von Eck wehre / nun wehren die Herren von Eck seine nahe Bluts-Verwanten / were seiner glücklichen Ankunfft erfreuet / und præsentiret ihm seine Dienste. Er saget / er würde ihn nicht kennen / er wehre keiner von Eck / der Graff beruffet den von Cölln / der es ihm unter das Gesicht saget / daß er es erst gestanden / darauff zog er den Vorhang im Bette vor / denn er lag noch zu Bette / und bat / man wolte ihn doch zu Ruhe lassen / denn er Artzney eingenommen / und Blut von ihm gienge / der Graff aber rieß den Vorhang mit Gewalt weg / und sagte: Ich habe mich so verhalten / daß sich meine Freunde meiner nicht schämen dürfften / ruffte darauff seinen von Adel / und sprach: Komm her / kennestu auch den Gesellen? der von Adel trat vors Bette / kreutzigte sich und sprach: (darob wir andern fast erschracken / nicht meinende /daß er eintreffen möchte) je / sol ich den Schelm nicht kennen? erzehlete darauff von Stück zu Stück außführlich: wie oben gemeldet / was er in Patria / zu Riga und allen Königreichen verübet / auch wie er seinenthalben einen Eyd schweren müssen. Auff welches alles er nur inficiando antwortet: Bin ich dar gewesen? Ich bin nicht dar gewesen? darauff sagte der Graff / wenn ich nicht der Teutschen Nation schonete / so wolte ich einen Galgen fürs Hauß banen / und dich bald ohne alle Urtheil und Rechten daran hencken [279] lassen. Auff diese Worte grieff er nach den Kleidern / und machte sich aus dem Bette / und sagte: Ey so bin ich doch einer von Eck. Ja sagte der Graff /neben bey gezielet / darnach ward beschlossen / daß er einen schrifftlichen Revers von sich geben solte /darin er sich zum Schelm machte / und daß er der gar nicht were / vor den er sich außgegeben. Der Revers ward von dem von Cölln zum schärffesten auffgesetzet / und von ihm unterschrieben: mit den Nahmen Andreas Holde zu Weinhis. Als ich den Nahmen und die Hand kennete / hielte ich ihm für / daß er eben der sein würde / so meinem Gesellen zu Marpurg 6 Reichsthal. abgelogen / zu Speyer solche Grumpen vorgegeben / und auch zu Venedig die Herren von Stein angesetzet / welches er aber auch / wie obiges /inficiando gleich lautende verantwortet. Wie nun der Revers fertig / trat der Märckische von Adel herzu /und redet ihn also an: Hörestu / ich habe biß hieher stillgeschwiegen / wiewol ich gehöret / daß du keines Herren Standes / so habe ich doch gemeinet / du wärest sonst redliches Sinnes / weil ich aber sehe / daß du solche Sachen unterschriebest / und dich selber zum Schelm machest / und du dich mit mir in Bruderschafft eingelassen / solen wissen / daß ich dich nicht würdig achte / und solt mir auch einen Revers geben /daß du keinen solchen Geschlechts gekennet / vielweniger einige Kundschafft mit ihm gehabt / welches er auch vollenzog. Hernach sprach er: Nun was ist euch denn damit gedienet? Darauff ward ihm geantwortet: Daß wir wissen / daß du ein Schelm bist / und wir ehrliche Leute vor dir warnen können / daß du sie nicht imgleichen betreugest / liessen ihn also / und giengen davon / wo er hinkommen / ist mir unbewust! So aber einem ein mehrers von ihm wissend [280] / stehet ihm frey herzu zusetzen. So viel ward dadurch verrichtet / daß der Märckische von Adel / so viel Geld ihm geliehen / und die Wirthen gezahlet worden / wie aber der Schweitzerische Doctor zu recht kommen /kan ich nicht wissen.

130. Der listige Ehebrecher
CXXX. Der listige Ehebrecher.

Nachfolgende Geschichte ist zwar etwas lang / aber man würde ihr den Glauben und Connexion benehmen / wann man das Geringste von den Umbständen /so darin erfodert werden / auß lassen würde. Anno 1559 hatte Bertranda Rolsia / auß der Stadt Artigues /in dem Gebieth Rieux / dem Seneschal de Rieux /oder obersten Richter selbiges Orths / vermittelst einer Klag Schrifft zu verstehen gegeben / was massen sie vor ungefehr zwantzig Jahren einen / Nahmens Martin Guerre / geheurahtet / und mit demselben in die neun oder 10 Jahr im Ehestand gelebet / und von ihme einen Sohn / Nahmens Sauxium überkommen habe / der annoch im Leben sey / gemelter Martin habe hernachmals / weil er auß leichtsinniger Weise seinem Vater etwas Weitzen entwendet / sie und sein Hauß-Wesen verlassen / und in die 8 Jahren von ihr gewesen / in welcher Zeit sie nicht das Geringste von ihm vernommen. Unterdessen aber sey einer zu ihr gekommen / der sich vor ihren Mann den Martin Guerre außgegeben / in der That und Warheit aber Arnaud Tillier / mit dem Zunahmen Pansette / ein Sangienser sey / welcher ausser allem Zweiffel sich im Krieg bey dem Martin auffgehalten / mit ihme gute Freundschafft gepflogen / und vermittelst derselben viel von seinem Hauß-Wesen / nebenst andern geheimen, [281] so wohl ihn alß sein Weib betreffenden Sachen erforschet / und weil er sich auff die mit dem Martin habenden Angesichts-Gleichheit verlassen / habe er alles Freundschaffts-Recht gebrochen / einen neuen Betrug erdacht / sich zu vier Schwestern / einem Vettern und andern Freunden / ja so gar zu ihr / der Rolsia selbst und den sämptlichen ihre bekandten Einwohnern zu Artigues begeben / und ihnen so eigentliche und gewisse Kenzeichen gegeben / daß er nicht nur von denen jenigen / die nicht von ihren Geschlecht waren / sondern auch von allen Anverwandten / und der Rolsia gleichfals vor denjenigen gehalten und angesehen worden vor den er sich außgegeben. Es sey sich aber hierüber im geringsten nicht zu verwundern / daß sie ihren Mann zu sehen und wieder zu überkommen grosse Begierde gehabt / weil insonderheit der Tillier viel geheime und verborgene Sachen / welche zwischen Eheleuthen vorzufallen pflegen / mit außdrücklich gemelten Umbständen des Orths und der Zeit zu erzehlen pfleget. Also sey es geschehen / daß er Tillier der Persohn der Klägerin unter den Namen eines Eheweibs habhafft worden /und über die drey Jahr mit ihr ehlig gehauset / und alle Güter des Martins / welche er so wohl zu Artigues / als zu Andrea in den Cantabrischen Gräntzen besessen / von dannen er auch bürtig gewesen / in Besitz genommen. Sie habe ferner auß dieser ehelichen Beywohnung zwey Kinder überkommen / und weil sie endlich von den erschröcklichen Tücken und unerhörten Betriegerey des Tilliers vergewissert worden /habe sie immer fleissiger nachgeforschet / und zwar auff Vorschub des obersten Richters zu Artigues / biß sie nunmehro hinter die rechte Warheit kommen / da sie dann annitzo inständig bitte / daß dem Betrüger möge eine doppelte Straffe / davon eine den Leib / die andere das [282] Gut betreffe / angethan werden; also / daß er mit blossen Haubt und barfusigt / in blossem Hembd eine brennende Kertze in die Hand haltend bekenne / daß er wieder Gott / den König und die Rolsia sich gröblich versündiget habe / und wegen dieses verübten Bubenstücks öffentlich demühtige Abbitte thue; auch noch über das angehalten werde eine Geld-Straffe von 2000 Pfunden zuerlegen / und entlich der Rolsia alle Unkosten und Schaden / die Zeitwehrender Streitigkeiten vorgefallen / zu erstatten. Der Tillier hingegen / als Beklagter / brachte seine Verantwortung / wider die Rolsia / und ihre Verwandten und Blutsfreunde auff solche Weise vor: Wann einer jemahls / sagte er / von seinen Verwandten unbilliger Weise mit Lästerworten beleget und gequälet worden / so bin ich ausser allen Zweiffel derselbige; Dann obgleich alle und jede genugsam wissen / daß ich Martin Guerre von Artigues sey / so hat doch mein Vetter Peter Guerre wieder mich ein neues / und vorhin unerhörtes Laster erdacht / nur einig und allein mit diesem Absehen / damit er möchte nemblich befreyet sein / wegen meiner bißhero in Besitz gehabter und zu seinem Nutzen verwendeter Güter / einige Rechnung abzulegen. Darauff erweiterte er seine Rede und ein merckliches / und fieng an zu erzehlen / wie er beyläufftig in die 8 Jahr als ein Soldat unter des Königs Völckern gedienet / und hernach aus Antrieb die Seinigen einmahl heimzusuchen / wieder nach Artigues gekommen wäre. Und obgleich die geraume Zeit in seinem Gesicht einige Veränderung veruhrsachet / weil er von Hause abreisend gantz unbärtig gewesen / so sey er doch in seiner Wiederkunfft sowol von andern / als auch insonderheit von seinem Vettern erkant / und auff das freundlichste empfangen worden / biß er entlich angefangen auff seine Sachen zu dencken / deßwegen [283] Rechnung zu fordern / und die in Zeit seiner Abwesenheit genossene Abnützung von dem besagten Vettern zu begehren. Dann weil ich ihn (fuhr er forth) deßwegen zum öfftern freundlich erinnert / und doch dabey Handgreifflich verspühret / daß er mich nur mit süssen Worten auffzuziehen begehrte / bin ich entlich gezwungen worden / ihn zu verklagen / und gerichtlich das Meinige zu suchen. Dann ich konte ihn / zu Erstattung des empfangenen Nutzens /und Schliessung einer richtigen Rechnung / durchaus nicht bringen / sondern er und seine Eidame wurden deßwegen auf mich sehr erbittert / und trachteten mir zum öfftern nach Leib und Leben; Ja sie hatten mich einsmahls feindlicher Weise angegriffen / mit einem Prügel tödtlich verwundet / und zu Boden geworffen /auch ohne Zweiffel gar ermordet wo nicht mein gegenwärtiges Weib sich darzwischen geleget / mich mit ihren Leibe bedecket / die auff mich gerichtete Schläge abgewendet / und mich vom Augenscheinlichen Untergang befreyet hätte. Nachdem Tillier vor den Richtern sich also verantwortet hatte fieng er an weitläufftig und warhafftig (wie es sich hernach gewiesen) zu erzehlen / was es mit der Landschafft Cantrabria / als des Martins Vaterland / vor eine Beschaffenheit habe / ja er meldete eines und anders von seinen Eltern / Brüdern und Schwestern und andern Blutsfreunden in was vor einem Jahr Monaht und Tag er Hochzeit gehalten / von seinem Schwehr und Schwieger / von den Jenigen / welche dazumahls zugegen gewesen / und die Ehe hatten schliessen helffen / von den Kleidern / welche sie beede selbigen Tages angezogen / und insonderheit von allen denen Dingen / welche so wol am Hochzeit-Tage als vorhero und hernach sich zugetragen / also / daß er auch so gar diejenigen nennete / die ihn umb Mitternacht in der Schlaff-Kammer [284] besuchet hätten. Ferner sagt er von seinen Sohn Sanxio / und dessen Geburts-Tag / von der Uhrsache seiner Abreise / und denen jenigen / die ihm dazumahls begegnet / und noch vielen andern Sachen / da er dann allezeit die gewissen Persohnen andeutete / welche er hernach fragte / ob sich die Sache also verhielte / damit seine Erzehlung vor desto wahrscheinlicher gehalten werden möchte. Durch diese so viele und unterschiedliche warhafftige Zeichen / die er weitläufftig erzehlet / geriethe die Sache dahin / daß die Richter ihnen einbildeten / es sey Tillier an der Bezüchtigung gantz unschuldig. Dann ob sie gleich höchsten Fleiß anwendeten / ihn auf seiner Lügen zu erwischen / richteten sie doch nichts aus / konten ihn auch nicht einmahl irr machen / oder verschaffen / daß er ungeschicklich oder falsch auf eine und andere Frage geantwortet hatte / ob sie gleich insonderheit und zu unterschiedlichen Zeiten ein und anderes von ihm forscheten. Hernachmahls wurde noch fleißiger in dieser Sache gearbeitet / also / daß man viel Zeugen deswegen abhörte. Unter denen 30 oder 40 auf des beklagten Seite waren / die da bejaheten / er sey der warhafftige Guerre / weil sie mit ihm von Jugend auff gute Freundschafft gepflogen / und an ihm etliche gewisse Merckzeichen beobachtet / welche der Martin an sich gehabt hatte. Es wahren im Gegentheil ihrer vielmehr vorhanden / welche solches durchaus läugneten / und ihn vor den Arnold Tillier hielten. Weil nun deren Zeugnis durch andere Kenzeichen / die des Martins Sohn Sanxius / und die Schwestern bey brachten / beystättiget wurde / als ward er vor dem Seneschal de Rieux / oder obersten Richter von Rieux durch Urtheil und Recht zum Tode verdammet. Hiermit ware er aber nicht zufrieden / sondern appellirte an das Parlament zu Tholose. Die Herren desselben[285] Parlements liessen hierauf / nach ihrer beywohnenden Klugheit / und wegen Wichtigkeit dieses Handels /den Vettern Peter Guerre / und die Klägerin Rolsia vor Gericht fordern. Da wurden sie gegeneinander gehöret / und zwar das Weib zu erst. Dazumahls nun ware Tillier so unerschrocken und standhafftig / ja er liesse mehr Beständigkeit / als die Klägerin selbst /von sich blicken / daß wenige von den Gerichts-Herren ihn vor einen Betrieger hielten. Weil aber die Sache noch nicht lauter und klar ware / als gefiele dem Parlement von Ambtswegen / wegen anderer Dinge einige Inquisition anzustellen / und andere Zeugen vorzufordern / als der vorige Richter verhöret hatte. Allein als man auch auff solche Weise verfahren / und es an keinem hierzu dienlichen Mittel ermangeln lassen / wurde hierdurch die Sache noch dunckler / als zuvor niemahls. Unter dreyßig Zeugen wahren ihrer zehen / welche ihn warhafftig vor den Martin außgaben / achte aber davon hielten ihn vor den Arnold Tillier. Die übrigen waren wegen wiedriger Umbstände in grossem Zweiffel. Daraus denn gar leichtlich abzunehmen / wie verwirret hierüber die sämptlichen Richter worden / indem sie die Schwerigkeit und Gefahr dieser Sache / wie auch den zweiffelhafften Fall beobachteten / da zu beyden Seiten so wichtige Merckzeichen sich ereigneten. Dann daß der Beklagte nicht der wahre Martin Guerre / sondern der Arnold Tillier / oder sonst ein Ertzbetrieger sey / ware aus 5 oder 6 nicht geringen Ursachen abzunehmen. Erstlich / waren mehr als 45 Zeugen vorhanden / die frey und offentlich außsagten / er sey der Arnold Tillier / und beobachten die Uhrsache dieses ihres Zeugnisses / daß sie nemblich so wol mit dem Guerre / als dem Tillier / gute Freundschafft gepflogen. Allhier ist auch zumercken / daß etliche merckwürdige Umbstände [286] bey diesen Zeugen sich ereigneten. Dann unter dieser Zahl ware auch des Tilliers Mutter Bruder / Nahmens Carbo Barrautius / auff den man keinen Verdacht werffen konte / weil niemand glauben konte /daß ein Blutfreund eine so schändliche Lügen erdichten würde / umb ohn einige offenbahre Ursache diesen Vettern zum schmählichen Todt befördern zu helffen. Wie dann der Carbo sein Mitleiden zur genüge bezeugte / als der Beklagte so wol vor dem obersten Richter zu Rieux / als auch vor dem Parlement zu Tholose erschiene. Dann so bald er ihn gebunden /und an den Füssen mit starcken Fesseln beschweret erblickte / fieng er alsobald an zu Weinen / und sein Elend zu beklagen. Der ander Umbstand war / daß fast alle Zeugen hierinnen überein stimmeten / es sey der Martin Guerre von grösserer Statur / habe eine braunere Farbe / einen schlanckern Leib und magere Füsse / eingebogene Schultern / einen eingezogenen Hals / ein zweigetheiltes und auffwerts gekrumtes Kien / die Unterleffze etwas herunter hangend / wenig Zähne / eine breite und auffgeworffene Nase / sey auch mit einer Narbe im Angesicht bemerckt / dahingegen der Beklagte einen kurtzen untersetzten Leib /dicke Füsse / und die übrigen Ken-Zeichen / an den Schultern / der Nasen und des Angesichs gar nicht an sich habe. Der dritte Umbstand war / daß der Schuster / der dem Guerre seine Schuhe verfertiget / vorgabe /er habe Schuhe von zwölf Stichen zu tragen pflegen /dahingegen diesen seine Schue von neunen bestunden. Viertens berichtet einer / der Guerre sey in der Fecht-Kunst trefflich wohl abgerichtet / darinnen aber der Tillier gantz unwissend war. Fünfftens wahren zween Zeugen verhanden / deren einem / Nahmens Johann Hispant bekant / daß der Tillier sich stracks [287] anfangs bey seiner Ankunfft zu erkennen gegeben / und gebeten / die Sache verschwiegen zu halten / dabey berichtend / es sey der Guerre gestorben / und habe ihn Testaments-Weise zum Erben seiner Güter eingesetzet. Den andern unter diesen Zeugen / der Valentius Rubius hiesse / hat der Tillier / da Rubius ihn bey seinen Nahmen Arnold rieffe / und erkennet hatte / mit den Finger gewuncken / ihn nicht zu verrahten / wie dann eben dergleichen mit dem Tillier und Peregrino Liberossio vorgegangen. Sechstens / tratten noch zween andere Zeugen auff / die da berichten / es sey ein Soldat von Rochefort bürtig / vor kurtzer Zeit durch Artigues gereiset / der habe sich verwundert / daß der Tillier sich vor den Guerre außgebe / der doch noch im Leben sey / sich in Flandern auffhalte / das eine Bein im Krieg verlohren habe / und an dessen statt sich nunmehro eines höltzernen Fusses bediene. Die andere Ursache / vermittelst derer erwiesen würde / daß der Beklagte / der Guerre nicht sey / bestunde in der gegen einander Stellung des Tilliers und des Sanxii /Guerre Sohns / dadurch der Ober-Richter zu Rieux abnahme / daß sie einander im geringsten nicht gleicheten / wie dann solches auch von vielen bestättiget würde. Die dritte Ursache war / weil Martin Guerre aus Cantabrien entsprossen war / welcher Nation Sprache von der Frantzösischen und Gasconischen umb ein merckliches unterschieden ist; Der Tillier aber diese wohl reden kunte / in jener aber gantz unerfahren wahre. Die vierte Ursache war / weil fast alle Zeugen beständig außsagten / daß der Tillier von Jugend auff ein lasterhafftes Leben geführet / allerhand Dieberey getrieben / und sich vielfältiger Betrügerey beflissen / dannenhero auch ausser allen Zweiffel diesen unverschämten [288] schändlichen Betrug also erdacht /und angestellet habe. Im Gegentheil aber / daß der Beklagte nicht der Tillier / sondern der wahre Martin Guerre sey / bestättigen fast in die viertzig Zeugen /unter denen die vier Schwestern waren / die solches gleichfals bejaheten / und deßwegen gute und wichtige Ursachen beybrachten. Es waren aber gedachte vier Schwestern unter den ehrlichsten / und wohlgeachtesten Matronen in gantz Gasconien. So brachten auch gemelte Zeugen meistentheils solche Kenn Zeichen auff die Bahn / welche das Ansehen hatten / alß ob sie unmöglich könten wiederleget werden; Es habe nemblich der Guerre in dem obern Kinnbacken einen doppelten Zahn / an der Stirn eine Narbe / eingedruckten Nägeln an den vordern Fingern / drey Wartzen an der rechten Hand / und einen rothen Flecken im lincken Auge gehabt / welche Zeichen insgesampt an dem Beklagten zu sehen waren. Darzu kamen noch vielmehr andere nicht schlechte Beweißgründe. Der erste war /daß viel von den Zeugen offenbahrten / was Peter Guerre vor einen schlimmen Anschlag gehabt / daß er endlich mit seinem Weib und Eydamen sich verschworen / den Beklagten auß dem Weg zu räumen /ja so gar / daß er mit Johan Lozäo / dem Palesien-Burgermeister einen Vertrag auffrichten wollen /wann er eine gewisse Geld-Summa / zu seiner / des Tilliers Unterdrückung / herschiessen möchte / so wolle er das Ubrige gleichfalls darreichen; Es habe aber Lozacus geantwortet / er wolte lieber seine Gelder zu Erhaltung als Vertilgung solches Menschen anwenden / den er vor seinen Blutfreund erkennet / und die Bestättigung dessen auß seinen / des Peters / eigenen Mund öffters verstanden hätte. Der ander Beweißgrund war / daß fast alle Zeugen bejaheten / es habe [289] dieser Beklagte / als er nach Artigues gekommen / alle diejenigen / welche dem Guerre bekand gewesen / und die ihme zuerst begegnet / mit ihren eigenen Nahmen gegrüssen und empfangen; Ja als einer und der andere ihn nicht so fort gleich erkennen wolte /habe er ihnen / was zwischen ihnen vorgegangen wieder zu Gedächtniß gebracht / und einen Jeden von ihnen also angeredet: Weistu nicht mehr daß / da wir vor 10 / 12 / 20 Jahren an dem und dem Ort waren /wir das und das verrichteten / bey dieser und jener Gesellschafft uns befanden / und diese und dergleichen Reden führten? Der dritte Beweißgrund ware /daß er der Klägerin Rolsia viel geheime und verborgene Dinge / welche die Eheleuthe allein wissē konten / zu Gedächtnüß gebracht; daß so bald er wieder zu Hause angelanget / er so fort der Rolsia befohlen / ein Niederkleid von gewisser Farbe herzuholen / welches er bey seiner Abreise in einer gewissen Kisten hinterlassen hatt / welches dann die Rolsia nicht läugnen kunte. Der vierte Beweißgrund wurde hergenommen von der Gleichheit und Aehnligkeit zwischen dem Beklagten und des Guerre Schwestern / welche so groß ware / daß kein Ey dem andern so gleich sehen kunte /als er und dieselben. Der fünffte Beweißgrund ware /daß er das Gericht ersuchte / man wolte der Rolsia einen Eyd zuerkennen / daß sie solte schweren / daß sie ihn nicht vor ihren rechten Mann erkennete /worzu sich aber die Rolsia nicht verstehen wolte. Diese Umbstände machten dem Beklagten eine solche Gunst bey den Gerichten / daß sie ihn bey nahe hätten loßgesprochen und vor unschuldig erkant / insonderheit weil die Loßzehlung dem Ehband / und denen /durch geschehene Beywohnung erzeugten Kindern /vorträglich wahre. Es verschaffte aber Gott / [290] umb zu zeigen / wie gerne er der untergedrückten Warheit zu Hülffe erscheinen wolle / damit ein so abscheuliches Bubenstück nicht möchte verborgen bleiben / sondern zu gebührender Straffe gezogen werden / daß eben zur selbigen Zeit / da der Außspruch in dieser Sache erfolgen solte / der rechte Martin Guerre sich wieder einstellete. Selbiger nun kame aus den Niederlandē mit einem höltzernen Bein (wie oben angedeutet worden) zurücke / überreichte den Richtern eine Klagschrifft wieder den Betrieger Tillier / und bate inständig / ihn in dieser Sache zur genüge zuvernehmen. Die Richter beschliessen hierauff / den Tillier und Martin gegen einander einen Betrieger und leichtfertigen Gesellen / und versprache klärlich zu erweisen /daß solcher von Peter Guerre hierzu mit Geld bestochen / und solche Lügen vorzubringen abgeordnet worden. Er erzehlte hierauf ein und anders / fragte auch den Martin von vielen Sachen / worauf aber selbiger nicht so hurtig und schicklich antwortete / als der Tillier gethan hatte / und noch zuthun fortfuhre. Als die Richter dieses alles gehöret und gesehen / befragten sie den neu ankommenden Martin allein /ohne einige andere darzu gebrauchte Zeugen / und forscheten von ihm die allergeheimbsten Sachen / die vorhin gar nicht waren vorgekommen. Darauff liessen sie ihn wieder abtretten / und den Tillier fordern / von dem sie eben dergleichen forscheten / der dann auff alle Fragen eben dergleichen Antwort gabe / wie vorhero von Martin geschehen. Diese Sache machte die gantze Versamblung zum höchsten bestürtzet / und vermeinten die meisten / es sey Tillier ein Ertz-Zauberer. Damit nun die Richter ein desto gewisseres Urtheil fällen möchten / liessen sie die Vornehmsten von den jenigen Zeugen / die den Tillier vor den Guerre[291] hielten / wie auch des Martins Schwestern / sambt ihren Ehemännern / item / des Tilliers Mutter Bruder /sambt seinen Brüdern und Bluts-Freunden / herzukommen / daß beydes der Martin und Tillier ihnen möchten vorgestellet / und also auff solche Weise der wahre Guerre erkennet werden. Sie erschienen alle /ausser des Tilliers Brüdern / die weder durch Brieffe noch Drohwort / noch Gewalt konten darzu gebracht werden / wieder ihren Bruder zu zeugen. Die erste Persohn / so vorgelassen wurde / ware des Guerre älteste Schwester; selbige nun sahe den aus Flandern neulichst angekommenen Martin ein wenig starz an /erkennte ihn so forth vor ihren Bruder / fiel ihm umb den Hals / und redete die Richter also an: Dieses ist mein rechter Bruder Martin Guerre / denn jener leichtfertige Verrähter (auff den gegenwertigen Tillier deutend) verlogner Weise bißhero vorgestellet / und mich nebenst meinen andern Schwestern schändlicher weise mit seinen falschen Kenzeichen biß auf diese Stunde betrogen. Worauff auch die andern Schwestern und Zeugen / die vorhero auf des Tilliers Seiten gewesen waren / mit dieser einstimmeten. Entlich wurde auch die Rolsia herzugelassen / welche alsobald ihren Mann erkente / und mit Thränenden Augen umb Verzeihung ihres begangenen Fehlers bate / sich damit entschuldigend / daß sie aus Unwissenheit / und des Tilliers verschlagenen Betriegerey gesündiget habe. Also wahre nun des Tilliers Betrug gantz und völlig kundt worden / dannenhero der Beklagte / wegen seines begangenen Frevels / Ehebruchs und Weiber-Raubs / etc. von dem Parlement zu Tholose zu folgender Straffe verdammet wurde / daß er nehmlich vor der Haubt-Kirchen zu Artigues / mit gebogenen Knien / im blossem Hembd / mit [292] unbedecktem Haubt und blossen Füssen / einem Strick am Hals / eine Fackel in der Hand haltend / Gott / den König / Martin Guerre / und die Bertranda Rolsia umb Verzeihung bitten / hernach dem Hencker in die Hände gelieffert /von demselben mit dem Strang am Hals durch die Gassen und Strassen der Stadt Artigues umbher geführet / und entlich vor dem Hause des Martins an einen daselbst aufgerichteten Galgen gehencket /letztlich aber der Cörper zu Asche verbrennet werden solte.

131. Der listige Sultanin
CXXXI. Der listige Sultanin.

Es ist bekant / daß der Türckische Sultan Soliman mit einer Sclavin / hernach aber angenommenen Concubinen erzielet hatte seinen erstgebohrnen Sohn Mustapha / ein Jüngling / der an fürtrefflichen Tugenden blühete / welchen auch der Vater über die Landschafft Amasia setzte; Von der Rossa oder Roxolana aber /einer anderen Sclavin / würden ihm vier Söhne gebohren / nemblich Mahomet / Bajazeth / Selim und Zeangir / der wegen seiner unförmlichen Gestalt / der Pucklichte genant wurde / wie auch eine Tochter / die Chameria geheissen / und an den Rustan / als obersten Bassa verheurahtet war; Diese Rossa wante allen möglichsten Fleiß an / diese ihre Kinder zu dem Recht der Nachfolge und Käyserl. Würde zu bringen /und nahm entlich hierzu einen falschen Schein von der Andacht zu ihrem Vortheil; Sie füget ihrem obersten Geistlichen / nemblich den Mufti zu wissen / was massen sie ihr vorgenommen / zur Ehre Gottes und des Propheten Mahomets / einen Tempel und Spital zu bauen / sie zweiffelte aber / ob solch ihr [293] Vorhaben Gott angenehm seyn möchte oder nicht. Der Muffti antwortet: Sie würde zwar hiermit Gott einen guten und angenehmen Dienst thun / ihr selbsten aber insonderheit keinen Nutzen noch Vortheil damit schaffen / weil sie eine gefangene Sclavin / die durch sich selbst nichtes vermöchte / sondern alles von ihrem Herrn / dem Soliman / und seinen Schätzen muste zu wege bringen: Dannenhero auch alle die Ehre von dieser Sache auff ihn fallen würde. Das verschlagene Weib fing hierauff an ihr Unglück zu beweinen / sich aller Speisen und Geträncks zu enthalten / und endlich von dem Soliman ihre Freyheit inständig zu erbitten / weil nun selbiger gleichsam gegen sie vor Liebe rasete / als entledigte er sie alsobald ihres Sclaventhumbs / und machte sie zu einer freyen Frauen. Sie hingegen ließ den Tempel erbauen / und wolte den Soliman ihr nicht / wie zuvor / mehr beywohnen lassen / ihre von ihm erlangte Freyheit vorschützend. Dann die Türcken dürffen sich wohl mit einer Sclavin / aber mit keiner freyen Frauen / ausser den Ehestand /fleischlich vermischen. In Betrachtung dessen / beschlosse der Käyser / damit sein lieb-erkrancktes Hertz genesen möchte / sie zu ehlichen (wieder die Gewohnheit der Ottomanischen Fürsten / welche sich nicht verheurathen / sondern die schönsten Sclavinnen ihnen allenthalben auffsuchen / und im Constantinopolitanischen Frauen-Zimmer / von den Italiänern Serraglio genand / auffziehen lassen / und hernach ihrer Lust nach belieben mit ihnen pflegen) vermachte ihr auch zur Morgen-Gabe ein Jährliches Einkommen von 5000 Gold-Cronen. Nachdem sie nun sich also erhöhet sahe / trachtete sie auff alle Mittel und Wege ihren Stieff-Sohn den Mustaffa umb den Hals zu bringen / und also ihren Kindern den versperrten Paß zur Cron [294] vollends zu eröffnen. Weil dann selbiger den Janitscharen höchst angenehm ware / als stellte sich die listige Stieff-Mutter umb ihres Eh-Herrn des Solimans Leben gar bekümmert und Sorgfältig an / brachte danenhero in Gegenwarth des Käysers zum öfftern das Exempel Selims vor / der sich unterstanden hätte /seinen Vater Bajazeth (als des Solymans Anherrn) des Reichs zuberauben. Rustan / damit er an diesem Handel auch theil haben / und seiner Schwieger-Mutter fügen möchte / unterliesse auch nicht dem Ärgwöhnischen Alten die Furcht / sein Reich zu verlieren / von Tag zu Tage grösser zu machen. Weil aber Solyman in der Sache etwas langsam verfuhre / auch die Rossa den Mustaffa mit Gifft hinzurichten sich vergeblich bemühete / zeigte sich entlich dem Solyman falsche Brieffe / die von dem Bassa von Amasien / als des Mustaffa Hoffmeistern solten sein geschrieben worden / worin enthalten ware / daß Mustaffa mit dem König von Persien / der Türcken ihrem Haubt Feinde / wegen einer Heuraht mit seiner Tochter / gehandelt hätte. Dieß hielte der Solyman vor ein klares und augenscheinliches Zeichen einer Rebellion / und daß sein Sohn ihm nach dem Reich trachtete / sandte dannenhero Augenblicks den Rustan / unter dem Schein mit den Persianern zu kriegen / nebenst einem hauffen Volcks / umb sich des Mustaffa seiner Persohn zu versichern / und ihn dem Vater zu lieffern. Weil aber solcher Betrug wegen des Mustaffa allzugrosser Gewalt nichts verfienge / also reiste Solyman selbst dahin / welcher seinen Sohn durch Schreiben zu sich ins Läger forderte. Ob nun gleich Mustaffa durch den Achmet Bassa treulich abgerahten und gewarnet wurde / nicht zu erscheinen / sondern der bevorstehenden Gefahr zu entfliehen / wurde er doch durch das Gewissen seiner Unschuld angetrieben / sich [295] nebenst seinem Kriegs-Herr vor dem Vater zustellen /bey seiner Ankunfft zogen ihm alle Janitscharen entgegen / und empfiengen ihn mit grosser Ehrerbietigkeit. Welches durch betriegliche List des Rustans zugleich also angestifftet / umb dadurch den Mustaffa bey seinem Vater destomehr in Argwohn zubringen /massen die Füher der Saldatesca / wiewol nicht mit Worten / jedoch mit zuwincken / von ihnen darzu bewogen waren. In der dritten Nacht vor seiner Abreise dauchte dem Mustaffa im Schlaff / einen Propheten in weißgläntzenden Kleidern zusehen / der ihn bey der Hand faste / und in einem lustigen Hoff führte / darin ein trefflicher Pallast aufgerichtet stunde / mit anmuhtigen Baum-Gärten und andern Lustbahrkeiten umbringt. Allhier (sprach / seines Bedünckens / der alte Mann) haben die reinen Seelen ihren Wohnplatz / die in ihrem Leben einen Abscheu für Blutstürtzung und Sünden gehabt / und geniessen also der ewigen Glückseeligkeit! Gleichermassen zeigte er ihm die Bösen und Gottlosen / welche in betrübten Pech-Flüssen getaucht / herumb gewältzet / auf und nieder getrieben / und entlich ersticket wurden / welcher Traum seine Begleitere nicht wenig erschrecket. Er aber sagte voller Großmühtigkeit / er muste seinem Vater gehorsahmen / wurde auch in diesem seinem Vorhaben trefflich gestärcket / als er seinen Lehrmeister also reden hörte / es sey ein ehrlicher Todt / eine Thür zum ewigen Leben / und dannenhero der Herzligkeit der gantzen Welt weit vorzuziehen. Der gute Mustaffa gienge also gantz weiß bekleidet allein in seines Vaters Gezelt / daselbst / ehe er noch dem Solyman zu Gesichte kame / er von sieben Stummen / welche ohne unterlaß vor des Käysers Thron stehen / und sein Wincken beobachten / ungehörter Sache ergriffen worden. Diese bemüheten sich nun / ihm den Stricke umb [296] den Hals zuwerffen / er wehrte sich aber Mannlich / als ein Mensch sehr starckes gerades Leibes und tapfferes Gemühts; Ja kämpffte mit seinen Mördern so gewaltig / als stünde nicht nur sein Leben / sondern das gantze Käyserthumb auf dem Spiel. Solyman / welcher in demselben Gezelte nur durch eine Tapezerey von dem Mordplatz abgeschieden ware / merckte / daß es schwer daher / und nicht von statten gehen wolte / risse derohalben den Vorhang hinweg / gabe den Stummen einen grimmigen Blick / drohete und verwiß ihnen / mit feurig brennenden Augen und Abscheulichen Gebärden / ihre Zagheit. Hierauff fasseten die Stumme Bösewichter ein frisches / oder vielmehr rasendes Hertz / fielen den Mustaffa aufs neue an /und unangesehen er erbärmlich bate / man möchte ihm doch verstatten / seinen Vater eins zusprechen /warffen sie ihn doch unter die Füsse / und erwürgtē ihn mit dem Strick. Als der Todt des Mustaffa ware kund gemachet worden / liesse sichs mit den Janitscharen zu einem grausahmen Aufflauff an / als welche im Grim vor das Gezelt des Solymans kahmen /und umb Rach des unschuldig vergossenen Bluts anhielten: Daß der Käyser genug zuschaffen hatte / sie zu überreden / daß sie nur so lange sich gedulden wolten / biß er würde zu Aleppo angekommen sein /daselbst wolte er die gantze Sache auf das fleißigste Untersuchen / und die Schuldig befundenen mit ernster Straffe belegen.

132. Der überlistete Pabst
CXXXII. Der überlistete Pabst.

Ob gleich König Ferdinand von Arragonien sich hertzlich gerne mit dem Fräulein Maria de Foix / des gewaltigen Helden Gasto de Foix (so vor Ravenna [297] geblieben) vollbürtige Schwester verehlichet hätte /kunte doch solches ohne Vorwissen und Dispensation des Pabstes nicht geschehen / weil sie einander ziemlich nahe verwandt waren. Dannenhero ließ er durch seinen zu Rom wohnenden Ambassadeur / den Hn. von Wyck / deßwegen bey dem damahls auff dem Stul sitzenden Pabst Julio II. anhalten / welcher die Sache gar schwer machte / endlich aber / gegen Erlegung 50000 Cronen / darüber zu dispensirn versprach. Alß höchstermelter König dieses vernahm / verdroß es ihn hefftig / daß man solcher Gestalt mit der Geistlichen Authorität wucherte / und weil er resolviret war diese hohe Summa anderwerts / da man ihrer mehr von nöthen hätte / anzuwenden / befahl er seinem gedachten Ambassadeur / dem von Wyck / eine schlechte Privat-Suplication (darin des Königs Titul in geringsten nicht gedacht würde) auffzusetzen / in dieser Form: Allerheiligster Vater / Ferdinand de Arragon und Maria de Foix / welche einander so nahe verwand etc. begehren eine Dispensation / damit sie sich einander verehlichen mögen / etc. Diese des Königs Supplication ließ der von Wyck durch die dritte Persohn dem Datario / und dadurch dem Pabst präsentirn: Welcher sie alsobald ohne einige Difficultät / umb 10 Cronen /unterzeichnete / weil er die darin benante Personen vor Privat-Leuthe hielte. Hierauff ward alsobald diese Dispensation dem Könige übersant / und so gleich die Ehe vollenzogen. Wie nun solches den allerheiligsten Vater zu Ohren kam / ließ er alsobald dem Arragonischen Gesandten für sich fodern / den er mit zornigen Gebärden fragte; Was seinen Herrn bewogen / ohne Päbstl. Dispensation sich mit seiner nechsten Bluts-Verwantin zu vermählen? Hieraus erschiene gnugsam / [298] daß er ein Heyde und kein Christ wäre. Mein gnädigster Herr / war des Ambassadeurs Antwort / ist dem Päbstlichen Stuhl allemahl gehorsam gewesen. Was aber seine jüngste Vermählung anlanget / so hätte er deßfalß vorlängst von Ihr. Päbstl. Heiligkeit völlige Dispensation erlanget. Indem er dieses sagte /legte er dem Pabst seine eigene Subscription vor die Nase. Weil nun derselbe den listigen Griff des Königs hierauß zu gnüge erkante / wante er sich zu dem Datario / und sagte: Es ist uns recht geschehen.

133. Der eingebildete Paradieß
CXXXIII. Der eingebildete Paradieß.

Im Königreich Persien hatte der Tyran Aloadim / insgemein der Alte vom Gebirg genant / die Landschafft Muleta eingenommen / und viel Mörderisches Gesind (ins Gemein die Assasiner genand) an sich gezogen /sie auch / vermittelst einer sonderbahren List zu allem Frevel auffgemuntert und angefrischet. Es lag in seiner Landschafft ein überauß lustreiches Thal / mit trefflich-hochsteigenden Berg-Hügeln bezäunet / in demselben liesse er ein wunder-schönes Paradieß /(deßgleichen der Gottlose Lügen-Prophet Mahomet seinen Nachfolgern versprochen hatte /) anrichten. Der Eingang zu diesem Lust-Orth / war mit einem sehr besten Schlosse verwahret / daß also niemand in solches Paradieß / als dardurch / gelangen konte. Unterdessen gab er vor / er habe die Schlüssel zum Mahometischen Paradieß wans ihme nun beliebte / einem unn dem andern solches zu erkennen zu geben / einem solchen gab er einen starcken Schlaff-Trunck / und ließ sie also in solchen Lust-Garten tragen. Alß sie hernach / [299] nach außgewürckten Schlaff-Trunck erwachten / um sich mitten unter solchen Lieblichkeiten gleichsam in den Schoß aller Wollüste versetzet sahen / meinten sie nicht anders / dann in dem Mahomets Paradieß zu sein. Nach wenigen Tagen der genossenen Ergötzlichkeit / ließ er ihnen den vorigen Tranck wieder bey und sie damit / wann sie eingeschlaffen / aus dem Garten bringen. Nachdem nun der Schlaff auß den Augen und die grosse Freude ins Gedächtnüß kame / betraureten sie hefftig derer Verlierung / und wündscheten nichts anders / als den Todt /umb solche Ergetzlichkeit dardurch zu erlangen. Darauff stelte sich Aloadim als ein Gottes Prophet / und tröstete sie / versprechende / wo sie vor ihn und in seinem Gehorsam unerschrocken sterben würden / ob man ihnen gleich den Todt würde anthun / solten sie solcher Freude nicht auff eine kurtze Zeit / sondern auff Ewig theilhafftig leben. Jene versprachen alles außzustehen / umb die Erstrebung einer solchen Seligkeit / und sind auch redlich ihrer Zusage nachgekommen / als sie / wie gantz verzweiffelte Lebens-Verrähter / auff des Tyrannen Geheiß / im Lande wüteten / und ihrer Gewaltthätigkeit kein Mensch zu widerstehen vermöchte. Aloadim brachte zwar durch solche List viel Landschafften unter seine Bottmässigkeit / doch genaß er sie nicht allzu lange / indem der Tartar König Allau im Jahr Christi 1262 mit einer grossen Kriegs-Macht sich solchen Nachbahrs wolte befreyen / und nach dreyjähriger Belägerung diesen Tyrannen mit Hunger zwang sich zu ergeben / dan mit seiner gantzen Mordschaar umbgebracht / und das vermeinte Paradieß zerstöret wurde.

134. Der listige Ubelthäter
[300] CXXXIV. Der listige Ubelthäter.

Ein Schelm wurde wegen eines Diebstücks / und Meineydes verurtheilet / daß man ihme die Zunge auß dem Rachen reissen solte. Er aber bathe die Richter gantz inständig / daß sie doch die Schärffe der Straffe in etwas lindern / und die Zungen-Abschneidung in der Beraubung beyder Ohren verwandeln möchten. Nachdem sich nun die Nichter erbitten lassen / machte sich der Scharffrichter bereit / die Execution und das Urtheil zu vollstrecken; Indem er ihm aber das Haubt entblösset / und die Haare beyseits thut / findet er / daß die Ohren allbereit wahren abgeschnitten worden / worüber der Umbstand zu hefftigen Lachen bewegt worden; Der leichtfertige Vogel selbst erfreuete sich hierüber heimlich / daß er durch solchen listigen Betrug aller Gefahr entgangen / wie ihn dann auch die Richter von aller fernerem Straffe frey sprachen.

135. Der listige Poet
CXXXV. Der listige Poet.

Johan von Meun / ein vortrefflicher Frantzösischer Poet / hatte vorzeiten ein schönes Buch / le Romani de la Rose betittelt / gemachet / in welchem er einen Eiffersüchtigen einführte / der alles böses von den Weibern erzehlte / das dann verursachte / daß der Poet in der Königin in Franckreich und der andere Dames Ungnade gefallen / welche auff die Rache deßwegen bedacht gewesen. Eines Tages machte die Königin / bey welcher sich ihr hohes Frauen-Zimmer [301] befande / Mittel und Gelegenheit / daß sie besagten Johan von Meun in ihre Gewalt gebracht / und nachdem sie ihme / weil er dem Weiblichen Geschlecht so übel nachgeredet hatte / viel Schmach und Bedrohung angethan befahle sie ihren Dames und Damoiselles /oder hohen und nidrigen Standes Frauen und Jungfrauen bey Hoffe / daß er gantz nackend außgezogen /und an ein Seule gebunden würde / auff daß er von ihren eigenen Händen / wegen seiner Schrifft gestraffet werden möchte. Der gute arme Poet / als er gesehen / daß weder seine Entschüldigungen / noch seine Ursachen / die Gewalt und Nachdruck hatten / ihre Wütigkeit zu stillen / und daß er nicht gnugsam bered wäre / ihren Zorn zu lindern / hatte er die Königin allerunterthänigst gebethen / daß sie ihme / ehe das Urtheil exequiret würde / eine Gnade erwiese. Die Königin hatte endlich wiewohl sehr schwerlich / darein verwilliget; Worauff der Poet gesagt: Allergnädigste Königin / nachdem bey deroselben ich so viel Gnade gefunden / daß eure Mayst. in meine Bitte gewilliget / so bitte ich ferner / daß deroselben allergnädigst belieben wolle / daß die aller Unkeuscheste und Unreinste / so unter E. Mayst. Frauen-Zimmer ist /anfange / und mir den ersten Streich gebe. Als er dieß gesagt / haben sie einander angesehen / sich gantz bestürtzt und schamroth befunden / und unsern armen Poeten zu frieden gelassen.

136. Der kluge Hertzog
CXXXVI. Der kluge Hertzog.

Es hatte Heinrich der Hertzog zu Braunschweig zur Gemahlin Mariam / des Hertzogs von Würtenberg Schwester. Unter deren Frauen-Zimmer befande sich eine gar schöne junge von Adel / Nahmens [302] Eva Trottin. Derselben lage der Hertzog so lange an / biß er sie zu seinen Willen brachte / und unterschiedliche Kinder mit ihr zeugte. Damit nun die Sache nicht gar zu handgreifflich gemerckt werde / und er ihrer Liebe länger ungehindert geniessen möchte / redete er mit dieser seiner Beyschläfferin ab / sie solte sich stellen /als ob sie wieder nacher Hause reisen wolte / dannenhero er ihr auch hierzu Wagen / Pferde / und was zur Reise sonst nöthig ware / zukommen liesse. Als sie nun also hinweg zoge / und man nicht anders vermeinte / sie würde nun wieder sich nach Hause begeben / würde sie unvermerckt in ein Hertzogliches Schloß gebracht / daselbst ware der Pfleger schon von dem Hertzog unterrichtet worden / wessen er sich verhalten / und was er thun solte; Er verschaffte auch etliche Weibs Persohnen / denen der Hertzog sicherlich vertrauen dörffte. Etliche Tage hernach / als die Eva auff dem Schloß angelanget ware / legte sie sich zu Bette und stellte sich kranck; es hatte aber der Hertzog allbereit vorhero ein höltzernes Bild verfertigen lassen / welches eines todten Menschen-Haupt / Hals und Brust vorstellete: Die übrigen Theile des Leibes waren von Leinwand / so mit Aschen dicht angefüllet / also / daß sie gantz fest waren zubereitet. Dieses alles fügte man gar artlich zusammen / und zwar so ware der Leinwand also formiret / daß man sie auch über das Haupt ziehen / und dasselbe damit bedecken kunte. Alß nun der Leib auff solche Weise zugerichtet und eingewickelt war / legte man solchen auff die Erde / wie man mit todten Persohnen zu thun gewohnet. Darauff begab sich eine von den zugeordneten Weibs-Persohnen zum Pfleger oder Schloß-Verwalter / und deutete ihm an / die Eva sey eben itzo gestorben; welcher so fort eine Truhe verfertigen ließ / umb den [303] Leichnam darein zu legen; damit aber niemand möchte gar zu nahe zur vermeinten Leiche treten / so gabe man vor / es seye die Eva an der Pest verblichen / dannenhero man auch einen und andern Rauch von Wachholder-Beeren und andern Dingen machte / umb den üblen Geruch zu vertreiben. Nach dieser so artlichen Verrichtung wurde die Leich mit grossem Gepräng / nach der Franciscaner-Kirche gebracht / und daselbst beygesetzt. Bey diesen Exequien ware des Herzogs Gemahlin / mit allen ihrem Frauen-Zimmer und Hoff-Damen in Traurigkeit zu gegen. Da hingegen indessen die Eva auff dem Schloß Stauffenburg gesund / und in gutem Wolstande sich auffhielte. Zu welcher sich der Hertzog unterweilen verfügte / und von derselben Zeit an noch sieben Kinder mit ihr zeugte. Diese That des Hertzogen wurde unter andern dem Käyser von den protestirenden Ständen des Reichs auff dem Reichs-Tag zu Speier Anno 1544 erzehlet.

137. Der listig-verheelte Ehebruch
CXXXVII. Der listig-verheelte Ehebruch.

Eines Gast-Wirths Ehe-Weib nahe bey Florentz hatte einen Ehebrecher bey sich im Bette / alß indessen ein anderer dergleichen Gesell / mit dem sie sonst gleichfals gute Freundschafft pflegte / sich auch einfande. Wie nun das Weib spührte / daß derselbe die Stiegen hinauff gienge / liesse sie hinzu / schalte hefftig auff ihn / und wolte ihn durchaus nicht weiter kommen lassen; Vorgebend / sie habe jetzo nicht Zeit / seines Willens zu leben / er solte nur ohne Säumniß sich wieder hinweg begeben. Als aber mit Weigern und Streiten eine geraume Zeit verlieffe [304] / kam der Mann darzu / und wolte kurtzum wissen / was diese Zancken und Streiten bedeutten solte? Das Weib / das sich auff das Liegen und Betrieben trefflich verstunde /brachte ohn einiges Bedenckē diesen Schnack vor: Dieser / sprach sie / kame voll Zorns in unser Hauß herein gelauffen / und wolte einen andern / der mich demühtig umb auffanhalt bate / verfolgen: Der andere Ehebrecher / so im Bette lage / hörte diese Worte gar deutlich / sprang hierauff hervor / und schrie gleichfals / er wolte die ihm zugefügte Unbilligkeit itzo grausahm rächen. Der Mann aber legte sich darzwischen / fragte nach der Uhrsach ihres Wiederwillens /versöhnte sie entlich nach langem Wort-Streit mit ein ander / und behielte sie beyde bey der Mahlzeit / umb die wieder angefangene Freundschafft desto fester zu schliessen.

138. Der verschlagene Spanier
CXXXVIII. Der verschlagene Spanier.

Ein Spanier caressirte zu Venedig eines Geschlechters Maistresse / und verlangte mit ihr unziemliche Wollust zu pflegen. Selbige nun wahre sehr geitzig und hoftärtig / begehrte also vor eine Nacht sechtzig Kronen. Er nahme diese Bedingnüs an / stellte sich bey der unzüchtigen Dirne ein / und zehlete ihr den Huren-Lohn dar. Umb Mitternacht aber stund er auff /und nachdem er bey Tage den Orth beobachtet /wohin die Hure ihre Perlen (deren sich die Venetianische Weibs-Persohnen an statt der Hals-Ketten und Gehenge zu bedienen pflegen) geleget hatte / ergriffe er eines nach dem andern / und verschluckte sie / begabe sich auch unvermerckt der schlaffenden unzüchtigen [305] Dirne hierauff wieder zu Bette. Wie sie nun gegen Tag ihre Perlen suchte / und nicht fandt / wolte sie solche kurtzumb von dem Spanier haben / wolte ihn auch zu Wiederstattung derselben / durch ihre Hauß-Gesind / mit Gewalt nöhtigen. Der gute Spanier rieffe die Leuthe umb Hülffe / und ward kaum endlich durch dieses einige Unschulds-Zeichen befreyet / weil er sie weder in Kleidern noch im Beutel hatte. Wurde also die geitzige Hure von dem verschlagenen Spanier gar artlich wieder betrogen / daß sie gegen Empfahung der 60 Kronen / mehr als drey hundert (dann die Perlen waren von hohem Werth) einbüssete.

139. Das übelgehaltene Testament
CXXXIX. Das übelgehaltene Testament.

Eine schlechte und verächtliche Weibs-Persohn begienge keine schlechte Untreu: Dann als ihr alter besagter Mann mit Tode abgienge / hatte er vorhero sie zum Erben aller seiner Verlassenschafft eingesetzet /doch mit diesem Beding / daß sie den Acker-Ochsen verkauffen / und das darauß erlösete Geld den Armen / zum Trost und Erquickung seiner armen Seelen /mittheilen solte: Deß andern Tages nach der Leiche /führte sie den Ochsen auff den Marck / und setzte den Hauß-Hahnen auff seinen Rucken / bothe auch diesen vor zwantzig / jenen aber nur vor einen Gülden aus /doch mit diesem beygefügten ausdrücklichen Zusatz /daß / wer den Ochsen kauffen wolte / der muste auch den Hahn bezahlen. Wie sich nun endlich ein Käuffer gefunden / gabe sie den auß den Ochsen erlöseten Gülden den Armen / das Ubrige aber / das sie vor den Hauß-Hahn eingenommen / behielte sie vor sich.

140. Der betriegliche Fürst
[306] CXL. Der betriegliche Fürst.

Adalgus / der Agarer Fürst / hausete in Longobardien sehr übel / biß er endlich vom Käyser Ludwig dem Andern gefangen wurde. Weil er nun sehr listig und verschlagen ware / als hielte er sich in seinem Gefängnüß so wohl / daß sich der Käyser über ihn erbarmete / und gar freundlich mit ihm umbginge / auch zum öfftern ihme seine Räht und Anschläge offenbahrte. Was geschicht aber? Der barbarische Mensch wolte sich dieser Gelegenheit zu seiner Befreyung hinterlistiger Weise bedienen / gabe dannenhero einsmahls dem Käyser den Raht / wann er Capua und Benevent friedlich und ruhig besitzen wolte / so muste er die vornehmstē Bürger derselben anders wohin erschicken / und also würde er das gemeine Volck desto besser im Zaum unn Gehorsam halten können. Der Käyser folgte diesem Raht / und liesse Ketten und Fuß-Eysen verfertigen / umb sich derselben bey bequemlicher Zeit zu bedienen. Adalgus aber ließ indessen nicht nach / alles den Vornehmsten von Adel zu wissen zu machen: Und damit er bey ihnen desto bessern Glauben haben möchte / wiese er ihnen die Hände- und Fuß-Eysen / womit sie solten beleget werden. Als nun indessen einsmahls der Käyser auff die Jagt geritten / und sich des Abends wieder nach der Stadt verfügte / wolten ihn die Edelleute nicht mehr hinein lassen / sondern wiesen ihn schimpfflich ab / setzten den Adalgum in vorige Freyheit / und belohnet ihme also seine Untreu auff das beste. So bald nun selbiger sich wieder auff freyem Fuß befande /trachtete er Untreu mit Untreu [307] zu häuffen / samlete dannenhero ein mächtiges Heer / und belägerte beyde Städte Capua und Benevent. Indem nun hierauff die Belägerte ihre Zuflucht zum Käyser nahmen / und demühtig ihres Frevels halber umb Verzeihung bathen /sich entschuldigend / daß sie nicht aus Boßheit angetrieben / sondern durch des Barbarn List hintergangen ihn als ihren rechtmässigen Herrn / auß der Stadt geschlossen hätten / wolte sie doch der Käyser nicht hören / sondern liesse den Abgesandten andeuten / es sey gar recht und billig gehandelt / daß / weil sie durch den Adalgum gesündiget / sie auch durch den Adalgum gestrafft würden.

141. Die listige Semiramis
CXLI. Die listige Semiramis.

Semiramis ware zuerst eines Königlichen Leibeigene Magd und Beyschläfferin. Weil aber einsmahls der Assyrische König Ninus sie ohngefehr erblickte / und durch ihre anmuhtige Gestalt und Höfflichkeit gantz und gar eingenommen wurde / nahme er sie so fort zu sich / und liebte sie Hertzinbrünstig. Durch dieses Mittel nahme sie sein Gemüth nach und nach dermassen ein / daß sie alles dasjenige / was sie nur vom König begehrte und verlangte / ohn einige abschlägige Antwort überkame und erlangte: Einsmahls nun sagte sie zum König / sie hätte ein sehr grosses Verlangen nach etwas / worüber sie sich höchlich erfreuen würde / wo es ihr könte zu Theil werden. Der König gab ihr hierauff zur Antwort / sie solte nur kecklich andeuten / was es wäre / daß sie so inständig begehrte / es solte ihr gar willig willfahret werden. Ich verlange / sprach sie / nur einen Tag auff deinem Königlichen Thron zu [308] sitzen / und Gericht zu heegen /auch solchen gantzen Tag über alles / wie du zu herschen und zu gebieten. Der König lachte hierüber /und willigte ohne ferneres Gedancken in ihr Begehren. Liesse auch fort Befehl ergehen / daß alle und jede Assyrier an einem bestumbten Tag der Semiramidi gehorchen solten. Sie hatte sich kaum auff den Thron gesetzet / da gebothe sie etliche geringe Dinge /umb zu versuchen / ob man ihr auch Gehorsahm leisten wurde. Und weil sie sahe / daß ihr alles und jedes ohne Säumnüß zu Geboth stunde / da befahle sie den Königlichen Leib-Trabanten / ihren König gefangen zu nehmen / zu binden und zu erwürgen / welches alles ohne einiges Wiedersprechen gethan / und ins Werck gerichtet wurde. Also hat die Herschung dieses einigen Tages ihr eine langwierige Beherschung zu wegen gebracht.

142. Der falsch-betriegliche Sultan
CXLII. Der falsch-betriegliche Sultan.

Es hatte Bajazeth der Ander bey sich beschlossen /die Venetianer mit Krieg zu überziehen / und deswegen mit dem Maylandischen Hertzog einen heimlichen Bund gemachet: Doch hielte er diesen seinen Anschlag vor Andrea Zancatio / dem Venetianischen Gesanten gantz verborgen / empfing denselben auff das freundlichste / und erneuerte den allbereits gemachten Bund mit den Venetianern / doch ließ er ihme die Puncten desselben nicht in Türckischer / sondern Lateinischer Sprache gezeichnet / überantworten. Es ist aber / vermöge der Türckischen Gesetze / gar wohl zugelassen / daß die Türcken alles dasjenige / was nicht in ihrer Sprache geschrieben [309] / ohne einige Gewissens-Verletzung brechen dürfften. Weil sich nun dazumahls ein Venetianischer Bürger / Nahmens Grittus / zu Constantinopel auffhielte / der umb alle der Türcken Satzungen und Gebräuche wol wüste /als verfügte er sich zu dem Gesandten / und gabe ihme aus Liebe gegen sein Vaterland zu verstehē /daß er die wieder erneuerte Bündnüß in Türckischer Sprache geschrieben / begehren solte / wo er nicht wolte betrogen werden. Zancatius liesse ihm solches gesagt seyn / und versuchte zum öfftern am Türckischen Hofe ein Türckisches Exemplar zu überkommen / weil er aber nichts außrichten könte / als machte er sich mit dem Lateinischen Exemplar auff den Weg / und kame damit in Venedig an / meldete aber dabey nicht das Geringste / was er von dem Gritto in Constantinopel verstanden hatte. Grittus aber schrieb deswegen selbst an den Raht / und erinnerte / gute Vorsehung zu thun / daß man nicht ohnversehens von den Tyrannen möchte überfallen werden / Bajazeth erfuhre dieses / und liesse den Grittum in Ketten und Banden schliessen / und fehlte nicht viel / daß er ihm nicht gar den Rest geben liesse: Endlich aber wurde er doch wieder frey / und erlangte in seinem Vaterlande die höchste Würde.

143. Der listige Chur-Fürst
CXLIII. Der listige Chur-Fürst.

Ein treffliches Kunst- oder Politisches Stücklein brauchte vor Zeiten Gerlach / der Ertz-Bischoff und Chur Fürst zu Mayntz / als er Adolphen den Grafen von Nassau / als seinen Vettern zum Käyser erwehlen wolte. Er wuste / daß unter den Chur-Fürsten [310] grosse Uneinigkeiten entstanden waren / und man doch einen und den andern derselben zum Haupt des Reichs allbereit vorgeschlagen hatte / oder noch vorschlagen wolte. Damit er nun solche Vorschläge insgesambt hintertreiben / und seinen selbst eignen Nutzen dardurch beförden möchte / handelte er mit etlichen Chur-Fürsten in geheim / und zwar mit einem jeden besonders / ohne Wissenschafft der andern gar listiger Weise / und zwar folgender Gestalt: Er sagte zum Böhmischen Wenceslao / es fielen fast alle Stimmen der Chur-Fürsten auff Albrecht den Hertzog von Oesterreich / als des Wentzels Haupt-Feind / doch wolle er / wann er sich auff den König Wenzeln gewiß verlassen dürffte / solche wohl gar glücklich hintertreiben. Nachdem er nun also den Böhmischen König überredet hatte / verfügte er sich zum Chur-Fürsten von Sachsen / und gabe ihm zu verstehen /wie daß sein Feind / der Hertzog von Braunschweig /der Vornehmste in der Wahl wäre; Zu Chur-Pfaltz sagte er / es stehet darauff / daß Wenzeslaus der König in Böhmen (deme Chur-Pfaltz dazumahls nicht gut währe) von andern in der Wahl begriffen / daß er wohl die Käyserl. Würde davon bringen möchte / wo mans nicht verhinderte. Indem er nun also eines jeden Chur-Fürsten Feind auff allerhand Weiß und Wege zu hemmen versprach / hatte er sie (die Chur-Fürsten) insgesamt hintergangē / indem er seinen Vettern /Graff Adolpff von Nassau / letzlich zum Käyser ernennet / den sie wohl insgesambt / wann er ihn gleich Anfangs ernennet hätte / wurden verworffen haben. Cuspinianus erzehlet die Sache in der Lebens-Beschreibung Adolpffs ein wenig anders / indem er meldet / es haben fast alle Chur-Fürsten ihre Stimmen dem Gerlach überlassen / mit diesem Beding / daß er ihren Feinden nicht beypflichten solte: Im übrigen möchte [311] er die gantze Sache nach seinem Gutdüncken und Wolgefallen einrichten.

144. Der listige Printz
CXLIV. Der listige Printz.

Manfredus / der Hertzog von Tarent / wurde von dem Kriegs-Heer Pabst Alexanders des IV. zu Nucerien belägert. Weil er nun keine Schlacht zu liefern sich unterstunde / befreyet er sich durch folgende betriegliche List. Er schickte heimlich etliche aus der Stadt /die eben so verschlagen und abgerichtet waren / als er selbst; als nun dieselbe einen ziemlichen Weg zurück geleget hatten / rüsteten sie etliche mit nicht geringerer Künheit und Verwegenheit aus / welche mit Traur-Kleidern angethan / und mit falschen von ihnen selbst geschriebenen und versiegelten Brieffen versehen /sich stellen musten / als ob sie aus Schwaben kämen /auch dabey mit ungespahrten Thränen den Todt Conradini / des Käysers Conrads Sohn / anzeigen solten. Die Sache glückte ihnen nun nach Wunsch. Dann diese Leuthe gebärdeten sich so kläglich / und gaben der erdichten Handlung einen solchen Schein / daß alles vor die pur lautere Warheit angenommen wurde. Der Päbstliche Legat selbst wurde durch die Post hintergangen / daß er die Belägerung auffhube. Die Bayern / als Vormündere des Conradini / reiseten so fort aus Sicilien / gleich als ob sie daselbst nichts mehr zu verwalten hätten / weil ihr Pupill mit Todt abgegangen. Manfredus selbst bekleidete sich schwartz / und liesse vor den Verstorbenen Seel-Messen halten; macht auch Anordnung / daß der Schatz von Panormo ihme zugeführet wurde / vermittels dessen er die alten Soldaten [312] ihme verbunden machte / auch frisches Volck in Africa werben liesse / und endlich gleich /als ob kein rechtmässiger Sicilianischer Erb mehr übrig wäre / König wurde. Erlangte also ehe das Reich und Schatz / als jemand glauben könte / daß der Contradinus noch lebe / weil die Gemühter der Menschen sich eines Wiedrigen nicht so leicht wolten bereden lassen.

145. Die Bayrische Verschlagenheit
CXLV. Die Bayrische Verschlagenheit.

Weit schändlicher war jener Betrug / vermittelst dessen Henricus X. Bojus / mit dem Zunahmen der Hoffärtige oder Stoltze / Graffen Fridericum Bogium /seinen Feind und Widersacher gerne auß dem Weg geräumet hette. Es begehrte / nemblich Henrich /durch seinen Gesandten / von Graff Friderichen / daß er Zeit und Orth bestimmen wolte / umb die entstandene Feindschafften in der Güte zu vergleichen. Weil nun Friderich solch Anmuthen nicht gerne abschluge /als welches ihme vielmehr trefflich angenehm zu vernehmen war / als würde mit beyderseits Bewilligung das Kloster Zweyfalter zur Zusammenkunfft bestimmet. Friederich liesse ihm von keiner Hinterlist träumen / sondern verliesse sich vielmehr auff die Teutsche Treu und Redlichkeit / als daß er einen grossen Comitat zu sich genommen htteä; Heinrich aber stellete sich im Gegentheil mit einer grossen Menge Soldaten ein. Wie es nun das Ansehen hatte / so kamen sie auff guht Treu und Glauben zusammen / redeten friedlich mit einander / hielten Mahlzeit / und begaben sich darauff zur Nacht-Ruhe. Umb Mitternacht aber entstund [313] vor Friederichs Schlaff-Gemach ein hefftiger Tumult / da man nichts anders erschallen hörte / als man solte den Graffen zu todte schlagen. Was solte nun der gute Graff in einem so verzweiffelten Zustand anfangen? Er nam seine Zuflucht zu Gott / als welcher allem mächtig wäre / ihn auß der enstersten Lebens-Gefahr zu reissen. Indem er nun allenthalben Mittel und Weg suchet / dem Tode zu entrinnen / siehe / da würde ihm von Gott ein sonst nie beobachtes Thürlein gezeiget / aus welchem er sich in den nechsten Tempel / und dessen öberste Thurn-Spitze verfügte; Indessen fielen die Mörder ins Schlaff-Gemach / visitierten alle Winckel durch / und verwunderten sich entlich mit Erstaunen / wohin sich doch das von ihnen so hoch verlangte Wildprät möchte gewendet haben; Man durchgieng alle und jede Mönchs-Cellen / und andere Gemächer / ja so gar die aller verächtlichsten Oerter / allein alles vergebens und umbsonst; Friederich steckte indessen schlaffloß in der Thurm-Spitze / voller Furcht und Hoffnung. Unterdessen breitete sich das Gerücht von der angestelten Mordthat ziemlich weit aus / und kame nicht allein vor Friederichs Hoff-Gesinde / sondern auch fort weiter ausser dem Kloster-Gebieth vor seine guthe Freunde und Anverwanten / welche sich in aller Eile gewaffnet zusammen rottirten / und zu Vollstreckung der Rache auff den Weg machten. Der Tag war nunmehr angebrochen / und vermerckte Graff Friederich in seiner Thurn-Spitze / daß die Seinigen immer näher herbey eilten / dannenhero er ein Herz fassete /und den betrüglichen Heinrich von der Höhe also anredete. Feiner Hertzog / du hast wahrlich nicht wenig wieder Recht und Billigkeit gehandelt / daß du mich zwar friedlich hieher beruffen / aber gar schlechte Zeichen einer Friedfertigkeit [314] hast spühren lassen / indem du dich mehr feind- als freundlich erzeiget. Es hat dich auch von dieser schlimmen That weder die Ehrbarkeit eines guten Gerüchts / noch die nahe Verwandschafft / die zwischen uns sich ereignet / abgehalten. Damit es aber nicht das Ansehen haben müge /als ob ich Böses mit Bösem vergelten wolte / so erinnere ich dich freundlich / daß du von hinnen weichest / ehe dich die Meinigen / die ich allenthalben heran nahen sehe / hier antreffen mögen. Weil nun Henrich in der That die vorgerückte: Bezüchtigung nicht wiederlegen könte / wurde er vielmehr aus Scham als Furcht dahin gebracht / daß er sich / ohne fernere Seumung / hinweg begabe / und das Hasenpanier auffwarffe / verdiente also durch diese schändliche That /daß er neben dem Titul eines Stoltzen / auch billig und mit Recht der Betrügliche und Heimtückische solte gennet werden.

146. Der falsche Bischoff
CXLVI. Der falsche Bischoff.

Im Jahr Christi 904 / als es in Italien ziemlich ruhig außsahe / hielte sich Ludwig / Bosons Sohn / mit seinem Kriegs-Heer zu Veronn auff / und dachte nicht viel dahin / wie es künfftig ergehen möchte / fürchtete sich auch im Geringsten nicht vor heimlichen Betrügereyen und Rach. Daselbst redete ihn Adelard / der Papiensische Bischoff (der es heimlich mit Berengario hielte / welcher in Italien feindlicher Weise gefallen war) einsmahls / mit betrüglichen und falschen Worten auff diese Weise an: Nunmehr hat Eure Königl. Mayst (dero Persohn und Reich der Allerhöchste noch ferner segnen wolle /) dasjenige erlanget [315] / was wir ins gesampt vor vielen Jahren / mit vielen Aechzen und Seufftzen hertzbrünstig verlanget. Sie besitzen gantz Italien / ohne einigen Feind / in guten Fried und Ruhe-Stand. Berengarius ziehet ja itzo immer im Elend herumb / ist allenthalben eingeschlossen / hat an allen Dingen grossen Mangel / wird itzo so wenig gefürchtet / als sehr er vor diesē verhasset gewesen. Eure Majestätt hochpreißliche Tugend verdienet von jederman geliebet zu werden: Wir dancken dem Himmel / daß er uns einen solchen König gegeben / der sich über unsere Freyheit erfreuet / mit Gütigkeit und Sanfftmuth das Reich verwaltet / und danenhero von den Unterthanen geliebet / von den Außländern aber höchlich gefürchtet wird. Dieses weis Eure M. gantze Völckerschafft nur alzuwohl / daß man sie nicht begehrt als Knechte zu bezwingen / sondern als Bürger zu regieren / und ihnen ins gesampt eine ewige Freyheit zu verschaffen. Eure Mayst. versichern sich / daß uns unsere Natur-Arth eingebe / Sie / als einen trefflichen Fürsten zu lieben / und diejenigen Tugenden hoch zu achten / welche Freude und Liebe gebähren. Sie haben ja verhoffentlich nunmehr zur gnüge erfahren / wie die Stände gegen dero Persohn gesinnet seyn / wie auffrichtig sie von dero Bürgerschafft geliebet und verehret werden. Eure Myst. haben ja die fröliche Zuruffung des Pöbels vernommen / welche nichts betrügliches in sich halten; Sie haben ja gehöret die Freuden-Bezeugungen / welche nicht aus falschem Hertzen haben kommen können / sondern vielmehr auß gottseliger Inbrunst herfür gequollen / daß man sich also kecklich darauff zu verlassen; Dann niemand wird jemahls von einer getreuern Wacht umbgeben /als wann ihme das Volck günstig ist / welches sich umb seinent willen selbst nicht fürchtet / sondern nur umb seinen Fürsten sich bekümmert [316] erzeiget. Wann ich sagen darff / wie ichs meine / und wie es mir von Hertzen gehet / so kan ich warhafftig nicht anders sagen / als das Eure Mayst. doppelt versichert sey: Einmahl / weil sie von den tapffersten Leuten umbgeben werden / und dann / weil sie niemand haben / für dem sie sich fürchten dürffen. Eins ist noch / daß ich in etwas verzagt doch ohne falsch hervor bringe / daß nemblich Eure Mayst. künfftig keines Kriegs-Heers mehr bedürffig sey / weil niemand vorhanden / den sie überwinden können / auch niemand überwunden ist /der sich nicht freuen solte überwunden zu seyn. Wann Eure Mayst. diese Wolthat ihrer angebohrenen Gutthätigkeit beyfügen wolte / daß weder die Bürger noch Bauren mit Einquartirungen beschweret / noch der Adel allzusehr möchte gepresset werden / so würden alle und jede sie nicht allein als ihren König / sondern noch über das / als einen von Himmel kommenden Gott verehren. Ob nicht dieses alles dero Tugend und Majest. trefflich wohl anstehe / lasse ich sie selbst /nach dero beywohnenden hohen Weißheit urtheilen. In Warheit / daß Volck wäre wohl einmahl / nach so viele außgestandenen Kriegs-Troubelen / einer angenehmen Erleichterung und Ruhe benöthiget / so könte auch der von vielfältig angewendeten Kriegs Unkosten ziemlich erschöpffete Schatz nicht besser wiederumb bereichert werden / als wann man die Soldaten abdanckte / und also den hohen Sold ersparete. Diesen Süßschmeichlenden Worten trauete dazumahls Ludwig mehr als zu viel / sprach die Soldaten ihres Eyds quit / und liesse einen jeden gehen / wohin er wolte / daß also alles und jedes Kriegs-Volck in kurtzer Zeit abgedancket würde. Adelard feyerte hierauff nicht lange / sondern that solches nebenst seinen anderen Mitverschwornen dem Berengario durch heimlich Botten zu wissen / unn liessen ihn [317] instendig ersuchen / er solte sich nicht säumen / das bevorstehende und ihm gleichsahm winckende Glück mit beyden Händen zuergreiffen. So bald Berengarius die Meinung dieser seiner Clienten verstanden / verfügte er sich aus Bäyerland (wohin er von Ludwigs Waffen wäre vertrieben worden) wieder in Italien / gelangte bey der Nacht in aller Stille zu Verona an / (als welcher Stadt er sich am meisten vertrauete /) machte etliche ihme wolbekante tapffere Männer / die dem Ludwig Spinnenfeind wahren / bewaffnet / kame mit denselben bey anbrechendem Tage in das Schloß / und verfolgte den Ludwig / der in St. Peters Haupt-Kirche geflohen ware / bekame ihn endlich gefangen / liesse ihm die Augen ausstechen / und erlangte also / mit geneigtem Willen der Italiäner / die so lange verlangte Krone.

147. Der betrügliche Hatto
CXLVII. Der betrügliche Hatto.

Auff einen betrieglichen Bischoff / folget ein betrieglicher Ertz-Bischoff / der ware der Mäyntzische Hatto / durch dessen falsch-politische Verschlagenheit Adalbert / Graff von Babenberg / (oder Pamberg) so wol seiner Güter als seines Lebens beraubet worden. Die Sache verhielte sich also: Es hatte Adalbert Graff Conraden von Hessen in einer Schlacht überwunden und entleibet / dessen Todt nun wolte Käyser Ludwig (nach dessen Absterben / ohne Hinterlassung Männlicher Erben / Käysers Carls des grossen Stamm in Teutschland zu regieren auffgehört) durchaußrächen / und forderte deßwegen den Adalbert auff den Reichs-Tag / umb daselbst wegen des an Conrad begangenen Todtschlags / und anderer Thaten mehr /sich zu verantworten: Adalbert trauete nun mehr [318] seiner Sache nicht zum besten / kunte also nicht darzu gebracht werden / daß er vor Gericht erschienen wäre. Dannenhero ihn Käyser Ludwig vor einen Reichs-Feind erklärete / und mit gut-Befindung der Stände /als einen Halßstarrigen und widersetzlichen Menschen / mit Krieg zu überziehen drohete. Weil er aber solcher Gewalt nicht gewachsen wäre / begab er sich in ein sehr festes Schloß. Ludewig belagerte ihn zwar daselbst dermassen / daß nicht das Geringste weder aus- noch einkommen könte / jedoch weil sich solche Belagerung allem Vermuhten und Ansehen nach weit hinaus ziehen würde / und keine Hoffnung erschiene /daß das Schloß / weil es mit allerhand Sachen aufs Beste versehen war / solte können eingenommen werden / als stellte sich der Käyser auff einen rohten Thurn / und stellte sich auff Zurrahten Hattonis / des Ertz-Bischoffs zu Mayntz / gleich wolte er den Belägerten wieder in Gnaden annehmen / wann er nur eine Hoffnung einiger Besserung und ruhigern Lebens würde von sich blicken lassen. Adalbert dacht hierauff keinen hinterlistigen Betrug / und währe gar geneigt / in ein friedliches Gespräch zutretten. Hierzu nun würde der Hatto / der den Anschlag gegeben hatte / als ein treflicher Executions-Meister erwehlet. Der kam auff Treu und Glauben in das Schloß / und versprach dem Adalbert mit vielen weitläufftigen Worten des Käysers unfehlbahre Gnade / wo er dieselbe nur anflehen würde / und sey er selbst bereit / hierinnen seinen möglichsten und besten Fleiß anzuwenden. Er solte nur des Königs geneigtes Gemüth erkennen /und auff gleiche Treue und Glauben / als man ihn eingeladen / in Gegenwart derselben / sich auf seine Knie nieder lassen / und Gnade bitten: Hierüber stutzte nun Adalbert ein wenig [319] / und stunde zweiffelhafftig / ob er trauen solte oder nicht. Da sagte Hatto: Wolan! Ich versprech hiemit dem Grafen Adalbert / daß ich ihm frisch und Gesund wieder in dieses Schloß bringen wolle / es mag auch gleich die Sache ablauffen / wie sie immer wolle. Der Graff verliesse sich auf die alte Teutsche Treu und Redligkeit / glaubte dem Ertz-Bischoff / und machte sich von Stunden an reißfertig. Sie wahren aber kaum über die Schloß-Brücke hinaus geritten / und solten nun den Berg hinan reiten / da wann sich der Ertz-Bischoff umb / und sprach zu dem Grafen: Herr es ist / schon weit auff den Tag / und es wird uns mit dem Essen ziemlich lang werden / hätten wir doch erst miteinander gefrühstücket. Der Graff antwortete / das können und wollen wir thun / lasset uns nur gleich wieder zurückkehren weil wir im Schloß bessere Speisen haben werden / als in den Bauren Herbergen. Darauff wandten sie sich stracks wieder zurücke / hielten Mahlzeit / und begaben sich so fort zum Käyser / sie wahren aber daselbst kaum angelanget / da würden dem Grafen Ketten und Banden angelegt. Und als er sich deßwegen über den Bischoff beschwehrte / daß er ihn so listiger Weise hintergangen / antwortete derselbe behend: Er habe seinen Eyd getreulich gehalten / weil er ihn / vermöge desselben / einmahl sicher wieder in sein Schloß gebracht / da er nemblich des Morgensmahls halber mit ihme wieder umbgekehret wehre / daß er aber hernach wieder sich hinaus / und zum Käyser begeben / seye ihm selber zuzuschreiben / er hätte ja wol in seinem Schloß bleiben können. Ob nun gleich Graff Adalbert GOTT und Menschen zum Zeugen anruffte / wurde er doch des Lasters der verletzten Majestät beschuldiget / und nach Urtheil der Richter alsobald enthauptet. Hierauff wurden seine Güter [320] eingezogen / und fiel die Graffschafft Badenberg dem Reich heim / wordurch endlich das Käyserliche Stifft und Bischtuhm hernach bereichert worden. Die Historien und Jahr-Bücher aber verfluchen billig des Hattons gebrauchte schlimme List / als welche einem Geistlichen gar übel anstunde.

148. Der redliche Betrug
CXLVIII. Der redliche Betrug.

Man sol nichts Böses thun / daß Gutes daraus erfolge / wie die H. Schrifft uns gnugsam zu verstehen gibt: In Mittelsachen aber / welche eigentlich noch böß noch gut sind / soll man allezeit das Absehen auff das Ende / und was daraus erfolgen möchte / richten /wann sonderlich Gefahr bey der Sache zu seyn scheinet. Also betrüget einen ein Artzt / in dem er ihn unter der Speise purgirende Säfte beybringet / und die Mutter ist nicht verbunden / ihren Kindern die Warheit zu sagen. Von solchem redlichen Betrug wollen wir etliche merckwürdige Beyspiele anführen und dem Leser auch in diesem wie allen andern zu beurtheilen heimgeben / ob darin recht und unverantwortlich gehandelt oder nicht. Wer urtheilt / setzet seinē Verstandt auff die Prob / und muß erwarten / daß man auch von seinem Urtheil urtheile / deßwegen Syrach recht vermahnet: Mein Sohn / sey nicht schnell zu richten / so wird es dich nicht gereuen. Ein Obrister hatte bey sich zu Prag jüngst verwichener Jahrē eine Dirne / deren Mann er hat erschiessen lassen / und sein Eheweib von sich gejagt. Diese führte er mit sich herumb / und er zeugte einen Sohn mit ihr / den er aufferziehen lassen / und zu seinem Erben einsetzen wollen. Es fügte sich aber [321] / daß er dieser Schleppen genug hatte / und sie von sich lässet / nicht sonder ihren Unwillen / weil sie alle Hoffnung / Obristin zu werden / zugleich verlohren. Diese verjagte Ehebrecherin gienge zu einer Zauberin / und bate sie umb eine Kunst den Obristen wieder zu ihr zu bringen / und ihres Willens zu machen. Die Hexe versprach solches / wann sie nur eines von seinen Haaren ihr bringen würde. Daß die Haare zu der Zauberey gebrauchet werden / ist bereit Homero bekant gewesen / der die Circe einführet / daß sie die Haare aus der Balbierstuben holen lassen / und die Jüngling an sich bracht. Nachdeme sie nun des Obristen Kammer Diener lang angelegen / er solte ihr doch die Haare seines Herrn / welche er etwan morgens in dem Kamm hinterlassen / geben; Hat doch der Kammer-Diener leichtlich erachten können / daß solche sie zu keinem guten Ende begehrte / und solches mehrmahls verweigert. Endlich hat sie ihme ein Dutzt Thaler versprochen / wann er ihr wilfahren würde. Wer kan den Adlern und Gewapneten / ich sage den Thalern und Ducaten / wiederstehen / der Kammer-Diener verspricht es / und reisset etliche Haar aus der Berenhaut / welche so schwartz waren / als seines Herren Haare: Giebt sie der Dirne / unn nimmt dargegen das Geld / welcher Betrug redlich zu nennen /weil er seinem Herrn wol gedienet / und die Jenige betrogen / welche Böses in dem Sinn hatte / und doch für allen Schaden gut zu seyn versprochen. Diese bringet nun die Haare von der Beerhaut der Zauberin /und erwartet zu Nacht des Obristen / zufolge erhaltenen Versprechens. Was die Hexe mit den Haaren gethan / ist unwissend / und wie den Frommen kein Haar ohne Gottes Willen von dem Haupt fallen kan /also hat der böse Geist Macht über der bösen Haare /und sonderlich der Huren-Hängste / wie solches beglaubt Tobias. Cap. 6. 17.

[322] Zu Nachts lage der Kammer-Diener benebens einem Edel-Knaben auf der Beerenhaut / als durch das Fenster / welches offen / ein schwartzes Gespenst hineinkommen / die Beerenhaut unter ihnen hervorgerissen / und zu dem Fenster hinausgeführet. Die Diener sind hierüber erschrocken / und haben leichtlich erachten können / daß solches nicht der Beerenhaut /sondern ihrem Obristen vermeint gewesen / welchem sie diesen Verlauf angemeldet / und ihn darnach bewogen / daß er seine gewesene Schleppe oder Feld-Weib niederschiessen lasse / sich für ihren Stücklein zu sichern. Mit den Haaren hat sich auch eine wunderliche Sache anderwerts zugetragen. Ein Handelsmann hat mit seiner Magd zugehalten / und weil er ein Wittber / verhoffte sie / er solte sie freyen / ob wol kein Ehe-Versprechen zwischen ihnen vorgegangen /und er weit zu klug war. Nach Verlauff wenig Monaten / gedencket er sich zu heurahten / und schaffet deßwegen die Dirne von sich / mit ihrem grossen Unwillen; Weil dergleichen Huren-Lieb sich in Haaß und Feindschafft zu verkehren pfleget / wie der Wein in Eßig. Diese Schleppe hatte von ihrem Herren etliche Haar mit ihr genommen / und solche unter eine Trifft eingegraben / daß der Mann an heimlichen Ohrten grosse Ungelegenheit und Schmertzen empfunden. Er klagte solches einem verständigen Artzt / und meldet / wie er gedächte sich zu heurahten / wegen dieses Zufalls aber müste ers anstehen lassen. Der Artzt gebrauchte seine Mittel / vermercket aber / daß die Sache eine Geheimnüß hätte / sagte deßwegen / er müsse andre Leute hierinnen fragen / und daß nach Paracelsi Meinung auch etliches von alten Weibern zu lernen.

Dieser offenbahrt sein Anliegen einer andern Vettel / solche Weiß-Künstlerin begehret / er solte von seiner gewesenen Magd / ihr 2 oder 3 Haare bringen / so [323] wolte / sie ihm helffen / der Kauffmann locket die Dirne wieder an sich / und bekommet die Haare von ihr / von einem solchen Orth / der am meisten dardurch hat leiden müssen. Diese Haar / sagte die Alte /müsse er in eine Eychen / auff einen Scheidweg verbergen / einen Keul darfür schlagen lassen / und weil er es nicht thun wolte / hat er solches seinem Diener anbefohlen. Es war solches auff dem Weg gegen Altdorff von Nürnberg kaum zu Werck gerichtet so kame die Dirne / und bate / er wolte doch die Schalckheit /so er ihr gethan / wieder zurücke nehmen; deßgleichen wolte sie auch thun. Hierüber erfreute sich der alte Handelsmann / liesse die Haare aus der Eichen nehmen / und kame also wieder zu recht / daß er sich verheurahtet / und die Schleppe mit einem stück Geldes von sich geschaffet. Die Lehr ist / daß man die Haare / welche unnützlich von sich geworffen werden / woll sol in Acht haben / damit sie bösen Leuten nicht in die Hände kommen.

149. Die listige Uberredung
CXLIX. Die listige Uberredung.

Wir pflegen in dem Sprichwort zu sagen / wann man einen etwas Glauben machet / das nicht ist man hat ihm eine Nasen gedrehet / und ist diese Arth zureden /sonder allen Zweiffel herkommen / von der neuen Nasmach-Kunst / von welcher zu lesen Stephan Gaumelin / Alexander Benedict / Parcus und andere / die von Wund-Artzney geschrieben haben. Es werden aber solche Nasen von eines andern Menschen Armen gemachet / auff welchen das neu benaste Angesicht /40. Tage muß gebunden bleiben / alsdann wird die Nasen heraus geschnitten / so groß man sie haben wil. Wie aber eine solche [324] frembde Nasen / wann der Mensch / aus welchen Arm sie geschnitten / stirbet /so faulet die Nasen mit ab / wie solches Campanella. l 4. de sensu rerum f. 308. erzehlet / daß er dergleichen gesehen: Also sage ich / kan derer Post / welchen man mit dem Nasendrehen vergleichet / nicht lang dauren / sondern es muß die Warheit mit vielen Gelächter offenbahret werden. Hieher wollen wir nun dergleichen Geschichte erzehlen / und erweisen / daß nicht nur die Artzte / sondern euch die Juristen Nasen drehen / und ihnen drehen lassen.

In einer lustigen Gesellschafft erlicher Teutschen /war ein Saltzburger / der nicht gar zu viel Hirn in dem Haupt / und deßwegen von den andern vexiret wurde. Sein Landsmann kame umb zufolge genommener Abrede am ersten nach Venedig / und sagte dem Wirth /bey dem weissen Pferde / alle Beschaffenheit dieses blöden Jünglings / und kame erst nach etlichen Tagen zu ihm in das Wirthshauß / zu erfahren / wie der Poß angegangen. So bald dieser Storg ist angelanget / empfäht ihn der Wirth sehr freundlich / spricht ihm zu /und fraget / wie es seinem Vatern / seiner Schwester und Bruder / die er alle mit Nahmen nennete / ergienge? Der Teutsche verwunderte sich / daß dieser so viel von seinen Hauß-Genossen weiß / und als ihn der Wirth absonderlich in eine Kammer geführet / und ihn schwären machen / er wolle geheim halten / was er ihm vertrauen werde / hat er erzehlet / daß er in dem Sommer ein Storch werde / und gegen seines Vatern Hauß über / sein Nest haben; Weil ihme aber von den Seinigen viel Gutes geschehen / begehrte er sich wieder Danckbahr zu erweisen. Der einfältige Gesell lässet ihme die Nasen drehen / und glaubet alles umm so viel mehr weil der Wirth kein Geld [325] von ihm nehmen wolte (seine Gesellschafft hatte für ihn bezahlt) und mit vielem höfflichen Erbieten von ihm scheiden liesse. Als nun dieser nach Hauß kommen / sich verheurahtet / und über der Mahlzeit die Störche auff des Nachbahrn Hause kommen siehet / nimbt er ein Glaß / bringt es dem Storch umb Wilkomm (ben venuto Signor hoste, faccio unbrindis à V.S. etc.) erzählet auch den Gästen / daß dieser Storch ein Wirth zu Venedig bey dem weissen Pferd / etc. Darüber alle Gäste lachen / und vermeynen der Herr Bräutigam sey auff der lincken Seiten nicht recht unter dem Hütlein verwahret.

Folgende Nase ist fast noch länger: Ein Gelährter tafferer Mann reiste durch Schwabenland / und wurde zu Tische zureden begonnen von dem Bockholen /daß die Hexen einen können auff dem Bock holen lassen / welchem man etwas von seinem Leibe zuwerff /oder darauff an das gebante Orth durch die Lufft reiten müste: Hiervon wurden unterschiedliche Exempel erzehlet / die sich der Orthen solten zugetragen haben / und daß ein solcher Bock-Reuter nicht lang hernach lebe. Dieses sagte der Doctor ist eine lautere Verblendung des Satans / und ist er nicht so mächtig / daß er einem Frommen ein Haar krummen könte / GOtt verstattet ihm zwar viel bey den Bösen / doch nach ihrem Willen / und wie es eine jede Hexe begehret / oder gegen Geld zu leisten verspricht / schleust endlich: Ich wolte den Bock ansehen / der mich holen könte; Wiewol ich weiß / daß vielmehr die Jungen / als die Alten solcher Gestalt / zu böser Arbeit erfordert werden. Dieses fasset einer von der Gesellschafft zu Ohren / stehet auff / nimbt den Bock / der in dem Wirthshauß bey dem Pferden stunde / unn führet ihn in die Kammer / da der Doctor schlaffen würde /[326] bringt ihn auch unter das Bette / und schüttet ihm viel Habern für / damit er darunter bleiben solte / biß der Doctor sich zu Bette geleget / wie auch geschahe / als er auff gut Teutsch bezechet war. Nachdeme nun der erste Schlaff vorüber / der Bock auffgezehret und ausgeruhet / kreuche er unter dem Bette herfür / gehet in der Kammer herumb / weckt den Doctor auff / und kommet für das Bette / recket auch seinen langen Bart hinein und sprang mit dem fördern Füssen in das Bette / daß der gute Mann nicht anders vermeinet / es sey ein Bock / der ihn holen wolte / er ruffte zu GOtt brünstiglich / finge an sich zu trösten / und den vermeinten Teuffel mit Sprüchen Heiliger Schrifft von sich zu jagen / und wahr in grossen Aengsten. Als nun solches die andern in der Gesellschafft gehöret /haben sie die Kammer auffsperren wollen; Weil er sie aber verriegelt / konten sie nicht hinein kommen. Nachdeme er nun der vermeinten Gefahr eine Zeit gewohnet / ist er auff die Gedancken gerahten / daß man ihm mit dem Bock in dem Hause eine Nase gedrehet /deßwegen einen Muht gefasset / und den Bock von sich geschlagen. Was Gelächter dieser Poß veruhrsachet / ist leichtlich zu erachten.

Es ist eine gewisse Regel / daß wann ihrer Zween wollen / der Dritte muß Narr seyn / und sich vexiren lassen. Dieses hat auch erfahren ein Frembder doch wohl bekandter Handelsmann / welcher mit etlichen seiner Bekanten auff ein Dorff spatzieren geritten /unterwegs aber haben sie einen Anschlag gemachet /ihme eine Nase zu drehen mit seinem Pferde / und vorgeben / sein Pferd hätte das Hanen-Geschrey. Der Kauffmann verstunde sich nichts auff die Pferde /fragte was es für eine Kranckheit sey? Sie sagten /daß es wie die fallende Sucht / und wann er nicht[327] Hülffe verschaffte / so würde das Pferd in 24. Stunden verrecken / er solte nur den Schmidt in den Dorff fragen. Einer von den Dienern war vorgeritten / und hette die Sache mit dem Schmidt abgeredet. So bald sie nun ankommen / reitet dieser auff die Schmitten zu / und wird in seiner Meinung bestättiget / das Pferd hab das Hanen-Geschrey / also genant / weil man den Hanen und Hennen das Blut nehmen / und es dem Pferde über den Rücken streichen müsse / dardurch das Geblüt erfrischet / und das Pferd wieder zu Kräfften komme. Der einfältige Mann glaubet dieses / und kaufft alle Hüner in dem gantzen Dorff / lasset das Blut zusammen tropffen / und das Pferd mit bestreichen. Der Gesellschafft verehret er die Hüner / darauff der Poß angefangen / und das Pferd kommet wieder zurecht / wie er vermeinet / dem Schmit verehret er einen Reichsthl. und hilfft die Artzney verzehren / daß er also mit einer langen Nasen wol vergnüget wieder heim gereiset. Wem diese Nasen nicht gefallen / und ein erfreulicher Schertz zu wieder ist / der muß erwarten / daß ihm dergleichen begegne. Etliche sauer Töpffe können nicht sehen / daß andere lachen da doch Salomon der Weise König / auch solchem eine gewisse Zeit bestimmet / und wird das Lachen für das eigentliche Kenzēichen eines Menschen gehalten /weil ein Verstandt darzu erfordert wird / die Sachen welche lachens wehrt / von andern zu unterscheiden.

150. Der listige Perlenschlucker
CL. Der listige Perlenschlucker.

Auß Pariß / vom 22 Augusti N.E. hat man dieses Jahr 1685 nachfolgendes geschrieben: Es hat sich dieser Tagen ein seltzamer Casus alhir [328] begeben / indem ein auff seyn Diebs Handwerck eine geraume Zeit gewanderter Beutelschneider / nett und statlich gekleidet /und also in Gestalt eines fürnehmen Herrn / sich zu einem Hoff-Cavallier gesellet / eine gute Zeit mit demselben / unvermerckt der hinter ihm steckenden Dieberey / umbgangen / endlich auch von demselben mit nach Hause genommen / und nach den äusserlichen Würden tractiret worden. Wie nun dieser verkleidete Gesell nach gehaltener Mahlzeit inne worden / daß ersagtē Cavalliers Eheliebste / die sich eben zur Mittags-Ruhe niederlassen wollen / eine kostbahre Schnur Perlen umb den Halß getragen / da hat er ihr dieselbige mit ungemeiner Behendigkeit vom Leibe practisiret / und weil er sie anders nicht besser zu verbergen gewust / durch den Kragen in seinen Magen gesand. So bald die Frau erwachet / und sich für dem Spiegel beschauet / vermisset sie ihre Perlen; der über diesen Verlust geschöpffte Verdacht aber ward alsobald auff den zu gutem Glück noch anwesenden verkleideten Beutelschneider geworffen / welchen auch diese gleich ankommende Wacht darumb befragte /weniger aber als nichts auß ihm zu bringen vermochte / man suchte ihn durch und durch / aber da war nichts bey ihm von den gestohlenen Perlen zu sehen oder zu hören. Weil aber gleichwohl der auff ihn / gefaste Verdacht / einmahl für allemahl blieben / und man gleichwohl ihn das Geringste nicht überzeugen / noch etwas bey ihm erweisen können / hat man ihm / auff einrathen eines listigen Kopffs / zwo starcke Purgantzen beygebracht / welche den Behälter der edlen Perlen / sonder Schlüssel / dergestalt eröffnet / daß dieselbe binnen kurtzer Frist / auß der tieffen Finsternüß unversehret wieder an des tages Licht sind gebracht worden. Beydes hat bey Hoff / alß derselbe hievon Nachricht erhalten / einen sonderbahren Spaß und Gelächter [329] erwecket; der Perlenschlucker aber ist gefanget gesetzt / und hat seine 2 Purgantzen / sampt andern bey sothaner Diebs-Action auffgewanten Unkosten zur Gnüge ersetzen müssen.

151. Der listig betrogne Cavallier
CLI. Der listig betrogne Cavallier.

Zu Amsterdam hätte sich etliche Tage lang ein Teutscher Cavallier aufgehalten / und alles beschauet /was für die Frembden zu besehen ist / und wie er also durch die Stadt hin und hergangen war / ist er dadurch etlichen Spitzbuben ziemlich bekant worden / die ihn mit aller erdencklichen List verfolgeten. Wie nun dieser Cavallier nach seinem Sinne Amsterdam gnug besehen hatte / entschloß er sich / von dannen über Harlem weiter nach Leyden / dem Haag / und andere Städten in Holland zu gehen / und selbige ebenmäßig zu besehen. Solcher gestalt komt dieser Herr mit seinem Knecht langs den Harlemmer Dyck nach der Harlemer Schuyte zu gehen / in Meynung zu verreisen /indem kommen ihm einige von diesen Spitzbuben entgegegen / heissen ihn mit grossen Complimenten willkommen seyn / und sagen / daß sie sich erfreueten / den Herrn hier zu sehen. Worauf der Teutsche sagte / Freunde / ich kenne euch nicht. Wie mein Herr / hat er uns so vergessen / ich kenne meinen Herrn wol /meines Behalts habe ich meinen Herrn zu Hamburg gesehen. Das kan wol seyn / meine Herren / sagte der Teutsche / daß ihr mich allda gesehen habt / ich kan mich aber daher nicht besinnen / daß ich euch kenne. Sie hingegen sagten / mein Herr wir haben Ew. Gestr. in so einer Herberge gesehen / da wir [330] nebenst meinem Herrn logiret waren. Das war aber nur eine blosse Muthmassung; Die sie einem Frembden so vorbringen / geschicht es denn / daß sie es errathen / so haben sie festern Fuß / ihre Anschläge desto besser zu vollführen. Diese Spitzbuben redeten auch gut Hochteutsch /welches diesen Herrn umb so viel mehr betrog / der nicht anders gedachte / als wenn es sich also verhielte / und könte seyn / daß ers vergessen hette. Wie diese Spitzbuben nun also auff der Strassen mit dem Teutschen im Gespräch waren / ersuchte ihn einer von ihnen / ob er nicht einen Valet-Trunck mit ihnen zu thun beliebete / weil mein Herr / sagte er / reisefertig ist / so wollen wir meinen Herrn nicht auffhalten /sondern wegen unser Kundschafft / wiewohl es meinem Herrn vergessen / noch ein Glaß Wein mit einander trinckē. Also ward dieser Herr von ihnen überredet / und giengen mit ihnen in die nechste Herberge /die sie da funden / giengen daselbst mit grossen Complimenten hinein / und ersuchten den Wirth umb eine Kammer / forderten zugleich ein Nössel von dem besten Wein / und brachten es meinem Herrn auf eine glückliche Reise zu; Dieses gieng also ein mahl oder drey hin und her / indem begunte der eine zu erzehlen / wie es ihm gestern so wunderlich gangen were / bey einem Herrn / der ihm 10 Ducaten abgewonnen / das verdrösse ihn aber nicht / daß er die 10 Ducaten verspielet hette; Sondern wünschte noch wol 10 Ducaten zu verspielen / wenn er das Spiel nur recht lernen möchte: Sein Mitbruder fragte / ihn / wie hieß denn das Spiel? er sprach das weiß ich nicht / wenn ich aber eine Karte hette / so solte ich es euch bald weisen können; Der Teutsche sagte hierauff; Ey / last den Wirth eine Karte herlangen / (dieses war eben das /was sie suchten;) wie die Karte kommen war / ward[331] sie vermenget / da wolte er nun weisen / wie er seine 10 Ducaten verlohren hette / er gewan ein Spiel zwey oder drey bald verspielte er / das gieng also vor der Hand fort. Endlich gerieth der Teutsche durch diese Possen mit an das Spiel / und gewan bald ein Spiel /bald verlohr er wieder / sie hatten anfangs umb ein Schilling gespielet / darnach umb einen Reichsthaler /endlich kams auf einen Ducaten er holte Hände vol Gold aus seinem Beutel / und sprach / ich habe gestern 10 Ducaten verlohren / ich muß das Spiel lernen / und solte es noch 25 Ducaten kosten. Der andere sagte zu den Teutschen / mein Herr / das ist ein Großsprecher / es könte leichtlich kommen / daß er alle sein Geld quit würde / er wil es mit Gewalt lernen /das gehet allezeit nicht an. Das ist war / sagte der Teutscher / wir wollen dem Kerl bald von seinem Gelde helffen / last uns nur ein Spiel 3 oder 4 spielen / (es gieng aber über seinen eigenen Kopf aus;) Die Karte wird gemenget und herumb gegeben; da stehen denn 25 Ducaten / sprach er / ich wil es lernen und solte es mich alle mein Geld kosten. Da stehen so viel darbey / sagte der ander / dieses war also zu Anfang /und stunden 75 Ducaten auf dem Spiel. Dieses Spiel gewonnen die andern. Da spielt der Teuffel mit /sprach er ich wil es dennoch lernen / und solte es mich noch ein einmahl so viel kosten. Sie vermengeten die Karte / da gewann er / das nachfolgende Spiel gewann der Teutsche / dieses gieng herumb einer ward hitziger auff das Spiel als der ander / und satzten allemahl 75 Ducaten auff. Aber ehe eine Stunde zu Ende kam / hatte der Teutsche 200 Ducaten verlohren / stund sehr sanfftmühtig / und sahe daß er alle sein Geld verlohren hatte / damit er seine Reise zu thun gesonnen gewesen / muste also ohne Abreise wieder in sein Logiment gehen / und [332] allda so lange verziehen / biß er einen Wechsel aus seinem Vaterland bekam / und alsdann seine Reise / die Holländischen Städte zu besehen vollführen könte. Immittelst hatte er gesehen / wie in Holland aus seinem Beutel 200 Ducaten in einer Stunde herauß marchiret waren. Die zween Spitzbuben bezahleten dem Teutschen zu Gefallen das Gelach / machten sich geschwind mit einem Compliment von dannen / und liessen den Teutschen mit Angst und Kümmernüß hinspatziren.

152. Die listige Tryn
CLII. Die listige Tryn.

Man schreibet seltzame Dinge von einen Außbund listiger Weiber / welche man Tryn von Hamburg nennet. Unter andern gehet sie einsmahls zu einem wohlhabenden Balbierer / führet ihn in einen Winckel /und offenbahret ihm / daß sie außgesand seye / von einer fürnehmen und reichen Frauen / welche einen bösen / jedoch gar heimlichen Leibes Schaden hätte /von welchem sie gerne genesen wolte / fragte ihn darauff / ob er auch für dergleichen heimliche Mangel bewehrte Mittel hette / allermassen hier ein gut stück Geld zu verdienen? Der Balbier verspricht alles zu heilen / was auch von andern / als unheilbar verlassen worden: Ich habe / sprach er / für solche heimliche Gebrechen eine besondere Kammer / da sind die Patienten mit mir gantz allein / und man hat sich im Geringsten nich zu befürchten / daß sie verrahten werden. Wohl / ließ sich die Tryn vernehmen / so will ich morgen mit der Frauen hieher kommen / aber ihr müsset bey Leibe eurer Frauen nichts davon sagen / führet sie alsdann in die heimliche Kammer / und wann sie gleich im Anfange auß Schamhafftigkeit [333] ihrē Schadē nicht bekennen / noch viel weniger denselben zeigen wird / so müsset ihr doch bey ihr anhalten / den sie ist über die massen blöde / und furchtsam. Nachdem sie dieses alles wohl angeordnet / gehet sie in eines reichen Gold-Schmieds Hauß / spricht / sie sey von ihrem Herren außgesand / etliche Becher / Salß-Fässer / güldene Ringe / einen vergüldeten Kopff herzuhohlen / und könne der Gold-Schmied seine Frau nur mit schicken / als mit welcher man / weil sie solchen Preiß hätte / noch am besten accordiren könte. Der Gold-Schmied ist dazu willig / lässet ihr die Wahl /unterdessen kleidet sich die Fraue an / und gehen also mit einer guten Tracht nach des Balbiers Hause. Wie sie da hinein kommen / fragte der Haußwirth die Betriegerin: Ob dieses die Fraue sey davon sie ihm gesagt? und alß sie solches mit Kopffwincken bejahet /spricht er zur Goldschmiedin: Seit willkommen Jungefrau / leget eure Dinge so lange ab und kommet mit mir hinauff / solches thut sie / und Tryn bleibet bey dem Silber-Geschirr. Wie sie droben allein sind / bittet er sie / ihm ihren geheimen Schaden zu offenbahren; jene verwundert sich dieser Rede / als aber der Balbier anhält / mit Fürwenden / sie habe nicht nöthig / sich seinentwegen zu bergen / er habe dergleichen Schaden sehr viele curiret; Sie fluchet dargegen und fodert Gelt für ihre Wahren. Endlich / alß sie sich lange gezancket / kompt der Betriegerin ihr Stücklein an den Tag / dann / wie sie hinunter gehen / ist sie mit dem Silber-Zeug durchgangen. Eben diese Possenmacherin / ist hernach zu Amsterdam ertappet und gehangen worden. Kurtz vor ihrem Tode aber / und wie sie beym Galgen gestanden / hat sie ihre Possen noch nicht lassen können / sondern von der hohe Obrigkeit gebethen / ihr vor ihrem Ende nur noch eine geringe Bitte zu gewähren / als ihr nun solches zugesagt worden [334] / hat sie umb ein stücklein Leinwands / einer Ellen breit / und nur so lang / als ihre beyde Ohren von einander wären / gebethen; Man hat sie gefragt /was sie damit machen wolte / welches sie beantwortet / das solten ihre nähesten Freunde von ihr zu erben haben / hierüber lacheten die Umbstehenden / aber sie sprach: Ihr Leuthe versichert euch / es ist ein gut Erbstück / dan hier hab ich nur ein Ohr / und das andere ist in Hamburg blieben; Bedencket nun / wieviel Leinwand ich bekommen werde. Nach diesem Gespräch / hat man sie angeknüpffet.

153. Der betrogene Reuter
CLIII. Der betrogene Reuter.

Ein boßhaffter Reuter ritte mitten in Kriegs-Zeiten auffs Freybeuten auß / und traff auff dem Felde ungefähr einen armen / jedoch nicht gar einfältigen Bauren an / welcher die Contribution / einer Dorffschafften nach der Stadt bringen wolte / der Reuter redete ihn trotzlich an / er müsse ihm alles Geld / so er bey sich hätte / einlieffern / oder des Todes gewärtig seyn. Ich bin ein armer Haußmann / sprach der Bauer / und so ihr mir dieses Geld nehmet müste ichs unserer Gemeinde wieder erstatten / worzu sich meine geringe Haabseeligkeit lange nicht erstrecket; Der Reuter aber wolte mit dieser Entschüldigung lange nicht zu frieden seyn / sondern zeigte dem Bauren eine gespante Pistolen / und sprach gib Geld / oder ich zünde loß /wans den also sein muß / war des Bauren Antwort /so muß ich mich in die Zeit schicken / jedoch bitte ich euch / mein Freund / erzeigt mir den Gefallen / und schisset mir mit einer Pistollen durch den Hut / damit ich meinen Nachbarn zeigen möge / daß ich eine Gewalt außgestanden habe / nachdem man der Soldat die eine Pistol solcher Gestalt gelöset / [335] ersuchte ihn der listige Bauer / er möchte ihm die Kugel auß der andern Pistol durch die Zipffel des Rocks jagen / so würden seine Lands-Leute darauß erkennen / in was Noth er gewesen wäre / der Reuter wilfahrete ihm auch in diesem Stücke / aber zu seinem eigenen Schaden / dann alß der Bauer sahe / daß sich der einfältige Reuter verschossen hatte / fassete er das Pferd mit der lincken Hand beym Zügel / und mit der rechten grieff er dem Reuter nach dem Fuß / warff ihn so ungewaschen von der Mähre / daß ihm hören und sehen vergieng / setzte sich darauff geschwinde in den Sattel /und kam an den Orth / wo er sein Gewerbe abzulegen hatte / reitend an erzehlete auch die Ursache dessen so umbständlich / daß die Obrigkeit ihn nicht allein von seiner That frey erkante / sondern über dem noch / ihn mit dem Pferd / welches er dem einfältigen Reuter solcher Gestalt abgenommen hatte / regalirte.

154. Das übelgelungene Spiel
CLIV. Das übelgelungene Spiel.

Nachfolgende Historie ist noch merckwürdiger: Ein junger Edelmann / welcher nach Leyden / umb seine Studie allda fortzusetzen gesandt worden / war seinen Eltern so bald nicht aus den Augen / daß er sich nicht nach Gewohnheit vieler Jungen Leuten auff allerhand gottloses Wesen begabe / und hieng seinen Eltern bald diese bald jene Lügen auf den Ermel / damit er allezeit Geld erhalten möchte / welches er / an statt /daß er solches auffs Studiren wenden solte / geschwind auff eine andere Manier durchbrachte / indem er täglich die Herbergen besuchte / daher es endlich geschah / daß der Vater müde ward [336] ihn fast alle Tage Geld zu übermachen / und etwas genauer nach seines Sohns Leben zu forschen begunte / und wie er nun vernommen / daß sein Sohn fleißiger nach der Herberge als nach der Academie gieng / verdroß es den alten Herrn so sehr / daß er deßwegen den Sohn gewaltig aushechelte / welcher aber mit Angelobung der Besserung seinen Vater zu frieden stellete. Es waren dieses aber nur Worte / darauff nichts erfolgete / denn der Vater war so bald nicht wieder weggereiset / da fuhr er wieder auff seine alte Weise fort / dieses verursachte dem alten Vater so grosse Bestürtzung und Zorn /daß er ihn vor einen Sohn nicht länger erkennen wolte / und hielt von der Zeit an seinen Beutel vor ihm verschlossen / welches Ursache war / daß der ander / wie er sahe / daß ihm die Wechsel aussenbliebē / seine Bücher / und was ihm vormahls zu seinem Studiren gedienet / zu Gelde begunte zu machen / und behielt nichts übrig von allen dem Seinen / als ein ehrlich Kleid. Jedoch kunte das Geld / so er aus seinen Gütern gelöset / nicht lange aushalten / und sahe daher wol / daß er entweder seine Kosten muste mindern /oder bald in Armuth gerathen.

Wie er nun auff eine Zeit in einer Herberge bey einem Glaß Bier saß / denn der Wein war ihm nun zu theuer worden / sahe er einer jungen Kerl hinein kommen / der Seemaans-Kleider an hatte / so bald war dieser nicht in die Herberge kommen / da forderte er eine Kanne Wein / und fing drauff einen grossen hauffen Geld aus seinen Schiebsacken heraus zu hohlen /darunter güldene und silberne Müntze unter einander gemenget war / wie er dieses ein paar mahl übergezehlet / und die güldene Müntze von der silberne abgesondert hatte / steckt er jedwedes in einem besondern Sack; Der junge Edelmann sahe dieses mit betrübten [337] Hertzen an / und bedachte bey sich selber die Abwechselung des Glücks / indem er sahe / daß ein schlechter Bohtsgesell das Geld in so grosser Menge hette / dahingegen er / welcher von einem grossen Geschlecht und demselben gemäß bekleidet war / kaum so viel hatte / daß er eine Kanne Wein hette bezahlen können. Dieses gieng ihm so zu Hertzen / weil ihm sein voriger Standt vor Augen kam / daß ihm die Thränen wieder seinen willen aus den auch lieffen. Der Bohtsgesell / der sich gleich dem Edelmann übergesetzt hatte / merckte dieses bald / und weil er nicht sehen kunte / daß ein stattlicher Herr so betrübt were /bath er ihn / daß er ihm die Ehre thun wolte / ein Glaß Wein mit ihm zu trincken / welches der ander nach einigen kleinen Entschuldigungen verwilligte. Indem sie nun also von einem Gespräch auff das andere kamen / fragte ihn endlich der Bohtsgesell / was die Ursache seiner Traurigkeit were / und ob kein Mittel were / ihn eines fröhlichen Geistes zu machen? und both ihm zu dem Ende alles an / was in seinem Vermögen were. Der Edelmann / nachdem er ein pahr Seuffzer gelassen / gab ihm zum Bescheid; die meiste Ursache meiner Traurigkeit entsteht daher / weil ich euch so wohl bey Gelde sehe / nicht zwar / daß ich es euch mißgönne / sondern daß ich an meinen vorigen Zustand gedencke / da ich von demselben eben so lebte / als ihr jetzund von eurem lebet / weil ich aber allzu freygebig gewesen und das Geld sehr wenig geachtet / habe ich nun die Gelegenheit verlohren / jemahls darzu wieder zu gelangen / denn mein Vater /welcher durch andere von meinem ungebundenen Leben berichtet worden / schliesset mit Verschliesung seines Beutels mir fast gantz die Kehle zu / und es stehet anjetzo mit mir sehr wohl darnach aus / daß ich in kürtzem [338] werde Hungers sterben müssen / wo ich mich nicht mit andern Rencken behelffe. Hier schwieg der Edelmann still / und der Bohtsgesell vermerckte gar wohl aus seinen Worten / daß der andere leichtlich etwas / was es auch seyn solte / vor die Hand nehmen würde / wenn er nur versichert were / daß er davon Geld bekommen solte / welches ihn denn / weil er einen Rottgesellen von nöthen hatte / verursachte /den Edelmann also anzureden: Mein Herr / das Geld /welches ihr anjetzo bey mir gesehen / ist vor mir nicht viel / wiewol es in euern Augen sehr viel zu seyn scheinen mag / und ich solte keine grosse Schwerigkeit machen / solches mit guten Freunden alles mit einander auff einen Tag zu verzehren / denn ich achte es sehr wenig / weil ich gar leichtlich darzu kommen kan / und so ihr die Kunst köntet / die ich kan / und davon ich so Königlich lebe / ihr würdet euch wenig bekümmern / ob ihr schon auff einen Tag 1000 Gülden verzehret: So ihr Lust habt / diese Kunst von mir zu lernen / und mein Compagnon zu werden / mit Versprechen / mir getreu und verschwiegen zu seyn /so solt ihr Gelegenheit haben / euch euer lebe Tage wegen Armuth nicht zu betrüben / und besser zu leben / als der grösseste Herr / der unter des Königs Gebieth ist. Der Edelmann / den der Geld-Mangel bereits zur Desperation und Verzweiffelung gebracht hatte / verwunderte sich sehr über dieses Mannes Reden / und war froh / daß er ihn angetroffen hatte. Sie verbunden sich darauff mit grausamen Eydschwürē einander in allen getreu zu seyn. Wie dieses geschehen / redete ihn der Bohtsgesell allso an: Das Kleid / welches ihr mich jetzo sehet anhaben / solte euch und viel andere leichtlich glauben machen / daß ich ein Mann war / da nichts hintersey; Ihr werdet aber hierin gröblich irren / denn ich bin nicht [339] gewohnt schlecht gekleidet zu gehen / sondern allezeit so über fürtrefflich köstlich / als es müglich ist / damit ich den Leuten desto mehr von mir zu halten / einbilden mag /jedoch hat ein grosses Unglück / darin ich meinen Compagnen verlohren / mich gezwungen / also wieder meine Gewohnheit gekleidet zu gehen / Morgen aber solt ihr sehen / was ich vor ein Mann bin / sintemahl ich ein Kleid mir zu machen bestellet / dessen sich kein König zu tragen schämen dürffte. Aber zu der Sache selber zu kommen / und euch mit andern Umbständen nicht länger auffzuhalten / so ist mein bestes Handwerck / das falsche Spielen / denn ich kan dasselbe auf allerhand Arten / und in allen Spielen / doch gebrauche ich es nirgends behender und sicherer / als in dem Kartenspiel / welches ich / wenn ich meinen Compagnon bey mir habe / so meisterlich zu thun weiß / daß es unmüglich zu mercken: Jedoch bin ich den Spielern nicht gleich / die umb einen kleinen Gewinst sich öffters in grosse Gefahr stecken / und überall in kürtzer Zeit so bekandt werden / daß sie fast keine Gelegenheit mehr haben / etwas weiter auszugehen und auszurichten. Es ist in der gantzen Welt kein falscher Spieler / der mich kennet / weil ich solch Volck allezeit als die Pest gescheuet habe; Und dieses ist die Ursache / daß ich niemahls verklaffet werden kan / und Gelegenheit habe zu logiren / wo es mir beliebt / welches gemeiniglich in den vornehmsten Wirtshäusern ist. Allda weiß ich meinen Nutz und Gewinn zu schaffen / und das zwar auf einige artige Manier / denn ich lasse mich niemahls mercken / daß ich zu einigem Spiel geneiget bin / und lasse mich fast darzu zwingen / und dieses geschicht darumb /daß ich denen Herren / mit denen ich alßdann spiele /keinen Argwohn oder Nachdencken einiger Falschheit gebe; Denn so ich [340] mich zu den Spielēn geneigt erzeigete / und ihnen viel Geld abgewinne / solten sie bald rathen / wie es mit mir beschaffen / und so dann könte es leicht geschehen / daß mein Leben und die Spitze eines Degens grosse Gemeinschafft mit einander bekämen. Doch diese und andere Erheischungen / so zu unserm Handwerck nöthig sind / wil ich euch bey besserer Gelegenheit vollkommen lehren. Unterdessen ist nun hohe Zeit / daß wir uns Morgen / so bald als ich meine andern Kleider habe / nach Amsterdam begeben / weil es in dieser Stadt vor mir nicht so gar sicher ist / und allda werden wir Gelegenheit haben /wegen der vielen frembden Herren / daß wir unsere Beutel wacker nach unserm Sinn versehen können. Dem jungen Edelmann / der dieses alles mit Feiß angehöret hatte / gefiel dieses alles sehr wohl / und machte sich fertig / des folgenden Tages mit seinem Gesellen zu verreisen / wie sie denn auch des andern Tages sehr früh thäten / nicht ruhende mit Reisen /biß sie nach Amsterdam kommen waren / allda sie in eines der vornehmsten Wirthshäuser in der Warmoestrassen logiren giengen. Daselbst fielen ihnen täglich Gelegenheiten für ihren Profit zu machen / sie ergriffen aber allein die besten Brocken / sonder daß sie sich über ihren Gewinn frölich erwiesen / oder mercken liessen / daß sie etwas gewonnen / und stelleten sich vielmehr / daß sie nur für Gesellschafft spieleten. Es kunte jedoch dieses Werck so behende nicht angeleget werden / daß nicht etliche Herren den Schnupffen darvon in die Nase kriegten / indem sie merckten /daß diese Zween / man spielte auch für ein Spiel was man wolte / gar selten etwas verlohren / sondern fast allezeit grosse Hauffen Geld gewonnen / wodurch sie ihnen vornahmen / genau auff die Sachen acht zugeben. Diese zween falsche Spieler [341] aber / die auch bald Lunten rochen / sahen wol / daß es Zeit begunte zu werden zu verreisen / nahmen ihnen vor / noch eine gute Beute zu hohlen / und damit das weite Feld zu suchen. Nun war hierzu sehr gute Gelegenheit gekommen / indem zween oder 3 Tage zuvor vier Teutsche Herren in dasselbe Wirthhauß zu logiren kommen /welche sie bereits des Abends zuvor / da sie ihnen bey 600 Gülden abgewonnen / fast toll auff das Spiel gemacht hatten / wie nun die Mittags-Mahlzeit geschehen / forderten die 4 Teutsche Herren diese Zween aus zur Revenge wegen ihres verlohrnen Geldes / als welches die andern zu frieden waren. Das Spiel fieng sich an und währete biß in die spähte Nacht hinein / da dann die Teutschen / nachdem sie 300 biß 500 Gülden verlohren hatten / gezwungen wurden auffzuhören / mit Versprechung / daß sie des folgenden Tages Wechsel ziehen solten / und daß sie dann so lange mit einander spielen wolten / so lange es ein Theil würde außdauren können. Die zween falschen Spieler aber hatten weit andere Gedancken / und begaben sich des Morgens sehr früh / nach dem sie / was sie verzehret /bezahlet / auff die Reise / und liessen auff der Taffel /darauff sie gespielet / einen Brieff liegen / mit dieser Uberschrifft:


An die 4 Geldlose Hochteutsche Herren.


Dieser Brieff ward bald gefunden und geöffnet /und stund dieses nachfolgende darinnen geschrieben:

Edle Herrn

Nachdem wir gesehen / daß ihr nach dem Verlust so vielen Geldes übel disponiret seyd / mehr zu spielen /und das Wechsel-ziehen der Teutschen den Holländern gar woll bekandt ist / so haben wir rahtsam zu[342] seyn erachtet / zu verreisen / und ihr Hn. könnet dieses vor ein grosses Zeichen unser Höffligkeit annehmen / denn es geschicht nur darumb / damit ihr uns /die wir die Ursache eures Verdrusses und Armuth seyn / nicht immerdar vor euren Augen sehen dürffet. Es ist uns auch nicht unbekandt / daß das Teutsche Blut gewaltig geschwind an das Auffwallen gerahte /und wenn ihr Herren täglich ein solches Objectum vor Augen sehet / ihr leichtlich wegen allzuhitzigen Geblühts in Unglück fallen möchtet / das vor die gantze Teutsche Nation eine Schande wäre / das ist / wenn ihr Herren euch mit uns / die wir geringern Standes sind / in ein Gefechte einliesset. Urtheilet nun demnach / wie vorsichtig die Niederländer sind / und lernet von uns / daß es euch eine Schande seyn würde /daß ihr euren Zorn über eure Weißheit die Oberhand nehmen liesset / und dencket nicht mehr an das verlohrne Geld / als wenn ihr dasselbe niemahls gehabt hättet / denn es sind nur Weltliche Güter die alle dem Glücks-Wechsel unterworffen sind. Endlich / ihr Herren sollet belieben dieses zu wissen / und haltet uns nicht für übel / daß wir bißweilen vor euer Geld euere Gesundheit tapffer herumb trincken werden / verbleibend inzwischen / nach dem wir uns in Euere gute Gunst bester massen befohlen haben.

Wol-Edle Herrn Ew. Gestr. allergeringste Diener N.N. und P.K.

155. Der unglückliche Kirchen-Dieb
CLV. Der unglückliche Kirchen-Dieb

Was hat sich im Februario des verwichnen 1685 Jahrs zu Hannover begeben? Man hat daselbst [343] einen schlauen Kirchen-Dieb erttappet / welcher mit einem langen gehartzten Eysen gar fertig die Gelder auß dem Gottes-Kasten fischen kunte. Er war eines feinen Bürgers Sohn auß bemelter Stadt / und seine Profession ein Mahler. Weil aber der Küster seines Vaters guter Freund / vergönnete ihm derselbige in die Kirche zu gehen / einige Schildereyen ab zu copiiren / wobey er sich seines Diebs-Handwercks so meisterlich zu gebrauchen wuste / daß er den Armen den Gottes-Kasten ließ / vor sich aber das Geld herauß nahm. Nachdem man aber Unrath vermercket / und unter andern Pech am Gottes-Kasten gefunden / hat man etliche Auffpasser bestellet / die den guten Gesellen bey der That / ertappet / und der Justitz überlieffert haben /welche ihm seine Mühe nach Erheischung der Rechten reichlich belohnet hat.

156. Der sich selbst verahtende Buhler
CLVI. Der sich selbst verahtende Buhler.

Ein Edelman auß dem Lande von Mayne / reysete nach Paris / seinen Proceß / daran ihm viel gelegen /zu treiben / und hatte hundert Pistolen die Gerichts-Kosten zu bezahlen / mit sich angenommen. Wie ihm nun sein Advocat angedeutet / daß sein Proceß auff gutem Weg stünde / und er nur des endlichen Außspruchs von dem Parlament erwarten müste / entschloß dieser Edelmann / sich so lange biß auff den Erfolg zu gedulden. Es begab sich aber / als er einsmahls mit einem guten Freund durch die St. Martins Gassen gegangen / daß eine sehr schöne Dame / so sich erst kürtzlich an einen Hoff-Bedienten verheurahtet / ersehen / und nachdem er sie wohl besichtiget /und [344] mit allem Fleiß betrachtet / hat er sich / wegen ihrer fürtrefflichen Schönheit gantz in sie verliebt /also / daß er zu dem / so mit ihm gegangen / sagte: Ich wolte gerne meine hundert Duplonen darumb geben / wann ich das Glück hätte / ihrer nur eine Stund zu geniessen. Die Dame / so ihre Augen hin und wieder schiessen / und ihre Ohren wohl spitzen kunte / als sie diese Worte gehöret / ließ ihr dieselbe nicht umbsonst gesagt seyn / sondern befahl ihrer Cammer-Magd / daß sie diesem Edelmann / biß in sein Logament nachgehē / und sich / wer er wäre / erkundigen solte. Die Cammer-Magt / so ihrer Frauen eine Kurtzweil machen wolte / unterließ nicht / ihren Befehl zu volziehen. Weil sie aber befürchtete / es möchte dieser Gelbschnabel entgehen / wartete sie /biß er kaum halben Wegs gangen / sondern / so bald sein Gespan sich von ihm geschieden / machte sie ihm eine tieffe Reverentz / und sagte zu ihm: Mein Herr /er verzeihe nur meine Grobheit / daß ich mich der Künheit unterfange / ihn wegen einer schönen Damen / die gern ein Wort mit ihm reden wolte / ihm zu grüssen. Der Edelmann wuste nicht / wie er solches verstehen solte / weil er weder der Cammer-Magd / noch ihrer Frauen Kundschafft hatte / jedoch machte er nicht viel Wesens / sondern sagte zu ihr / daß er ihr folgen wolte / wie er nun in ihrem Logiment kommen / stelte sich die Dame / die sich mehr in seine hundert Duplonen / als in seine schöne Gestalt verliebet hatte / bey ihm ein / und sagte ihm mit kurtzen Worten /was sie bewogen / ihn zu ihr kommen zu lassen. Der Edelmann nahm dieses an für bekand / und machte nicht viel Wort / wohlwissend / daß in dergleichen Begebenheit dieselbige überflüssig wären: Nichts destoweniger wolte diese Dame / die ein grosses Gefallen an kurtzweiligem Gespräch hatte / ihm zuvor eines über den Achsel geben / und den Fuchs-Schwantz Brichen. Es waren aber alle diese Discursen nichts [345] anders / als eine Anleitung / sich in den Venus Wald einzustellen / und kleine Funcken / das Feuer seiner unkeuschen Lieb anzuzünden. Endlich wurden sie nach wenigem Gespräch / des Handels einig / und büsseten ihren Lust mit einander / dergestalt / daß indeme dieser Frauen Mann eines vornehmen Herrn Sachen für Gericht führte / sie unterdessen das ihrige zum Besten gab. Nachdem aber der besagte Hoff-Bediente dasjenige / was er begehrt erhalten / fuhr er wieder nach Hauß / da ich dann euch selbsten zu bedencken gebe / ob diese seine Ankunfft nicht in dem Hauß Lermen gemacht / und diesen verliebten / so erst von dem Treffen auffgestanden waren / den Compaß trefflich verrächtet habe / die Frau / so in diesen Sachen sehr wohl verschlagen war / und sich befürchtete / der Handel möchte offenbahr werden / verbarg ihren Buhler in eine Kleider-Kammer / und gieng gantz unvermerckt hinunter in den Saal / alwo er ihrer zu Mittag zu essen wartete / da sie dann / als sie eine Weile zu Tisch gesessen / und allerhand mit einander geredt / sich stellete / als hätte sie den Durchlauff /damit sie Ursach haben möchte / zu ihrem Buhler zu gehen / welcher dann sehr ungedültig war / umb zu wissen / was vorgieng / trieben also den Handel drey oder vier mahl noch unter währender Mahlzeit. Ihr Mann / so ihm nichts böses traumen ließ / glaubt gäntzlich / sie wäre unpäßlich / befahl derohalben /sie solte sich zu Bett legen / setzte sich hierauff in seine Carrosse etliche gute Freunde zu besuchen; er war aber kaum hinweg / so fingen unsere zwey Liebhabende ihr Liebe Spiel von neuen an / und vertrieben die Zeit nach allen ihren Wolgefallen. Der Edelmann /so sich die Gedancken machte / er möchte gar in dem Garn hangen bleiben / nahm von der Frauen seinen Abschied / und gab ihr den Beutel mit den hundert Duplonen / so er ihr [346] versprochen / wiewohl es ihn etwas gereuet / weil ihm gar wenig auff seine Reiß /die er nothwendig nach Hauß / mehr Geld / zu Verfolgung seines Proceß / zu holen / thun müste / überblieben. Wenig Zeit hernach begab sichs / daß dieser Frauen Mann von Hoff eine Commission bekommen /in das Land von Mayne zu reisen / und daselbst einem falschen Müntzer seinen Proceß machen zu helffen /wegen des bösen Wetters aber / so unterwegs eingefallen / ward er gezwungen / seine Einkehr bey diesem von Adel zu nehmen / welcher ihn als einen ansehnlichen Mann höfflich empfing / und ihm alle Ehre bewiese. Wie sie nun in währendem Nachtessen sich in allerhand Gespräch eingelassen / erzehlte ihm unter andern der Edelmann / welcher Gestalt er wegen seines Processes nach Pariß verreiset / und zu Bezahlung der Gerichts-Kosten hundert Duplonen mit sich genommen / er hätte sich aber / als er etliche Tage da gewest / in eine sehr schöne junge Frau verliebt /deren er die hundert Duplonen gegeben / umb bey ihr zu schlaffen. Dieser Hoff-Bediente / so gern wissen wolte / wer sie gewesen / bath dem Edelman ihm zu sagen / wo sie wohnete / und ob er nicht Gelegenheit gehabt in ihr Hauß zu kommen. Der Edelmann wolte erstlich mit der Sprach nicht herauß / jedoch / als ihn dieser so inständig gebeten / beschriebe er ihm die Gelegenheit seines Hauses / und erzehlte ihm zugleich alles / was zwischen ihnen geheimes vorgangen. Uber diesem Discurs war dieser Mann überauß bestürtzt /und wuste nicht / wie er sich stellen solte / weil er auß diesen Merckmahlen leicht erachten konte / daß es niemand anders als seine Frau gewesen / jedoch ließ er sichs nicht mercken / sondern sagte zu diesem Edelmann gantz höfflich: Mein Herz / ich halte mirs für ein Glück / daß ich die Ehr gehabt / mit euch bekand zu werden / und wann es die Gelegenheit geben wird / euch [347] zu dienen / will ichs von Hertzen gerne thun: Euren Proces / den ihr bey Hoff habt / betreffend / bin ich erbietig / demselben zu sollicitiren und zu machen / daß ihr ihn gewinnet. Der Edelmann nahm diesen guten Willen für bekand an / und bedanckete sich deßwegen mit Versicherung / daß / so bald er nach Paris kommen würde / er nicht unterlassen wolte / ihn zu besuchen. Unterdessen nahm dieser Hoff Bediente gute Nacht / umb sich schlaffen zu legen / da man dann nicht fragen darff / ob ihm nicht die Grillen die gantze Nacht im Kopff gestiegen. Des andern Tages verreisete er in aller frühe / seine Geschäffte zu verrichten / und nachdem solches geschehen / begab er sich wieder nach Hauß: Als er daselbst ankommen / thät er als ob er im geringsten etwas wüste. Der Edelmann / so nicht weniger Verlangen hatte / nach Paries zu kommen / als der Advocat /damit er ihm zuvor kommen möchte / eilte was er könte / und wie er daselbstē angelangt / erkündigte er sich / wie es mit seinem Proces stünde / und wie er von seinem Advocatē vernommen / daß das Parlament diese Tag zusammen kommen würde / unterließ er nicht sich in dem Pallast einzustellen / weil aber dasselbe nach der ersten Audientz von einander gangen /muste er unverrichteter Sache abziehen / im hinaußgehen aber traff er diesen Hoff-Bedienten an / welcher sich seines Versprechens loß zu machen / und die ihm erwiesene Ehr zu verschulden / ihn zu sich zum Mittag-essen lude. Der Edelmann wolte ihme solches nicht abschlagen / sondern setzte sich in seine Carosse / und fuhr mit ihm heim: So bald sie abgestiegen /führte ihn der Hoff-Bediente in einen Saal / wo das Mittag-Mahl fertig stunde. Der nun hefftig darüber erschrocken / das war mein guter Edelmann / alß er das Hauß erkandte. Ander Theils / ward die Frau / so umb dieses Geheimnüß [348] im geringsten nichts wuste / nicht weniger bestürtzt / als sie ihren Bettschelmen sahe /daß man wohl hätte vermeinen sollen / sie wären zu Marmorsteinen Bilder werden. Unterdessen gab ihr Mann auff all seiner Frauen Thun und Wesen gantz genaue acht / und befand / daß alles so gezwungen /daß er an der Warheit seiner Hörner gar nicht zweiffeln dörffte. Nachdem sie Hand-Wasser genommen /setzten sie sich zu Tisch / da kann der Edelmann und diese junge Frau einander ansahen / wie zween Hunde / die an einem Bein nagen. Wie nun das Confect auffgetragen worden / befahl der Mann seiner Frauen /einen grünen sammeten Beutel zu holen / in welchem er 100 Duplonen hätte / allermassen er ihm von dem Edelmann beschrieben worden. Diese Wort trieben alsobald der Frauen eine Röthe auß / welche solches läugnen wolte / und zu ihrem Mann sagte / sie wüste nicht / was er damit meinete; der Mann aber beharte auff seinem Befehl / und drohete ihr / denselben selber zu suchen / wann sie ihn nicht bringen wolte. Wie sie nun vermerckte / daß der Ehebruch offenbahr worden / gieng sie in ihr Gemach und brachte ihn. Der Edelmann / welcher wohl wuste / wo dieses gantze Geheimnüß hinauß wolte / wündschete weit von dannen zu seyn. So bald nun der Beutel gebracht worden / wolte er sehen / ob auch die Zahl noch gantz wäre /und ob nichts daran mangelte / und wie er alles richtig befunden / gab er der Cammer-Magd / so zu diesem Handel geholffen / eine Doplon / dieselbe wechseln zu lassen als sie mit der Müntz wieder kommen / gab ihr der Mann zween Ortsthaler davon / und sagte zu ihr: Nehmet sie hin / Frau Kuplerin / dieses ist für eure Mühe: Das übrige Geld theilete er unter die andern Diener im Hauß auß / damit ein jeder von diesem Bissen geniessen möchte. Hierauff zoge er noch eine Duplone [349] auß dem Beutel herauß / und gab sie seiner Frauen mit diesen Worten: dieses ist euer Huren-Lohn / dann es ist nicht billig / daß man die Sach umbsonst thut. Endlich stellete er den Beutel mit den acht und neuntzig Duplonen dem Edelmann wieder zu / und bat ihn / daß er den Handel nicht außbreiten wolte /welches er auch zu thun versprochen. Euch nun alles dasjenige zu erzehlen / was bey dieser Geschicht / bey und nach dem Essen vorgangen / würde eine gantze Histori darauß werden / und könnet ihr euch die Sach selber wohl einbilden.

157. Die vergoltene Beschimpfung
CLVII. Die vergoltene Beschimpfung.

Etliche fürnehme Cavallier logierten im Haag in einer Herberge / darin die Hauß-Mutter eben nicht von der besten Sorte war / ohnerachtet sie es für dem Mann meisterlich zu verbergen muste. Es begab sich aber daß einer von besagten Cavallieren / der seine Roll mit ihr zu spielen gewohnet wäre / über der Mahlzeit einige harte Schimpff Reden von ihr annehmen wuste. Er ließ solches dem Ansehen nach ungemerckt paßiren / dachte aber in seinem Sinne / sich gebührlich zu revangiren. Er gieng zu den Zoll-Pachtern / und gab ihnen zu erkennen / daß in der Herberge / darin er logierte / offtmahl grosse Kuffer mit Fleisch / wieder das Verbott / ankamen / und wann sie Lusten hätten /die Warheit zu erfahren / könten sie gegen Morgen Abend hinein kommen / da wurden sie deren 3. für sich finden. Er sande aber zu bestimmbter Zeit 3 beladene Kuffer in seine Herberge / welche der Wirth / in Meinung / sie würden von etlichen frembden Gästen vorausgesand / auff seine Kammer bringen ließ / darauff kamen die [350] Pachter mit dem Richter in die Herberge / in Hoffnung / eine gute Beute zu erhaschen. Sie fragten nach den 3 bedaueten Kuffern / welche ihnen der Wirth zeigete / wie nun dieselbe durch einen Schmitt geöffnet worden / fand man / anstatt des Fleisches lauter Hörner darin / worüber die Pachter zu fluchen und zu schelten begunten. Der Richter kunte sich des Lachens nicht enthalten / und beklagte den Gastwirth wegen seiner seltzamen unn nachdencklichen Wahren. Die Hauß-Wirthin aber schliech Schamroth heimlich daran / und merckete wol / wer ihr solchen Possen gespielet hatte.

158. Die veränderte Schrifft
CLVIII. Die veränderte Schrifft.

Nachfolgende Historie ist wegen gewisser Umbstände etwas weitläufftig / ich ziehe sie aber folgender massen zu unsern Vorhaben zusammen: Agilulphus / ein tapfrer General rebellirte wider seinen eigenen König Brennum / jug ihn vom Reich / und hette ihn sambt allen den Seinigen ermordet / wann er sich nicht bey Zeiten aus dem Staub gemacht hatte. Brennus hält sich mit seiner Gemahlin / und einigem Sohn Demetrio an einem schlechten Orth bey dem Meer in niedriger Kleidung auff / und muste sein Brodt mit sauber Arbeit verdienen. Solchem nach resolvirte sich sein Sohn Demetrius / ein Knabe von 12 Jahren / in die Frembde zu gehen / und Dienste zu suchen / denn der Vater keinen andern Zehrpfennig mitzugeben hatte /als diese 3. Lehren / er solle nehmlich 1. sich zu ehrlicher Gesellschafft halten. 2 Sich in seiner Gebieter Weise schicken und 3 keinen Gottesdienst verabsäumen. Hiemit ziehet der Königl. Knabe aus / und nach dem er lange Jahren bey einem Edelmann gedienet /hilfft ihm derselbe [351] an den Königl. Hoff Marente /welcher war des Agilulphi Bruder / dann Agilulphus war schon ohne Erben verstorben / als er an diesem Hoffe eine gute Zeit gedienet / mercken die Hoff-Pursche / deren immer einer wieder den andern / daß er sich über alle massen wol in des Königs und der Königin Weise schicken kan. Dessen bedienen sie sich /ihn zu verläumbden / unn bringen dem König für /Demetrius muste einen heimlichen Verstand mit der Königin haben / weil er alle mahl traure / wann sie traurig / und froh seye / wann sie sich erfreue. Der König nimbt dessen wahr / und als er es also befunden / nimmt er ihm für / ihn zu tödten / damit aber solches ohne Rumor geschehe / thut er eine Reise auff 20 oder 30 Meilen von seiner Residentz / und nachdem er daselbst mit seinen Hoffschrantzen ferner berahtschlaget / finden sie gut / er solle Demetrium zurück an die Königin senden / mit einem Schreiben /darin derselben befohlen werde / den Uberbringer des Brieffs / als ihren vermeinten Buhlen / umb zu bringen. So hätte man sich an ihr unn Demetrio zugleich gerochen. Man schreibt einen Brieff darin nichts anders stehet / als diese lateinische Worte Lectissima Conjux, huic tabellario necem dato ante meum reditum. Meine allerliebste Gemahlin / hilff diesem Brieffträger vom Brodt / ehe ich wieder komme.

Mit diesem Urias-Brieff gehet Demetrius fort /kommet aber unterwegs zu einem Tempel / darin man dem Gottesdienst / wiewohl nach heydnischer Weise /abwartet: Darin verfüget er sich / zu folge der Lehre seines Vaters / wie er ein wenig gesessen / kombt ihn der Schlaff an / dann er war müde von der Reise. Er schläfft auch so fest / daß alle Leute aus dem Tempel gehen / ohne den Priester / welcher ihn neben dem Opfer-Altar sitzen findet. Er stehet seiner Lederne Tasche an und die Curiosität treibet ihn an / daß er hinein langet [352] zu sehen / was vor ein Schatz darin verborgen / findet aber nichts / als einen grossen Brieff / den er durch sonderliche Behendigkeit eröffnet / und dieses Jünglings todes Urtheil darin findet. Es jammert ihn aber dessen / dahero verändert er nur das eine Wort in der Schrifft / und macht aus Necem das Wort Natam / welches leicht zu thun / und nun war der Inhalt / daß die Königin diesem Brieffträger ihre Tochter geben solte / vor des Königs Rückkunfft. Nachdem nun der Priester dem Jüngling den Brieff verschlossen wieder in die Tasche gestecket / wecket er ihn auff / und lässet ihn seines Wegs ziehen. Als er zur Königin kompt / verwundert sie sich des Inhalts des Kön. Schreibens / weil sie aber die Hand respectirte / dabeneben ihres Gemahl Strengigkeit erkante /lässet sie dem Demetrio ihre eintzige Tochter ehelich beylegen. Marauta kompt nach Hauß / und findet an demjenigen einen Tochter-Mann / und Reichs-Nachfolger / dem er den Todt zugedacht hatte. Die Königin zeiget ihm den Brieff / welchen er ansiehet / und nicht begreiffen kan / wie dieser Inhalt hinein kommen sey; Er lässet aber den ältesten Opfer-Priester nach Hoff entbiethen / daß er komme / und den Demetrium als ein Opfer für das Reich lebendig auffschneide / derselbe kompt / Demetrius wird auff den Altar gebunden / der Priester ziehet sein scharffes Messer / entblösset ihm die Brust / und will ansetzen / findet aber an einem Merckmahl das Zeichen seiner Königlichen Geburth / dahero lässet er das Messer fallen / und schreyet! O Himmel / was thun wir? König Maranta /dieser ist ein Königl. Printz / und rechter Erbe des Reichs. Der König fragte / woher er solches wisse? An dem Königl. Zeichen / sprach er / so allen denen angebohren / die auß des Brenni Geschlecht entsprossen / mit einem Wort / dieser ist Demetrius / der eintzige Sohn Brenni. Der König [353] verwunderte sich dieser Schickung / und weil die Eil volzogen / will er dem Himmel nicht wiederstreben sondern nimpt den Demetrium zum Reichs-Nachfolger an. Der alte Priester aber bekante letzlich / daß er selber der vertriebene König Brennus / und Demetrius seyn Sohn den er nicht gekant / als er ihn jenesmahl in Tempel schlaffend gefunden / und ihm den Urias-Brieff aus sonderbahrer Schickung des Himmels / zu seinen Besten verändert habe. Er erzehlte ferner / daß nach seiner Gemahlin Tode er ein Geistlicher / und endlich ein Opfer-Priester worden / in welchem Stande er auch zu sterben wündschete / also behielte Demetrius des Königs Tochter / und succedirte ihm / vermöge doppelte Rechts / nach seinem Tode im Reiche.

159. Die listige Gegen-Betrug
CLIX. Die listige Gegen-Betrug.

Die Welt thut nicht was sie thun soll / sondern was sie thun kan / und bauet der auff Sand / der sich seiner Falschheit vertrauet welche GOtt ein Greis ist / und doch nicht lang bestehen kan / sondern zu schande machet / die darmit umbgehen / wie die folgende Erzehlung der wir den Titel deß Gegen-Betrug gegeben /mit mehrem lehren wird. Ein schlechter Spanischer Soldat hat sich zu Sevilla stattlich heraus gekleidet /mit einer güldene Ketten / Hutschnur und einem Kleinod auff dem Hute / einem vergüldten Rappier an der Seiten / grosse Kragen an den Händen und Halse /daß er also / wie ein gebutzte Aff herein getretten /und alle Schritte nach dem Circle abgemessen. Sein Knäbelbart war so spitzig als sein Sallet / und nichts höhers an ihm / als sein Gemüht. Das [354] Gold trug er auff den Hosen / aber keines darinnen / er und zween Reichsthaler giengen nicht durch eine Thür; Ja er verachtete die Thaler / weil sie von einem Thal den Nahmen hätten. Als nun dieser in der Kirchen neben eine verkapte Weibespersohn zu knien kommet / grüssen sie sich freundlichst / und weil sie eine weisse Hand sehen liesse und mit holdseligen Worten zu ihr zukommen bate / hat er nicht unterlassen / sich einzustellen / und diese Abendteur zu versuchen / nahme also in Obacht / wo ihre Behausung / und verlangte die Nacht / damit er nur erfahren möchte / wer dieß glückseelige Weib / das sich ihme zu dienen ergeben wolte. Als nun diese beyde zusammen kommen / und viel gravitetische Liebswort wechselten / vermeinte der Spanier / daß dieses ein ansehnliche und reiche heuraht für ihn / die Frau in dem Hauß vermeinte gleichfals diesen stattlichen Herrn zu erlangen / und war der Kauff unter diesen Beyden bald geschlossen /als er ihr seine güldene Ketten verehret / so / daß sie einen Mönchen beruffen / und sich miteinander trauen lassen; massen der Orten nicht gebräuchlich / daß man bey den Hochzeiten so grosse Bereitschafft und Begängnüß machet / wie in Teutschland. Das Hochzeit-Mahl war zu anderer Zeit verschoben / und war nun an dem / daß das Beylager solte gehalten werden / darzu Beyde wilfährig. Als aber die Braut zu Bette gehen wil / ziehet sie die falschen Haare von dem Haupt / und stehet so kahl da / als das Bild der Gelegenheit gemahlet wird; Bittet derwegen umb Verzeihung. Der Bräutigam sagte / daß seine Haar gleichfals also beschaffen / und leget solche auch von sich / zu deme were auch seine Huttschnur nur Meßing / also sagte die Braut / ist mein Gürtel nicht von Silber /sondern vom weissen Meßing / und die Brüste / [355] (welche sie mit der Hand aus dem Busen zohge) sind nur von Holtz. Der Fänderich wolte ferners sein Anliegen entdecken / und wiese ihr seine Fontanella / und weil beyde sich betrogen sahen / und einander nichts auffzurücken hatten / waren sie doch wol zu frieden / und legten sich zu Bette / befahrend / daß eines dem andern den Kauff wieder aufsagen möchte: dieses trieben sie etliche Tage und vermeinte der Herr Fänderich / er hatte eine reiche Frau / ob sie gleich nicht gar schön und jung von Jahren / befandt sich aber auch hierein betrogen.

Frau Steffana / also nennete sich dieses Weib / vermochte nicht mehr / als die Kleider / so sie an dem Halse getragen / und ob sie wol das Hauß mit aller Eingehör für das Ihre dargegeben / ist doch solches ihrer Frauen gewesen / welche mit ihrem Eheherrn über Land verreiset / und ihr das gantze Haußwesen zu getreuen Händen anvertrauet.

Eines Morgens / als diese Beyde zu Bette lagen /kommet der Herr und Frau wieder / und solcher Ankunfft wird durch die Dienerin angemeldet. Die listige Stephana beschwetzet ihren Mann / daß sie dieser ihrer Freundin das Hauß auff wenig Tage räumen /und ihr dardurch zu einer anständigen Heuraht helffen wolte / er solte sich inzwischen zu einer ihrer Gespielin begeben. Der Mann glaubt ihr zwar anfangs / als aber sein Weib mit der Ketten entflohen / fragte er in seinem vermeinten Hause nach / was für eine Beschaffenheit es mit dieser Stephana habe / wer sie seyne Man berichtet ihn mit der Warheit / daß sie eine Magd gewesen / und nun eine Betrügerin worden /und so wol vor ihrer Herrschafft / als ihrem Manne geflohen. Hierüber wurde er sehr bestürtzet / und tröstete sich doch darmit / daß seine Ketten nicht von Gold / sondern nur überguldter [356] Meßing gewesen; Danckte benebens Gott / daß das böse Pfand / welches er darum eingelöst / fäste gehabt / und dahin entgehen können / wo er nach zu lauffen nicht schuldig /ihme auch niemand aufferlegt / das zu suchen / was er nicht gerne wieder finden wolte. Also trifft Untreue ihren eignen Herrn / und wird der / so andre zu betrügen vermeint / betrogen / wie der Fuchs sich in seinem eignen Bau zu Zeiten fänget. Nachdem gemeinen Sprichwort sagt man / daß man mit Lügen und Listen müsse Heurahten stifften / selbe aber haben meistentheils einen bösen Ausgang / und können solche Leute / wann der Betrug entdecket ist / ein ander nicht mehr hold seyn / gleich wie einer der Wahre / so er zu theur eingekramt / und darmit betrogen worden / feind zu seyn pfleget / und mehrmals selbe nicht wol anschauen mag! Jener machte einen so genanten selbst-Schuß / welcher auß 2 Röhren bestehet / die man ladet und spannet / hernach in einem Wald an einen solchen Orth leget / da die reissende Thiere / als Wölffe / Füchse und dergleichen zu paßiren pflegen /damit sie / wann sie darüber einhergehen / auff die Chorde tretten / den Schneller rühren / und ihnen selber die tödtliche Bohne in den Leib jagen. Der jenige aber / so diesen Selb-schuß geleget / vermissete dessen / in Verfolgung eines stück Wildes / tratt drauff /und schosse ihm selber beyde Beine an Stücken. Er beschwerete sich / auß Antrieb der grossen Schmertzen / anfangs desfalß über andere / wie er aber ein wenig wieder zu ihm selber kam / erkante er / daß er ihm diese Falle selber geleget hatte: Dannenhero muste er schweigen und sich schämen / daß er in solchem Fall nicht fürsichtiger gewesen war.

160. Das listige Kenn-Zeichen
[357] CLX. Das listige Kenn-Zeichen.

Zu Burgos in Hispanien haben bey Manns Gedencken gelebet zween Vornehme von Adel / Nahmens Diego von Carriatzo und Juan von Avendano / der Erste hat seinem Sohn seinen Nahmen gegeben / der andre hatte auch einen Sohn und ihn Thomas von Avendano genennet. Von diesen beeden folgen diese Erzehlungen / und wollen wir sie nur mit dem Vornahmen Diego und Thomas vorstellen. Diego gesellte sich zu böser Gesellschafft / Beutelschneidern / Sayl-Tantzern / Taschenspieler / Spitzbuben und dergleichen Bürschlein / die in allerhand Künste mit Karten und Würffeln (darvon die Rähtsel gehandelt) gelehret /und ihn heimlicher Weise von Burgos mit sich geführet. Diese Pilgram des Wein-Planeten Bacchi reisten in ihrer Wolfarth in den Schiffhäfen und grossen Städten herumb / und Diego verstunde alle Taschen Spielerey so meisterlich / daß er Magister in diesen Freyen-Künsten seyn / und andre Neulinge unterrichten könte. Spielen und Beutelschneiden / ist ein freye Handwerck: So bald die Arbeit verrichtet / hat man das bahre Geld in den Händen / aber das Meisterstück kombt letzlich an den Galgen. Das Glück in dem Würffel-Spiel war ihme einst so günstig / daß er sechshundert Realen gewann / mit welchem er von seinen Gesellen Abschied nahme / seine Befreunde zu besuchen mit Versprechen / auff künfftigen Frühling wieder zu kommen. Zu Hause fande er seinen Vater in gutem Zustande / und erzehlte von fernen Orthen weit gelegene Lügen / mit Verwunderung aller / die ihn hörten / unter welchen auch Thomas sein vertrauter Freund und Bruder [358] war. Als der Winter vorüber / und mit allerhand Kurtzweil durch gebracht ware / verlangte Diego seinen Worten folge zu leisten / und er zehlte Thoma / in was für einem Fürstl. Freyart-Stande er gewesen / und daß er wieder dahin zu reisen gewillet / Thomas verspricht sich ihm zu einen Gefährten jedoch mit Vorwand nach Salamanka den Weg zu nehmen / und aldar zu studieren / welches dan beederseits Eltern wohl zu frieden / und gaben ihnen einen verständigen Hoff-Meister nahmens Petro Alfonso zu / der über diese zween Jüngelinge Auffsicht haben /und sie zu dem Studiren antreiben solte / wurden ihnen auch vierhundert Cronen zu einer Zehrung mit gegeben. Alß nun diese nach Valladolid kamen / wolten sie den berühmten Brunnen Argales / etliche Stunde darvon gelegen / besehen / und der Hoff-Meister wolte nicht mit reiten / welches ihnen sehr lieb / nahmen deßwegen das Geld alles zu sich / und senden unterwegs ihren Diener wiederumb zurücke / mit einem Brieff an ihren Hoff Meister / des Begriffs er solte sich wegen ihrer nicht länger auffhalten / weil sie entschlossen / die Bücher mit den Waffen zu vertauschen / und in Niderländischen Kriege sich zu versuchen. Mit diese Erklärung muste Alfonso wider nach Hause ziehen / und wuste keinen Raht wie diese noch widerumb einzuholen. Auff dem Weg nach Madrid begegneten sie zween Esel-Treibern / deren der eine anfing die schöne Dienstmagd in dem Wirtshauß / Sevilla genant / zu loben; Sie hat ein Angesicht /sagt er / wie Ostern / ein paar Wangen / wie man die gute Zeit mahlet / ihr Hals / fuhre er fort / ist weiß und glat wie ein Warmer / aber ihre Worte sind rauch / wie Brennesiel; Viel Fremde bleiben Jahr und Tage in dem Wirthshause / diese Magd nur anzuschauen. Sie wäre zu einer Ertzbischoffin schön genug / und solte sich der Priester Johan [359] in sie verlieben / etc. Thomas fassete dieses zu Ohren und trug grosses Verlangen diese schöne Constantiam / also nente man die Magd / zu sehen / eilete deßwegen dem Esel-Treiber vorzukommen / und als sie ihme zu Gesichte kame /muste bekennen / daß er dergleichen Schönheit noch nie gesehen / suchte derowegen Gelegenheit / sich in dem Wirtshauß aufzuhaltē / und versprache sich auch endlich für ein Hauß-Knecht zu dienen. Des Stadthalters zu Toledo Sohn hatte sich auch in diese Constantiam verliebt / und brachte ihr fast alle Nächte eine Music mit Lob-Gedichte / auff ihren Nahmen gerichtet / sie aber wolte solches nicht einmahl hören / sondern hielte sich so bescheidentlich und stille / daß man wohl sahe / daß es keine gemeine Dirne. Sie fragte Thomam / wessen Diener er wäre / weil er als ein angehender Lotterbub sehr schlecht aufzoge: Er antwortete / daß er niemands Diener als der ihrige; Sie versetzte / ihm den Rücken wendent: Die Dirnē /wie ich / bedörffen keine Diener. Diego kauffte inzwischen einen Esel zum Wassertragen / und wurde von einem Ziegeuner betrogen / der ihm einen verkauffte /welcher einen angeneheten Schwantz hatte / zu Nacht denselben wieder stohle / und den andern Tag (weil er zuvor gesagt / er hätte noch einen gleicher Haare) wieder zu Marckt führte. Diese zween verblieben noch eine Zeitlang in dem Wirtshauß / weil Thomas die Liebes Pestilentz gerühret / und auß solchem Trieb schriebe er in sein Buch / in welchem er Rechnung über den Habern führte / folgende Reimzelen /nach Spanischer Arth.


1.

Wer macht ihm die Lieb zu eigen? Der kan schweigen. Was macht von der Liebe scheiden? Stetig Leiden. Was würckt Lieb in unsern Hertzen? Freud und Schmertzen. Also hab ich noch zu hoffen / Daß die[360] Liebe mir steh offen / weil ich schweig und leide Schmertzen.


2.

Wordurch kan die Lieb erkaltē? Durch Verwalten. Was bringt in der Liebe Schaden? Unbegnaden. Was kan Haß und Liebe machen? Treu verlachen. Eh die Flügel schnellen Zeiten / Zu des Alters Ungnad leiten / Solt ich meiner Treu nicht lachen.


3.

Sonnenschein nach Ungewitter / Süß nach bitter. Hoffnung bringet nach bereuen / Das Erfreuen / Und so manches Liebes-Plagen / Bringt behagen. Woll Constantia wird sehen! Das mein bitter Liebes-Flehen / Bringt Erfreuen und Behagen.

Der Wirth lieset dieses / und befragt Constantiam /ob Thomas (der sich Peter genenet) in sie verliebt? Indeme sie aber antworten wil / kompt der Stadhalter /und fragt nach der Magd / in welche sein Sohn verliebt / und als er sie anschauet / ließ ersich bedüncken / daß er nicht übel gesehen / und fragte den Wirth / ob sie ihm verwant / oder wo sie hergekommen? Der Wirth erzehlet / daß ungefehr vor 16 Jahren eine vorneme Frau bey ihm eingekehrt / welche die Constantiam in seinem Hause gebohren / und bey ihrer Abreise solche sampt einer güldenen Ketten / in welcher etliche Glieder mangelten / wie auch einen Zettel mit etlichen Buchstaben hinterlassen / und ihm 600 Kronen verehret / mit bitte er solle sie als sein Kind aufferziehen: Habe ihm auch vor 6 Jahren 400 Kronen zugesendet / zu ihrem Unterhalt. Wer aber solche Frau gewesen oder noch sey / könne er nicht wissen. Indem sie mit einander reden / und der Stadhalter die Schrifft mit diesen Buchstaben D.s.s.d.s.c.h.e.e.c.c. zu sich nimmet / führete man den Diego gefangen daher / mit Beklagen / [361] daß er einen Jungen / welcher ihm nach geschrien: Esels-Schwantz / Esels-Schwantz / (wie vor gesagt worden) zu Boden geschlagen. Der Stadthalter hörte die Klage und Verantwortung an / befielet auch zu Vermeidung andere Ungelegenheit diesen in Verhafft zu nehmen. Der Wirth / und sonderlich Thomas haten für ihn / und versprachen ihn zu stellen /man solte ihn nur nicht in das Gefängnüß / als das Grab der Lebendigen verstossen.

D.s.s.d.s.c.h.e.e.c.c.

a.i.t.a.r.c.t.z.i.h.n.

Das ist das rechte Zeichen.

Hierauf erzehlte Diego / wie er zu Mittags-Zeit zu einer Gräfin kommen / und sie auff dem Bette schlaffend gefunden / und weil sie eine Witwe und sehr schön / habe er sie / wiewohl wieder ihren Willen /und fast unwissend zu ehelicher Gebühr angehalten /daß sie / wie er auff ihren Todt-Bette erst verstanden /von ihm schwanger worden / und diese Tochter erzeuget / deßwegen sie ihm solche / sampt dem Kenn-Zeichen anbefohlen / und gebeten aus ihrem Dienst Stande / gegen würcklicher Danckbahrkeit zu sich zu nehmen / etc.

Als nun Thomas solches verstanden / hat er sich sehr erfreuet / und Constantian ihrem Vater in unbewuster / aber bald erkanter Gestalt zugeführet / welcher sie ihme auff gebührliches Anhalten nicht abschlagen wollen / und mit beeder Väter höchstem Vergnügen / daß sie ihre Söhne wieder gefunden / ist die Sache zu einer frölichen Hochzeit außgeschlagen /welches so wohl der Stadhalter seinen Sohn wendig zu machen / alß der Wirth / wegen kostbahlicher Beschenckung und nun ergäntzter Ketten gerne geschehen lassen. Also ist diese edle Dienstmagd / wieder aller Verhoffen / wohl und ehrlich außgeheurahtet worden / und hat ihr die Gräfin [362] ihre Frau Mutter grossen Reichthumb hinterlassen / daß an Advenano wahr worden / das Sprichwort: Beschert bleibt unentbehrt.

161. Der behende Laken-Dieb
CLXI. Der behende Laken-Dieb.

Im Jahr 1611 zu End des Monats Julii ward ein listiger Posse aus Pariß geschrieben / welcher fürnehmlich dahin außlauffen: Zween behende Landstreicher mercken / daß in der bekanten Strassen St. Honnore in eines jungen neulich erst verheurahteten Kauffmans-Laden offt niemand anders / als nur ein Knab zu finden / so die Waaren meist allein verhandelte / da inzwischen der Kauffmann / sein Herr / sonsten anderer Geschäfften / sonderlich einer Erbschafft wegen bemühet war / deßhalben er das vorhabende Bubenstück / so diese mit einander abgeredt / nicht erfahren können. Damit sie auch solches ins Werck setzen möchten / so erwehlet einer von ihnen darzu bequeme Gelegenheit; Wann der Herr und die Frau nicht in dem Tuch-Laden / sondern der Jung allein darinnen sein wurde / daß alsdann die bequemste Gelegenheit darzu sein wurde: Gehet derhalben zu einem Balbierer in der Gassen Montmartre / oder Marterberg / den nimbt er beyseits / und sagt ihm / daß er einen Knaben in sein Hauß bringen würde / von solchen und dergleichen Gestalt und Statur / denselbigen wolle er in seine Kammer führen / dann er sey mit einer gefährlichen und verborgenen Schwachheit behafftet /die solte er ihm offenbahren / und im Anfang werde er zwar solche herauß zu sagen / Scheu tragen / als die vielmehr mit dem Riegel der Verschwiegenheit versehen / als in jedermans Kundschafft gebracht [363] werden solte. Der Balbierer vermeinte / daß alles wahr wäre /so eigentlich hats ihm dieser mit Worten vorzumahlen wissen / verspricht ihm hierauff in allem / so er an ihm ersuchte sich dermassen zu erzeigen / damit er ihn zu völliger Gesundheit bringen möchte. Auff dieses Versprechen bekombt dieser wegen seiner Erfindung / einen guten Muht / gehet zu seinem Mitgehülffen / demselben zuerzehlen / wie er dieses Bubenstücks-Grund gelegt / und beruhete es auff nichts anders /als daß man den Kram-Jungen zu dem Balbierer führete. Derohalben verfehlen diese nicht / sich andern Tags frühe bey besagtem Tuch-Laden finden zu lassen / da eben der Herr nach andern Geschäfften außgangen. Einer unter ihnen tritt in den Laden / aber eben zu ihrem Unstern / als der Junge die Wahren zeigen wil / kombt die Frau darzu / welches dem vermeinten Käuffer einen Argwohn veruhrsachte / er würde dasjenige / so er so glücklich angefangen /nicht zum erwünschten Ende bringen können / hätte derowegen gewünschet / daß er in dieser Sachen nicht so weit gelanget; dennoch weil das einmahl angefangene Werck nicht fortsetzen / so viel ist / als den Muht verlieren / setzet er dem Glück weiter nach: Er läßt ihm von allerhand Tuch Insiegel / und andern subtilen Wahren herbey bringen / letztlich bey sich selbsten berahtschlagend / daß das Spanische Tuch das beste und reineste wäre / handelt er auff ein gantzes Stück / und sagt zur Frauen / daß sein Herr / der ein Balbierer / bekant gnug wäre / dessen Nahmen er ihr sagen / und die Gasse / darin er wohnet / zeigen wolte / ihm solches zuthun befohlen hatte. Weiln dieses Stücklein von wenigem Schein / hätte ein Verständiger den Bossen leichtlich gemercket / aber des Weiblichen Geschlechts geringe Vorsichtigkeit / [364] die sie bißweilen in ihrem Thun sehen lassen / hat offt das / so an ihm selbst schier offenbahr / verdeckt und verborgen behalten. Als sie nun des Kauffs einig worden / veruhrsacht die Hoffnung / in dem dieser verspricht / alsbald wieder bey ihr einzusprechen / und beneben der Zahlung dieser außgenommenen Wahren / noch andere mehr außzunehmen / daß sie verwilliget / solch stück Tuch mit auß dem Laden zu tragen. Sie befielet hierauf ihrem Jungen / dem Herrn zufolgen /wohin er ihn führen würde / habe auch Sorge / sagt sie / daß ihr das Geld vor die außgenommene Wahr mit zu bringen unvergessen seyet: Auf solche Rede gehen sie auß dem Laden / unterdessen kombt dieses Landstreichers anderer Gesell / als ob er ungefehr demselben begegnet / und damit sie noch besser das Bubenstück bemänteln möchten / fragt er ihn / wo er gewesen / und von wannen er komme / der ander gibt zur Antwort / er komme auß ihres Meisters-Hauß /und gehe jetzt zu einem / dem er zur Aderlassen soll. Aber sagt dieser / habt ihr auch / das euch der Herr befohlen / außgerichtet / und den Zeug im Kram außgenommen? Der Knab hört diese Rede / und nimbt solche vor warhaftig an. Wie nun diese von einander geschieden / nimbt der / so den Jungen neben sich führet / von dem Gespräch Uhrsach zureden / und sagt / dieses sey sein Gesell / und wären sie beyde bey einem Herrn in Diensten / und was er ihm dergleichen mehr vorgeschwätzet / dardurch er den Jungen je länger je mehr bewegt / seinem Vorgeben völligen Glauben zu geben. Wann ihr nun in meines Herrn Losament kombt / sprach er weiter / so wollet ihr die Wahrunten in der Wercksten lassen / und mit meinem Herrn in seine Kammer hinauf gehen / allda wird er euch Geld vor euren Zeug zu gutem Danck zahlen /ob er sich [365] auch vielleicht zu anfang des Preises wegen beschweren / oder den also hoch zu zahlen / wegern möchte / so habt ihr euch nicht daran zu kehren / dann wann er vernehmen wird / daß ich den Kauff also mit der Frau im Laden geschlossen / wird er denselben nicht wiederruffen / sondern alsdann euer Geld nach aller Gebühr darzehlen. Als er den Knaben dergestalt unterrichtet / und sie in besagten Balbierers Behausung kommen / gehen sie in die Werckstatt / darin der Herr des Jungen erwartet / auch wegen seiner Ankunfft sehr froh wurde / sagt derohalben / zum angemasten Balbiers Gesellen / ist diß der junge Gesell /von dem ihr mir gesagt? Ja Herr / gibt dieser ihm zur Antwort / er ists / wollet ihn nur / wann es euch beliebet / hinauff / denselben zu contentiren / mit in euer Kammer nehmen. Darauff legt der Jung die Wahr ab /so er unter seinem Mantel hatte / und gehet alsbald mit auf die Kammer / der ander bleibt unterdessen unten in der Werckstatt / und weil niemand mehr darin ist / nimbt er das Tuch unter den Mantel / macht sich damit auß dem Hause. Der Balbirer befragt immittelst den Knaben / wegen des Schadens / und sagt ihm / er hätte sich keiner Gefahr / solches ihm in Geheim zu offenbahren / zu befürchten / dann wofern Menschliche Mittel etwas darbey helffen würden /wolt er hoffen / ihm in kurtzem zur vorigen Gesundheit zu verhelffen. Der Jung / als welcher über diese Red sehr bestürtzt / und nicht weiß / was der Balbierer ihm sagen wil / gibt ihm zur Antwort / er habe keine Schwachheit an seinem Leib / sondern begehre nur die Zahlung vor seinen Zeug. Der Balbierer / welcher Befehl hatte / ihn zu der Bekäntnüß beständiglich anzuhalten / auch / wofern er nicht in der Güte sich bequemen wolte / darzu zu nöhtigen / hält mit seinen [366] Warnungen weiter an; Mein Freund / sagt er /je mehr die Schwachheiten veralten / je schwerlicher kan man nochmals zu deren Heylung gelangen / dann das Böse / welches lang währet / wurtzelt ein / und ist man offt benöhtigen. Eylen und andere Instrumenten zu gebrauchen / das zuvor eines Geringen bedurfft hätte. Der Jung / welcher kan ander Medicament begehrt / als sein Geld / alldieweil dasselbe heutiges Tages das bewährteste ist / sagt / er sey zu keinem andern Ende kommen / als daß er / laut dem getroffenen Kauff / seine Zahlung vor die hergebrachte Wahr empfangen möchte. Der Balbierer / als er siehet / daß alle Ermahnungen vergeblich / gedencket entlich / er wolle der Sachen Grund / durch scharffe Drohungen erfahren / setzt mit Gewalt dem Jungen zu; Wie aber der nur von Zeug / und dessen Zahlung reden höret /beginnet er den Possen zu mercken / fragt auch den Jungen / was es vor Zeug wäre / der erzürnet sich je länger je mehr gegen den Balbirer / nennet ihn einen Betrieger / und muste er ihm dennoch / wo nicht in der Güte / doch mit Gewalt / seine außgenommene Wahr / so er ins Hauß bracht / bezahlen. Der Jung siehet entlich / daß er nichts mit dem Balbirer schaffen kan / laufft nacher Hauß / seinem Herrn dieses zuberichten; der stellt hierauff einen Proceß mit besagtem Balbirer an / und wird entlich innen / wie mancherley Betrug unter den Menschen sich finde / und schier keinem zu trauen sey.

162. Der listige Soldat
CLXII. Der listige Soldat.

Als Franckreich unter den regiersüchtigen Meutereyen des Marschals d'Ancre sehr geplaget ward / und sich selbst durch seine eigne Säugling [367] zerschmeltzte / war zu Soisson ein braver Soldat / nahmens Auxerres / der sich in den Waffen eine geraumen Zeit geübet hatte /alß derselbe verspüret / daß besagter Marschall d'Ancre die Königl. Würde in Handen hatte / und die Fürsten Franckreichs in ihren eigenen Lande verfolgte / ließ er sich unter den Fahnen des Hn. Hertzogen Mäyenne / dessen Gedächtnüß / weilen es mit güldenen Buchstaben auff das ewige Kuppfe der Unsterblichkeit eingegraben ist / nimmermehr vernichtet / unterhalten / und ließ Auxerres sein Gemüth zum öfftern sehen. Der Hertzog von Mäyenne / welcher sich in Svisson / daselbst die Anläuff des Marck-Graffen d'Ancre abzuschlagen / begeben hatte / erkante bald in einem Anfall die Tapfferkeit dieses Soldaten. Auxerres kam niemals auß des Feindes Lager / er hätte dann zuvor gewisse Merck-Zeichen seiner Stärcke hinterlassen / aber wie die Stärcke bey einem Soldaten wenig geachtet wird / wann er nicht zugleich Klugheit darbey hat; als wolte Auxerres eine Probe thun / daß er nicht weniger in Kriegs-Listen / als in Scharmützeln geübet und erfahren wäre. Dan es begab sich nach einem starcken Außfall / da viel von des Marschalls de Ancre Volck / vornemlich von den Außländischen auff den Platz blieben waren / daß er einen seiner vertrauest Freunden zu sich nahm / und sagte /daß er ein grosses Werck im Sinne hatte / und man zu dessen Volziehung einen steiffen Muth fassen wuste. Sein Gesell / der gleicher Statur und Natur mit ihm war / hörete mit Fleiß zu / und versprach ihm / daß /so ihme sein Beystand würde angenehm seyn / er ihm gerne in seinen Anschlägen Geselschafft leisten wolte. Als nun Auxerres ihn wohlgemuth sahe / erklärete er ihm seine Meinung / daß er sich biß nacher Paris an die Pforte begeben / daselbsten einen Gefangenen wegnehmen / und eine gute [368] Rancion von ihn nehmen wolte. Nachdem solches beschlossen / begaben sie sich heimlich auß Soisson / und stelleten sich / ob wolten sie den Feind ein wenig auffwecken (dann es war die Stadt damahlen noch nicht dergestalt belägert / daß die Feinde alle Auß- und Eingänge berennet hatten) sie reiseten des Morgens frühe wolberitten von dannen und kamen durch die Arme glücklich zu Paris an. Damit aber dem Auxerres der Streich desto besser abgehen möchte / stieg er in einem der vornehmsten Gästhäuser zu Paris ab. Wie sie nun in besagtem Wirtshause ankommen / empfing sie der Wirth Isle /in Meinung / ob sie Edel-Leuthe wären / sehr freundlich / und tractirt sie auffs herrlichste / mit aller Ehrerbietung und Freundlichkeit; Also brachten sie wohl acht Tag in besagtem Wirths-Hauß zu / und wendeten viel Unkosten auff. Isle vermeinte wohl ein guth partickel ihres Geldes zu haben / er gedachte aber nicht an die Rencke / so man ihm spielen wolte / und wie er zu weilen seinen Stall besichtigte / verwunderte er sich höchlich über die schöne Pferde seiner Gäste /und war das geringste darunter wohl hundert Cronen werth. Nun trug sichs einsmahls zu / daß sie mit einander Sprach hielten / und fieng Auxerres an zu sagen / daß ihm ein Unglück zugestossen wäre und ihm das Geld dessen er ihm zu bezahlen willens gewesen /wehre auff dem Weg geraubet worden: Im übrigen aber hätte er zwey Pferde / welches von beyden er umb einen billichen Preiß nehmen / und darauff die Summ der Schuld abziehen wolte. Isle hatte bereits die Augen auff besagte Pferde geworffen / und war begierig eines von beyden zu kauffen / doch daß er ihm das Ubrige / so er ihm schüldig verbleibē würde /herauß zu geben gesinnet wäre. Der Kauff wird gemacht / Auxerres berichtet seinen Gesellen / was vor ein Stücklein er seinem Wirth [369] spielen / und wie er ihn vor die Stadt herauß locken / und nach Soisson gefänglich führen wolte. Das Werck wird so wohl getrieben / daß Isle des Kauffs mit Auxerres einig wird /und sich auff seinem Bitte zu Perd mit ihm machte /auch darauff sein Pferd zu versuchen / der St. Martins Pforten hinauß ritte. Auxerres lockete ihn / so viel möchlich vor die Stadt / und sein Gesell wandte auch möchlichsten Fleiß an / wiewoll zu Fuß damit er ihn viel weiter davon bringen und einstricken möchte. Entlichen / da sie eine halbe Meile von Paris waren /und Isle sein Pferd daselbst gleichsam spatzirungs-und Lust-Weise tummmelte / machte sich Auxerres zu ihm / zog eine Pistohl / inzwischen / daß sein Gesell das Pferdt am Zaum hielte / auß seinem Sack / setzte ihm dieselbige an die Gurgel / und erschreckte ihn dermassen / daß er schwehrlich Ahtem holē kunte /unn deßhalben / als einer / der ausser sich selbst war /fragte / was sie von ihm forderten. Auxerres gab ihm keine weitere Antwort / als daß er mit ihnen nach Soisson reisen muste. Hierauf knäbelten sie ihn / und führeten ihn auch vor den Augen der Pariser hinweg /Isle war über solcher Listigkeit gantz bestürtzet / und bildete ihm anfangs ein / als wann sie ihn hinlieffern wolten / so bald er aber verständiget ward / daß sie nichts als seine Rantzion gefodert / ward er froh / da er dann auch nach Entrichtung der Loßzahlung das Geld außzahlen ließ. Hierauf gab man ihm einen Paßzettel wieder nacher Pariß zu reisen und war daselbst von seinen Freunden ohneracht seines Verlusts / mit Freuden empfangen / weil man glaubte / daß er unterwegs umbs Leben kommen wäre.

163. Das gestohlne Pferd
[370] CLXIII. Das gestohlne Pferd.

Als bey Endigung des 1620 Jahr / der König in Franckreich aus Bäyern wieder zurück kam / begab sichs / daß ein fürnehmer Herr / so aus weiten Landen kommen war / zu Paris / umb Ihr. Königl. Maytt. zu sehen / anlangete; dieser wuste keine bessere Herberge / als nahe bey dem Königlichen Pallast zu suchen /damit er mit leichter Mühe den König sehen / und zu welcher Stund dero Königl. Maytt. außgehen möchte /erfahren könte / auff daß er sie begleite / und das Glück habe / so wohl zu Feld als auff der Jagt derselben zufolgen. Nun weil das Leib. Regiement neulichst ankommen / und sich auff der weiten Reiß / dahin die Rebellen in Franckreich Ihr. Maj. alles wiederumb in seinen Stand zubringen / gezwungen / sehr abgemattet hatte; Und nun die Soldaten Zeitwährenden solches 5 Monathlichen Auffhaltens / ihre Lust nicht gehabt /begaben sich viel unter ihnen auf das Rauben. Ja man durffte sich bey Tag in abgelegenen Gassen nicht antreffen lassen. In währendem solchem Trubel beschlossen zween Soldaten von Leib-Quardy / eben in dem Losament liegend / da der vorgesagte Herr sich auffhielt / ihn zu überfallen. Solches ward des andern Tages vollbracht / eben wie vorgemelter Herr bey Hoff ankommen war / dann nachdem er mit Ihrer Königl. Maj. auf die Jagd in das Gehöltz bey Vincennes geritten / geschahe es ungefehr / daß ein grosser Regen einfiel. Dannenhero / wie nun einer von diesen Soldaten wuste / daß dieser Herr in kurtzem kommen solte / sagte er zu seinem Gesellen / er verhoffte dieses Herrn Pferd / darauff er desselben [371] Tages geritten /zu überkommen / gieng deßwegen unter die Hallen /und kauffte einen Leinen-Rock / zog denselben an und als er das Geräusch von des gantzen Adels eylender Wiederkunfft hörete / wartete er an der Thür des Marstalls / eben da besagter Herr abstieg / und befahl einem seiner Laqueyen sein Pferd zu futtern. Der Laquey / sowohl / als sein Herr durchfeuchtet / war auch froh / daß er sich erfrischen solte / gab unserm Soldaten Befehl / Achtung auf das Pferd zu haben / vermeinende / er würde den Stall zu versehen / befehl haben. Der Soldat stellete sich / als wann er es versorgen wolte / begehrte Heu und Habern / und alles / was er haben muste: Wie nun solches angesponnen / kam er /seinem Gesellen Bericht zu geben / wo er ihn antreffen würde / darauff er von Stund an sich anmassete /ob wolte er das Pferd in dem Fluß träncken / wante sich aber auf die andere Seiten / sein Gesell folgete ihm nach und verliesseen ihren ersten Wirth / welcher ihre Zech noch an der Wand stehen hatte. Drey Stund gehen vorbey / daß unser Stallknecht nicht wieder kam / der Laquey vermeinte / er würde etwan zum Schmidt / etliche Eisen anzuschlagen / geritten sein /nachdem er aber langgenug gewartet / verspührete er daß man ihm das Pferd / welches mehr als 400 Cronen werth war / gestohlen; Er fragte den Wirth / wer sein Stallknecht wäre / der Wirth zeiget ihm denselben / und blieb hierauff gantz bestürtzet / er durffte es seinem Herrn nicht sagen / dieweil er ihm ein böses Trinckgeld gegeben hätte. Fassete demnach den Muht / davon zulauffen / stund den folgenden Tag früh auf /und damit er der bösen Tractirung / so ihm sein Herr würde haben aufftragen lassen / zu vor käme / machte er sich auff die Flucht. Der obbesagte Herr / dieweil er ein so gutes Pferd verlohren / meinete [372] / vor Unmuht zu zerspringen / dann er hatte den Laqueyen des Diebstalls wegen im Argwohn. Unterdessen hielten sich unsere Soldaten ein / und machten sich wol 14 Tag bey den Morasten des Tempels (wie der Orth genennet wird) mit dem Geld lustig / so sie auß dem Pferd gelöset / und dem Wirth / dabey sie lagen / umb zwey hundert Kronen zu kauff gegebē hatten. Dieser Zundel trieb sie an noch eine andere Rauberey zu begehen / in dem eines Tages ihrer einer in der Tempel-Gassen spatzieren gieng / traff er einen Laqueyen an /welcher ein Pferd in die Tränck ritte; Er fragte denselben / ob sein Pferd zu verkauffen wäre? Der ander /der von seinem Herrn Befehl hatte / besagtes Pferd zu verkauffen / gab ihm zur Antwort / wann er 80 Cronen darvor gebe / wolte er ihm das Pferd verkauffen. Als der Soldat das hörete / nahete er sich hinzu / begriff das Pferd / besahe es allenthalben / und stellete sich / als wann er gar wohl erfahren wäre / den Laqueyen / der auf das höchste 15 Jahr alt war / mit glatten Worten zu betriegen; Entlichen / als er ihn wohl besehen hatte / bat er den Laqueyen / daß er ihn wolte das Pferd reiten lassen / umb desto besser seinen Schritt zusehen / sagte auch / wofern er ihm guten Kauff geben wolte / wäre dieses eben vor ihn; Der Laquey steiget herab / den Soldaten das Pferd sehen zulassen / als aber dieser aufgesessen / ritte er das Pferd drey oder viermahl die Länge der Gassen auff und ab /entlich aber / wie er sich weitgnug von dem Laqueyen sahe / gab er dem Pferd etliche Streich mit der Spißruhten / und nahm die Post / wie der Laquey aber sahe / daß er nicht umbkehren wolte / fing er an / ihm nachzulauffen / aber umbsonst / sintemahl ihm der Soldat das Pferd [373] mit Gewalt hinweg nahme / und hörete man nachgehend nichts mehr von ihnen.

164. Der ungebetene Gast
CLXIV. Der ungebetene Gast.

Ein sehr schlauer und geübter Gaudieb oder Filou /der endlich nach vielen begangenen Schelmstücken zu Ravan hingerichtet worden / hielte sich vor einigen Jahrn zu Pariß auff / als welcher Orth der grosse Rendevous allerhand Gesindleins ist. Wie er nun / damit er die erst ankommende Frembdlinge in sein Diebs Netz erhaschen möge / in der Stadt hin und wieder gieng / wird er unterandern zweyer Bürger / die sich eine lange Zeit nicht gesehen / und beyderseits freundlich besprachen / gewahr. Dieser Filou siehet / daß sie besonders von ihren Geschäfften sich unterreden / und nahet sich unvermerckter Sachen zu ihnen / doch daß er sich nichts annahm / als wolte er einigerwegen etwas von ihrem Gespräch vernehmen. Solches geschahe an einem Eck der Gassen S. Innocents. Entlich / nach unterschiedlichen Reden / sagte der eine Bürger zum andern / daß er ihn hiermit gantz freundlich bäte / er wolle Morgen umb 11 Uhr zu ihm kommen / und mit einer schlechten Mahlzeit vor lieb nehmen / und zugleich auch einen guten Freund mit sich bringen; Der ander sagt ihm zu / in besagter Stund ihn zu besuchen. Der Filou / welcher dieses in Acht nahm / fassete diesen Schluß bey sich / dem / der den andern zu Gast gebeten / von weitem nachzufolgen / die Gasse und das Hauß / darinnen er wohnet / zuvernehmen /damit er andern Tages sich so wol / als der andere Bürger einstellen könte: Nachdem er dieses erforschet / fehlete er nicht / den andern Tag umb 11 Uhr umb selbige Gegend auf und ab [374] zu spatzieren / erwartende / biß der / so zur Mittags-Mahlzeit geladen / käme. Nachdem nun der Filou seiner wahrnahm / fügt er sich zu ihm / eben da dieser zur Thür eintretten wolte. Der geladene vermeynete / der Filou wäre vom Gastherrn ebenermassen beruffen / stritte derhalben ein wenig mit ihm umb den Vorgang. Wie sie nun hinein kommen / schickt man sich zur Mahlzeit / immittelst unterhielte man sich mit allerhand neuen Zeitungen /und vornehmlich dessen / so zu Hoff passirt. Der Filou hielte die Augen nicht viel an einem Ort still /sondern läst denselben den Zaum schiessen auf alle Seiten zu sehen / ob er nicht / ehe er wieder weichen muste / sich mit einer guten Beut versehen könte. Als nun die Taffel mit Speisen besetzt / wäschet man die Händ / und allda wird der Filou des Handbeckens ansichtig / daß 200 Cronen werth war / nimbt auch in Acht / daß man dasselbe in der Küchen stehen lassen. Der Haußherr stehet in der Meynung / es habe denselben sein geladener Freund mit sich bracht / der ander vermeinet / der Haußherr hätte den Filou / wie ihn /zur Mahlzeit erbeten. Hier muste nun der Dieb grosser Vorsichtigkeit sich befleißigen / sintemahl er von beyden befragt ward / und jedem von allem / jederzeit gebührlich Antwort geben muste; Die Mahlzeit gehet dergestalt vorüber / es werden entlich die Speisen aufgehaben / man hält sich mit Gesprächen wieder auf /in dem wird der Bube gewahr / daß die Magd aus der Küchen / und die Frau in eine Kammer gangen war /meine günstige Herren / sagt er / ich bitte / ihr wollet mir verzeihen / daß ich euch mit meiner Persohn überlästig gewesen / ich wil von den Herren einen Abtritt vor dißmahl nehmen / aber zum längsten in einer Viertelstund mich bey denselben abermahl einstellen /und wie er dergestalt von beyden Erlaubnüß genommen / machte er sich [375] im vorüber gehen in die Küch /ergreifft obgedachtes Handbecken / und laufft davon: Als der Gaudieb kaum vor die Haußthür hinauß kommen war / fiengen die zween einer den andern an zu fragē / wer doch dieser bescheidene Edelmann sein möge? Der Gastherr sagt / er habe seiner keine Kundschafft / und vermeynte / er wäre von seiner Gesellschafft. Worauff diese bestürtzt waren / ruffen die Frau herunter / erzehlen ihr den gantzen Handel: Unterweilen aber nehmen sie ihres Handbeckens nicht alsobald gewahr / daß das gestohlen / biß nach einer Stund die Magd wieder auß der Stadt nacher Hauß kombt / wird sie innen / daß solches hinweg ist. Also hat dieser Filou beneben seinem Diebstahl eine gute Mahlzeit ohne einige Kosten / vor diesen Gang nach seinem Wunsch erlanget / aber nachmahls desselben Interesse sambt dem Haubtgeld zu Rovan / da er nach seinem Verdienst justificirt worden / sattsam entrichten und mit seinem Halß bezahlen müssen. Wie die Arbeit / so ist auch Lohn.

165. Der betrogene Edelmann
CLXV. Der betrogene Edelmann.

Als auff eine Zeit ein vornehmer Frantzösischer von Adel / Nahmens du Mont / auff seinem schönen Land-Gut sich mit der Jacht sich ergetzete / begegnete ihm einer mit grimmigem Anblick / sprechend: Wer macht dich so kühn / daß du unbesprochen meiner / auff dieser Gegend jagest? du Mont gibt freundlich zur Antwort: Er könte mit gutem Fug hierumb ungehindert seiner und anderer jagen / weil es auff seinem eigenthümblichen Gut wäre / und hätte er im Gegentheil die Macht nicht / auff das Seine [376] zu gehen. Worauff diese zween mit Worten soweit an einander kommen /daß sie entlich Außforderung thun / sich den andern Tag ein Meilweges von der Stadt finden zu lassen. Wie nun die Außforderungs-Parthey gemacht war /und du Mont sich mit dem andern zur bestimbten Zeit stellete / auch einander angiengen / befand sichs / daß du Mont dem andern weit-obgelegen war / also / daß er ihn auch entlich zu Boden legte. Dieses geschahe zu allem Unglück / eben / als man alle Außforderung ernstlich verbotten / darumb ward du Mont von des entleibten Eltern durch das Parlament hart verfolget /daß man ihme seine Güter confiscirt / nachdem er kaum so viel Zeit hatte daß er tausend Cronen / sich damit auß dem Staub zu machen / zu sich nehmen konte. Als nun du Mont wieder nach Pariß seinen Proceß außzuführen ziehen wolte / und unterwegs im Wald bey Compiegne ist / sahe er sich von 6 Räubern überfallen / wie er dieselbe vermerckte / hatte er in einem Sack zwey hundert Pistoletten eingebunden /den wirfft du Mont / ehe sie zu ihm kommen / hinter einen Busch. Diese Räuber umbgaben ihn mit ungestümm / und führen ihn mit sich in das Gehöltz / an wüsten Oerther / nahmen ihm sein Pferd / Geld und Kleider / und legten ihm ein schlechtes Leinen-Kleid an. Du Mont / weil er noch zweyhundert Pistoletten erhalten / fassete einen Muth / ohngeacht er aller seiner Güter beraubt worden / nahm ihm vor / sich im ersten Dorff so ihm auffstossen würde / ein wenig auffzuhalten / kauffte auch einen Sack / darin [377] das / so er vor den Räubern behalten / zu verwahren / und gab sich vor einen armen Bauersmann auß / damit er nicht zum andernmahl gefangen wurde / biß er nacher Pariß gelangte / allda er zu zween Dieben kam / diese Gesellen sich alsbald zu ihm / ward von ihnen wieder in die Vorstadt Sainct Germain geführet / die versprachen ihm / sie wolten ihm zu wege bringen / daß er zu Ihrer Königl. Mayt. Gemahlin / Nahmens Margareta /kommen solte. Du Mont vermeinte / auß dem / so ihm vorgeschwetzt / sie wären vornehme vom Adel / darumb er sich ihnen auch vertrauete. Derentwegen auf ihr inständiges Anhalten / ließ ihm du Mont ein neu Kleid machen / und auß solchem guten Vertrauen /hatte er sein Geld in dem Wirtshauß / in welchem er den Abend zuvor mit ihnen logirt / gelassen / vermeinent sie wären in demselben bekant / des Morgens frühe giengen sie zu Beth. Hierauf thun sie in das Ballhauß einen Spatziergang / die Zeit zu vertreiben /biß die Königin auffstehen möchte / und wie sie ein wenig darin waren / nahm der Eine Abschied / der Ander aber / nachdem er einen Streich oder etliche gethan / nahm sich an / als wan er bessere Racket auß lesen wolte / und liesse auch darvon / daß also der unglückliche du Mont von aller Hoffnung beraubt / sich allein in dem Ballhauß befinden thäte / ohne daß er seither einige Nachricht hätte haben mögen / wer diese Diebe gewesen wären / oder daß er solche wieder hätte antreffen können. Hierauß ist zu lernen / wie viel Ubels und betriegliche Händel in Pariß begangen werden.

166. Die listige Erlösung
CLXVI. Die listige Erlösung.

Befangene Leute sind arme und elende Leute / ob sie nicht unschuldig / und wegen ihres Verbrechens [378] in Verhafft kommen / und dardurch bestraffet werden. Unser Erlöser zehlet unter die Wercke der Barmhertzigkeit / die Gefangenen besuchen / und ihnen / wo nicht in der That / doch mit Raht und Trost beystehen. Wie nun ein solches Leben viel ärger ist / als der Todt; Also ist auch die Gefangenschaft / sonderlich wan sie auff ewig / daß ist / so lang der Gefangene lebet / oder auff lange Zeit / nemblich 10 Jahre / erstrecket wird / eine Abbildung der finstern und schmertzlichen Höllenpein / dafür uns Gott gnädig behüten wolle. Daher ist kein Wunder / wann sich die Gefangenen bemühen / durch allerley listige Räncke loßzukommen / und sich von den Fesselbanden zubefreyen / wie wir hier etliche außgebrochene auf unsern Schauplatz stellen wollen. Die erste Stelle soll haben der Cardinal de Lerma / welcher einen Gefangenen in seinen Schutz genommen / der Hoffnung / seine Sicherheit wegen eines begangenen Ableibs bey dem König zu erlangen. Alß er aber erfahren / daß des Ermorderten Befreunde seinen Todt bey dem Schöpffenstuhl außgewürcket / und der Gefangene hingerichtet werden solte; gehet er selbsten in das Gefängnüß /und lässet den Gefangenen seinen Rock anziehen / mit welchem er durch die Wacht / und also entkommen. Er für seine Persohn hatte keine Gefahr / und veruhrsachte dem König ein Gelächter.

167. Der gerettene Hertzog
CLXVII. Der gerettene Hertzog.

Also war zu Zeiten Königs Heinrichs des Vierten / in der Stadt Lyon gefangen / der Marggraff Villeroy /und ist durch folgende List entkommen. Er stellete sich als ob er Artzney brauchte / und sprache seinen[379] Kammerdiener Adrian an / ob er wolte mit ihm die Kleider wechslen / und ihm aus der Gefangenschafft helffen. Adrian war hierzu willig und hatte einen Ort ersehen / welcher sich wegen des bösen Geruchs nicht wol nennen lässet. Dahin brachte Adrian die Würckung der Artzney / und bande auch einen Strick dahin / daß sein Herr darmit sich hinab lassen / und auf freyen Fuß kommen möchte. In dem hinaußtragen des Gestancks / hatte der Diener den Kopff auf die ander Seiten gewendet / biß er die Schildwacht vorbey gangen / dieses thate auch der Herr / und als er sich an gedachtem Strick abgelassen / ist auff einen Büchsenschuß davon ein Trop von seinen Freunden / und ein Pferd für ihn bestellt gewesen / daß er also glücklich entkommen. Der Knecht ist auch für unschuldig erkant / und auf seines Herrn inständiges Anhalten nachmals erlassen worden / welcher gesagt / daß er die Zeit seines Lebens keine so böse Nacht / in einem so guten Bette gehabt.

168. Die Florentinische Rettung
CLXVIII. Die Florentinische Rettung.

Zu Florentz ist ein vornehmer Spanier wegen eines Todschlags gefangē gesetzt worden / doch dergestalt /daß man ihm verlaubt mit seinen Freunden und Bekantē die Zeit zuvertreiben. Dieser machte einen solchen Anschlag. Die Edelleute / welche ihn besuchtn /spieleten untereinander welcher auf den Knien ein auffgestecktes Goldstück von der Erden auffheben /und zugleich die Hände auf den Rücken halten könte. Der Kerckermeister / auf den es angesehen / sahe zu /und sagte / daß die Sache sehr leicht / die andern muthen ihme eine Prob zu / als er das erste Goldstück mit den Zähnen ergreift / schryen sie: er habe die Hände von einander gethan. Er sagt darauf / als man ihm noch einandres [380] Goldstück aufsteckte / man solte ihm die Hände binden / welches auch geschahe / und indeme er bemühet ist nieder zuknyen / nehmen sie ihm die Schüssel von der Seiten / sperren auff / lassen den Gefangenen loß / welcher sich auf ein Pferd schwinget und gemachter Anstallung zufolge / mit einem Rennschiff / von Livorno nach Genua abseegelt.

169. Die kluge Erfindung
CLXIX. Die kluge Erfindung.

Ein anderer hat nichts als Eßig trincken wollen / selben aber an die Gitter der Gefängnüß gegossen / und die Steine darmit so weich gemacht / das er sie entlich außheben / und dadurch entrinnen können. Zu Pariß war ein vortrefflicher Beutelschneider auff Handhaffter That ergriffen / und stunde in Gefahr / daß man ihm seinen Eß- und Trinckbeutel zuknüpffen solte. Diesem brachten seine Gesellen / hergenommener Abrede nach eine Pasteten / darinnen eine Winden / ein Hammer / Strick und dergleichen Brechzeug / sich auß der Verhafft loß zu würcken / welches er auch zu seinem Unglück gethan; dann so bald er entkommen /hat er dem Nechsten so ihm begegnet / den Mantel genommen / und ist darüber wieder gefangen / und folgenden Tag mit dem Strang hingerichtet worden. Der Hertzog Gabelli ist bey Brisach in einer alten Frauen Kleid die ihnen Wasser gebracht / und sich aus Geitz erkauffen lassen / glückseelig entronnen / hätte sonsten nicht wenig Lößgeld bezahlen müssen. Zu Pariß ward ein Teutscher Schulden wegen in das Gefängnüß geworffen. Dieses erfähret seine Liebste / kommet ihn zu besuchen / und als sie ihn schlaffend gefunden /stimmet sie seine Laute / spielet / biß er erwacht /sagte ihm alsdann / er solte aufstehen / und mit ihr /weil sie alle seine Schulden bezahlt / nach Hause kommen.

170. Das rettende Uhrwerck
[381] CLXX. Das rettende Uhrwerck.

Zum Beschluß dieser Erzehlung wollen wir beybringen / wie noch eine seltene Art / auß der Gefängnüß zu entkommen / zu Lyon ergriffen worden. Ein Edelmann lage auf Leib und Leben gefangen / weil er seinen Feind / wieder des Königs Verbott / vor der Faust erstochen. Seine Freunde erkaufften die Thürner / daß sie die Uhren in der Stadt umb eine gantze oder anderthalb Stunde zurücke gezogen / wie auch auf den Tag / als er sterben sollen / beschehen. Inzwischen aber flehen die Freunde den König umb Gnade an /und erlangen abschlägige Antwort / biß entlich die Zeit vorüber / und der König vermeint / daß der Ubelthäter bereit von dem Leben zu dem Todt hingerichtet: Da dann der König sich erbitten lassen / und ihm das Leben zuschencken verwilliget. Die Freunde eilen zu der Gefängnüß / und finden ihn / weil die Stund-Uhren zurücke gezogen worden / noch in dem Leben. Als solches der König erfahren / hat er zwar den verurtheilten erlassen / die Thürner aber nach Verdienste abgestraffet.

171. Der betrogene Geitz
CLXXI. Der betrogene Geitz.

Es sagt das Teutsche Sprichwort: Der Geitz sein selbst Stiffmutter wil ich sagen / daß er auch sey seine eigne Hölle. Indem der Geitzige niemand Gutes thut /auch ihm selbsten nicht / kan er wol einer gehäßigen Stieffmutter / oder einem Esel verglichen werden / der mit Wein und Brod geladen [382] ist / desselben aber nicht geniesset. In der Normandie / einer Landschafft in Franckreich / welche von den alten Nordmännern oder Schweden ihren Nahmen erhalten / haben die Inwohner den Ruhm / daß sie durch trübene verschlagene Leute / die alle andere zu überlisten pflegen. Klug sein ist kein Laster / aber die Klugheit übel anwenden und Böses dardurch außwürcken / das wird von keinem Verständigen gelobet werden: Wie aber die Liecht-Kertze nicht schuldig / daß die Mücken die Flügel verbrennen / also ist zu Zeiten der Betrug dem Geitz zu zumessen / und nicht dem / der dieses oder jenes veruhrsachet. Candre und Rigobert zween von Adel gleiches Stands / aber wegen des Rechts der Erst-Geburth gantz ungleiches Einkommens. Candre rüstet seinen Brüdern auß / mit einem Pferd / Knecht und 50 Kronen in dem Beutel daß er sein Glück in Kriegswesen suchen solte / welches er aber unferne davon bey einer Adelichen / Tugendreichen / aber Geldarmen Jungfer zu finden vermeint / daß die Dürfftigkeit mit Fug sein nechster Nachbahr hätte können genennet werden. Dieser Rigobert hatte sich nun jung verheurahtet / umb die Mittel einer grossen Anzahl Kinder zu bekommen / massen sich sein Weinstock umb den Tisch so reichlich und reifflich von Jahr zu Jahr außgebreitet / daß er vor den Aesten nicht wol in der Schüssel langen können / unter andern aber hatte er 2 Mannbahre Töchter / welche er gerne verheurahtet gesehen hatte / und ermangelt es ihnen an Buhlern gar nicht / aber wol an Freyern; Weil keiner gerne diese Wahr ohne Geld kauffen / ich wil sagen / sich ohne Außsteur in eheliche Verlöbnüß einlassen wollen. Diese zwo Jungfrauen hätten können verglichen werden mit einem der Schiffbruch erlittenen / auf einem Felsen / der die Augen aufhebet und umb sich siehet / ob nicht ein Schiff komme / und [383] ihn weiter vom Hunger / unn näher zum Brodkorb führt. Es wolte aber niemand erscheinen: Die Liebe hatte keine güldne Flügel / daß sie sich biß zu dem Ehestande solte schwingen können. Doch fügte sich eine unerwarte Gelegenheit / vielleicht weil diese Jungfrauen ein untadeliches Leben führten. Candre hatte mit andren jungen Edelleuten in der Nachbarschafft einen Streit / wegen ihrer Gräntzen; und kommet von den Worten zu Streichen daß er einen zu Boden stösset / als er bereit auch schmertzlichst ver wundet worden. Man hatte zu selbiger Zeit solches Mordfechtē in Franckreich von neuem hoch verbothen / daß Candre in Flandern entfliehen muste / und in Gefahr stunde seine Güter zu verlieren; deßwegen ersinnter diese List. Rigobert solte vorgeben / Candre wehre an seiner Wundē / weil er Kaltebrand darzu geschlagē / gestorben / er wolle seinem Weib ihr Witthumb aushändigen / sich in die Güter setzen / und als der nechste Erbe alles nach seinem Willen regieren und führen / biß auf bessere Zeit / da er wieder Landshuldigung und des Königs Gnade zu erlangen verhoffte. Dieses hat Rigobert / als der nechste Erbe / so meisterlich gespielet / daß auch seine Haußgenossen nicht anderst vermeint / als wehre die Sache bemelter massen beschaffen / und ist der Vater des Entleibten durch des Candre vermeinten Todt besänfftiget worden / daß er ihm ferners nicht nachstellen lassen /noch auf seine Güter geklagt. Die Mücken / welche aus der alten Küchen fliehen / fliegen in grosser Anzahl zu / wann das Feuer wieder groß wird. Luciana und Marca die beede Tochter Rigoberts / hatten bey so genantem Glück viel Freyer / und stellte sich der Vater / als ob er Ursach hätte / sich mit seinen Kindern stoltz zu machen. Entlich aber giebt er sie / auf die Hoffnung künfftiger Güter / sonder Heurath guth Edvard und [384] Maglot / zweyen Geitzigen von Adel /welche wol zu leben hatten / biß der Vater sterben würde. Diese Geitzhälse vermeinten / sie hätten wolgefischt / als Candre wegen einer That vom Printzen von Uranien ein Vorschrift an den König in Franckreich erlangt / und durch seine Freunde deß Ermordten Vater versöhnen lassen / daß er ihm als einen der sich verthädiget / und den Fall bereuet / verziehen /und er also den Besitz seiner Güter an Rigobert wieder willig abgetretten. Wie nun die Fische leichtlich in die Reussen / aber schwerlich wieder herauß kommen / also musten die beede geitzigen Tochtermänner in dem Eheband bleiben / in welches sie sich aus falschem Wahn begeben. Candre verehrte seinem Bruder ein stück Geldes / wegen der wolgeleisten Dienste /und erzeugete hernach selbsten Söhne / welche sein Lebens-Erben worden. Also musten sich diese beede begnügen lassen mit der Schönheit und der Höffligkeit ihrer Ehefrauen / und das Sprichwort erfahren /daß man mit Lügen und List Heurahten stifftet / und heisset es trau / schau wem? Die Weiber soll man mit den Ohren und nicht mit den Augen nehmen / das ist: Wann sie ein gutes Gemüht und Lob Gerücht haben /so ist nicht darauff zu sehen / ob sie gleich weder schön noch reich.

172. Das seltzame Geschick
CLXXII. Das seltzame Geschick.

Zu Bolonia oder Bononia in Welschland hielten sich zween Studenten auff / Nahmens Antonio von Phunea und Johan von Gambea vornehmer Leute Kinder /welche beede kaum das 25 Jahr erreichet / und keine Belüstigung der Jugend unterwegē liessen / massen sie die Mittel darzu überflüßig in den Händen hatten.[385] Ob sie nach Frauen-Zimmer gefragt / und selber Gesellschafft gesuchet / ist bey so hitziger Jugend Müßiggang leichtlich zuerachten / und wahren sie / kurtz zu sagen / nicht träge / solche schöne Bücher zu durch sehen und fleißig darüber zu liegen / gebrauchten auch mehr / als einen solchen Calender. Unter vielen war wegen ihrer Schönheit in Ruhm / Cornelia Bentivogli / deren Vor-Eltern auff eine Zeit über Bononia geherrschet / von welchen niemand im Leben / als Lorentz Bentivogli ihr Bruder / in dessen Schutz und Auffsicht Cornelia damahls ware / und ob sie wol ohne Vater und Mutter / ware sie doch kein Wäysen-Kind zu nennen / weil der Reichthumb ihr an Eltern statt verblieben / und ihr sattsahmen Unterhalt verschaffte. Diese Cornelia hielte ihr Bruder / wie ein schönes Gemähl verwahret / das die Lufft leichtlich verderben möchte / und ausser der Kirchen nicht könte gesehen werden. Als sich nun begeben / daß Johan von Gambea der Spanische Student auff eine Zeit bey Nachts nach Hause gehen wollē / hat man ihm geschrien und bey einer Haußthür gefragt: Ob er Fabio were? Johan sagte er / auf alle Wagniß / und hat darauf empfangen einen eingewickelten schweren Bündel / mit bitte solchen fleißig zu verwahren / und wieder zukommen / also schlosse man das Hauß hinter ihm zu / und ließ ihn mit einem neugebohrnen Kind in der Gassen stehen. Nach kurtzem Bedacht /trägt er diese Gabe nach Hause / und befielet sie einer Frauen in der Nachbarschafft / wolvermerckend / daß man ihn für einen andern angesehen hatte. Das Gezeug / in welches das Kind eingehüllet / beglaubte leichtlich / daß die Eltern dieses Findlings reiche Leute / zu dem war auch das Kind so holdseelig / daß Johan sich darüber erfreute / und zu solches [386] Aufferziehung keine Unkosten spahren wolte. Nachdem nun Johan wieder kommen zu dem Hause / da er so Kindlich begabet worden / hat er einen schreyen und sich wehrend befunden / den ihrer viel ermorden wollen /deßwegen er alsobald von Leder gezogen / und dem Betrangten einen Beystand geleistet / biß entlich die Wacht darzu gekommen / und diese Meuchel-Mörder verjaget / jedoch / daß diese beede darüber verwundet worden / und Johan / dem andern seinen Nahmen /umb welchen er gebeten / damit er wisse / wem er zu dancken schuldig / angezeiget. In diesem Tumult hatte Johan seinen Hut verlohren / und den nächsten Besten auffgesetzet / ist auch darmit / weil andre kommen /und den / dem er bey gestanden / hinweg geführet /wol nach Hauß kommen. Unterdessen wolte Antonio seinen Spießgeselle suchen und begegnet einem Weib / welches ihn umb Gottes Willen bate / er solte sie in Sicherheit bringen und sich ihrer annehmen / dieses thate er willig und brachte sie auff seine Kammer / da er mit Verwunderung sahe / daß sie ein sehr schön und reich bekleidtes Weib / hörte aber von ihr keinen andern Bericht / als daß sie ihn bate / er solle sie im Verborgen halten und eilen Friede zu machen / unter denen die in der nechsten Gassen einander würgen wolten: Als er nun solches zuthun gewilliget / begegnet ihm Johan / und erzehlen diese beede / was ihnen diese Nacht begegnet. Indem sie nun in ihrer Behausung angelanget / wil Antonio seinen Gesellen nicht lassen in die Kammer gehen / und indem er auffsperret / schimmert der Hut mit den Diamanten so herlich / daß die schöne Gefangene solches ersiehet / und bittet / der Hertzog wolle doch hineinkommen / und sie in ihrem Elend besuchen. Antonio sagte / daß kein Hertzog hier / und führte mit ihrer [387] Bewilligung Johan hinein / welchen sie befragte / ob er dann den / dessen der köstliche Hut sey / kente? Johan antwortete mit nein / und erzehlte / wie er ihm beygestanden und bey dem Leben erhalten hätte. Hierauff gabe sich diese Weibs Persohn etlichermassen zufrieden / betrocknete die Thränen-Perlen / welche über ihre Wangen häuffig triefften / und in dem sie erzehlen wil / was sich mit ihr begeben / hört sie ein neugebohrnes Kind weinen /und als sie befragte / wo es wehre / verstande sie / daß solches ihr sein muste / und bate / man solte ihr doch solches zu saugen bringen / welches geschehen / und nach dem sie sich wieder erholt / hat sie erzehlet / daß sie Cornelia Bentivogli sey / welche der Hertzog von Ferrara / Alfonso von Este geliebt / vermittelst ehelicher Versprechung geschwängert / massen sie auch bey ihrer Befreundin einer genesen / und diese ihre Frucht zur Welt gebracht / eben in der Nacht / als der Hertzog sie entführen / und von ihrem Bruder feindlich angegriffen worden / indem sie das Kind eine von ihren Kammermägden vertraut / und aus Furcht des Todes / welchen sie von ihrem Bruder zuerwarten gehabt / entflohen / u.d.g. Ob nun wol die Magd vermeint / sie gebe das Kind Fabio / des Hertzogen Diener / hat sie doch entlich befunden / daß alle Umbstände eingetroffen / und das Hertz hat ihr gesagt /daß dieses ihr Kind. Die zween Studenten haben ihr das Zimmer eingeräumet / das Weib / welchem erstlich das Kind gegeben worden / bey ihr gelassen / und mit anbrechendem Tage / an den Ort / wo der Streit zu Nachts sich begeben / verfüget / aber gantz keine Zeitung und Nachrichtung von dem Hertzogen vernehmen können. Indem begabe sichs / daß Bentivogli aus sonderlichem Vertrauen gegen die Spanier / Johan erzehlet / wie der Hertzog von Ferrara [388] seine Schwester verunehret / und bittet ihn / mit nach Ferrara zu reiten / und wegen Seiner den Hertzogen für die Klinge zufordern / weil er so mächtig nicht / daß er Volck sterben / und einen Krieg mit diesem Hertzoge anfangen könne. Johan liesse sich hierzu willig gebrauchen / und erhoffte also zu vermitteln / daß dem Hertzog anderer Gestalt Vergnügung beschehen möchte / bedancket sich deßwegen des guten Vertrauens / und machte sich mit ihm auff den Weg / nimmet auch mit seiner Einwilligung Antonio mit sich / als einen glaubwürdigen Zeugen alles dessen / was sich mit dem Fräulein Cornelia begeben. Nachdem diese verreiset / bildet die Wärterin der Cornelia für / daß Bentivogli / ein Italianer / der hinterlistiger / diese Spanier / wegen ihrer / umb das Leben bringen werde / räht also / und beredet sie / daß sie sich sambt dem Kinde auffmachen / und bey einem Dorff-Pfarrer unferne von Ferrara / da sie vor diesem gedienet / ihre Einkehr nehmen solte / führte ihr auch zu Gemüth / daß ihr viel anständiger und verantwortlicher / wenn sie bey einem alten Geistlichen / als bey jungen Studenten gefunden werden würde: Cornelia befindet alle die Uhrsachen für richtig / machet sich mit ihrem jungen Sohn auf den Weg / und kommet zu besagtem Dorff- Pfarrer / welcher sie willig auffnahme und wol empfinge. Es fügte sich aber / daß Alfonso und Bentivogli von ferne einander begegnen / und Johan / der ihn alsobald erkennet / rente vorauß ihm entgegen / und gab ihm zu verstehen / welchermassen Bentivogli sich von ihm beleidigt vermeinet. Also erkläret sich hierauff alsobald / daß er Corneliam für seine Gemahlin halte /ihr die Ehe versprochen / und gewillen sey / sich forderlichst mit ihr trauen zulassen. Alß nun Johan diese Antwort zurücke brachte / wurde Bentivogli sehr erfreuet / und kamen einander zu umarmen. [389] Unterwegs erkänte Alfonso seinen Hut / und wiederholte seine Dancksagung gegen Johan / daß er ihm in seinen Nöthen beygestanden / erzehlte auch / wie alles mit Cornelia daher gegangen. Indem gelangeten sie beyde vor besagtem Dorff-Pfarrer an / und weil sie der Regen überfiele / stiegen sie ab / und fanden was sie nicht suchten. Hielten also dieses für eine sondere Schickung / und ließ sich Alfonso mit Cornelia alsobalden trauen / und führte sie mit sich nach Ferrara / da sie in grosser Vergnügung lange Zeit gelebet / und mit den zweyen Spaniern sehr grosse Freundschafft anwesend / und durch Brieffwechsel / abwesend gepflogen.

173. Die listige Betrieger
CLXXIII. Die listige Betrieger.

Ihrer zween / Inzo und Gened verglichen sich einer erdichten Handschrifft / daß dieser jenem 20 Cronen schuldig / und daß die Zeit / zu welcher sie verfallen /bereit etliche Tage verflossen. Alß solches beschehen / stehlen sie einem Schergen-Hauptmann ein Pferd /und reiten es in die nechste Stadt / kommen alsobald für den Stadtrichter / und bittet Inzo / man wolle Gened bekümmern / oder in Arrest nehmen / biß er ihm bezahlet habe / Krafft vorgewiesener Verschreibung / Gened gestehet die Schuld / sagt aber / daß er kein ander Mittel zubezahlen / als mit dem Pferd: Inzo wil das Pferd / welches wol 50 Cronen werth /umb 20 annehmen / aber nichts heraußgeben. Der Richter befiehlet / man soll das Pferd verkauffen / und die Schulden davon bezahlen. Der Schergen-Hauptmann des Orts erkaufft das Pferd umb 30 Cronen /und ziehen diese beyde Gesellen mit dem Gelde ihren Weg. Es stehe [390] aber wenige Stund an / so kombt der Herr zum Pferde mit seinen Leuten hernach / findet sein gestohlenes Gut / und nimmet es mit Richterlicher Erkäntnüß wieder zu sich. Hiervon sagt ein Sinnreicher Spanier (las pararos assientan seal espavanrajo) die Vögel setzen (bestehlen) auff den Vogelscheu (der Schergen) welche sie fürchten solten.

174. Der listige Esel-Dieb
CLXXIV. Der listige Esel-Dieb.

Es hatte einer einen Esel zu verkauffen / welchen er einem Wasserführer / dessen Häußlein ihm wolbekant / umb ein geringes Geld verhandelt / und denselben einen sehr langen Schwantz / von einem andern Esel angemachet / mit Vorgeben / er hätte noch einen Esel / der diesem in allem gleiche / ausser dem Schwantz /der Käuffer / welcher sich / wie gesagt / mit Wasserführen nährte / erhandelt den Esel / in Hoffnung /guten Nutzen damit zuschaffen. Bey Nachts kombt der Verkäuffer / stiehlet ihm den Esel wieder / und thut den angekünstelten langen Schwantz hinweg /führt ihn ungescheut wieder auff den Marckt / und verkaufft ihn noch einmahl. Als ihm aber der Wasserführer zusprache / und seinen Esel haben wolte / sagte er / daß dieses der Esel / von welchem er gestern geredet / und daß es nicht der Seinige.

175. Der schlaue Soldat
CLXXV. Der schlaue Soldat.

Noch viel listiger ist folgendes: Drey arme Soldaten wahren auß dem Krieg wieder kommen / ich sage aus dem Krieg / daß ist ohne Geld / übel [391] bekleidet / und ohne Unterhalt. Dieser einer sagt zu dem andern / sie solten ihm folgen / und nur Zeugen sein dessen / was sich begeben wurde / so wolte er so viel Spanisches Tuchs / als zu Bekleidung ihrer von nöhten / zu wegen bringen. Der Vorschlag war / diesen Gesellen angenehm / und willigten in die Zeugschafft / wenn sie auch falsch sein solte. Der den Anschlag gemachet / führet sie in einen Tuchkram eines neuen Christen(Christianos Nuevos) also werden die Portugesen genennet / welche Juden von Geburth / wegen der Handlung aber sich zu dem Christlichen Glauben bekennen. Er fraget nach dem Gewandt unterschiedlicher Farben / suchet eines herauß / und feilschet es / nachdem er es wol besehen und gefühlet / auch ein kleines Creutzlein mit dem Bildnüß unsers Heylands / in Hinschiebung des Tuchs verborgen / legte er wenig genug darauff; Wol wissend / daß es der Kramer vor in so geringem Werth nicht verkauffen konte. Der Tuchhändler sagte nun / daß des Gelds / gegen so guter Waar / zu wenig / und indem er das Gewandt wieder zusammen rollen will / wirfft er das Creutzlein auff die Erden. Hierüber schreyen nun die Soldaten / daß er aus Jüdischer Gotts-Lästerung und Verachtung unsers Seeligmachers sein Bildnüß für die Füsse geworffen / welches sie dem Inquisitori oder Ketzermeister anzeigen musten / der ihn ob dieser That auf den Scheiderhauffen würde setzen laßē etc. Solchergestalt machen sie diesem Krämer / wieder welchen zuvor der Verdacht war / daß er Judaisirede / so bang und angst / daß er sie nach ihrem Willen / gegen Versprechen diesen Verlauff niemand zu offenbahren / gekleidet.

176. Der arme Teuffel
[392] CLXXVI. Der arme Teuffel.

Die Frantzosen sind ja kluge Kinder der Finsterniß /und wollen / wie in andern Sachen / auch in diesem Stücke den Spaniolen nichts bevor geben. Ein vornehmer Herr stunde in dem Wahn / daß kein böser Geiste wäre / der sichtbarlich erscheinen / und mit dem Menschen Sprach halten könte: Deßwegen reiste er auch allen Hexen und Zauberern nach / gabe ihnen Geld und versprach grosse Beschenckung / wann sie ihn mit einem Geist würden reden machen. Gott verhängte aber / vielleicht zu Bestärckung seines streifflichen Wahns / daß er mit keinem Gespenste zu reden kommen / noch eines zu sehen. Dieses wurden nun auch zween leichtfertige Gesellen einträchtig / machen einen Anschlag diesem Herrn ein Stück Gelds abzuschwatzen / und gibt sich der eine / nach genommener Abrede / für einen Zauberer auß / und versprache / er wolle den bösen Feind sichtbahrlich hervor bringen. Der Frantzösische Herr freuet sich über diesem Anerbieten / gibt ihm alsobalden ein Goldstück auff die Hand / und verspricht ihm derselben mehr / nachdem er seine Wort werckstellig werde gemacht haben. Der gemeine Zauberer führet ihn auff das freye Feld / wo sein Gesell in einer Gruben verbrogen lage / machet seine Beschwörung und einen Kreyß mit dem Stab /und betrauet den Herrn / er solte nicht weichen / bey Verlust seiner Seeligkeit. In dem sich der ander Gesell mit einer Bährenhaut umbhült / und mit Hörnern auf dem Haupte von ferne sehen läßt / der Hoffnung dem Herrn ein Schrecken einzujagen / welcher aber alsobald auff ihn zugeeilet / und mit dem Teuffel reden[393] wollen / darüber er dann zu lauffen angefangen / und der Herr ihm mit entblöstem Gewehr so schnell nachgejagt / daß er ihn entlich ereilet / den Trug bekennen machen / und nachdem er gehöret / daß er in Warheit ein armer Teuffel / und sich in Hoffnung einer Verehrung zu diesem Spiele gebrauchen lassen / hat er ihm eine Prügelsuppen fürgesetzt / und hernach seinen Weg wieder lauffen lassen. Hierbey erinnere ich mich / daß einer in Sancerra sich gegen einem Weinhecker gleichfalß für den Satan außgegeben / und denselben aus Hochmuht übel geschlagen. Darauff ist er von dem warhafftigen Teuffel ergriffen / und also zugerichtet worden / daß er die Zeit seines Lebens die blauen und grünen Flecken in dem Angesicht tragen müssen. Allen solchen Gesellen zur Warnung / daß sie diesen brüllenden Löwen nicht sollen an die Wand mahlen / welcher sonsten wol suchet / sie zu verschlingen / und mit Leib und Seele zu verderben in die Hölle.

177. Der vorsetzliche Hanrey
CLXXVII. Der vorsetzliche Hanrey.

Es hat der Hertzog von Ossuna / Königl. Spannischer Vice-Roy zu Neapolis viel denckwürdige Reden und Thaten der Nachwelt hinterlassen / deren etlicher an andern Orten gedacht. Unter seinen Reden ist bekant das Urtheil / welches er in einer Testament-Sache gesprochen / daß die Jesuiten einem Sohne / von ihnen vermachter Erbschafft geben solten / was sie wolten /nemblich den besten Theil. Unter seinen Thaten ist nachgehende fast die lustigste / und billichste Bestraffung eines bösen Willens. Cornelio / also nennen wir ihm / welcher sich selbst mit Hörnern krönen wollen /wann es nur seine Frau hatte zugelassen. [394] Cornelio /sage ich / hatte in seinem hohen Alter Holtz in eine frembde Küche zutragen vermeint / da doch sein Haubt grau / und solche Schneeberge sicherer Anzeigungen daß der Thal kalt und frostig. Dieser alter Bock verliebte sich in eine junge und sehr schöne Jungfrau / Nahmens Idolta / welche mit ihrem Bruder der Auffsicht eines Vormunds Vater geben war / weilen ihre Eltern durch den frühzeitigen Todt hingerissen / unn sie als eine Vater- und Mutterlose Wäisin hinterlassen / deßwegen der Alte verhoffet / so viel leichter mit einem güldenen Thür-Brecher einzukommen. Als er aber bey dem Vormunde wegen seiner schönen Pfleg-Tochter Meldung gethan / siehet er wol / daß sich dieser zu seinem Kuppler nicht wil bestellen lassen / massen er ihr an Vaters statt vorgesetzet /und viel zu ehrlich zu solchem böß ausschlagenden Handel. Was thut aber der listige Huren-Hängst? Er richtet sich an Victorian der Jungfrauen Bruder / dem verehrt er / leihet ihm / bittet ihn zu Gast / und macht solche Vertrauligkeit mit diesem Jüngling / daß er ihm endlich sein Anliegen und brünstige Neigung gegen Idoltam offenbahret / und bittet / ihm beförderlich zu seyn. Er hätte ein Eheweib / und könte sich also für keinen Freyer / sondern nur für einen und zwar alten Buhler dargeben. Victorian lachet dieses Gecken / und sagt / daß er ihme in alle Sachen / welche nicht wieder Ehre lauffen / zu dienen schuldig / in diesem aber könne er ihm keineswegs behülfflich seyn / weil sie seine leibliche Schwester / deren Tugend ihm wohl bewust / daß sie in dieser Versuchung leichtlich beharren wurde. Es sey besser mit solchen Werbungen zu Hause bleiben / als unverrichter Sache mit einer langen Nasen abziehen / etc.

Cornelio aber wil sich mit dieser Antwort nicht lassen abspeisen / sondern liegt Victorian bittlich an / er[395] solte ihme doch Gelegenheit zu seiner Schwester machen / er wolte es gegen ihme reichlich erkennen / und auch sie mit einer freygebigen Aussteure beschencken. Weil nun Victorian diesem Alten mehr schuldig als er bezahlen konte / muste er freundlich mit ihme reden /und dürffte ihn nicht alsobald abweisen. Mein Herr Cornelio / sagte er / ihr bietet mich / ich soll meiner Schwester zu Unehren helffen / mit was Angesicht solte ich ein so unverschammtes Begehren anbringen? Wurdet ihr wol für einen Freund / ich wil nicht sagen Bruder / halten der euch ersuchte / ihr soltet ihm euer Frau verkuppeln und zu Schanden bringen lassen. Were nicht so wol eure / als bey Idolta meine Ehre geschändet? Hieraus schliesset der Alte / daß Victorian in seine Frau / welche noch in dem Herbst ihrer Jahre bewiesen / daß sie in dem Früeling derselben schön gewesen / verliebet / und versprache ihme / seine Frau dahin zu bereden / daß sie seines Willens / gegen seiner Schwester mit ihme / werden solte. Anda des Cornelii Weib / war so redlich / daß sie nicht glauben wolte / was ihr Mann von Victorian schwetzte; Zu dem hätte sie dergleichen von diesem Jüngling niemals gehöret / sondern sahe wol / daß dieses zu dem Ende beschahe / damit er seine Liebe gegen Idoltam /zu Wercke stellen möchte. Als nun Victorian in Cornelio Hauß kame / hat sie ihn mit Schanden und Schmähen / der bösen Weiber Beredsamkeit nach ärgerligst empfangen. Als sie aber verstanden / daß er dergleichen Gedancken nie gehabt / und daß solches ihres Mannes Anstifftung / hat sie dieses Beginnen durch ihre Freunde bey dem Hertzogen anbringen lassen. Der Hertzog liesse Victorian für sich erfordern /erkündiget die gantze Sache / und befiehlet ihme / daß er Cornelium sol bereden / er habe nun seine Schwester dahin beschwätzet / daß er sein Verlangen begnügen [396] könne / wann er nur eben selber Nacht-Zeit / bey seiner Frauen möchte ein gelassen werden: Cornelio erlangte auch solches / vermeintlich von Anda (welche wol wuste daß es nicht Ernst) und fügte sich zu Nachts in Idolta Behausung / kan aber kaum den Fuß über die Schwelle setzen / so legten die Schergen Hand an ihn / und führten ihn in das Gefängnüß. Folgenden Tags lässet der Hertzog diesen vorsetzlichen Hanrey / auff einen Esel rückwerts setzen / zwey grosse Hörner auff das Haupt binden / und in der Stadt herumb führen / und durch den Diener ausruffen / daß dieser sich selbst zu einem Hanrey / und seiner Frauen Kuppler / wollen gebrauchen lassen. Uber diese Schand hat er ihm aufferlegt 3000 Kronen der Idolta zu einer Aussteure zubezahlen / und das Geld / so er Victorian geliehen / nicht mehr zu fordern. Dieses Urtheil ist von der gantzen Stadt gelobt / und zu des Königl. Stadthalters beharlichen Ehren-Ruhm / benebens andern merckwürdigen Sachen / aufgezeichnet worden.

178. Der betrogene Zauberer
CLXXVIII. Der betrogene Zauberer.

Wer einmahl sein Vertrauen von GOtt ab / und auf Gottesfeind / den Sathan gesetzet / der ist verflucht /und muß sich endlich betrogen finden. Die andere verzaubern und verblenden / sind selbsten die Bezaubersten und Verblendesten Leute / welche mit falscher Müntz bezahlet werden: Ob sie ihm wol treulich und mit Verlust ihrer Seelen Seeligzeit dienen: O ihr Blinde / saget jener Kirchen-Vatter / die ihr die abscheuliche Welt und den Fürsten der Finsternüß liebet / und hasset hingegen das schönste Licht ewiger Warheit. Jedermann nennet ihn einen Betrüger / und ihr trauet[397] ihm; Jedermann sagt / daß er verführe / die ihm folgen / und ihr laufft ihm nach. O ihr blinde bethörte Leute /wolt ihr das Ewige gegen dem Zeitlichen verlieren? Wolt ihr GOtt zu einem Schutz-Herren anruffen / den ihr verachtet / und sein Wort in den Wind geschlagen. Zu Bauge an dem Schweitzer Gebürge / wurde ein Mann eingezogen / wegen verübter Zauberey / und nachdem er vieler Unthaten überzeuget / ist er zu dem Strang und hernach zu dem Feuer verurtheilet worden. Ein Geistlicher vermahnet ihn beweglichst / er solte sich zu dem Todt bereit machen und seine Seele nicht in ewiges Verderben setzen / etc. Er aber verstopffet seine Ohren / wie eine Schlange vor dem Beschwerer. Weil es nun das Ansehen hatte / er wolle mit Verzöhgerung der Busse sein Leben fristen / ist er zufolge ergangenen Urtheils zu dem Hochgericht geführet worden / ihm zu weisen / daß es Ernst / und daß solche Verstockung nicht diene Gnade zu erlangen. Er aber hatte gelachet / gespottet / und vernehmen lassen; Er sey versichert / daß er nicht erhangen könte. Jedermann wartete mit Verwunderung / wie es doch diesem Ubelthäter ergehen würde. Der Geistliche sprach ihm zu / er sehe den Todt für Augen / er sol doch noch seine Sünde bereuen / und könte leichtlich abnehmen / daß nun keine Hinderung mehr eintretten könte / ihn von dem Galgen zu retten: Er antwortet / daß er wol mit dem Leben darvon kommen werde. Als er nun mit dem Hencker die Leiter hinauff stiege / sagte er / wir werden Beede viel eher herab kommen / als du nicht vermeinest: Wie dann auch geschehen / daß der Galgen gebrochen / der Hencker und der Dieb zu Boden gefallen / und doch niemand sehen können / wie solches zu gegangen und geschehen mögen. Der Zauberer lachte / und vermeinete / daß er bereit gewonnen habe. Der Bann-Richter befahle alsobald / [398] man solte ihn an den nechst darbey stehenden grossen Baum hangen; Darüber erschracke der Bösewicht / und fielen die Schuppen der Finsternüß von seinen Augen /daß er des Satahns Betrug ersehen konte / welcher ihm versprochen / er solte nicht an Galgen kommen /er beichtete offentlich für der gantzen Gemeine / weil der Satahn / wie er sagte / von ihm gewichen / daß er den Bund / welchen er mit ihm gemacht / widerruffen können / und bereitete sich zu einem seeligen Sterbstundlein / begehrte auch wegen seiner übermachten Sünden lebendig verbrent zu werden; Welches aber der Bann-Richter nicht in Befehl hatte / und deßwegen das gefällte Urtheil vollziehen lassen. Also kan der Heil. Geist in einem Augenblick die Felsenharte Hertzen der Sünden verschmeltzen / und die Verführten zurecht bringen / ja die in den Schatten der Finsterniß und des Todes sitzen / kan er in einem Nu zu dem ewigen Leben ruffen. Wer aber auff Barmhertzigkeit sündiget / über den wird ein unbarmhertzig Gericht ergehen / darfür uns GOTT gnädig behüten wolle.

179. Der betrogene Betrieger
CLXXIX. Der betrogene Betrieger.

In einer Nahmhafften Stadt in Lumbardia hat sich Cornelius ein vermöglicher Bürger mit Evantia verheuratet / unn lebte in gesegnetem Wolergehen / daß zu der Vollkommenheit ihres Glücks nichts ermanglete / als die Beharrligkeit desselben. Die gar zu schönen Tage / bringen zu Abend ein Wetter / und die Stille des Meers ist ein Vorbott des ungestümmen Windes. Der sicher ist in seinem Wolstand / kan sich doch nicht versichert achten / und ist nach jenes Weisen Spruch: Niemand vor seinem seeligen Absterben /für [399] glückseelig zu schätzen. Der Evantia Schönheit und Freundligkeit hatte Pyrogum einen Jüngling /dem der Reichthumb zu einem Werckzeug der Wollust diente / mit brünstiger Begierden angefüllet; Daß er sich erkühnet das unüberwindliche Hertz der keuschen Evantia durch allerley Mittel zu bezwingen /und zu seinem bösen Willen zu erobern / die ist keusch zu schätzen / welche einem holdseeligen Freyer in der Versuchung wiederstrebet: Denn wie der nicht fastet und die Tugend der Nüchternkeit zu rühmen / der aus Mangel Hunger leidet: Also ist auch die nicht für keusch zu halten / welcher die Gelegenheit und nicht der Wille böses zu thun ermangelt. Evantia war nicht verspert / wie sonsten an theils Orten in Welschland die Weibs-Persohnen in Gefangschafft enthalten werden / sondern der Versucher tratte offt zu ihr / mit grossem Versprechen / Beschenckungen /und vielen Honig-süssen Worten: Welche doch alle vergeblich in den Wind verrauschten / und bate dieser Jüngling / Evantia solte nur eine kleine Thorheit mit ihm begehen: Sie aber ermahnete ihn ernstlich und bedraulich / er solte doch von so frevlem Beginnen abstehen / und sie in Ruhe lassen. Dieses muste der Mann in acht nehmen / weil Pyrogus ihme in die Karten sehen liesse / und sein Spiel nicht bergen kunte. Auf sein Eheweib hatte er nicht Uhrsach einiges Mißtrauen zu setzen / weil er ihrer Tugend versichert / jedoch wolte ihm obliegen / auf dieses Buhlers Verfahren ein wachendes Aug zu haben / und desselben Feuer in der ersten Gluth auszuleschen. Zu deme war ihme wissend / daß nicht nur das Böse / sondern auch der Argwohn des Bösen zu Veranlassung böser Nachreden / müsse verhütet werden. Er bespricht seine Frau hierüber / und verstehet die gantze Warheit / daß er Uhrsach ihr Glauben zu geben / und die Empfindlichkeit [400] der Eyfersucht fallen zu lassen. Gegen diesen Frevler aber ergrimmete er sehr / und weil er wuste /daß er ihn / wegen der Wort nicht thätlich straffen möchte / bedenckt er sich diesem jungen Nistling das Gelbe von dem Schnabel zu wischen / und sich ernstlich an ihm zu rächen. Er gebietet seinem Weibe / sie solte sich Pyrogo freundlich erweisen und ihme Zeit und Orth bestimmen / daß er also in Handhaffter That ergriffen / und zu gebührlicher Straffe gezogen werden könne. Evantia bittet / sie solches zu entheben /weil es doch zu ihrem Nachtheil und einer Mordthat möchte ausschlagen: Achat aber gibt ihr zur Antwort /daß sie ihm hierinnen gehorsahm solte seyn / wann sie sich alles bösen Argwohns entschütten wolte.

Das Weib / so sich in ihrem Gewissen unschuldig befande / fürchtete ihren Mann / den sie hertzlich liebte / zu erzürnen; Vergewissert ihn ihrer Treue / und gelobte / daß sie lieber sterben / als zur ungebühr sich wolte verleiten lassen. Were aber besser gewesen /daß sie ihrem Manne hierinnen nicht Folg geleistet /und dieses Jünglings müßig gegangen were. Was geschiehet? Evantia gibt ihrem Buhler Buhler-Wort /und verspricht ihm schrifftlich zu bestimbter Zeit /seines Willens zu werden / er solte sich nur bey der Hinter-Thür einfinden. Dieser Weltling war in Liebshändlen kein Neuling / und konte ihm wol einbilden /daß so schnelle Veränderung von Hinderlist und Betrug kommen möcht. Weil er nun langer Zeit eine Dienerin in dem Hause zu einer Kundschaffterin bestellet / erkündigt er von ihr / daß er von ihrer Frauen verrahten / und auf die Schlachtbanck würde geopffert werden. Diese Nachrichtung belohnte er mit reicher Beschenckung / und gedencket doch diese Abentheur mit starcker Hand zu erfassen / er nimmt also zu sich sechs braven Kerl oder Waghälse / [401] so sich andre zu ermorden bestellen lassen; Zween blieben bey der Thüre den Ausgang zu versichern / die andern Viere verwahren die Kammer / und Pyrogus gehet allein hinein / welches dem Mann auff dem Boden durch Einblicken alsobalden bedeutet worden: Cornelius sahe die vier Schutz-Männer für der Kammer stehen /und hatte das Hertz nicht / daß er sich mit seiner Pistohl sehen liesse / und machte ihm leichtlich die Rechnung / wie es zu gehen würde / Pyrogus fande Evantiam in dem Bette / sprach ihr erstlich freundlich zu / und weil sie bekente / daß sie aus Anstifftung ihres Mannes wieder ihren Willen zu solcher That sich verstanden / sich aber mit allen Kräfften widersetzte / lässet der unverschämbte Bub zween von seinen Trabanten hineinkommen / so das Weib so lang mit Gewalt halten musten / biß er seinen Muhtwillen mit ihr getrieben / und die unschuldige Evantiam fast halb todt liegen lassen. Nach diesem hat Pyrogus mit seiner Gesellschafft wieder zu rücke sich begeben /und ihr zuvor diese Schimpff-Wort zugesprochen: Er habe sie nun ihr Wort halten machē / und sey ihrem Brieff gemäß / was ihr Mann befohlen und haben wollen. Die gantze Sache were verschwiegen geblieben / wann der neu gemachte Hanrey lieber Cornelius Publius / als Cornelius Tacitus sein wollen. Dem Weib ist er gramm worden / hat sie beschuldigt / daß sie zu solcher That geholfen / und diese Anstellung machen helffen / da sie doch wieder Gewalt nicht gekönt / und dem Mann gehorsahmen müssen. Pyrogus aber hat es ihm in die Faust gelacht / und Cornelium noch bedrauet / er wolle ihm den Kopff sambt den Hörnern zerspalten / wann er viel Geschrey davon machen würde / hat also dieser Mann sich betrogen /indem er den andern betrügen wollen / das Unglück seinem Unverstand zuschreiben / die Rache aber GOtt befehlen [402] müssen / weil er viel zu schwach einem so mächtigen Feinde Widerstand zu thun.

180. Die Behändigkeit eines Bauren
CLXXX. Die Behändigkeit eines Bauren.

Ein Edelmann fuhr in einem Schiff nach der Stadt Roan / im selbigem Schiff war auch ein Bauer / ein loser Lauer / allererst aus der Untern-Landschafft Normandia ankommen / diesen fragte der Edelmann /wohin er wolte? Der antwortet / zu der Stadt Roan: Was er daselbst zu thun habe? Er hette einen Rechts-Handel auszuführen / wieder wen? Wieder dich / Herr Edelmann / wann es dir beliebet. Wieder mich? saget der Edelmann / mit Verwunderung / was hastu mit mir zu schaffen! Ich hab dich mein lebtag niemals gekant noch gesehen; Hierauff der Bauer: Es gilt gleich /ich wette mit dir / du werdest mit Ungelegenheit haben / so bald ich an den gehörige Orth komme /hastu nichts anders von mir als einen Rechtshandel zugewarten / darbey ich auch vergewißt und versichert bin / daß ich den Obsieg des Rechtens erhalten werde: und weil solches der Edelmann ihme nicht einbilden / und sich über die Vermessenheit des Bauren nicht gnungsam verwundern konte / wurde beederseits auf ein Nahmhafftes gewettet; So bald sie nun bey der Stadt Roan ankommen / hat der Bauer von ferne dem Edelmann nachgefolgt / biß er das Gast- oder Wirths-Hauß / dahin der Edelmann seine Einkehr genommen / ersehen. Nach dieser eingezogenen Kundtschafft gehet der Bauer zu dem Gerichts-Boten / und gabe demselben zween Schilling / daß er für Gericht gedachten Edelmann fordern solte. Was geschicht? Der Bauer kam hernach / mit dem Gerichts-Boten / in [403] berührtes Wirths-Hauß / und fande den Edelmann /gleich über Tisch / welchen der Gerichts-Boht also anredete: Herr / auff Begehren dieses Bauerns / benenne ich euch auf morgenden Tag umb 8 Uhr / daß ihr vor dem Gericht erscheinen solt. Der Edelmann hierauf: Was begehrt dann der Bauer von mir? (Gegen-Antwort des Gerichts-Botens) Er begehret einen Metzen Erbes / welche ihr ihm schuldig seyn solt: Was? Der Bauer ist unsinnig; Mein Herr (sagt der Bauer) ich bin gar wol bey meiner Vernunfft: Zahlt mir / was ihr mir schuldig / und ich treu-hertzig euch dargestreckt habe nehmlich den Metzen Erbes /alsdann begehre ich der Zeit nichts mehr von euch; Ihr wisset euch ja dessen noch gar wol zuerinnern. Hierauf der Edelmann mit lachendem Munde: Geh hin! Geh hin! Mein Bauer / wo du bist herkommen du weißt nicht / was du sagest: Es seynd Fabæ oder Fabel-Possen ce sont de febues. Ja wiederlegt / der Bauer / es ist war / was du sagest mein Herr / ich thue mich allererst recht erinnern / ich muß bekennen / daß es Bohnen (Face ce sont de febues) gewest seyn /welche dir meine Hauß-Frau dargeliehen hat: Kehret demnach sich zu dem Gerichts-Bohten / und begehrte von ihm eine Schrifftliche Gezeugnüß / was er selbsten mit seinen eigenen Ohren aus dem Munde des Edelmanns gehöret habe / welche Attestation er auch überkommen / und hiedurch so viel ausgewircket /daß der Edelmann nicht allein in die Bezahlung der Bohnen / sondern auch in den auffgelaufnen Gerichts-Unkosten verdambt worden / hat sich auch absonderlich mit dem verschalckten Bauren / der Wettung halber / vergleichen müssen.

181. Die listige Käyserin
[404] CLXXXI. Die listige Käyserin.

Es war ein Käyser / dessen Ehe-Gemahlin einen Hoff-Junckern ungebührlich liebte: Dieß wurde dem Käyser geoffenbahret / der dann sein untreues Weib dahin verurtheilete / daß sie schuldig seye / dermittels eines Leiblichen Eyds / zu beweisen / daß sie der Unzucht halber unschuldig seye. Nun war aber zu Rom ein hohler Stein / Bocca de la verita genand / darein die jenige / welche schwuren / ihre Hände legen müssen /haben sie nun recht geschworen / so seynd die hinein gelegte Hand ohne Schaden geblieben; Wiedrigenfals aber von dem Mundloch des Steins abgebissen worden? Was wil nun die beängstigte Käyserin thun? schwäret sie / so wird ihr Laster offenbahr; Schwöret sie aber nicht / so machet sie sich selbsten hiedurch schuldig / nach dem gemeinen Sprichwort: Schuldigen Mann kombt Grausen an: Sie sahe vor Augen die schwebende Todesfurcht und Gefahr / seufftzet zwar innerlich umb Reu und Leid / aber dieses Trauer-Lied ist zu schwach und zu spat / nach verübter Missethat. Erdachte demnach nachfolgende Arglistigkeit: Sie gab ihrem Buhlen den verschmitzten Raht / wann man sie / zu Ablegung des aufferlegten Eyds / an bemelten Ort führen werde / daß er ein Narren-Kleidt anlegen / sich unter die Schaar der Zuseher mischen / sie ungescheut mit Händen umbfangen und küssen / auch unverzüglich hierauff die Flucht nehmen solte. Als nun dieses fürgangen / schwur die Käyserin offentlich mit Hineinlegung der Hand / daß niemand dieselbe als allein der Käyser und dieser unverschämbte Stock-Narr an ihrem [405] Leib berühret habe / unn weil sie hierüber ihre hineingelegte Hand wiederumb frisch und unversehrt heraus gezogen / ist sie / wieder männigliches Verhoffen / frey und ledig gesprochen / und dem Käyser wiederumb sein ehrliches Weib überantwortet worden; Von solcher Zeit an hat der Wahrsagerische Stein seine Wirckung und Tugend verlohren.

182. Der kluge Richter
CLXXXII. Der kluge Richter.

Als ein Todtschlag sich ereignet / und darbey unterschiedliche Persohnen gegenwertig gewest / alle aber sich deßwegen entschuldigten / und die Schuld auf den armen Niemand warffen / stund der Richter auff /und befahl / daß sich ein jeder / auf der lincken Seiten des Leibs / biß auff die Hosen entblössen solte / worauf er jedweders Hertz begriffe: Als er nun bey einem eine sonderbahre Angst und Hertz-Zittern vermerckte / sagte er demselben ungescheut in das Angesicht / du bist der rechte Thäter; Wiewol nun derselbe vor allen andern der Keckeste war / wurde er doch durch diese Donner-Wort gleichsahm zu der Kleinmühtigkeit Boden geworffen / dergestalt / daß er also balden die Warheit bekente / auch hierüber die gebührende Straff des Todes gedultig ausstunde.

183. Der verständige Türck
CLXXXIII. Der verständige Türck.

Bey den Türckē hat einer zu Handen seines Freunds vor seiner Ab- und Hinwegreise / eine gewisse Anzahl Geldes / ohne Männigliches Wissen / hinterlegt; Als nun derselbe wiederumb glücklich nach Hauß gelangt / [406] und sein hinterlegtes Geld wiederumb zurück begehrt läugnete der vermeinte treue Freund gäntzlich den Empfang: Diese Mißhelligkeit kame endlich für den Käyser selbsten / und er verhörte beede Theile gegen einander. Der Kläger thäte / in Ermangelung andern Beweises / sein Vorgeben mit heiß-herabrinnenden Zähren; Der Beklagte aber sein Wiedersprechen mit Furchtsahmen und also verdächtigen Geberden verfechten. Der Käyser liesse dazumahl beede Theil unverrichter Sachen nach Hauß gehen; Den Beklagten aber / welcher sonsten in dessen Gnad und Wolgewogenheit stunde / heimlich und treuhertzig warnen / daß er den Kläger mit Zurückgebung des hintergelegten Geldes schuldiger massen befriedigen /und hiedurch die Wolfahrt seiner in Gefahr gesetzter Ehr und Lebens beobachten solte: Als aber der Beklagte nichts desto weniger bey seiner vorigen Halßstarrigkeit verblieben / ruffte der Käyser denselben zu sich / und fragte von etlichen Heimligkeiten seines Ehestandes / als nun der Käyser dero erinnert worden / schickte er alsobalden jemand / doch im Nahmen des Beklagten / zu dessen Hauß-Frau / und liesse daselbst das hinterlegte Geld abfordern / wiewol sie sich fürs Erste mit der Unwissenheit entschuldigte: Als aber der abgeordnete obbemelte Heimligkeit / welche der Käyser ihme eröffnet / ihr erzehlte / und sagte / das solches ein Kenzeichen ihres Manns eigentlichen Willens seye / hat sie obberührtes Geld dem Boten unbedächtlich / er aber solches dem Käyser zugestellet: Wiewol der Beklagte hierauff seine vorsetzliche Unterschlagenheit bekennet / und umb Gnad und Fristung seines Lebens mit gebogenen Knien gebeten /so wurde ihme doch vor dem Käyser der Kopff abgeschlagen.

184. Der verrahtene Diebstahl
[407] CLXXXIV. Der verrahtene Diebstahl.

Einem Geschlechter oder Patricio aus einer Stad wurden zum öfftern aus seinem Garten die Pepones / (ist ein Art der Cucumern) wann sie gezeitiget / entfrembdt; Wer der Dieb seye / kunte man nicht wissen / ungefehr fande er darvon eine leere Schelffen im Garten liegen / dieselbe beschauete er eigentlich / und sahe darinnen die Zähne desjenigen / so die Frucht gessen / eingedruckt; doch in die Mitten gingen zween Zähn ab: Als nun unweit ein Bauer / welchem die zween vordere Zähn mangelten / häußlich wohnte /wurde er vor Gericht gefordert / die leere Schelffen seinem Maul Gebiß angethan / und hiedurch der Thäter offenbahr / welcher auch / auff seine darüber gethane Bekäntniß / mit Gefängnüß und Geld-Buß gestrafft worden.

185. Der listige Griff
CLXXXV. Der listige Griff.

Ein Wohlbegüterter / doch im Gedächtnüß gantz schwacher Mann / liehe einem andern ein Namhafftes stück Geldes; Hatte aber dessen Persohn und Nahmen vergessen: So lang der Gläubiger schwiege / so lang schwiege auch der Schuldner / und liesse die Bezahlung am langen Nagel hangen / der Gläubiger hätte gern sein ausgeliehenes Geld / wuste aber nicht / wer und wo sein Schuldner seye: Er klagte seinen Verlust einem Advocaten / der riethe demselben / daß er jedem / so [408] ihn auff der Gassen begrüssen werde /zwar dancken / doch darbey sagen solte / ich wolte viel lieber mein dar geliehenes Geld haben. Viel begegneten ihm zwar / verstunden aber den Inhalt und die Krafft solcher Andungs-Wörter nicht / biß endlich der rechte Schuldener solchen Vorwurff mit Unwillen empfunde / und sagte / daß er zwar schuldig / und solche Schuld bekenne; Doch hätte der Creditor / mit viel einer andern Bescheidenheit / die Bezahlung begehren sollen: Der ander entschuldigte sich / daß er nichts anders der Zeit als eine Gewißheit seines treuhertzig dargestreckten Darlehens / nemblich Handschrifft und Pettschafft / verlangt; Weil nun der Schuldener darein gewilliget / ist sein Gläubiger mit ihm nach Hauß gangen / und allda den begehrten Schuldschein erhoben. Als aber der Schuldner mit der bedingten Bezahlung nicht halten wolte / ist solche Gerichtlich eingeholet worden.

186. Das gestohlene Pferd
CLXXXVI. Das gestohlene Pferd.

Als bey dem Käyser Friedrich dem Dritten ein Bauer klagbahr an und vorbrachte / wie daß ihme in dem Wirths-Hauß von seinem Wagen ein Pferd entfrembd worden seye / der Käyser aber die Nahmhaft Machung des Thäters begehrte; Der Bauer hingegen die Unwissenheit vorschutzte / sprach bemelter Käyser / ich verwundere mich nicht wenig / daß man dir auch das eine Pferd von dem Wagen nicht ausgespant und hinweg genommen habe / weil der Zeit viel unberittene Reuter in der Stadt vorhanden / so an nohtdurfftigen Pferden grossen Mangel leiden. Hierauff replicirt der Bauer: Euer Käyserl. Majest. [409] müssen aber wissen / daß das eine Roß nur eine Stutten / welche den Kriegs-Knechten untauglich gewest seye: Hierauff gabe der Käyser nachfolgenden Bescheid / daß der Kläger auff seine Stutten sitzen / in der Stadt von Gassen zu Gassen herumb reiten solt / der Hoffnung / wann sein Mitgespan dieselbe schmecken / er alsdann sich selbsten an dem jenigen Orth / wo er verborgen stehet / mit seinem Geschrey verrahten werde. Der Bauer thäte deme einen gehorsamen Vollzug leisten / und hierüber sein ausgespantes Pferd / der Dieb aber seinen wolverdienten Lohn bekommen.

187. Der entdeckte Diebstahl
CLXXXVII. Der entdeckte Diebstahl.

Ein armer Bauersmann / weil er wenig Grundstuck und Acker in Besitzung / und dahero jährlich eine schlechte Getreids-Einsamlung zu gewarten hatte /suchte Sein und der Seinigen nohtwendige Nahrungs-Mittel bey den Hanen und Hennen / welche er in grosser Anzahl erhielte / und unter andern / auch die gelegte Eyer anderwerts verkauffte. Nun war aber eben in demselbigen Dorff ein untreuer Nachbahr / welcher ihme einen guten theil der Eyer heimlich entfrembdete. Der Argwohn war zwar wol / hingegen aber / die stichhaltende Probations-Mittel / nicht vorhanden /erdachte demnach einen wunderlichen Fund / wie er auff den öffters wiederholten Diebstall kommen / und den Dieb offentlich zu schanden machen könte. Nahme dahero etliche Eyer / machte die äusserliche Schaalen auff mit einer gar kleinen Nähnadel / hierein thäte er ein Roß-Haar schieben / welches alsobald /zusammen lieffe / und das kleine Löchlein verstopffte. [410] Alle dergleichen Eyer thäte der Bauer in die jenige Nest- oder Oehrter / wo sich die Hennen aufhielten /legen. Der Dieb gienge hierüber bald hernach / seiner übel eingewurtzelten Gewohnheit gemäß / abermahl auff die unziemliche Jagt / seines Nachbahrn Eyer einzufangen / fande auch dieselbe / truge sie mit sich heim / und wolte sie nachdem sie gesotten / verzehren / wurde aber bald davon / in dem er darinnen / mit höchster Gemühts-Bestürtzung / die eingezogene Roß-Haar fande / abgeschreckt / da er war dermassen bestürtzt und unverschämt / daß er diese wunderseltzame Begebenheit seinem andern Nachbahrn erzehlte und klagte. Worüber dann der Diebstall und der Dieb offenbar / und derselbe durch seinen eignen Mund überwunden und gestraffet worden.

188. Der listige Advocat
CLXXXVIII. Der listige Advocat.

Ein Wirt verkauffte seinem Gast zehen gesottene Eyer / und benennet demselben / der Bezahlung halber /einen gewissen Termin oder Frist. Als nun aber der arme Schlucker die bestimbte Bezahlungs-Zeit nicht gehalten / wurde er von dem Wirth Gerichtlich verklagt / und durch dessen Wort-Sprecher / nicht allein die Haupt-Summa des bedingten Gelds / sondern auch propter lucrum cessans & Damnum emergens, das ist / wegē des unterlassenen Gewinsts und hieraus entstandenen Schadens / ein grosses Interesse darüber begehrt / und zu diesem Ende mit mehrerm mündlich aus- und eingeführet / nemblich / wann der Kläger bemelte zehen Eyer nicht verkaufft / daß er wenigst hieraus hätte etliche junge Hüner / und folgends von ihnen auch mit der Zeit neue Eyer / und also / [411] wie die Kauffleute zu reden pflegen Cento pro cento haben können. Der Beklagte erschracke über dieses unchristliche und hochgespante Begehren / bate das löbliche Gericht / zu Ablegung seiner Verantwortung /umb einen gar kurtzen Termin; Damit er sich auch inmittelst umb einen Beystandt gleichfals bewerben und versehen könne. Dieser gering gebetene Anstandt wurde auch Obrigkeitlich verwilliget / und beeden Partheyen / zu der weitern mündlichen Verhör / eine Tag-Satzung / und hierzu Tag und Stundt benennet. Hierzu erschiene der Kläger zu recht gebührlicher Zeit / muste aber / wegen Abwesenheit des Beklagten / etliche Stund warten: Als nun derselbe sich auch / mit seinem erbetenen Beystandt / daselbst gehorsamlich einstellte / thäte der Kläger nicht allein seine vorige hochgesetzte Klag wiederholen und herfürstreichen /sondern auch wieder den neuen auffgeloffenen Gerichts Unkosten / welchen die Saum-Seligkeit des Beklagtens und seines Adherentens verursacht / zierlichst protestiren. Des Beklagten Beystandt thäte seinen Principalen / der langsahmen Erscheinung halber entschuldigen / daß nemlich nicht er hieran / sondern er / Beystandt selbsten / schuldig: Doch seye er / mit seiner neuerkaufften Hauß-Wirthschafft / in etwas verhindert worden. Der Richter / welchem der Kläger Schmiralisafft eingeschenckt / war unwillig / fragte mit hitzigen Worten bemelten Beystandt / was dann die eigentliche Ursach seiner vorgeschützten Verhindernüß gewest seye? Der Beystandt hierauf: Das löbliche Gericht wisse / das anjetzo die rechte Zeit vorhanden / die bewittibte Felder bey der nunmehr / Gott lob! einholten Einsamlung des lieben Getreids wiederumb anzusäen / und dahero er den Weitzen / welchen sein Meyer noch heute ansäen werde / vorhero gesotten hätte. Der Richter sprach / hieraus [412] erschiene leichtlich / daß die Gelehrte besser mit der Feder / als mit dem Pflug / und besser mit den Büchern / als mit der Hauß- oder Bauern-Arbeit umbgehen können: Was für Nutzen oder Frucht er von dem gesottenen Weitzen zu hoffen und zu gewarten hätte. Der Beystandt replicirte, daß er bekennen müsse / daß er die Hauß Wirthschafft nicht recht gelernet habe; Allein fragte er auch den Kläger / was grossen Nutzen und Frucht er auch von seinen gesottenen Eyern zu hoffen und zu gewarten gehabt habe? Ob nicht diese vorsetzliche Herfürstreichung ein vermessenes und straffmässiges Litigium seye / wormit man die hochbegipffelte Berge schwanger machen wil / und endlich hieraus eine Mauß kriechen werde? Der Kläger hierauff thäte / anstatt der Duplic / seine Maulschellen einziehen /und mit nachfolgenden Worten: Behüt euer Reiß / etc. beschliessen.

189. Die überlistete Klugheit
CLXXXIX. Die überlistete Klugheit.

Monodemus, ein scharffsinniger Weltweiser / war in Verdacht / daß er seinen leiblichen Vater mit Schlägen / unverantwortlicher weis / beleidiget hätte: Weilen man aber / aus Ermangelung des Beweiß / auff den Grund nicht kommen kunte / auch sein Vater /was etwa unziemlich vorgangen / aus grosser gegen dem Sohn tragender Liebesneigung / verschwiegen? wurde Alexinus ein verschlagener und zugleich verschalckter Sophist, angelernet / Monodemum, damit diese abscheuliche Unthat nicht ungestrafft durch-und hingehe / Gerichtlich vorzunehmen / und vermöglich dahin [413] zu gehen / wie er den Beklagten / mit seinen eigenen Worten fangen / und zur Bekäntnüß bringen.


Frag an statt der Klage.


Monodeme? Hast du aufgehört / deinen Vater zu schlagen?

Antwort:


Ich habe weder auffgehört noch angefangen.

Weitere Urgirung:


Er solte hierauff Ja oder Nein antworten.

Weitere Erklärung.


Seye allbereit verstanden / und hätte man etwas Wiedriges wider seine Persohn vorzubringen / so müsse solches mit ordentlicher Klag / und nicht mit einer so nachdencklichen und verschraubten Frag /beschehen. Wormit er dem arglistigen Alexino0 durch den Sinn gefahren und überwunden; Da doch Alexinus ihme den Obsieg des Rechtens eingebildet hat: Dann hätte Monodemus geantwortet / er hätte auffgehöret / seinen Vater zu schlagen / so wäre sein Bekäntnüß am Tag / daß er seinen Vater geschlagen; Hätte er aber geantwortet / daß er nicht auffgehört / so würde hieraus erscheinen / daß er noch in Beharrung dieser straffmäßigen Ungebühr verblieben seye.

190. Die abgewiesene Unrechtfertigkeit
CXC. Die abgewiesene Unrechtfertigkeit.

An einem gewissen Orth hatte ein Reicher seine Behausung einem armen Mann in Bestandt verlassen; Und damit er denselben gar folgends berauben / und an Bettelstab bringen könne / allda etliche Oel-Gefäß eingesetzt / davon etliche mit Oel voll / theils aber nur auff halb angefüllt. Als nun nach [414] etlich verlassener Zeit der Betrieger seine Oel-Faß in Beyseyn des Bestandt-Inhabers visitirte / hat er denselben / des vermeinten Abgangs halber / eines offentlichen Diebstahls / auch entlich gantz ungescheut bey Gericht /beschuldiget / und daselbst umb die Bezahlung des grossen Abtrags angehalten / mit freyer Anheimstellung der absonderlich verdienten ex Officio Bestraffung. Der arme Tropff bejammerte seinen grossen Ellendstandt / auch noch vielmehr den zukünfftigen Verlust seiner Ehre / welche bey seiner wissentlichen Armseeligkeit bißanhero unangegriffen in ihrer beständigen Blüe verblieben ist; Er wuste nicht / was er vor Angst / Furcht und Noht / anheben / oder wohin er sich kehren / gehen und wenden solte: Sein Gegensacher seye ihm an Guht und dahero auch an Muht überlegen / auff ihn / als einen armen Mann / könne leichtlich / der bezüchtigten Entwendung halber / ein ungleicher Argwohn geworffen werden.

Nahme demnach / nechst GOtt / welcher ein Vater und beschützer der armen Unterdrückten ist / sein zu vesichtliches Vertrauen zu einem Advocaten / welchen er umb Beystandt-Leistung beweglichst / auch mit heissen herabrinnenden Zähren / neben hoher Betheurung seiner Unschuld / bate. Als nun beede Theil für das besetzte Gericht erschienen / und der reiche Schelm seine Klag wiederholen liesse: Bate des Beklagters Vertreter / an statt der Antwort / ob das löbliche Gericht geruhen wolte / zu Erfindung der lieben Warheit / schleunig / oder wie man es zu nennen pfleget / de plano & fine ulteriori figura judicii zu verfahren / und die Oel-Krüg inwendig abmessen zu lassen. Werden sich sodann so viel Fæces oder Grund in den halb-vollen / als wie in denen vollen Oel-Gefässen bezeigen / könne sein Principal der Klag nach /andern zum Abscheu und Beyspiel / [415] als ein Hauß Dieb / verdammet werden: Weil sich aber ein grosser und augenscheinlicher Unterschied befunden / und hiedurch des Klägers bandgreifflicher Betrug offenbahr worden / wurde der Beklagte nicht allein frey und ledig gesprochen / sondern auch der Verleumbder / in Abtrag des Unkostens und Interesse / gegen dem Beklagten condemnirt / und absonderlich / als ein Ehren-Dieb / abgestrafft.

191. Der listige Ulysses
CIXC. Der listige Ulysses.

Ulysses / der arglistige Fuchß / hatte eine unversöhnliche Feindschafft auff Palamedem / so bey den Griechen in grossem Ansehen und Würdigkeit stunde /heimlich geworffen. Damit er nun denselben umb das Leben bringen möchte / hat gedachter Ulysses einen erdichten Brieff / im Nahmen des Königs Priami /(dann dazumahl die Grichen / wegen der geraubten Helene die mächtige Stadt Trojam belägerten) auffgericht / darinnen Priamus demselben / wegen geleister Verrähterey / freundlich danckte / mit angehefter Bitt /mit dem Wenigen / so er hiemit zu schuldiger Erkenn-und Belohnung seiner treuerwiesenen Dienst überschickte / vorlieb zu nehmen: Ulysses machte hierüber die betriegliche Anstalt / daß bemeltes Schreiben in die Händ der Griechen geriethe. Palamedes wurde hierüber der schädlichen Verrähterey offentlich beschuldiget und angeklagt. Der Beklagte nahme in dieser höchsten Noht seine Zuversicht und einige Zuflucht zu dem verständigen Ulysse / als seinem vermeinten besten Hertzens-Freund (ja ein sauberer Vogel) bate ihn umb Hülff und Beystandt. Der Teufflische Politicus stellte sich mit auswendigen Geberden / gantz [416] mitleidentlich / versprache die äusserste Handbietung-Massen er dann / dem äusserlichen Vorwand nach / denselben bestermassen / bey dem versamleten Raht / in Abwesenheit seiner / (weilen Palamedes albereit in Verlusst lage) beschützte. Es sey dergleichen Privat-Schreiben nicht allerdings zu glauben / so wisse man auch nicht / ob des Königs Priami eigne Hand Unterschrifft darbey sey / es geschehe wol öffters / daß der arglistige Feind sich dergleichen Betrugs-Mittel bediene / hiedurch die treue Kriegs-Helden / darunter auch Palamedes verstanden / auff die Fleischbanck zu lieffern / und darüber auff seine eigene Schantz zusetzen. Müsse dahero nohtwendig in des Palamedis Gemach oder Zelt / unter seinen geheimen Sachen / nachgesucht werden / ob nicht etwan des Priami Verehrungen allda gefunden werden möchten /man müsse vorhero derentwegen eigentliche Gewißheit haben; Werde man dergleichen Verdächtigkeiten nicht spühren / so erfordert die Billigkeit und Erkennung seiner Heroischen biß Dato geleisten Kriegs-Thaten / daß der Beklagte wiederumb auff freyen Fuß / und in die vorige Staffel seiner Würdigkeit gestellt werde. Dieser Vorschlag wurde von der gesamten Rahts Versamlung nicht allein gelobt / sondern auch der schleunige Vollzug anbefohlen. Als man nun / bey Durchsehung seiner Sachen / etliche Goldstück / welches Ulysses durch seinen corrumpirten Diener heimlich hineintragen lassen / fande / würde der unschuldige Palamedes / als ein vermeintlich überwiesener Verrähter / mit Steinen zu tod geworffen. Da heißt es wol: Was der Mund saget / wiederruft sein Hertz /und läugnet seine Wercke; dann er redet viel Gutes aus einem bösen Munde.

192. Die verständige Tapfferkeit
[417] CIIXC. Die verständige Tapfferkeit.

Als die Argivi und Lacedämonier / wegen eines strittigen Ackers in Mißhelligkeit gerahten / haben die beederseits erkieste Schied-Mäner / nemlich die Amphictyones / außgesprochen / daß jeder Theil / aus seinem Kriegsheer / eine gewisse Anzahl Manhaffter Soldaten / zu Verhütung mehrern Blutvergiessens in das freye Feld stellen / und selbe sich mit einander schlagen solten; Wer nun die Oberhand erhalten würde dem solt auch der strittige Acker eigenthümlich zuständig seyn. Die Lacedämonier erwehlten zu einem Führer und Obristen ihres Volcks / Othriadem / der Gegentheil Thersandrum. An Seiten ihrer / überblieben nur zween noch bey Leben / nemblich Agenor und Chromius / welche den Ihrigen die fröliche Botschafft / des erlangten Obsieges halber / brachten /weil an Seiten der Lacedämonier nur Othriades / aber voller Wunden / überblieben / die übrige aber alle /keinen darvon außgenommen / in das Graß gebissen hatten. Wie nun Agenor und sein Gespahn hinweg /stunde auff von der Erdē der schwache Othriades /thäte seiner verstorbenen Feinde Waffen und Schild auff einen Hauffen zusammen / und hierauff seinen eigenen Schild / an statt eines Sieg-Zeichens auffstecken / welchen er mit seinem Blut verzeichnet und dem Jovi auffgeopffert.


Die Blut-Buchstaben wahren:

Die Lacedämonier seyn Uberwinder.


Als nun jeder Theil die Victori ihm zuschriebe /und dahero die eigenthümbliche Einantwortung des strittigen Ackers verlangten / haben die erwehlte Arbitri auffs neue veranlaßt / daß beede Theil / mit Abordnung ihrer [418] besten Soldaten / in gewisser benennter Anzahl / nochmahlen dieses Ackers wegen streiten und fechten solten. Alda wurden die Lacedämonier alle biß auff einen erschlagen / hingegen blieben an Seiten ihrer Gegensacher auch mehr nicht als abermahl zween noch im Leben / welche / weil auch dazumahl schon die Nacht eingefallen / heim eileten / den Ihrigen die fröliche Bottschafft zu bringen. Der Lacedämonier aber bliebe an dem Ort des Streits stehen /versamlete die hinterlassene Waffen und den Raub /und hinterliesse so viel zur Nachricht / daß er der Letzte sey / welcher das Feld geräumet habe. Beede Theil kamen abermahl des Obsieges halber (welchem derselbe eigentlich zuständig) in Streit und Irrung. Die Argivi thäten der Feinde Niederlag biß auff einen / hingegen die Lacedämonier den Orth des Streits /allwo der Ihrige beständig verblieben / und / zum Zeichen der überwindung die verlassene Waffen und den Raub zusammen gelegt hat / fürschützen. Weil nun /vermög der Kriegs-Rechten / die jenige für überwinder zu halten seynd / welche das Feld / das ist / den Orth des Streits / erhalten: Als ist die Victori den Lacedämoniern / sambt dem strittig gewesenē Acker /zuerkant worden / wiewohlen wieder die Billigkeit /weil obbemelte Kriegs-Regel nur dahin zu verstehen /wann der Feind aus Furcht den Rücken zeiget / oder das Reißaus spielet / welches bey gegenwärtigen Fall nicht gesagt werden kan / weil die Argivi ihnen schon die wahre überwindung eingebildet / auch die überfallene Nacht und Begierligkeit der heimbringenden Botschafft Uhrsach gewest / daß sie länger nicht haben bleiben wollen.

193. Der Rhetorische Zanck
[419] CVIIC. Der Rhetorische Zanck.

Corax thäte bey den Syracusanern seinen Discipulis die Rethoricam oder Redkunst öffentlich vorlesen /und sie darinnen / doch gegen gewissen bedingten Lohn / unterweisen; Unter andern Schülern war auch ein Jüngling / mit Nahmen Tisias / der sich mit seinem Lehrmeister dahin vergliche / wann er in solcher Redekunst gnungsam erfahren / daß er so dann allererst und eher nicht schuldig sein solte / sich bey ihm /mit einer ergiebigen Verehrung / zu Bezeugung seiner obliegenden Danck-Pflicht / einzustellen. Wiewol nun Tisias / durch Fleiß und sonderbahre Mühe seines Unterweisers / in dieser Wort-Fechtkunst die sattsahme Wissenschafft erlangete / so wolte er doch die versprochene Erkäntnüß oder Verehrung nicht leisten auch zu diesem Ende / einige Parthey bey Gericht zu vertheidigen / damit hieraus seine Geschickligkeit nicht erscheine / nicht annehmen. Corax wurde hierüber ungeduldig / und liesse Tisiam seinen undanckbahren Schüler für Gericht fordern; derselbe sagte daselbst: Wann ich das löbliche Gericht persuadiren werde / daß ich meinem Lehrmeister nichts schuldig sey / so hab ich schon den Obsieg des Rechtens erhalten / wordurch ich von aller Schuldigkeit entbunden und befreyet worden / werde ich aber das löbliche Gericht zu dergleichen Lobsprechung nicht bereden oder bewegen können / so folgt hieraus / daß mein Lehrmeister mich in der Redkunst oder arte persuadendi der Zeit noch nicht genugsam unterwiesen habe / und dahero sein Begehren noch gar zu früh und unzeitig sey. Corax antwortete [420] hierauff / wann du Tisias das löbliche Gericht dahin bereden kanst / daß du mir nichts schuldig seyest / so folgt hieraus unwiedersprechlich / daß du in der Redekunst albereit ein erfahrner Meister / und dahero verpflicht / mir mit der schuldig-versprochenen Verehrung zu begegnen. Wirstu aber bey dem Gericht nicht so viel vermögen /sondern ungehindert deiner Einrede in die Bezahlung erkant werden so bistu als verlustigter Theil schuldig / deme nach zukommen? Was solte nun das Gericht bey diesen Sophistischen in Weg gelegten Fall-Stricken anheben oder außsprechen. Beede Theil wurden unverabschiedet gelassen / ausser / daß man darbey so viel gemeldet / Mali corvi, malum ovum, daß nemblich Tisias eines bösen Rabens schlimmes Ey sey.

194. Das seltzame Urtheil
CVIC. Das seltzame Urtheil.

Ein Jüngling liebete Theonidem in Egypten / eine schöne / doch beschreite Dirn: Sie wolt sich aber zu keiner Gegenlieb neigen / es sey dann / daß er dieselbe umb eine benante Summa Gelds erkauffen wolte /welche er ihr auch versprache. Der Jüngling aber wurde bald hernach seiner Liebs-Einbildung zu Nacht / durch einen Traum / befreyet / also daß er Theonidem nicht mehr achtete. Sie verwunderte sich nicht wenig über diese unvermuhtete Veranderung / begehrte gleichwol die versprochene Verehrung / welche aber der Jüngling weigerte / mit Fürschützung / daß er dazumahl mit der Liebs- und Gemühts-Kranckheit behafftet gewest / und dahero / bey solchen närrisch gefallenen Einbildungen / keinen freyen Willen gehabt hätt. Diese Streit-Sach kam entlich für das Gericht / und wurde [421] hierüber außgesprochen: Daß der Jüngling schuldig sein solte / die versprochene Gelds-Verehrung zu Gerichtshanden zu erlegen. Als er nun dem den gehorsahmen Vollzug geleist / ist der Theonidi zwar das Geld vorgewiesen / alsdann dem Jüngling wiederumb zugestellet worden. Dieses seltzame Urtheil schätzte ein Rechts-Erfahrner / Nahmens Lamia / vor unbillig / sagend / daß zwar der Jüngling / vermittelst des Traums / von der Liebe / aber hinge gē seine Gegentheil in durch den Klang und Schatten des Gelds von der Begierligkeit und dessen Verlangen nicht befreyet und entlediget worden seye.

195. Der betrogene Zöllner
CVC. Der betrogene Zöllner.

Als in Engelland ein Zöllner oder Auffschlags-Bedienter / welchen ich Fabrum nennen will / einen lustigen Gesellen / der ein irdenes Gefäß mit Wein nicht verzollt / zu ertappen vermeint / liesse er das Gefäß in eine Pfütze fallen / und als solches zerbrachte / möchte er ihm nicht beykommen; damit er sich aber wiederumb an dem Zöllner rechen möchte / thut er Scheidewasser in dergleichen Gefäß / und lässet sich willig ergreiffen; nachdem aber der Auffschläger den vermeinten Wein gekostet / von welchem er ihm / Warnungs-weiß / sagte / daß es kein Wein sey / ist er etliche Tag hernach gestorben. Hierüber wurde der Betrieger ergriffen / in die Gefängnüß gebracht / und entstunde die Frag / ob er als ein Todtschläger gestrafft werden solte? Etliche Rechtsgelehrte sagten /Ja / weil es ein muthwilliger Vorsatz gewest / den Zöllner umbzubringen. Andere aber sagten / Nein /weil der Betrieger den Zöllner vorhero gewarnet habe / auch er ihm selbsten [422] nur die Schuld zu zumessen hatte / daß er einen so starcken Pommerischen Trunck gethan habe; dann wann er nur ein wenig gekostet /würde ihm die Parvitas materiæ oder der wenige Genuß nicht gleich den Garaus gegeben haben. Etliche sagten / daß in dieser Zweiffel-Sach die Güte der Schärffe vorzuziehen / und genug sey / daß dieser Ubertreter wegen seiner sauberen Artzney / mit Ruten-streichen belohnet werde.

196. Die Klugheit Davids
CIVC. Die Klugheit Davids.

Ein Weib hatte zu Sauls Zeiten ihr Geld in einem Krug verborgen / und Honig darauff geschüttet / solches auch besagtermassen einem Juden zu treuen Händen vertraut / weil sie eine Reise zu verrichten gehabt; Immittelst ihrer Abwesenheit hat der Jud zu seines Sohns Hochzeit Honig bedörfft / und als er aus dem Krug dasselbe genommen / ist er des Gelds gewahr worden / welches er heraus genommen / und hingegen den Krug wiederumb mit Honig angefüllet /und dem Weib zugestellet. Welche ihn / wegen dieses verübten Betrugs / beklagt / aber ihre Klage nicht erweisen können / und weil sie der König Saul abgewiesen / hat David / welcher noch ein Knab gewesen /sich erbotten / er wolle auff Erlaubniß das Verborgene gewiß an Tag bringen; Fraget erstlich das Weib / ob es eben der Krug sey / in welchem sie das Geld verborgen? Auff Bejahen / leeret er das Honig aus /zerbrache vor der Gemein den Krug zustücken / fande aber an den Scherben zwey Goldstück kleben / deßwegen der Dieb alles wiedergeben muste / welcher also darüber zu verdienter Straff gezogen worden. Hat also David schon [423] in seiner Jugend die Straalen seines Sinnreichen Verstandes und treuhertziges Mitleiden gegen den bedrängten armen und verlassenen Persohnen ersprießlich erscheinen lassen.

197. Der überlistete Kornwuchrer
CIIIC. Der überlistete Kornwuchrer.

Zur Theuerzeit fügte sich zu Venedig / daß eine schöne Frau von einem Kornwucherer begehrt / er solte ihr vier Malter-Getreid zu kauffen geben / erbotte ihr solches umbsonst an / wann sie bey ihm schlaffen würde. Zu Nachts kombt sie mit ihrem Mann und Befreunden / legte sich zu dem Kornwucherer in das Bette und schlieffe; Der Mann aber wachte mit entblöstem Gewehr / und verhindert / den vermeinten Ehebrecher an seiner Ruhe. Zu Morgens begehrt er das Getreid / vermög seines Erbietens / und als beede Theil hierüber für der Obrigkeit strittig worden / wurde der Kornwucherer mit einer grossen Geld-Straff belegt / und muste das versprochene Korn noch darüber geben /weil er in seinem Hertzen albereit die Ehe gebrochen hatte.

198. Die Jüdische Weißheit
CIIC. Die Jüdische Weißheit.

Ein Rabbi hatte drey Söhne / denen verliesse er grossen Reichthum und eine Kiste / welche sie nicht eröffnen solten / als in der grösten Noht / und solches musten sie ihm versprechen; Nach seinem Todt verschlemmte der Jüngere Bruder alles / was er hatte /und begehrte / die andern solten die Kisten öffnen /und ihm seinen Antheil geben? Sie aber wolten nicht /sondern leiheten ihm zu unterschiedlichmalen Geld /welches er auch verzehrte / und wie sie die Kisten wechselweiß verwahrten / liessen sie ihm denselben nach 3 Jahren [424] auch zu Händen kommen / er sperrte sie aber mit dem Diebsschlüssel auff / nahme das Geld heraus / und füllte sie mit Steinen; Nachdem er auch solches Geld durchgebracht / nöhtigte er seine Brüder / daß sie die Kiste öffneten / und als sie die Steine darinnen fanden / beschuldigte er sie / das sie ihn bestohlen / und kamen für den Richter / welcher ihnen sagte / daß er die Sache für schwer befinde / sie solten ihm aber ihre Meinung in nachgehender Begebenheit / die ihm aus Egypten zugeschickt worden /entdecken. Zween reiche Juden / sagte er / haben ihre Kinder in der Wiegen verlobt / und hat sich nach ihrem Todt begeben / daß der Bräutigamb gantz verarmet / und deßwegen zu seiner reichen Braut nicht heurahten wollen / ob sie ihn gleich zum drittenmahl gebeten / ihrer Eltern Willen zu vollführen; als er nun nicht gewolt / und sie mit seiner Armuth zu belästigen beständig geweigert / hat sie sich mit einem andern verlobt / ist aber an ihrem Hochzeit-Tag mit allem ihren Schmuck den Räubern in die Hände gerahten /welchen sie beweglich zugesprochen / daß sie ohne Verletzung ihrer Ehre / mit allen kostbahren / Zierraht / wieder nach Hause gelassen worden. Nun ist die Frage / welcher Tugend erwiesen / der arme vermeinte Bräutigam / die reiche Braut / oder die barmhertzigen Räuber; Der erste Bruder sagte / daß der Jüngling die gröste Tugend erwiesen / indem er seines gleichen freyen wollen / und habe nicht auf Geld und Gut gesehen / seine Freyheit zu verkauffen; Der andere Bruder sagte / daß die Braut die gröste Tugend sehen lassen /indem sie ihrer Eltern Willen mit ihrem Nachtheil /gehorsamen wollen; der Dritte sagte / daß die Räuber die gröste Tugend sehen lassen / weil sie noch dieser Hochzeiterin Ehre / noch ihren Schmuck geraubet /welches sie doch wol hätten thun können. Darauf sagte der Richter: [425] Gelobet sey Gott! Der nichts verborgen lässet den Schmuck / welchen du junger Bösewicht nicht gesehen hast / lässest du dir begierigst wolgefallen / wie soltest dann du nicht derjenige seyn / welcher die Kisten geleeret. etc. Als nun dieser jüngere Bruder sich verrahten sahe / bekante er dengan tzen Verlauff.

199. Der überlistete Jud
CIC. Der überlistete Jud.

Man sagt viel von der Juden Geschwindigkeit und Behändigkeit / andere Leute zu betriegen / aber offtmahls werden sie auch von Christen überlistet. Ein Edelmann war einem Juden 500 Rthl. schuldig / dieser traffe seinen Schuldner zu Franckfurt in eines Barbierers Hauß an / woselbst er ihm den Bart butzen liesse / der Jud aber setzte ihm der Bezahlung halben sehr hart zu. Wie sich nun der Edelmann bedrängt sahe / sagte er zu dem Juden / wiltu wol warten mit der Zahlung / biß die andere Helffte meines Bartes auch abgenommen ist. Der Jud versprach ihm solches bey seinem Eyd / derowegen sagte der Edelmann zu dem Barbierer / daß er ihm die andere Helfte seines Bartes solte stehen lassen / und verbliebe also die gantze Zeit seines Lebens / ohn daß ihn der Jud der Zahlung wegen anstrengen konte / weil er ihm diesen Auffschub verwilliget hatte.

200. Der seltzame Schrecke
CC. Der seltzame Schrecke.

Ein Schlösser wolte auf einen Marck reisen / daselbst seine Schlösser zuverkauffen / redete deßwegen mit seinen Nachbarn / und beschlossen mit einander des andern Morgends früh auff zu seyn / weil er aber viel früher als die andere auffgestanden / machte [426] er sich auff den Weg / wie er nun eine gute Meilwegs fortgangen war / sahe er wol / daß es noch gar frühe war /derowegen wolte er etwas ruhen und auff seine Gesellschafft warten / und legte sich unwissend unten an einen Galgen / an welchē man vor etlichen Tagen einen Dieb gehänget hatte / und schlieffe daselbsten ein; Wie nun der Tag anbrach / giengen seine Gesellen vor dem Galgen vorbey / und rieffen dem Gehängten zu / Hola guter Gesell / wilt du nicht mit / du bist ja lang genug daselbst gewesen / worüber der Schlösser erwachte / und vermeinte / man hätte ihm geruffen / antwortete derohalben / Ja / Ja / ich komme / wartet nur ein wenig. Die andern erschracken darüber greulich / und glaubten / es währe der Gehängte der mit ihnen geredet hätte / der Schlösser aber lieffe ihnen mit seinem Eysenwerck nach / und sie flohen aus Furcht desto stärcker / höreten also nicht auff zu lauffen / biß sie nach Bourgueil kamen / woselbsten sie einander erkenneten.

201. Die listige Rache
CCI. Die listige Rache.

In dem Lande Poictou hatte einer erfahren / daß einer seiner Nachbarn mit seiner Frauen buhlte / stelte sich derohalben / als ob er über Land reisen wolte / damit er denselbigen ertappen möchte. Weil er nun nicht lang mit seiner Wiederkunfft verzoge / und vermerckte / daß sein Nachbar in einem Kasten verborgen lage / konte er leichtlich aus den Kleidern / welche er bey dem Bett liegen lassen / was geschehen war / abnehmen. Nahme ihm derohalben vor sich zu rächen / und schickte nach seines Nachbarn Haußfrau / als wann er etwas nohtwendiges mit ihr zu reden hätte: Als nun dieselbige kommen war / sagte [427] er zu ihr / daß er ihren Mann gewiß umbringen wolte / wofern sie nicht thun würde / was er an sie begehrte: die Frau weigerte sich hefftig / ihr Mann aber welcher in dem Kasten eingesperret / rieffe ihr zu sie solte sich doch über ihn erbarmen / daß entlich die gute Frau darin verwilligte. Nachgehends warff einer dem andern seine Hanreyschaft vor / der eine aber sagte / er hätte den Vortheil / daß er den andern am ersten zum Hanrey gemacht hätte der ander aber sagte / er sey der Hanrey im Käfig.

202. Der wohlbezahlte Richter
CCII. Der wohlbezahlte Richter.

Ein Bauer hatte einem seiner Nachbarn einen grossen Topff mit Milch in Verwahrung gegeben / als er nun dieselbige wieder begehrte / sagte der Nachbar / die Mücken hätten dieselbige gefressen / worüber ihn der Bauer verklagte / und wurde der ander zur Zahlung verdammet. Der Nachbar wolte sich entschuldigen /daß die Mücken solche gefressen hätten / der Richter aber sagte zu ihm / warumb er dieselbige nicht todt geschlagen hätte. So darff man dann / versetzte der Bauer / die Mücken tödten. Freylich / sagte der Richter. Auch an allen Orthen wo ich sie finde? Fragte der Bauer? Ja / sagte der Richter / ich erlaube dir solches. Indem sahe der Bauer eine Mücke auff des Richters Wangen sitzen gienge derohalben zu ihm und gabe ihm ein gute Ohrfeyge / und sagte / das ist gewiß eine von den Mücken / welche mir die Milch gefressen haben. Der Richter / ob er gleich die Ohrfeyge empfangen hatte / dörffte doch nichts sagen / weil er dem Bauren solches erlaubet hatte.

203. Der behende Knecht
[428] CCI. Der behende Knecht.

Ein Edelmann welcher zwar von hohem Hauß / aber doch von der lincken Seiten herstammete / wolte einsmahls auff Fastnacht vermummet in Paris umbher lauffen / damit ihn niemand erkennen solte / seiner Diener einer versprache / ihn solchergestalt zu verstellen / daß ihn gewißlich kein Mensch kennen solte. Wie er nun gantz verkleidet war / langte man ihm einen Spiegel / umb zusehen / ob er sich selbst erkennen möchte / als er sich besehen / sagte er / ich wette daß ich einen auff der Gaß antreffe / der mich kennet. Sein Knecht antwortete ihm / wann es mir anstünde /so wolte ich mit dem Herrn wetten / und wüste gewiß / daß ich die Wettung gewinnen wolte. Sein Herr liesse ihm die Wettung zu / und gabe das Geld in die dritte Hand / darauff gienge er in die Stadt umbher /und traffe ungefehr einen Blinden auff der Strassen an / welchem er den Hut auff dem Kopff herumb drehete / als der Blinde merckte / daß man seiner spotten wolte / finge er überlaut auzuruffen / was ist das für ein Huren-Sohn / der mich also plaget? Alsobald sagte dieser / er habe die Wettung gewonnen / weil ihn auch ein Blinder bey seinem Nahmen genennet hätte.

204. Die listig entwandte Schuh
CCIV. Die listig entwandte Schuh.

Zu Paris hatte ein junger Schüler ein paar Schuh von nöhten / weil er aber kein Geld hatte / dieselbige zu kauffen / besanne er sich auff eine List / [429] damit er ein paar umbsonst haben konte. Er beredete sich mit einem seiner Gesellen / und gienge darauff zu einem Schuster und fragte ihn / ob er nicht ein paar Schuh hätte / die ihm gerecht währen. Der Schuster sagte Ja /und brachte ihm ein Paar. Als er nun dieselbige anversuchte / fragte er / wie theur dieselbige seyn? Der Schuhmacher sagte funfftzig Stüber / in dem thäte er /als ob er Geld suchen wolte / als eben sein Gesell /mit welchem er zuvor die Abrede genommen / darzu kam / und zu ihm sagte. Ha! Du Schelm / treffe ich dich hier an? Nun wil ich den Schimpf / den du mir neuerlich bewiesen / an dir rächen / gab ihm darauff eine gute Ohrfeyge und lieffe darvon / der ander aber folgte ihm mit seinen neuen Schuhen nach / und der Schuhmacher soll noch biß auff diese Stund der Bezahlung erwarten.

205. Die kluge Buhlschafft
CCV. Die kluge Buhlschafft.

Ein junger Mensch wurde umb Mitternacht bey einer Weibs-Persohn ertappet / unterstunde sich aber aus dem Staub zumachen / und mit der Ehebrecherin /welche er aus hitziger Liebe nicht gern zurück lassen möchte / seinen Mißgönnern zu entwischen / weßwegen ihm die liebreiche Weibs-Persohn nachfolgete /und geriethen sie beyde an die Schaarwacht / wie aber der junge Mensch ihrer gewahr wurde / nahme er die Weibs-Persohn auff seinen Rücken / und sagte zu der Schaarwacht / sie solte nur vorbey gehen / dann er trüge eine Persohn / welche mit der Pest behafftet wäre / in den Spital / als dieses die Soldaten hörten /machten sie sich auff eine Seite / und liessen ihn ohne Schaden durchgehen.

206. Der betrogene Schneider
[430] CCVI. Der betrogene Schneider.

In offt berührter Stadt Paris gieng einsmal eine lustiger Possenreisser spatzieren / unn kam ungefehr vor eines Schneiders-Laden vorbey: Woselbsten ihn die Schneiders-Gesellen mit Pflaumen Kernen warffen: der Possenreisser bedachte sich hin unn wieder / wie er sich doch an den Schneidern rechen möchte /nahme derohalben des Abends zween Blaßbälge / und füllete dieselbige mit Menschen Koht: Nachgehends begab er sich an des Schneiders Laden / und wie die Gesellen auff dem Tisch arbeiteten / bliese er mit seinen Blaßbälgen durch ein Loch in den Laden hinein. Die Schneider empfanden diesen bösen Geruch / und sahe einer den andern an / in Meynung es müste einer von ihnē in die Hosen purgiret haben / und fiengen darüber ein Gezänck an. Inmittelst kam der Meister in den Laden / und fragte was dieses vor ein Teuffelischer Gestanck wäre? Ein Schneider-Gesell schiebte es auff den andern / und warffen darüber Scheeren und Elen einander nach den Köpffen: Unterdessen schluge der Possenreisser mit der Faust wieder den Laden / und sagte zu den Schneidern / gute Freund /dieses sind andere Pflaumen-Kerne als die vorige.

207. Die seltzame Wette
CCVII. Die seltzame Wette.

Drey unverheurahte Gesellen / unter welchen einer ein Pfaff / der ander ein Kauffman / der dritte aber ein Advocat war / erzehlten einander / daß ein jeder sich in seines Nachbarn Haußfrau verliebet hatte / stelleten [431] deßwegen eine Wettung an / welcher am subtilsten seine Nachbahrin in Gegenwart ihres Mannes geniessen könte. Der Advocat gienge zu seiner Nachbarin /und unterrichtete sie / wie sie sich verhalten solte /und weiln der Mann auf der Erden einen Saal mit Spiegelscheiben hatte / welcher auff die Gassen gieng / kam eben der Advocat vor dem Hauß vorbey unn sahe den Mann mit seiner Frauen am Feuer sitzen / er grüste dieselbige und sagte zu dem Mann: Schämet ihr euch nicht Herr Nachbahr / eure Frau so öffentlich vor aller Welt zu küssen / der Herr wird sich irren /gab ihm der Mann zur Antwort / ich sitze ja weit von ihr / das Glaß muß dann daran schuldig sein und falsch zeigen. Ich bitte euch / sagte der Advocat zu dem Mann / kommet herauß / so wil ich mich an euren Platz setzen / und sehet / ob ihr euch auch so betrieget / als wie ich. Wie nun der Mann herauß kam / gienge der ander hinein / und finge an die Frau recht ernstlich zu umbfassen. Als der Mann solches durch die Scheiben sahe / rieff er; Hola / Ho guter Freund was machet ihr. Wir sind weit von einander / sagte der Advocat / und hab ich wol gedacht / daß das Glaß hieran schuldig seyn muste. Es ist wahr / versetzte der Mann / und ich hätte einen Eyd geschworen / daß ihr meine Frau geküsset hättet. Das ist wol ein schlimmes Glaß / sagte er zu seiner Frauen / wir müssen es ändern lassen. Der Kauffmann hatte eine Müllerin lieb /dieser erzehlte er die Wettung und unterrichtete sie gleichfals / wie sie sich verhalten solte. Als er nun den Müller / welcher einen Sack-Mehl truge / neben seiner Frauen antraffe / sagte er zu dem Müller / ihr stellet euch als wann ihr eine gar schwere Last zu tragen hättet / ich wette / daß ich euch / eure Frau und den Sack mit Mehl darzu tragen wil. Wie die Wettung geschehen / [432] legte er den Müller mit dem Bauch zur Erden / den Sack auf den Müller / und seine Frau mit dem Rücken auff den Sack / und Mittlerweil er mit der Frau schertzte / stelte er sich als wann er sie alle drey umbfassen wolte / nach Verrichtung dessen aber thäte er als ob ihm der Arm zu kurtz / und bekente /daß er die Wettung verlohren. Der Pfaff liebte eine Bauers-Frau / gienge derohalben zu derselbigen und gab ihr seine Wettung gleichmäßig zu verstehen / und nachdem er sie unterrichtet wie sie sich verhalten solte / stelte sich die Frau kranck / und begehrte zu beichten / der Mann verwunderte sich darüber und schickte zu zweyen unterschiedenenmahlen zu dem Pfaffen / welcher aber nicht kommen wolte / der Mann wurde darüber sehr zornig und gienge selbst zu dem Pfaffen / der entschuldigte sich aber / er hätte seine Schuh und Strümpffe flicken lassen / konte derohalben nicht Barfuß über die Gassen lauffen. Der Mann erbotte sich den Pfaffen zu tragen / welches er gern annahme / wie sie nun in das Hauß kamen / stelte sich der Pfaff als wann er das Weib trösten wolte /und bate unterdessen den Mann und die Umbstände /daß sie Gott für die Frau bitten sollen / mitlerweil schertzte der Pfaff mit der Frauen. Man läßt nun einen jeden hierüber selbst urtheilen / wer unter diesen dreyen die Wettung gewonnen.

208. Die gestraffte Buhler
CCVIII. Die gestraffte Buhler.

Zween Gevattern hatten sich in eine sehr schöne Frau ihres Nachbahrn verliebet / und botte ihr ein jeder 20 Kronen zugeben / wofern sie ihres Willens Leben wolte. Die Frau offenbahrte solches ihrem Ehemann /derselbe gab ihr den Raht / sie solte das [433] Geld von einem jeden nehmen / und sich stellen / als ob sie ihnen wilfahren wolte. Die Frau thäte solches / und bestimbte ihnen auch einen Tag / an welchem ihr Mann auff einen Marck reisen würde. Als nun die Zeit herbey kame / stelten sich die beyden ein / in Meinung / daß der Mann verreiset währe / liessen derowegen alsobald eine stattliche Mahlzeit zurichten / und fiengen an sich lustig zumachen / als der Mann ungefehr an der Thür anklopfte / sich stellend / als ob er etwas vergessen hätte. Die beyde Gevattern wurden darüber sehr bestürtzet / und versteckten sich auff einer grossen Diel / wo man das Brodt auff zu legen pflegte /welche mit zweyen Stricken angemacht schwebend in der Lufft hinge / und deckten sich mit einem Tuch zu. Wie der Mann in die Kammer kame / verwunderte er sich / daß die Tafel so wol zugerüstet war / seine Frau sagte / sie wäre willens / ihre beyde Nachbahrinnen zu gast zu bitten. Weil der Mann aber wol wuste / wo die beyde Gevattern verborgen lagen / befahl er / daß man ihren beyden Weibern ruffen solte / als dieselbige ankamen / setzten sie sich zur Taffel und machten sich lustig. Es mangelte ihnen aber zu letzt an Wein /derowegen bate der Mann seine Frau / sie solte mit einer ihrer Nachbahrinnen hingehen und Wein holen /unterdessen sagte er zu der andern / daß er ihm gäntzlich vorgenommen habe / sie zu küssen / welches ihm die Frau wiewohl mit etwas Verweigerung entlichen gestattete / wie solches geschehen / schickte er seine Frau abermahls auß / etwas zu holen / und bate zu gleich diese Frau / derselben Gesellschafft zuleisten /mitlerweil überredete er auch die andere / und musten die beyde verborgene Gevattern mit grossem Schmertzen solches zu sehen. Entzwischen machte sich dieser mit seinen Nachbahrinnen nach geschehener Abendmahlzeit lustig und fienge an mit denselbigen wacker herumb zu tantzen / entlich aber [434] stellete er sich / als wann er gantz truncken wäre / und ergriffe einen breiten Degen / und sagte zu den Frauen / der Wein hat mich dergestalt erhitzet / daß ich einen Menschen umbs Leben zu bringen / eben so gering achtete / als diese Stricke abzuhauen / welches eben dieselbige waren / woran das Bret angemacht / auff welchem die beyde Gevattern lagen / diese hieb er entzwey / und fielen die zween arme Tropffen auff die Erden. Ihre Weiber verwunderten sich / als sie ihre Männer sahen / dieselbige aber verfolgte der ander mit streichen biß zu der Haußthür hinauß / und schrie / man solte die Diebe aufhalten / worüber sie gefangen gesetzt wurden / und waren die gute Gevattern noch sehr froh /daß ihnen ihre Weiber aus dem Gefängnüß verhalffen. Also wurden diese beyde / welche einen andern betriegen wolten / meisterlich und doppelt bezahlet.

209. Die betrogene Einfalt
CCIX. Die betrogene Einfalt.

Ein einfältiger Mensch / welcher zu Paris einen Proceß hatte / wolte daselbsten eine Kammer in dem Wirtshauß zum Armbrust allein mieten / weil er viel Geld bey sich hatte / und nicht etwan unter die Beutelschneider gerahten mögte / botte derowegen dem Wirth noch eins so viel Geld / die Kammer allein zubehalten. Nachgehends kamen zween andre / welche sonsten jederzeit in dieser Kammer einzukehren pflegten / und wolten dieselbige wieder beziehen / der Wirth aber sagte ihnen die Ursach / warumb er solche einem andern eingeräumet hätte. Derowegen beschlossen sie dem andern einen Possen zuthun / und schriebe der eine mit grossen Buchstaben auff ein Papier: Ich bin in den Armbrust zur Herberge / [435] und hefftete es dem andern gantz heimlich auf den Mantel. Als er nun auf der Strassen gienge / finge jederman an zulesen. Ich bin in dem Armbrust zur Herberg. Dieser kehrte sich herumb und sagte / er wäre auch daselbsten Losiree. Dieweil aber dieses so viel Persohnen zu ihm sagten / vermeinte er / es wären alle Beutelschneider in seinem Wirtshauß zur Herberg: Gienge derowegen nach Hauß / bezahlte seinen Wirth / und suchte eine andere Gelegenheit. Hierdurch überkamen die andere beyde wieder ihr voriges Zimmer.

210. Das verwechselte Kleid
CCX. Das verwechselte Kleid.

Ein vornehmer Herr hat sich in eines unbenamten Mannes Frau zu Paris verliebet / und als er vernommen / daß ihr Mann nach Hoff gangen / wolte er sich dieser Gelegenheit bedienen / desto füglicher seine Lust zu büssen. Als aber dieser Unbenahmte dessen /was in seinem Hauß vorgieng / von seiner guten Freund einem berichtet worden / nahm er seinen Weg wieder zurück / und stellete sich / als ob er etliche Schreiben / daran ihm sehr viel gelegen / vergessen. Die Frau / so das Gerössel von der Carossen gehöret /gedachte gleich / es muste was zu bedeuten haben /verbarg derowegen besagten Herrn geschwind an einen heimlichen Orth / weil er aber nicht so viel Zeit hatte / seine Kleider zunehmen / ließ er sie auff einen Sessel bey dem Bette liegen: Die Cammer-Magd aber / so befürchtete / es möchte ihre Frau dadurch verrahten werden / warff sie alsobald in eine Kisten / mit solcher Eilfertigkeit / daß ein Ermel von dem Wammes herauß blieb / und man denselben leicht sehen konte. Nachdem nun gedachte Unbenahmte nach Hauß kommen / gieng er geschwind in die Kammer /allwo er seine Frau antraff / die sich anzuziehen [436] begunte / und als er sonsten ein Weil mit ihr geredt /fing er an und sagte; Frau / man hat mir gesagt / daß ein solcher und solcher Herr zu euch kommen sey /welches mich dann bewogen / daß ich wieder nach Hauß gangē bin / weil ich vermeint / daß er mit mir etwas zu reden habe. Die Frau / so ein böses Gewissen hatte / antwortete: Verzeihet mir / Herr / es ist niemand hier gewesen. Der Mann wendet sich gegen der Kisten / und sahe den Ermel von dem Wammes /so herfür hieng / fragte derowegen / wo dieses mit Gold verbremte Kleid herkäme. Wie es nun den Weibern in dergleichen Begebenheiten niemals an einer Außred mangelt / also sagte sie mit zitternder Stimm: Es ist eine Frau / die Geldes hoch benöthiget ist / so mir es heut gebracht / euch solches sehen zulassen. Der Mann stellete sich / als wann er den Possen nicht merckte / und zohe das Kleid an / und nachdem er ein Schritt oder etlich in der Cammer hin und wieder gangen / sagte er zu seiner Frauen: Was düncket euch /Frau / sehe ich jetzt nicht diesem und diesem Herrn gleich? Diese Wort gaben der guten Frauen einen solchen Stich ins Hertz / daß sie weder auß noch ein wuste / nichts destoweniger / damit sie nicht gar ohne Antwort blieb / sagte sie mit unverzagtem Muht: Herr / ich vermeine / es sey mir so wol erlaubt / anderer Leuth Hülff zusuchen / als euch neben außzugehen. Diese Wort gaben dem guten Mann gnugsam zu erkennen / daß er dergleichen Arth wäre. Unterdessen kam ein Trabant von dem Parlament / der ihn eylends in den grossen Raht zukommen / abholte / und weil er besorgte / man würde lang auff ihn warten / warff er geschwind seinen Mantel über das gestickte Kleid /und setzte sich in die Carossen / sich nach Hoff führen zu lassen. Andern Theils wolte dieser Herr / so die Zeit über wie ein Espen Laub gezittert / sich wieder nach Hauß verfügen / und baht die Frau / ihme sein Kleid zu geben / weil es aber [437] der Mann mit weggenommen hatte / wurde er gezwungen / sich des Seinigen zubedienen / wie er nun im Heimgehen war / sahe ihn ein Edelmann / sein guter Freund / in solchem artlichen Aufzug / u weil er sich leicht einbilden konte /daß er von dieser Dame herkäme / sagte er es dem König / welcher alsobald einen von der Guardi nach ihm schickte / daß er eilends in den Raht kommen solte. Dieser Herr wolte sich entschuldigen / daß er kein rechtes Kleid an hätte / weil aber der Trabant sagte / daß es ihm der König ernstlich befohlen / und die Sach keinen Verzug leiden wolte / konte ers nicht ändern / sondern begab sich nach dem Louvre / da er dann nicht so bald angelangt / daß nicht die Pagen und Lackeyen von allen Orthen zu gelauffen kamen /in Meynung / er würde eine Comoedie spielen. Der König / so bereits von deme / was vorgangen / etwas Wissenschaft hatte / als er ihn so auffgezogen sahe /sagte zu ihm: Wie kombt es mein Vetter / daß ihr heut in einem langen Rock gehet. Dieser Herr / als er vermerckte / daß der König von der Sach Wind bekommen haben muste / gab ihm / zur antwort: Sire / ich hab einen Rechts-Handel wegen einer Persohn zu vertragen gehabt / so hab ich mich dannenhero nohtwendig als ein Richter kleiden müssen / sonst würde man die Sach von mir weggenommen / und wegen meiner Untüchtigkeit appellirt haben. Der König merckte wol / was er sagen wolte / und lachte darüber / schickte auch nach dem Mann der besagten Damen / der / als er kommen / sagte er ohne langes Bedencken / zu gedachtem Herrn; In der Warheit / mein Herr / es ist unserm Parlament eine grosse Ehre wiederfahren / daß es eine Persohn von so hohem Stande als ihr seyd /bekommen. Der König / so diesen unbenahmten gern Vexiren wolte / fragte ihn / ob das Parlament heut einen Auffzug hielte / weil er so köstlich gekleidet wäre. Dieser versetzte: [438] Sire / es ist nichts neues / daß die / so unserer Profession sind / sich wie die Fürsten kleiden / weil die Fürsten sich nicht schämen unsere Kleider zu tragen / daß sich also Ew. Majest. nicht darüber verwundern darff.

211. Die Bauren List
CCXI. Die Bauren List.

Es ist noch nicht lange / daß etliche Zöllner in Franckreich eine Aufflage / nehmlich auf jedes Pfund einen Creutzer wieder eingeführet / die doch kurtz zuvor / in Betrachtung / daß es zu des gemeinen Manns Verderben gereichet / und nur die / so von gemeinem Nutzen leben / reich macht / abgeschafft worden. Als nun ein Baur etliche Sachen in die Stadt Roan getragen / wurde er unterm Thor aufgehalten /und gepfändet / biß diese Aufflag bezahlet / dannenhero nahm er sich für / diesem Zöllner auch eines anzumachen / machte demnach etliche Eßwaaren zusammen / und weil etliche Bauren Span-Säu in Säcken trugen / hat er eine davon genommen / und einen Hund dafür hineingethan / und den Sack unzugebunden gelassen. Wie er nun abermals wegen des Zolls unter dem Thor aufgehalten worden / und sich wegen des Preises verglichen / sagte er zu dem Zöllner: mein Herr / ich habe jetzund kein Geld bey mir / weil ihr mich aber wol kennet / daß ich euch das vorigemahl richtig bezahlt / so bitte ich euch / ihr wollet mir erlauben / in die Stadt zugehen / und Geld zu lösen /und behaltet unterdessen diesen Sack und meine Span-Sau zum Pfande. Der Zöllner ließ ihm den Sack ins Vorhauß thun / und ihn Geld auffzubringen hingehen. Als er nun hinweg war / und [439] niemand Acht auff den Sack hatte / so nicht zugebunden gewest / machte sich der Hund loß: Bald hernach kam der Bauer mit dem Geld / und forderte seine Span-Sau wieder: Wie er sie aber nicht in dem Sack gefunden / drohete er dem Zöllner / er wolte ihn verklagen / daß er ihm seine Span-Sau bezahlen müsse. Damit nun der Zöllner seiner loßkommen möchte / muste er ihn ohne Bezahlung des Zolls gehen lassen.

212. Der seltzame Liebes-Handel
CCXII. Der seltzame Liebes-Handel.

Es hatte sich ein tapfferer Piemontesischer von Adel /so sich länger als ein gantzes Jahr zu Venedig aufgehalten / so sehr in die Schönheit einer jungen Schiffmans Frauen verliebt / daß er alle Mittel versucht / sie in sein Garn zu bringen. Diesem nach verfügte er sich einsmahls zu einer alten Kupplerin / die er eine außbündige Meisterin in diesem Handwerck zu seyn wuste / und gab ihr seine hefftige Liebe / die er zu dieser jungen Frauen / so sich erst kürtzlich an einen Schiffer / Nahmens Cornelius / Verheurahtet hatte /trüge / zu erkennen. Diese feine liebes Göttin nun / so sie schon von langem her gekennet / wolte eine so gute Gelegenheit / diesen Vogel zu rupffen / nicht aus Hände gehen lassen / sondern versprach ihm / ihm zu seinem Vorhaben nach ihrem äussersten Vermögen behülfflich zu seyn. Damit sie nun ihm eine genugsahme Prob ihres guten Willens / ihm zu dienen /geben möchte / gieng sie zu gedachter Schiffers Frauen / bey welcher sie dann ihre Kunst so wol anlegte /daß sie dieselbe zu dieses Edelmans Willen vermochte / und also an nichts anders als einen bequemen Orth / ihr Verlangen zu erfüllen / ermangelte. Der Edelmann / so wegen der glücklichen [440] Verrichtung dieser Kuplerin höchlich erfreuet war / gab ihr einen Diamant von 100 Francken / und versprach ihr / wann die Sach fortgieng / ihr noch ein mehrers zu schencken: Damit er aber sein Vorhaben besser ins Werck richten möchte / ließ er dieser jungen Frauen durch sie wissen / was er zu Vollziehung ihrer beyder Freundschafft für ein Mittel ersonnen. Nam deßwegen die Zeit und Gelegenheit in acht / und schickte nach ihrem Mann / daß er ihn auf dem Wasser spatziren führen solte. Der gute zukünfftige Hanrey / so sich dieses für eine Ehr hielte / stellete sich mit seiner Gundel am bestimbsten Ort ein. Nachdem sie nun eine Zeitlang auf- und abgefahren / nahm ihn der Edelmann auff eine Seite / und sagte zu ihm: Höret guter Freund Cornelius / ihr wisset wol / daß ich mich allezeit / so lang ich mich alhier aufgehalten habe /eures Dienstes gebraucht habe / darumb trage ich keine Scheu euch mein Geheimnüß zu offenbahren /welches ist / daß ich einer vornehmen Dame diese Nacht zu ihr zu kommen versprochen / ist demnach mein Begehren an euch / daß ihr mich dahin führen wollet. Der Schiffer / so seine Freygebigkeit schon offt erfahren / versprach in allem / was er ihm befehlen würde / ihm zu gehorsahmen: Wie es nun Nacht worden / und die bestimbte Stund herbey kommen /sagte er zu seiner Frauen / er würde gar späht heimkommen / weil er seiner guten Freund einem / so ihn zu gast gebeten / Gesellschafft leisten muste. Die gute junge Frau / wuste wol / daß solches Wasser auff ihre Mühl war / stellete sich als wolte sie ihn daheim behalten / weil er aber sein Wort gegeben / wolte er auch dasselbe halten / und führte seine Gundel an den bestimbten Orth. Der Edelmann so sehr begierig war /diejenige zusehen / die er so hefftig liebte / gieng geschwind hinein / und fuhr mit unglaublicher Geschwindigkeit fast durch alle Canäl der Stadt / biß daß er an den zu seinem [441] Vorhaben gewiedmeten Orth kame; so bald er nun außgestiegen / bat er den Cornelium / so lang zu warten biß er wieder käme / welches dann / so bald es möglich sein würde / geschehen solte / und versprach ihm / er wolte ihm schon dafür seinen Willen machen. Mein Herr / antwortete Cornelius / habt deswegen keine Sorg / sondern machet euch mit eurer Dame lustig / so lang ihr wollet / dann ich wil euer hier steiffes Fusses erwarten. Uber solchem Versprechen / nahm der Edelmann seinen Weg nach des Schiffsmans Frauen Hauß zu / die seiner mit Andacht wartete / und sich ins Bett legte / da man dann nicht fragen darff / ob diese zwey mit einerley Flammen brennenden Hertzen / dieses unkeusche Feuer zu leschen faul gewesen seyen; In dem nun diese beyde sich erlustigten: sahe sich mein guter Hanrey Cornelius nach dem Wind und dem Mondschein umb / weil ers ihm aber zulang machte / legte er sich schlaffen u schnarchete tapfer daher. Nach dem also der gute Edelmann seine Lust gnug gebüsset und einen guten Theil der Nacht damit zugebracht /nahm er seinen Weg wieder zurück / da er dann seinen Kerl gantz schlafftruncken angetroffen / der / als er erwacht / und nicht gedacht / daß ihm unterdessen ein paar Hörner aufgesetzet worden / ihn fragte / ob er auch an derjenigen / so er verhoffet / sey vergnüget worden. Ach mein guter Freund / sagte der Edelmann / ich schwere euch / daß ich nie grössern Lust gehabt /dann dieses ist die schönste und freundlichste Dame als ich die Zeit meines Lebens gesehen. In der Warheit mein Herr / antwortete der Schiffer / ihr macht mir das Maul wässern / und wann ich euch nicht versprochen / daß ich eurer warten wolte / so wolte ich ein Stündlein mit meiner Frauen / die / zum wenigsten meiner Einbildung nach / keine von den heßlichsten in dieser Stadt ist / die Zeit vertrieben haben. Der Edelmann stellete sich / als verwunderte er sich darüber / und sagte [442] zu ihm: Wie Corneli / ich habe nicht vermeinet / das ihr verheurahtet seyd / und seyd mir jetzo desto lieber / ich halte aber wol dafür / daß ihr euch nicht weigern würdet / einen Tausch zutreffen /wann ihr eine Dam antreffen soltet / die schöner als die eurige ist. Es ist war mein Herr / versetzte der Cornelius / daß ich so gesinnet bin / etwas geringes zuverlassen / und was bessers dafür zunehmen. Der Edelmann gab ihm zur Antwort: Weil ich euren guten Willen spühre / verspreche ich bey meiner Treue / daß ich euch derjenigen / so ich liebe / theilhafftig machen wil jedoch mit der Bedingung / daß ihr solches geheim haltet / dann / wie sie nicht jedermann zu willen ist / also wird es eine absonderliche Gunst seyn / die sie euch in Betrachtung meiner erweisen wird / daß sie euch bey ihr schlaffen läst: Ich weiß zwar wol /daß sie sich anfänglich etwas sperren wird / es hat aber nichts zu bedeuten / sondern sehet nur / daß ihr euer Gundel Morgen umb eben diese Zeit in Bereitschafft haltet / und überziehet sie mit einem Teppich /sie desto ehrlicher zu empfangen. Cornelius / so einen neuen Wechsel zutreffen verhoffte / sagte zu ihm /mein Herr / ich versichere euch / daß ich alles dieses so wol verrichten wil / daß ihr mit mir zu frieden seyn werdet. Wie nun der bestimbte Tag kommen / ermangelte der Edelmann nicht / sich mit seiner Schifferin /so wie die Venetianische Damen bekleidet war / und eher einer Princeßin / als einer gemeinen Frauen gleich sahe / einzustellen. Cornelius / als er sie in solchem Auffzug sahe / bildete sich ein / es wäre eines vornehmen Rahts-Herrn Frau / die sich von ihrem Mann geschlichen / umb desto freyer ihre Lust zu büssen. Weil nun der Edelmann sich seines Versprechens loßmachen wolte / sagte er zu ihm: Mein guter Freund Cornelius / ihr sehet anjetzo / daß ich euch lieb habe / weil ich euch dasjenige mittheile / was mir in der Welt am liebsten ist / allein sehet zu daß ihr[443] diese Sach verschwiegen haltet / wolt ihr anderst nicht in Gefahr eures Lebens kommen / dann ich hab sie überredt / ihr seyd einer auß den vornehmsten Häusern von Padua / und hättet euch / damit ihr nicht erkennet werden möget / wie ein Schiffer verkleidet. Ach! mein Herr antwortete Cornelius / ich wolte lieber sterben / als an dergleichen gedencken / dann ich habe nicht erst heut schweigen gelernet. Es ist gut /versetzte der Edelmann / so machet euch dann fertig /sie / so gut als ihr könnet / zu befriedigen / und bringet mir auff zukünfftigen Sonnabend zwey oder drey Essen Fische / weil ich einen von meinen guten Freunden zu gast laden will. Als er dieses gesagt /nahm er die Schifferin bey der Hand / und führete sie unter den Teppich / da sie dann ihren unordentlichen Lust wol büsseten / als unterdessen ihr Mann auff der verlohrnen Schildwacht stunde. Nach geendigtem Schärmüntzel / ließ er den Cornelium an seine statt kommen / und verbott ihm / daß er kein Wort reden /noch sich erkündigen solte / wer sie wäre. Der gute Gesell / so mehr auff seine Lust / als auff das Reden gedachte / war zufrieden / daß er nun einen braven Verliebten abgeben solte / und bekümmerte sich weiter umb nichts. Wie er nun das Seinige gethan / kam er wieder zu dem Edelmann / dem er das gute Tractament / so er vermittelst seiner genossen / nicht gnug rühmen konte / und zu ihm sagte: mein Herr / ich muß bekennen / daß ihr eine solche Persohn außerlesen / ja sagen / daß sie meiner Frauen gantz ähnlich ist / dann ihre Annehmligkeit / ihr Thun und Wesen hat eine solche Förmigkeit mit der Meinigen / daß / wann ich nicht wol wuste / daß sie daheim währe / ich sie für dieselbe halten wolte. Wisset ihr dann nicht / antwortete der Edelmann / daß man viel Kälber gen Marckt treibt / die einerley Haar haben / und doch unterschiedlicher Arth [444] sind. Es ist wahr / versetzte der Cornelius / darumb kan man sich leicht irren / wie es nun spatt in die Nacht hinein gangen / führte der Edelmann die Schiffers-Frau wieder in ihr Hauß / und konten unterwegs des Bossens / so sie diesem armen Teuffel gerissen / nicht genug lachen: Kam hernach wieder zu dem Cornelio / der seiner mit Schmertzen wartete / und schieden als gute Freunde von einander. Als nun der Sambstag kommen / kam Cornelius / seinem Versprechen ein genügen zuthun / in des Edelmans Losament / und brachte die besten Fische / die in der Stadt zu bekommen wahren / mit / und war an dem nicht genug / sondern wolte zugleich einen Koch abgeben. Nachdem Essen kamen etliche junge von Adel zu ihm / welche / als sie von deme / was mit dem Cornelio vorgangen / gehöret / ihn mit verblümten Worten aufzogen / jedoch war er nicht so einfältig / daß er nicht solte gemercket haben / daß man ihm Stein in seinen Garten geworffen / und in seinem Weyber gefischet. Der Edelmann aber / welcher befürchtete / er möchte seinen Zorn über die Frau außgehen lassen / ließ ihr durch einen Lackeyen sagen /daß sie sich unsichtbahr machen solte. Cornelius aber gieng ohne Abschied von der Gesellschafft hinweg /willens / seiner Frauen ungebrante Aschen zu versuchen zu geben / weil er sie aber nicht angetroffen / gerieth er darüber in solche Verzweiffelung / daß er gar aus dem Land gelauffen / und seine Frau des Edelmans Willen überlassen / der sie dann gar zu sich genommen.

213. Der leichtfertige Scribent
CCXIII. Der leichtfertige Scribent.

Zween Scribenten zu Paris / deren einer bey einem Parlaments-Herren / der ander bey einem Auditeur [445] in der Rechen-Cammer diente / hatten sich vorgenommen / von ihrem Herrn Abschied zunehmen / mit einander eine Reise zuthun / ehe sie aber solches zu Werck stelleten / wolten sie zuvor ihren Herren eines anmachen: Und weil der / so bey den Parlaments Herrn diente / wol wuste / das seines Cameraden Herr / des Seinigen vertrautester Freund war / entschloß er sich einsmahls zu demselben zugehen / und in seines Herrn Nahmen 100 Duplonen von ihm zu entlehnen /unter dem Vorwand / daß er sich mit einem Gasconischen von Adel mit Spielen eingelassen. Der Auditeur / so sich nichts böses zu diesem Scribenten / den er schon von langer Hand her gekennet / versehen / gab ihm die begehrte Summ ohne Wiedersprechen. So bald nun der andere seines Gespanen Betrug vernommen / war er auch auff dergleichen Stücklein eines zuspielen bedacht / zu diesem Ende gieng er in des Parlaments-Herren Hauß / richtete einen Gruß von seinem Herrn auß / mit Vermelden / er ließ ihn bitten / er wolte ihm 100 Ducaten schicken / die er zu Bezahlung 6 Pferd für eine Carosse / so er gekaufft / von nöhten hätte. Der Parlaments Herr war froh / daß er einmahl die Gelegenheit bekommen / seinem alten und guten Freund zu dienen / und gab sie diesem Scribenten. Nachdem nun also diese beede gute Gesellen ein jeder das Seinige gethan / und den Seckel wolgespicket / traffen sie das weite Feld / und nahmen ihren Weg in Italien / da sie dann nicht lang gewesen / daß sie nicht Beutelschneiders Stücklein gespielet / unter andern als sie einsmahls durch die Stadt Florentz giengen / sahen sie einen Wechsel-Herrn bey einem Goldschmied ein sehr schönes güldenes Pocal kauffen / welches er / nach dem er es dem Meister bezahlt /dessen Jungen gegeben / dasselbe seiner [446] Frauen zubringen. Der eine von diesen Scribenten / als er sahe /daß dieser einfältige Tropff dieses Pocal / gantz öffentlich trug / damit sich jederman über dieses Stück verwundern solte / verfügte sich mit einer annehmlichen Manier zu ihm / und fragte ihn / wer dieses schöne Stück gemacht hätte / wem es zugehörete /und wie viel es wol gekosten haben möchte. Der Jung / so keiner von den gescheitesten war / sagte ihm frey herauß / dieses wäre seines Meisters / Nahmens Dompierre / Werck / und muste solches einem Wechsel-Herrn / so nechst bey der Thum-Kirchen wohnete /heimtragen. Der Scribent stellete sich / als wolte er auch dergleichen eines machen lassen / und sagte zu ihm: Ich bin der Warheit recht froh / daß ich deines Meisters Nahmen weiß / ich bitte dich aber / du wol lest mir den Gefallen erweisen / und mich zu des Wechsel Herrn Hauß führen / damit ich mit ihm bekant werde / und wann es die Gelegenheit geben wird / mir ein dergleichen Stück machen zulassen / solches von ihm entlehnt bekommen möge / weil ich mich aber nicht gern zu erkennen geben wil / so sage nur /daß ich deines Meisters Bruder sey. Der gute einfältige Tropff / so nicht wuste / wo dieses hinauß wolte /führte ihn zu des gedachten Wechsel-Herrn Losament / da dann die Frau alsobalden zu ihnen gangen / und nachdem sie dieses Stück lang betrachtet / zog sie ein Stück-Gelds herauß / und wolte es dem Jungen zum Trinckgeld geben / der Schreiber aber / so sich stellete / als wann er des Meisters Bruder wäre / sagte zu ihr: Nein / nein / Madame / es ist nicht vonnöhten / daß ihr ihm etwas gebt / dann es ist genug / daß ihm euer Herr / als er meinen Bruder bezahlt / schon etwas geschencket / auff diese Wort ließ sich die Frau nicht lang bitten / ihr Geld wieder / zu sich zunehmen / [447] und bedanckte sich wegen der Mühe. Wie nun der Schreiber hinweg gegangen / sagte er zu diesem Maulaffen: Höre mein guter Freund / ich habe auß gewissen Ursachen nicht haben wollen / daß du etwas von dieser Frauen nehmest / weil du mich aber in das Hauß geführet / so wil ich dir hiemit zween Ortsthaler verehren: Der Jung war dessen froh / und gieng wieder heim. Unterdessen aber weil dieser Scribent wuste /daß der Wechsel-Herr bey einem guten Freund zu Gast seyn würde / nahm er seinen Weg wieder zurück zu dieser Frauen / und sagte zu ihr: Madame euer Mann hat vergessen / auff das Pocal / so ihm mein Bruder verkaufft / sein Wappen stechen zu lassen /derowegen bitte ich euch / ihr wollet mirs wieder geben / dann ich hoffe / daß es auffs längst in zweyen Stunden werde gemacht seyn. Die Frau / so ihn für des Goldschmieds Bruder hielte / hatte dessen kein Bedencken ihm solches zu geben: So bald ers aber in seine Hand bekommen / machte er sich auß dem Staub / und änderte mit seinem Gespan das Losament. Der Mann als er wieder heimkommen / fragte alsobald seine Frau / ob sie das Pocal empfangen / die ihm mit lachendem Gesicht antwortete: Ja mein Schatz / und gefält mir solches überaus wol. Der Mann sagte hinwieder zu ihr / es erfreuet mich solches / dann ich bin schon längst Willens gewesen /euch ein Präsent zuthun / allein ich bitte euch / ihr wollet mirs ein wenig weisen / dann mich düncket ich habe einen Mangel unten an dem Fuß gesehen. Ey so gebt mirs dann wieder / sprach die Frau. Wie redet ihr so närrisch? antwortete der Mann; Ihr sagt / ihr habt das Pocal empfangen / und forderts doch wieder von mir. Es ist wol wahr / sagte die Frau / daß ihr mirs geschickt / habt ihr aber schon vergessen / das ihrs durch des [448] Goldschmiedes Bruder wieder abholen lassen / euer Wappen darauf stechen zulassen. Auff diese Wort fieng der Wechsel-Herr mehr Scheltwort / als der Berg Ethna in 10 Jahren Flammen außwirfft / wieder seine Frau außzuspeyen weil er ihm wol traumen ließ / daß sie daran schuldig / daß das Pocal verlohren. Wir wollen aber wieder zu unsern beeden Herren / nehmlichen zu dem Parlaments-Herren und dem Auditeur kommen. Diese / als sie einsmahls ungefehr bey einer Gasterey zusammen kommen / sahe einer den andern frölich an / und gedachten an nichts Böses so ihre Schreiber gestifftet. Wie sie aber am besten daran waren / und ihnen der Wein ein wenig in Kopf gestiegen / fragte der Parlaments-Herr den Auditeur / wie ihm seine Pferd / die er gekaufft / anstunden? Dieser wuste nicht / wie er solches verstehen solte / sondern fieng an zu lachen / und sagte zu ihm: Mein Herr /wer hat euch überredet / daß ich andere Pferd / als die Meinige / zu haben begehrt? In der Warheit / versetzte der Parlaments-Herr / es ist euer Schreiber vor weniger Zeit zu mir kommen / der mir gesagt / ihr hättet 6 Pferde gekauffet / und mich zugleich in eurem Nahmen gebehten / ich wolte euch 100 Ducaten schicken /dieselbe zu bezahlen / ich versichere euch / antwortet der Auditeur / daß mein Schreiber ein Bernhäuter ist /und daß ich ihme solches nie befohlen. Im übrigen hat er vor ungefehr einem Monath seinen Abschied hinter der Thür genommen: Der Meinige sagte der Parla ments-Herr / hat es eben so gemacht / dessen ich dann sehr froh bin / weil er ein grosser Schwermer / und dem Spielen mächtig ergeben gewesen / Botz-tausend / versetzte der Auditeur / weiln ihr eben vom Spielen redt / seyd ihr eures Schadens mit dem Gasconischen Edelmann wieder einkommen? [449] Der nun sehr darüber erschrocken / solches war dieser Parlaments-Herr /der sich alsobalb einbildete / es würde unter diesen Wortē ein sonderlich Geheimnüß verborgē liegen /damit er aber auß dem Traum kommen möchte / fragte er ihn / wer ihn also weiß gemacht / daß er gespielet habe. Euer Schreiber / antwortete der Auditeur /welcher in eurem Nahmen 100 Duplonen von mir entlehnet. Ach der Verrähter / sagte der Parlaments-Herr / es ist mir solches nie in Sinn kommen: Solchergestalt befanden sie sich beyderseits betrogen / blieben aber ungeachtet ihres Verlusts / einen als den andern Weg / gute Freunde.

214. Die listige Buhlerin
CCIV. Die listige Buhlerin.

In einem kleinen Städtlein / nicht weit von Roan /wohnete ein Schuhflicker / so sich seines Handwercks kümmerlich nährete: Seine Frau / die noch ziemlich Jung und schön war / und ihrer Armuht und Dürfftigkeit gern abgeholffen hätte / bemühete sich / ihr gute Freunde zumachen / darnach dann ihr Mann nicht viel fragte / wann ihm nur der Bauch gefüllet würde. Unter ihren Vertrauesten aber wahren ihrer drey / ein Huffsschmidt so ihr Nachbar: Der ander war ein frembder Landkrämer / der oft in selbiger Stadt seine Sachē feil hatte / u der dritte / so der allerbeste / war Bruder Hanß / ein guter starcker Venus Bruder. Diese drey Companen wurden von dieser Schuhflickerin so vorsichtig geliebt / daß keiner von dem andern wuste. Einsmals reisete ihr Mann nach Roan / alle alte Schuhe daselbst einzuhandeln / und ließ seine Frau allein daheim / die Ehre seines Hauses zubewahren / welche dann diesen [450] dreyen Gesellen / jedem das Maul gemacht / daß sie mit ihnen guten Schmauß / und sich lustig machen wolte / der erste der sich einzustellen am meisten angelegen sein ließ / war der Krämer /welcher ihr das Wort gegeben / mit ihr zu Nacht zu essen / und weil sie dessen wolzufrieden und vor ihn mit allerhand Vorraht versehen gewest / unter ließ er nicht / zur bestimbten Stund sich in geheim bey ihr einzufinden / in dessen nun daß das Essen zugerichtet würde / fieng er an die Frau zu caressiren / die sich dann nicht viel gesperret. Unter solchen geringen Vorbereitungen kam der Bruder Hanß / so sich des Schuhflickers Abwesenheit erinnert / und seinen Wanst mit gutem Wein angefüllet hatte / geschwind auff dieser Jungen Frauen Hauß zugegangen / die ihn alsobald an dem Klopffen erkennet / von dem Krämer aber ihme aufzumachen verhindert würde: Jedoch weil sie seinen tollen Kopff wol gekant / und daß er nichts darnach gefragt / ihr einen bösen Nahmen zu machen / bate sie den Krämer / daß / wann er ohne Gefahr sein wolte / er zum Fenster hinauß steigen /und sich hinter einen höltzernen Trog / so an das Fenster / Violen und Majoran darein zupflantzen / angemacht war / verbergen solte. Es wolte ihm aber diese Red nicht gefallen / als er hörte / daß ihm möchte der Kopf gelanset werden / und daß er sein Vorhaben nicht Werckstellig machen könte. Unterdessen machte der gute Bruder der Frau Schuhflickerin viel Complementen daher / wie sehr lieb er sie hätte / und versicherte sie / daß es ihr an nichts mangeln solte. Ach wie unglückseelig bin ich / sagte sie / und wolte ich lieber todt seyn / weil ich weiß / daß / wann ich euch zu willen bin / zugleich mein Leben und meine Ehre in die Schantze stehe. Der Pfaff so nicht viel nach ihrem Geschwätz fragte / und es nicht wie der Kramer machte / der sich [451] mit blossen Küssen ersättigen ließ /sondern gieng in vollem Springen / und fieng an mit der Schuhflickerin was anders vorzunehmen. Die Frau (welche vermeinte / er solte nur mit Küssen zu frieden seyn) als sie sahe / daß er was anders beginnen wolte / ward hierüber zornig / und sagte zu ihm: Ich bitte euch / gehet doch hinauß / ihr werdet mich sonsten zuschanden machen. Der gute Krämer / der schier halb erfroren / und eyferte / das ihm ein anderer den Bissen vor dem Maul hinweg nehmen wolte / konte kaum länger Gedult haben / jedoch weil er sich für dem Mönch / so einen alten rostigen Degen anhatte /fürchtete / und seinen tollen Kopf wol kante / getraute er sich nicht zurühren / sondern weil er verhoffte / er würde diese Beute bald verlassen müssen / brachte er die Zeit mit Zähnklappern zu. Es gefiel aber diesem Venus-Kind alles so wol / daß er sich vornahm / nicht eher aus dem Hauß zugehen / biß der Tag angebrochen / der Reitschmidt / der umb selbige Zeit (als der nechste Nachbahr) außgieng / seine Liebste zu besuchen / kam für das Hauß / und klopfte an / die Schuhflickerin / wie sie solches gehört / sagte zu dem Mönch: Es wird gewiß mein Gevatter Schmidt seyn /der etwas von mir wird entlehnen wollen / darumb bitte ich euch / ihr wollet euch so lang unter das Bett verstecken / biß er wieder heim sein wird. Wie / sagte der Bruder / ich weiß wol / daß sein? Begehren kein anders sein wird / als dasjenige zu entlehnen / was ich ingleichen suche / weil ich aber der erste bin / so wird er sich biß auf ein andermahl gedulden müssen / unterdessen mein Schatz / lasset mich ein wenig gewehren / dann ich wil ihn schon mit guten Worten abfertigen. Diesem nach / gieng der Mönch an die Thür /nahm der Schuhflickerin Sprach an sich / und fragte /wer klopfft? Machet auff / [452] antwortete der Schmidt /dann es ist euer guter Freund / und bin vor Kälte gantz erstarret. Ach! fuhr der Bruder in seiner angenommen Rede fort / ich kan für dießmahl nicht / dann es ist einer von meinen Vettern hierinnen / der neulich zu allem Unglück kommen ist / der Schmidt ward über dieser Entschuldigung zornig / und wolte kurtzumb hinein. Der Bruder hingegen / dem es sehr wolgefiel / als er ihn also zittern sahe / gab ihm die besten und geschmirtesten Wort / die einem Verliebten noch Hoffnung machen konten / und sagte zu ihm: Mein lieber Freund / weil ich anjetzo nicht mehrers thun kan / so nehmet unterdessen zum Zeugnüß meines guten Willens gegen euch einē Kuß oder zween von mir an / und erwartet einer andern Zeit / daß ich euch auffmachen kan. Der Schmidt / so über die Massen in sie verliebt war / hielt seinen Mund / in Meinung / der Schuhflickerin Mund anzutreffen / gerad gegen das Loch zu / an statt aber daß er der Schuhflickerin Mund anzutreffen vermeinte / fand er / daß es des Mönchs Hintertheil gewesen / wurde aber des Unterscheids zwischen beyden stracks gewahr / und weiln er vermerckte / daß man ihn nur geäffet / und bey der Nase herumb gezogen / nam er ihm für / wieder sich an ihr zu rächen / stellete sich derowegen /als wann er ein grosses Wolgefallen an solchem Küssen gehabt / und sagte zu ihr / meine Liebste / ich bin der mir erwiesenen Gunst dermassen erfreuet / daß ich gern der gelegenen Stund / da ihr mich einlassen könnet / erwarten wil / unterdessen wil ich hingehen und meinen Mantel holen / mich für dem Regen und Kälte / die mir hart zusetzen / zu verwahren: Gieng darauf heim / machte in seiner Schmieden ein Eysen glüend heiß / und trugs unter seinem Mantel. Der Mönch / so seiner noch wartete / und ferner kurtz [453] Gespräch / wie zuvor mit ihm ein / also daß der Schmid seine Dame anfing zu bitten / ihm doch einen Kuß zu erlauben /der Mönch war dessen zufrieden / und reckte ihm sein Holdseeliges Hinter-Gesicht dar. Der Schmidt aber lauft nicht / sondern stieß ihm das heisse Eysen darein / also daß der gute Bruder wol empfunden / daß dieser Kuß viel zu warm gewesen / und für grossen Schmertzen so hefftig anfieng zu schreyen / daß alle Nachbarn zu den Fenstern hinauß sahen / und Lermen zu machen begunten. Den guten Krämer / so unterdessen mit grossem Ungemach und Frost der Violen gehütet /kam hierüber eine solche Furcht an / daß er von oben herab auff die Gasse gesprungen / zu allem Unglück aber / den einen Fuß verrencket / welches ihn dann noch sehrer / als der Bruder zu schreyen veruhrsachet. Der Schmidt erschrack darüber sehr / und wuste nicht was er mit diesem armen Patienten / als seinem Mitbuhlern anfangen solte / damit sie nicht ertappet werden möchten / ließ demnach den Krämer und den Ehrwürdigen Herrn / durch seine Knechte geschwind einen jeden heimtragen / damit es das Volck / so schon aller Ohrten zusammen lieff / nicht innen werden möchte / und gab für / es währen zween trunckene Kerls von einem Gesind / so diesen Lermen angefangen hätten. Nachdem er also diesen Tumult gestillet /gieng er mit grossen Freuden / wegen seiner Victori mit seiner Schuhflickerin heim / und verzehrte mit ihr das Nacht-Essen / so der Kramer hatte zurichten lassen.

215. Der betrogene Courtisan
CCV. Der betrogene Courtisan.

In dem Lande Poictu wohnete ein reicher Kaufmann /dieser / als er einsmahls eine schöne Music gehört /wird er von der Lieb dermassen entzündet / [454] und gerieth in solche Liebes-Brunst / daß man ihn für einen Bock / so in dem Holtz den Geissen nach lauffet /hätte halten mögen. Diesem nach gieng er dem Frauenzimmer nach / und bewarbe sich umb ihre Lieb /anstatt auch / daß er sich als ein ehrbahrer Kauffmann halten solte / begab er sich in der Edelleuth und benachbahrten Frauenzimmers-Gesellschafft / denen sein Hauß frey und offen stunde / daß er täglich Gasterey hielte. Weil er nun mit dem Frauenzimmer so gemein worden / und das Feuer / so er so lang verborgen / zuleschen begehrte / erwehlte er unter andern eine Verheurahtete und überaus freundliche und holdseelige Dame / zu seiner Liebsten; diese / weil sie eines ehrlichen Gemühts / guten Verstandes / und zugleich gar holdseelig war / nahm ihn eben so freundlich auff / wie sie sonsten gegen jederman zu thun pflegte / woran dann dieser Buhler in seiner Lieb so gestärcket wurde / daß er schon seinen Zweck erlanget zu haben vermeinte. Ehe er ihr aber sein Vorhaben entdeckte / schickte er ihrem Mann alle Tage etwas zu einem Präsent / liehe ihm Geld / und weil sie ihre Güter nicht weit von einander liegen hatten / ward ihm gantz nichts versaget / in allem dem / was er nur begehrte / also daß dieser Edelman / so sich keine Gedancken machte / daß es seiner Frauen halber geschehe / wegen des grossen Nutzens / so er von ihme hatte / mit ihm / ungeachtet seines ungleichen Standes /eine vertrauliche Freundschafft machte. Weil nun der Kauffmann die Früchte seiner Gutthaten auch einsamlen wolte / ließ er sich einsmahls mit ihr in Gespräch so weit ein / daß er ihr seines Willen zupflegen / zumuhtete. Diese vernünfftige Dame aber / als sie diese unziemliche Wort von ihm gehöret / gab ihme eine ihrem Verstand gemässe Antwort / und weil sie für ihres Manns Ehre eyferte / und nichts im geringsten darwieder zu handeln begehrte / [455] wolte sie gar nicht mehr dahin kommen / wo er war. Der Edelman hingegen / so sich so wol bey diesem Kaufman befande /stellte sich fleißig ein / und weil er offt gebeten worden / seine Liebste mit zubringen / und einem so guten Nachbarn / von dem er so viel Freundschafft empfangen / nicht gern für den Kopff stossen wolte /lag er ihr hart an / daß sie doch mitgehen wolte. Wie nun die Frau sahe / daß sich ihr Mann darüber erzörnet / daß sie nicht thun wolte / was er begehrt / ward sie entlich gezwungen ihme das ehrliche Begehren dieses Kaufmans zu eröffnen / worüber er dann sehr erschrocken / und darauß leicht abnehmen können /was ihn zu solcher Freygebigkeit gegen ihn bewogen /jedoch sagte er zu seiner Frauen: Liebster Schatz / ich bitte euch so sehr ich kan / ihr wollet doch nur dießmahl mit mir gehen / und wann er so unverschambt sein würde / euch die vorige Zumuhtung zuthun / so fürchtet euch nicht (weil ich sein Vorhaben zu billigen gedencke) und nehmet die Abrede mit ihm / daß er dieser Tagen einen kommen / und bey euch schlaffen solle / so wollen wir ihn nach seinem Verdienst tractiren. Die Frau / so von ihrem Mann hierzu gezwungen ward / kam in seiner Gesellschafft diesen Kaufmann zubesuchen / welcher / als er diese Dame /so ihm so wolgefiele / sahe / nicht wuste / wie er sie genug caressiren solte. Nach dem Mittag-Essen nun /welches dann die Stunde war / da sich sein Feuer von freyen Stücken angezündet / kam er wieder auff seine erste Streich / und hielt so inständig bey ihr an / daß diese Dame / so bereits in allem / was sie sagen solte /unterrichtet gewesen / bey ihme zuschlaffen / verwilliget / solches aber ins Werck zurichten / solte dieses das Mittel seyn / daß ihr Mann diesen Abend ihn mit heim nehmen / und er bey ihm über Nacht bleiben solte / wann er nun / seinem Gebrauch nach / morgends frühe auff die Jagd gehen [456] würde / von welcher er biß gegen Mittag nicht wieder käme / so solte er sich unterdessen in seine Cammer verfügen / da sie allein / aber ich bitte euch / sagte sie ferner / mit einer angenommenen und furchtsamen Stimm / ihr wollet in einer solchen gefährlichen Sach behutsam gehen / und alle eure Leut wieder zurück schicken / damit wann ich allein in eurer Cammer bin / wir beyde desto freyer und ausser Verdacht sein mögen. Wie nun die Sache also abgeredt worden / und der Edelmann gesehen / daß es nunmehr Zeit wieder von ihme Abschied zunehmen / baht er ihn / mit einer höfflichen Reverentz ihm mit der Rebhüner Beitz die Zeit verkürtzen zuhelffen / unterdessen wolte er / wann er ihm zu so viel Ehr / mit ihm zu Nacht zu essen erweisen würde /die Mahlzeit fertig machen lassen. Der Kauffmann ließ sich nicht lange bitten / sondern setzte sich fröliches Muhts zu Pferd / und wendete allen Fleiß an /seine Dame unterwegs mit gutem Gespräch zu unterhalten. Alß nun die Beitz eine gute Weile gewähret /kamen sie entlich zu des Edelmans Hauß / worein er aber nicht eher kommen wolte / er habe dann zuvor alle seine Leut / biß auff einen einigen Diener von sich geschaffet / der Edelman / so sich stellete / als wann ihn dieses verdrösse / wolte solche mit Gewalt da behalten: Er möchte aber machen was er wolte / so konte er doch das geringste nicht von dem Kauffmann erhalten / welcher in Erinnerung dessen was er versprechen / dargegen einwendete: Er begehrte keinen andern Aufwärter / als des Edelmans seinen und daß es eine Unhöfflichkeit wäre / einem guten Freund so grosse Ungelegenheit zumachen. Wie nun das Essen fertig / ward er so wol tractirt / daß er entlich sich zu Bett zu begeben begehret / dahin er dann in eine schöne mit Tapezereyen außgezierte Cammer mit Windlichtern / in Begleitung dieser Frauen geführet [457] worden / die dann / aus Befehl ihres Manns / so viel Gedult hatte / mit ihme noch eine Zeitlang Gespräch zuhalten / die sich dann so wohl in die Sach zu schicken wuste / daß sie diesem Kauffmann / deme der Kopff vorhin vom Wein und der Liebe warm worden / das Hertz dermassen gerühret / daß er bald über und über gefallen wäre / weiln er aber nicht weit bey dem Bett gewesen / so erhielte er sich noch für dem Fall. So bald dieser äusserst verliebte zu Bett gangen / ließ diese Dame alle Fenster-Läden zumachen / nahm einen freundlichen Abschied von ihm / druckte ihm die Hand / und sagte: mein Herr / dieweil ihr so ein grosses Vertrauen in uns gesetzt habt / daß ihr niemand von euren Dienern bey euch behalten wollen / so wil ich euch für dißmahl für eine Cammer-Magd aufwarten / und den Schlüssel mit mir nehmen / damit euch niemand an eurem Schlaff hinderlich seyn möge. Als der Kauffmann diesen Vortrag hörte / ward er darüber gleichsam gantz verzückt / weil er vermeinte / daß sie derentwegen den Schlüssel mit sich genommen / umb desto unvermerckter in sein Cammer zu kommen /dergestalt / daß er gar nicht schlaffen kunte / sondern stets mit ihm selbst redete / und sich von einer Seiten zur andern warff / das Deckbett nahm / dasselbe umbfieng / und in seinem Sinn sich die künfftige Lust einbildete / unterdessen hatte der Edelmann / so keine andere Rache von ihm zunehmen begehrte / als ihme einen unaußleschlichen Schandflecken anzuhängen /eine alte Bettel von 100 Jahren / die alle diejenige Vollkommenheiten / die ein solches Alter mit sich bringen kan / an ihr hatte / mit Geld bestochen / deren er / nachdem man ihr genug zu trincken gegeben /ihren kalten Magen zu erwärmen / seiner Frauen gewöhnliches Nacht gewand angethan / und sie wie eine Römische Courtisanin auß staffiret: gegen den Morgen / umb die von seiner Frauen [458] bestimbten Zeit /nahm er sein Jäger-Horn / weckte seine Leuth auff /und begab sich sambt seinen Hunden / auff die Jagd /das übrige seiner Frauen zu vollziehen / überlassend. Mein guter Kauffmann / so dieses Getöß hörete /spitzte geschwind die Ohren / und machte sich fertig /seine Geliebte wol zu empfangen / die dann / so bald ihr Mann hinweg war / zu der Cammer gieng / die Thür gemach auffmachte / und die alte biß zu dem Bett begleitete / die / weil sie ihr so wol auff gewartet sahe / ihr solches für eine grosse Ehr hielte / und in solchen Gedancken sich zu ihm legte / der dann / weil er hefftig für Liebe brante / nicht viel Wort machte sondern sich so wol gebrauchte / daß er die verstorbene Begierde dieser Alten gantz darüber erneuerte: Der Edelmann so sich gestellet / als sey er Jagen gangen /kam bald wieder heim / und berieff seine beste Freunde zu sich / denen er sagen ließ / daß sie eylends kommen / und den Kauffmann / der sich die gantze Nacht über sehr unpäßlich befunden / belachen wolten. Wie sie sich nun ohne Verzug eingestellet / und nicht anderst vermeinet / er wäre schon gestorben / führte sie der Edelmann gerad in des Kauffmans Cammer / welcher von der gethanen Morgen-Arbeit ein wenig Athem holete / wie nun die Fenster auffgemacht / und die Vorhäng in Beysein aller dieser Herren hinweg gezogen worden / sahe man den guten Herrn und diese Alte so hart aneinander liegen / daß wer sie gesehen / hätte meinen sollen / daß es Vulcanus und Venus wäre / ausser daß die Venus nicht so viel Runtzeln gehabt / dessen sie sich dann / und sonderlich der Kauffmann hefftig geschämet: wie nun jedermann vor Lachen kein Wort reden kunte / fieng der Edelman an / und sagte: Ich bitte euch / mein Herr / ihr wollet /wann ihr ein andermahl Frauenzimmer zu lieben begehret / eine andere und jüngere erwehlen. Der gute Kaufmann / [459] der also hinter das Licht geführet / und genug außgelacht worden / wuste anderst nichts zuthun / als daß er ohne Verzug mit seiner langen Nase weggezogen / und hingegangen / den überrest seiner Brunsten unter dem Schatten seines Obdachs abzukühlen.

216. Der glückseelige Bastard
CCXVI. Der glückseelige Bastard.

Man erfähret nicht nur bey schlechter und geringer Leute Töchtern / daß sie die Katz über den Käß lassen / sondern man siehet eben dergleichen an vornehmen Häusern / dessen dann eines Edelmans Tochter ein Zeugnüß geben kan / die sich von einen jungen Kerln beschlaffen lassen / der zwar gegen sie zurechnen / sehr arm aber von schöner Leibsgestalt / und mit gutem Verstand begabt gewesen / welches dann veruhrsachet / daß dieser die gute Neigung / so sie zu ihm getragen / nicht gemercket haben solte / dannenhero er alle Gelegenheit ihr auffzuwarten gesucht /umb ihr seine Liebe gegen sie ebenmäßig zu entdecken / dergestalt / daß sie durch ihre stetige Besuchungen / so vertraulich mit einander worden / daß nichts mehr gemangelt / als ein Mittel zu ersinnen / wie sie beyde in Geheim zusammen kommen möchten / welches ihnen dann nicht schwer gefallen / weil dieser Jungfrauen Cammer in des jungen Kerls seines Vaters Garten hinaußgangen. Diese gute Bequemlichkeit nun machte / daß sie offt beysammen geschlaffen. Solches währete aber nicht lang / daß sie sich nicht schwanger befunden hätte / deßwegen sie ihr ihres Vaters Mägden eine günstig gemacht / und weil sie wol wuste /daß sie verschwiegen war / offenbahrte sie ihr ihren begangenen Fehler / und versprach ihr eine gute Verehrung / [460] wann sie machen würde / daß es ihrem Vater nicht zu Ohren käme / und war das Beste für diese gute Tröpffin / daß sie keine Mutter mehr hatte / welches ihr dann grosse Bequemlichkeit gab / ihren Schandflecken zu verbergen. Wie nun die Zeit / daß sie bald niederkommen solte / herbey nahete / machte sie sich bey zwey oder drey Monahten kranck / unterdessen aber gieng die Magd zu einer Hebam / und erzehlete ihr den gantzen Handel. Diese / weil sie sahe /daß da etwas zugewinnen wäre / versprach ihr allen Beystand / welche / der geschwängerten Jungfrau Willen zu vollbringen / sich für der Magd Baase außgab / und sie offt besuchte / auch so lang bey ihr schlieff / biß die Zeit herbey kommen / daß sie eines schönen jungen Knabens genesen. Nachdem sie also entbunden / gab sie das Kind unter der Hebammen Hand / und befahl ihr solches tauffen zulassen / und fleißige Sorge für dasselbe zu tragen. Dieses alles geschahe / daß ihr Vater im geringsten nichts darvon erfahren / der / als er sahe / daß es mit seiner Tochter wieder besser worden / und vermeinete / daß ihr die Kranckheit daher kommen / weil sie keinen Mann hätte / gab er ihr einen nach ihrem Stand. Nachdem sie aber eine Zeitlang verheurahtet gewesen / und gesehen / daß sie von ihrem Hanrey keine Kinder bekommen konte / bate sie die Hebamme / daß sie ihr offt Zeitung von ihrem jungen Sohn bringen / und ihn in ihr Hauß tragen / jedoch es also machen solte / daß ihr Mann den Possen nicht merckte. Die Hebam gab zu ihren Anschlag / wie sie es mit einander machen wolen zu vernehmen / und gieng zu einer armen Frauen / die sie wol kennete / gab ihr das Kind / unterrichtete sie in allem was sie zu thun hätte. Diese kam nun alle Tage mit dem Kind für dieser jungen Frauen Thür / und forderte [461] ein Allmosen. Einsmahls als sie beede unter der Thür stunden / kam diese arme Frau und begehrte ein Allmosen von ihnen: Wie nun diese junge Frau ihren Mann wol auffgeräumet sahe / sagte sie zu ihm. Sehet mein lieber Mann / wie dieses so ein schöner junger Knab ist / und weil wir keine Kinder mit einander haben / so wolte ich / wann mir diese arme Frau das Ihrige geben wolte / es wie mein eigen Kind auferziehen / und für meinē Page halten. Der Mann gab seinen Willen darein / und sagte / er seye dessen wohl zufrieden / wann die arme Frau drein willigen wolte. Sie fragte dieselbe / die arme Frau aber / so sich stellete / als wann es ihr sehr leyd umb ihr Kind wäre / gabs ihr entlich / und sagte / daß sie die gröste Noht und Armuth darzu triebe. Auff solche weise bekam diese junge Frau ihren Sohn wieder zu sich /und darff man sich nicht darüber verwundern / wann sie ihn als ihr eigen Kind geliebet.

217. Der gestohlene Rock
CCXVII. Der gestohlene Rock.

Ein listiger Kumpe zu Paris gieng einsmahls spatzieren in der Stadt / und als er eines Notarii Hauß offen stehen sahe / gieng er ungescheuet hinein / als wann er der Herr im Hauß währe / und sahe sich auff allen Seiten umb / ob er nichts zu Mausen finden möchte. Zu seinem guten Glück nun sahe er auff einem Schanck ein grossen Rock von geblümten Zeug liegen / davon man wol drey Kleider hätte machen können /weil mehr als 15 Elln dabey gewesen / schauete sich derowegen allenthalben umb / wie er diese Beute davon bringen möchte / daß es niemand gewahr würde / und er nicht darüber in Unglück käme: Weil er nun niemand weder gesehen noch gehört / [462] der ihn daran verhindert / nahm er ihn unter den Arm / und sprang in zweyen Sprüngen zum Hauß hinauß: Im Fortgehen aber kam eben der Herr im Hauß darzu /der / als er ihn so geschwind eylen sahe / ihn fragte /was es währe und was er trüge? Die Noht lehrt ihn einen guten Raht ergreiffen / daß er ihm mit / einem frischen Gesicht / und ohne einige Bestürtzung antwortete: Eure Frau hat mir befohlen / daß ich diesen Rock aufftrennen / und anderst machen / und mich damit eylen solte. Hierauff sagte der Notarius zu ihm: Wolan / lieber Meister / so bitte ich euch / ihr wollet Fleiß daran wenden / welches dann ihm der ander versprochen / und sich mit dem Rock auß dem Staub gemacht.

218. Die hintergangene Eyffersucht
CCXVIII. Die hintergangene Eyffersucht.

Ein junger Mensch von Paris / nachdem er hin und wieder auff Universitäten gewest / kam wieder heim /da er dann ein gute Zeit unverheurahtet geblieben /und in solchem Wesen sich sehr wol befunden / in dem er an allerhand Kurtzweil / wie er nur begehret /keinen Mangel gehabt / und weil er der Weiber List und Betrug / sonderlich derer zu Paris / erfahren /hatte er aus Furcht / daß er zum Hanrey gemacht werden möchte / keine Lust sich zu verheurahten / noch ein Vater zu werden / und einen Erben zu zeugen /sondern stets im ledigen Stand zu verbleiben. Weil er aber entlich bey sich betrachtete / daß er doch zumahl da hindurch muste / und besser wäre / zeitlich darzu kam / als lang zuwarten / so nahm er sich für / ein Weib zu nehmen / ehe er gar nichts mehr taugete /und daß den Weibern nichts mehr Ursach gebe / ihre Männer in den [463] Hanrey Orden zuversetzen / als daß sie nichts könten / über das war in ihm auch die sonderliche Räncke / so die Weiber ihre Kurtzweil zu haben /erdencken / wol bekant / er wuste der alten Kupplerin Schlich und Griffe / so sie unter dem Schein / als brächten sie Garn / Tuch / kleine Hündigen / und dergleichen / zu gebrauchen: Es war ihm nicht unbewust / wie sich die Weiber pflegen tranck zu stellen / wie sie mit ihren Bulen / so ihnen ein Mummen-Schantz bringen / ihre Abrede halten / wie sie in den Herbst ziehen / wie sie ihnen unter dem Vorwand der Verwandschafft eine Außrede zu suchen wissen. So hat er auch den Bocatium und die Celestinam gelesen / bildete sich derowegen ein / er wolte gescheid seyn / und sich so wol versehen / daß ihm keine Hörner aufgesetzt würden. In dieser Einbildung nun machte er ein Creutz mit der rechten Hand / und befahl sich Gott /willens sich eine nach seinem Gefallen / die schön /verständig / und tugendhafftig sey / außzulesen /daran er dann auch wenig gefehlet / dann er nahm eine junge / schöne / reiche und von einer vornehmen Freundschafft / mit der er Hochzeit gehalten / und sie in sein Väterliches Hauß geführet. Er hatte aber eine ziemliche betagte Frau bey sich / die seine Säugamme gewesen / und sich die gantze Zeit in seinem Hauß aufgehalten hatte / Nahmens Peretta / ein listiges und verschlagenes Weib / diese übergab er seiner jungen Vertrautern / daß sie von ihr Haußhalten lernen solte /und sagte zu ihr: Mein liebster Schatz / ich bin gar wol versorget mit dieser Frauen / dann sie ist meine Säugmutter gewest / und hat mir und meinen Eltern grosse Dienst geleistet / diese gebe ich euch zur Gesellschafft zu / dann sie ist sehr Klug / und werdet ihr nichts Böses von ihr lernen. Nachmahls befahl er der Frauen Peretta absonderlich / daß sie [464] sich stets bey seiner Frauen halten / und bey benanter Straff nie von ihr weichen solte / welches sie auch zu thun versprochen. Es begab sich aber / daß unter andern / die in dieses jungen Ehemans Hauß auß- und eingiengen /ein junger Advocat / Nahmens der Herr von Beaufort / auß dem Land Berry gebürtig gewest / die gar gute Freunde zusammen waren / und sich offt miteinander lustig machten / weil sie zugleich auf Universitäten studirt / und unterschiedliche Exercitia gelernet hatten. Dieser Beaufort war auff alle Sättel gerecht / und von jedermann geliebt / weßwegen ihn auch diese junge Frau und er sie wieder gern sahe also daß sie einander zu Bezeugung ihres guten Willens liebliche Blicken zuschickten. Ihr Mann aber / so ihr / weil sie noch gar jung / und erst neulich geheurahtet hatten /nichts böses zutrauete / gab nicht gnau Achtung drauff / sondern war damit vergnügt / daß er sie unter seiner Peretta Verwahrung gelassen: Beaufort so seines Theils auff gelegene Zeit wartete / als er die grosse Vertrauligkeit / die der Mann gegen ihm gebrauchte / und das freundliche Tractament / womit ihm diese junge Frau / mit einer sonderlichen Neigung vor andern begegnete / sahe / fand er einsmahls die Gelegenheit unter dem Gespräch unter andern auch etwas von seiner Liebe zu gedencken / und weil sie in einem Hauß / wo viel Leut gewesen / auferzogen worden / und auff alles Red und Antwort zu geben gewust / redete sie Beaufort mit diesen Worten an: Madame /es kan das verständige Frauenzimmer die gute Neigung ihrer Diener leicht erkennen / dann sie tragen ihre Hertzen jederzeit / wann sie nur wollen / in ihrer Hand / derowegen ist unvonnöthen euch meine Affection was deutlicher zu erkennen zu geben / dann eure unvergleichliche Schönheit / mit so [465] fürtrefflichem Verstand und sonderlicher Anmuht begleitet / veruhrsachet / daß kein Mensch ist / der sein Hertz nicht zu euren Füssen legen solte / und weil so hochtheure Sachen auch einen tapffern Muht erfordern / daß es mir so günstig gewesen / daß es mich zu einer so hochwerthen Persohn geführet / deren ich meine Neigung /so ich zu dergleichen schätzbahren Sachen träge /klärlich darthun möge / und wie ich mich unter allen denen / die ihr / euch aufzuwarten / würdiget / für den geringsten halte: Also bin ich versichert / daß eure Vollkommenheiten / die ich anbete / dasjenige / was mir euch zu bedienen abgehet / überflüßig ersetzen werde: Dann was mein Hertz anbelanget / ist dasselbe euch mit solcher Treue und Auffrichtigkeit zugethan /daß es unmüglich ist / eines dergleichen zufinden /dannenhero ich euch dieses so Augenscheinlich zu erweisen verhoffe / daß euch niemahls gereuen wird /wann ihr mich zu eurem beharlichen Diener werdet auffgenommen haben. Nachdem diese junge Dame /so gar ehrbahr und Leutseelig war / diesen verliebten Vortrag angehöret / hätte sie wol wünschen mögen /daß sie ihre Meynung so wol an den Tag geben können / als sie es im Sinn gehabt / jedoch gab sie ihm mit einer holdseeligen Stimme folgende ihrem Alter nach (worinnen die Weiber gemeiniglich noch etwas furchtsam und schamhafftig sind) genugsam verständige Antwort: Mein Herr / wann ich je willens wäre jemand zu lieben / so dörfte ich mich anjetzo umb keinen andern Liebhaber / als den jenigen / mit dem ich verheurahtet bin / umbsehen / dann derselbe liebet mich so sehr / und hält mich so wol / das ich nicht Ursach habe / an einen andern / als an ihn zu gedencken: Wann aber das Glück über mich verhängen solte /daß ich mein Hertz in zwey Theil theilen muste / so halte ich [466] so viel von dem eurigen / daß ihr nichts begehren würdet was zu meinem Nachtheil gereichet. Das Lob aber / so ihr mir gegeben belangend / stelle ich dasselbe an seinen Ort / und erkenne mich dessen unwürdig / schicke es derowegen deme / wo es herkommen / nemblich euch / wieder zu. Uber das kan ich nicht glauben / daß ihr dem jenigen / der so grosses Vertrauen in euch setzet / und euch so viel gutes thut / diesen Schimpff erweisen werdet / zu dem sehet ihr so grosse Verhinderungen / die euch billig von einem solchen Vorhaben / als das Eurige ist / abwendig machen solten / dann ich habe eine solche Hüterin bey mir / die / wann ich schon etwas Böses thun wolte / so genaue acht auff mich hat / daß ich ohne sie nicht das geringste vorzunehmen wuste. Als Beaufort diese Antwort hörete / ward er darüber sehr erfreuet / vornemblich aber / als er vermerckte / daß ihre Außreden auff die Vernunfft gegründet waren / worunter die Ersten keinen sonderlichen Nachdruck hatten / von den letzten aber diese junge Dame selbsten einen zimblichen Nachlaß gethan hatte / welche Beaufort kürtzlich folgendergestalt beantwortete: Madame / ich habe mich der dreyen Puncten / die ihr angezogen / zuvor wolversehen / und dieselbe reifflich erwogen: Ihr wisset aber / daß die zween Ersten an eurem guten Willen stehen / der Dritte aber auff Fleiß und Behutsamkeit beruhet. Dann was den Ersten betrifft / weil die Liebe so geartet ist / das sie gern mit muntern und höfflichen Leuthen umbgehet / so wollet ihr gedencken / daß ihr doch entlich einen andern / entweder bald oder spet lieben werdet. Weil nun dieses also seyn muß / so ists besser / daß ihr bey guter Zeit die Dienste desjenigen annehmet / der euch wie sein eigen Leben liebet / als daß ihr unter eines falschen Menschen Gewalt gerahtet / der eure [467] Ehre nicht so wol /als sie werth ist / in acht nimbt. Den andern belangend / so ist dieses ein solcher Punct / der schon von längsten von denen / so da wissen / was lieben ist /wiederlegt worden: Dann wegen der Liebe / so ich zu euch trage / ist es so fern / daß ich eurem Vertrauten hierdurch eine Unehre anthue / daß ich ihme vielmehr hierinnen eine Ehre beweise / wann ich von Hertzen liebe / was er liebet / dann dieses ist ein Kennzeichen der wahren Freundschaft / wann zwey Hertzen einerley Ding lieben und könnet ihr wol gedencken / wann wir zween einander Feind / oder nicht so vertraute Freunde wären / würde ich nicht so gute Gelegenheit haben / mit euch zu reden / welches dann euch bewegen soll / das Feuer / so mich gantz verzehren thut /zu leschen. Was nun den Letzten berühret / so wisset ihr wol Madame / daß zweyen Edlen und der Lieb ergebenen Hertzen nichts unmüglich ist. Diesem nach wuste Beaufort bey dieser jungen Damen sein Wort so scheinbahrlich vorzubringen / daß sie sich überwunden geben muste / und nichts mangelte / als ein Mittel zu ersinnen / wie sie ihr Verlangen erfüllen möchten: Sie konten aber solches für der Peretta / so ihrer gar zu fleißig hütete / nicht zu werck richten /dann sie hatte zwey scharffe und zu aller List abgerichtete Augen / daß alle Erfindungen / die Beaufort seines Theils erdachte / umbsonst und vergebens waren / jedoch besann er sich auf etwas / so ihn nicht gar uneben zu seyn bedünckte / welches dieses gewesen: Er vertraute einem Kauffmann / so mit Seiden Waaren handelte / so sein guter Freund / und noch ledig war / und nicht ferne von der Brücken unser lieben Frauen wohnete. Am Allerheiligen-Tag nun /gieng diese junge Dame von der Liebe begleitet / wie es unter ihnen abgeredet worden / umb die Predigt Zeit aus ihrem Hauß / [468] einen Doctor / so bey S. Johan predigte / und einen grossen Zulauff hatte zu hören /ihr Mann aber blieb / wegen etlicher Geschäfften / daheim / wie sie nun für des Herrn Henrichs (also hieß der Kauffmann) Hauß furüber gieng / und ihr (dem angestelten Geheimnüß gemäß) ein Zuber voll Wassers über den gantzen Leib gegossen / welches so unvermerckt verrichtet worden / daß jederman so es gesehen / vermeinet / es sey von ungefehr geschehen. Ach Gott / sagte sie / Frau Perrette / ich darff mich vor niemand sehen lassen / was soll ich machen? Gieng hierauff geschwind in Herrn Henrichs Hauß /und sagte zu der Frau Perrette / meine Freundin / lauffet hurtig / und bringet mir meinen mit Schaffsfellen gefutterten Rock / ich wil eurer hier bey dem Herrn Henrich warten. Die Alte gieng hin / und die Dame hinauff / da sie ein gutes Feuer fand / so ihr Liebster anmachen lassen / und ein Bett darneben / auf welchem sie sich miteinander caressirten biß die Alte hin und wieder gingen / und den Rock sambt anderer Zugehör mit gebracht. Der Mann / so zu Hauß geblieben / und die Perrette in der Cammer gehöret / welche ihm aus Furcht / daß er zornig werden möchte / nichts darvon gesagt hatte / gieng hinauff zu ihr / und fragte sie / wo seine Frau wäre? Die Perrette erzehlte ihm alles was vorgangen / und daß sie kommen wäre / andere Kleider für sie zu holen. Daß dich dann der Teuffel hol / sagte er / und ließ sich gleich nichts gutes träumen: Dieß ist abermahl ein neues Stücklein / so ich nicht auffgeschrieben / da ich doch vermeinet ich wüste sie alle: Ich bin nun wol außgeziert / und mag dieses wol eine unglückseelige Stund seyn / in der ich zum Hanrey gemacht worden. Gehet geschwind wieder hin / dann ich will ihr das übrige durch den Jungen schicken. Die Frau [469] Peretta that solches / es war aber schon zu spät / dann Beaufort hatte schon ein Theil seiner Geschäfte verrichtet / und sich durch die Hinter-Thür / als er der Peretta Wiederkunfft durch die bestelte Schildwacht / berichtet worden davon gemacht / also daß die Peretta im geringsten nichts warnehmen können: Dann ob wol diese junge Dame etwas röhtlich außgesehen / so hat sie doch vermeinet / daß solches von der Hitze des Feuers geschehen /deme auch also gewesen: Es war aber ein solches Feuer / so sich nicht durch Wasser aus dem Bach leschen lassen.

219. Der stehlende und bestohlne Dieb
CCXIX. Der stehlende und bestohlne Dieb.

Brandezze war aus einem guten Geschlecht der Landschafft Guyenne / von einem ehrlichen Vater. Als aber sein Vaters todsverblichen / ward er einem seiner Vettern / der völlige Gewalt über ihn genommen / zu versorgen untergeben. Doch währete dieses nicht lang /angesehen / er bald seinen Ernst sincken / auch bald hernach ihn nach seines Willens Begierden lauffen ließ. Brandezze / solcher Freyheit bereits gewohnet /sahe / daß ihn sein Vetter eines Tages zwingen wolte /da nahm er ihm vor / eine Reiß nacher Bordeaux zuthun / dieselbe Stadt zubesehen / stahl ihm eine grosse Summa Geldes / und begab sich heimlich aus dem Hauß / daß niemand / als ein kleiner Lackey / seiner gewahr wurde / zur Wiedervergeltung aber dieses Diebstals muste er in vielerley Unglück / wie wir vernehmen werden / gerahten. Der erste Orth / dahin er zu reisen vor hatte / war Bordeaux / alldieweil er in seinem Vaterland davon hatte reden hören / als er daselbsten eine Zeitlang zubrach / bekam er eine Lust nacher Pariß zu reisen. Unterwegs aber kehrete er in ein Wirths-Hauß ein / darinnen einer wohnete / welcher gemeiniglich [470] die Wandersleut erbärmlich erwürgete. Solcher Orth war nahe an dem Fluß Loyre gelegen. Brandezze / der weder des Wirths / noch der Herberg wegen einigen Argwohn gefasset / nahm seine Mahlzeit zu sich / und geschahe ungefehr / daß er daselbst einen Priester / so von Paris kommen war /antraff / und verkürtzeten sie den Weg mit gutem Gespräch. Als sie aber beyde zu Nacht gegessen / wolte ein anderer Kauffmann von Orleans kommend /gleichfals darinnen seine Herberg suchen / und hatten wegen der Untreu / so man an ihnen vernehmen wolte / zumahl keinen Argwohn. Nachdem sie nun ihr Abendmahl eingenommen / begehreten sie sämptlich schlaffen zugehen / man führet sie alle drey in eine Kammer / darinnen drey Bette stunden / und erwehlete ein jeder eines vor sich / darauf sie dann / als sie die Kammer-Thür zugeschlossen / sich zur Ruhe begeben. Der Wirth aber hatte eine verborgene Thür /die in besagte Kammer gieng / durch welche dieser grausahme Lycaon seine Gäste zu ermorden eingieng. Wie nun die Mitternacht vorüber / und der Schlaff die empfindlichkeit der Männer gefangen hielte / kam der Wirth unvermerckt durch seine verborgene Thür in die Kammer / und besiehet ein Bett nach dem andern /Brandezze war eben damahl ungefehr wacker / und vermochte wegen des Getümmels / so er die gantze Nacht durch gehöret / nicht zuschlaffen / er erblickte den Hauß-Wirth sambt drey andern / welche gantz leiß in der Kammer herumbgiengen / und an dem nechsten Bett sich aufhalten thäten. Dieses setzte ihn in Zweiffel / ob sie etwan was thätliches wieder sein Leben vornehmen möchten / darumb fieng er an sich zu stellen / als wann er schnarchete / und in einem tieffen Schlaff lege / doch empfund er in seiner Seelen gewaltige Stiche / von wegen / daß er in dieser Stund sich seines Leben befahren / [471] und in eine so starcke Zubereitung zu dessen Verlust vor Augen sehen muste. Als nun dieser Tyrann die Bette seiner Gesellen besichtiget hatte / kam er auch zu dem seinen /und betastete sein Fleisch / umb zusehen / ob dasselbe fett und zart wäre. Brandezze wuste nicht / wie er sich in solchem Fall recht verhalten solte / dann er durffte nicht Athem schöpffen / und muste sich jedoch stellen / als wann er schlaffen thäte. Nachdem sie ihn nun wohl betastet / sagten sie untereinander / daß er nicht von guter Matery / der andern Fleisch aber viel besser und frischer wäre / giengen derowegen wiederumb zu dem Beth seiner Gesellen / und erwürgeten gantz elendiglich so wol den Priester als den Kauffmann / die da schlieffen. Brandezze war / solch Unglück anzusehen / sehr bestürtzt / die Furcht nam ihm das Hertz ein / und wuste nicht / ob er / weilen die Thür offen war / die Flucht nehmen solte / dieweil er befürchtete / man möchte ihm nachlauffen. Wartete also auch eben dergleichen / wie seinen Gesellen / so er hinweg tragen sahe / wiederfahren / zu empfangen /wie er dann nicht verhofte zu entgehen / doch war ihm der Wirth viel gnädiger / dann den andern / indem er ihn aus dem Beth steigen heist / auch nach dem er ihm seine neuntzig Kronen abgenommen / führete er ihn unten über eine Gallery / daselbsten hatte es eine Fallbrücke / in Gestalt einer Ratten-Fall / welche sich ab-und auffließ / da fiel er hinunter / und befand sich in einer wüsten Gassen. Nun war er wol sehr erschrocken / daß er in solchem elenden Zustand kein Losament hatte / doch war er auch wiederfroh / daß er einer solchen Gefahr entwischet. Wie er nun in solcher abgelegenen Gassen sein Elend / darin er gerahten war / bey sich selbst beweinete / höreten ungefehr zween Diebe sein Wehklagen / naheten sich derhalben zu dem [472] Orth / da sie das Seuftzen des Brandezze vermercketen und als sie seiner in einem Winckel / da er seinen Verlust betraurete / gewahr wurde / fragten sie ihn was die Ursache seines Klagens wäre / u warumb er so spaht sich an diesem Ort befünde? Er gab ihnen zur Antwort / wie ihn der Wirth des nechsten Wirths-Hauses solcher gestalt tractiret / nachdem er ihm auch das beste seines Gelds hinweg genommen hatte. Uber das erklärete er ihnen auch / welchermassen man einen Priester und Kauffmann / so in eben derselben Kammer gelegen / jämmerlich ermordet /ihn aber von oben herab an diesen Orth geworffen hätte. Sie thaten gleich als wann sie ihn trösten wolten / und sagten / daß man sich nicht also in Weinen und Seuftzen verzehren muste / nicht so wär es wohl /daß ihm das Unglück ein hartes versetzet hätte / die Gedult solte ihm aber gegen solche Wiederwertigkeit zum Schild dienen / und wann er mit ihnen gehen wolte / sie versuchten ihme zu bezeugen / daß er mit ihnen theil haben solte / gleich ihnen zu leben. Auf solch Versprechen folgete er ihnen / und wartete eine Zeitlang mit ihnen an einer Ecke / nicht wissent / was sie zu thun vorgenommen / angesehen / daß er bey Dieben zu seyn / ihm nicht einbilden konte. Nachdem sie aber lange Zeit verzogen / und niemand vorüber gieng / nahmen sie einen andern Weg mitten durch die Stadt / und stunden gerad gegen einen Brunnen über /da bekam er ein Lust sich zu erfrischen / dieweil aber die Eymer hinweg wahren / sprach einer zu Brandezze / daß er sich den Brunnen hinab ziehen lassen und ihm Wasser holen muste. Brandezze bedachte sich /ob er den Brunnen hinab steigē solte / befürchtete sich auch / daß es Mühe kosten würde / ihn herauf zuziehen / [473] oder ob man ihm vielleicht / wann er darunten sein würde / einen schlimmen Bossen reissen würde /dannoch ließ er sich durch des andern Bitten bezwingen / und machte sich zum Brunnen / man läst ihn biß auff den Grund hinab / nun begab sichs ungefehr /daß als bereits Wasser geschöpffet / gieng die Wacht vorüber (dann es war eben zur selben Zeit / da man von Empörungen redete) wie aber die zween der Runden ansichtig wahren / liessen sie das Seyl fahren /und lieffen davon / und wann Brandezze sich nicht auff einen Stein in dem Brunnen festgestellet / hätte er ersauffen müssen. Als er nun geruffen / und keine Antwort haben können / bildete er ihm ein / daß sie ihn mit Fleiß in dem Brunnen gelassen hätten. Wie nun die Wacht vorüber gieng / kam den Schersanten auch ein Lust zutrincken an / befiehlet demnach zween von seiner Rotte / ihme Wasser zu ziehen: Sie gehen dahin / und weil sie meynen / der Eymer sey unten im Brunnen / fangen sie an zu ziehen: Brandezze davor haltende / als wann seine Gesellen ihn auff ziehen wolten / ergriff alsobald das Seyl und ließ sich hinauff ziehen / diejenige / welche das Seyl zogen /liessen noch zween andere / ihnen zu helffen kommen / und sagten / es muste was sonderliches in dem Eymer seyn / weil er sonsten nicht so schwer wäre /zuletzt ziehet man Brandezze herauß / es hätte aber wenig gefehlet / daß er nicht währe wieder in den Brunnen gefallen / dann so bald die Soldaten ihn sahen / erschracken sie / und lieffen davon. Brandezze aber war inzwischen sehr froh / daß er aus dem Brunnen kommen / massen er auch so wolfeyl davon zukommen / nicht vermeynet hatte. Worauff er eine Zeitlang auff seine Gesellen wartete / wie sie dann entlich kamen / ihn antraffen / und wie er herauß kommen wäre / ihn frageten. Brandezze aber war noch zu einem weit grössern Anschlag bestimbt. [474] Darbey dann in acht zunehmen / daß vier oder fünff Tag zuvor /ehe er in die Stadt kommen / der Bischoff desselben Orths mit Todt abgangen / und wahren auch die Gesellen des Brandezze bey dem Begräbniß gewesen /hatten wahr genommen / daß man ihn mit seinem Bischoffs-Stab und einem Ring / von grossem Werth /beygeleget hatte. Diese Beute erhitzete sie / und hatten bereits beschlossen / den Grabstein auff zu heben / und ihme seinen Ring zu sambt dem Bischoffs-Stab hinweg zunehmen. Noch mehr aber waren sie darzu angetrieben / als sie sich in des Brandezze Gesellschaft befanden / wie sie ihm dann auch andeuteten /daß er sie nothwendig in einem Anschlag / so sie zu Gemüht gefasset / begleiten müste. Brandezze / welcher lieber aus ihrer Gesellschaft gewesen wäre / war gezwungen / ihnen zufolgen / darauff führeten sie ihn zu der Kirchen / die nahe an das Wasser gebauet ist /in welche besagter Prälat begraben worden / machten mit ihrem Diebs-Instrumenten die Thür auff / und liessen nach eröffneter Thür / Brandezze in die Kirche gehen / und sprachen zu ihm / daß man nicht mehr als den Stein aufheben dürffte / auch daß ein Gewölb daselbst wäre / nur allein / daß er den Ring und Bischoffs-Stab mit sich bringen muste / oder aber / daß er in Todesgefahr wäre. Brandezze mehr über ihren Dräu-Worten erschrocken / als durch den Gewinn angetrieben / wolte ihnen in solchem Stück gehorsamen / gienge derowegen in die Capell / darinnen des Bischoffen Leichbare stunde / mit den Eysen / so sie bey sich hatten / hebten sie den Stein / der den Eingang des Gewölbs bedeckte / hinweg: Da war Brandezze aufs neue bestürtzet / er möchte nicht in besagte Höle gehen / aber seine Gesellen bedroheten ihn des Todes / unterdessen blieb er im Zweiffel / und durfte weder forth / noch zurück gehen / entlich aber hatte das [475] so offt wiederholte Gebot seiner Mitconsorten so viel Gewalt über ihn / daß er hinein gieng. Als er aber biß auff den Grund der Hölen kommen war / legte er seine Hände an den Leichkar des Prälaten / und nahm den Diel hinweg. Darbey man dann abnehmen kan wie gefährlich es ist / sich zu böser Gesellschaft zu machen /dann das veruhrsachet offtmahls / uns an solche Sachen zu machen / die wir sonst verworffen hätten. Als nun Brandezze den Bischoffs-Stab und den Ring bekommen / machte er sich wieder zu seinen Gesellen /die seiner mit steiffen Fuß am Eingang des Grabes warteten / mit vorwenden / daß er zwar den Bischoffs-Stab mit bringe / aber der Ring währe nicht in dem Leichkar (dann er wolte den Ring vor sich behalten /und damit das Geld / so ihm der Wirth geraubet / wieder ersetzen) sie hingegen / als welche wusten / daß der Ring mit in das Begräbnüß eingeschlossen worden / gaben ihm zur antwort / daß derselbe unfehlbahrlich darinnen währe / muste demnach zum andernmahl hinein steigen. Wie er nun hinein kommen war / giengen zwo Personen vor der besagten Kirchen nechst über / und als sie dieselbe offen fanden / hielten sie sich ein wenig auff / umb zusehen / was darinnen vorgehe. Die Diebs Vögel wurden dessen innen /liessen derowegen den Stein allgemach niedergehen /und schlossen damit das Grab zu. Damahlen meinete Brandezze vor Furcht zu sterben / daß er also in dem Grab sich muste eingeschlossen sehen. Dann immittelst die Diebe die Flucht genommen / hatte Brandezze die Kräffte nicht den schweren Stein aufzuheben /muste derwegen biß Morgends darinnen verbleiben /da dann das Volck / die es gewahr wurde / daß der Stein verrücket / das Grab aufthat / und den Dieb /der den gantzen Handel bekante / darinnen stecken fand.

220. Die bestohlne Bürger
[476] CCXX. Die bestohlne Bürger.

Es begab sich einiges Tages / daß / als zu Paris viel Volks sich versamblete / einer von dem Vortrab der Brücken / auf der Pfaffen Wiesen mit andern spatzieren gieng / zweiffelsfrey / zu versuchen / ob er seine Nachtmahlzeit gewinnen möchte. Demnach gieng er auff alle Seiten der Spatziergängen nahe an dem Wasser / als an welchem Orth damahlen sich eine ziemliche Anzahl junger Pursch badeten. Er wante alle seine Kräfften an / umb zu sehen / ob er etwan ein Kleid oder Mantel ertappen könte / aber dieweil er in acht nahm / daß man gute Wacht hielte / hatte er keine Hoffnung / etwas an selbem Orth zuerhaschen. Zu letzt / als er an der Vollziehung seines Vornehmens verzweiffelte / kehrete er wiederumb / und nahm seinen Spatziergang die Länge des grossen Wegs / so sich von Anfang der grossen Pfaffen-Wiesen / auff der Seiten der Königin Margarethen-Hoff / biß zu Ende der Wiesen erstrecket / daselbst folgete er einem Bauersmann / so neulichst auß der Landschafft Brien kommen / er gesellete sich zu ihm / und unterhielte ihn eine Zeitlang mit gutem Gespräch / auch so gar /daß er bereits gute Hoffnung über seinem Vornehmen schöpffete / und etwas von besagtem Bauern zu erhaschen vermeinete. Wie sie aber also mit einander spatziereten / und der Bauer zumahl an den Bossen nicht gedachte / begab sich ungefehr / daß ein anderer aus Brien obbemeltem Bauern begegnete / und weilen er seiner Kundschafft hatte / führete er ihn mit sich. Da wante sich dieser Räuber auff die Gänge / so gegen dem Hospital der Liebe sind / fand aber zumahl keine Ursach daselbsten zu verbleiben. Er setzte sein Glück forth / und als er von weitem eine Gesellschafft von Bürgern ersehen mit der Kugel spielen / [477] machte er sich zu ihnen / in Hoffnung / wann sie ihr Spiel würden zu End gebracht haben / das Seinige anzufangen. Wie Er ihnen nun eine Zeitlang zugesehen /begab sichs / daß etliche unter ihnen das Spiel verlohren / da fieng man an von dem Abend-Zehren zu handeln / ein jeder machte sich zum Abzug fertig / der Orth / da die gantze Gesellschaft / deren wol 12 Persohnen wahren / solte zusammen kommen / war in der Vorstadt S. Germain / in einem der besten Wirths-Häuser / so in bemelter Vorstadt zu finden / bestimmet. Der Raub-Vogel / der den Orth ihrer Zusammenkunfft / auch daß sie Lust zu Abend zu zehren hatten /angehöret / beschloß bey sich / seinen Nutzen darbey zu suchen / gieng deßwegen unvermerckter Sachen von ihnen / und kam vor ihnen in besagtes Wirths-Hauß / befahl auch daselbst eine Collation vor 12 Nahmhafte Persohnen zu zurichten. Der Wirth vermeinete / dieser Mensch wäre zu ihm / umb sich desto geschwinder fertig zumachen / abgeordnet / und machte seine Anstalt / sie aufs beste zu empfangen: Als solches vorgieng / kam die Gesellschaft angetretten; Er befahl / daß man die Collation auffstellen solte / das war aber die bequeme Zeit / da der Raub-Vogel ihrer gewärtig war / dann als sie in den Hoff traten /sprach er zu ihnen: Ihr Herren / gebet mir euere Mäntel / und gehet hinauff in die erste Kammer. Darauff die Bürger / weiln sie ihn nicht kanten / und ihn vor den Hauß-Knecht hielten / ihm die Mäntel gaben /und giengen ohne einige böse Gedancken hinauff in die Kammer. Als solches vollbracht / gehet er wieder in die Küche / leget die Mäntel auff Seit / unterdessen aber wartet man ihnen auff / die Tische werden gedeckt / die Collation wird zugerichtet und aufgetragen / sie nehmen ihre Stellen ein / und fiengen [478] darauf an sich lustig zu machen / der Räuber aber dienete zu Tisch / und hatte seine Salveten auff der Schulter liegen. Der Wirth vermeinte / ob thät er ihnen zustehen /sie hergegen bildeten ihnen ein / als wann er einer von den Haußgenossen wäre. Nach eingenommener Collation wolte der Dieb vor seinem Abzug auch etwas davon versorgen / zechte deßwegen sehr wohl von dem überbliebenen / und nach Verrichtung seiner Mahlzeit / nimbt er die beste Mäntel machet sich auß dem Wirths-Hauß / und gehet in die Stadt / daselbsten sich seiner Last zuentladen. Da nun die Bürger ihre Lust verrichtet / und eine Zeitlang mit Gespräch in dem Wirths-Hauß zugebracht hatten / begehreten sie mit dem Wirth zu rechnen / wie er dann sich auch einstellete / und nach Einnehmung des Geldes wie er mit ihnen darüber einig worden / nahm er von der Gesellschaft Uhrlaub. Dieselbe giengen zur Stund hinunter in die Kammer / wie sie aber ihre Mäntel fordern / erschracken sie hefftig / daß sie von dem / so sie suchten / nichts finden solten. Der Wirth aber entsetzte sich am meisten darüber. Dann er hielte darvor / daß der / so den Raub davon getragen / von ihrer Gesellschafft und ihnen zuständig wäre: Sie hinwieder stunden in der Meinung / als ob der Dieb ins Hauß und in den Schutz des Wirths gehörete. Solche Einbildung verursachte beyderseits eine grosse Verwirrung. Der Wirth machte sich der Bürden damit loß / daß seinem Bedüncken nach der Dieb mit ihnen kommen währe. Die andere hergegen erzürneten sich über ihn / und waren böß / daß sie ihre Mäntel verlieren solten / und fehlete wenig / daß sie nicht in seinem eigenen Hauß mit Gewalt ihn übernommen hätten.

221. Die entwandte Tapezereyen
[479] CCXXI. Die entwandte Tapezereyen.

Es haben die Räuber an allen Orthen der Stadt Paris ihre Plünderungen angestellet / und weder den Kirchen / noch Prälaten ihre Ehre erzeiget; Dann sie in unterschiedenen Kirchen ihre Thaten vollzogen / und dadurch den Orth / da man Gott würdiglich dienen solte / verunheiliget. Mann hat aber von dergleichen Verwegenheit nicht leicht reden hören / als diese ist /davon ich in diesem Capitel Meldung thun wil / selbe ist bey einem alten Prälaten besagter Stadt vollbracht worden. Dieser folget gemeiniglich dem König in seinen Cantzeleyen / und hatte unter denen seines Stands eine von den grösten Seelen innen / daß er also von vielen Privat- und gemeinen Geschäften halber / so von ihm abgehandelt wurden / besuchet ward. Als er nun einiges Tages neben vielen Standspersohnen / so ihn Theils seines Zutritts zugeniessen / theils wegen andern Geschäften besuchten zu Hauß war / beschlossen zween Räuber / die Tapezerey besagten Prälatens offentlich hinweg zunehmen. Dieses war ein Anschlag vor grosser Wichtigkeit. Dann der Saal war allezeit voll Leut / die solches hätten entdecken können. Nichts destoweniger giengen sie mit zween andern Räubern in besagtes geistlichen Herrn Saal / als er mit seinen Leuten in seinem Stübgen war / und tragen ohn alle Scheu vor allem Volck die Tapezereyen auff vier Läste hinweg. Niemand hielt sie auff / dann die in dem besagten Saal spatzieren giengen / bildeten ihnen ein / es wäre etwan der Teppichmacher des Prälaten / der bemelte Tapezerey abholete. Sie wahren aber von ihrer Einbildung weit entlegen. Dann [480] als der geistliche Herr gesehen / daß seine Tapezerey hinweg war / fragte er / ob sein Teppichmacher in seinem Hauß gewesen wäre? Deme dann etliche / wie sie ihn gesehen hätten / zur Antwort gaben / liessen deswegen solche Gedancken eine Zeitlang fahren / angesehen / daß er vermeinete / etwas an besagten Tapezereyen zurecht zumachen / und sein Mann daran zu arbeiten sie würde hinweg getragen haben: als aber drey Tag verflossen / gieng man zu dem Teppichmacher umb zusehen / ob die Tapezereyen wieder zugerichtet worden / man erfuhr aber / daß er keineswegs daran gedacht hätte / sondern / daß es etliche Raub-Vögel musten gethan haben. Wie nun solches wahr befunden war / fieng man an allen Orthen nachzuforschen / und eben als des Prälaten Diener unter die Hallen / daselbst etwas neues davon zuerfahren / giengen / traffen sie eben die Pürschlein an / die besagte Tapezereyen einem Altgewanter verkauffen wolten / und den Kauff bereits geschlossen hatten. Man fassete sie alsbald bey dem Halß / führete sie ins Gefängnüß / und wie sie daselbst starck torquiret wurden / begangen sie den Diebstall / darauff wurden die Tapezereyen ihrem ersten Herrn wieder zugestellt / die Diebe aber wurden wegen solcher verwegenen That durch Erkantnüß / Urtheil und Recht verdambt / das übrige ihres Lebens auff den Galleer zu zubringen.

222. Das betrügliche Maulschloß
CCXXII. Das betrügliche Maulschloß.

Sabierres hatte in seinem Vaterland viel Gewaltthätigkeiten / Plünderung und Todtschläge verrübet / war auch bereits / weil man ihn so wol zu Pferd als zu Fuß suchte / zu unterschiedenē mahlen sich [481] aus dem Staub zumachē gezwungen. Solches aber gab ihn Gelegenheit sich von dar zubegeben / und dieser Orth zuerheben / doch war er so bald nicht ankommen / da er zugleich viel greuliche Thatē verrichtete / welche ich allhier zu ewigen Merckzeichen des grossen Fehlers /den die Eltern / wann sie ihre Kinder nicht bey zeiten straffen / begehen / auff zeichnen wil. Als nun Sabierres zu Paris angelanget / fieng er an zu plündern und brachte nicht lange Zeit zu / daß er nicht solte zu den Beutelschneidern / deren diese Stadt voll ist / sich gesellen: In welcher Zunfft er dann unterschiedene Proben seiner betrieglichen Einfällen sehen ließ. Die erste That verübete er zu St. Mederich / da auff einen Festag ein herrlicher Mann predigte / dahin ein gewaltiger hauffe Volcks / umb dessen Wolredenheit anzuhören / kam / Sabierres kam auch daselbst hin / neben andern seinen Zunfft-Gesellen / die allgemeine Schluß-Regel der Beutelschneider in acht zunehmen /die da ist: Je mehr Volck und Geträng bey handen ist /je besser ist das Beutelschneider-Handwerck zutreiben. Er sorgte / bey Zeiten einen guten Platz einzunehmen / damit / wann er zuspätt sich dahin begeben möchte / er nicht hinein kommen könte. Wie man nun auff die Predigt wartete / und im Verharren des Predigers in einem andächtigen Buch zu lesen pfleget /wolte er solches nach äffen. Wunderlich aber ist zuvernehmen / was vor einen Fund er darzu gebrauchet hat. Dann er hatte von Wachs künstlich zugerichtete Hände / die hängte er an den Halß / und ließ sie vor seinen Mantel herauß gehen / damit hielt er ein Buch /auff welches er auch sein Gesicht richtet / als ob er darinnen lesen thäte. Mitlerweil machte er sich nah zu einem Weib / welche ein silbern vergültes Uhrlein von grossem Preiß angehängt hatte. Dieselbe / weil sie ihn mit einem Buch in Händen haltende / ansahe /[482] bildete ihr nicht ein / daß er noch andere Hände unter den Mantel haben solte. Aber der listige Fuchs hatte sie gar bald ertappet. Dann / wie er ein wenig auf die Seit sahe / streckte er seine Hände nach dem Uhrlein /inzwischen / daß die zugerichtete Hände das Buch hielten / schnitte dasselbe so subtiel ab / daß es besagte Frau nicht ehe als eine halbe Stunde darnach gewahr wurde / und ob sie schon deswegen viel Nachfragens hatte / halff es doch nichts / alldieweil der Gesell die Thür zur Hand genommen / und sich an einen andern Orth begeben / allwo er deßgleichen Stücklein an einer andern Bürgerin aus der St. Martins Gassen begieng / und derselben / in dem er sich anmassete /alswann er sein Gebeth verrichtete / den Beutel abschnitte. Das war nun sein erster Griff / so er zum Beutelschneiden erfunden hatte / deren sich folgends viel seiner Gesellen / wie sie aus der Erfahrung dessen Güte erlernet / gebrauchet. Sie lassen ihnen Hände von Holtz mit Schlossen und Gewerben machen / und bedecken dieselbe mit Handschuhen / welches ihnen dann eine Zeitlang volgelungen / doch ist es mit der Zeit abgangen / sintermahl die Welt von Tag zu Tag klüger wird. Sabierres fieng an einen grossen Nahmen unter den seinen zu erlangen / gestalt sie ihn auch zum Leutenant machten / da er dann zu unterschiedenen mahlen erwiese / daß die Gasconier sehr verschlagene Köpffe sind. Der andere Streich / den er zuwerck richtete / geschahe in S. Germains-Kirchen / da er im Chor / als man sich zur Procession und Umbgang gefast machte / ein grosses Stück um den von einem Damaschen Meßgewand schnitt / und war jedoch / der dasselbige an hatte / dessen nicht anders innen / als daß er / wie er fortgehen solte / vermerkte daß sein Meß-Rock von fornen viel länger / dann hinten war. Solche Geschwindigkeit trieb er zu vielenmahlen / [483] so wol im Gerichts-Pallast / als andere grossen Plätzen /und vornehmlich in St. Germains Messe / da geschahe es zum öfftern / daß einer seinen Mantel halb hinweg geschnitten / sehen muste. Dieses aber war gegen das / so er ihm nachgehends in Sinn nahm / nicht zurechnen / er hatte Kundschafft zu einem Schlösser / der ein sehr kluger Meister war / nun ließ er bey demselben ein Instrument machen / und nennet es Würgbieren / ich aber mag es wol ein recht Teuffelisches Instrument nennen / welches so wol zu Paris / als durch gantz Franckreich / viel übels gestifftet. Dasselbe war in Gestalt einer kleinen Kugel zugerichtet / welches sich durch gewisse inwendige Gewerbe also auffthat /und außbreitete / daß man es in keinerley Weiß wieder in vorige Form bringen konte / als allein durch einen Schlüssel / welcher zu solchem Ende gemacht war. Sabierres war der Erste / der dieses Fündlein zuwerck richtete / und zu vorfallenden Begebenheiten brauchte. So bald man einem solche Bieren in Mund gestecket / thate / sich selbe auf / und war unmöglich sie anders / als durch besagten Schlüssel herauß zubringen. Der Erste / der die Invention der Würgbiern versuchte / war ein reicher Bürger / Lionne genant /so umb die Gegend des Königlichen Platzes wohnhafft / der Lieutenant Sabierres hatte nach seiner Listigkeit von dem alten Bürger erfahren / daß er grosse Schätze hätte: Darumb erwehlete er ihm einen Tag /da des Bürgers Hauß-Gesind insgesambt auf seinen Feld-Gütern / er aber allein nebens seinem Kammer-Diener und Lackeyen zu Hauß war / da kam er mit dreyen seiner Gesellen begleitet in das Hauß Lionne /da er dann zu allem Unglück niemand als seinen Lackeyen bey sich hatte. Dieser vermeinete / es wären Edelleut / sagte es seinem Herrn / der dann noch zu Bett war / an / und liesse sie unterdessen [484] in den Saal gehen. Wie sie nun daselbsten eine Zeitlang verharreten / berahtschlagten sie untereinander / wie sie doch die Sach anstellen solten / ein Theil begehrete /den Lionne umbs Leben zu bringen / der andere Theil hielte das Wiederpart. In währendem Wortgezänck kam Lionne / und fragte sie / was ihr Belieben währe /Sabierres nimbt ihn bey der Hand / und führet ihn besonders mit diesen Worten: Herr ich muß euch nothwendig / umbbringen / oder ihr müsset uns geben /was wir begehren. Wir sind arme Soldaten / und dieweil wir keinen andern Handel jetzund haben / werden wir gezwungen / uns dergestalt bey Leben zu erhalten. Wie nun Lionne solchermassen überrumpelt ward / wolte er zwar umb Hülff wieder solche Räuber schreyen / es lieffen aber alsobald die andere drey hinzu / und fasseten ihn so hart / daß sie ihm auch den Mund mit Gewalt aufthatē / und die Würgbieren hinein brachten. So bald sie nun darinnen war / that sie sich auf / und gieng das Schloß loß / veruhrsachte auch darmit / daß der arme Lionne wie eine Bildsäule ward / thate das Maul auf / er konte aber weder schreyen noch reden / als nur mit der Augen Geberden seinen übelstand zu bezeugen. Hierauff nahm ihm Sabierres die Schlüssel aus seinem Sack / und raffte nach auffschliessen des Tresurschrancks zween Säck mit Pistoletten zu sich. Und solches vor den Augen des Lionne / in was Aengsten er damals gewesen wegen Beraubung seines Guts / und der Schmertzen von dem Instrument / je mehr er dasselbe aus seinem Mund zubringen / sich bemühete / je weiter sperrete es sich von einander / ist leicht zu dencken. In solchem Zustand konte er nichts anders vernehmen lassen / dann nur die Raubvögel mit Zeichen und Wincken zu bitten / daß sie ihm das Instrument aus dem Mund heraußziehen wolten. Sie aber machten [485] sich mit seinem Geld davon / nachdem sie ihm seine Schlüssel zum Tresurschranck gegeben hatten. Als sie nun Lionne aus seinem Hauß gegangen sahe / fieng er an den Nachbahrn mit Zeichen / wie man ihn beraubet hätte anzudeuten; Er verschaffete / daß etliche Schlösser kommen / und die Würgbiern durchfeilen aus dem Mund zubringen / versuchten. Aber jemehr sie daran arbeiteten / jemehr Schmertzen machte ihm dieselbe /massen dann von aussen Spitzen daran waren / die ihm ins Fleisch giengen / muste demnach biß auff den folgenden Tag in solchem Zustand verbleiben / unterließ indessen nicht allerhand Kunst-Mittel umb das Instrument aus dem Mund zubringen / so viel müglich / zu brauchen. Er konte aber keineswegs darzu gelangen / wiewohl man die aller erfahrenste Werckmeister daran zu arbeiten / herbey kommen ließ. Wie nun die Grausamkeit nicht allezeit in einem Gemüht wohnet /sondern zuweilen auch die Mildigkeit die Seele zu besitzen einnimbt / also beredete ihn einer seiner Gesellē / daß man nicht Ursach am Todt des Lionne seyn /sondern ihm den Schlüssel zur Würgbiern überschicken solte / hielt auch mit seinem Flehen so lang an /biß er von Sabierres besagten Schlüssel erhält / denselben legte er alsobald in einen Brieff / und wahren darinnen folgende Wort verfasset: Mein Herr / ich habe nicht wollen zu eurem Todt Uhrsach geben / darumb überschicke ich euch hiermit den Schlüssel / auff das ihr das Instrument / so in eurem Mund ist / aufmachen möget. Ich weiß wol / daß euch dasselbe ein wenig Ungelegenheit wird gemacht haben / ich wil jedoch nicht unterlassen / euer Diener zu verbleiben. Er siegelte diesen Brieff zu / und gab denselben dem ersten Boten / den er antraff. Über solchem Brieff empfund Lionne ohnerachtet des Verlusts / so [486] sich über tausend Cronen erstreckte / grosse Freude. Den er war froh / daß er sein Leben erhalten / und von den Schmertzen befreyet war. Man hörete von Tag zu Tag murmeln in der Stadt von Sabierres Thaten / bald wahren die vornehmste Kauffleut von besagtem Beutelschneider unversehens ergriffen / bald machte er sich an die Edelleute / und vergieng kein Tag / an welchem Sabierres nicht ein Stücklein seines Handwercks verrichtete. Einiges Tages gieng er mit einem /der noch nicht Meister in der Diebs-Zunfft war / unter die Hallen oder Lauben / und ward eines Bauers gewahr / der an einer Ecken der Gassen mit einer Kitzen voller herrlichen Früchten saß / wie dann solches wegen Unfruchtbahrkeit desselben Jahrs damahls sehr theur war. Dieser Bauersmann that seiner Gewohnheit nach sein Geld in einen Beutel / der ihm an dem Halß innerhalb dem Hembde / das Messer der Beutelschneider zu vermeyden / hängte / als ihn nun Sabierres in solcher Postur sahe / sagte er zu seinem Geleytsmann / daß er an statt seines Meisterstücks dem Bauern den Beutel abschneiden muste. Der ander gab ihm darauff zur Antwort / daß er eine solche offenbahre Sach weder thun könte noch unterstehen dörffte. Sabierres sprach hinwieder: Dieweil du solches nicht getrauest zu verrichten / so betrachte auffs fleißigste die Manier / wie ich damit verfahren wil /damit du nach meinem Exempel dich darinnen klüglich zu schicken wissest. Nach vollführter Rede /machte er sich allgemach zu dem Bauern / stellete sich / als wann er ein klein Strohälmlein / so ihme in den Rücken gangen / herauß zuziehen hätte / hierauff bückete er sich / und ließ den Bauren die Hände auf seinen Rücken stecken / nahm aber unterdessen sein Messer zu der Hand / und schnitt den Beutel so fein ab / [487] daß der Bauer dessen nicht innen war. Nach verrichtetem Schnitt begab er sich wieder zu seinem Gesellen / und dieser vermaß sich hinführo eben so viel zuverrichten / Sabierres wolte alsbald die Probe sehen / so er an einem andern Bauern der nahe bey St. Innocentur saß / beweisen solte. Wie aber der arme Lehrjung seien Schnitt ins Werck setzen wolte / war er von einer Frauen / die daselbsten Früchte feilschte /vermercket / also / daß er dermassen geprügelt ward /daß er kaum entgehen konte. Zum Beschluß betrog er den Boten von Chalon umb 50 Pistoletten / so er durch Mittel eines verfälscheten Wechselbrieffs von ihm herpracticirte. Er hat viel andere Diebs-Thaten verrichtet / weiln aber dieselbe zu meiner Wissenschaft nicht kommen / wil ich es bey jetzt berührten verbleiben lassen. Nachdem er innerhalb Paris und dessen Umbkreiß viel geraubet und geplündert / aber fürchtete / man möchte ihm das Pfand theuer bezahlen / als nahm er die Flucht / und sagt man / daß er in Ungarische und Teutsche-Kriege sich begeben / und entlichen darinnen gestorben sey.

223. Der listig betrogene Advocat
CCXXIII. Der listig betrogene Advocat.

Soulin war ein berühmter Advocat / so wol wegen seines Verstandes / als seiner Wolredenheit. Man hörete von niemand anders in dem Gerichtlichen Pallast / als von ihm / eden. Darumb beschlossen die Landläuffer / nachdem sie von diesem reden höreten / ihm einen Fallstrick zulegen. Als nun dieser Rahtschluß gemacht / speheten sie zu unterschiedenen mahlen auß / Gelegenheit zuerlangen / wie sie ihn betriegen möchten. Sie erfuhren seines Losaments Gelegenheit /welches nicht weit von den [488] Barfüssern wahre / fehleten aber wol viermahl in ihrem Anschlag. Entlich kam er eines Tags allein mit einem Lackeyen / da sie ihn dann bey S. Andreas der Künsten erkanten / und alsobald fielen ihn drey an / hielten ihn auch eben an demselben Platz auff. Nachdem sie aber kein Geld bey ihm fanden / nahmen sie ihm seinen Mantel von Spanischem Tuch / welcher mit Seiden-Plüsch gefuttert /und noch neu / von grossem Werth war / Soulin über solcher Plünderung sehr bestürtzt / sagte: Ihr Herren /ich bitte euch / mir diese Höffligkeit zu erzeigen / daß / dieweil ihr mir meinen Mantel nehmet / ihr mir denselben zu lösen / und zwar in solchem Preiß / als er wird geschätzet werden / lassen wollet: Sintemahl ihr nirgends so viel darumb bekommen werdet. Wann euch nun mein Vorbringen belieben möchte / wil ich euch morgen das Geld hieher bringen. Als ihn nun die Diebe dergestalt reden höreten / gaben sie ihm dieses zur Antwort / daß er ja nicht fehlen wolte / folgenden Tages umb 6 Uhr sich an eben demselben Platz finden zulassen / da man ihm dann seinen Mantel wieder werde zu kommen lassen / aber / wofern er so kühn seyn / und einen mit sich zum Geleitsman bringen werde / daß / wie sie sein Losament wol wüsten / also würde er nimmermehr wieder in sein Hauß kommen. Soulin / über solchen Dräuworten gantz erschrocken /versprach ihnen auff bestimbte Stund zu erscheinen /doch war er inzwischen gezwungen / ohne Mantel in sein Losament zugehen / welches ihm aber gar unverdäulich vorkam / dann er auff solche weiß tractiret zu werden / nicht gewohnet war. Als er nun zu Hauß ankommen / gab er seinem Weibe keinen Bericht von allem / so vorgangen war / verbott auch seinem Lackeyen / nichts davon zu offenbahren / wie auch geschehen. [489] Den morgenden Tag nimbt er heimlich einen Beutel mit einer ziemlichen Summen Geldes gefüllet /und gehet umb halbsechs auß seinem Hauß / kombt auch auff eben den Platz / da ihm der Mantel abgenommen worden. Daselbsten verzog er / biß er zuletzt umb 6 Uhr einer Kutschen / darinnen drey oder vier vom Adel sassen / gewahr ward: Konte aber ihm auff keinerley Wege einbilden / daß er mit dergleichen Leuten würde zu thun haben. Diese / als sie ihm an besagten Platz stillstehen sahen / liessen alsobald die Kutschen auffhalten / und fragten ihn / ob er eben der sey / welchem man des vorigen Tages einen mit Sammet gefutterten Mantel genommen hätte. Er gibt hierauff zur Antwort / daß er keiner andern Ursachen wegen an diesen Orth kommen wäre / wie er dann auch deshalben das versprochene Geld mit sich gebracht habe. Auff solche Antwort nahet sich einer etwas näher hinzu / und fraget ihn / ob er niemand bey sich hätte / und wo solches geschehe / wär sein Leben in grosser Gefahr. Als er nun / wie er allein wäre / angedeutet / nahm man ihn / und setzte ihn unten in die Kutsche / da verband man ihm die Augen / und inzwischen hielte ihm einer eine Pistohl an die Gurgel / ihm / wann er den geringsten Schrey gethan / den Rest zugeben. Da war nun Saulin sehr bestürtzet / gab sich aber bald wieder zufrieden / als sie ihn / daß ihm kein übels begegnen solte / versicherten / sie lassen hierauff die obere Flügel der Kutschen fallen / und befehlen dem Kutscher fort zueylen. Unterdessen blieb Saulin gleichsam in einer Ohnmacht liegen / weil ihm die Augen zugebunden waren / und er nicht wuste /wohin man ihn führete / zumahl da er sich unter solchen unbekanten Leuten besagtermassen tractiret sahe. Als sie nun durch eine Gasse in die ander gefahren / kommen sie [490] zuletzt in ein grosses schön und hoch erbauetes Hauß / da macht man alsobald das Thor auf / und last sie hinein. Da vermehrete sich nun die Furcht bey Saulin und fieng an des Todes zu erwarten / dann er konte ihm zumahl nicht einbilden /daß er entwischen solte. Man bindet ihm die Augen wieder auff / und führet ihn in einen grossen Saal /daselbsten er die Taffeln bedecket / und mit niedlichen Speisen bestellet fande / darbey war er jedoch sehr erschrocken / sich unter so vielen Leuten / die alle wol bekleidet waren / zusehen / massen er sie vor vornehme Stands-Persohnen hielte. Man redete ihm zu / weil er in guter Gesellschafft wäre / auch allein zu diesem End dahin geführet worden / daß er ihnen die Ehr thun / und mit einer geringen Mahlzeit vorlieb nehmen wolte / er nichts zu fürchten hätte. Dann er konte ihm nicht einbilden / an was vor einem Orth der Stadt er sich befinde / noch in was vor einer Gesellschafft er das Mahl nehmen solte. Inzwischen bringt man die Sachen herbey / die zum Handwaschen gehören / ein jeder nimbt seine Stelle ein / und wann sie auch bey Fürsten gewesen wären / hätte ihnen nicht besser können aufgewartet werden: Saulin aber wird oben an gesetzet / welcher aber keinen grossen Lusten zu essen hatte. Nichts destoweniger / stellet er sich /als wann er esse / und hielt vor das Beste / daß / nachdem er unter den Wölffen wär / er ihr thun nachmache. Nach vollbrachter Mahlzeit / fieng man an Saulin mit gutem Gespräch zu unterhalten und zu fragen /aus was Uhrsachen er nichts gessen hätte / er aber wuste nichts darauf zu antworten. So lang er mit Gespräch aufgehalten ward / nahm einer unter ihnen eine Laute / der andere ein Viol / und machten sich also aufs Essen lustig. Entlich nach langem Gespräch / nahete sich der zu Saulin / der ihm [491] des vorigen Tages den Mantel abgenommen / und fragte ihn / ob er auch das versprochene Geld mit sich bracht hätte: Saulin gab darauf Antwort / daß das Geld allerdings in Bereitschafft wäre / zahlete demnach von Stund an dreyßig Pistoletten (wiewohl der Mantel mehr als viertzig werth war) unten auf des Tisches Ecken. Als solches geschehen / zeigete man ihm eine kleine Kammer /abseits gelegen / und sagte ihm / daß er nach seinem Mantel schauen solte. Saulin war gantz bestürtzt /eine so grosse Menge von Mäntel zu sehen / fieng jedoch wieder an eine Farbe zubekommen / und sich in etwas mehr / als zuvor / zuerholen / er fand seinen Mantel unter andern / begab sich darauf mit aller Ehrerbietung zu seinen Leuten / und vermeinete nicht so wolfeil davon zu kommen. Wie er nun wieder sich nach Hauß begeben wolte / war ihm angemeldet / daß er auch dem Kutscher / der ihn hingeführet / und wieder weg führen wolte / eine Pistolet geben und sein Gelach vor das Nacht-Essen bezahlen muste. Saulin reichte ihnen noch zwey Pistoletten dar / und nahm Uhrlaub von ihnen also bald wird die Kutsche zugerichtet / wie er sich aber darin setzen wolte / band man ihm die Augen wiederumb zu / und führete ihn an eben den Platz / da man ihn aufgefangen hatte /nehmlichen in der Gegend St. Andreas der Künsten /daselbsten Band man ihm die Augen wieder auf / ließ ihn absteigen / überreichte ihm ein kleines Briefflein /unten mit grünem Wachs versiegelt / darinnen mit grossen Buchstaben diese Wort geschrieben waren: Die grosse Zunfft ist hierdurch gangen: Und sprachen zu ihm: Daß / wofern er etwan ihm einer aufstossen /und Leyd zufügen wolte / er nur dieß Paßport zeigen solte / worauf sie ihn unfehlbar würden zufrieden lassen. Saulin nahm auch von diesen [492] seinen Abschied /und hatte sich wol glückseelig zuschätzen / daß er aus ihren Händen entgangen / und mit dem Leben darvon kommen war. Es gieng ihm aber / wie den Schifleuten in Sicilien / wann sie die Enge des Meers nicht wissen: daß


In Scyllam fält / der fliehen wil
Charybdin / und nicht weiß das Ziel.

Dann er hatte seine Geleitsleute kaum gelassen /und sich in die andere Strassen gewendet / da ward er von drey frischen Räubern angefallen / er aber erinnert sich des Brieffs / und gedachte dessen in solcher Begebenheit zu gebrauchen / wie er ihnen dann auch sein Paßport darreichte / es war auch von einem unter ihnen / der ein Diebs Leuchte bey sich trug / gelesen /und als gültig erkant. Worauf Saulin fortwanderte /und unangetast in sein Hauß kam / fand aber sein Weib gantz traurig / alldieweil sie nicht wissen konte / wohin ihr Ehemann kommen wäre / doch war sie so wol als er wieder erfreuet / und bekümmerte sich wenig über den erlittenen Verlust / genug daß er das Leben davon bracht hatte.

224. Der falsche Diamant
CCXXIV. Der falsche Diamant.

Es hatte sich ein Spanier etliche Jahr zu Tholose aufgehalten / und vermeinete in der Welt Arglistigkeit wolerfahren zu seyn. Der hatte ihm vorgenommen /Paris zubesehen / und die raresten Sachen / davon er vormahlen reden hören / aufzuzeichnen. Als er nun durch Tours gereiset / und daselbsten die Hoffhaltung betrachtet hatte / nahm er den Weg auf Orleans zu /und war von zweyen Landstreichern in Acht genommen / welche dann / [493] wie sie zu Tours wahren / beschlossen hatten / ihme zu folgen / und auff dem Weg zu erjagen. Sie machten sich zu ihm / alswann sie Vorhabens wären / nacher Paris zu ziehen / daher sie auch mit einander giengen / und ihnen den Weg mit vielfältigem Gespräch / von dem / so zu Tours vorging / wie auch von allem / so an dem Frantzösischen Hoff gehandelt wird / kurtz machten. Solches nun zu hören / war dem Spanier sehr angenehm / kam auch in diesem Gespräch in guter Gesellschaft / biß sie sich zu erfrischen / einen Trunck thaten / bevor / weil es damahlen sehr hitzig war. Hierbey nahm einer von solchen Räubern die Zeit in acht / und lieff den andern vor / ließ aber unvermerckt einen eingepackten Brieff / mit dieser überschrifft / liegen.


An Herrn Grossen / Goldschmieden und Handelsmann in Paris.


Als er aber diesen Brieff am Brunnen hatte liegen lassen / ruffte er seinen Gesellen / und fragte sie / ob sie sich nicht erfrischen und ruhen wolten. Hierauff begeben sie sich dahin / daselbsten mit einander zu trincken / zuforderst aber unterließ der Spanier nicht /der erst voran zugehen. An dem Brunnen ward er des Brieffs innen / und nahm ihn alsobald zur Hand. Seine Gesellen fiengen darauff an zu schreyen / und begehren an dem / so er gefunden / theil zu haben. Auff dieses / machte er den Brieff auf / und versprach ihnen etwas von der Beute mit zutheilen. Als er nun das Packet geöffnet / findet er bald einen Diamanten /der an der Sonnen-Glantz dermassen schimmerte /alswann er von grossem Preiß wäre. Der [494] Spanier ist über solchem Stück gantz entzückt / die Betregung aber wird noch grösser / da er den Brieff / so nachfolgende Wort in sich hielte / gelesen hatte. Mein Herr /Nachdem er in dieser Stadt / wegen der Geschäfften /davon er mir geschrieben / angelanget / habe ich davor gehalten / durch keinen andern / als durch ihn den Diamant / darvon ich in meiner Reiß mit euch geredet / zu übersenden / mit Bitte denselben schätzen zu lassen. Mich zwar kostet er 200 Cronen / als ich mich in den Ehestand begab / und wann mir nicht ein Rechtshandel viel Ungelegenheit veruhrsachet / wolte ich denselben nimmermehr verkauffen davor ab weil ich weiß / daß man schwerlich deßgleichen umb besagten Preiß wird bekommen können. Demnach bitte den Herren hiermit gantz freundlich / dergestalt die Sache anzustellen / damit ich aufs wenigste eben das Geld / so ich darvor außgeben / erhalten möge. Ich verhoffe in kurtzem bey euch zu seyn / und euch so wol der Schuld wegen / als vor die gute Dienst / so ich von eurem geneigtem Willen empfangen / zufrieden stellen / unterdessen haltet mich

vor euren geneigten Diener

Johann le Doux.


Die Verlesung dieses Brieffs entzündete den Spanier: Hingegen wolten die zween Landstreicher auf ihrer Seiten auch Theil haben. Doch waren sie zuletzt / und nach vielem Wortwechseln des Preises einig / daß /wann der Spanier ihnen 50 Cronen würde bessern /solte der Diamant ihme verbleiben / und vermeinete er darbey / ein gutes Glück erjagt zu haben / er war aber aufs neu sehr bestürtzet / daß / da er ihnen das Geld eingehändiget / und zu Orleans ankommen war /hören muste / [495] ob solte sein Diamant nicht 5 Schilling werth seyn. Das machte ihn gleichsahm von Sinnen kommen / und kunte auch seine Leute nicht wieder außkundschafften. Dann sie wahren bereit / andere zu betriegen / wieder nach Tours verreiset.

225. Die hintergangene Kauffmännin
CCXXV. Die hintergangene Kauffmännin.

Zu Paris war ohngefehr umbs Jahr 1613 eine Frau /die alle Vollkommenheit / so man jemahls an dergleichen Persohnen zu sehen wünschen mögen / hatte /diese Marinette war kurtz verwichener Zeit einem ehrlichen wohlbegüterten Kauffmann ehelich beygesellet. Aber gleich wie sich Streit und Uneinigkeit allgemach in die Ehe mit ein schleicht / an statt / daß das strenge Band der Freundschafft die Hertzen der Verliebten /sonderlich deren / so sich mit ehelicher Liebes-Neigung an einander verknüpffet / sehr fest zusammen fügen und binden solte: Also sahe man in kurtzem Marinette in ihres Ehewirths Ungunsten / wiewohl sie ihm hergegen alle Zeichen einer Gegenlieb erwiese /war es doch nichts als Gleißnerey. Diese junge Frau befand sich zum öfftern in dergleichen Gesellschafft /die sie billig hatte meiden sollen / wann sie nicht bereits beschlossen hätte / ihrer Ehr Urlaub zu geben. Wie sie nun eines Abends bey einem Ballet umb die Gegend S. Opportuns sich befand / nahete sich ein Brittanischer Edelmann zu ihr / es sey nun / daß er sich darvon außgeben / oder aber / daß ers in der That gewesen / und führete sie zum Tantz. Nach verrichtung dessen / wie ein jeder eine Prob der Höffligkeit zuthun befliessen ist / also unterhielt sie auch eine Zeitlang dieser junge von Adel / welcher [496] ein sonderbahres Ansehen hätte / und schöpfte auß ihren Fragen und Antworten so gute Gedancken / daß er gäntzlich ihre Gunst zu erlangen vermeinete. Nichts destominder würde es nicht recht gewesen seyn / wann man so geschwind den Rechten der Ehrbahrkeit Gewalt angethan hätte. Derowegen wolte auch vor diß erstemahl die vernünfftige Ursache und der Wolstand der Marinette nicht weiter zugeben / daß sie dem Edelmann einen näheren Zutritt gestattet hätte. Nimbt demnach Urlaub von ihm / und er von ihr. Aber ihrer beyder Hertzen / die einander / wie sichs anließ / auff ein längeres freundliches Unterreden gleichsam einluden /brachten nicht lange Zeit zu / daß sie nicht solten die verdrießlichkeit solches Abwesens empfunden haben. Jedoch war auch dieses in etwas durch öffters Ansehen eines des andern gestillet / bevorab / weilen der Edelman sich zu unterschiedenenmahlen in der Frauen Wohnung / sich beyde mit Gespräch zu ergetzen /hatte finden lassen. Zeit währender solcher Besuchung und Unterredung / begab es sich / daß zu Paris auch ankam einer / in Gestalt eines Edelmans Rodencourt genant / ein verschlagener / arglistiger Mensch / und hatte schon eine lange Zeit Kundschafft zu dem gehabt / von welchem wir reden / derohalben machten sie sich zusammen / und brachten etliche Tage in Spatzieren gehen zu Paris zu / unter welcher Zeit Rodencourt den gantzen Zustand seines Freundes erfahren / vornemblich / was vor ein Glück ihme bey Marinette zu Handen kommen / und wie sie ihn mit Geld und allem dem / so ihm von nöhten war / versorgete. Rodencourt / der solches anhörete / ließ kein Wörtlein von solchen Zeitungen zur Erden fallen / er bildete ihm ein / dieses Raubs auch zugeniessen / und daß hierzu nichts / als sie auff den [497] Handel zu verstehen /nöhtig sey. Dannenhero lag er seinen Gesellen hart an / ihme Marinette Behausung zu offenbahren. Der ander zeigete es ihm / und erklärete ihm über das eines Tages in geheim / welcher Gestalt er dieselbe zu besuchen / sich verhalten muste / zu ihm sagende /daß er die Zeit / wann ihr Mann nicht zu Hauß wäre /erwehlete / und käme des Nachts heimlich durch eine falsche Thür in das Losament zur Marinette. Als nun solches Rodencourt wol eingenommen / beschloß er bey sich selbst / daß er etwas von besagter Marinette erhalten muste. Es gehen viertzehen Tage vorbey /daß er auff und abgehet / und spatzieret insonderheit vorbemelter Kaufmannin Laden vorüber / dadurch er dann auch zugleich bewegt wird / ein Theil der Gunst und des Reichthumbs Marinette zu erlangen. Nun begab es sich / daß einer von ihren Nachbahrn /indem ihr Mann abwesend war / sich in den Ehestand setzen wolte / und solches gab Gelegenheit / daß Marinette beweget ward / sich bey dem Tantz einzustellen / dem aber destobesser in Fröligkeit abzuwarten /hatte sie ihrem Liebhaber die Stund / sie auzutreffen gegeben / und dieser wolte hierbey dem Rodencourt von allem eine gute Prob zeigen / davon er wegen besagter Bürgerin mit ihm geredet hatte / führete ihn deßwegen mit sich / und verschaffte damit / daß er die Schönheit der Marinette wohl genug anschauen möchte. Unterdessen wird Rodencourt durch die Straalen ihrer Schönheit entzündet / und durffte jedoch seinem Gesellen / dem vom Adel kein Wort davon sagen. Nichts destoweniger war in diesem Fall vonnöhten /dem bequemsten Raht zu folgen; Also daß er sich unvermerckter Sachen zu Marinette und seinem Gesellen / die sich beyde in geheim und in einer Ecken des Saals mit gutem Gespräch [498] unterhielten / hinzu machte / und hörete / daß Marinette den Edelman / wie daß er des andern Tages zu ihr kommen solte / bittlich ersuchte / mit vermelden / daß ihr Mann nacher Rovan /wegen etlicher Waaren / so er aus Hispanien hatte bringen lassen / reisen würde. Der Edelmann gab zur Antwort / er wolte ihrem Befehl nach zusetzen in keine wege fehlen / aber doch wolte er sie auff seiner Seiten gebethen haben / ihm in seinen höchsten Nöhten mit hundert Cronen bey zuspringen. Marinette versprache ihm dieselbe fertig zu machen / doch befahle sie ihm auch / das Werck geheim zuhalten. Rodencourt / der solch Gespräch / wiewol er sich dessen nicht annahme / gehöret / gehet im Saal spatzieren /und berahtschlagte bey sich selbst / wie er sich bey dieser Gelegenheit zuverhaltē / fassete endlich den Schluß / sein Glück forzusetzē / und eines mit dem andern zu tauschē ihm einbildend / es wäre in dieser Sach nichts mehrers erfordert / als den Edelman abzuwendē / daß er die Marinette des morgenden Tages nicht besuchte / und er dessen Stelle versehen wolte. Aber wann er ihm diese seine resolvirte Meynung vor Augen stellete / wuste er nicht / was er vorzuwenden /erfinden solte / seinen Gesellen auff Seit zuschaffen /als welcher eben auch über der schönen Gestalt dieser jungen Kauffmännin entbrand war. Wie er nun über dieser Sache Gedancken hatte / kam ihm in Sinn ihn mittelst eines Brieffs aus der Stadt zu bringen / als ob er von einem seiner Verwandten geschrieben wäre /daß er ihm zu Melun zusprechen solte. Dieser Fund ging ihm so glücklich ab / daß nach dem er den Brieff / (als ob er von einem seiner Vettern käme / an den Edelman gestellet) er aus Paris reisete. Siehe / dieß sind die eigene Wort / so er an ihn geschrieben: Mein Herr Vetter / ich habe [499] euch diesen Brieffträger in Eyl zugeschickt / umb euch zu ersuchen / daß es euch /mich Morgen nach Mittag in hiesiger Stadt zu besuchen / belieben wolle. Dann ich euch eine wichtige Sach / so viel die neue Werbung euer Frau Mutter betrifft / und dardurch wir von den Creditoren sehr angefochten werden / zu communiciren / besagter Brieffträger wird euch in mein Losament / und darinnen ich jetzund herberge / führen. Unterdessen / und so lang ich des Glücks / euch zu sehen / erwarte / verbleibe ich nach bestem Vermögen / und Willen

Meines Herrn Vetters

zu dienen geneigter und williger

N.N. von Roqueville.


Dieser Brieff war bemeltem Edelman in Eyl zugebracht / aber der Bott hatte Befehl / seinen Mann / so bald er zu Melun würde ankommen seyn / zu verlassen / und ihm das Losament keineswegs zu zeigen. Solches machte / daß der Edelman alsobald zu Pferd saß / und dermassen übereylet war / daß er bey seiner Marinette abschied zunehmen / die Zeit nicht hatte. Wie er nun zu Melun ankommen / hatte er keine Nachricht von seinem Vettern / er durch suchte bey nahe alle Wirtshäuser / und traff nirgends an / was er begehrte / das machte auch / daß er gleichsam ausser sich selbst kam. Dann über das / daß er seinen Vettern zusehen / das Glück zu haben verhoffte / so war er auch über die massen bestürtzet / daß er eine so gute Gelegenheit vorüber gelassen / und Marinette ihres Verlangens beraubet hatte. Doch ist hieran nicht viel gelegen. Wir lassen ihn zu Melun / und betrachten das / was vor eine Persohn Rodencourt unterdessen zu Paris gespielet hatte. Die Nacht [500] hatte bereits mit ihren dunckelen Wolcken den Erdkreiß bedecket /als Rodencourt an der Thür Marinette anklopffete /die Magd / welche gewöhnlich dem Edelman die Thür aufmachte / und bereits von ihrer Frauen wegen der Ankunfft desselben Bericht empfangen / darumb auch fleißig ihre Wacht versehen / da sie höret anklopffen /nahm alsobald das Licht / und lieff die Thür aufzumachen. Rodencourt / der an diesem Orth das Licht oder dessen Glantz hassete / bliese es auß / steckte seine Nase in Mantel / und gienge der Marinette Kammer zu / da sie seiner erwartete. Nun wil mir nicht geziemen von den liebreichen Stücken des Rodencourt /und was er mit Marinette vorgehabt / zu reden; es sol mir genug sein anzuzeigen / daß / nachdem er eines theils alles / was er wünschen möchte / erhalten /machte seine innerliche Begierde / daß er die 100 Cronen zu begehren und noch Hoffnung zu empfangen / einen Muht fassete: Er verrichtete aber solches mit solcher Klugheit / daß / so wol Marinette / welche sich über die Manier und ungewöhnliches Stillschweigen ihres Liebhabers verwunderte / auch alle Kunst unn Fleiß / ihn außzuforschen / anwendete /man ihn jedoch nicht erkennen konte / baht er derwegen / ihm die Summ des Geldes zulieffern / und solches umb so vielmehr / dieweil er wichtiger Geschäfften halber / bey früher Tagszeit seinem Vorgesetzten nach verreisen muste. Diese Wort / so er heimlich der Marinette ins Ohr redete / wie er dann aus Furcht /sich zu erkennen zu geben / nicht laut hätte reden dürffen / brachten die Kauffmannin ausser allen Zweiffel / worin sie die gantze Nacht durch gestecket hatte. Dann sie ihr zumahl nicht einbilden konte / als wann ein anderer / als der obbesagte Edelman / ihr diesen Bossen gegeben hätte. Darumb ruffte sie ihrer Magd mit leiser Stimm / gab ihr den Schlüssel zum Tresur-Schranck / [501] und befahl vor allem ihr den Sack /so sie ihrem Bericht nach / abseits geleget hatte / mit zu bringen. Die Magd fehlete nicht solches zu holen. Rodencourt aber / so bald er den Sack empfangen / erfreuete sich hefftig / nunmehr zu haben / was er eine lange Zeithero gesuchet hatte. Hierauff nahm er Uhrlaub von Marinette / wiewohl mit ihrem grossen Wiederwillen / angesehen / sie nicht gewohnet war / daß sie ihrē Liebhaber so früh von ihr gehen sehen solte. Als er aber mit seiner Beute aus dem Hauß gieng /war er dermassen von dem Geld entzündet / daß er ihm vornahm / noch ein mehrers durch Mittel des Beutels zu erhaschen. Dahero er auch noch desselben Tages sein Spiel zu Ende bringen wolte / zu welchem Ende er die Zeit / da die Kauffmännin im Laden war /erwehlete / und kam mit einer hurtigen und wundersahmen Gleißnerey hinein / etliche wahren von den besten / so sie hätte / uebersehen / vor allem aber /hielte er sich an einem Stück Siegeltuch auff / als welches in seinen Augen sehr schön scheinete. Inzwischen / als sie sich des Kauffs wegen unterredeten /stieg der Marinette das Geblüt allmählig ins Angesicht / und / wie sie von einem Ehrbahren / doch zweiffelhafften Gemüht beweget war / wuste nicht /was sie sagen solte. Doch kam sie ein wenig zu ihr selbst / so bald sie Rodencourt reden hörete / wiewol ihr noch ein kleiner Argwohn / ob solte sie ihn etwa wo gesehen habē / in der Seelen stecken bliebe. Rodencourt sahe wol gantz scheinbahr alle solche Verwandelung auff dem polirten Marmel ihres Angesichts / er ließ jedoch auch nicht nach / seinen Kauff fort zutreiben / und stellete die Sach dergestalt an /daß er des Kauffs mit ihr einig wird. Das war aber ein wunderlich und seltzames Ding / der Marinette zusehen / da er anfieng / den Beutel / so sie ihm des Morgens gegeben / aufzuthun / und da sie alle Sorten des Gelds / [502] so sie vermeinete / ihrem Edelman gegeben zu haben / erkante. Da fiele sie erst recht in eine Erstarrung ihres gantzen Leibs / also daß sie gantz ohnmächtig ward / und dieweil sie sich entdeckt und verrahten sahe / fassete sie einen Muht in solcher Sache /das beste Mittel / zur Erhaltung ihrer Ehr zu gebrauchen / nahm deßwegen Rodencourt auf Seit und baht ihn zum höchstē / daß er bewuste Sache in geheim halten wolte / auch daß sie ihm / nachdem sie sich betrogen zu seyn verspührete / so wohl den Beutel / als die Waaren von grund ihres Hertzens verehrete / wofern ihm belieben würde / sie an keinem Orth in Spott zubringen. Rodencourt nachdem er an ihr der grossen Furcht / der Ruchtbahrkeit wegen / wahrgenommen /that ihr diese Verheissung / daß man unfehlbahrlich solches nimmermehr von ihm wissen noch erfahren würde. Wie dann auch in Warheit geschehē / massen er nachgehends in guter Gesellschaft bekant / daß er niemahlen davon / biß nach dem Todt Marinette / so zwey Jahr nach diesem Streich verschieden / geredt habe. Siehe / also erhaschete Rodencourt / vermittelst seiner listigen Rencken so wohl den Beutel / als den Lusten / zu sambt besagten Waaren.

226. Der übelgelährte Meister-Knecht
CCXXVI. Der übelgelährte Meister-Knecht.

Es war ein junger Knab erst neulich zu Paris ankommen / und hatte sich zu 6 Landstreichern gesellet / es sey nun / daß er solchen Leuten zu folgen / gleichsam von Natur versehen / oder daß er von einer bösen Zuneigung sich unter ihre Fahnen zubegeben / getrieben war: er blieb wol 14 Tage unter ihnen / begehrte aber kein Stücklein ihres Handwercks zu lernen / noch zu vollziehen. [503] Entlichen aber / wie in allen Dingen ein Anfang muß gemacht werden / also beschloß die Versamblung der Nichtwürdigen / daß / dieweil er sich in ihr Zunfft-Buch wolte einschreiben lassen / muste er nohtwendig das Meisterstück machen. Man befiehlet dieses Ambt einem von den klügsten Meistern / und bund ihm ein / er solte nicht wieder nach Hauß kommen / es habe dann der besagte Jung seinen Meister-schnidt / verrichtet. Dieser / welcher aus Erfahrung /wie man sich in diesem Handel verhalten solte / gute Wissenschafft trug / führete ihn von einer Seiten der Stadt zu der andern / und dieweil er keine Gelegenheit / seinen Handel nach Belieben zutreiben / antraff /brachte er ihn letzlich in ein Kloster S. Innocentz /und wie er daselbst eine gute alte Frau / die sich auff einem Grab vor die Todten zu behten aufhielte / ersahe / sagte er zu seinem jungen Gesellen / der ihm auff dem Fuß nachfolgete / daß / wofern er Meister in seiner Kunst werden wolte / er unverwegerlich dieser alten Frauen den Beutel geschwind und leiß abschneiden muste. Der andere wandte vor / es wäre zumahl keine Gelegenheit sich zur besagten Alten zu nahen /weil sie allein wäre / muste derentwegen nohtwendig sich an einen andern Orth / da mehr Volcks wäre /sich des Messers / welches keine andere Scheid / als seinen Seckel hatte / zu gebrauchen / der aber / der ihn begleitete triebe ihn / so wol durch Dräuworte /als durch andere Mittel / daß er ihm in Sinn satzte /den Beutel der Alten abzuschneiden / und darmit sein Meisterstück zu erweisen. Dieß junge Bürschlein machte sich zu dem Grabe zu / und fiele auff seine Kny nahe bey der Frauen nieder. Sie / als welche an keinen Betrug dachte / fuhr in ihrem Gebeth fort. Der Beutelschneider / der sie Brummeln hörete / war gantz verwirret / [504] und wuste nicht / ob er sein Vorhaben fortsetzen solte. Sein Geleitsman / so in dem Kloster war / winckete ihm / daß er geschwind sein Arbeit verrichten solte. Dieweil dann nun dieser Tropff sahe / daß er nohtwendig umb Meister zu werden /solches verrichten muste / stellete er dergestalt seine Sachen an / daß / indem er sich je länger je mehr in der besagtē Alten nahete / er derselben subtiler weiß den Beutel abschnitt / darauff er sich allgemählich zurück begab / und seinen Gesellen / der seiner wartete /wieder mit freuden wegen beschehenen Handels antraff. Der andere / der in den Beutel sahe / und denselben gar schlecht gespickt befand / saget / daß er noch nicht wäre Meister worden / und wolte ihm hiermit recht ein Stücklein seines Handwercks zeigen / er hält ihn bey der Hand / und rufft der Alten mit Macht zu /Frau / sehet / da ist der Beutelschneider / der euch bestohlen hat. Die Alte sahe alsobald nach ihrem Seckel / und fand nichts mehr daran / als das blosse Band /daran er gehängt hatte. Das Volck versamblet sich alsobald / man verfolget den jungen Tropffen / und ward mit guten Faust-Streichen aus dem Kloster in S. Dionysii Gassen gebracht. Welches dann eben der rechte Orth war / dahin ihn sein Führer haben wolte. Dann er verhoffte unter dem Volck eine gute Beute zu ertappen. Als nun die Krämer der S. Dionys Gassen sahen / wie ein jeder diesem Lehr-Jungen nach lieff /machten sie sich auch aus ihren Läden mit ihren Kramstangen. Aber der alte Meister machte sich mitten unter das Volck / und schnitte 4 oder 5 Beutel den jenigen ab / die auff seinen Cammeraden zu schlugen. Inzwischen wurden die Krämer / die den Beutelschneider abschmiereten / gewahr / daß noch ein anderer Zunfft-Bruder unter ihnen wäre / sie suchten ihn / und wie [505] sie aus der Gestalt des alten Meisters / den sie im Gedräng sahen / urtheileten / fanden sie noch einen Beutel in seinen Händen / das Volck laufft ihm nach / man erwischt ihn bey S. Jacob / bey der Metzig / und als einer daselbsten ihme das rechte Ohr abzuschneiden / sich in die Postur stellete / und nunmehr dasselbe in der Hand hielte / blieb es ihm darinnen /und ward innen / daß es nur von Scharlach zugerichtet war. Der andere machte sich auff seine Füsse / und stellete seine Sachen so wohl an / daß / als er seine Flucht / zu dem Sand-Ufer / Greve genant / nahm / da eben wegen einer Verurtheilung eine grosse Menge Volcks war / er noch zween Beutel davon nach Hauß brachte. Hierüber fieng aber der Lehrjung einen Streit an / und verklagte ihn / alswann er ihn treuloser weiß verrahten hätte. Also war nun dieser Lehrjung zum Meister gemacht / nachdem er nach seinem Verdienst wohl gestriegelt worden.

227. Der entführte Gast-Wirth
CCXXVII. Der entführte Gast-Wirth.

Als Franckreich unter dem Regiersüchtigen Marschall d'Ancre sehr geplaget ward / war zu Soisson ein frischer Soldat / Nahmens Auxerres / der sich in den Waffen eine geraume Zeit geübet hatte / als derselbe verspührete / daß besagter Marschall d'Ancre die Königliche Würde in Händen hatte / und die Fürsten Franckreichs in ihrem eigenen Land verfolgete / ließ er sich unter den Fahnen des Herrn Hertzogen von Mayenne / dessen Gedächtnüß / weilen es mit güldenen Buchstaben auff das ewige Kupffer der Unsterbligkeit eingegraben ist / nimmermehr vernichtet / unterhalten / und ließ Auxerres sein Gemüht zum öfftern sehen. Der Hertzog von Mayenne / [506] welcher sich in Soisson / daselbst die Anläuffe des Marggraffen d'Ancre abzuschlagen / begeben hatte / erkante auch bald in einem Anfall die Tapfferkeit dieses Soldaten. Auxerres kam niemahls aus des Feindes Lager / er hätte dann zuvor gewisse Merckzeichen seiner Stärcke hinterlassen. Aber wie die Stärcke an einem Soldaten wenig geachtet wird / wann er nicht zugleich auch Klugheit darbey hat; als wolte Auxerres eine Probe thun / daß er nicht weniger in Kriegslisten / als in Scharmützeln geübet und erfahren wäre. Dann es begab sich nach einem starcken Ausfall / da viel von des Marschalcks d'Ancre Volck / vornemblich von den Außländischen auff dem Platz blieben wahren /daß er einen seiner vertrautesten Freunden zu sich nahm / und sagte / daß er ein grosses Werck im Sinn hätte / und man zu dessen Vollziehung einen steiffen Muht fassen muste. Sein Gesell / der gleicher Statur und Natur mit ihm war / hörete mit Fleiß zu / und versprach ihm / daß / so ihm sein Beystand würde angenehm sein / er ihm gern in seinen Anschlägen Gesellschafft leisten wolte. Als nun Auxerres ihn wolgemuht sahe / erklärete er ihm seine Meynung / daß er sich biß nacher Paris an die Pforten begeben / daselbsten einen Gefangenen wegnehmen / und eine gute Rantzion von ihm nehmen wolte. Nachdem solches beschlossen / begeben sie sich heimlich auß Soisson /und stelleten sich / ob wolten sie den Feind ein wenig aufwecken (dann es war die Stadt damahlen noch nicht dergestalt belägert / daß die Feinde alle Auß-und Eingang berennet hatten) sie reiseten des Morgensfrüh wolberitten von dannen / kamen durch die Armee glücklich zu Paris an. Damit aber dem Auxerres der Streich destobesser abgehen möchte / stieg er in einem der vornehmsten Gasthäuser zu [507] Paris ab. Wie sie nun in besagtem Wirthshauß ankommen /empfing sie der Wirth Isle in Meynung / ob sie Edelleut wären / sehr freundlich / und tractiret sie aufs herrlichste / mit aller Ehrerbietung und Freundligkeit. Also brachten sie wohl 8 Tag in besagtem Wirthshauß zu / und wendeten viel Unkosten auff. Isle vermerckete wol die Rencke / so man ihm spielen wolte /und wie er zuweilen seinen Stall besichtete / verwunderte er sich höchlich über die schöne Pferde seiner Gäste / und war das geringste darunter wohl 100 Cronen werth. Nun trug es sich eines Tags zu / daß sie mit einander Sprach hielten / und fieng Auxerres an zusagen / daß ihm ein Unglück zugestossen wäre /und ihm das Geld / dessen er ihn zubezahlen / gewärtig gewesen / wäre auff dem Weg geraubet worden: Im übrigen aber hätte er 2 Pferde / welches von beyden er umb einen billigen Preiß nehmen / und darauf die Summ der Schuld abziehen wolte? Isle hatte bereits die Augen auf besagtes Pferde geworffen / und war begierig eines von beyden zukauffen / doch daß er ihnen das übrige / so er schuldig verbleiben würde / heraußzugeben gesinnet wäre. Der Kauff wird gemacht. Auxerres berichtet seinen Gesellen / was vor ein Stücklein er seinem Wirth spielen / und wie er ihn vor die Stadt hinauß locken / und nach Soisson gefänglich führen wolte. Das Werck wird so wol getrieben / daß Isle des Kauffs einig wird / und sich auf seine Bitte zu Pferd mit ihnen machte / auch darauff sein Pferd zu versuchen / der St. Martins-Pforten hinaußritte / Auxerres lockete ihn / so viel müglich / vor die Stadt / und sein Gesell wante auch möglichen Fleiß an / wiewohl zu Fuß / damit er ihn viel weiter davon bringen und einstricken möchte. Endlichen / da sie eine halbe Meil von Paris waren / und Isle daselbst [508] sein Pferd gleichsam Spatzierungs- und Lustweise tummelte / machte sich Auxerres zu ihm / zog eine Pistol / inzwischen / daß sein Gesell das Pferd am Zaum hielte / auß seinem Sack / setzte ihm dieselbe an die Gurgel und erschreckte ihn dermassen / daß er schwerlich Athem hohlen konte / und deßhalben /als einer / der ausser sich selbst war / fragte / was sie von ihm forderten? Auxerres gab ihm keine weitere Antwort / als das er mit ihnen nach Soisson reisen muste. Hierauf knöbelten sie ihn / und führeten ihn auch vor den Augen der Pariser hinweg. Isle war über solcher Listigkeit gantz bestürtzet / und bildete ihm anfangs ein / alswann sie ihn hinlieffern wolten; so bald er aber verständigt ward / daß sie nichts als seine Rantzion begehreten / gab er sich in etwas wieder zu frieden / und war durch sie nacher Soisson geführet /da er dann auch noch Entrichtung der Loßzahlung das Geld außzahlen ließ. Hierauff gab man ihm einen Paßzettel wieder nacher Paris zu reisen / und ward daselbst von seinen Freunden / ohneracht seines Verlusts / mit Freuden empfangen / weil man glaubte /daß er unterwegs umbs Leben kommen währe.

228. Der gefährliche Diebstahl
CCXXVIII. Der gefährliche Diebstahl.

Robines und Xantaine waren zween verwegene Landstreicher / und hatten ein gutes Glück zeitwehrenden Inheimischem Kriege und Entpörung / so der Marggraff d'Ancre / der den Frantzösischen Völckern gar zuspat gestorben / veruhrsachet hatte / zuerlangen das Land Savoyen. Ob nun wol diese von gutem Herkommen waren / hatten sie doch aus Verdruß gegen ihre Verwanten / ihr Vaterland verlassen / und weilen sie keine Ursach hatten / sich in Welschland [509] zubegebē /haben sie den Weg nacher Franckreich genommen. Indem sie nun einander disseits Lyon ohne Geld ansahen / und zumahl keine Kundschafft hatten / legten sie sich auff das Rauben und Plündern der offenen Landstrassen / hatten auch bereits in weniger Zeit viel Kauff- und reisende Leute / welche / weilen sie sich solcher Treulosigkeit nicht beförchtetē / unn gantz frey über Land reiseten / ergriffen / und in ihre Gewalt gebracht. Doch brachten sie auch mit solchen Gewaltigkeiten nicht lange Zeit zu / dann sie die Profosen /so darzu bestellet / mit einer ziemlichen Anzahl ihrer Diener hin und wieder auffstüberten. So bald sie aber dessen berichtet wurden / nahmen sie die Flucht zur Hand / und begaben sich nacher Paris / an welchem Orth sie dann die erste 8 Tage in Beschauung des Orths / wie nicht weniger in Betrachtung der Pariser Sitten zu brachten / und daß mit denselben wol umbzugehen sey / in acht nahmen. Sie nahmen hierauf ihr Losament in S. Dionysii Gassen in einem berühmbten Wirthshauß. Man gab ihnen in dem hindern Bau eine Kammer ein / dero Fenster gerad auff eines reichen Kauffmans Hauß sahe / da sie dann auch gar genau ihre Augen auff den Laden / der von köstlichen Wahren wol gespicket war / wurffen / und von der Stund an hatten sie in ihren Gedancken beschlossen / besagtem Kauffman einen Bossen zuspielen. Sie wusten aber wegen der Höhe ihrer Kammer keine Gelegenheit zu ersehen / wie sie solch Vornehmen zu Werck richten möchten. Sie sahen wol / welcher gestalt man die Waaren von einem Orth zu dem andern trug / dieweil aber die Fenster zugemacht wahren / vermochten sie nicht hinein zusteigen. Entlichen / als sie eines Tags das Hauß wohl durchsichtiget hatten / sagte Robines zu seinem Gesellen / wie er ein herrliches Mittel erfunden hatte: Ihr sehet / sprach er / diesen [510] Schorstein vor unser Kammer / ich hab mir eingebildet / daß nach unserer Landsarth / da man auch oben durch die Schorstein in das Hauß kommen kan / man gleichfals dieses Orths leichtlich hinein steigen mag / wofern ihr anders meiner Meinung folgen wolt. Xantaine hielte seinen Rath vor gut / lobte auch solchen Fund. Dann durch solches Mittel verhofften sie in dieselbe Kammer zu kommen / die im andern Stockwerck ware /und worinnen sie die Menge der Waaren gesehen hatten. Der Tag / da sie in besagte Kammer steigen wolten / von Robines und Xantaine bestimbt / war der Pfingstag. Sie hatten eine gute Bereitschafft von Seylern und andern Instrumenten in offtgemelte Kammer zu steigen / und die Waaren zu entheben / gemacht: Sie späheten inzwischen auß / ob alles Volck aus dem Hause gangen war / und vermeintens auch / weil sie die Thür verschlossen funden / dannoch war die Magd das Hauß zuverwahren / noch darinnen blieben. Als sie nun ihre Vorbereitung allerdings fertig hatten /steigen sie auff einer kleinen Leiter aus ihrer Kammer auff das Ziegeltach vorgemeltes Kauffmans Hauses. Nun ist hierbey in acht zu nehmen / daß / nachdem sie an den Schornstein kamen / hinein zusteigen / wahren sie sehr bestürtzet / indem sie daselbsten 3 Eingänge sahen / und wusten nicht / durch welchen sie recht einkommen könten / Xantaine stritt lang mit seinem Gesellen / und versicherte ihn / daß man unfehlbahrlich / durch den andern muste hinein steigen / alldieweil derselbe gerad auff die Kammer zugieng. Auff solches Hoffen begab sich Robines in den Schornstein / er hielte das Seyl / und Xantaine ließ ihn hinunter /biß gar unten ins Hauß / indem er aber daselbst nichts antraffe / so er zu finden verhoffete / gab er dem Xantaine ein Zeichen / daß er ihn wieder hinauff ziehen solte. Solches geschahe / jedoch [511] mit sehr grosser Mühe / wie dann viel leichter ist / einen hinunter zulassen / als einen hinaufzuziehen. Nachdem er nun biß zum Giebel kommen / und bereits aus dem Busen des Schornsteins gestiegen war / sagte er zu Xantaine /daß nunmehr die Reyhe an ihm wäre / sich hinab zulassen. Xantaine / dem zur Folge / begibt sich hinein /und wie er das Seyl zur Hand gefasset / steiget er auffs gemächligste in die Kammer / da die Waaren anzutreffen waren. Sobald solches geschehen / fängt er an / die beste Waaren außzulesen / die er antreffen konte / und beladet sich mit unterschiedenen stück Tüchern / wie nicht weniger mit andern kleinern Waaren / und als er solches zusammen gepacket / giebt er seinen Gesellen das Zeichen / ihme wieder herauff zuhelffen. Aber die Last hindert ihn wegen des Gewichts sehr / und wie ihn Robines hinauff wunde / und an dem war / daß er aus dem Eingang steigē wolte / zersprung der Strick unn er fiel hinunter / aber die Furcht veruhrsachte / daß er gantz gemach und leiß wieder auffstunde / und das Erste / so er vornahm / war dieses / daß er das Seyl zusammen unter das Beth versteckete / so gegen dem Camin stunde. Dann die Magd / welche solches Getümmel in der Hinterkammer vernommen hatte / kam hinauff: Xantaine hergegen / da er es vermerckte / versteckte sich gar subtiel in eine Eck. Robines schry auf seiner Seiten / daß sein Gesell eylends kommen solte. Die Magd aber durchsuchte die Kammer / nichts destoweniger / weil selbe etwas dunckel / auch die Fenster hart zu waren /wurde sie des Diebs nicht innen / sondern gieng ohn weiters Nachsehen wieder hinab / in Meinung / es würde etwan ein Katz solch Getümmel gemacht haben. Als solches geschehen / machte sich Xantaine geschwind zum Schornstein zu / ruffte seinem Gesellen Robines / der seiner mit steiffen Fuß oben am Busen erwartete / und machte [512] sein Seyl doppel / damit er nicht zum zweytenmahl fallen möchte / ob wol Xantaine hinten am Kopff übel verwundet war / ließ er jedoch nicht nach / sich aufs neu mit Waaren zu beladen / und wand sich hinauf auffs beste als er immer konte / von dannen begaben sie sich wieder in ihre Kammer / aber zween Tag hernach machten sie sich /damit sie nicht erkant wurden / mit ihrem Raub aus Paris / und nahmen ihren vorigen Weg wieder nach Lyon zu / von dannen wieder in ihr Vaterland zu reisen. Daher dann auch dieser Denckzettel als warhafft kommen / und ist derselbige nachgehends von dem Kauffman der S. Dionysii Gassen / welcher eine grosse menge Lücker / Sarschen und andern Waaren verlohren / bestätiget worden.

225. Der betrogene Kaufmann
CCXXV. Der betrogene Kaufmann.

In offt besagter Stadt Paris wohnete Prisonierres / ein Kauffmann / und ein geitzger Mensch / welcher allerley erdachte / damit er nur etwas mit recht oder unrecht an sich brächte / und ob er wol keine Kinder hatte / die seine Güter nach seinem Hintritt hätten einnehmen können / so war doch dieses seine meiste Sorge. Dieser Prisonierres hatte zu Zeiten sein gröstes Belieben seine Cronen zu zehlen / und durch die Hände gehen zu lassen / neben dem hatte er gemeiniglich einen grossen Beutel vom Gürtel an seinen Sack hängen / dieser Beutel war von einem der Samaritanen Zunfft-Gesellen erkant. Dieser Gesell gieng unterschiedlichmahl über die Kauffmans-Brücke / und warff allwegen sein Gesicht in Prisonierres Laden /umb zu ersehen was vor einen Weg / seinen Beutel zu ertappen / er nehmen muste. Nachdem er nun offtmals [513] bey dem Laden vorüber gangen / erdachte er eine List / und nahm zu dero Vollziehung einen seiner Gesellen von der neuen Brücke / zu hülff mit sich / und zogen beyde Bauers-Kleider an. Der eine unter ihnen war sehr unverschämbt / und wer ihn gesehen hätte / solte ihn vor der geschicksten Bauern einen gehalten haben / angesehen er eine gravitätische Manier an sich hatte. Er bracht eine geraume Zeit mit seinem Gesellen zu /zu berahtschlagen / ob er fort und in den Kram / oder wieder zurück gehen solte / dieweil er etliche Kauffleute darinnen ersehen hatte. Solches machte ihm die Spitze seines Anschlags gantz stumpff. Dann unter so vielen hätte er sein angebrachtes Fundstücklein nicht wol spielen können: Jemehr ihn die Künheit hinzu trieb / jemehr jagte ihn die Furcht / daß er möchte erkant werden / wieder hinter sich: Entlichen fasset er diesen Schluß / daß er so lang Verzug haben wolte /biß die Kauffleute würden hinweg gangen seyn / und dahin brachte ihn die Hoffnung / grössern Gewinn zu erlangen. Inzwischen verdroß es seinen Gesellen hefftig / so lange Zeit mit Warten zu zubringen / und daneben den Außgang nicht vollendet zu sehen. Der andere sprache ihm einen Muth ein / umb noch eine geringe Zeit biß der Laden würde ledig seyn / zu verziehen / welches er auch wiewohl mit Ungedult / geschehen ließ. Entlichen / als der Erste / wie der Laden ledig / und die Kauffleute heraus gegangen wahren /vermerckte / kame er / dessen seinen Gesellen zu berichten / und ermahnete ihn / sich fertig zu haltē / das versprochene zu empfangen. Dieser stellete sich am Ende der Kauffmans-Brücken gegen dem Gericht-Platz zu auf gute Wacht / jener aber gieng zur Seiten in des Kauffmans Laden / darinnen er sich allein befand. Er ließ ihm unterschiedene Meßgewandt auffmachen / vorwendende / [514] als wann er zu Gentilly vor weniger Zeit zum Sigristen währe erwehlet worden /deßwegen er ein neu Meßgewand / wofern man ihm guten Kauff geben wolte / zu haben willens wäre. Prisonierres / der auff den Gewinn begierig war / zeigete ihm unterschiedene Waaren von Damaß / von Taffet /von Atlaß / und anderem Zeuge / unter solchen erwehlete der Beutelschneider eine / darumb er den Kauff machte / ward mit Prisonierres des Preises einig / und da solches verrichtet / gedachte er das übrige außzuspielen / sagte zu besagtem Kauffmann / wie der Meßrock ihm stünde / bevorab weilen er gleicher Statur / Grösse und Dicke mit seinem Dorff-Priester wäre / bate ihn derhalben / ihm den Gefallen zu erzeigen /und denselben an zu versuchen. Prisonierres / welcher keineswegs vermercken konte / was vorgewanter Sigrist damit meinete / leget das Meßgewand an. Wie er sich nun dem besagten Sigristen zu zeigen / herumb drehete / schiebete der Beutelschneider die Hand in seinen Sack / schnitte gantz unvermerckt ihm den Beutel ab / und nahme die Flucht: Prisonierres verspührete alsobald den Verlust seines Beutels / nahm ihm aber die Weil nicht / den Meßrock von seinem Rücken zuthun / sondern lieff in solcher Postur seinem Kauffmann nach. Alles Volck sahe ihn an / er schry dem Diebe nach / der seinen Beutel genommen hatte. Doch hatte er denselben bereits seinem Gesellen / der auff der Wacht stund / gegeben. Jemehr man aber die Augen auff Prisonierres warff / jemehr und stärcker machte er sich auff die Beine / und verfolgete seinen Mann. Unterdessen säumete sich auch der Beutelschneider nicht / und war ihm bereits ungefehr auff 30 Schritt zuvor kommen / auch sagte er allenthalben / da er durchlieff / man solte ihn / weil es eine Wettung gülte / nicht auffhalten [515] Prisonierres schrie ohn unterlaß / aber dieweil er nicht geschwinde Füsse der Gnüge nach hatte / verlohr er seinen Sigristen aus dem Gesicht / und war mit Spott und Schand wieder mit Verlust seines Gelds / umbzukehren gezwungen /das war die Wiedervergeltung seiner grossen Geldsucht.

230. Der Blutgierige Räuber
CCXXX. Der Blutgierige Räuber.

Frantz Dornandes und Hanß Langlois waren nahe bey Gergean / einer Stadt im Lande Solagne bürtig / und hatten ihre Jugend im Savoyschen Krieg zu gebracht /diese hatten nicht weit von Mont-Valerien ihr Gottloses Wesen / raubeten und mordeten. Die Wälder dieneten ihnen anstatt eines Auffenthalts / und die Hölen zum Läger / da sie Tag und Nacht tausenderley Tyranney wieder die vorüber passirende verübeten / das Geschrey ihrer Grausamkeit machte die Bauern furchtsam / daß sie nicht getraueten / sich derselben Gegend zu nähern: nur die Münche von Monden / die nicht weit davon sind / dürfften sicher durchgehen. Dornandes wäre nie aus seiner Hölen kommen / wann sein Gesell / der nichts mehr liebte / als mit Blut sich zusättigen / ihn überredet hätte / einen Strich ins Feld zuthun; Kamen also miteinander auff der Seiten des Flusses Seyne / Beute zusuchen / da sie dann ungefehr eine halbe Meil von S. Clou 2 Franciscaner antraffen /welche / nachdem sie sich verirret / und wegen deß herbey rückenden Abends Paris nicht erreichen konten / nach dem Weg fragten / der nach Monden / eines von den berühmbsten Capuciner Kloster / gienge: Langlois sagte seinem Gesellen / daß er diese Münche ermorden wolle. [516] Dornandes verwiese ihm / wie er so wenig Gewissen hätte / eine solche That zu vollbringen / da man je nichts grosses bey ihnen finden könte. Solche Erinnerung konte jedoch nichts bey ihm außrichten: Er wante sich zu ihnen / und sagte / daß er sie auff den rechten wegführen wolte / angesehen / er auch des Orts hingehen wolte. Diese bedancken sich zum höchsten der Mühe / so sie ihrentwegen auff sich nehmen wolten. Langlois führete sie in eine Höle /und stehet im Zweiffel / was er thun soll. Entlichen aber bewogen durch das Bitten Dornandes / welcher dem Tode besagter Geistlichen nicht unterschreiben konte / sagte er ihnen gantz rasend / daß sie musten die Kutten außziehen. Die Meynung Langlois war eben nicht / sie zu berauben / sondern er hatte ihre Kutten zu etwas weiters verordnet / nemblich zu einer Gelegenheit / da er seinen Nutzen schaffen konte /Dornandes / der seine Meynung nicht verstundt / baht in zum öfftern / daß er die gute Patres wolte gehen lassen: Er aber / der sich eines guten Fortgangs ihres Raubs dadurch versichert hielte / wolte niemanden seinem Raht folgen. Nachdem führete er sie aus dem Gehöltz / und zeigte ihnen den Weg nach S. Clou / da sie wegen eingefallener Nacht herbergen musten /weit entlegen von dem / so sie ihnen anfänglich eingebildet hatten. Nachdem nun Langlois und Dornandes in ihrer Hölen wahren / fieng Langlois an seinem Gesellen die Ursach zu erklären / warumb er den Franciscanern die Kleider genommen / und sagte / daß er verhoffte / eine gute Beute durch deren Mittel zu erlangen. Ihr wisset / sagte er / daß von hier nicht weit ist nach Argentevil / ich bin der Meinung / daß wir diese Kleider nehmen / und uns stellen / als wären wir Münche / wollen also nach Argentevil gehen / da ich neulich einen [517] vergüldeten Kelch gesehen habe: Ich versichere euch / das Werck so wohl außzurichten /daß ich denselben davon bringe. Dornandes gab ihm zur Antwort: Das ist warlich ein gefährlicher Anschlag / jedoch wann wir dessen Vollziehung sehen können / wird es uns ein Weg seyn / noch wohl andere im künfftigen ins Werck zu richten. Hierauff machen sie den Schluß / sich dieses Funds zugebrauchen / des Abends zogen sie den Rock der Franciscaner an / und begaben sich nach Argentevil / daselbsten in des Priesters Hauß zuschlaffen / welcher glaubte / daß es Geistliche wären / die ihres Wegs dadurch wanderten / und nahme sie auff mit allen Zeichen der Freundschafft / so man denen ihres Ordens hätte erweisen können / dieser so freye Zutritt gab ihnen gute Hoffnung ihres Vorhabens. Wie sie nun des Nachts bey einander lagen / berahtschlagten sie / ob sie den Pfaffen solten ermorden / damit sie seinen Reichthumb davon bringen möchten. Dieses Vorhaben war jedoch zu Wasser / wegen der Hoffnung / so sie hatten auff den Morgen den vergüldeten Kelch zu bekommen. Da nun der Morgen angebrochen / stunden unsere vermeinte Geistlichen umb 4 Uhr auff / unterm Schein der Andacht / und kamen an des Pfaffen Kammer / da sie ihm sagten / sie wolten Meß lesen vor ihrem Abreisen / der Pfaff / der ihm dergleichen Untreu nimmermehr eingebildet / gab ihnen den Schlüssel zum Meßgewand und zum Kelch. Diese gehen in die Kirche / da ihnen niemand hinderlich seyn konte in ihrem Anschlag / Langlois machte den Kasten auff / darinnen aller Zieraht war / und beladet seinen Gesellen mit allem / was er dienliches in besagter Kirchen mit nehmen konte. Also machten sich diese zween Gesellen davon / das war aber nicht die letzte That / sondern betrogen viel andere [518] auff solche weiß im Vexinischen Bezirck / und umb Ponthoise her / biß sie nahe bey Orleans ergriffen / und in bemelter Stadt hingerichtet wurden.

231. Der betrogene Einfalt
CCXXXI. Der betrogene Einfalt.

Varennez / plump von Natur und wenig in arglistigen Wercken dieser Welt geübet / da er sich von seinen Eltern / wegen eines Streits / mit seinen Brüdern machte / ehe er davon zog / belud sich mit ungefehr hundert und funffzig Cronen / die er zu seiner Reise seinem Vater entwendete: Dann er verhoffte nicht allein Paris zubesehen / sondern auch gantz Franckreich durch zuwandern / und in die Provence zureisen / daselbst er einen Vettern / reich und wolbegütert / hatte. Auff dem Weg nach Paris gesellete er sich zu einem Kauffmann / welcher den Marckt S. Germans besuchte zu End des Monahts Januarii 1615. als sie nun zu Paris ankommen waren / begaben sie sich von einander / und nahmen beyde ihre besondere Losamenter. Varennez / der noch nie nichts gesehen / als die Ecke seines Herdes / gieng von einer Gassen in die andere /die herrliche Gebäu und Raritäten der Stadt zu besehen. Er ward erkant von den Spitzbuben / die auch /so bald sie ihn ins Gesicht nahmen / davor hielten /daß man keine grosse Mühe / ihn zu betriegen / anwenden dörffte. Einer von denselben nahete sich zu ihm jenseits der Samaritaine / mit einem grossen Packet Brieffe / auff welchem diese Uberschrifft gesetzt war: Dieser Brieff zukomme der Frauen Robecourt /wohnende zu Abbeville; und baht ihn / ihm zusagen /an wen das Packet gestellet wäre / vielleicht wäre etwas sonderbahres in besagtem Brieffe eingeschlossen. Varennez / welcher diese Arglistigkeit nicht mercken [519] kunte / liefet die Uberschrifft / und findet eine güldene Ketten / die darinnen gelegt war. Der Inhalt aber dieses Brieffs war dieser: Tugendreiche Jungfrau / etc. Nachdem durch eure letzte Schreiben von dem glücklichen Fortgang eurer Ehe / und wie ihr solch euer Vornehmen bald zu vollziehen gesinnet wäret /ich Bericht empfangen / würde es das Ansehen haben / als hätte ich keine Empfindligkeit solcher Freude gehabt / wann ich es mit dieser Ketten nicht bezeugete. Sie ist von geringen Preiß / wann ich eure Würde betrachte / kostet nicht mehr als 100 Cronen / und ist ein geringes gegen daß / so mein geneigtes Gemüht euch gern verehren wolte. Nehmet sie liebe Jungfrau /mit eben so gutem Hertzen an / als sie euch der Jenige / der sie überschicket / mit reinem Gemüht widmet. Unterdessen haltet mich

Tugendreiche Jungfrau

vor euren geneigten Diener und Vetter

A. von Robecourt.


Das Lesen dieses Brieffs bließ dem Varennez gleichsam das Hertz auff. Wolte Gott / sagte er / daß ich heute solch Glück gehabt hätte! Der andere gab ihm zur Antwort: Daß Glück ist euch begegnet / wann ihr wollet. Es ist mir eben so lieb / daß ihr die Ketten habt / als ein anderer / ihr sehet aus dem Brieff / wie viel sie werth ist / gebet mir die Helffte des Geldes /und nehmet ihr die Kette / ihr könnet allezeit 50 Cronen zu Gewinn haben. Der vergleicht sich mit ihm /und ohne daß er die Kette einem Goldschmied hätte zeigen sollen / wird mit ihm umb 40 Cronen eins /und bildet ihm noch ein / alswann er einen grossen Hafen erkauffen hätte. Er gehet nach dem zum Marckplatz / wie [520] sich auff der Brücken etwas aufhielte / und den Spitzbuben / wie gleichfals den Storgern zuspielen / zu sahe / machte sich einer zu ihm / und spielte wieder seinen Gesellen / als wann er ihn nicht kante /gewann ihm ab / und hatte bereits dem Varennez 6 Creutzdicken geben. Das bewegte den Varennez ferner zuspielen. Aber die zween Spitzbuben / nachdem sie verspühret / wie eyferig er im Spiel war / gewannen ihm 10 Cronen ab. Und damit ich Zeugnüß einführe / daß der Marcktplatz S. Germans der rechte Auffenthalt der Diebe ist / so wird man Augenscheinlich aus folgendem Gespräch vermercken / wie auch die Erfahrneste zum öfftern in Gefahr daselbst kommen. Varennez gehet seiner Arth nach in die Meß /wirfft seine Augen von einem Orth zum andern / unterandern hielte er sich bey einem Kram auff / da ein Glück-Hafen war / da sahe er zu / welche gewonnen und verlohren (aber solche Herren haben ihre bestellte Leut / die sie gewinnen lassen / wann es ihnen gut düncket) indem kam ein Spitzbub / wieder den Herrn des Ladens zuspielen / und begehrte / das man ihm etliche Zettel darreichte / darvon er dem Varennez ein Theil anbote / sagend / so ihm beliebte / die Helffte seiner Zettel anzunehmen / wolte er ihm davon geben / und er erhoffte etwas rechtschaffenes davon zutragen. Der andere / dieweil er bereits in dergleichen Stücken angeführet worden / gab zur Antwort / daß sein Will nicht wäre / es mit ihm zuhalten. Auff diese Antwort wickelt der Spitzbub seine Zettel auff / und findet eine Silberne Gießkanne / die er von dem Herrn des Ladens alsobald forderte / und zeigete solches dem Varennez. Varennez dadurch angereitzet fängt an Zettel herauß zuziehen / und sie auff zuthun / den Tag hatte er derselben zum wenigsten von 20 Cronen [521] und bekam doch keine Gabe / das war doch nichts von allem seinem Verlust / dann er setzte seine Hoffnung auff seine Kette / glaubend / dieselbe würde ihm zuletzt noch wol dienlich sein / wann er sie den Goldschmieden verkauffete. Da er nun in der Meß beschauete die vornembste Waaren / kamen zween Vorläuffer / die allewege gute Wacht halten in besagtem Marckt / ihn zu grüssen: Mein Herr (sagte einer) es bedüncket mich / euch irgend wo gesehen zu haben. Das kan wol seyn / antwortete Varennez / ich bin von Amiens bürtig / euch unterthänige Dienst zu erweisen in allem / so mich wird können verpflicht machen gegen euch. Auff solches sagte der älteste zu seinem Gesellen / fürwahr mein Vetter / das ist unsers Handels / wir haben den Herrn eben recht angetroffen. Mein Herr / sagte er zu ihm / kennet ihr den Herrn Anwald des Königes nicht? Ja ihr Herren / antwortete Varennez / er ist mir verwand / und mein Vetter. Wir sind dessen sehr erfreuet / sagten die andern / ihr wollet uns das zu gefallen thun / und ihm diesen Brieff einhändigen lassen / doch daß wir euch deßwegen befriedigen. Varennez welcher sich noch nicht auff alle Rencke verstund / war frölich über solchem / und glaubte / daß das Glück ihm wieder vergelten würde auff einer / was ihm das Unglück auff der andern Seiten geraubet hatte / nahm den Brieff / und folgete denen / so ihm denselben gegeben hatten; Führeten ihn in das nechste Hauß / und da sie ihn daselbst an der Thür eine Zeitlang hatten warten lassen / kamen sie zu ihm / und sagten / daß ihr Herr kein klein Geld hatte / alß nur ein Stück von 110 Stüber / und wann er eine Cron / oder 50 Stüber an Müntz hätte herauß zugeben / solte besagtes Stück sein seyn. Er wegerte sich nicht / ihnen zugeben / was sie begehren / in[522] Meynung / er würde guten Gewinn daran haben. Von dannen gieng er wieder in die Meß / aber das Unglück traff ihn / daß man ihm den Beutel / darinnen sein Geld war / abschnitte / als er im Gedräng die Schildereyen zu betrachten / sich auffhielte / und blieb ihm nichts übrig / als die Kette / und das stück Golds / so er von diesen zween empfangen hatte; Nichts destominder merckte er nicht / daß er war angeführet worden. Nachdem er nun an unterschiedlichen Orthen zu Paris gesehen / was man schönes da mercken kan /nahm er seine Herberge nahe bey der neuen Brücken /eben in dem Hauß / da die Beutelschneider / Spitzbuben und Landstreicher sich gewöhnlich hinbegaben. Eben zu Varennez in dem Wirthshause ankommen war / ward er gewahr / daß sein Beutel abgeschnitten worden / darüber ward er sehr bestürtzt / doch gab er sich bald wieder zu frieden / da er seine Ketten und das Goldstück fand. Indem er also seinen Verlust beweinet / gesellet sich ein Spitzbub zu ihm / ihn zu trösten / daß man nemblich sich nicht muste überwinden lassen von der Traurigkeit / in Betrachtung / daß man doch die verlohrne Sachen nicht wieder zu wegen bringen könte / auch daß / weil er von Amiens wäre /er ihm alle treue Dienste zu leisten / erbietig wäre /ihn auch mit Geld versehen wolte / wann er dessen würde bedürfftig seyn. Alle diese Vortheil erfreueten Varennez / aber er wuste die Verrähterey nicht / die unter solchen Worten ihme angerichtet ward. Er danckete ihm fleißig / und nahete sich mehr zu ihm / der ander bat ihn zum Nacht-Essen / und sagte zu ihm /daß er entschlossen wäre / ihm ein gutes Stück zukommen zu lassen. Nun ist zu mercken / daß besagter Varennez wolbekleidet war / das machte / daß die Landstreicher auff ihn laureten / vor allem hatte er[523] einen schönen Mantel von Spanischem Tuch. Der Aufschneider / der ihn zum Nacht-Essen geladen /entlehnet durch Gleißnerey seinen Mantel / ihn überredend / daß er seinen in der Kammer gelassen hätte /und unter dem Schein als wolte er bey Sainct Germain gehen / einen Capuner zukauffen / wendet er sich nach der Gassen S. Honorari / und ward von derselben Zeit nicht mehr von ihm gesehen. Unterdessen wartete Varennez im Wirtshauß / und bekümmerte sich nicht viel umb das Nachtessen / wann er nur seinen Mantel wieder gehabt hätte. Es war aber noch nicht das letzte Ungemach / so über ihn verhängt war. Dann nach dem er auff die eitele Hoffnung seiner Ketten und des Goldstücks zu Nacht gezehret hatte / befand er / das sie falsch war / und er betrogen worden. Hierauff legte er sich schlaffen / und vermeynete / daß / weil er so viel Unglück erlitten / würde ihn je das Glück die Nacht in guter Ruh lassen. Aber wie anfangs erwehnet / daß dieß Hauß eine rechte Auffenthalt war der Landläuffer / kamen sie des Nachts heimlich / ihme seine Kleider zuentwenden / blieb also der unglückliche Varennez allein / nackend / und darzu ohne Hülff einiges Menschen.

232. Die Gaudiebische Spitzfindigkeit
CCXXXII. Die Gaudiebische Spitzfindigkeit.

Einer genant Rapini / der von Jugend auff nichts anders gethan / als Rauben / Stehlen / und allerhand Ungerechtigkeit zutreiben / verläst sein Vaterland Burgund / und begibt sich nach Paris / sich versicherend /daß dieses der bequemeste Ort sey / dergleichen ferner zuverrichten. So bald er nun zu Paris angelangt / gesellet er sich zu einem hauffen Nacht-Raben und begehet an vielen Orthen der Stadt unterschiedliche[524] Raub und Diebstahl / dardurch sein Nahm alsobald bekant / seine Persohn überall gefürchtet wird / man überall von seinen Hurenstücken zuerzehlen wuste. Als er nun einsmahls einen anzuführen / ihme vorgenommen / zeucht er köstliche Kleider an / daß man ihn auch vor den grösten Herrn angesehen / nimbt darauff seiner Mitgesellen Knaben einen / leget den in eine Kisten / von weissem Holtz gemacht / ingestalt eines Kauffmans Ballen formirt / und gehet zu einem Kauffman / mit Nahmen Siriandre / in der S. Anthoni Gassen. Der Kauffmann war reich / und hatte unterschiedliche Waaren / vor die Einwohner der Stadt Langres / und dero Benachbarten / welches Rapini Anlaß gab / daß er bey sich beschleust / seinen Ballen ins Kauffmans Behausung tragen zulassen / vorzugeben / er wolte seinen Ballen in sein Vaterland über machen / und einem seiner guten Freund zusenden /gehet auch einsmahls des Morgensfrühe zum Siriandre / mit erst gedachten Ballen / und bittet ihn / er wolle ihm diesen Ballen verwahren / biß daß der Bott aus Burgund komme. Dieser Kauffmann / als welcher unterschiedliche Correspondentz in Burgund hatte /und viel Waaren in selbiges Orth schickte / ohne einiges weiteres Nachsinnen dessen / so in dem Ballen sein möchte / empfähet denselben / und läst ihn in seinen Laden bey seine andere Waaren setzen. Als nun dieser Knab / bey welchem aller Schlaff vor dieses mahl verbannet sein muste / gemerket / daß jederman in dem Hauß sich zur Ruhe begeben / und alle insgesambt mit dem ersten und stärcksten Schlaff übernommen seyn musten / thut er allgemach das Kästlein / darin er bißhero gestecket / ohne einiges Gepolter auff / und kombt in der Finstere Tappend / zu der Hauß-Thür / da er gewahr wird daß dieselbe wieder sein Verhoffen / mit einem verdeckten Schloß und Riegeln verwahret ist / und daß man den [525] Schlüssel dem Herrn hinauff gebracht hatte. Worauf ihm schier aller Muht entfallen wolte / indem fält ihme ein / daß er einen Diel an dem Laden zu der Galsen abbrechē wolte / dadurch er seinem Cammeraden einen Eingang machen könne; Wie nun Rapini kombt / mit noch 4 andern Räubern / konten sie in den Laden nicht kommen / sintemahl der gemachte Eingang ihnen nicht so viel verstatten wolte / jedoch weil der junge Dieb sie alle mit allerhand köstlichen Waaren belegte / dürften sie des Eingangs nicht. Nachdem nun der Jung diese 5 mit allerhand Gattung Tücher und Sarschen wolbeladen hatte / nimbt er der Waar auch so viel / als er fortbringen konte / und kombt damit zu seinen Gesellen nahe bey Sainct Gervasio. Da die Nachbahrn früh gesehen / daß der Laden auffgebrochen / lauffen sie zu der Haußthür des Kauffmans / klopffen an. Da nun die Haußgenossen und Diener erwachen / und den Betrug mit dem Diebstahl erkennen / können sie den Thäter nicht erfahren biß 4 Jahr hernach / da der eine von den 4 Missethätern über einer andern That eingezogen worden / der dann an dem Gericht La Greve erhängt wurde.

233. Der listige Amertis
CCXXXIII. Der listige Amertis.

Amertis hatte wohl gereist / daß er also aller Ohrten sehr bekant war / auch mit unterschiedlichen gute Vertrauligkeit hielte / deßgleichen in allen Händeln verschlagen und geübt war. Indem nun derselbe auf eine Zeit in dem Königlichen Saal zu Paris auf und ab spatzierte / umb zu sehen / ob er eines oder des andern Handel außkundschafften möchte / ersiehet er einen Kauffmann von Lyon bey einem seiner Bekanten stehen / mit dem er etlicher Waaren halber / so er ihme geschicket / sprach [526] hielte: Er sahe denselben lang an / zu erforschen / ob / und welcher gestalt er den Kauffmann anführen solte / aber in dem er der Sachen nachdencket / ward er etlicher gewahr / die von diesem Kauffmann Sprach hielten / da einer vorbrachte / er wäre von Lyon / und sey ihm dieser Kauffmann bekant; Zu diesem Gespräch kehrete obgedachter Amertis das Gehör; der ander gibt vor / er hätte mit ihm in Italien eine Reise gethan / und wäre er ihm dannenhero auch noch Geld schuldig / so er ihm zu Meyland auff sein Begehren vorgestreckt. Als das Amertis mit allem Fleiß in acht nahm / wer derselbe Kauffman war / wo und zu welcher Zeit er an solchem Orth gewesen / gieng er zu dem Kauffman / der unter denen vornehmen Stands-Persohnen war / mit welchen er in einem Handel stunde / den grüssete er mit tieffem Reverentz: Der Kauffmann / weil er den Amertis nicht mehr gesehen / kehrete sich gegen ihn /und gibt ihm wieder seinen Gruß / neben diesen Worten: Der Herr wolle mirs günstig vorguht halten / ich kan mich des Herrn Kunddschafft nicht wol besinnen / mich bedünckt aber / daß ich denselben irgend mehr gesehen. Diese Wort bliesen dem Amertis sein Hertz mehr auff / daß er ihm darauff zur Antwort gab: Mein Herr / ich bin eben der / so die Ehr gehabt mit ihm aus Italien eine Reise zu thun: Der Kauffmann / welcher sich nicht mehr der / so vor 15 Jahren auff der Reiß in seiner Gesellschafft / bevorab weil derer mehr gewesen / erinnern konte / glaubte das / so er sagte /und nahm ihn vor einen bekanten Freund an. Amertis bekam von dieser guten Meynung eine Hoffnung /und nach allerhand Gespräch und Befragung / wie es ihm / seithero er ihn nicht gesehē ergangen wäre /fienge er an zu sagen: Nach dem ich den Herrn anjetzo erwünscht antreffe / kan ich denselben [527] unbesprochen nicht lassen / und geschehe mir ein grosser Gefallen / wann mir der Herr die 100 entlehnte Cronen wiederumb gut machte: Der Kauffmann hörte diese Forderung mit grosser Verwunderung an / und wuste sich nicht in des Amertis Rede zu finden / und weil er nicht verstunde was er von ihm haben wolte /gab er ihm zur antwort: Er wüste von keiner Schuld /so er ihm zuthun wäre. Ich glaub nicht / antwortete Amertis / daß ein so redlicher Mann / wie ihr seyd /dem seine Ehr und guter Nahm gelegen ist / ein so verkehrtes Gewissen habe / und daß / so er mir zuthun / läugnen wolle / das wäre nicht allein dem Recht der Lieb Gewalt angethan / und aller Conversation zu wieder gehandelt / sondern es würde auch verursachen / daß alle euer Credit und gute Meynung / so man von euch / so wol in Paris / als zu Lyon gefast / dardurch zu Grund gienge; Wisset ihr euch nicht zu erinnern /daß ich euch zu Milan solches Geld vorgestreckt habe / ihr könt mir das nicht läugnen? Der Kauffmann war gantz bestürtzt / sagte / es bedüncke ihn nicht anders /als / da man ihm etwas von Geld auff seiner Reiß vorgestreckt / habe er selbiges wieder geben / der ander verneint solches / und hält mit seiner Anforderung beständiglich an. Die bey dem Kauffmann stunden / als sie dieser Wort eusserlichen Schein sahen / bildeten ihnen ein / es müste solches Begehren rechtmäßig seyn / gaben darauff dem Kauffmann unrecht / und in warheit nach den Geberben des Amertis zu urtheilen /hätte man nimmermehr gedencken sollen / daß einiger Betrug in solchem Vorgeben gewesen wäre. Nachdem Amertis siehet / daß er den Tag seiner Forderung Endschafft nicht erreichen würde / schobe er seinen Handel auff den andern Tag / da sucht er seinen Kauffmann wieder / und wie er bey [528] einer ehrlichen Gesellschafft stehet / gehet er abermahls auf ihn zu. Der Kauffmann / als er siehet / daß dieser Betrieger ihn wieder vor so ehrlichen Leuten beschweret / befürchtet sich / es möchte ihm ein Schimpff daraus entstehen / derowegen nimbt er einen von der Gesellschafft abseits / bittet den / daß er solche Forderung in seinem Nahmen auf sich nehmen wolte / und solte man sehen / was daraus erfolgen würde. Darauff dieser das Wort von sich geben / wie er siehet / daß Amertis dem Kauffmann mit der Forderung zusetzte /sagt er zu ihm in Gegenwarth der Gesellschafft: Mein Herr / ihr habt Unrecht / daß ihr euch dieser Schuld-Forderung halben an diesen Herrn haltet / dann ich bin es / der solche Schuld euch zuthun ist / ohneracht ein jeder wol wuste / daß derselbe niemahls in Italien gewesen. Amertis / als welcher über die massen verschmitzt war / gibt zur Antwort: Mein Herr / ich weiß wol / gestalt ihr mir anjetzo selbsten vor dieser Herren Præsentz bekennet / daß ihr mir vor euer Persohn 100 Cronen schuldig seyd / welches ihr mir vermög eigener Bekäntnüß nicht werdet läugnen können: Aber was diesen Herrn belangt / welchem ich besagte Summa Gelds in Italien vorgestreckt / muß er mir solche unfehlbahr bezahlen. Dergestalt überzeugt er beyde so hart / und beträngt sie so hefftig mit Lästerworten / daß diese aus Furcht / sie möchten ihren ehrlichen Nahmen / bevorab in einer so ansehnlichen Gesellschafft allen Credit verliehren / lassen ihm die Helffte dieser anforderenden Summe geben / mit dem Versprechen / sie wolten ihm den Rest mit der ersten Gelegenheit auch erlegen; Und wird vielleicht dieser Gesell nicht gefehlet haben / solchen Rest zu holen /und ihnen der bezahlten Summ Geldes wegen / eine Quittantz zubringen. Welches dann eine grosse Unbescheidenheit [529] und ungläublicher Betrug / als einer hätte mögen erdacht werden.

234. Das bezahlte Gespenst
CCXXXIV. Das bezahlte Gespenst.

In Paris bey der alten Müntz wohnete ein Bürger Nahmens Tremonville; der hatte einen schalckhafften Knecht Ravisio genant / dieser hatte jederzeit die Gedancken dahin gerichtet / wie er etwas aus dem Hauß entwenden möchte / ohngeacht / daß der einheimische Diebstal ein Haubt-Laster ist. Es wurden deswegen tägliche Klagen vor seinen Herrn Tremonville gebracht / welcher sich dann derentwegen zum hefftigsten beklagte / daß es auch dreymahl mit ihm so nahe stund / daß besagter Ravisio vermeinete / er muste auff seines Herrn Befehl das Hauß räumen / aber er wuste seine Sach allwegen so artig zubeschönen / daß ihm seiner That zu überzeugen / niemahls geschehen könte. Nun begab sichs / daß / als besagter Ravisio in seines Herrn Behausung wohnete / eine Persohn / so dem Herrn zugehöret / mit todt abgieng. Diese Gelegenheit nam er in acht / sich dieses Verstorbenen zum nützlichen Schein zu gebrauchen / daß er seinen Diebstahl verbergen möchte / und meinete / wann er sich zu einem Gespenst verstellet / wäre solches das beste Mittel zu seinem Zweck zu gelangen / und dergestalt grosses Guth aus dem Hause zu bringen. Damit er nun sein Vorhaben ins Werck richten möchte / gieng er auf den Gottesacker Sainct Innocents /nahm einen Todten-Kopff mit sich nacher Hauß / beneben andern Instrumenten / stund in der Mitternacht auff / und wie seine Schlaffkammer in des Hauses höchstem Gebäu war: So machte er ein schröckliches Getöß; bald [530] nahm er einen zerbrochenen Hafen / dadurch redete er gantz rauh und heiser / bald redete er gantz unbekante Worte / bald schlug er / warff / und erweckte die im Hauß waren / und hielt mit diesem Wesen über die 15 Tag an. Unter solcher Zeit überredet er den Tremonville / als ob ein Gespenst alle Nacht in seine Kammer zu ihm käme / und hätte dasselbe schon dreymahl mit ihm geredet. Sein Herr welcher solchem Vorgeben anfangs keinen Glauben beymessen wollen / hielt es entlich / nachdem er solch Gepölder gehört / vor warhafftig. Wie nun Ravisio siehet / daß man seinen Worten glauben zu stellen anfieng / und daß er denen im Hauß durch dieses lügenhaffte Vorgeben einen Schrecken eingejaget / vermeinete er / er muste solch Vornehmē vollends ins Werck setzen / umb welcher Ursach willen / als er einsmahls des Nachts abermahl ein grosses Gepölder machte /verfehlete er morgensfrühe nicht / solches seinem Herrn anzumelden / und alle Rede / so das Gespenst mit ihm gehalten / zu erzehlen / und begehre dasselbe / daß man eine Walfarth zu unserer lieben Frauen zu Liesse thun / desgleichen eine Meß zu den guten Leuten zu Chaliot singen lassen solte. Der Herr / welcher solches / was man ihm sagte / wegen dieser kürtzlich im Hauß verstorbenen Persohn / glaubete / ließ sich von Stund an durch solche Beredungen einnehmen /und das Vornehmste in dieser Sachen ist / daß Ravisio vorgab / daß der Geist wolte / daß niemand anderst diese Walfarth thäte / als er / Ravisio / in eigener Persohn. Welches Vorgeben den Tremonville bewegte / daß er ihn mit einer guten Summa Geldes außstaffirete / und so viel in Beutel gibt / als er solche Wallfarth zuthun gefordert hatte: Darauff zog er nun hin / ohngeachtet er doch nicht aus Paris kommen /machte sich mit dem Geld gute Tag / und ließ seinen Herrn unterdessen auf [531] dem Wahn / ob verrichtete er seine Wallfarth / und ließ die begehrte Meß singen. Nachdem nun Ravisio von seiner Wallfarth wieder nach Hauß gelanget / und sich mit besagtem Geld lang genug lustig gemacht / beginnet er sein voriges Bubenstück aufs neue zu gebrauchen / dann von daran hörete man / daß das Gespenst mehr Gepolter /als zuvor gemacht / die gantze Nacht durch vernahm man nichts dann Getöß / schreckliches Geschrey und abscheuliches Heulen / also / das sich jederman im Hauß hefftiger fürchtete / und je näher jemand zur Kammer / darin es also tobet / gehen wolte / je grösser Furcht man davon bekam. Hierauff war Ravisio kaum auffgestanden / daß er neue Opffer und Allmosen von Tremonville fordert / vorgebend / es habe das Gespenst ihn auff ein Neues geplagt / und dergestalt setzte er dieses fort einen Monath lang / biß er seinem Herrn zum andernmahl eine grosse Summa Gelds aus dem Beutel geschwetzt hatte: Sintemahl sein Herr Tremonville sich seines Knechts Untreu und Unschamhaftigkeit nicht versehen / und wuste er die Sach so wol zuverblümen / daß man sich nimmermehr eingebildet / daß er einen solchen Betrug hätte üben sollen. Das Geschrey von diesem Gespenst wird in der gantzen Gegend ruchtbahr / welche ungleiche Gedancken hatten / in dem etliche vermeinten / es wäre nur ein blosse Einbildung / und unmöglich / nach Aristotelis Lehr / daß ein Geist wieder komme; Andere hielten darvor / es könte wol wahr seyn / und hätte man derentwegen gnugsahme Erfahrung / so wol zu Paris / als andern Orten in diesem Königreich: Unter diesen waren viel Ungläubige / welche alles verlachten / und versprachen / sie wolten das Ungeheuer vertreiben / wann Tremonville ihnen zulassen wolte / das sie in seinem Hauß über Nacht bleiben möchten. Weil nun dieses Gespenst dem Tremonville [532] so viel Ungelegenheit gemacht / wird er / nachdem ihn das vermeinte Gespenst bereits mehr dann 100 Pistoletten gekostet / entlich bewegt / in solch Begehren zuwilligen. Nun begab sichs einsmahls / daß auff einen Abend besagte Nachbahrn zu Erfüllung ihres guten Willens /sich bey Tremonville einstellen / dessen aber ward Ravisio nicht berichtet / und wie sie sich in lustigem Gespräch aufhielten / umb zusehen / was das anfangen würde; alsobald vernahm einer das Gepolter so starck / als noch niemahls gehört worden: Solch groß Getümmel machte / daß sie sich alsobald auff die Füsse machten / gingen hinauff / wie sie vor die Cammer / darinnen sich das Ungeheuer hören ließ / kamen / war einer / der nahm von Stund an die Flucht die Stiegen hinunter / sein Gesell aber / welcher gedachte / daß man ihres Vornehmens spotten würde / wann er solches nicht biß zu End ins Werck richtete / gieng behertzt seinen Weg forth / und kam biß vor die Cammer / da vernahme er alsobald ein abscheuliches Murren und Krumsen / da stund er ein lange Zeit im Zweiffel / ob er hinein gehen / oder heraus bleiben solte / und wie er also lang zwischen Furcht und Künheit / als auff einer Wagen schwebete / ward er gewahr / daß ein Licht in der Kammer war / so bald er das innen ward / that er einen Tritt mit dem Fuß wieder die Thür / daß dieselbige aus den Kloben fiel /gieng darauf die Cammer hinein: Als er nun den Poltergeist mit einem Tuch umbgeben siehet / und wie einen Todtenkopff in der Hand hielte / wolt er wieder zurück gehen / dieweil aber niemand in dem Beth lag / gieng er auff das Gespenst zu / griff das an / welches dann zu Schreyen anfieng. Der Nachbar über seinem glücklichen Fang freudig / ruffte seinen Haußgenossen / welche sämbtlich in die Cammer gelauffen kamen / prügelten das angemaste Gespenst dermassen ab / [533] als es verdienet hatte. Tremonville / als er solches vermerckete / konte sich so bald aus Bestürtzung in die Sach nicht finden / doch ließ er ihn biß auf den andern Tag einsperren / da er dann des Morgens ins Schloß-Gefängnüß geführet ward. Es ist noch nicht lang / so hat auch dergleichen einer gespielet nechst bey der Bastille / aber so bald er mit solcher Invention 200 Pistoletten erschnappet / hat er sich / fürchtend /er möge darüber gefangen werden / alsobald aus dem Staub gemacht / und dergestalt ist er dem / so dem erstgedachten begegnet / bey Zeiten zuvor kommen.

235. Der Mißlungene Betrug
CCXXXV. Der Mißlungene Betrug.

Ein Einfältiger und ein Boßhaffter giengen mit einander über Feld / funden einen Sack voll mit Gold und Silber; nahmen denselben und gienge darmit nach Hause: Und als sie nahe zu der Stadt kamen / sprach der Einfältige: Es ist Zeit / daß wir unsern Schatz theilen / damit ein jedweder seinen gebührenden Antheil nehme; Der Boßhafftige antwortet ihm: Ich wil thun was du wilt; Aber mir ist eben / so wir das Geld theilen / als wann wir unsere anitzo lang in unserer Armuht gehabte Freundschafft auch mit einander theilen / und daß wir uns zu der Zeit dieses Glücks nicht scheiden solten / derowegen were es besser / wenn jeder etwas Gelds zu seiner Nohtturfft zu ihm genommen / und wir das übrige etwan daherumb vergraben hätten / und wann wir mangelten / daß wir allwegen miteinander etwas davon nehmen. Der Einfältige ließ sich von diesem Schalcke bereden / und es nahm jeder etliches Gelds; das ander vergruben sie bey dem Stamm eines gar grossen Baumes: Aber [534] der Boshaftige gieng stracks den andern Tag hin / und stahl den Schatz. Uber etliche Tage kamen beyde zusammen /sagende / wie sie Geld mangelten / und etliche Schulden bezahlen musten / suchten ihren Schatz / und da sie gar nichts funden / stellte sich der Boßhafftige /als ob er von Sinnen kommen wolte / schalt seinen einfältigen Gesellen einen Dieb / sagende: daß niemand anders / als er / solchen Schatz könne gestohlen habe: sintemahl sonsten niemand davon gewust hätte. Der Einfältige wolte sich entschuldigen / aber es war umbsonst; der Schalck zoge die Sache vor den Richter; Welcher fragte / ob jemand darbey gewesen / als sie den Schatz vergraben? Da sprach der Boßhafftige: Herr Richter / dieser Baum / zwischen welches Wurtzeln wir den Schatz vergraben haben / ist darbey gewesen; Der kan darumb Kundschafft geben: Und ich begehre / daß er hierüber gefragt werde: Der Richter verhieß / den nechstfolgenden Tag / an demselbigen Orte zu erscheinen / und sie solten sich auff die bestimbte Stund dorten befinden. Dem Boßhafftigen gefiel die Meinung wol / dann er hatte sich schon über die Sache bedacht / und einen Anschlag mit seinem Vater gemacht / daß derselbige sich in dem Baum (welcher inwendig hol / und unten einen Einschlupff hatte) verbergen solte; Damit / wann der Richter den Baum fragte / er darauf antworten könte; Wie der Einfältige den Schatz gestohlen hätte: Der Vater beschwerte sich zwar umb etwas / weil er aber nicht viel besser war / als der Sohn / schloffe er zu Nachts hinein. Da nun des andern Tages der Richter mit seinen Ambtleuten kam / da wahren auch die Partheyen und viel Volcks schon dar / und der Richter verhörte die Partheyen; Darnach richtet er sich auch gegen den Baum / und fragte ihn mit lauter Stimme; [535] Wer den Schatz gestohlen hätte? Der Alte so in den Baum verborgen war / antwortete und sagte / daß ihn der einfältige Mann (den er mit Nahmen nante) gestohlen hätte. Wie sich Männiglich hierob verwundert habe / ist leicht zu gedencken; Aber der Richter / da er sich ein wenig erholete / zweiffelte alsobald / daß ein Betrug in der Sache were / befahl deßwegen / viel dürres Holtz umb den Baum zu legen / und dasselbige anzuzünden: Dann er gedachte / were ein guter Geist in diesem Baume / so würde ihm das Feuer nicht schaden; So dann ein Betrug verhanden sey / würde derselbige damit auch offenbahret werden; Wie dann beschah; Dann so bald der Alte im Baume angefangen die Hitze und den Rauch zu empfinden / fieng er an Mordfeurio zuschreihen / und umb Gnade und Barmhertzigkeit zu bitten: Da ließ der Richter das Feuer löschen / und den Alten heraus ziehen / der war so voller Schweiß und Rauch / daß man ihn kümmerlich noch erkante / welcher den erzehlet / wie sich der gantze Handel verloffen; Da straffte der Richter den Sohn und Vater / und urtheilte den gantzen Schatz dem einfältigen Manne zu. Also schlägt Untreu seinen eignen Herrn! Denn wer den andern betreuget / der macht einen Sack / darinnen er sich selbst wird fangen.

236. Der behende Gastgeber
CCXXXVI. Der behende Gastgeber.

Zu Ingolstadt logirte ein junger Edelmann bey einem Wirth / welcher ziemblich in den Tag hinein lebte /daß der Wirth eine grosse Summa von ihm zufordern hatte: Dannenhero begunte ihm angst zu werden / und er gedachte auff mancherley / wie er Raht finden[536] möchte / damit er bezahlet würde. Inzwischen begab sich / daß des jungen Edelmannes Vater (welcher ein Ritter war) nach seinem Sohne schickte / er solte unverzüglich heimkommen. Da fieng dem Wirthe erst an wie die Katze den Rücken aufzulauffen / er wuste nicht wie er seinen Sachen thun wolte / zu letzt gedachte er / wolan / ich muß ein anders für die Hand nehmen / ob ich doch mit Listen zur Bezahlung kommen möchte. Er richtet ein gut Pancket zu / und saget zu dem Edelmann; Juncker / ich verstehe / wie daß ihr heimreiten wollet / nun müssen wir uns dennoch zuvor mit einander letzen / und einen guten Muht haben. Dieß gefiel dem Edelmann wol / und er sagte: Ja mein Herr Wirth / in welcher Mahlzeit muß aber solches geschehen / damit ichs auch andern guten Gesellen / so mir lieb sind / verkündigen mag? Der Wirth sprach: Juncker / zum Nachtmahl bin ich sehr wolgerüst / darumb möget ihr wol gute Gesellen mit bringen / so wollen wir gantz leichtsinnig sein; In Summa die Sache war also abgeredet. Der Wirth befahl allem seinen Gesinde; So bald man zu Tische käme / solten sie nur nicht faul seyn / mit Einschencken; so war der Bescheid auch gegeben / daß sie den besten Wein einschencketen. Nun / so bald es umb die Zeit war / daß man zu Tische saß / trug man auff der Schwere. Da hub sich ein groß Fressen und Sauffen an: Der Wirth aber lieff stets von und zu dem Tische / damit man auff sein Fürnehmen nicht achten /und destoweniger Argwohn haben möchte. Er schürte auch tapffer zu / damit dem jungen Edelmanne kein Mangel an Trincken gelassen würde. Nun hatte der junge Edelmann eine schöne güldene Kette am Halse hängen / die war zum wenigsten in 300 Gülden werth / als nun der Wirth merckte / daß der junge Edelmann gantz [537] wol bezecht war / sagte er zu ihm: Juncker / wie möget ihr doch den gantzen Tag so schwer am Halse tragen? Der Juncker sagte / wie so? Da sprach der Wirth / mich beschweret den gantzen Tag das Hembd / wann es am Leibe / deßgleichen mein Hut auff dem Kopffe / ich geschweige / daß ich einen gantzen Tag solte eine solche Ketten an mir tragen solte / sie aber (sagte der junge Edelmann) beschweret mich gar nichts / ich wolte / es käme einer und schenckete mir noch eine zu dieser / ich trüge sie darzu / ja wenn sie noch so schwer sein solte. Der Wirth sagete: Ich möchte doch wol wissen / wie einem were / der eine solche Ketten trüge. Der Edelmann war nicht unbehend / hinge dem Wirthe die Kette an den Hals; Der Schlamp aber gieng nichts destoweniger für sich; Der Wirth lieff ab und zu / wie er vormahls auch gethan hatte / auff die letzte verlohr er sich gar / und legte sich schlaffen / achtete nicht / wer die Zeche machte. Als nun das Sauffen über die Zeit wärete / blieben etliche in der Stuben auff den Bäncken liegen; Die Sorge war schon bey ihnen allen dahin / der Edelmann gedachte nicht mehr an seine Kette. Als es nun Morgen und Tag ward / saß mein guter Wirth auff sein Roß / ritte dahin / und nahm keinen Abschied von seinen Gästen; Nicht lange darnach stund der Edelmann auff / und meinete hinweg zureiten / er fragte offt / wenn der Wirth auffstehen wolte / daß er ihm seine Kette gebe / denn er muste reiten. Zuletzt sagte ihm der Stall-Knecht / der Wirth were des Morgens frühe davon / so wüste er nicht anders / dann er wehre ins Elsaß nach Weine geritten. Der gute junge Edelmann war der Sachen nicht gar wol zufrieden /wartete biß die Wirthin auch kam; die sagte ihm gleich Bescheid. Was solt er thun? Er muste hinweg[538] auff seines Vaters Schreiben / so kunte ihm die Wirthin gar nichts von seiner Kette sagen. Also zohe er gantz traurig davon / über etliche Zeit schrieb er dem Wirthe umb seine Kette. Als er aber lang umbher gieng / must er ihm sein Geld schicken; da hielte ihm der Wirth seine Kette auch nicht mehr zurück.

237. Die betrogene Judenschafft
CCXXXVII. Die betrogene Judenschafft.

In der berühmten Lombardischen Stadt Bolonien war ein Münch / Prediger-Ordens / der gar sehr wieder die Juden auff der Cantzel schrie / und in sonderheit wieder ihr Gebet / so sie täglich der Christlichen Obrigkeit und gemeiner Christenheit zu wider beten und sprechen musten / sambt andern Versuchungen / so sie in Anschauung der Christen sprechen. Dieser Prädicant bracht die Sache dahin / daß die Juden in gantz Italien solche schmählige Gebeth aus ihren Gebetbüchlein heraus thun musten / dann wo man von einem gewahr ward / daß er des Orts ungehorsam war / ward er an seinem Leibe gestraffet. Diese Ursache bracht die Juden alle gar in einen solchen Haß gegen gedachten Prediger Münch / daß sie alles Böses auff ihn erdachten / damit sie ihn möchten umbs Leben bringen / welches doch alles umbsonst war. Nun war ein Jude an demselbigen Orthe / mit Nahmen Natan /der hatte einen Landsman in dem Kloster / der war ein Beckerknecht gewesen / war sonst ein Beybruder worden / und backte dem Convent alles Brod / so sie bedürfften. Dieser Bruder war aus Teutschland gebohren / wie dann auch Natan der Jude: Darumb er sich dann viel zu dem Juden gewehnete / umb des Willen / daß der Jude zu Zeiten in Teutschland reisete / und dem[539] Bruder hin und wieder Bottschafft ausrichtete. Die hatten etliche Juden wargenommen / gedachten durch ihn und durch gemelten Bruder Mittel und Wege anzurichten / sich an viel gemeltem Münche zu rächen. Die fügten sich zu dem Teutschen-Juden / boten ihm eine Summa Ducaten an zu schencken / wo er seinen Landsman den Becker dahin bringen möchte / daß er dem Münche ein Venedisch Süpplein kochen / und zu essen geben wolte. Ihm / dem Bruder / solten auch nicht minder viel Ducaten zugestellet werden. In Summa der Jud bewilligte / ihr Anmuhten aufs fleissigste auszurichten. Er fügete sich zu dem Bruder und mit langen Umbständen / zeigete er ihme zuletzt seine Meinung an. Der Bruder (so auch mit dem Teuffel zur Schulen gangen:) sagete zu dem Juden: Ach mein lieber Natan / wo aber die Sache auskommen solt / wie würde es mir armen Bruder gehen; darauff sagte der Jude / Bruder / du weist / daß ich dich gar nicht verrahten werde / sonst muste ich (als der so dich dazu veruhrsachet) in viel grösserer Gefahr stehen / dann du selbest. Darumb mag die Sache nimmermehr geoffenbahret werden; Es sey dann durch mich / oder durch dich. Darauf antwortete der Bruder: Natan / ich wüste einen andern Weg / wenu dich das Geld nicht hieran verhinderte. Wir haben einen Koch im Convent / einen gar Geldgierigen Menschen / derselbige muß zum öfftermahle dem Predicanten sonderlich kochen /dann sein Brauch ist vor der Predigt nicht zu essen /dieser Koch könte die Sache am besten zum Ende bringen. Dieser Anschlag gefiel dem Juden fast wol /beschloß also mit dem Bruder / er solte die Sache auf die Bahn bringen / es solte an keinem Gelde mangeln / schieden darmit von einander. Der Bruder war wol zumuht / dann er gedachte / die Juden umb das Geld zubringen / [540] und solte dennoch dem Predicanten kein Leyd wiederfahren. Er kam zu dem Koche und sprach zu ihm: Compan / woltestu es zu danck annehmen /so wolte ich dir eine gute Zehrung zuwege bringen /so du mit Ehren und Frömmigkeit wolnehmen magst /und saget ihm damit die Meinung. Die beyde wurden zu Raht / fügten sich zu dem Predicanten / und baten ihn in der Sachen behülfflich zu sein / darmit sie die Juden umb das Geld bringen möchten. Das sagte er ihnen zu / er hatte auch gar fleißiges Nachdencken auf die Sache. Nun hatte der Predicant auff nechstkünfftigen Sonntag ihm sonderliche Zusage gethan / der Juden Schalckheit zu offenbahren; deß wahren die schändlichen Juden schon inne worden / darumb sie dem Bruder ernstlich anlagen / mit der Sache aufs schnellste zu verfahren / damit der Predicant an seinem Fürnehmen verhindert würde. Das alles sagte der Bruder dem Predicanten / dem gefiel es gar wol / und sprach zu dem Bruder: Er solte eylends zu dem Juden gehen / und ihm zubereitet Gifft geben heissen / sagend / er wüste sonst einen (sonder grossen Argwohn) zuwege zubringen. Das geschahe also nach seinem Befehl. Der Bruder nahm den Gifft / so in einem Gläßlein eingemachet war / brachte das dem Predicanten / und sagete: Domine Lector / nehmet hin den Gifft und esset das / dadurch mag ich viel Geld überkommen / oder wo es euch zuwieder ist / möget ihr sein wol müßig gehen. Ich hab es auch geben zu essen (wie ich denen Juden zugesaget /) ihr aber möget nun thun was ihr wollet. Der Predicant nahm das Glas /mit dem Giffte / verwahrte das war wol / damit ers zu seiner Zeit brauchen möchte. Auf den künftigen Sonntag nahm er sich eines grossen Wehtages an / legte sich zu Bette / gehub sich fast übel / nahm auch etliche Artzney wieder Gifft ein (als wenn [541] er das gessen /als nun die Stunde kam / daß er predigen solte / versamlet sich eine grosse Menge in der Kirchen. Bald kam das Geschrey durch einen andern Münch der auff der Cantzel stund / der Lesemeister hätte einen schweren Fall überkommen und wehre zu sorgen / er sey mit Gifft vergeben worden; Welches vielen entgegen war. Diese Mähr kam auch geschwind vor die Juden /denn sie ihre Kundschafft allezeit in der Predigt hatten; sie waren wolgemuht / sagten unverholen / der were eine sondere Straffe von Gott / dieweil sich der Münch mit so scharffen Predigten wieder die Hebreer gelehnet: Nun hätte er wol gewust / daß Gott von alters her alle die / so sich wieder die Juden gelehnet hatten / hart gestraffet: Darumb solte er solches unterlassen / und die Hebreer nicht so gar verfolgen. Derer Worte schlugen die Juden gar viel aus / und wahren in grossen Freuden; Umb daß ihrem Widersacher der Todt so nahe sein solt. Als aber nun dem Lesemeister Zeit daucht / befahle er den beyden Brüdern / Becker und Koche / sie solten sich allergestalt rüsten / als wenn sie allerdings Wegfertig werē und darvon lauffen wolten / dann der Argwahn were gantz auff sie gefallen / solten eylends zu den Juden gehen / und ihnen solche Meinung anzeigen / und damit ihre versprochene Belohnung fordern. Das geschahe also / sie kamen gantz Angsthafftig zu den Juden / zeigten ihnen solche Meinung an / sie müsten sich trollen; Dann das Getümmel wolte auff sie fallen / und were zu sorgen / wenn sie länger blieben / daß sie müsten ins Gefängnüß gehen; alsdann würde man die Warheit von ihnen erfragen wollen und wo die solte an Tag kommen / möchten sie (die Juden) solcher Gefahr auch nicht entgehen. Die Juden (so nicht anders glaubten / dann ihm were also / wie die zween anzeigten) waren wol zu Muht / und / darmit sie [542] bald ihres Pfandes loskämen / gaben sie ihnen mehr dann ihnen versprochen war: Das nahmen sie mit freuden und giengen den nechsten Weg ins Prediger-Kloster / zeigeten das Geld dem Lesemeister oder Predicanten /der des Handels halber sich nicht wenig freuete / er bracht auch bey einem gantzen Convent zu wege / daß beyden Brüdern ihr Geld blieb / sonst hätte es der Orden genommen / des andern Tages nahm der Lector die zweene Brüder zu sich / gieng mit ihnen zu Marck spatzieren / und sonderlich da am allermeisten Juden wahren / die solches Anblicks gar sehr erschracken /und sonderlich die / so den beyden Brüdern das Geld geben hatten: Denn sie wol gedachten ihre Anschläge und Practicken würden außbrechen. Also haben sie bald das Loch getroffen / und die Bruder mit dem Gelde einen guten Muht haben lassen / dieweil sie nichts an ihnen wusten zu gewinnen.

238. Das gestohlene Silbergeschirr
CCXXXVIII. Das gestohlene Silbergeschirr.

Als einsmahls ein Cardinal zu Rom ein stattlich Panquet gehalten / und man das Silbergeschirr von der Taffel wiederumb aufgehoben und in ein Thrülein in das nechste Gemach gesetzt / darinnen die Diener auf ihre Herren warteten / ist einer / wie ein Hoffmeister /gar stattlich hinein getretten / welchem ein Diener /mit einer brennenden Fackel vorgangen. Indem er nun die Diener / so auf diesem Thrülein gesessen / heissen aufstehen / und bey seits gehen / hat er alsbald befohlen / daß zween Träger so hinter ihm gangen / dasselbe hinweg tragen und an einem sichern Ohrte besser verwahren solten. Ist also des Cardinals Sillbergeschirr ohne alle Hindernüß und [543] Verdacht des Diebstahls weggetragen und gestohlen worden. Es hat aber dieses Diebs-Gesindlein fleißig in acht genommen die Zeit / da der Silber-Cämmerer mit seinen Dienern in einem andern Gemache zu Nacht gessen. Die andern Diener aber / so auff ihre Herren / die man zu gast geladen / gewartet / haben vermeynt / diese Gesellen seyen des Cardinals Hoffgesinde.

239. Der Genffer Dieb
CCXXXIX. Der Genffer Dieb.

Umb das Jahr Christi 1503 lebte zu Genff ein greulicher Dieb / der hieß Marta: Dieser bezauberte die Leute also / daß sich niemand vor seiner Dieberey kunte verwahren / noch ihn straffen nach verbrachter That. Jederman wuste / daß dieser ein Dieb war / und sahe sich vor auff das beste als er kunte. Es war damahls ein gemein Wort in allen Häusern der Stadt /wenn die Nacht einbrach / daß die Herren und Frauen zu ihren Knechten und Mägden sagten: Schlieffet feste zu vor dem Marta: Dannenhero auch hernach ein gemein Sprichwort entstanden / wann man sich vor einem besorgete / der anklebende Hände hatte. Aber da war keine Thür / kein Schloß / kein Riegel / der ihn hätte können aufhalten / daß er nicht wäre eingangen / wo ihn gut deuchte: Dennoch aber so gieng er nicht allenthalben ein / sondern allein bey denen / die ihn schlimm ansahen / und Anzeigung gaben / daß sie ein Mißtrauen auff ihn hätten. Denn in seiner Dieberey wolte er gern vor behend und wunderbahr gehalten werden / er wolte aber nichts sparen / und etwa viel zusammen bringen / sondern er war vergnügt mit einem wenigen / und nahm nicht mehr als er zu einem [544] guten Schmause mit seinen Gesellen bedürfftig war /die führete er bald in dieses / bald in ein ander Gelach auff seinen Beutel / wenn er ihn gefüllet. Es durffte niemand dencken / daß er ihm wolte wehren / seinen Willen zu erfüllen. Denn er bezauberte dermassen die Leute im Hause / daß sie die Sprache und alle Mittel /ihm Wiederstand zuthun / verlohren; Er machte sie unbeweglich / wie die Bilder / wenn er in ihre Häuser gieng. Ehe er nun stahl / was ihm beliebte / hielte er zuvor Mahlzeit / nach seinem guten Belieben. Das erste / das er that / war / daß er ein Licht anzündete /darnach nahm er die Hauß- und Gemächer-Schlüssel /auch wol Herren und Frauen unter dem Haupt-Küssen / weg / ob sie gleich wacheten. Nicht daß er hätte Schlüssel vonnöhten / sondern / daß er in diesem Stücke seine Diebische Authorität erweisen wolte. Darauff gieng er hin / schlosse auff die Speisekammer und den Keller / trug herfür Speise und Wein; Deckete den Tisch / aß und tranck nach seinem Belieben /daß kein Mensch im Hause sich regete / ihn zuverhindern / oder zu schreyen / oder ihn anzureden / im bösen oder guten. Wenn dieses geschehen / bezahlete er nicht / wie die Mönche mit Deo gratias / sondern wie die Spanier / mit Rauben und Stehlen: Denn er machte die Kasten auff / und nahm von dem Gelde /das er drinnen fand / so viel als ihm von nöhten war /daß er 3 oder 4 Wochen mit seinen guten Brüdern in einem Wirtshause kunte lustig seyn. Des folgenden Tages lagerten sich er und sein Anhang wo sie es am besten bedünckte: Und die Gastwirthe empfiengen diese Gesellschafft freundlich: Denn an denen Orthen / wo Marta aus- und eingieng / und wo man ihn caressirte / thät er nichts übels. Wenn er nun etliche Zeit geschmauset / und [545] es zur Bezahlung kam / trug er kein Geld bey sich / sondern sagte zum Wirth: Gehet /suchet die Bezahlung in dem Winckel dieser oder jener Cammer / die wol in Monatsfrist nicht war eröffnet worden / noch jemand hineinkommen. Wenn der Wirth dieses thät / fand er seine Summa gantz richtig / daß nicht ein Heller fehlete / oder übrig war. Man möchte sich verwundern / warumb ihn die Obrigkeit nicht zur Straffe genommen. Er ist etlichemahl eingezogen worden: Aber die Gerichte durfften nicht die Gesetze überschreiten / welche verbieten / daß man einen Beklagten nicht verurtheile / biß er der That geständig gewesen. Nun dieser Morta verleugnete so steiff und feste die Warheit / daß es unmüglich war / etwas aus ihm zu bringen / weil er entweder die Marter nicht fühlete / oder dieselbe verachtete. Denn er fürchte sich so wenig für einer Folter-Züge / als einen Tantz an zutretten / wenn ihm ein harter Zug gegeben würde / stellete er sich / als wenn es ihm sehr wehe thäte / und schrye: Lasset mich loß / ich wil die Warheit sagen. Wenn er loß gemacht worden / sprach er zu den Herren: Was wolt ihr / daß ich sol sagen? Da ward er gefraget: Weissestu / wer hat dieses oder jenes gethan? Da trieb er ein Gespotte / und wiederholete die Frage: Weistu wer hat dieses oder jenes gethan? Darauff fieng er an zu lachen / und sprach: Gebet mir noch eine Strapade / meiner Liebsten zu Ehren: Also / daß sie ihn muste gehen lassen. Er verübte unzehliche Diebstahl auff oberzehlte Weise: Aber er starb nicht so schändlich / wie er wol verdienet / dennoch aber eben so grausam: Denn die Peste nahm ihm dermassen die Gurgel ein / daß er die Rede verlohr: und weil seine Mutter / die ihn wartete / besorgete / er möchte auffkommen / und noch gehangen werden / [546] begrub sie ihn lebendig in die Erden. Also lebte und starb der Gottlose Mensch.

240. Der listige Soldat
CCXXXX. Der listige Soldat.

Wie der Graff Thrandorff umbs Jahr 1647 / als Obrister mit seinem Regiement in Magdeburg lag / stiege einer von seinen Mußquetirern des Nachts einem Bürger nicht weit vom Brück-Thore / durch dazu habende Leitern oben zum Schorsteine hinein / umb dem bewusten Specke daselbsten eine Diversion zumachen /weil aber die inwendigen Höltzer daran der Speck hing / von schwerem Vorrahte ohne das ziemlich belastet / so daß sie seine Persohn / noch darzu drauff stehende / nicht zu halten mochten / sondern bald entzwey brachen / mit sambt ihrem frembden Dividirer herunter in die Küche fielen / und ein dermassen Gepolter anrichteten / daß der Wirth darüber zuerwachen / und Liecht an zu schlagen / und solchem ungewöhnlichem Unheile nachzuschauen / billig verursachet ward. Gleich wie man nun jederzeit Nacht mit Nacht zuversetzen / im Gebrauche hat; Also bedachte sich dieses Mittel gedachter Speck-Visierer auch geschwind / in dem er ungesäumet seinen Rock umbgekehret / denselben wie auch seinen gantzen Leib / so viel er in Eyl zuthun vermocht mit dem aus dem Schorsteine ergriffenen Ruß gantz schwartz gemachet / ein paar Speck-Seiten in beyde Hände genommen /dem nunmehr mit einem Liechte kommenden Wirthe damit entgegen gangen / sprechend: Guten Morgen Vater / der Teuffel läst dir einen guten Morgen vermelden / und überschickt dir alhier ein paar gute Speckseiten. Uber welcher unerkanten Begrüssung und [547] nach ungewöhnlicher Gestalt dann gedachter Wirth verstarret / dieweil er nicht anders vermeinet /als ob der Teuffel sein Spiel also mit ihm haben wolte: Fasset doch gleichwol noch einen Muth / gehet bald zu seiner Hauß-Thür hinzu / eröffnet dieselbe /und spricht hinwiederumb zu dem vermeinten Speck-Teuffel / also: Gehe immer hin und gleich gar an Galgen mit deinem Specke; ich habe selber Specks genug. Zu welcher Gelegenheit dann und gutem Troste der vermeinte Teuffel sich nicht lange gesäumet /sondern sich sehr willig mit denen habenden Speckseiten davon gemacht hat. Der Wirth gehet mittlerweile wieder nach seinem Bette / in Meynung / auff seinen vom Teuffel außgestandenen Schreck wiederumb außzuruhen: Als er aber des Morgens aufstehet /in seine Küche gehet / und alles über einen Hauffen geworffen findet; Da vermercket er allererst unrecht; und wusten es die Leute / durch des Speck-Kerls eigene Aussage schon albereit besser / als der Wirth selber.

241. Der beschämete Dieb
CCXLI. Der beschämete Dieb.

Einsmahls hat ein Wirth einen Gast gehabt / welcher /nachdem er gessen / einen silbernen Löffel zu sich gesteckt. Der Wirth / ob er es gleich gesehen / hat er es ihn doch nicht zeihen dürffen / sondern erdencket folgende List / stecket auch einen Löffel zu sich / lesset seinem Weibe den gantzen Verlauff sagen / und daß sie hinein kommen / und umbs Kraut reden solte. Die Wirthin kommet hinein / macht sich unnütze / was es seyn solte / das man ihr die silbern Löffel stehlen wolte / da sie doch wol tractiret / und die Zeche nicht zu hoch angesetzet. Der Wirth höret eine Weile [548] zu. Darnach spricht er zum Weibe: Liebes Weib / gehab dich nicht so übel / es ist aus Vexirung geschehen. Zeucht darauff seinen Löffel heraus / und spricht zum Gaste: Ich wil meinen Löffel wieder geben / der Herr gebe seinen nur auch wieder. Muß also der Gast seinen Löffel wieder geben.

242. Der betrogene Cancellist
CCXLII. Der betrogene Cancellist.

Als Churfürst Friederich der IV. von Heidelberg einen Landbetrieger (so sich vor einen Englischen Gesandten ausgeben) gefänglich eingezogen / und in Engelland verschicket / ist der Gesandte sambt seinen Dienern von dem Könige in Engelland reichlich beschencket worden. Unter solchen ist auch ein Cancellist von Heidelberg gewesen / welcher seinen Weg aus Engelland nach Paris zugenommen / dasselbe zu besehen. Wie er nun nach Paris kommen / und vernommen /daß es allda viel verschlagene und kunstreiche Beutelschneider gebe / hat er seine Königliche Geschencke zu unterst in Schubesack gestecket / und ein dick Buch darüber gestossen / in Meynung / er würde es ja gewahr werden / wenn man ihm das Buch heraus zöge. Es ist aber ein Beutelschneider kommen / welcher gefühlet / wie weit das Buch herunter gehe /unter dem Buche hinein geschnitten (man trug aber damahls gleich die grossen gefaltenen Hosen) das Geld heraus genommen / und das Buch stecken lassen.

243. Der öffentliche Dieb
CCXLIII. Der öffentliche Dieb.

Als einmahls ein stattlich Pancket in einer vornehmen Stadt gehalten ward / kombt einer dahin begehret eine Verehrung / giebet vor / er sey [549] seines Handwercks ein öffentlicher Dieb. Den Gästen kommet solches seltzam vor / begehren den Abentheuer zu sehen / und wie er sein Handwerck öffentlich practicire. Der Dieb kommet hinein / begehret / daß man ihm alle silberne Becher solle einschenckē / ertrinckt immer einen nachdem andern aus / und stecket sie bald zu sich /und spricht: Also mache ich es. Als er sich nun wol besackt / spricht er: Alsdenn gehe ich so darvon und gehet zur Thür hinaus. Die Gäste / meynen / es sey nur Schertz / und er werde bald wieder kommen / und sie ihm nachsehen lassen / ist er über alle Berge / hat also seiner Kunst recht bewiesen.

244. Der betriegliche Spanier
CCXLIIII. Der betriegliche Spanier.

Etliche Spanier baten einen vornehmen Bürger von Saltzburg / er wolte ihnen vor 500 Reichsthaler Kronē gebē. Denn sie solche in Teutschland besser anwenden könten / und vereinigten sich mit einander / er solte ihnen solches Geld ein Jahr zugefallen halten /und wenn sie wieder kämen / und ihm die 500 Reichsthaler zustellen / solte er ihnen die 500 Cronen wieder geben: Kämen sie nicht wieder / möchte er es behalten. Der gute Mann / so auch geitzig / hieß sie ihr Geld zehlen und leihet ihnen die 500 Reichsthaler /die Spanier aber hatten noch einen Sack mit Bley gefüllet / dem andern gar ähnlich / welchen sie auch geschwinde dahin setzten / und den mit Cronen verbargen. Der Bürger meinete / er habe einen guten Tausch gethan; Denn sie schwerlich wiederkommen würden /hebet den Sack fleißig auff. Wie nun das Jahr herumb / und kein Spanier wiederkommen wil / eröffnet er den [550] Sack / findet nur oben auff ein wenig Cronen /das ander ist lauter Bley / und sich also übel betrogen.

245. Die betrogene Aebtißin
CCXLV. Die betrogene Aebtißin.

Eine Aebtißin hatte in einem Kloster 24 Nonnen / die wohneten in ihren Zellen im Kloster ins gevierdte /auff jeder Seiten von den vieren wahren ihrer neune /und die Aebtißin mitten innen / auf diese Arth:


333
313
333

Also gieng die Aebtißin alle Tage im Kloster herumb / und visitirte ein jedweder Viertel des Klosters / umb zu sehen / ob sie ihre Nonnen richtig finde. Einsmahls kamen 4 Studenten vor dieses Nonnen Kloster / und baten umb einen Zehrpfennig / und da sie vernahmen / daß es ein Nonnen-Kloster wäre / trugen sie Verlangen hinein / und war ihrer aller Begehren und Wille /daß sie eine Zeitlang in diesem Kloster bey den Nonnen / verbleiben möchten. Damit aber die Aebtißin /wann sie visitiren gehen solte / auff jedwedem Viertel des Klosters nicht mehr als ihrer neun / wie vorhin jederzeit gewesen finden / und also die Studenten unter die Nonnen künstlich eingetheilet / damit diese Sache vor der Aebtißin verborgen bleiben möchte / so logirten sie jedesmahl in die mittelste Zelle ihre fünff / und in jede Eckzelle ihrer zwey / so wahren auff allen Seiten ihrer wieder wie vorhin / nur neune / und stacken doch heimlich die 4 Studenten unter den Nonnen im Kloster / daß die Aebtißin nichts davon wuste / und zwar auff solche Weise:


[551]
252
515
252

Da sie nun also eine geraume Zeit im Kloster bey einander gewohnet / und die Studenten sahen / daß sie sonsten über dieses / daß sie der Nonnen-Gesellschafft genossen / wenig Plaisier und Ergetzlichkeit im Kloster hätten / wolten sie lieber aus dem Kloster wieder heraus in die freye Welt gehen / und ein jedweder seine Nonne vor sich darzu mit nehmen. Damit aber die Aebtißin ihre geneunte Zahl gleichwol einen Weg wie den andern / in jedwed ein Viertel des Klosters / vor voll befinden möchte / wann gleich vier Nonnen davon mit herausser kämen / und also nicht mercken könte / wie sie gevexiret wäre: So stelleten sie in jede Eckzelle vier Nonnen / und in jede mittlere Zelle nur eine / nemblich also:


414
111
414

Solchergestalt waren die 4 Studenten nicht allein /sondern auch noch darzu / 4 Nonnen aus dem Kloster hinweg / und fand die Aebtißin doch noch einmahl wie das andere auff jedem Viertel des Klosters ihrer neun / und konte nichts von dieser Fallacia und Geheyerey mercken; Und wann sie gleich fragte / warumb denn bald drey / bald vier / bald fünff / in dieser oder jener Zelle sich befinden? Gaben ihr die Nonnen zur Antwort / sie giengen je bißweilen aus jederem Viertel aus einer Zell in die andere zusammen und beteten mit einander: Also kunte die Aebtißin auf solche Weise auch nichts weiters aus der Sache machen /sondern muste damit zufrieden seyn / wann sie nur jederzeit auff jederem Viertel ihre neun Nonnen fand /wurde also die gute Aebtißin durch der Studenten und der Nonnen Listigkeit [552] stattlich vexirt / und bekamen die 4 Studenten ein gut Viaticum aus diesem Nonnen Kloster.

246. Der einfältige Bauer
CCXLVI. Der einfältige Bauer.

Der König in Franckreich verirrete sich einsmahls auff der Jagt von seinen Hoffleuten: Als er nun wieder auf den rechten Weg kam / und gantz allein wieder nach Paris zu ritte / begegnete ihm unterwegs ein Bauer / welcher gleichfals nach der Stadt Paris zu Marckt gehen wolte. Der König redete ihm zu / wo er hinausgedächte? Er sprach: In die Stadt. Nachdem nun der König eins und das ander fragte / fieng der Bauer gantz trucken an: Er möchte auch wol gern einmahl den König sehen / denn er wäre ihm noch niemahls zu Gesichte kommen. Der König sagte: Kom mit mir / ich reite dießweges zum Könige. Der Bauer hielte weiter an mit Fragen: Wie kan ich aber wissen /welches der König ist? Er antwortet: So bald wir in die Stadt und vor den König kommen / so nim in acht / welcher unter allen den Hut auf dem Häupt sitzen lässet / da die andern alle die ihrige in den Händen behalten / derselbe ist der König. Als sie nun in solchem Gespräch unter die Stad-Pforten kamen / siehe /da warteten alle Königliche Bedienten auff ihren König und empfingen ihn mit entblösten Häuptern: Der Bauer aber aus Unverstand behielt sambt dem König den Hut auff dem Kopff. Der König wendet sich zu ihm / und spricht: Siehestu nun / wer König ist? Der Bauer antwortet: Ich weiß nicht was ich sagen sol / ich dencke einer von uns beyden müsse es ohnfehlbar seyn.

247. Der listige Spieler
[553] CCXLVII. Der listige Spieler.

Als Conrad von Rosen / ein tapfferer Kriegs-Oberster / und sonst ein gar kurtzweiliger / possierlicher Mann / einsmahls / in Gegenwart Käysers Maximiliani / in der Karten mit andern Kriegs-Officiren spielte / gieng der Käyser in Gedancken den Saal auf und nieder spatzieren. Der Oberste bekam 3 Könige in die Hand / und gedachte den Käyser aus seinen Gedancken zu bringen / rieff derohalben: Sa / ihr Herren 4 Könige /haben die nicht gewonnen alles / was da stehet? Welches nicht gering war. Der Käyser hörte dieses / gieng bey ihm und wolte seine Karten besehen / und weil die andern es mit Ja bekräfftigten / griff er dem Käyser an den Rock / und warff seine 3 Könige hin / und sprach: Hier hab ich den vierten. Zog hiermit das Geld hinweg.

248. Der listige Quacksalber
CCXLVIII. Der listige Quacksalber.

Ein Störger / Quacksalber oder Marcktschreyer / hatte in einer bekanten Stadt zur Meßzeit auff offenem Marckt seine Artzneyen außgelegt / und striche dieselben denen fürübergehenden über allemasse sehr heraus / konte aber doch keine Kauffleute darzu bekommen; Entlich fing er an und sagte: Ich weiß nicht wie ich doch so unglücklich in meiner Kunst bin / die ich doch so wol / ohne Ruhm zu melden / gelernet habe /ja daß ich auch alle die Krancken in Spittal in einer Stunde gesund zu machen / mich hiermit verobligiren wolte / so fern / daß sie alle selbst nach Verfliessung einer Stund davon gehen solten. Als dieses ein wolhabender [554] Mann / so eben zu gegen war / hörte / kam es ihm unglaublich für und besann sich nicht lange sondern gieng eine hohe Wette mit dem Quacksalber ein /daß er solches nimmermehr prästiren könte. Was thut hierauff der Quacksalber? Er geschwind her / verfüget sich mit seinem Gegentheil in den Spittal / und deutet denen sich daselbst auffhaltenden krancken Leuten an / daß er deswegen hieher kommen wäre / sie mit einander gesund zu machen / allein er muste einen von ihnen haben / den er vorhero zu Aschen verbrennete /und nachmahls mit derselben Fettigkeit und Asche die andern bestreichen / damit ihr aber nicht meinet / fuhr er ferner fort / ich wolte etwa Partheyisch handeln / so wil ich den letzten / so zur Thür hinauß laufft / darzu gebrauchen / als die Kancken diß höreten / da solte einer ein schön Rumoren gesehen haben / denn ein jeder machte sich eylends auf / lief der Thür zu / also das keiner der Letzte seyn wolte hiemit gewann der listige Fuchs die Wettung / der Gegenparth selbst muste umb sein Geld fein mit Lachen / davor er entlich diese Verse bekam:


Was lernt Armuht nicht erfinden?
Was versucht sie nicht mit Fleiß?
Du kanst / ob du noch so weiß.
Ihre Räncke nicht ergründen.
249. Der betrübte Gefangene
CCXLIX. Der betrübte Gefangene.

Es hatte eine Königin einen gewissen Ubelthäter lassen gefangen nehmen. Als er nun umb Gnade baht /sprach sie: Wann er folgende 3 Fragen würde aufflösen können / solte er wieder auff freyen Fuß gestellet werden. Erstlich: Wie viel sie / die Königin wehrt wäre? Zweytens: Welches das Centrum oder Mittel in[555] der Welt seye? Drittens: Was sie die Königin gedächte? Der Gefangene lag Tag und Nacht in Sorgen / und gedachte / wie er solche Fragen aufflösen möchte. Uber alles Vermuhten kombt zu ihm ein arglistiger Bauer / welcher ihm gantz ähnlich sahe / dem erzehlet er sein Elend / und was ihm für Fragen aufgegeben worden. Der Bauer verwechselte hurtig mit dem Gefangenen die Kleider / und lösete der Königin die 3 Fragen folgendergestalt auff: Die erste: Die Königin wäre 29 Silberling werth / denn der Herr Christus hatte 30 gegolten / als ihn Judas bey den Juden verkaufft / sie muste ja was geringer gelten. Die zweyte: Er machte mit Kreiden einen Punct auff den Tisch /sagende: Das wäre das Mittelste in der Welt / wer solches nicht glauben wolte / der solte die Welt nach diesem Punct messen. Die dritte: Die Königin gedächte ind hielte davor / er sey der Gefangene / welchen sie hätte setzen lassen / allein sie fünde sich hierin betrogen / er wäre ein Bauer / und nicht der rechtschuldige Gefangene / wodurch er wiederumb loß gelassen wurde.

250. Die gestohlene Kuh
CCL. Die gestohlene Kuh.

Nachfolgende Behändigkeit übertrifft fast alle vorhergehende: Ein Landstreicher nährete sich mit allerhand leichtfertigen Künsten. Dieser wußte / daß ein Wirth auff dem Dorff / nicht weit von einer berühmbten Stadt / eine fette Kuh zu verkauffen hatte / wie er denn solches von einem Metzger den Tag zuvor bey dem Trunck vernommen. An diesem Orth kommet er zur Herberg / nimmet sich an / er muste gar früh auff seyn / und [556] den Marckt in der Stadt besehen. Der Wirth wil ihm einen Gefährden geben / und vor Tage sich auff den Weg machen / aber der Schalck stund auff im ersten Schlaff / führte die fette Kuh aus dem Stalle / ein guth stückwegs nach der Stadt / und bindet sie neben dem Weg in den Busch / damit sie niemand so leicht sehen konte / kehret darauff wieder zu seinem Bette / und schläfft hart / biß ihn der Wirth wecket. Sie wandern nach der Stadt. Der Schlack sagte zum Wirth / er möchte nur gemach voran gehen / er hätte auf dem nechsten Dorff einen Schuldman /der hätte ihn bescheiden / ihm Geld oder Geldes werth zu geben / und hier fand er seine Kuh / und erereylet den Wirth nah bey der Stadt. Dieser besah die Kuh /und sprach: Wann ich nicht gestern Abends meine Kuh selbst hätte an gebunden / wolt ich sagen / diese Kuh wäre mein / denn sie ihr in allem gleichet. Der leichtfertige Schalck besorgte sich / er möchte sie nicht an das Geld bringen / denn er lieber bey Nebel /als bey Sonnenschein in die Stadt gieng / bat also den Wirth / daß er die Kuh zu Marckt führete / und zum wenigsten umb 10 Thaler verkauffte / was drüber zuerhalten / wolte er zum besten geben / doch solte er eylen / damit die Kuh bald möchte an Mann gebracht werden / er wolte in dessen seine Geschäffte verrichten / damit sie noch vor dem Thorschliessen aus der Stadt kommen könten / im güldenen Stern wolt er seiner erwarten. Die Kuh ward umb 12 Reichsthal verkaufft. Nun kostete es List / wie diese beyde unerwart einiger Bottschaft von Hause den Abschied von einander nehmē möchten; Der arglistige schalck wolte die 2 Thaler zum besten geben / weil aber in selbigem Wirthshause wenig zu Essen war / gab ihm die Wirthin zwo Schüsseln / und der Wirth seinen Mantel /daß er in [557] die Garküchen gehen konte / allda ein paar Braten verdeckt zukauffen. In dessen kommet des Wirths Tochter gelauffen / und klaget / die fette Kuh wäre gestohlen. Anweh / sagte der Vater / hie bin ich angeführet. Ach und ich komme umb ein paar Schüsseln / sprach die Wirthin / und mein Mann umb seinen Mantel. Der ehrlose Vogel kommet nicht wieder /und auff diesen Schrecken musten sie zu ihrem Schaden lachen / satzten sich zu Tisch / und schwenckten die Gall vom Hertzen. Etliche wollen behaupten / der Handel sey zu Cölln am Rhein vorgangen.

251. Der behende Handwercker
CCLI. Der behende Handwercker.

Ein Handwercks-Gesell reisete mit einem Juden / von Heydelberg biß nach Franckfurth / baht den Juden er möchte ihm doch einen Thaler lehnen / denn er sich auff der Reise gantz ausgezehret hätte / er wolte ihm darvor seinen Mantel zum Unterpfande geben: Der Jud gab ihm einen Thaler / und nahm den Mantel. Als sie nun nach Franckfurth an das Thor kamen / gab jener dem Juden seinen Thaler wieder / und bedanckte sich / daß er seinen Mantel / welcher ihm auff der Reise sehr beschwerlich gewesen / so weit tragen wollen.

252. Der übelbezahlte Jud
CCLII. Der übelbezahlte Jud.

Ein Dorffmann hatte Tuch bey einem Juden auff Borg genommen / und gedachte es ihm nicht zu bezahlen; Der Jud verklagte ihn vor dem Ambtmann / als er in dem Flecken / da er wohnhafft war / Gericht hielte /worauff der Bauer vorgeschieden [558] wurde. Der Schuldener beschwerte sich gegen dem Juden / warumb er ihm solchen Schimpff angethan? Jetzt wäre er im Flecken anderer Geschäfften halben / und hätte keinen Mantel bey sich / (denn in seinem Dorff war er einer des hohen Rahts / und saß der nechste bey dem Stadtschreiber im Dorffe /) damit er vor dem Ambtmann erscheinen könnte. Der Jud sprach / Jauh / Jauh / ich lehne euch einen / nur fort / daß wir vor Gericht kommen. Hie galt es viel Wort vor dem Richter / das Tuch wäre zu theur angeschlagen / gantz untauglich auff Betrug gemacht / und an der Rahm gefoltert / darumb an jeder Ellen hernach im Regen ein Viertel eingeloffen und sich in einander verzogen. Darauff beteurte der Jud / er hätte es bey einem berühmten Kauffmann mit dem Stück genommen; es wäre guth Lindisch /und gar nicht Schlesisch-Tuch. Der Christ sagte: Herr Richter / dem Juden ist nicht zu glauben / er ist ein unverschämter Gesell / und möchte wol gar sagen /dieser Mantel den ich auff der Achsel trage / wäre sein. Jauh / Jauh / eure Herligkeiten / eure Gestrengigkeit / wer ist unverschammt? Der Mantel ist bey meiner Schammen mein / Jauh / Jauh / Mausche kam zu kurtz und wurde abgewiesen / biß auff bessern Beweißthumb.

253. Der listige Studenten Griff
CCLIII. Der listige Studenten Griff.

Zu Salmanca hatte sich ein Student in eines Schusters Frau verliebt / weil nun der Mann stetig zu Hause /und ihm allen Zutritt verwehnte / erdachte er eine sondere List / solcher gestalt: Er schreibet einen Brieff /darauff den Titul an den Hertzog von Infantado und darunter / daß für die überbringung 10 Realen (ist ungefehr 4 Reichstahler) solte bezahlet [559] werden / benebenst dem Wörtlein eyligst / eyligst etc. Diesen Brieff bringet er durch die dritte Hand / in des Schusters Laden / welcher so grossen Botten-Lohn zu verdienen / sich auf den Weg machet / und dem Hertzogen / der damahls etliche Meilen von Salamanca Hof gehalten /den Brieff folgenden Inhalts eingehändiget: Euer Fürstliche Gnaden geruhen gnädig überbringern dessen so lang anzuhalten / biß ich ihm ein paar Hörner aufgesetzet / und zu einem hochtrabenden Hanrey gemacht habe. Er ist dieser Ehren fähig und würdig. Der Hertzog ließ ihm des Studenten List gefallen / behielte den Schuster biß auff den andern Tag bey sich / und bezahlte das Botten-Lohn. Unterdessen hat der Student bey der Frauen sein Versprechen in das Werck gerichtet.

254. Der unterrichtete Bauer
CCLIV. Der unterrichtete Bauer.

Johannes Badius sasse einsmahls in einem Gelach bey Bauersleuten / da begehrten sie von ihm er möchte sie doch ihren Nahmen schreiben lernen / da sprach er: Das kan leicht geschehen / solches wil ich euch bald gelehret haben: Höret mir zu / wann ihr jetzo einen Thaler an schreiben wolt / so macht ihr ein O. ists nicht wahr? Sie sagten alle / Ja. Weiter / wann ihr zehn Schreiben wolt macht ihr ein solch X. sie sagten wieder / Ja. Wohlan / sprach er: So setzet beyde Buchstaben das O. und das X. zusammen / so kombt euer Nahm herauß.

255. Die unzeitige Reue
[560] CCLV. Die unzeitige Reue.

Ein fürnehmer von Adel hatte an seinen Hoff ein schönes politisches Kammer-Mädgen / in welches er sich hefftig verliebet hatte / hielte demnach zum öfftern bey ihr an / daß sie doch einstens seinen Willen thun möchte. Das Mägdgen war verschlagen / nimbt ihre Ehr in acht / und eröffnet solches im Vertrauen des Junckern Frau. Die Frau giebt ihr den Anschlag und saget: Sie solte es dem Junckern nur versprechen / und sich einen Orth oder Bett benahmen lassen / wo er wolte zu ihr kommen / und wann die Zeit und der Orth bestimmet / wolte sie alsdenn sich an ihre Stelle legen / um also ihre / des Kammer-Mädgens und des Junckern Ehre zu erhalten Dieses geschicht / der Juncker befiehlt dem Knecht / er soll ein Bett in der Obern-Kammer decken / und da wolten sie Abends zusammen kommen. Die Frau legte sich ins Bette /und erwartet ihres Junckern / indem aber der Juncker soll hingehen / bedenckt er sich anders / und gereuet ihm sein Vorsatz / befiehlet demnach dem Knecht er soll an seine statt sich in das gemachte Bette zu dem Kammer-Mädgen legen. Der Knecht / welchem damit angeholffen / verrichtet seines Junckern Befehl zum besten / gehet hin / und legt sich unwissend zu des Junckern Frau / und treibet seine Wollust mit ihr. Die Frau meynet anders nicht / als es sey ihr Juncker / und läst alles geschehen / wie es dem Knecht beliebet. Nach verrichteter That / eylet die Frau wieder nach ihren Zimmer / und ist Froh / daß der Handel so wohl abgelauffen / leget sich auch des Nachts zu ihrem Junckern. [561] Als nun der Juncker des Morgens mit ihr gleichfals Liebe mit ihr gepflogen / fragte ihn die Frau: Welche ihn besser vergnügen könte / sie oder das Kammer-Mädgen. Der Juncker leugnet / und saget / er habe das Kammer-Mädgen niemahls berühret. Sie aber hält ihm vor / wie er an dem und dem Orth ein Bette habe zurichten lassen / und das Kammer-Mädgen bestellet. Endlich als der Juncker sahe /daß er überzeuget / gestehet er / daß er doch solches in Willens gehabt zu thun / es hätte ihn aber die Taht gereuet / hette den Stall-Knecht an seine Stelle hingeschickt. Hierüber erschrickt die Frau / schreyet überlaut / Ach / GOtt! was hab ich gethan? ich habe den Knecht zugelassen / und nicht anders vermeynt / ihr schlieffet bey mir / habe also Eure und des Kammer-Mädgens Ehre erhalten wollen / und meine eigene Ehre darüber verschertzet. Hierauff sprach ihr der Juncker tröstlich zu / und sagte: Sie solte sich zu frieden geben / weil sie ihm jedesmahl were getreu gewesen / wolte er ihr versprechen / dieses nimmermehr zu gedencken / viel weniger sie es entgelten lassen / sondern sie / wie vor und nach als sein Ehe Weib lieben und ehren.

256. Der arme Freyer
CCLVI. Der arme Freyer.

Alle Freyer sind reich und alle Gefangene Arm / sagt das Sprichwort. In einen wohl bekandten Städlein war ein guter armer Gesell / unter dem Hüttlein nicht zum besten verwahret / der macht ihm seine Gedancken nach eines reichen Bauern Tochter in einem nicht weit gelegenen Dorff / und läst deßwegen umb sie bey ihren Eltern werben. Die Leuthe wissen umb dessen Thun und [562] Lassen / Haab und Nahrung nichts / geben den Bescheid / sie hetten in der Stadt einen Vetter /der were der und der / welche sie nahmhafft machten /zu selbigem wolten sie künfftige Woche gehen / und sich bey ihm Raths erholen / und was er ihnen den rathen würde / solchem wolten sie nach kommē / und alsdan ihm die Antwort wissen lassen. Was geschicht? dieser Freyer findet sich bald zu dem Bürgersmann / der zu allem glück sein Nachbahr war /zeigete ihm an / daß seine Freunde würden kommen /und seinentwegen ihn befragen / wolte demnach ihm fleissig ersucht und gebeten haben / daß er doch seiner im aller besten gedencken möchte / den jetzt stunde ihm das Glück vor der Thür / er solte ihm folgends hierin helffen / er wolte solches die Tage seines Lebens nicht vergessen / und ihm wiederumb dienen /wo er nur könte und wüste. Der Nachbahr saget: Mein lieber Hanß / du weist / wie dein Handel stehet /das sind reiche Leute / wir werden es gar klug müssen angreiffen / doch wollen wir sehen wie ihm zu thun. Als nun die Zeit herbey kam / findet sich die Jungfer Hochzeiterin nebst ihrem Vatter / Mutter und gantzen Freundschafft bey obgedachten ihren Vetter ein / der weiß schon was ihre Ankunfft bedeutet / schickt alsobalden hinzu dem der Hochzeiter sein soll / und da er kombt / sperret er ihn unten in seine Bad-Stube / und lässet dapffer einhitzen / saget: Mein lieber Hanß /jetzt mustu folgen / was ich dich heisse: Setze dich dahin / und nimb diesen Topff voll Milch / wie auch das Körblein mit Weck / und brocke fein säuberlich ein / und da hastu einen neuen Pfenning / den nim zwischen die Finger / halt ihn fest damit er dir nicht entfalle / und gedulde dich also in dieser Hitze eine kleine Zeit / ich will nun hören / was ihr begehren /sey. Dieser thut / wie er geheissen war / brockte dapffe [563] ein / und hielte am Pfenning / daß er schier von Hitz und Schweiß ersticket wäre. Der Hauß-Herr steiget die Stiegen hinauff / heisset den frembden Vettern erst recht willkommen sein / und bittet sich zu setzen. Der wil nicht sitzen / auch ehender keinen Trunck thun / biß er vorhero vermeldet / aus was Ursachen sie zu ihm kommen. Fängt demnach an zu erzehlen /wie sich eine Sach machen wolle zwischen Gretgen seiner Tochter / und dem Hansen. Nun habe seine Tochter zwar keine böse Lust zu ihm / allein er wolte gerne vorhero wissen / wie es sonsten mit ihm stehe /was sein Thun und lassen / und seine Nahrung ohngefehr sey / darvon er ihm doch im Vertrauen in etwas Nachricht geben möchte. Der Stadt-Vetter antwortet fein sitsam und mit sonderbahrer Bescheidenheit nachfolgendes Inhalts: Er hette sich niemahls umb des guten Gesellens Handel und Wandel / noch viel weniger umb sein Hauß-Wesen und Nahrung viel bekümmert / den er gar nicht im Brauch / daß er nach anderer Leuthe Handtierung fragte / er habe mit sich selbst genug zu thun / jedoch sey ihm guter massen wissend / wie es jetzunder und zu der Zeit mit ihm beschaffen /wolle ihm auch solches im freund vetterlichen Vertrauen nicht verhalten: Der Mensch sitzet warm. Daß gefiehl dem Bauern wohl / und gedachte / so kombt seine Tochter auch in ein warm Nest. Der Vetter fuhr weiter forth / und sagte: Ja wohl / was soll ich sagen? der Hanß der hat einzubrocken. Deß ward die Mutter höchlich erfreuet / und die Tochter schmuntzelte über einen Zahn / daß man die andern alle sahe / und was noch mehr ist / so hat er auch einen feinen Pfenning in der Hand. Da ward der Kauff gemacht. Bald darauff kam Hanß aus der Badstuben / so rößlich / daß es eine Lust war / ihn an zu sehen / [564] geschwind mit ihm hinter den Tisch / Weinkauff getruncken / und damit kein böses Geschwätz darzu käme / des dritten Tages gleich außgeruffen / und alsoforth Hochzeit gemacht. Aber daß war mir ein Feines Stücklein / eines vertrauten Vettern. Die Welt will ja betrogen seyn.

257. Der bezahlte Apotecker
CCLVII. Der bezahlte Apotecker.

In einer gewissen Provintz / so nicht weit von der jenigen gelegen / in welcher der Streit unter den meisten Fürsten der Christenheit glücklich geendet worden /begabe sich dieser artige Posse / den ich jetzunder erzehlen will. Ein Apotecker sahe einen jungen Bauers-Kerl der ziemlich einfältig schiene / mit einem Häßlein zu Marckt gehen / solchen zu verkauffen / und sagte zu denen die bey ihm waren: Ihr Herren / ich muß diesem Bauern eines anmachen und sehen / wie ich das Häßlein bekomme / ich will euch sagen wie. Ich wil ihn bereden es sey eine Katz / und wil mich hernach auff euch beruffen. Der Fund schiene guth zu seyn / und der Apotecker sagte zum Bauern: Vater /wo tragt ihr die Katze hin. Wie? antwortet der Bauer tölpel / sehet ihr dieses Häßlein vor eine Katze an. Du albern Tropf sagte der andere / wilstu mich bereden /daß diese Katze ein Haß sey? wen meynstu wohl daß du vor dir habest? ich will mit dir wetten umb so viel als der beste Haß werth ist / daß dieses eine Katze sey / und wir wollen jene Herren die dorten beym grossen Kreutz stehen / zu Richtern annehmen. Der Bauer zohe seine fünff Sinne zu Rath / trauete seinen Augen / und ginge die Wettung auff gemeltes Beding ein. Er aber war ziemlich bestürtzt / als diese Richter sagten /daß er [565] verlohrē hette; sie bildeten ihn ein es sey eine Katze schickten ihn mit leeren Händen nach Hauß /und verzehrten den Hasen; da sie dann der dummen Einfalt des Bauern genug lachten und spotteten. Wie der Bauer nach Hauß kam / fragte ihn seine Frau / wie theuer er den Hasen verkaufft / und wo das Geld were / so er davor bekommen / aber sie bekame Ohrfeigen zur Antwort / daß sie ihn dargesetzt / und eine Katze anstatt eines Hasens geben / der Streit ward endlich so hart / dz die Nachbern zulieffen / und genug zu thun hatten / sie von einander zu bringen / und muste der Dölpel unrecht haben / welcher bekante / daß ihn ein Apotecker betrogen hätte / und erzehlet wie es her gangen. Die Frau / so ziemlich verschlagen war /sagte / man muste dem Apotecker auch eines anmachen / und bedachte sich auf einen ander Possen. Sie füllete ein kleines Fäßlein fast gantz voll Menschen Koth / und tahte oben ohngefehr einer Handbreit Honnig darauff / welches ihr Mann zu dem Apotecker truge / und fragte / ob er Honnig kauffen wolte / er wolte ihm denselben um einen billigen Preiß lassen. Sie wurden des Kauffs eins / und der Bauer gienge mit seinem Geld frölich nach Hauß / weil ihm seine Posse so wohl angangen. Als derselbe offenbahr worden / wurde der Apotecker von seinen Mitt-Bürgern außgelacht / welche seiner spotteten und fragten / ob die Katz den Hasen gefressen / und Hönig geschissen hätte.

258. Der listige Soldat
CCLVIII. Der listige Soldat.

Nachfolgende possirliche und listige Begebenheit hat sich begeben in der berühmten Stadt Granada. Nehmlich / es liesse König [566] Philippus der II. in dieser Stadt Volck werben / umb Algiers zu belagern / nachdem man nun Mannschafft bekam / ward einem jeden ein Zettel gegeben / darin er in eines Bürgers Hauß eingewiesen wurde / so lange zu liegen / biß daß Lager auffgeschlagen wurde. Unter andern Soldaten die sich schreiben liessen / war ein junger Kerl von guter Gestalt / und überaus verschlagen / wie aus dieser Geschicht zu sehen seyn wird. Dieser wurde auch wie andere in eines Bürgers Hauß gewiesen; nun war es schon spat und fast Zeit zum Nacht-Essen / als er an der Thür klopffete. Es wurde ihm von einer Magd auffgethan / welche nach seinem Begehren fragte; er antwortete / daß er seine Herberge hierin aus Befehl des Königes nehmen solte. Die Magd rieffe ihrer Frauen / diese / als sie die Stiegen herab kommen /und deß Soldaten Anbringen vernahme / antwortete ihm / daß sie noch eine junge Frau were / und erst neulich geheurathet hätte / ihr Mann were verreyset und nicht zu Hauß / sie sey allein mit einer Magd /würde sich also übel schicken / daß sie eine Manns-Persohn solte einlassen. Der Soldat liesse sich diese Antwort nicht irren / und sagte zu ihr / es sey ihm Leyd / daß er ihr beschwerlich fiel / gleichwohl were es zu spat / daß er umb eine andere Herberge umbsehen solte / seine Cammeraden weren schon alle einlogiret / so hätte es auch nicht das Ansehen als ob er auf der Gassen schlaffen müste / er bitte sie / ihn hinzuweisen / wohin es ihr beliebet / er wolte ihr so wenig Ungelegenheit machē / als es ihm möglich sey / anders würde sie Ursache geben / daß er mit Gewalt suchte / was sie doch guthwillig zulassen könte: Dieses verdrosse die junge Frau zwar sehr / aber weil sie sahe / daß sie sich vergebens wiedersetzen würde /und daß er Gewalt brauchen dürffte / sagte sie zu der Magd / sie solte ihn [567] lassen herein gehen / und auff der obersten Bühne in einem Winckel schlaffen weisen. Als nun dieser junge Kerl in das Hauß trate / sagte er zu der Frauen: Meine Frau / ich habe noch nicht zu Nacht gegessen / doch begehre ich auch nichts von euch / und weiß wohl / daß ihr nicht schuldig seyd /mir etwas Essen zu geben / dann der König bezahlt uns deßwegen; weil es aber schon spät ist / unn ich nichts mehr in der Stadt bekommen kan / so thut mir den Gefallen / und lasset mir etwas geben / ich will es bezahlen. Was / sagte sie zu ihm / meynet ihr / daß dieses Hauß eine gemeine Herberge oder Gar-Küche sey? gehet hin schlaffen wann ihr wollet / dann zu Essen bekommet ihr hierinn nichts. Wie er nun bey sich dachte / daß er ausserhalb schwerlich etwas zu Essen würde finden / und sich befürchtete / wann er wieder hinausgienge / daß man die Thür hinter ihm zuschlagen würde / als wolte er lieber ohne Essen schlaffen gehen. Man wiese ihn oben auff die Bühne /in ein sehr schlecht Bette. Weil nun dieser Soldat sehr übel lage und fast für Hunger sturbe / hatte er nicht grossen Lusten zu schlaffen / er wendete sich stets von einer Seite auff die ander / und kunte kein Auge zubringen. Eine Stunde ohngefehr hernach / als er sich zu Bette geleget / sahe er sich an allen Enden um / und wurde ein Licht gewahr / daß durch ein Riß deß Bodens schiene; er war begierig zu sehen was daß were / stunde in seine Hemd auff / legte sich nieder auff die Erde / und sahe / daß dieses Loch in eine schöne Kammer unter ihm gienge / welche mit Tapeten und Haußrath schön gezieret war / es brante ein grosses Feuer darein / dabey giengen zwey Spiesse voller Feder-Wilpret / die junge Frau mit der er geredet / sasse bey dem Feuer in den Armen eines jungen Advocaten / oder welcher doch ein solcher zu seyn schiene / dann er hatte einen [568] langen Rock an / und die Magd wendete die Spiesse umb. Ha! Sagte er bey sich selbsten / ist daß die Frau / die keine Mann-Persohn in Abwesenheit ihres Manns in das Hauß lässet. Er sahe den Tisch decken / die Flaschen mit Wein herbey bringen / welche man in Eyß-Wasser abkühlete / wie es der Brauch ist im Sommer: kurtz / er sahe die Speisen auff den Tisch setzen. Wie sie nun die Hände wuschen / höreten sie an die Haußthür klopfen; die Magd steckte den Kopff zum Fenster hinaus / und nachdem sie gefragt / wer da sey / erkante sie an der Stimme / daß es der Hr. deß Hauses were / den man erst über zwey oder drey Tage erwartete / daß er wieder von seiner Reyse kommen solte. Die Magd sagte gantz bestürtzt zu ihrer Frauen / Ach! Frau unser Herr kombt. Die Frau erschrack zum hefftigsten / und wuste nicht was sie thun solte / sie konte den Advocaten nirgends verbergen / dann sie hatte sonst im Hause keine Kammern / als diese / und eine andere daran / darinn die Magd schlieffe / solte sie nun diesen Kerl in der Magd Kammer verbergen / so hätte er nicht können heraus kommen / daß man ihn nicht gesehen hette; dann er konte nicht anders als durch diese Kammer wieder heraus kommen; solte sie ihn oben auff die Bühne verstecken / wo der Soldat schlieffe /so were solches auch nit rathsam / daß man diesem fremden die Sache entdeckte / und einem solchen vertraute / den sie nicht kante / der allenthalben ihre Schand könte ausbreiten; solte sie ihn aber in Gegentheil hinunter führen / so waren nur die Stiege da /auff welche der Mann hinauff gehen muste / der vor der Thür stunde: Alles was sie in der Eyle thun können / ware / daß sie den Advocaten hinter das Bette versteckte / und einen grossen Schranck der dabey stunde / auffschlosse / in welchen sie das Essen thate /wie sie es [569] von Tisch nahme / die Schüssel / die Teller / die Servetten / den Wein / das Obst / den Confect /das Tisch-Tuch / und alles zusammen; sie legte den Teppich wieder auff den Tisch / und setzte sich zum Feuer; unterdessen wurde der Mann ungedültig / daß man ihn so lang vor der Thür stehen liesse klopffte etliche mahl an / und rieffe / man solte ihm auffmachen; welches auch endlich geschahe / er gieng in das Hauß die Stiege hinauff / und fande seine Frau bey dem Feuer sitzend / die ihm um den Halß fiel / und sagte: Ach mein lieber Man / wie bin ich so froh / daß ich euch sehe / ich habe nicht gedacht / daß ihr so bald würdet wieder kommen. Mein Schatz sagte er zu ihr /weilen ich meine Geschäffte viel eher verrichtet / als ich gemeynet / bin ich in aller Eyl wiederkommen / so sehr hat mich verlanget euch zu sehen / ich bin heut neun Meilen geritten / damit ich noch zeitig nach Hauß kommen möchte; Aber (fragte er) was bedeutet dieses grosse Feuer? Ach! Mein lieber Mann sagte sie zu ihm / ich habe so grosses Bauchgrimmen / und dahero dieses Feuer machen lassen / etlicht Tücher zu wärmen / und mir dieselbe auff den Leib zu legen; ich halte davor / es sey mir dieses von dem Schrecken kommen / den ich diesen Abend gehabt / indem ein Soldat kommen / welcher Herberge hierin begehret /sagend / daß er Königl. Befehl habe; hierüber hab ich mich so erzürnet / daß ich solte eine Mannspersohn in das Hauß lassen / wann ihr nicht heimb seyd. Als der Soldat dieses hörete / dachte er nun ist es Zeit / daß du dich auch hervor machest / weil man dich auch mit ins Spiel ziehet / er kleidete sich geschwind an / und spitzte doch dabey die Ohren / das Ende ihrer Rede zu hören. Der Mann sagte zu ihr / meine liebe Frau /damit ist es nicht außgericht / ich habe noch nicht zu Nachtgessen / es hungert mich überaus [570] sehr / habt ihr nichts daß ihr mir gebet? Ich / mein lieber Mann /sagte sie zu ihm / was solt ich haben / da ich doch euer nicht gewärtig gewesen? Meynet ihr / wann ihr verreyset seyd / daß ich die gewöhnliche Speisen koche? Ich nehme verlieb mit einen braten Apffel / so ist die Magd auch mit einem zu frieden. Der guthe Mann sagte / so ist dann daß beste Mittel / daß ich ohne Essen schlaffen gehe / dann umb diese Stunde etwas in dieser Stadt zu bekommen / darff man nicht hoffen. Indem er dieses sagte / war der Soldat herab gangen / und klopffete an der Kammerthür / es wurde ihm auffgemacht / er grüste den Herren / ihn umb Verzeihung bittend / daß er seiner Frauen Ungelegenheit verursachet / indem sie ihn nicht herbergen wollen; er seye aber aus Königl. Befehl hieher kommen /zeigte ihm darauff den Zettel / damit er es nicht übel möchte auffnemen. Jedoch sagte er / mein Herr / so kan sich seine Haußfrau nit über mich beklagen / daß ich daß geringste zu ihr solte gesagt haben / daß ihr Mißfallen. Sie antwortete / ich beklage mich auch deßwegen nicht. Der Soldat sagte / mein Hr. ihr habt noch nicht gessen / ich auch nicht / wann es euch beliebet / so will ich euch und der Jungfrauen ein Nachtessen verschaffen / wie ich euch dann leichtlich eine treffliche Mahlzeit zurichten kan. Wie ist das müglich / fragte der Herr / da doch um diese Zeit nichts in der Stadt zu bekommen ist? seyd deßwegen nur unbekümmert / sagte der Soldat / das Essen soll indem auffgesetzet werden. Ich will euch frey bekennen / und ihr werdet mich bey der Obrigkeit nit angeben / daß ich etwas mit der schwartzen Kunst kan umgehen /und daß ich den Geistern befehle / alles was mir nur gefält; lasset mich nur machen / so will ich euch zeigen / daß ich Credit in der Höllen habe / da man die Speisen eben [571] so guth zubereitet / als hie zu Land. Hierauff nahme er einen kleinen Stecken / so bey dem Feuer stunde / machte einen Kreiß um sich herum /unn wie er nun ein überaus verschmizter Schalck war / murmelte er etliche undeutliche Worte daher / die er in seinen Gehirn ersonnen / und die andern nicht verstehen konten. Nachdem er nun viel seltzame Geberden gemacht / dem Possen einen desto grössern Schein zu machen / sagte er überlaut: Ich befehle dir /daß du jetzund alsobald vor meinen Wirth seine Hauß-Frau und mich / ein Nachtessen hieher bringen lassest; sehe aber wol zu / daß du uns nicht schlecht tractirest. Was beliebet nun den Herren zu Essen? Fragte er den Herren. Dieser antwortete gantz erschrocken / alles was dem Herren beliebet. Hierauff sagte der Soldat: So bringe dann alsobald eine gute Suppe mit Gekräut zubereitet hieher / ferner einen gesottenen Capaunen / einen guten gebratenen Capaunen / ein paar Feld-Hüner / ein Häßlein und 2 Schnepfen; welches das Essen war / so er bey dem Feuer gesehen / und Zeit genug gehabt hatte solches zu mercken. Ist dieses genug / sagte er / Herr Wirth? derselbe antwortete / ach! Herr / es ist dreymahl mehr als vonnöthen ist / was wollet ihr mit so vielen Essen thun? Gehe / sagte er / noch ein dutzent Lerchen / die Zähn damit zu stichern. Uber das so verschaffe uns abgekühlten Wein / wie auch Confect und Obst in guter Ordnung; doch daß es alles zubereitet seye / wie es sich gebühret / und hüte dich woll / daß du nicht erscheinest / oder der Jungfrauen durch einig Gesicht einen Schröcken verursachest. Ich will / daß alles was ich von dir gefordert / sich in einem Augenblick wol zubereitet / in diesem grossen Schranck befinde / der hie stehet. Herr / sagte er ferner / lasset denselben auffschliessen / dann alles was ich jetzund [572] begehret /ist ohne Zweiffel darin / ihr werdet sehen / wie man mir in allen Dingen gehorchet. Die Frau sahe wol /daß die Sache entdeckt wäre / und daß sie sich umb sonst der Auffschliessung des Schrancks würde entgegen setzen / lobte daneben bey sich selbsten den listigen Fund des Soldaten. Es befanden sich alle begehrte Sachen stück vor stück fein warm und zu Essen bereitet in den Schranck mit grosser Verwunderung deß Mannes / der so bestürtzt ware / daß er nichts reden konte. Die Frau stellete sich ebenfals erschrocken wie er / ja sie hatte auch Ursach solches zu thun / doch erschracke sie auff eine andere Weise / als ihr Mann. Der Soldat / welcher die Stelle eines Hauß-Wirts vertrate / indem er davor wolte angesehen seyn / als ob er seine Haußleute tractirte / befahle / daß man den Tisch deckte / und die Speisen aufftrüge / weil sie noch warm wären / und weilen er sehr hungerig ware /schnitte er einen Fuß vom Capaunen / und asse alsobald davon / zu dem Hauß-Herren sagend / daß er trefflich guth sey / er solte ihn nur versuchen. Der Herr wolte sich kaum unterstehen von diesen Speisen zu Essen / welche wie er sich einbildete / aus einem so seltzamen Orth herkämen. Die Frau stellete sich auch verzagt / und sagte / sie getraute nicht davon zu essen. Der Soldat sagte zu ihr / sie solte sich nicht scheuen / sondern getrost davon Essen / sie würde sehen / daß es sehr guth sey. Er liesse Wasser bringen / umb die Hände zu waschen / hiesse den Herrn und seine Frau niedersitzen / und satzte sich neben sie; nahm einen Löffel / versuchte die Suppe / sagte sie sey nicht schlimm / bate den Hauß-Herren selbige auch zu versuchen / welcher es noch nicht recht wagen wolte / biß er aber endlich zu gelangt / und befunden / daß sie guth were. Letzlich waren sie der Sache alle beyde bald gewohnet / und [573] mein guter Soldat / der zuvor fast vor Hunger gestorben gebrauchte sich dapffer / und zeigte / daß er ziemlichen Appetit habe / indem er so viel asse / als sonsten seiner 4 hetten essen mögen. Der Mann muste endlich die Speisen und derselben Zubereitung loben / und gestehen /daß in der Höllen eben so guthe Köche gebe / als zu Granada. Der Wein schmeckte ihnen trefflich / und war überaus kühl / unn das Obst zierlich in den Schüsseln gelegt; also daß der Mann bekandte / er sey in langer Zeit bey solcher guten Malzeit nicht gewesen. Wie sie nun wol gespeiset / truge der Soldat Mitleyden mit dem guten Advocaten / welcher mit truckenen Maul sehen muste / wie man daß seinige verzert /ob er schon ziemlich Hunger hette. Damit er nun denselben versichert / aus der Kammer hinter dem Bett hervor brächte / darumb sich derselbe ohne Zweiffel mehr bekümmert / als umb den Verlust seiner Malzeit / ersonne er einen artigen Fund: Nun woll / sagte er zu seinem Haußwirt / ihr werdet euch über mich nicht beklagen / ich hoffe / ihr werdet keinen Hunger mehr haben. Aber hiermit ist es noch nicht alles gethan /ich will euch auch den jenigen sehen lassen / der uns diese Mahlzeit spendirt. Die Frau als sie dieses hörte /befürchtete sich / er möchte entdecken / was sie so fleissig zu verbergen suchte / sagte deßwegen mit zitternder Stimme: Ach der Herr sey gebeten / und thue es doch nicht. Er aber / der wuste / was sie fürchtete /sagte zu ihr; Nein / nein / Jungefrau / seyd nur ohne Furcht / ich wil nit thun / was ihr vermeinet / so unhöfflich bin ich nicht / daß ich einer Frauens-Persohn solte Ungelegenheit verursachen / vertrauet mir nur. Der Mann begehrte diesen Gesellen auch nicht zu sehen; aber die Furcht war wol bey ihnen beyden unterschiedlich. Nein / nein mein Herr sagte der [574] Soldat /ihr werdet nichts sehen / das euch erschröcken möchte / seyd nur unbekümmert. Und ihr Jungfrau lasset nur alle Thüren auffmachen / so wohl hie oben / als unten die Hauß-Thüre; dann sonsten wo er keinen freyen Ausgang finden würde / dürffte er alles zerbrechen. Die Frau merckte / was er willens were zu thun; ach Gott sagte sie zu der Magd / mache geschwind die Kammer- und Haußthür auff / welches alsobald geschahe. Hierauff stunde der Soldat von seinem Stuhl /und sagte mit erhabener Stimme / und du / der du hie zugegen bist / der du uns so wol tractiret hast / der du uns siehest und hörest / gehe geschwind von hie hinaus / durch die eröffnete Thüren / damit du nichts zerbrechest / und zeige dich der Gesellschafft nicht in deiner gewöhnlichen Gestalt / dann sonsten würdest du verursachen / daß die Jungfrau vor Furcht stürbe; den Herren anbelangend / halte ich davor / daß er so leicht nicht erschrocken sey: Herr / sagte er zu ihm /in was vor Kleydung begehret ihr / daß erscheinen soll? er antwortete geschwind / weil ihn sehr verlangte / daß er aus der Kammer käme / in einen solchen wie es ihm beliebt. Alsobald sagte der Soldat / so gehe dann in einer Advocaten Kleidung / welcher eine solche Gelegenheit nach Wunsch zu entrinnen sahe /ruckte seinen Hut wol vor die Augen / damit er nicht erkennet wurde / gienge so geschwind als ihm müglich war / mitten durch die Kammer / und traffe die Hauß-Thür an. Als ihn der Mann sahe hervorkommen / wäre er fast vor Schrecken niedergefallen / und die Frau damit sie ihre Persohn in diesem auch wohl agirte / stellte sich als ob sie vor Furcht ohnmächtig worden; man risse ihr die Kleider auff / und legte sie in das Bette / da sich dann der Mann zu ihr legte: Der Soldat [575] aber gienge wieder nach seinem Bette zu / mit grösserer Begierde zu schlaffen / als er zuvor gehabt. Des andern Tages früh nahme der Soldat von seinem Wirt Abschied / der ihm tausendmahl dancksagte; als er zu dem Hauß hinaus gegangen / spehete er aus /wann der Mann außgehen würde / und sobald er dieses erfahren / gienge er wieder in das Hauß / und fande die Frau noch im Bette / deren er einen guten Tag wünschete; sie aber schämte sich und wolte sich unter die Decke verbergen. Als er dieses sahe / sagte er / wie so junge Frau / gönnet ihr mir die Ehre nicht /euch zu sehen? habe ich vielleicht etwas begangen /sie antwortete gantz und gar nit mein Herr / ich bin euch so sehr verpflichtet / daß ich mich schämen muß / wann ich euch ansehe. Hierauff complimentirten sie noch wenig / und wurden der Sachen eins / welches sie nicht abschlagen konte / in Ansehn des sonberbahren Dienstes / den er ihr erwiesen; zudem war er auch ein solcher Kerl / der diesen Gefallen eben so wol verdienet / als der Herr Advocat immermehr. Der guthe Mann aber erfuhre ebenso wenig davon / als er vom vorigen erfahren hatte.

Zum Beschluß:

Hierbey lassen wir es vor dieses mahl bewenden / und dafern wir vermercken / daß der Leser einigen Gefallen an diesen List- und lustigen Welt Händelen gehabt / wollen wir demselben mit ehistem den andern Theil davon mittheilen: Itzo machen wir diesen Erzehlungen ein Ende / jedoch sol gleichsam nach einer Commödie ein merckwürdiges Nachspiel / statt eines lustigen Anhangs / folgen.


ENDE.

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