[241] [243]Anhang zum Wunderhorn
Wacht auf ihr schönen Vögelein, ihr Nachtigallen kleine, die ihr auf grünem Zweigelein, noch eh die Sonn' recht scheine, anstimmt die tönend Schnäbelein, gedreht von Helfenbeine. Lobt Gott ihr süssen Schwäzerlein, ihr sämtlich keusch und reine, ihr Luft-und Wolkensängerlein, für ihn bestellt alleine. Mit euch zum besten Liedelein, zwei schöne Kindlein reine, Anblasen ihr Pfeifelein, es schallt zum Wald hineine, hier bei dem Heilgenbildelein in Einsamkeit alleine, da nicken blicken Blümelein und duften also feine, und Hirsch und Reh und Häselein, die horchen in dem Haine, wie eure süssen Stimmelein erklingen am Gesteine, auch fällt ein klares Brünnelein, die Blumen schaun hineine, da netzet eure Züngelein nach Ordnung ein und eine, da spület Hals und Gürgelein, dann singt ihr noch so reine; den Takt schlagt mit den Flügelein, so schickt sich's recht ihr Feine, schwingt freudig auch die Federlein, regt Aermelein und Beine, erstreckt zum Klang die Hälselein, ein Jedes thu das Seine. Habt ihr kein andres Liedelein, so lernet nur das meine, ist nur ein einzig Seufzerlein bei Sonn-und Mondenscheine, singt nur allein, gelobt sey Gott, Gott Sabaoth alleine.
Wacht auf ihr kleinen Schülerlein bei hellem Sonnenscheine, zieht an die Festags Röckelein und macht euch auf die Beine, Gregorius das Schulfest heut ist wieder angekommen, auch schlägt der Frühling auf der Haid' die helle Freudentrommen. Ein alter Brauch bei Christen war, daß man zu diesen Zeiten die Kinder all in froher Schaar zu Schul und Kirch thät leiten. Ein Kinderbischoff wählet man, und neben ihm zwei Pfaffen, ihm folgen König, Handwerksmann, Soldat, Hanswurst und Affen So zieht einher ein jeder Stand, in Kleidern schön gezieret, und jedes Kind in seiner Hand sein Handwerkszeug auch führet. Dem Bischoff wird am Hirtenstab die Brezel vorgetragen, was das für ein Bewandniß hab, merkt auf, ich wills euch sagen. Die Brezel heißt Pretiolum, ein Preislein für die Kinder, die in der Schule nit sind stumm und dumm gleichwie die Rinder. Sie hat in sich auch die Figur von den Buchstaben allen. Beiß hier, beiß dort auf rechter Spur, gelt das will dir gefallen. Die Brezel ist ein liebes Buch, du wirst's bald ausstudieren, du kennst's von Weitem am Geruch, und wirst's drum nit verlieren. Du kannst es schon bis zu dem S, wird dirs nit abgenommen, du lerntest also ungemäß, daß du zum W thät'st kommen.
Als das Christkindlein geboren war, saßen die zwei Hirten, Damon und Halton, Nachts bei ihrer Heerde, und erzählten sich einander, was sie dem Christkindlein für Geschenke machen wollten, es war bei einem Bache, unter einem Palmbaum, ihre Schaafe lagen um sie her, und schliefen, es war auf einer weiten, weiten Wiese, oben auf einem Berge, der Mond war ganz groß, und rechts waren am Himmel eine Menge kleine Wolken, wie Schäfchen so weiß, und der Mond war wie der Schäfer dazu; auf der linken Seite aber stand am Himmel der Morgenstern, ganz hell wie ein Kristall, der stand über dem Stall, worin das Jesuskindlein lag, die Hirten aber saßen unter dem Palmbaum am Bach, der rauschte ganz leis, da haben sie so gesungen:
In einigen Gegenden von Holstein ziehen die Kinder, um den Sommer anzukündigen, von Haus zu Haus; eines trägt in einem Korb einen todten Fuchs voraus, sie singen dazu:
Zur Fastnacht gehn die Kinder am Rhein mit einem Korb, in dem ein gebundener Hahn liegt, sie schauckeln mit ihm und singen:
Ein Hünchen und ein Hänchen sind miteinander in die Nußhecken gegangen, um Nüsse zu essen, und jedes Nüßchen, welches das Hänchen fand, hat es mit dem Hünchen getheilt, endlich hat das Hünchen auch eine Nuß gefunden, und das Hänchen hat sie ihm aufgepickt, aber das Hünchen war neidisch, und hat nicht theilen wollen, und hat aus Neid den Nußkern ganz verschluckt, der ist ihm aber im Halse stecken geblieben, und wollte nicht hinter sich, und nicht vor sich, da hat es geschrien: lauf zum Born und hol mir Wasser.
Da war das Hänchen sehr traurig, und hat ein Wägelchen von Weiden geflochten, hat sechs Vögelchen davor gespannt, und das Hünchen darauf gelegt, um es zu Grabe zu fahren, und wie es so fort fuhr, kam ein Fuchs,
Wohin Hänchen? u.s.w.
aber der war zu schwer, der hat grade noch gefehlt, das ganze [261] Wägelchen mit aller Bagage, mit Mann und Maus ist im Sumpfe versunken, da braucht er auch kein Grab, das Hänchen ist allein davon gekommen, ist auf den Kirchthurm geflogen, da steht es noch, und dreht sich überall herum, und paßt auf schön Wetter, daß der Sumpf austrocknet, da will es wieder hin, und will sehen, wie er seinen Leichenzug weiter bringt, wird aber wohl zu spät kommen, denn es ist allerlei Kraut und Gras drüber gewachsen, Hünerdarm und Hahnenfuß, und Löwenzahn und Fuchsia, und lauter solche Geschichten, wer sie nicht weis, der muß sie erdichten.
Amen. [269]
In der Pfalz und umliegenden Gegenden gehen am Sonntag Lätare, welchen man den Sommertag nennt, die Kinder auf den Gassen herum mit hölzernen Stäben, an welchen eine mit Bändern geschmückte Bretzel hängt, und singen den Sommer an, worüber sich jedermann freut. Auch gehen oft zwei erwachsene junge Bursche verkleidet herum, von welchen einer den Sommer, der andere den Winter vorstellt, diese kämpfen miteinander, und der Winter verliert. Im Kraichgau tragen die Mägdlein bei diesem Fest einen mit Immergrün umwundenen Reif auf einem Stecken, an dem Reife hängen kleine Spiegel, Goldflitter und Bretzeln. Die Knaben aber tragen viele solche kleinere Kränze an ihren Stecken, und geben immer einen als Gegengabe in jedem Hauße ab, wo sie für ihren Gesang Geld, Eier, Schmalz oder Mehl erhalten. Dieser Kranz wird in der Mittenstube über dem Tisch an einem Faden aufgehängt, und bleibt bis zum nächsten Jahre hängen. Durch die Ofenwärme, die in die Höhe zieht, bewegt sich der Kranz zuweilen, dann sagen die [274] Kinder: das bedeute was Gutes, wenn aber eine Hexe in die Stube kömmt, sagen die alten Weiber, stehe der Kranz still. Das Sommerlied aber heißt so:
In Kreuznach und andern Städten am Rhein werden um Johannistag die Brunnen gereinigt, und neue Brunnenmeister erwählt, wobei sich die Nachbarn versammeln, und nachdem sie manche nachbarliche Angelegenheit besprochen, ein kleines Fest geben. An dem Tage dieses Festes ziehen die Kinder in der Nachbarschaft Eyer sammlen herum, die sie in einen mit Feldblumen geschmückten Korb auf Blätter legen, und sich Abends zu einem eignen Feste backen lassen, bei ihrem Eyersammlen singen sie folgendes Lied. Diese Gelage waren bereits im funfzehnten Jahrhundert.
Kleins Männele, u.s.w. was kannst du machen u.s.w.
Ich kann wohl spielen auf meiner Leier,
Eng eng eng, so macht meine Leier,
Du du du, so macht mein Fagot,
Blum blum blum, so macht meine Laut,
Bring bring bring, so macht meine Zitter,
Ging ging ging, so macht meine Geig,
Dill dill dill, so macht meine Flöt,
Bum bum bum, so macht meine Trumm.
Rum bum, bidi bum, dill dill dill, ging ging ging, bring bring bring, blum blum blum, du du du, eng, eng eng.
Kleins Männele, u.s.w. was kannst du machen u.s.w.
Ich kann wohl spielen auf meiner Baßgeig,
[284] Gu gu gu, so macht meine Baßgeig,
Eng eng eng, so macht meine Leier,
Du du du, so macht mein Fagot,
Blum blum blum, so macht meine Laut,
Bring bring bring, so macht meine Zitter,
Ging ging ging, so macht meine Geig,
Dill dill dill, so macht meine Flöt,
Rum bum, bidi bum, so macht meine Trumm.
Rum bum, bidi bum, dill dill dill, ging ging ging, bring bring bring, blum blum blum, du du du, eng eng eng, gu gu gu,
in Ewigkeit amen.
Als Hans vom Markt heimgieng, und seinem Schatz ein neu Spinnrad mitgebracht, und sich eine neue Peitsche gekauft hatte, sang er lustig:
Bei diesem Liede reichen sich zwei Kinder die Hände kreutzweiß, und gehen singend auf und ab, und bei: sprach Pilatus, drehen sie sich, durch einen Zug der Hände schnell herum, und wandern wieder zurück.
Die Kinder tanzen im Kreiß, und setzen sich plötzlich zur Erde nieder.
Ein Mägdlein setzt sich in die Mitte, ihren Rock zieht sie über den Kopf in die Höh, die Kinder stehn um sie, und halten den Rock, einer geht herum und fragt:
Nun schlägt er auf eine der Hände, und diese läßt den Rock fallen, nun fragt er von neuem; sind alle Steine herunter, so lauft das Königs-Töchterlein nach, und wer erhascht wird, muß nun in den Thurm.
Nun blasen sich die Kinder ins Gesicht, wer es am längsten, ohne zu lachen, aushält, bekömmt von dem andern eine Erbse.
am Ueberrhein.
Wenn ein Schiff vom Stapel läuft, so singen in Lübeck die Kinder, die zu ihrem Vergnügen sich darauf befinden:
1 cras ist lateinisch, und heißt morgen.