729. Die Hennenburgen

Es ist eine alte Sage, daß vorzeiten ein Herr aus edlem Geschlecht in Deutschland umgezogen, der eine Stätte suchte, da er sich anbauen und guten Frieden haben könne. So kam derselbe auch nach Franken und fand allda einen Berg, der ihm baß gefiel. Wie er nun durch die Waldung zum Gipfel ritt oder schritt, fand er eine Wildhenne mit ihren [479] Jungen, und da baute er allda eine schöne Burg und nannte sie Hennenberg und wurde der Stammvater des reichen und edeln Geschlechts der alten fränkischen Gaugrafen, die sich von Hennenberg nannten und vom Grabfeld bis zum Thüringerwalde Besitzungen gewannen und Burgen erbauten. Zur Sage gesellte spätere Zeit vielgestaltig die Fabel, daher ist von der Erbauung der Burg Henneberg Folgendes in einer alten Handschrift zu lesen: »Da die Wenden in Rom lagen und Roma und Italien fast zerstört und verderbt hatten, das war nach Christi Geburt vierhundertundachtundfünfzig Jahre, da zog ein reicher Römer aus Rom um Unfriedens willen, das war einer von der Säule geheißen, De columna, von dem großen Geschlecht, kam also in den Wald, da jetzo Henneberg liegt, mit seinen Dienern. Da behaget ihn, den Berg zu bauen. Da fand er ein Wildhuhn mit seinen Küchen an derselben Statt, darum nennte er das Schloß Henneberg.«

Fast das gleiche ward auch gefunden in einer Chronik, wo es von einem Römer aus dem erwähnten Geschlecht heißt: »Er zog in diese Lande und kam an das End und Berg, da jetzt Henneberg liegt, und schlug sich allda nieder, da gefiel ihm die Gegend und der Ort so wohl, daß er anfing, ein Schloß darauf zu bauen, und als er das anfing aufzuschlagen und das Schloß zu bauen, da fand er an derselbigen Statt eine wilde Henne mit ihren jungen Hühnlein, davon gab er demselbigen Schloß den Namen Henneberg und führte davon die Henne in seinem Wappen, er und alle seine Nachkommen, und nennet sich der von Henneberg. Also sind sie herkommen.«

Auf dem alten Schloß Henneberg ist eine Blende in der Mauer zu sehen, davon alte Leute erzählten, daß ein Maurer bei Aufbauung des Schlosses seinen Sohn verkauft habe, damit, wenn das Kind in jene Vertiefung lebendig eingemauert werde, die Burg fortan unüberwindlich bleibe. Und der grausame Vater habe das Kind selbst eingemauert. Dieses aß eine Dreierssemmel und rief weinend, als der letzte Stein aufgelegt wurde: O Vater! o Vater! wie wird es so finster! – Und wie das Kind also rief, da schnitt die Stimme dem Manne durchs Herz wie ein Messer, und er stürzte von der Leiter herab und brach den Hals.

Von den drei Schlössern Henneberg, Hutsberg in Ruinen, und ebenso lange wehr) geht die Sage, daß das eben die drei grünen Berge seien, auf welchen im Wappen der Grafen von Henneberg die schwarze Henne steht, und daher sei das Sprüchwort entstanden: Henne huts Land. – Die Henne hütet das Land. Jetzt liegen seit 1525 Henneberg und Hutsberg in Ruinen, und ebenso lange lag Landsberg öde, aber in der neuesten Zeit hat sich auf letzterem ein stattlicher Burgbau des Landesherrn in ritterlichem Stil erhoben, der eine wahre Zier der ganzen Gegend ist.

Auch über Rüdlingen, zwischen Münnerstadt und Kissingen gelegen, ist eine alte Burgstätte auf einem ziemlichen Hügel sichtbar, welche heute Huhnberg genannt wird, vor alters aber Henneberg genannt wurde, wie eine alte Urkunde deutlich aussagt. Den Namen soll Burg und Berg von einem zahmen oder Haushuhn erhalten haben, das zur Zeit, als man die erstere gründen wollte und für dieselbe noch keinen Namen wußte, droben ein Ei gelegt. Zur Unterscheidung des Namens von dem weit früher schon erbauten Stammschlosse Henneberg aber habe man es später nicht Henne-, sondern Huhnberg genannt und diese Burg durch das Bild eines Haushuhns von dem Wappen der ersteren, einer Wildhenne, unterschieden. Die Sage verkündet, daß, von Erbauung dieser Burg an, alle hundert Jahre mittags und mitternachts ein Huhn auf dem Schloßberge dreimal fröhlich schreiet, so das Jahrhundert verkünde und so den alten Chronikenspruch bewähret:


Hier hat gelegt das Huhn ein Ei,

Daß Burg und Berg benennet sei.


Noch soll unter den verschütteten Kellern und Gewölben der Huhnburg viel Geld und Wein verborgen sein. Die Leute erzählen, jeder, der den Schloßplatz besuche, finde bei seinem ersten Kommen, wenn er nicht an die Schätze [480] denke und nicht auf deren Hebung ausgehe, eine kleine Öffnung, welche in die Tiefen hinabführe; benutze er dieses Glück, so könne er reich werden, doch nie werde zum zweitenmal diese Gelegenheit geboten. Wer die Öffnung finde und einen Stein in sie hineinwerfe, höre diesen nicht auf den Grund fallen, so tief hinab gehen Keller und Gewölbe, so tief ruhen die Schätze. Versuche, durch Nachgrabung sie zu heben, schlugen gänzlich fehl und mußten bald unterbleiben, denn die Grabenden sahen sich seltsam erschreckt und in ihrem Vorhaben gehindert. Auch wurden Versuche solcher Art obrigkeitlich untersagt. Daher harren die Schätze noch auf den, der, wenn er die Öffnung findet, ohne habsüchtige Absicht sich in sie hinabläßt.

Auf dem Schloßplatze bei dem vormaligen Brunnen der Huhnburg wurde lange nach der Zerstörung des Schlosses, so geht die Sage, eine große Glocke von Schweinen ausgegraben, und diese hing man dann in dem Turm der Kirche zu Nüdlingen auf. Dieser Glocke wohnte eine sehr wunderbare Eigenschaft bei: denn so weit in der Umgegend ihr heller Schall hörbar war, gab es weder Fröste im Winter noch Gewitter im Sommer. Später aber wurde die Glocke gegen zwei andere kleinere ausgetauscht und nach Würzburg gebracht, worauf sogleich die Umgegend dieser wohltätigen Wirkung mit verlustig ging. Nur an einem Teil des Schloßberges scheint noch der Segen zu haften, denn an dessen Ostseite bleibt niemals der Schnee liegen, sondern zerschmilzt, sowie er dorthin fällt.

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