XLI. Das Testament.

»Und will zur Neige werden mir im Pokal der Wein,
Und ist nichts mehr zu hoffen, muss es geschieden sein,
Wohlan, so lass uns ordnen, so sei das Haus bestellt,
Dass nicht in fremde Hände, was wir erworben, fällt!«
So Faustus spricht zum Wagner, und der erwiedert drauf:
»Wohl, setzt für Euer Weib nur den letzten Willen auf,
Vergesst auch Euer Kind nicht; was dann in meiner Macht,
Das wird für Eure Lieben, wie für Euch selbst, vollbracht.«
›Mein Weib und Kind! Du träumest! Bedürfen die mein Gut?
Rollt ihnen durch die Adern der Erdenkinder Blut!
Trugbilder, mich zu halten am ewigfesten Band,
Und meiner Lust zu fröhnen, hat sie die Nacht gesandt.‹ –
Da tritt mit ihrem Knaben das schöne Weib herein;
Ein dichtgewobner Schleier hüllt ihre Schönheit ein.
Faust wendet sich, sie hält ihn, in Königsmajestät
Steht sie vor ihm. »Vernimm mich, denn später ists zu spät!«
[165]
»Ich komme nicht zu betteln um das, was ich verlor;
Ist doch der Mann ein Schwächling, den meine Lieb' erkor.
Nicht um Dein Gut zu betteln wegwirft sich Helena,
Gieb alles Deinem Freund hier, die Treu verdient es ja.«
»Dass Faustus uns verläugnet, wir habens nicht verdient;
Doch Höh're zu verläugnen hat er sich schon erkühnt!
O dass die Dir vergäben, wie wir vergeben Dir!
Die Liebe scheidet weinend und lässt die Reue hier!«
Sie sprichts und hebt noch einmal die Schleier sanft empor;
Ein Goldstern scheint ihr Antlitz durch Trauerwolkenflor.
Ihr Augenpaar, sanft lächelts, durch Thränen, schmerzlich süss,
Bis sie darüber wieder die Schleier sinken liess.
Und fasst die Hand des Knaben, und geht, wie Schatten gehn,
Und nimmer kommt sie wieder, und wird nicht mehr gesehn.
In Sinnen tief steht Faustus, und seufzt ein leises Ach;
Und Wagner blickt mit Staunen dem schönen Räthsel nach.
»Fahr' wohl!« ruft Faustus: »Traum nur war mir Dein Liebeskuss!
Dich gab nur als Phantom mir mein böser Genius.
War's anders! Schlug mir wirklich ein menschlich fühlend Herz!
O lasst es mir verhüllt sein, das mehrte mir den Schmerz!«
»Mein Haus, mein Vatererbe sei, Wagner, künftig Dein;
Der Goldschatz, die Geräthe, was ich nur nenne mein.
Was mir von guten Gönnern noch ward, erfreue Dich,
Und denke, treue Seele, wenn Du's gebrauchst, an mich.«
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»Die nekromant'schen Bücher, all mein Geschrift nimm hin;
Verfahre nach Gefallen damit, nach eignem Sinn.
Du bist der Zeichen kundig, es sei die Kunst Dir werth,
Wirst Du mir nimmer fluchen, dass ich sie Dir gelehrt?«
»Dein letzter Dienst, mein Wagner, der sei Dir theure Pflicht:
Du wirst mein Leben schildern, vergiss mein Leiden nicht.
Sei wahrheittreu, nicht füge Willkührerdachtes bei,
Dass ich Dich nicht der Lüge zu zeihn genöthigt sei.«
»Gar Viele werden fragen nach mir und meinem Thun;
Dann sollst Du Wahrheit sagen, werd' ich im Grabe ruhn.
Ruhn? – Weh mir! ob ich ruhe, wer reicht mir diesen Stab?
O gäb' mir Ruh die Truhe, gäb' Ruhe mir das Grab!«
»Mein Name wird nicht sterben, ich kaufte hoch den Ruhm!
Kann ihn auch nicht vererben, der bleibt mein Eigenthum.
Doch wird Dich Jeder nennen, der nur vom Faustus spricht;
Wo man die Meister rühmet, schilt man die Schüler nicht.«
»Mich werden Viele schildern oft mit verworrnem Sinn,
Und malen mich in Bildern, wie ich nicht war, noch bin.
Es kann in Lieb', im Hassen, im Kampf und Untergehn
Mich Keiner ganz erfassen, mich Keiner ganz verstehn.«
»Verstand ich doch mich selbst nicht! – Ein hochgewaltger Drang
Riss mich durch irre Bahnen zum dunkeln Untergang.
Vermocht' ich ihn zu zügeln, der eine Welt zerschlug,
Und auf Dämonenflügeln mich über Trümmer trug?« –
[167]
»Hätt' ich den Drang gezügelt – dann war ich nicht – der Faust!
Ein ehrbarstiller Mensch wohl, doch nimmermehr der Faust!
Der aus dem Lebensbecher die Neige schürft vom Wein;
Fahr' hin, armselges Leben; es muss geschieden sein!«
[168]

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