715. Der Erbsenacker

Hoch über dem Dorfe Krock, eine Stunde von Eisfeld, steht auf einem steilen Hügel die alte Kirche des Ortes, die man vorzeiten Irmenkirche nannte. In ihrer Nähe ist auch ein tiefer Brunnen befindlich, der wird der Irmenbrunnen genannt. Dort soll, so geht die Sage, eine Königstochter gewohnt haben, die an diesen Ort geflüchtet war aus heimlicher Liebe. Endlich aber war ihre ganze Habe verzehrt, der Liebste von hinnen, und sie besaß nichts weiter als ein Mäßchen Erbsen, das nahm sie und ging traurig von dannen nach Eisfeld. Aber das Säcklein, darin die Erbsen waren, hatte ein Loch, und am Krocker Berge verlor sie fast alle. Wo die Prinzessin, die am Irminborn gewohnt, hingekommen ist, das weiß man nicht, aber die Erbsen wurden alle zu Steinen und zeugen noch von ihr, denn tagtäglich findet man deren noch an jener Stelle, kleine runde Kieselsteine, erbsengroß und erbsenfarben, wohl auch bisweilen etwas größer. Diese Sage der Erbsenverwandlung in Steine deutet, wenn man sie deuten will und darf, darauf hin, daß der Arme auch sein Letztes verliert, und an die versteinernde Kraft des Schmerzes. In der Sage von den Erbsensteinen ist die Versteinerung Strafe des Geizes, und in einer Sage aus Palästina wird sie zur Strafe der Lüge. Dort liegt, am Wege von Jerusalem nach Bethlehem, auch ein Erbsenacker, öde und unfruchtbar. Darauf säete ein Bauer Erbsen. Maria mit dem Christuskinde ging vorüber und fragte den Bauer: Was säest du? – Die Lümmelhaftigkeit des arabischen Bauers wollte ohne Zweifel der seiner deutschen Vettern nicht nachstehen, und er antwortete grob und kurz: Steine! – So trage fortan dein Acker solche Frucht! rief Maria – und seitdem trägt jener Acker nur Erbsen von Stein, die kein Mensch genießen kann. Die alten Naturforscher nannten diese erbsengroßen Steingebilde Pisa bethlehemitica.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek