XVII. Homeros.

Herauf ihr Riesengeister aus alter Heldenzeit!
Ihr habt den Mäoniden mit heilgem Kuss geweiht,
Da hat er Euch gesungen in einem Zauberlied,
Das schon dreitausend Jahre in ewger Jugend blüht.
Ein Fels, an den die Brandung der Völkermeere schlägt,
Der kühn und unerschüttert das Haupt in Wolken trägt,
Ein Born, der ewig quellend, nie süsser Labe leer,
Ein Stern, die Nacht erhellend, das ist Dein Sang, Homer!
Ob Zeitenstürme brausend am Fels vorüberwehn,
Jahrtausend auf Jahrtausend wird unbesiegt er stehn.
Und durch die Schlachtendonner, durch ungeheuern Drang
Dringt hold der Quelle Rieseln, tönt süss des Liedes Klang.
Der Jugend Herzen brennen, in heller Lust erglüht;
Mit Deinem Liede wecktest Du manch unsterblich's Lied.
Du bist die Memnonssäule, von Phöbus Strahl gekrönt,
Die heilig durch das Frühroth der jungen Menschheit tönt.
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Du bist ein Götternektar, der Greise selbst verjüngt,
Der an das Glück der Jugend Erinnrung wieder bringt.
Du bist zum Gott geworden, auf zum Olymp entrückt,
Durch alle Zeiten blühend, beglückend, wie beglückt! –
Zum alten Erfurt eilet Faustus, der sonder Rast
Durch Welt und Leben hinstürmt voll ruheloser Hast.
Der nimmer ein Genügen des irren Dranges fand,
Der ewig unbefriedigt hinzog von Land zu Land.
Weit, weithin flog sein Ruf schon dem Mächtigen voran;
Ihm streut mit bunten Blüthen Bewunderung die Bahn.
Vom Nordland geht zum Südland von ihm gar manche Mähr,
Und zieht im Mund des Volkes phantastischbunt umher. –
Sieh, vor des Doktors Wohnung, was hellt die schwarze Nacht?
Was kommt daher gezogen in ritterlicher Pracht?
Viel' hundert Fackeln flammen, und Lied und Laute schallt,
Und: »Faustus vivat! vivat!« weit durch die Strassen hallt.
Das sind Erfurts Studenten, das ist ihr Gruss an Faust,
Dess Nam' auf Ruhmes Schwingen laut auf zum Himmel braust.
Und wie der Meister dankend sich zeigt auf dem Balkon,
Folgt seinem Wink begeistert der frohe Musensohn.
Und wie nun Becher klingen, Frohsinn den Kreis durchschwebt,
Den mancher Spruch aus Hellas und Latium belebt,
Da hebt ein wackrer Jüngling den Becher hoch empor:
»Den Manen des Homeros!« ›Homeros!!‹ schallt's im Chor.
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»Und möchtet Ihr ihn schauen, den Eure Liebe preist?
Und säht Ihr sonder Grauen des Mäoniden Geist?
Und die sein Lied geschaffen, und herrlich uns genannt,
Hektor im Schmuck der Waffen, Achilleus, zornentbrannt?«
So fragt die Musensöhne jetzt Faustus allzumal,
Und wunderbare Töne durchklingen schon den Saal.
Der Kerzen Glanz verdämmert, und Nebel düster wallt,
Der Magus murmelt Formeln, der Nebel – wird Gestalt.
Da schwebt geschlossnen Auges ein frommes Silberhaupt,
Von Delos heilgem Lorbeer umgrünet und umlaubt.
»Homeros!« bebt es schauernd und leis' von manchem Mund;
Dann thut in tiefstem Schweigen sich höchstes Staunen kund.
Der Sänger schwand; es zeigt sich dem überraschten Blick
Des Menelaos Schatten, und tritt in Nacht zurück.
Achill erscheint, dann Hektor; der greise Priamus,
Odysseus dann und Ajax mit kriegerischem Gruss.
Die Flammenaugen drohen und sprühen Kampfeslust;
Der Anblick der Heroen durchschauert jede Brust.
Die hohen Helden schwinden, es rollt ein Donnerton,
Und eintritt Polyphemos, Poseidons Riesensohn.
Sein Auge scheint ein Spiegel von Aetnas wilder Gluth;
In seines Bartes Wirrhaar abträufelt Kindesblut.
Von grausenvoller Mahlzeit hält noch als Ueberrest
Der Kyklop einen Schenkel in nervger Linken fest.
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Und stösst in seiner Rechten den Speer zum Boden hart,
Dess zagen die Studenten, von Schreck und Graus erstarrt.
»Halt ein!« so rufen alle: »Nichts weiter lass uns sehn!«
Und höhnisch winkt der Zaubrer, und heisst den Schatten gehn. –
Lass unten Deine Geister aus alter Heldenzeit,
Wie sie Homer beschworen, schaun wir sie hocherfreut.
Dich hat, wie gross und mächtig Dein Zauber immer ist,
Nicht gleich dem Mäoniden die Grazie geküsst! –
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