Ein Dankopfer
Robert Koch,
dem Forscher, dem – Menschen.
Dumpf knirscht das Stroh der Lagerstatt;
»Oh Luft, oh Luft!« zuckt auf ein Mund.
»Oh mein blasses Kind! mein welkes Blatt,
mein krankes Glück!« keucht stumm und wund
ihr Weh die heiße Lunge hoch;
»ich darf nicht küssen mehr mein Kind« –
quillt hohl ein Hauch – »o stürb' ich doch!«
Hart rasselt durch die Kammer hin
der blanke Nähmaschinenstahl;
und die Tochter hebt das fahle Kinn,
und es stockt das Rad; ein Sonnenstrahl
malt Flammen auf die kahle Wand
und auf der Mutter Schneegesicht
und auf der Tochter feuchte Hand.
Und brennend Hand in Hand sich saugt
und die sieche Brust an die sieche Brust,
und brennend Aug' in Auge taucht:
[205]Oh süßes Licht! – o du leuchtende Lust!
o dunkler Tod –! blüht ein Gebet
wie Rosen durch den goldnen Schein;
»O leben – leben!« die Lippe fleht ...
Vom Tische rauscht das Zeitungsblatt
aufs Bett; und wieder rasselt hart
der kalte Stahl. Und die Mutter matt
schlägt auf das Blatt und liest – – und starrt –
und starrt und liest, – und purpurn sprießt,
auf der weißen Wange der Nelkenfleck
sprießt purpurn auf; und sie starrt und liest.
Das – ist – keine Lüge? Blank von Glut,
hin über die Dächer ihr Auge glüht, –
und es wächst und es winkt aus der Sonnenflut
eine schimmernde Stirn, und ein Fittig sprüht,
und tausend Seelen ruhen drauf,
und es küßt sie alle ein Heilandsmund,
und er trägt sie alle zur Sonne hinauf, –
und es träufen hernieder, ein funkelnder Tau,
Lichtperlen des Lebens zum dunkeln Grund, –
und nun jauchzen die Seelen auf blumiger Au, – –
und es schluchzt durch die Kammer ein stammelnder Mund
und ein Schrei der Wonne zum Himmel gellt:
»Er macht uns Alle gesund, gesund!
nun darf ich dich küssen, mein Kind, meine Welt!«
Und »Mutter, Mutter!« die Tochter keucht,
und es stockt das Rad, und am Bett sie liegt,
wo von zuckender Lippe zum Kusse geneigt
hin über die Zeilen ein Blutquell bricht;
auf flackert verlöschend ein letzter Blick,
hohl quillt ein Hauch von letzter Lust:
»Gerettet Du – mein Kind – mein Glück!« –
[206]Umklammert ruht in feuchter Hand
die starre Hand; die Abendglut
malt flammende Rosen an die Wand;
schwarz leuchtet Wort an Wort im Blut,
wie Ein Geist tausend Leben regt;
und durch die stumme Kammer weht
der Geist, der alles Leben hegt.