[136] Die Gondel.

1. Kapitel

Erstes Kapitel.

Ein Gondelier in Venedig hatte ein Weibchen, wie wir sie alle wünschen, jung, schön, feurig, gefällig, mit einem Worte, zur Liebe gemacht. Tausend wünschten ihr Röschen zu pflücken, aber der Mann schien ein Argus zu sein.

Unter der Menge Liebhaber, die um sie seufzten, befand sich auch ein junger Nobile. Lange hatte er gesucht, sich ihr bekannt zu machen; endlich gelang es ihm durch eine Trödlerei. Die List, die Erfahrung, die Beredsamkeit dieser Person hatte den glücklichsten Erfolg. Die Schöne wurde gerührt; nur eine Gelegenheit, und der Nobile sollte glücklich sein.

Aber diese zu finden, war keine Kleinigkeit, denn Josephe ward unaufhörlich bewacht. Ihre Schwiegermutter und ihr Mann ließen sie Tag und Nacht nicht von der Seite. Doch die günstigen Gesinnungen machten den Nobile erfinderisch, [137] seine Gesandtin mußte sie unterrichten, und sein Entschluß war gefaßt.

2. Kapitel

Zweites Kapitel.

Es kam darauf an, mit dem Gondelier vertraulich zu werden, und es gelang ihm ohne Schwierigkeit. Er bediente sich seiner unausgesetzt, und bezahlte ihn wie ein König. Wer war glücklicher, als Corsiolle? Einen so reichen, einen so freigebigen Herrn hatte er noch nie gehabt.

Kaum hatte der Nobile sein Zutrauen gewonnen, als er sich vornahm, seinem Ziele näher zu rücken. – Corsiolle! sagte er: diese Nacht habe ich einen geheimen Besuch zu machen; kann ich auf dich rechnen? – und wenn es in die Hölle wäre! gab Corsiolle zur Antwort; mit Leib und Seele! – Der Nobile unterrichtete ihn von dem übrigen, und die Gesandtin gab ihre Depesche ab.

Es war Mitternacht. Corsiolle verließ sein Weibchen und holte den Nobile ab. Sie durchkreuzten die halbe Stadt, endlich läßt ihn der Nobile halten. – Sind wir da? fragte Corsiolle. – Ja, mein Freund! Erwarte mich hier; [138] fahr nicht von der Stelle, hörst du, ich bitte dich! Du! sollst zufrieden mit mir sein. – Corsiolle versprach es, trank sich auf die gute Bezahlung ein Räuschchen, und legte sich in seine Gondel schlafen.

Indessen eilte der Nobile durch Gäßchen und Gäßchen bis an Corsiolle's Haus zurück. Er kam an; die Schwiegermutter war eingeschlossen, und er flog in Josephens Arme.

3. Kapitel

Drittes Kapitel.

Sie hatte ihn erwartet. Die Hoffnung des Vergnügens machte sie noch einmal so schön. Er war feurig; seine Liebkosungen schienen unerschöpflich! O welcher Unterschied zwischen Ihm und Corsiolle! Josephe schwamm in Entzücken; eine schönere Stunde hatte sie noch nie gehabt. Jeder Kuß, jede Umarmung schien süßer als die vorigen zu sein. Ach, warum konnte sie ihn nicht ewig an ihrem Busen halten!

Aber sie mußten sich endlich trennen, und ihr Freund kehrte zur Gondel zurück. – Haha! rief ihm Corsiolle entgegen! Ew. Gnaden bleiben lange beim Rosenkranz! Potz Fischchen, das heiß ich beten! Drei Siegerstunden! – Nun, [139] der Himmel erhöre Sie! – Der Nobile lachte und schilderte ihm seine Andacht mit den lebendigsten Farben. – Alle Wetter! rief Corsiolle: machen Sie, machen Sie, gnädiger Herr, daß wir nach Hause kommen, ich muß es meiner Frau vorbeten.

Was der Henker! sagte der lustige Nobile, und machte im Augenblick einen neuen Plan. Was der Henker, lieber Corsiolle! Hast du auch eine Frau?

Das wollt' ich meinen! gab der Gondelier zur Antwort; und ein Kernweibchen! Herr, die ist gewachsen! und das Brustwerk – wie ein Granatäpfelchen!

Nun, nun, erwiederte der Nobile mit verbissenem Lachen: so hübsch als das Mädchen meiner Donna kann sie doch nicht sein! – Was wett' ich, Corsiolle,die gefällt dir noch besser.

Corsiolle: Es kommt auf eine Probe an, gnädiger Herr, wenn Sie mir Ihre weisen wollen!

Gut! sagte der Nobile: morgen um die nämliche Zeit besuche ich sie wieder, und da will ich sie bereden, mitzukommen. – Sie schieden, und Corsiolle fand sein Weibchen in tiefem Schlafe. Er wollte seinen Rosenkranz anfangen, aber sie bat ihn, abzulassen. – Ich bin gar [140] nicht wohl, lieber Coisiolle! sagte sie schmachtend, und meine Leser werden ihr's gerne glauben.

4. Kapitel

Viertes Kapitel.

Corsiolle ermangelte nicht, sich die folgende Nacht einzustellen. – Nun, gnädiger Herr! sagte er, als der Nobile in seine Gondel trat: Sie werden doch Wort halten? – Allerdings, lieber Corsiolle! Verlaß dich darauf! – Ja, ja, fuhr jener fort: man sage, was man wolle, man kann doch nicht immer von einem Gerichte essen! So was Extra's! Nicht wahr, gnädiger Herr, das stärkt den Magen!

Unter diesen Gesprächen waren sie fortgefahren, als der Nobile endlich halten ließ und seine Straße gieng. – Nun, gnädiger Herr, vergessen Sie nicht! rief ihm Corsiolle nach: ich kann's meiner Treu kaum erwarten! – Der Nobile versprach es ihm, und Corsiolle nahm sein Fläschchen hervor.

Wir lassen ihn trinken, und finden unsere Liebenden im zärtlichsten Genusse. Der Nobile, schien ein Herkules zu sein; Josephe war außer sich vor Entzücken. Zwei Stunden hatten sie [141] so gekost, als er sie beredete, ihn zu begleiten. Er führte sie zur Trödlerin, ließ ihr ein kostbares Kleid anziehen, schmückte sie mit Juwelen und entdeckte ihr seinen Plan. Sie lachte und freute sich herzlich, ihren Mann zu betrügen.

Sie giengen fort, und erreichten endlich die Gondel. – Corsiolle! – Heda, gnädiger Herr! Potz Fischchen, die sieht ja aus wie eine Prinzessin!

N. Ja, aber es ist auch die Donna selbst.

C. Nun, und wo bleibt denn das Zöfchen?

N. Ich habe sie nicht finden können.

C. Sackerlot, gnädiger Herr! Erst sperren Sie einem das Maul auf –

N. Nun, nun, gieb dich nur zufrieden! Damit du siehst, daß ich mein Versprechen halte, du sollst dieDonna haben! Aber du mußt kein Wort dabei reden, hörst du?

C. Was? O Sie lieber charmanter Herr! Das heiß' ich doch einen Mann von Ehre! Ach ich will so stumm sein, wie ein Fisch; aber geschwinde, um aller Heiligen willen!

Der Nobile sagte Josephen etwas in's Ohr, sie trat in die Gondel, und er spazierte in der Nähe herum.

5. Kapitel

[142] Fünftes Kapitel.

Corsiolle war kein Phlegmatiker. Er nahm die Donna bei der Hand, und eilte, sein Glück zu verfolgen. Seine Pantomime war auch so ausdrucksvoll, daß sie ihn ohne Mühe verstand. Er war unersättlich, und sie konnte sich kaum des Lachens enthalten. Was doch die Einbildung thut! dachte sie bei sich selbst; zu Hause scheint er ein Klotz zu sein.

Endlich wurde dem Nobile die Zeit zu lang, und er rief ihn. – Gleich, gleich, antwortete Corsiolle: ich bin eben am Ufer.

Sie verließen die Gondel. – Sackerlot! sagte Corsiolle heimlich: das war ein Bissen, wie lauter Marzipan! Wenn ich's nicht besser wüßte! Mein Seel, es ist wie bei meiner Frau!

Der Nobile gratnlirte ihm, führte die Schöne nach Hause, und hielt Corsiolle noch eine Stunde auf. Dieser konnte nicht satt werden, die Schäferstunde zu preisen, aber jener wollte vor Lachen bersten.

Als Corsiolle nach Hause kam, war Josephe boshaft genug, ihm Liebkosungen zu machen. – Ach, laß mich schlafen! sagte er verdrüßlich: ich habe die halbe Nacht gerudert.

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