[73] An Herrn Gottlieb Milich, Kayserl. Rath und Mannrechts Assessorem in Schweidniz
Vergnügt dich, theures Haupt, ein Blat von Ehrfurchtsküßen,
So nimm ihr jezt soviel, als dein Verdienst begehrt,
Dem Musen, Hof und Stadt viel Kränze flechten müßen
Und Schlesiens Parnaß den höchsten Siz gewährt.
Kommt Pflicht und Danckbarkeit in etwas spät zurücke,
Verzeih es dir nur selbst, dein Brief ist schuld daran,
Dein Brief, in dem ich zwar viel Rath und Trost erblicke
Und der mir doch darbey nicht wenig weh gethan.
Wodurch? Mit Wohlthun? Ja; ein ehrliches Gemüthe
Nimmt, was es nicht verdient, mit Röth und Traurigkeit,
Und also martert mich der Zuschuß reicher Güte,
Wovor dir mein Gebeth manch Morgenopfer weiht.
Du ehrest überdies mein ungeschicktes Dichten,
Dein Urtheil und Verstand giebt jedem Verse Schein,
Und dürfte, wollt ich mich nach deßen Ausspruch richten,
Ein nicht geringer Zug zum Selbstbetruge seyn.
Allein wie kanstu doch mit armen Musen scherzen,
Warum vermehrt dein Lob die Schwermuth ihrer Brust?
Sie haben außerdem viel Jammer in dem Herzen
Und klagen, daß auch du sie noch beschämen must.
Jedoch ich seh daraus die kluge Vaterliebe,
Die oft durch falschen Ruhm der Kinder Fleiß erweckt;
Nicht anders hast auch du die halberstorbnen Triebe
Der faulen Poesie von neuem angesteckt.
Dies, was ich noch nicht bin, getraut ich wohl zu werden;
Nur schade, daß kein Stern wie Milichs Auge lacht
Und daß die Ungedult der täglichen Beschwerden
Das Feuer von Natur in Thränen flüchtig macht.
Was hatt ich damahls nicht vor Hofnung und Vergnügen,
Da Schweidniz meinen Fleiß in erster Blüthe sah,
Da mancher wies und sprach: Der wird vor andern siegen
Und kommt an seltner Kunst den alten Dichtern nah!
[74]Umsonst. Nun hab ich längst den Ehrgeiz fahren laßen,
Durch Spiel und Wißenschaft den Nahmen zu erhöhn,
Da Gönner, Freund und Gott mein irdisch Wachsthum haßen
Und Wüntsche frommer Brust wie Frühlingseiß vergehn.
Bisweilen zeigt mir zwar die Schickung beßre Strahlen,
Allein sie zeigt sie nur und quält mich noch so scharf,
So wie die Fabeln dort des Pelops Vater mahlen,
Der Fluth und Äpfel sieht und nicht genießen darf.
In Dresden sieht man nichts als lauter güldne Zeiten,
Land, Dörfer, Stadt und Hof sind pracht- und jubelvoll.
Wie geht's am Helicon? Es riecht nach armen Leuten,
Worunter ich gleichwohl viel Nettes dichten soll.
Nechst wurd ich mit Gewalt an unsern Hof gezogen,
Viel Gönner schwazten mir Befördrungsmittel vor;
Ich kam und sah, und sieh, ich war so gut betrogen
Als jener, der das Fleisch bey Schattenwerck verlor.
Mein ganzer Vortheil war ein leer- und magres Loben.
Ein Kerl, der Reime quält und noch der Pritsche mißt,
Kommt an und sticht mich ab, nicht wegen netter Proben,
Nein, sondern weil er nur ein beßrer Hofnarr ist.
Ich gonn ihm auch den Ruhm; doch kan ich dies wohl sagen:
Es geht mir etwas nah, daß gründlich kluger Fleiß
Und wahre Wißenschaft so oft den Bloßen schlagen
Und Phoebus nirgends mehr gewiße Zuflucht weis.
Doch deßen ungeacht bemüh ich mich um Reime,
Ob diese gleich so hart als Glück und Himmel sind.
Mein Gönner, zürne nicht, wofern ich dich versäume
Und wo mein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Der Pöbel hält und schilt uns Dichter oft vor Thoren;
Mein Beyspiel zwingt mich fast, der Meinung beyzustehn.
Wie ofters hab ich nicht die magre Kunst verschworen,
Und gleichwohl kan ich ihr nicht lange müßig gehn.
Ich hab es stets gehört und leider selbst erfahren,
Wie wenig unsre Zeit den armen Künsten giebt.
Kein Joseph findet sich in ihren Theurungsjahren,
Kein Ludwig, deßen Ruhm ihr kluges Spielen liebt.
Nichts desto weniger entzückt mich noch ihr Scherzen,
[75]Und selbst mein Ungemach bringt manchen Einfall bey;
Verschwör ich sie gleich oft, so geht es nicht vom Herzen,
Denn weil der Mund noch flucht, so schreibt die Hand aufs neu.
So reizt ein gutes Roß den erst gefallnen Reither,
So ist des Schifers Art: Er flucht auf Sturm und See
Und eilt dem Ufer zu; in kurzem wird es heiter,
Da weis er nichts davon und seegelt auf die Höh.
Nicht anders treib ich das, wovon ich laßen wollte,
Käm anders nicht der . . . . . . . . . . . . . . . . . . . her,
Und lerne, was ich doch so gern vergeßen sollte,
Wofern es mir ein Ernst um Ehr und Reichthum wär.
Und worauf sollt ich mich auch endlich beßer legen?
Die Musen sind mir hold, ich bin ihr ächtes Kind;
Ich reim in Warheit nicht der faulen Tage wegen,
Da Fleiß und Stätigkeit mir angebohren sind.
Es sind schon ohne mich, die Pflug und Schwerd regieren,
Und könt ich auch der Welt in diesem nützlich seyn,
So sollte mich gewis noch Scham noch Furcht verführen;
So aber spricht mein Leib und deßen Schwachheit: Nein.
Wie soll ich beßer thun? Den Predigtstuhl besteigen?
Drey Dinge schröcken mich: Gewißen, Wahn und Tod.
Wie? Oder soll ich gar das Recht der Wittwen beugen?
Das geht wohl auch nicht an, ich werde bald zu roth.
Wie, wenn ich also nun die Kunst des Vaters triebe?
Zwey Gründe reizten mich zu . . . . . . . . . . . an:
Der Werth der Wißenschaft und dann des Nechsten Liebe;
Nur schade, daß man nie mit Ehren heilen kan.
Nach Hofe taug ich nicht, ich hab ein treu Gemüthe
Und bin der Warheit Freund, die wär allein mein Fall.
So fänd ich nirgends Ruh, so sehr ich mich bemühte,
Und außer meiner Kunst verlier ich überall.
Ja, spricht man, weistu nicht, wir sind der Welt gebohren,
Des Landes Glück und Wohl erfordert unsre Pflicht.
Gar gut. Ich hab auch noch die Dienste nicht verschworen
Und leugne den Beweis der alten Warheit nicht.
Was nüzt nun, schreyt der Neid, der . . Dichterorden?
[76]Vielleicht noch mehr als die, so fürstlich Schaden thun,
Des Landes Marck entziehn, nach eigner Willkühr morden
Und bey der Armen Flehn auf . . . und Purpur ruhn.
Was nüzt wohl Marx der Welt, den Hof und . . küßen,
Den jeder . . . . . . . . . . . . . des Landes Stüze nennt,
Dem Volck und Unterthan mit Ehrfurcht dienen müßen
Und der dem Ärmsten doch den lezten Scherf kaum gönnt?
Er schwizt, studirt und sinnt auf ungerechte Steuern,
Betriegt dabey so gut den König als das Land,
Bemüht sich hier und dar, den Zwiespalt anzufeuern,
Und fischt in trüber Fluth mit . . . . . . . . . . . Hand.
Was bringt ein Juncker ein, der Gut und Feld verschlimmert,
So Wild als Bauern hezt, der Ahnen Geld verzehrt,
Vor Lanzen Gläser bricht, viel Afterschläge zimmert
Und, wenn das Dorf entlauft, sich von der Krippe nährt?
Wem dienet Maximin, den Geiz und Hochmuth plaget,
Der stets um Wucher schwiert, bey fremdem Schaden lacht
Und, wenn ihn das Fallit kaum vor dem Galgen jaget,
Sich bey des Himmels Zorn noch gute Tage macht?
Vielleicht kan wenigstens mein . . . . . . . . . . Dichten
Durch manchen guten Spruch ein einsam Herz erbaun;
Denn dieses lernt daraus, wenn Neid und Thorheit richten,
Der Sachen Eitelkeit in etwas überschaun.
Wer Narren striegeln sieht, den macht die Strafschrift klüger,
Und wen der Kummer drückt, der stillt ihn, wenn er list,
Wie manch gelehrter Thor und reicher Landbetrieger
Ein lächerliches Spiel des klugen Satyrs ist.
Die Götter fuhren sonst in Rauch und Nebel nieder,
So wie sie uns Homer noch unter Augen legt;
Die Warheit hüllt sich auch in Fabeln netter Lieder,
Weil doch des Pöbels Blick ihr Feuer schwer verträgt.
Wo las ich auch hernach das Lob berühmter Leute,
Das von der Dichterkunst den reichsten Vortheil zieht
Und über tausend Jahr noch ja so frisch als heute
Vermöge seines Werths und unsrer Sorgfalt blüht?
Ich bleibe, was ich bin, und bleib ich auch verlaßen,
So schmeck ich den Genuß gelehrter Einsamkeit,
[77]Die, wenn mich Glück und Freund und Geld und alles haßen,
Mir auch bey Salz und Brodt viel Selbstvergnügung weiht.
Wenn andern Pferd und Tanz die starcken Wechsel mindert,
Wurf, Todos und Bricoll den halben Schlaf entführt,
Ein schöner Tag aufs Dorf den Sommerfleiß verhindert
Und Gondel und Musick Gefahr und Neid gebiehrt,
So siz ich bald daheim, bald aber in dem Grünen
Und Phoebus und mein Creuz, sonst niemand, neben mir.
Da muß mir oft die Noth zum Seelenfrieden dienen,
Denn wenn die Muse spielt, weicht aller Schmerz von hier.
Bald giebt mir Boileau die Geißel in die Hände,
Bald senckt mir Nasons Geist viel süße Flammen ein.
Mein Gönner, tadle nicht die Schwachheit zarter Brände;
Wer Lieb und Brunst nicht kennt, der kan kein Dichter seyn.
Bald fällt mein stiller Mund auf Carlens Heldenthaten,
Da hol ich vom August manch . . . . . . . Gleichnüß her,
Da denck ich oftermahls, wie würde dir gerathen,
Wenn Milichs . . . . . . . . . . . in Wien Mäcenas wär.
Jedoch was klag ich noch? Sein Nahme giebt schon Proben,
Daß Gütigkeit und Huld ein Göttertittel sey.
Mein Gönner, halt es hier vor kein genieslich Loben;
Du weist, ich dencke rein und sage schlecht und frey.