1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[49] [51]Der Buchstabe Te.

1.

Bei des Meisters Seele schwör' ich's
Und beim alten Recht und Bunde:
Wünsche für dein Glück gesellen
Sich zu mir in früh'ster Stunde;
Meine Thräne, gegen welche
Noë's Fluth im Nachtheil bliebe,
Wäscht von meines Busens Brette
Nie das Bild mir deiner Liebe.
Handle denn mit mir und kaufe
Dieses Herz, zerstückt von Schmerzen:
Selbst zerstückt, erreicht's an Werthe
Hunderttausend ganze Herzen.
Schilt mich nicht, bin ich betrunken,
Denn der Lenker süsser Triebe
Wies mich schon am ersten Tage
An des Weingenusses Liebe.
Suche Wahrheit! Deinem Inner'n
Wird die Sonne dann entsteigen:
Weil der erste Morgen lüget,
Sind ihm schwarze Wangen eigen.
Herz, verzweifle nicht: des Freundes
Huld ist ohne Maass und Ende;
Nun du mit der Liebe prahltest,
Opfre denn dein Haupt behende!
Du nur hiessest mich auf Bergen
Irren und im Wüstensande,
Und noch lockerst du erbarmend
Nicht des Kettengürtels Bande.
[51][53]
Tadelt den Ăssāf die Ämse,
Kann man ihr nur Beifall zollen:
Denn, das Siegel Dschem's verlierend,
Hat er es nicht suchen wollen.
Traure nicht, Hafis, noch fordre
Dass die Schönen treu dir seien:
Ist es wohl die Schuld des Gartens,
Will dies Kräutchen nicht gedeihen?
2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[53] [55]2.

Meines Auges Halle will ich
Dir zum Neste weih'n:
Lass' in ihr dich gnädig nieder.
Denn das Haus ist dein.
Deines Maals und Flaumes Anmuth
Stahl der Weisen Herz:
Unter'm Korn und Netze birgst du
Wunderbaren Scherz.
Werde glücklich durch die Rose,
Morgen-Nachtigall!
Denn die ganze Wiese füllet
Dein verliebter Schall.
Weise meines Herzens Heilung
Deiner Lippe zu:
Den Rubin, der fröhlich machet,
Birgst im Schatze du.
Ist's als Körper dir zu nahen
Auch unmöglich mir,
Liegt als Thürstaub meine Seele
Bündig doch vor dir.
Meines Herzens Baarschaft leg' ich
Jedem Schelm nicht vor:
Nur dein Siegel und dein Zeichen
Wahrt des Schatzes Thor.
Süsser Reiter! Welcher holden
Puppe bist du gleich!
Selbst des Himmels Pferd gehorchet
Deiner Peitsche Streich.
Strauchelt schon des Himmels Gaukler,
Was soll ich erst thun
Bei den Listen, die dir Schlauem
In der Tasche ruh'n?
Selbst der Himmel eilt zum Tanze,
Wenn dein Lied erklang:
Denn Hafisens süsse Verse
Tönet dein Gesang.
3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[55] [57]3.

Es ist das Herz der Vorhang
An Seiner Liebe Thor;
Das Aug' hält seinen Reizen
Den treu'sten Spiegel vor.
Mir, der um beide Welten
Das stolze Haupt nicht neigt,
Hat Seiner Gnaden Bürde
Den Nacken tief gebeugt.
Du huldigest dem Thuba,
Des Freundes Wuchse ich:
Des Menschen Denkart richtet
Nach seinem Hochsinn sich.
Wer bin ich, um zu treten
In diesen heil'gen Ort?
Der Ostwind weilt als Pförtner
Voll heil'ger Scheu nur dort.
Ist auch mein Saum besudelt,
Was schadet's? Immerhin!
Ist eine Welt doch Zeuge
Von Seinem keuschen Sinn.
Mĕdschnūn verliess den Schauplatz;
Nun ist die Reih' an mir:
Die Reihe eines Jeden
Währt nur fünf Tage hier.
Der Liebe Reich, die Schätze,
Die frohe Lust gewährt,
Und was ich sonst besitze,
Sein Glück hat mir's bescheert.
Wenn wir uns auch geopfert
Ich und mein Herz; gleichviel!
Ist Er nur erst gerettet,
Erreichten wir das Ziel.
[57][59]
Der Schauplatz meines Auges,
Soll stets sein Bild nur sein!
Es ist ja dieser Winkel
Sein stilles Kämmerlein.
Die jugendliche Rose,
Der Schmuck der grünen Flur,
Gemahnt durch Duft und Farbe
An Seine Nähe nur.
Sieh' nicht auf äuss're Armuth;
Ist doch Hafisens Brust
Durch das Gefühl der Liebe,
Ein wahrer Schatz der Lust.
4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[59] [61]4.

Meines Willens Haupt liegt immer
Auf des hohen Freundes Schwelle:
Was mein Haupt auch möge treffen,
Seinen Willen hat's zur Quelle.
Nichts dem Freunde Gleiches sah ich,
Hielt auch, des Vergleiches wegen,
Ich die Spiegel: »Mond und Sonne«,
Dieses Freundes Wang' entgegen.
Kann der Ostwind wohl erklären,
Was mein Herz so sehr beenge,
Dass, wie bei der Knospe Blättern,
Falte sich an Falte dränge?
Nicht nur ich bin's, der hienieden
Krüge leert in vollem Zuge:
Manches Haupt in dieser Werkstatt
Ist auch Thon zu einem Kruge.
Hast du deine Ambralocken
Etwa mit dem Kamm gelüftet,
Weil die Winde Bisam hauchen,
Und die Erde Ambra düftet?
Jedes Rosenblatt der Wiese
Will ich vor dein Antlitz streuen,
Will des Bach's Zipressen alle
Deinem schlanken Wuchse weihen.
Keine Menschenzunge schildert,
Was Er weckt für Sehnsuchtsklagen:
Kann da mit beschnitt'ner Zunge
Noch das Rohr zu schwätzen wagen?
Mir in's Herz kam deine Wange:
Meinen Wunsch werd' ich erreichen,
Denn ein schöner Stand der Dinge
Folget auf ein schönes Zeichen.
Nein, Hafisens Herz durchglühet
Nicht erst jetzt die Gluth der Minne:
Maale, gleich des Feldes Tulpen,
Trägt er schon vom Urbeginne.
5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[61] [63]5.

Jenem schwärzlichen Geliebten,
Voll von aller Erdenlust,
Glüht das weingefärbte Auge,
Lacht die Lipp' und jauchzt die Brust;
Alle zuckerlipp'gen Schönen
Sind Monarchen zwar; doch er
Ist der Salomon der Zeiten,
Denn er ist des Siegels Herr;
Auf der weizenfarben Wange
Zeigt sein Moschusmaal uns klar,
Wie es kam, dass einst ein Körnchen
Der Versucher Adam's war.
Reisen will mein Herzensräuber;
Helft mir, Freunde, Gott zu Lieb'!
Denn wie heilt mein Herz, das wunde,
Da das Pflaster bei ihm blieb?
Schönheit schmückt ihn, hohe Tugend,
Und sein Saum ist makelrein:
Alle Reinen beider Welten
Müssen ihm gewogen sein.
Wer begreift die Widersprüche,
Dass mich jenes Felsenherz,
Das da Isa's Hauch besitzet,
Doch geweiht dem Todesschmerz?
Gläubig ist Hafis, d'rum halte
Ihn in Ehren immerdar;
Es geleitet ihn der Segen
Der geehrten Geisterschaar.
6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[63] [65]6.

Hoffnung heg' ich auf des Freundes
Nachsichtvolle Huld;
Sündig bin ich, doch ich hoffe,
Er vergibt die Schuld.
Ja, ich weiss es, er verzeihet
Meinem Frevelmuth.
Nicht nur schön wie Peris ist er,
Nein, auch engelgut.
Und ich weinte so, dass Jeder,
Der des Auges Nass
Fliessen sah, verwundert fragte:
»Welcher Strom ist das?«
Meinen Kopf warf ich als Spielball
Hin in deinen Gau:
Aber Gau und Spielball kannte
Wohl kein Mensch genau.
Wortlos ziehet deine Locke
Herzen mit sich fort:
Gegen diese holde Locke
Wagt man ja kein Wort.
Seit dein Lockenduft mich labte
Schwand ein Leben; doch
Im Geruchsinn meines Herzens
Weilt der Wohlduft noch.
Nichts ist jener Mund, und nimmer
Seh' ich seine Spur;
Und ein Haar ist jene Lende;
Wüsst' ich, welches nur?
Wunderbar, dass meinem Auge
Nie dein Bild entschwand,
Das mit Thränen abzuwaschen
Ich doch nie entstand.
O Hafis, dein wirrer Zustand
Ist ein böser zwar:
Gut doch ist Verwirrung, mahnet
An des Freundes Haar.
7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[65] [67]7.

Die Nacht der Kraft, von der die Frommen sprechen,
Ist sicher diese Nacht;
O Herr, was ist es für ein Stern gewesen,
Der dieses Glück gebracht?
Auf dass die Hand Unwürdiger stets bleibe
Von deiner Locke fern,
Schickt jedes Herz aus einem Lockenringe
Ein Stossgebet zum Herrn.
Todt lieg' ich in dem Brunnen deines Kinnes,
Denn überall umfing.
Wohl Hunderttausende von Seelen-Nacken
Das Doppelkinn als Ring.
Der Mond hält meinem königlichen Reiter
Den Spiegel vor's Gesicht;
Es ist der Hufstaub seines Schlachtenrosses
Der Sonnenkrone Licht;
Sieh, hell erglänzt sein Wangenschweiss; die Sonne,
Die sich so heiss bewegt,
Fühlt täglich sich, aus Lust nach diesem Schweisse,
Von Fiebergluth erregt.
Ich leiste nimmer auf des Freund's Rubine
Und auf das Glas Verzicht,
Ich halte dies – entschuldigt mich, Ihr Frommen! –
Für meine Glaubenspflicht.
Dort wo den Rücken man des Ostwind's sattelt
Bei jenem Lagertross,
Wie kann ich dort mit Salomon mich messen?
Die Ämse ist mein Ross.
Es träuft ihm aus dem Schnabel der Beredtheit
Stets Lebenswasser nur
Dem Raben meines Rohrs; er ist, beim Himmel!
Von herrlicher Natur.
Er, der mit des verstohl'nen Blickes Pfeile
Das Herz mir bluten macht,
Er spendet auch Hafisen Seelennahrung
Wenn er verstohlen lacht.
8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[67] [69]8.

Fordre von mir Trunk'nem nimmer
Bundestreu' und frommen Sinn,
Da ich seit dem Schöpfungstage
Schon berühmt als Zecher bin.
Als ich in dem Quell der Liebe
Rein zu waschen mich gestrebt,
Betete ich Sterbgebete
Über alles was da lebt.
Gib mir Wein, dass ich dir künde,
Was dem Loos ich abgelauscht,
Dir vertraue, wen ich liebe,
Wessen Wohlduft mich berauscht.
Selbst des Berges Kräfte weichen
Einer Ämse Kräften hier;
Weinverehrer, nicht verzweifle
Du an des Erbarmens Thür!
Nur der trunkenen Narcisse
– Treffe sie kein böser Blick!
Wurde unter'm Türkisdome
Ein erfreuliches Geschick.
Deinem Mund weih' ich die Seele:
Liess doch auf des Blickes Flur
Keine schön're Knospe prangen
Jener Schmücker der Natur.
Deine Liebe hat Hafisen
Salomonen gleich gestellt,
Da von deiner Gunst er leider
Wind nur in den Händen hält.
9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[69] [71]9.

Der Frömmler, der nur Äuss'rem fröhnet,
Begreifet meine Lage nicht,
Und nimmer werd' ich ihm verargen,
Was in Bezug auf mich er spricht.
Was auf dem Ordenspfad dem Wand'rer
Entgegen kömmt, das frommt ihm nur:
O Herz, auf dem geraden Pfade
Verliert man nie des Weges Spur.
Wie wird sich wohl das Spiel gestalten?
Ich rücke mit dem Bauer an:
Das Schachbrett, das dem Zecher dienet,
Ist keines König's Tummelbahn.
Was soll dies hohe Dach bedeuten,
So glatt und voll von Bildern doch?
Kein Weiser auf dem Erdenrunde
Erklärte dieses Räthsel noch.
O Herr, welch' eine Seelenruhe
Und weise Kraft ward mir bescheert!
Ich leide an geheimen Wunden,
Und jedes Ach ist mir verwehrt.
Es scheint, als ob mein Divanshälter
Nicht wüsste, was man rechnen nennt:
Die Formel: »Auf die Rechnung Gottes«
Fehlt ja auf diesem Document.
Ein Jeder, der da will, erscheine
Und spreche, wie für gut er's fand,
Denn Wächtertrotz und Pförtnerhochmuth
Sind ganz von diesem Hof verbannt.
Es trägt mein Wuchs, der ungestalte,
Der formenlose, alle Schuld:
Zu kurz sind sonst für keinen Menschen
Die Ehrenkleider deiner Huld.
[71][73]
Den Weg hin nach der Schenke Pforte
Geh'n Männer Einer Farbe nur,
Denn, wer sich selbst verkauft, den führet
Zu Weinverkäufern keine Spur.
Ich diene einem greisen Wirthe,
Dem es an Gnade nie gebricht;
Allein des Scheïch's und Frömmlers Gnade,
Bald ist sie und bald ist sie nicht.
Verschmäht' Hafis den Sitz der Ehren,
Hat er's aus Hochsinn nur gethan:
Ficht ja den zechenden Verliebten
Kein Geld und keine Würde an.
10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[73] [75]10.

Jener Bote, der mit Briefen
Von des Freundes Land gekommen
Und – als Amulet – des Freundes
Moschuszüge mitgenommen,
Gibt von des Geliebten Reizen
Mir die lieblichsten Berichte,
Und erzählt vom Ruhm des Freundes
Mir die lieblichste Geschichte.
Für die freudenvolle Kunde
Gab ich ihm das Herz, das Leben,
Schämend mich der schlechten Münze,
Die ich für den Freund gegeben.
Dank sei Gott, dass durch die Hilfe,
Die das günst'ge Loos gespendet,
Die Geschäfte meines Freundes
Ganz nach Wunsche sich gewendet!
Kann der Mond und kann der Himmel
Wohl nach eig'nem Willen kreisen?
Nein, nur nach des Freundes Willen
Wandeln sie in den Geleisen.
Wenn des Aufruhr's wilden Stürmen
Beide Welten auch erlägen,
Meines Auges Fackel strahlte
Sehnsuchtsvoll dem Freund entgegen.
Perlen-Kohol mir zu bringen,
Morgenluft! komm' ich zu bitten,
Doch er sei vom theuren Staube,
Den des Freundes Fuss durchschritten.
An der Schwelle des Geliebten
Lieg' ich flehend um Erbarmen;
Wer geniesst des süssen Schlummers,
Ruhend in des Freundes Armen?
Wenn der Feind auch von Hafisen
Drohend spricht, was kann's ihn grämen?
Darf ich doch – Gott sei gepriesen! –
Nimmer mich des Freundes schämen.
11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[75] [77]11.

Willkommen, Bote der Verliebten,
Gib von dem Freunde mir Bericht,
Und freudig leist' ich auf die Seele
Bei'm Namen meines Freund's Verzicht!
Es raset meines Herzens Psittich,
Gleich Sprossern in des Käfigs Haft:
Des Freundes Mandel und sein Zucker
Ist seine stete Leidenschaft.
Sein Haar ist einem Netze ähnlich,
Sein Maal gleicht einem Korn; und ich,
Ein Körnchen aufzupicken hoffend,
Stürzt' in das Netz des Freundes mich.
Bis zu des jüngsten Tages Morgen
Verbleibt versenkt in Trunkenheit,
Wer aus des Freundes Glas, mir ähnlich,
Genippt von aller Ewigkeit.
Von der Erklärung meiner Sehnsucht
Sprech' ich nicht das geringste Wort:
Dem Freunde würd' es Kopfweh machen,
Bestürmt' ich so ihn immer fort.
Ich neige stets mich zum Vereine,
Doch Er verfolgt der Trennung Spur:
Dem eig'nen Wunsch will ich entsagen,
Erfüllt des Freundes Wunsch sich nur.
Als Schminke reib' ich mir in's Auge
– Wenn's anders meinen Händen glückt –
Den Wegstaub, dem des Freundes Füsse
Des Adels Würde aufgedrückt.
Hafis, verbrenn' im Schmerz, und trage,
Was als unheilbar schon erscheint:
Denn Heilung gibt's nicht für die Schmerzen,
Die ruhelosen, um den Freund.
12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[77] [79]12.

Morgenwind! Wenn du vorüber
Wandelst an dem Land des Freundes,
O so bringe Ambradüfte
Von dem Lockenband des Freundes!
Ja, bei seiner Seele schwör' ich's:
Meine opf're ich zum Danke
Wenn du freundlich eine Nachricht
Bringest von der Hand des Freundes.
Ist dir aber nicht gestattet,
Einem solchen Herrn zu nahen,
O dann bring' als Augenschminke
Staub von Thür und Wand des Freundes!
Nie durft' ich, der Bettler, hoffen,
Mich mit ihm vereint zu schauen,
Ausser wenn vor mir im Schlafe
Hold das Traumbild stand des Freundes.
Einem Fichtenapfel gleichet
Dies mein Herz, und bebt gleich Weiden,
Weil ich sehnend mich zum hohen
Fichtenwuchs gewandt des Freundes.
Wenn der Freund um mich Verliebten
Selbst den kleinsten Preis nicht böte,
Wär' mir doch, selbst nicht um Welten,
Feil ein Härchenrand des Freundes.
Frommt's ihm wohl, wenn aus des Grames
Banden sich sein Herz befreiet?
Bleibt ja doch Hafis als Sclave
Und als Knecht bekannt des Freundes.
13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[79] [81]13.

Komm, denn sieh, die Burg der Hoffnung
Fusset auf gar schwachem Grunde;
Bringe Wein! den Bau des Lebens
Wirft ein Windstoss um zur Stunde.
Jenes Mannes hohem Sinne
Hab' als Sclav' ich mich verdungen,
Der von jeglicher Verbindung
Dieser Welt sich losgerungen.
Sag' ich dir's, dass, als ich gestern
Mich im Weinhaus arg betrunken,
Mir vom Geisterland ein Engel
Frohe Kunde zugewunken?
»Falke kühnen Blickes – sprach er –
Der auf dem Sĭdrē du thronest!
Nicht dein Nest ist dieser Winkel,
Den du leidend jetzt bewohnest.
Von des Himmels hoher Zinne
Hörst du laute Töne schallen:
Was – ich kann es nicht begreifen –
Machte in dies Netz dich fallen?«
Einen Rath will ich dir geben;
Merk' ihn dir, um ihn zu üben,
Denn dies Wort des alten Meisters
Ist mir stets im Sinn geblieben:
»Hoffe nicht, dass ihr Versprechen
Dir die Welt, die falsche, halte:
Eine Braut von tausend Freiern
Ist sie, diese schnöde Alte.«
Lass die Welt dich nicht betrüben,
Und gedenke meiner Worte!
Freundlich sprach zu mir ein Wand'rer,
Der durchpilgert viele Orte:
[81][83]
»Füg' dich in gescheh'ne Dinge
Heit'rer Stirn und unverdrossen,
Denn des freien Willens Pforte
Blieb so mir wie dir verschlossen.«
Treu' und Glaube fehlt der Rose,
Die da lacht durch kurze Tage;
Seufze nur, verliebter Sprosser,
Denn wohl ist hier Grund zur Klage!
Der du matte Verse schmiedest!
Was beneidest du Hafisen?
Zu gefallen und zu dichten
Ward von Gott er angewiesen.
14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[83] [85]14.

Seit deines Lockenhaares Spitze
Dem Ostwind in die Hände fiel,
Zerfiel aus Kummer in zwei Hälften
Das Herz, und litt, ach, gar so viel!
Ein Büchlein, das von Schwarzkunst handelt,
Ist dein bezaubernd' Aug' fürwahr;
Doch schlich – dies ist nicht zu bestreiten
Ein Fehler sich in's Exemplar.
Was ist das Maal, das glänzend schwarze,
Das in der Locke Häkchen blitzt?
Dem Tintenpunct ist's zu vergleichen,
Der in dem Ring des Dschimes sitzt;
Und deine moschusreiche Locke
In jener Wange Rosenbeet
Was ist sie wohl? Ein Pfau, ein stolzer,
Der sich im Paradies ergeht.
Mein Herz, o trauter Freund der Seele,
Von Lust nach deinem Duft besiegt,
Ward zum gemeinen Strassenstaube,
Der zu des Westwind's Füssen liegt.
Es hebt sich dieser Leib von Erde,
Dem Staube gleich, wohl nimmermehr
Empor von deines Dorfes Rande,
Denn ach, sein Fall war allzuschwer!
Dein Schatten wirkt auf meine Hülle,
O wunderthät'ger Isa, ein,
Wie auf die modernden Gebeine
Des Lebensgeistes Widerschein.
Ich sah den Mann, der nur die Kába
Sich sonst zum Aufenthalt erkor,
Weil deiner Lippe er gedachte,
Jetzt weilen an der Schenke Thor.
Hafisen, der sein Herz verloren,
Verknüpft mit deiner Liebe Leid
Ein Bündniss das, o theure Seele,
Besteht seit dem Beginn der Zeit.
15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[85] [87]15.

Die Rose am Busen, das Glas in der Hand,
Ein Liebchen, das willig erfreut!
Der mächtigste Sultan im herrlichsten Land
Ist wahrlich mein Sclave nur heut!
Verschont die Versammlung mit Lichtern, verschont!
Uns strahlt ja in heutiger Nacht
Die Wange des Freundes als leuchtender Mond
In schimmernder Völle und Pracht.
Stets waren die Freuden des Weines erlaubt
Nach uns'rem Gesetze; allein
Sind, Rosenzipresse, wir deiner beraubt.
So müssen verboten sie sein.
Durchwürz' nicht in uns'rer Gesellschaft die Luft!
Der Seele Geruchsinn erfüllt
In jedem Moment ja der lieblichste Duft,
Der süss aus der Locke dir quillt.
Mein Ohr neigt dem Worte der Flöte sich hin,
Und horcht, wie die Harfe verklingt;
Mein Auge blickt immer nach deinem Rubin.
Und schaut, wie den Becher man schwingt.
Vom Kandel und Zucker sprich fürder mir nicht,
So schmackhaft sie immer auch sein:
Mein sehnlichster Wunsch und mein liebstes Gericht,
Dein Mund ist's, dein süsser, allein.
Seit Kummer um dich – jener köstliche Schatz
Im öden Gemüthe mir ruht,
Sind Winkel der Schenken der einzige Platz,
Der wohnlich mir scheinet und gut.
Du sprichst von der Schande? Sie freut mich, mein Ruhm
Erwächst ja aus Schande allein.
Du frägst nach dem Ruhme? Ich hass' ihn. Warum?
Mein Ruhm bringt ja Schande mir ein.
[87][89]
Als taumelnden Zecher bekenne ich mich;
Kühn send' ich die Blicke umher:
Doch Jener, der nimmer so wäre wie ich,
Wo fände im Städtchen sich der?
O saget dem Vogte des Städtchens doch nicht,
Wie schimpflich mein Treiben mag sein:
Er leistet, mir ähnlich, ja auch nicht Verzicht
Auf immer zu trinkenden Wein.
Vom Wein und vom Liebchen getrennt, o Hafis,
Verschwinde dir nimmer ein Tag:
Nun duften Jasmine und Rosen so süss,
Auch nahte des Festes Gelag.
16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[89] [91]16.

Pinjen und Zipressen brauchet
Nimmer meines Gartens Raum:
Denn, wem wiche wohl an Höhe
Meines Buchses zarter Baum?
Sage mir, du holder Knabe,
Welchen Glauben nennst du dein?
Denn mein Blut scheint dir erlaubter
Als die Muttermilch zu sein.
Siehst von fern du düst're Bilder,
O dann hurtig Wein begehrt!
Den Erfolg erprobt' ich selber,
Und das Mittel ist bewährt.
Zieh' ich von des Wirthes Schwelle
Jemals wohl das Haupt zurück?
Wohnt in diesem Haus und Hofe
Immer doch nur Sieg und Glück.
Nichts als nur gebroch'ne Herzen
Kauft man ein auf meiner Bahn;
Auf dem Markt des Selbstverkaufens
Langt auf ander'm Weg man an.
Gestern liess Genuss Er hoffen.
Und im Kopfe spukt' ihm Wein:
Doch was spukt Ihm heut im Kopfe.
Und was wird Sein Ausspruch sein?
Stets dasselbe ist das Mährchen
»Liebesgram«; doch sonderbar,
Dass bei Keinem, der's erzählte.
Es ein wiederholtes war.
Kehre wieder, denn das Auge
Hofft auf dich in Trennungsnoth,
Wie das Ohr des Fastenhälters
Auf die Worte: »Gross ist Gott!«
[91][93]
Schilt nicht auf Schirās und Rokna,
Noch auf jenen Abendwind,
Sie, die Wasser auf der Wange
Aller sieben Länder sind.
Welch ein Abstand! Chiser's Wasser
Fliesset in des Dunkels Schoos,
Und der Urquell meines Wassers
Sind die Worte: »Gott ist gross!«
Von dem Ruhm zufried'ner Armuth
Zieh' ich nimmer mich zurück;
Sprich zum Kaiser: »Für die Nahrung
Sorgt ein gütiges Geschick.«
Welch ein frisches Kandelbäumchen
Ist dein Schreibrohr, o Hafis!
Ist doch Honig selbst und Zucker
Nicht wie seine Früchte süss.
17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[93] [95]17.

Eine Flur ist, ewig grünend,
Was Derwischen-Zelle heisst:
Ehrensummen sind die Dienste,
Die Derwischen man erweist;
Und der Schatz in öden Gründen
Mit dem Wundertalisman
Wird gehoben, blickt erbarmend
Der Derwische Aug' ihn an.
Das, wovor die hehre Sonne
Ihres Stolzes Krone neigt,
Ist die Grösse, die sich herrlich
Im Derwischen – Prunke zeigt.
Auf das Himmelsschloss, gehütet
Von Riswan, kann hin man seh'n
Von der freudenvollen Wiese,
Wo Derwische sich ergeh'n.
Was in Gold die schwarzen Herzen
Durch sein Strahlenlicht verkehrt,
Alchimie ist's, die im Umgang
Mit Derwischen sich bewährt.
Und von einem Pol zum andern
Wüthet stets des Unrechts Krieg,
Doch vom Urbeginn zum Ende
Bleibt Derwischen stets der Sieg;
Und die Macht, die nie des Sturzes
Bange Sorge hat ereilt,
Eine Macht ist's – hör' es freudig –
Die nur bei Derwischen weilt.
Die Chosrewe sind die Kibla
Jeder Bitte, jeder Noth:
Steh'n sie doch als treue Diener
Den Derwischen zu Gebot.
[95][97]
Lass den eitlen Hochmuth fahren,
Du, der Erdengüter fand,
Denn dein Haupt und Gold beschützet
Doch nur der Derwische Hand.
Doch Kărūn's versunk'nen Schätzen
Hatte zürnend Gott geflucht:
Und warum? du hast's gelesen:
Aus Derwischen-Eifersucht.
Jenes Antlitz theurer Wünsche,
Worum selbst Monarchen fleh'n,
Ist nur im Gestaltenspiegel
Der Derwische zu erspäh'n.
Was der Blick Ăssāf's befohlen,
Dem gehorch' ich Sclave leicht,
Weil er äusserlich Gebietern,
Innerlich Derwischen gleicht.
Wünschest du, Hafis, zu treffen
Auf des Lebenswassers Spur?
Es entquillt dem Staub der Thüren
An Derwischen-Zellen nur.
Sei, Hafis, hier fein bescheiden,
Denn, was Länderherrschaft heisst,
Stammt allein nur von den Diensten,
Die Derwischen man erweist.
18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[97] [99]18.

Es kam mein Freund in's Maghen-Kloster
– In seiner Hand war ein Pocal –
Von Wein berauscht, so wie die Zecher
Von seiner trunk'nen Augen Strahl;
Am Hufe seines Rosses glänzte
Ein neuer Mond im hellsten Schein,
Und selbst die hohe Pinje schrumpfte
Vor seinem schlanken Wuchse ein.
Was sag' ich denn, ich sei bei Sinnen,
Wenn ich's im Grunde doch nicht bin?
Wie sag' ich denn, ich schau' ihn nimmer?
Blickt doch mein Auge nur auf ihn.
Der Freunde Herzenslicht verlöschte,
Erhob er sich vom Sitz; doch jetzt
Erhebt ein Schrei sich der Verliebten,
Wenn er sich wieder niedersetzt.
Der Bisam hauchet süsse Düfte,
Denn er berührte ja sein Lockenhaar;
Die Brauenschminke wird zum Schützen,
Denn sie umzog sein Brauenpaar.
O kehre heim! dann kehret wieder
Das Leben, das Hafisen schwand,
Wenn gleich der Pfeil nicht wiederkehret,
Der einem Bogen ward entsandt.
19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[99] [101]19.

Nicht umsonst ist jener Schlummer
Deines schlauen Augenpaar's;
Nicht umsonst ist jener Schimmer
Deines wirren Lockenhaar's.
Noch floss Milch von deiner Lippe,
Und schon sagte ich wie heut:
»Nicht umsonst ist dieser Zucker
Um dein Salzgefäss gestreut.«
Eine Quelle ew'gen Lebens
Ist dein Mund; doch ist bekannt,
Deines Kinnes Brunnen liege
Nicht umsonst an ihrem Rand.
Freue dich des längsten Lebens!
Weiss ich doch für meinen Theil,
Nicht umsonst sei an den Bogen
Angelegt dein Wimpernpfeil.
Bist in Gram und Leid verfallen
Und in herben Trennungsschmerz:
Nicht umsonst ist deine Klage
Und dein Wehgeschrei, o Herz!
Gestern weht' am Rosenhaine
Seines Dorfes Luft vorbei:
Nicht umsonst reisst du, o Rose,
Dir den Kragen nun entzwei.
Birgt das Herz auch vor den Leuten,
Was die Lieb' es leiden liess,
Nicht umsonst doch ist dies Weinen
Deines Auges, o Hafis!
20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[101] [103]20.

Geh' und sorge um dich selber,
Prediger! was sprichst du? sprich!
Zwar mein Herz hat sich verwirret,
Aber was beirrt das dich?
Des Geliebten zarte Mitte
Schuf aus Nichts des Schöpfers Hand,
Als ein Räthsel, das zu lösen
Kein Geschöpf sich unterstand.
Bettler Deines Dorfes tragen
Die acht Himmel in der Brust;
Sclaven deiner Bande leben
Frei von beider Welten Lust.
Zwar mich gab der Rausch der Liebe
Der Verwüstung Preis; allein
Meines Lebens Bau erstehet
Nur durch dies Verwüstetsein.
Herz, bejamm're nicht die Härte
Deines Freundes, denn der Freund
Hat dir dieses nur beschieden,
Was denn auch gerecht erscheint:
Bis sein Mund mir meinen Gaumen
Nicht berührt, gleich einem Rohr,
Ist der Rath der ganzen Erde
Eitel Wind nur meinem Ohr.
Geh', Hafis, lies keine Mährchen,
Keine Zauberformeln mehr:
Diese Mährchen, diese Formeln
Kenn' ich leider allzusehr.
21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[103] [105]21.

Es ist die Lippe meines Freundes
Ein feuchter, blutiger Rubin,
Und freudig gebe ich die Seele,
Bloss um ihn zu erblicken hin.
Vor jenem schwarzen Auge schäme
Und vor den langen Wimpern sich,
Wer schaute, wie er Herzen raubet
Und es gewagt, zu schmähen mich.
O Führer der Kameele, schaffe
Nicht mein Gepäck zum Thor hinaus!
Am Königswege liegt ein Dörfchen,
Und dort steht meines Liebsten Haus.
Ich bin des eig'nen Schicksals Sclave,
Denn jetzt, wo Noth an Treue ist,
Ist's jenes trunk'nen Luli's Liebe
Die mich zu kaufen sich entschliesst.
Die würz'ge Scheibe einer Rose,
So wie ihr Kelch, der Ambra streut,
Enthalten Theilchen nur des Duftes,
Den mein Gewürzverkäufer beut.
O Gärtner, treibe gleich dem Weste
Nicht aus dem Gartenthore mich!
Denn deinen Rosenhain bewäss're
Mit Thränen, gleich Granaten, ich.
Nur Kandelsaft und Rosenwasser,
Die meines Freundes Lipp' enthält,
Ward mir von seinem Aug' verschrieben,
Das sich mein Herz zum Arzt bestellt.
In lieblicher Ghaselen – Dichtung
Genoss Hafis den Unterricht
Des Freund's, der süsse Reden führet,
Und wunderselt'ne Dinge spricht.
22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[105] [107]22.

Lang schon ist's, dass Leidenschaft für Götzen
Mir als Glaube wohnt in stiller Brust;
Doch dem sorgenvollen Herzen schaffet
Diese Sorge Freude nur und Lust.
Will man deines Mund's Rubin erblicken,
Braucht's ein Aug', das Seelen schauen kann;
Aber hebt mein weltbeschauend' Auge
Sich zu dieser Stufe wohl hinan?
Sei mir Freund: denn aller Schmuck des Himmels,
Alle Zier der irdischen Natur
Liegt im Monde deines Angesichtes
Und der Plejas meiner Thränen nur!
Seit die Liebe, die ich dir geschworen,
Mich gelehrt der Dichtkunst edles Wort,
Leben Lob und Beifall, mir gespendet,
In des Volkes Zunge immer fort.
Lass, o Gott, des Glückes mich geniessen,
Das allein die Dürftigkeit verleiht:
Denn nur diese Gabe ist die Quelle
Meiner Macht und meiner Herrlichkeit!
Sag' dem Pred'ger, der den Stadtvogt kennt:
»Wolle doch so dünkelhaft nicht sein!
Denn das Haus, worin der Sultan wohnt,
Ist ja doch mein armes Herz allein.«
Wessen Schauplatz, Herr, ist diese Kába,
Die der Zielpunkt aller Wünsche ist?
Ist für mich doch Rose und Narcisse
Jeder Dorn, der ihrer Bahn entspriesst;
Doch dein Bild, wer hat es unterrichtet
In der Kunst zu schiffen durch ein Meer?
Meine Thräne, die der Plejas gleichet
Und als Leitstern wandelt vor mir her.
Sprich, Hafis, von jenem Prunke nimmer,
Den das Loos beschieden dem Pĕrwīs;
Seine Lippe trinkt ja nur die Hefe,
Die Chŏsrēw, mein Süsser, übrig liess.
23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[107] [109]23.

Ich bin es, dem der Schenke Winkel
Ein Haus des Gottesdienstes scheint,
Und der im Gruss des alten Wirthes
Ein Frühgebet zu hören meint
Lass' ich auch nimmermehr erklingen
Der Morgenharfe süssen Ton,
Das Lied, das ich des Morgens singe,
Entschuldigt mich genugsam schon.
Mich kümmern Kaiser nicht und Bettler,
Und dankbar preis' ich Gott dafür;
Mein Kaiser aber ist, wer bettelt
Im Staub an meines Freundes Thür.
Im Gotteshaus und in der Schenke
Bezweck' ich nur Verein mit dir:
Dies ist mein einziger Gedanke,
Und Gott bezeugt dies selber mir.
Dein Bettler will ich lieber heissen,
Als Herrscher über Völker sein,
Denn all' mein Ruhm und meine Ehre
Ist deine Härte nur allein.
Seit mein Gesicht an diese Schwelle
Ich hinzulegen mich gewohnt,
Steht mein Palast bei weitem höher,
Als jener, wo die Sonne thront.
Nur wenn mir einst das Schwert des Todes
Mein Zelt zerstört, sonst aber nicht,
Verlasse ich des Glückes Pforte,
Wo mich Gewohnheit hält und Pflicht.
Hafis! Zwar liegt die Sünde nimmer
In uns'rer freien Wahl; allein
Du magst den Pfad der Tugend wandeln,
Die Sünde lass mein eigen sein!
24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[109] [111]24.

Erblühet ist die rothe Rose,
Der Sprosser scheint berauscht zu sein;
Die Ihr den Wein verehrt, o Ssofis!
Man lädt zur Trunkenheit Euch ein.
Der Reue Bau, von dem's geschienen,
Dass er so fest wie Marmor sei,
O sieh, ihn schlug auf selt'ne Weise
Ein gläserner Pocal entzwei!
Nun bringe mir den Saft der Rebe,
Denn gleich ist an des Hochmuth's Thron
Des Pfortenwächters, des Monarchen,
Des Nüchternen und Trunk'nen Lohn.
Verlassen müssen endlich Alle
Dies Gasthaus mit dem Doppelthor,
Mag niedrig sein des Lebens Halle,
Und mag sie ragen hoch empor.
Die Freude ist ein Ziel, das nimmer
Sich ohne Leid erreichen lässt:
Ja, an den Spruch des Unglück's knüpfte
Den ew'gen Herrschaftsbund man fest.
Nicht kümm're dich um Tod und Leben,
Und wahre dir den heiter'n Sinn:
Denn das Vollendetste hienieden
Rafft endlich doch der Tod dahin.
Die Pracht Ăssāf's, der Gaul des Windes,
Der Vögelsprache Wissenschaft,
Der Wind hat sie verweht; sie haben
Dem Eigner Nutzen nicht geschafft.
Entfern' dich nicht zu rasch vom Pfade.
Und spiegle an dem Pfeile dich:
Ein Weilchen schwirrt er in den Lüften,
Und setzt dann auf die Erde sich.
Hafis, die Zunge deines Rohres,
Wie gibt dafür den Dank sie kund,
Dass man die Worte ihrer Lieder
Geschäftig trägt von Mund zu Mund?
25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[111] [113]25.

Mit zerwühltem Haar, vom Schweisse triefend,
Freundlich lächelnd und vom Wein entbrannt,
Mit zerriss'nem Hemd, Ghaselen singend
Und die volle Flasche in der Hand;
Mit Narcissen, die nach Streit sich sehnen,
Und mit Lippen, reich an Zaubermacht,
Kam und setzte gestern an mein Lager
Er sich hin, in stiller Mitternacht;
Und er bog sein Haupt zu meinem Ohre,
Und dann sprach er mit betrübtem Ton:
»Du mein alter, zärtlicher Verehrer!
Übermannte dich der Schlummer schon?«
Reicht man nun, und zwar bei nächt'ger Weile,
Einem Weisen einen solchen Wein,
Wird er zum Verräther an der Liebe,
Wollt' er nicht ein Weinverehrer sein.
Frömmler, geh' und spotte Jener nimmer,
Die als Hefetrinker sich bewährt:
Ward uns ja am Tag' des Herrschaftsbundes
Diese einz'ge Gabe nur bescheert!
Und was Er uns in das Glas gegossen
Sogen wir mit gier'gen Zügen ein,
War's nun edler Wein des Paradieses
Oder war's berauschter Säufer Wein.
Des gefüllten Weinpocales Lächeln
Und der Schönen holdverschlung'nes Haar
Hat so manche Reue schon gebrochen,
Die Hafisens Reue ähnlich war.
26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[113] [115]26.

Seine Locke knüpfte tausend Herzen
Aa ein einz'ges ihrer Härchen an,
Und versperrte Tausenden von Mittlern
Von vier Seiten die gesuchte Bahn.
Dass in Hoffnung eines Duftes Alle
Ihm die Seele opfern für und für,
Hat den Moschusnabel Er erschlossen,
Und verriegelt jedes Wunsches Thür.
Liebeswahnsinn hat mich überfallen,
Weil, dem Neumond gleich, mein holdes Bild
Seine Braue zeigend, freundlich koste,
Doch sein Antlitz stets verborgen hielt.
Durch so manche Listen hat der Schenke
Mir den Becher voll mit Wein gemacht:
Sieh doch nur die lieblichen Gebilde,
Die er auf dem Kürbis angebracht!
Welch' Geheimniss hat, o Herr, die Flasche
Ausgeplaudert mit geschwätz'gem Mund,
Dass das Blut des Kruges beim Gegurgel
Nun zur Strafe stockt in ihrem Schlund?
Und was ist es für ein Lied gewesen,
Das des Sängers holdem Mund entfloss,
Und verzückten Männern, bei dem Reigen,
Selbst das Thor des Hai und Hu verschloss?
Der Gescheite, der die Gaukelspiele
Dieses Rad's nie aus dem Aug' verlor,
Zog zurück sich von dem Marktgetümmel,
Und verschloss sich selbst der Rede Thor.
Wer, Hafis, nicht Liebe hat empfunden,
Und doch immer vom Genusse träumt,
Hat des Herzens Kába zwar umpilgert,
Doch zuvor der Waschung Pflicht versäumt.
27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[115] [117]27.

Als Gott geformet deine Augenbrauen
Zur Wonne jeder Brust,
Band er an deine holden Liebesblicke
Auch meine eig'ne Lust.
Es gab das Schicksal mich und die Zipresse
Dem Strassenstaube Preis,
Seit es den Stoff gewebt zu deinem Kleide,
Wie die Narcisse weiss.
Der Abendwind, nach Rosen duftend, löste
Der Knospe so wie mir
Wohl hundert Knoten, als mein Herz er knüpfte
An Leidenschaft zu dir.
Wenn auch des Schicksal's Rad in deinen Banden
Zufrieden sein mich lässt,
Doch ach, was frommt's? es band des Fadens Ende
An deinen Willen fest.
Mach' doch mein Herz, dem Moschusnabel ähnlich,
Nicht gar so knotenvoll:
Denn einen Bund mit deiner Locke schloss es,
Die Knoten lösen soll.
Du warst dereinst, o Westwind des Vereines,
Ein zweites Leben mir!
Es hat mein Herz gehofft auf deine Treue,
Sieh, und ward irr an dir!
Ich sprach: »Du bist so hart, dass ich für immer
Die Stadt verlassen muss.«
Und lächelnd sprach Er: »Nun, Hafis, so gehe
Mit fest gebund'nem Fuss!«
28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[117] [119]28.

Ein Weggefährte, der bei diesen Zeiten
Vom Treubruch wäre rein,
Kann, nebst der Flasche, voll von laut'rem Weine,
Das Liederbuch nur sein.
Entkleidet wandle, denn der Pass des Heiles
Ist gar so eng und schmal;
Das Glas ergreife, denn das theure Leben
Kehrt nicht zum zweiten Mal.
Nicht ich nur bin es, den auf dieser Erde
Unthätigkeit betrübt;
Auch die Gelehrten trauern, dass ihr Wissen
Sich nicht in Thaten übt.
Das Auge des Verstand's, auf diesem Pfade,
Wo Zwist nur herrscht und Streit,
Sieht in der Welt und ihrem eitlen Treiben
Nur Unbeständigkeit.
Gar viele Hoffnung nährte ich im Herzen,
Dir liebend einst zu nah'n:
Allein der Tod, der Hoffnung Wegelag'rer,
Droht auf der Lebensbahn.
Ergreif' die Locke eines Mondgesichtes,
Und sage nimmermehr,
Es stamme Glück und Unglück von der Venus
Und vom Saturn nur her.
Nie trifft man ihn, wie auch die Zeit sich wende,
Im Stand der Nüchternheit,
So dass es scheinet, mein Hafis sei trunken
Vom Wein der Ewigkeit.
29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[119] [121]29.

Schwebt mir dein Bild vor Augen,
Was kümmert mich der Wein?
Das Weinfass sei verspündet:
Stürzt' ja der Keller ein.
Fort, selbst mit Eden's Weine,
Da mir, getrennt vom Freund,
Das süsseste Getränke
Ein Marterquell nur scheint!
Weh', es entfloh der Holde!
Im Aug', mit Nass gefüllt,
Blieb, hingemalt auf Wasser,
Nur seines Flaumes Bild.
Erwache, du mein Auge!
Wer ist denn sicher, ach,
Vor diesem Schwall des Stromes,
In diesem Schlafgemach?
Enthüllt geht die Geliebte
An mir vorbei; allein
Sie sieht die Nebenbuhler,
Und hüllt sich wieder ein.
Die Rose, dich erblickend,
Bedeckt mit zartem Schweiss,
Taucht sich in Rosenwasser;
Denn Neid macht ihr gar heiss.
Aus meines Hirnes Winkel
Ist guter Rath verpönt,
Da nur von Harf' und Laute
Dies Kämmerlein ertönt.
Was ist doch deine Strasse
Für eine grosse Bahn!
Ein Bläschen ist dagegen
Des Himmels Ocean.
[121][123]
Schon grünen Berg' und Thäler:
Komm' an des Wassers Rain!
Ist doch die ganze Erde
Nur eitler Wasserschein.
Du hältst im Herzenssaale
Wohl hundert Lichter wach,
Und doch bist du, o Wunder!
Verschleiert hundertfach.
Es tanzt, von dir geschieden,
O du, mein Herzenslicht!
Das Herz am Rand des Feuers,
Wie selbst ein Braten nicht.
Nun ja, Hafis erwählte
Wein, Lieb' und Augenspiel:
Verfolgt ja doch die Jugend
Ein wunderbares Ziel.
30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[123] [125]30.

Nun auf der flachen Hand die Rose
Den Becher klaren Weines schwingt,
Und laut, mit hunderttausend Zungen,
Der Sprosser ihre Reize singt,
Nun ford're du das Buch der Lieder,
Und schlag' des Feldes Strasse ein;
Ist's keine Zeit doch für die Schule
Und für gelehrte Zänkerei'n.
Entsag' dem Umgang mit den Menschen
Und am Ănkā nur spiegle dich:
Denn Ruf und Name, frommer Klausner,
Erstreckt vom Kaf bis zum Kafe sich.
Der Schulregent war gestern trunken,
Und hat den Richterspruch gefällt:
Wein sei verboten zwar, doch besser
Als ungerechtes Stiftungsgeld.
Dir ziemt es nimmer, zu entscheiden,
Ob trüb sei oder klar der Wein:
Denn was der Schenke uns credenzte,
Entquoll ja seiner Huld allein.
Es sind die Männer, die da streiten
Mit mir um gleichen Ehrensold,
Dem Flechter gleich, der seine Matten
Für ein Gewebe hielt aus Gold.
Hafis, verstumme und bewahre
Dein Lied, wie Gold, weil in der Stadt
Falschmünzer wohnen, deren Jeder
Gar eine Wechselstube hat.
31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[125] [127]31.

Wenn du freundlich mich berufest,
Üb'st du grosse Huld an mir;
Wenn du zornig mich entlässest,
Grollt mein Herz doch nimmer dir.
Dich in meinem Buch zu schildern,
Liegt gar fern die Möglichkeit:
Liegt doch von der Schild'rungsgrenze
Deine Schild'rung allzu weit.
Schauen kann das Aug' der Liebe
Meines Lieblings Angesicht:
Denn vom Kafe bis zum Kafe
Reicht der schönen Bilder Licht.
Von des holden Wangen-Koran
Lies ein einz'ges Verslein nur:
Schwinden macht's, als Exegese,
Jeder dunkeln Stelle Spur.
Störrig wie Zipressen bist du,
Marmorherz'ger Freund, mit mir,
Und erlaubst so vielen Augen
Ringsherum zu ruh'n auf dir.
Du, der Himmelskost geniesset,
Und dem Keiner gleich sich schätzt,
Fühl'st gewiss in's Fegefeuer
Dich durch dies mein Wort versetzt.
Wenn der Gegner wähnt, im Liede
Habe er Hafis erreicht,
Ist er jener Schwalbe ähnlich,
Die sich dem Hŭmā vergleicht.
32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[127] [129]32.

Wer die Einsamkeit erkoren,
Braucht der noch herum zu schau'n?
Wer des Freundes Dorf bewohnet,
Braucht der Felder oder Au'n?
Seele, bei dem hohen Gotte,
Dessen du bedürftig bist,
Frag' am Ende doch ein wenig
Was denn mir Bedürfniss ist?
Zwar ich lebe stets in Nöthen,
Doch es bettelt nicht der Mund;
Thut es Noth, dass man dem Edlen
Seine Wünsche thue kund?
Was bedarf es erst der Gründe,
Sinnest du auf meinen Tod?
Dein ist alles was ich habe,
Thut da noch das Plündern Noth?
Jenem Glas, das Welten zeiget,
Gleicht des Freundes lichtes Herz:
Thut es Noth, ihm erst zu künden
Eig'ne Noth und eig'nen Schmerz?
Jene Zeit, wo mich des Schiffers
Vorwurf drückte, sie entschwand:
Braucht man wohl in's Meer zu tauchen,
Wenn man schon die Perle fand?
Freundes Lippe, die beseelet,
Kennt ja ihre Pflichten, doch
Gegen dich, verliebter Bettler,
Braucht es da des Drängens noch?
Schönheitskaiser! Es verbrannte
Liebe mich; ich schwor's zu Gott!
Darum frage doch am Ende,
Was dem Bettler thue Noth.
[129][131]
Gegner, wandle deine Wege!
Nichts zu thun hab' ich mit dir;
Meine Freunde sind zugegen,
Braucht es wohl der Feinde hier?
Siegle, o Hafis, die Rede!
Tugend tritt von selbst an's Licht
Und des Streitens und des Rechtens
Mit dem Gegner braucht es nicht.
33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[131] [133]33.

Wonne beut des Gartens weiter Schoos,
Und gar schön ist freundliches Gekose.
Schön sei immerdar das Loos der Rose,
Schön ja ist durch sie der Trinker Loos.
Der Geruchsinn meiner Seele ward
Schön erquickt durch stäte Morgenlüfte;
Ja, fürwahr, das Hauchen süsser Düfte
Der Verliebten ist gar schön und zart.
Noch verhüllt der Schleier sie, und schon
Ist die Rose im Begriff zu scheiden.
Klage, holder Sprosser, deine Leiden!
Schön ja klingt der wunden Herzen Ton.
Heil dem Vogel, der da singt bei Nacht!
Denn gar schön dünkt's, auf dem Pfad der Liebe
Einen Freund, wenn man die Sehnsuchtstriebe
Klagend äussert und die Nacht durchwacht.
Von der freien Lilje Zunge schlägt
Mir dies Wort an's Ohr mit leisem Schalle:
»Hier in dieser alten Klosterhalle
Lebt nur schön, wer leichte Lasten trägt.«
Stäte Lust hat's noch in keiner Brust
Auf dem Markte dieser Welt gegeben;
Aber schön ist eines Zechers Leben,
Und der Kühne nur geniesst der Lust.
O Hafis! Entsagung dieser Welt
Ist die Strasse zu des Herzens Frieden:
Wähne nicht, es lebe schön hienieden,
Wer die Welt in mächt'gen Händen hält.
34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[133] [135]34.

Herr! aus wessen Köschke schimmert
Dieser Herzensfackel Schein?
Sie entflammte meine Seele:
Wessen Liebchen mag sie sein?
Es zerstört mir jetzt den Glauben
Und das Herz vom Grunde aus,
Denke ich, wer sie umarmet,
Und mit ihr bewohnt Ein Haus?
Der Rubinwein ihrer Lippe,
(Sei er nie der meinen fern!)
Wen beseelt er, und mit wessen
Glas verbündet er sich gern?
Jeder sucht sie zu bezaubern,
Doch noch wurde nicht bekannt,
Wer es sei, zu dessen Mährchen
Sie ihr zartes Herz gewandt?
Jener Fürst mit Mondeswangen
Und der Venusstirn, o Herr,
Wessen kostbareinz'ge Perle,
Wessen Edelstein ist er?
Glück strahlt jenes Licht auf Jeden,
Der in seiner Nähe weilt:
Aber fragt um Gotteswillen,
Wer dazu ihm Macht ertheilt?
»Weh Hafisens Narrenherzen
– Sprach ich – lässt du es allein!«
Und verstohlen lachend sprach er:
»Wessen Narr mag der wohl sein?«
35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[135] [137]35.

Zwar ist's nicht schicklich, vor dem Freund
Sein Wissen auszukramen:
D'rum schweigt die Zunge; doch der Mund
Ist voll arab'scher Namen.
Die Peri birgt sich, und der Diw
Lässt Liebesblicke schweifen;
Es kann der staunende Verstand
Dies Wunder nicht begreifen.
Wenn das Geschick für Nied're sorgt,
So frage nicht: wesswegen?
Ist doch im Mangel eines Grund's
Der Grund davon gelegen.
Wer Rosen pflückt auf dieser Flur,
Wird auch den Dorn empfinden,
Wie sich im Lichte Mŭstăfā's
Bŭlĕhēb's Funken finden.
Kein halbes Körnchen gebe ich
Für alle Stiftgebäude:
Die Bank ist mein Palast, der Krug
Mein Sommerhaus der Freude.
Der Rebentochter Schönheit hat
Mein Aug' mit Licht erfüllet,
Sie, die sich, wie das Aug', in Glas
Und zarte Häutchen hüllet;
Sie ist's, die Freudengeberin,
Die jetzt den Schmerz dir heilet,
Sie, die in China's Weingefäss
Und Haleb's Flasche weilet.
Ich hatte tausendfach Verstand
Und Sittlichkeit, o Lehrer!
Nun lad' ich ein zum Gegentheil.
Als trunk'ner Weinverehrer.
Bring' Wein, weil ich, Hafisen gleich,
Ihn stets um Stärkung bitte,
Durch Thränen in der Morgenzeit
Und in der Nächte Mitte.
36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[137] [139]36.

Gibt's Schön'res als des Umgang's Wonne
Zur Frühlingszeit im Gartenhain?
Doch sage, wo verweilt der Schenke?
Was mag der Grund des Zauderns sein?
Die frohe Zeit, die sich dir bietet,
Als gute Beute sieh sie an,
Weil doch kein Sterblicher hienieden
Der Dinge End' ergründen kann.
Das Leben hängt an Einem Haare,
D'rum mache Klugheit dir zur Pflicht;
Bis du dein eig'ner Freund geblieben,
Dann kümm're dich das Schicksal nicht.
Der wahre Sinn vom Lebenswasser
Und von Ĭrēm's gepries'nem Hain,
Liegt nur im Ufer eines Baches
Und nur im angenehmen Wein.
Der Mässige und der Berauschte
Gehören einem Stamme an;
Zu welchem soll mein Herz sich wenden?
Was wähle ich für eine Bahn?
Es kennt nicht, was der Vorhang berge,
Wer unter'm Himmelszelte lebt:
Schweig', Gegner! Willst mit dem du streiten,
Der diesen Vorhang senkt und hebt?
Im Falle Nachsicht nicht bestände
Mit eines Dieners Sünd' und Schuld,
Was wäre dann der Sinn der Worte:
»Verzeihung und barmherz'ge Huld?«
Den Quell Kjĕwsēr wünscht sich der Frömmler,
Hafis, ein Glas gefüllt mit Wein:
Was wohl inmitten beider Wünsche
Der Wunsch des Schöpfers möchte sein?
37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[139] [141]37.

Mein Mond verliess die Stadt in dieser Woche:
Mir scheint's ein Jahr zu sein;
Du aber kennst die Pein der Trennung nimmer,
Die harte Trennungspein.
Der Augenstern sah auf des Freundes Wange,
Erhellt vom Anmuthsstrahl,
Nur seinen eig'nen Widerschein, und meinte,
Es sei ein Moschusmaal;
Noch träufelt Muttermilch von seiner Lippe,
Die süss wie Zucker schmeckt,
Wenn jede Wimper schon, beim holden Blicke,
Mit grausem Morde schreckt.
O du, auf den die Stadt mit Fingern zeiget,
Weil du so edel bist!
Ach, dass du doch so sonderbarer Weise
Der Fremdlinge vergisst!
Nicht mehr bezweifl' ich nun, was man erzählet
Zu des Carfunkels Preis:
Ist doch dein Mund für jene zarte Sage
Der lieblichste Beweis.
Man gab die frohe Kunde mir, du würdest
An mir vorüberzieh'n;
O änd're doch den guten Vorsatz nimmer:
Er weist auf Segen hin.
Wie trägt den Berg des Kummers deiner Trennung
Durch irgend eine List
Hafis, der Kranke, dessen Leib vor Klagen
Dünn wie ein Schilfrohr ist?
38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[141] [143]38.

Wenn auch der Wein das Herz erfreut,
Und Winde Rosen streuen,
So trink' doch nicht bei'm Harfenklang:
Der Vogt liess' dich's bereuen.
Kömmt eine Flasche und ein Freund
Zu Händen dir, dann wage
Wein zu geniessen mit Verstand:
Denn böse sind die Tage.
In den geflickten Ärmel lass
Den Becher heimlich gleiten:
Blutrünstig wie der Flasche Aug'
Erweisen sich die Zeiten.
Die Thräne wäscht die Flecken Wein's
Mir aus der Kutte Falten;
Ist doch die Jahrszeit wieder da
Zum Fasten und Enthalten.
Als blutgetränktes Sieb erscheint
Der Himmel dort, der hohe,
Und seine Spreu, die Häupter sind's,
Die Kronen der Chosroë.
Erwarte reine Lebenslust
Nicht von des Himmels Truge:
Mit Hefe ist der klare Wein
Vermengt in diesem Kruge.
Ĭrāk und Fars erkennt in dir,
Hafis, die Dichterweihe;
Komm, denn für Bagdad und Tĕbrĭs
Kam nun die Zeit und Reihe.
39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[143] [145]39.

Klage, Sprosser! schenkst du anders
Deine Freundschaft mir;
Klage ziemt uns, denn ein Pärchen
Liebender sind wir.
Wo ein Duft aus Freundeslocken
Wehet durch den Hain,
Kann da von tatar'schem Moschus
Noch die Rede sein?
Bringe Wein, auf dass wir färben
Der Verstellung Kleid!
Stolz berauscht uns, und man rühmet
Uns're Nüchternheit.
Deiner Locke Bild zu denken
Fällt dem Blöden schwer:
Denn es wandelt ja in Ketten
Nur der Schelm einher.
Eine tief verborg'ne Anmuth
Weckt der Liebe Traum,
Nicht ein Mund, roth wie Rubine,
Nicht ein grüner Flaum.
Schönheit liegt wohl nicht im Auge,
Nicht im Maal und Haar,
Nein, in tausend zarten Dingen,
Die die Huld gebar.
Nicht die Hälfte eines Körnchens
Gibt der Kālĕndēr
Für das Atlaskleid des Mannes,
Ist er tugendleer.
Bis zu deiner Schwelle dringet
Man nur mühsam vor:
Ja, zum Himmel ird'scher Grösse
Klimmt man schwer empor.
[145][147]
Morgens sah ich mich im Schlummer
Hochbeglückt durch Ihn;
Schöner Schlummer, jedem Wachen
Bist du vorzuzieh'n!
Was ich durch den Freund gelitten,
Ging zu End'; allein
Der Beginn der Kälte – fürcht' ich –
Wird dies Ende sein.
Quäl' Ihn nicht durch stäte Klagen,
O Hafis, und ende sie:
Ew'ge Freiheit hat errungen,
Wer die Menschen quälte nie.
40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[147] [149]40.

Schilt die Zecher nicht, o Frömmler,
Der du schuldlos bist und rein!
Schreibt man doch die Sünden And'rer
Nimmer in dein Schuldbuch ein.
Mag ich gut sein oder böse,
Wandle ruhig deinen Pfad!
Denn am Ende erntet Jeder
Nur die Frucht der eig'nen Saat.
Raube mir die Hoffnung nimmer
Auf die ew'ge Gnade! Ei,
Weisst du denn, wer hinter'm Vorhang
Reizend oder hässlich sei?
Nach dem Freunde sehnt sich Jeder,
Leb' er nüchtern, trink' er Wein;
Liebe haust an jeder Stätte,
Mag's Moschee, mag's Kirche sein.
Bin ich doch der Einz'ge nimmer,
Der der Tugend Haus verliess:
Fahren liess ja auch mein Vater
Einst das ew'ge Paradies;
Und mein Haupt ruht voll Ergebung
Auf des Schenkenthores Stein:
Fasst's der Gegner nicht, so schlage
Ihm ein Stein den Schädel ein!
Schön zwar ist des Himmels Garten,
Doch geniess' – ich rath' es dir –
Auch des Weidenbaumes Schatten
Und des Rain's der Felder hier.
Stütze dich auf Werke nimmer!
Weisst du was am ew'gen Tag
Gottes Rohr zu deinem Namen
Hingeschrieben haben mag?
[149][151]
Nimmst, Hafis, am Todestage
Du ein Glas in deine Hand,
Trägt man aus dem Dorf der Schenke
Stracks dich hin nach Eden's Land.
Folg'st du immer diesem Brauche,
Lob' ich diesen guten Brauch;
Folg'st du dieser Sitte immer,
Lob' ich diese Sitte auch.
41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[151] [153]41.

Nun der Westwind aus dem Garten
Wehet wie aus Himmelshöh'n,
Labt mich Wein, der Freudenschenker,
Und ein Freund wie Huris schön.
Wesshalb dünke sich der Bettler
Heute nicht ein Fürst zu sein?
Sein Gezelt heisst Wolkenschatten,
Und sein Prunksaal – Saatenrain.
Es erzählt die grüne Wiese
Mährchen von des Frühlings Fest;
Thöricht ist, wer Hoffnung kaufet
Und Gewisses fahren lässt.
Lass' den Wein das Herz erbauen,
Denn zu Ziegeln will die Welt
Meinen Moderstaub benützen,
Sie, die ganz in Trümmer fällt.
Ford're Treue nicht vom Feinde,
Weil's nie Licht verbreiten kann:
Zündest du die Zellenkerze
An der Kirchenfackel an.
Tadle mich, den Trunk'nen, nimmer,
Steh' ich auch im schwarzen Buch!
Kennt man was uns ward geschrieben
Auf die Stirn' als Schicksalsspruch?
Nicht entferne deine Tritte
Von der Leiche des Hafis:
Ist er gleich getaucht in Sünden,
Kömmt er doch in's Paradies.
42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[153] [155]42.

Geh', Frömmler, rufe mich doch nimmer
Zur Paradieses – Seligkeit.
Denn nicht zum Paradiesbewohner
Erschuf mich Gott in Ewigkeit.
Kein Körnchen von der Lebensgarbe
Trägt Jener heim aus seinem Feld,
Wer Gott zu Lieb' kein Körnchen sä'te
Im Gaue dieser schnöden Welt.
Dich freut der Rosenkranz, der Betort,
Der Frömmigkeit und Sitte Bahn;
Mich lacht das Weinhaus und die Glocke,
Das Kloster und die Kirche an.
Lass, reiner Ssofi, Wein mich trinken!
Hat doch vom Urbeginne schon
Der weise Gott mit laut'rem Weine
Durchknetet meines Körpers Thon.
Der heisst ein reiner Ssofi nimmer
Und hat kein Recht auf's Paradies.
Der nicht, gleich mir, für Wein in Schenken
Als Unterpfand die Kutte liess,
Es bleiben Paradieses-Wonnen
Und Huri's-Lippen unbekannt
Dem Manne, der den Saum des Freundes
Entschlüpfen liess der schwachen Hand.
Hafis, wenn deines Gottes Gnade
Sich nur erst hilfreich dir erwies.
So fürchte dich nicht vor der Hölle,
Noch hoffe auf das Paradies.
43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[155] [157]43.

Wo, Ostwind, ist der Ruheplatz,
Den sich der Freund erwählt,
Wo ist der Wohnort jenes Mond's,
Der Liebende entseelt?
Schwarz ist die Nacht; das sel'ge Thal'
Zeigt sich dem Blicke dort;
Wo ist das Feuer Sinaï's,
Wo der verheiss'ne Ort?
Die Spuren der Zerstörung trägt
Wer auf der Welt erschien:
Wo weilt der Nüchterne? O fragt
In Schenken nur um ihn!
Wer gut auf Zeichen sich versteht,
Ist ein willkomm'ner Mann:
Viel Zartes gibt's: wo ist der Freund
Dem man's vertrauen kann?
Wohl jedem meiner Härchen gibst
Du tausendfach zu thun:
Ich und der müssig Tadelnde,
Wo sind wir Beide nun?
Die Weisheit ras't; man lasse sie
Die Moschuskette schau'n;
Im stillen Winkel weilt das Herz:
Wo sind des Holden Brau'n?
Bereit sind Sänger, Rosen, Wein;
Doch fehlt der Freund; drum scheint
Die Freude nicht bereit zu sein:
Wo aber ist der Freund?
Des Scheïches Zellen-Einsamkeit
Presst mir nur Unmuth aus:
Wo ist der Freund, das Christenkind,
Und wo des Rausches Haus?
Hafis, der Herbstwind des Geschick's
Vorstimme ja dich nicht!
Wo blüht – dies überlege dir –
Die Rose die nicht sticht?
44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[157] [159]44.

Jenen Knoten, schlau geschlungen
Um den Bogen deiner Brau'n,
Schlangst du nur, um mich, den schwachen
Klagenden im Blut zu schau'n.
Trunken und vom Schweisse triefend
Kamst du auf der Wiese an,
Und da warf dein Wangenwasser
Feuer auf den Ergawan.
Weil nur Einmal voll von Dünkel
Die Narcisse umgeblickt,
Hat dein Augenspiel die Erde
Hundertfach in Streit verstrickt.
Der Jasmin, beschämt darüber,
Dass man dir ihn gleich gestellt,
Hat nun, durch die Hand des Ostes,
Staub sich in den Mund geschnellt.
Als ich trunken gestern Abends
Kam vorbei am Wiesengrund,
Weckte mir die Knospe Zweifel
In Bezug auf deinen Mund.
Seine Ringellocke kräuselnd
Stand das Veilchen auf der Flur,
Und der Morgenwind erzählte
Doch von deinem Haare nur.
Eingezogen lebend, wusst' ich
Nichts vom Sänger und vom Wein;
Doch die Lust nach Schenkenknaben
Warf in Beide mich hinein.
Mit dem Wasser rothen Weines
Wasch' ich jetzt mein Ordenskleid:
Wer vermöchte abzuwerfen
Das Geschick der Ewigkeit?
[159][161]
Noch vor Bildung beider Welten
Gab sich Freundschaftsfarbe kund,
Und die Zeit legt' nicht erst heute
Zu der Liebe Bau den Grund.
Mich zerstörte deiner Wange
Holder Flaum. Erhab'ner Gott!
Wessen Pinsel ist's gewesen,
Der dies schöne Bild uns bot?
Liegt nicht etwa für Hafisen
Glück in der Zerstörung Schooss,
Da für Wein nur und für Schenken
Ihn bestimmt das ew'ge Loos?
Ganz in meine theuren Wünsche
Fügt von nun an sich die Welt,
Da dem Herrn der Welt zum Knechte
Mich der Zeiten Lauf bestellt.
45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[161] [163]45.

Hat die Strasse hin zur Schenke
Klar erkannt ein Wandersmann,
Pocht er nicht an and're Thüren,
Denn für Unrecht säh' er's an.
Hat ja doch, wer erst die Strasse
Zu der Schenke Schwelle fand,
Das Geheimniss jeden Klosters
Durch des Weines Gunst erkannt.
Jenem nur verleiht die Krone
Der Berauschtheit das Geschick,
Der da weiss in dieser Mütze
Liege alles Erdenglück.
Wolle mehr nicht von mir fordern
Als der Narren Frömmelei,
Denn mein Ordens-Scheïch erkannte,
Dass Verstand nur Sünde sei.
Wer das Räthsel beider Welten
In dem Flaum des Schenken las,
Deutet aus dem Bild' des Staubes
Dschem's geheimnissvolles Glas.
Gnade von des Schenken Auge
Hat mein Herz wohl nie begehrt:
Weiss es doch, wie jenes Türken
Schwarzes Herz mit ihm verfährt.
Mein Gestirn, das böse, machte
Früh mich weinen, also zwar
Dass es selbst Năhīd bemerkte
Und der Mond es ward gewahr.
Sel'ger Blick, der in des Schenken
Antlitz und im Becherrand
Einen Mond von vierzehn Tagen
Und von Einer Nacht erkannt!
[163][165]
Jener Fürst, der die neun Kuppeln
– Das erhab'ne Himmelszelt –
Für ein Muster nur des Bogens
Seines Reichspalastes hält.
Mit Hafis und mit dem Becher,
Den er leert im stillen Kreis,
Haben Richter nichts zu schaffen,
Da darum der Kaiser weiss.
46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[165] [167]46.

Gram um den Seelenfreund verbrannte
Die Brust mir durch des Herzens Brand,
Ein Feuer gab's in diesem Hause,
Das selbst mein Winterhaus verbrannt;
Es schmolz mein Körper, denn der Holde
Entfernte grausam sich von hier;
Die Sonnengluth der Freundeswange
Verbrannte selbst die Seele mir.
Wer auf der Wange einer Peri
Der Locken Kette hat erblickt,
Verbrannte sich das Herz aus Mitleid
Für mich, den Wahnsinn hält umstrickt.
Sieh' wie ich glühe: es verbrannte
Durch's Feuer meiner Thränen hier
Das Herz der Kerze gestern Abends,
Dem Falter gleich, aus Lieb' zu mir.
Was Wunder, wenn für mich entglühen
Bekannte, theilend meinen Schmerz!
Verbrannte, als ich mir entschwunden,
Doch selbst der Unbekannten Herz.
Die Kutte, die die Frömmler tragen,
Entführte mir der Schenke Fluth;
Das Haus, das der Verstand bewohnet,
Verbrannte mir der Kneipe Gluth.
Mein Herz zerbrach, gleich einem Glase,
Weil es zur Reue sich gewandt,
Und ohne Wein und ohne Schenke
Ist meine Brust, wie Wein, verbrannt.
Schweig' vom Vergang'nen, kehre wieder!
Es hat ja seine Kutte heut
Der Mann des Auges ausgezogen
Und sie verbrannt voll Dankbarkeit.
Hafis, entsage eitlen Mährchen
Und trinke Wein, da ich die Nacht,
Indess die Kerze ganz verbrannte,
Mit Mährchen wachend zugebracht.
47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[167] [169]47.

Weinesstrahl verräth dem Weisen
Der geheimsten Dinge Sinn;
Jedes Menschen Gemme deutet
Dieser köstliche Rubin.
Nur dem Sprosser ist verständlich
Was das Buch der Rose spricht:
Mancher liest in einem Blatte
Und versteht den Inhalt nicht.
Dem erfahr'nen Herzen bot ich
Jene Welt und diese hier;
Da erkannt' es, Alles schwinde,
Nur die Liebe nicht zu dir.
Jeden Stein und jede Rose
Macht zu Onix und Rubin,
Wer den Werth jemen'scher Lüfte
Hat erkannt mit frommem Sinn.
Was der Pöbel von mir sage,
Diese Sorge, sie verschwand:
Solche heimliche Genüsse
Sind ja auch dem Vogt bekannt.
Der du aus der Weisheit Buche
Lernen willst was Liebe heisst!
Ich befürchte, du begreifest
Nimmer ihren wahren Geist.
Bringe Wein! Wer prahlt mit Rosen
In dem Garten dieser Welt,
Wenn er weiss, dass sie verheerend
Bald der Herbstwind überfällt?
Mir die Ruhe zu gewähren
Schien dem Freund nicht an der Zeit.
Und doch kennt er meines Herzens
Sehnsuchtsvolle Zärtlichkeit.
Riss aus dem Gemüth Hafisen's
Los sich diese Perlenschnur,
Dankt er es Ăfsāf's des Zweiten
Segenreicher Bildung nur.
48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[169] [171]48.

Deine Huld ist's, die, vereint mit Schönheit,
Eine ganze Welt bezwungen hält;
Und, in Wahrheit, nur vereint ist's möglich
Zu bezwingen eine ganze Welt.
Das Geheimniss stiller Zellenmänner
Hat die Kerze zu verbreiten Lust:
Aber ihre Zunge wird ergriffen
– Gott sei Dank – vom Brande ihrer Brust.
Duft und Farbe des geliebten Freundes
Gäbe prahlend gern die Rose kund:
Doch der Ost, von Eifersucht befallen,
Hielt zurück den Odem in dem Mund.
Von dem Feuer, das in meinem Busen
Tief verborgen seine Nahrung fand,
Ist die Sonne nur ein kleiner Funke,
Der sich aufschwang zu des Himmels Rand.
Ruhig, einem Zirkel zu vergleichen,
Weilte ich am Rande, frei von Gram,
Als der Zeitkreis endlich mich erfasste
Und als Pünctchen in die Mitte nahm.
Damals erst verbrannten meine Garben
Durch die Lust nach Bechern voll von Wein,
Als darin ein Feuer sich entzündet
Durch des Schenken Wangenwiderschein.
In das Dorf der Wirthe will ich eilen,
Aus dem Ärmel schüttelnd ohne Rast
Alles was von Uebeln dieser Erde
Einst den Saum der letzten Zeit erfasst!
Trinke Wein! denn Jeder der das Ende
Allen ird'schen Treibens hat erkannt,
Nahm, erleichternd sich des Grames Bürde,
Einen schweren Becher in die Hand.
[171][173]
Mit dem Blut der zarten Anemone
Steht geschrieben auf der Rose Blatt:
»Nach dem Wein, der ergwanfarben, greifet
Wer hienieden ausgegohren hat.«
Gib mir Wein in einem gold'nen Becher,
Denn der Morgenzecher Morgenwein
Nimmt erobernd, wie ein mächt'ger Kaiser,
Eine Welt mit gold'nem Schwerte ein.
Weil, Hafis, aus deinem holden Liede
Nur der Anmuth laut'res Wasser träuft,
Kann der Neider nichts zu tadeln finden,
Wenn er sonst auch nach dem Feinsten greift.
49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[173] [175]49.

Komm', o Schenke, denn den Schleier
Hob der Freund vom Angesicht,
Und die Kerze, frommer Klausner,
Leuchtet nun mit hell'rem Licht.
Jener ausgelöschten Kerze
Antlitz glänzt nun abermal,
Dieser abgelebte Alte
Strahlt in neuer Jugend Strahl.
Der Geliebte that so zärtlich,
Dass die Gottesfurcht entwich;
Und der Freund erschien so gnädig,
Dass den Feind die Angst beschlich.
Halte ein mit dieser Rede,
Herzbethörend, süss und fein:
Dein Pistazenmund – so scheint es –
Taucht sein Wort in Zucker ein.
Wunden hatte mir geschlagen
Eine Last von schwerem Gram,
Als ein Arzt mit 'Îsa's Hauche,
Gottgesandt, sie von mir nahm.
Wer, besiegend Mond und Sonne,
Schönheit bietet zum Verkauf,
Gibt, wenn du herangekommen,
Seinen Handel wieder auf.
In des Himmels sieben Kuppeln
Tönt dies Mährchen fort und fort;
Aber sich', dem blöden Sinne
Scheint es nur ein eitles Wort.
Sprich, Hafis, von welchem Manne
Dies Gebet gelernt du hast?
Denn dein Lied, als Schutzgehänge
Trägt's der Freund, in Gold gefasst.
50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[175] [177]50.

Ein Rosenblatt von schöner Farbe
Hielt einst ein Sprosser in dem Mund
Und gab, in Wonne ganz versunken,
Die lieblichsten der Klagen kund.
Ich sprach zu ihm: »Was soll die Klage?
Du lebst ja mitten im Genuss!«
Er sprach: »Der Schalksinn der Geliebten
Macht, dass ich also klagen muss.«
Wenn sich der Freund nicht zu uns setzte,
Ist's nicht zu tadeln; denn fürwahr,
Er ist ein glückbetheilter Kaiser
Und schämte sich der Bettlerschaar.
Von uns'rem zarten Fleh'n und Bitten
Ringt sich des Freundes Schönheit los:
Beglückt ist jener Mann zu nennen,
Der zarter Wesen Huld genoss.
Auf! Lasst die Seele hin uns streuen
Zu jenes hohen Malers Preis,
Der diese Wunderbilder alle
Gebannt in seines Zirkels Kreis.
Bist du des Liebespfades Jünger,
Und schilt man dich, was liegt daran?
Denn seine Kutte liess zum Pfande
Im Weinhaus auch Scheïch Ssănăān.
Dem süssen Kălĕndēre Frieden,
Der fest an seiner Satzung hing,
Und der den Rosenkranz gebetet
An eines Christengürtels Ring.
Hier, unterm Köschke jener Huri
Sind beide Augen des Hafis
Mit jenen Strömen zu vergleichen,
Die fliessen unter'm Paradies.
51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[177] [179]51.

Du sah'st wie grausam und wie hart
Sich gegen mich der Freund benahm:
Er riss der Treue Band entzwei,
Und nimmer grämte ihn mein Gram.
Herr, zürn' ihm nicht, und hätt' er auch
Mein Herz, das Taubenherzen gleich,
Getödtet, und auf heil'ges Wild
Geführt den unerlaubten Streich!
Es ist an dieser Grausamkeit
Wohl nur mein eig'nes Unglück Schuld:
Denn nie und nimmer war's der Freund,
Der's fehlen liess an Gnad' und Huld;
Und doch ist Jeder, der von ihm
Nicht irgend eine Schmach erfuhr,
– Er wende sich wo immer hin –
Von Jedermann verachtet nur.
Bring', Schenke, mir den Weinpocal
Und zu dem Vogt gewendet, sprich:
»Gesteh' es mir, selbst Dschem besass
Kein Glas das diesem sich verglich.«
Wer nicht zu Seinem heil'gen Thor
Gelangte auf der Pilgerbahn,
Der mühte durch die Wüste sich
Und kam im Heiligthum nicht an.
Trag' der Beredtheit Ball davon,
Hafis; denn wer dein Gegner war,
Entbehrte jeglichen Talent's
Und war auch jedes Wissens bar.
52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[179] [181]52.

Ohne deiner Wangen Sonne
Blieb mein Tag beraubt des Licht's
Und mir blieb vom ganzen Leben
Nur die längste Nacht, sonst nichts.
Als ich Lebewohl dir sagte,
Weinte Ich, ach, gar so sehr,
Und, entfernt von deiner Wange,
Blieb mein Aug' vom Lichte leer.
Schnell vorbei an meinem Auge
Zog dein Traumbild und es sprach:
»Schade, ach, dass dieser Winkel
Unbebauet blieb und brach!«
Stets den Tod von meinem Haupte
Scheuchte der Verein mit dir;
Doch durch deine Trennung blieb er
Nimmermehr entfernt von mir.
Nahe rückt jetzt schon die Stunde,
Wo der Nebenbuhler spricht:
»Fern von dir blieb der getrennte
Arme Mann am Leben nicht.«
Wenn der Freund zu mir sich mühet,
Ist's von nun an fruchtlos nur,
Denn mir blieb im wunden Leibe
Nicht die kleinste Lebensspur.
Wenn, getrennt von dir, mein Auge
Ohne Wasser blieb, wohlan!
Mag es Herzensblut vergiessen,
Blieb ihm doch nichts And'res dann.
Die Geduld nur heilt die Leiden,
Die mir deine Trennung schafft;
Doch wie kann Geduld man üben,
Blieb' dazu uns keine Kraft?
Gram nur kennt Hafis und Thränen,
Wird zum Lachen nie bewegt:
Blieb doch keine Lust zu Festen
Dem, der Trauerkleider trägt.
53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[181] [183]53.

Ob der Thränen, die ich weine,
Schwimmt mein Augenmann im Blut;
Sieh' nur, was die Männer leiden,
Die dich suchen, theures Gut!
Wenn auf's Wohl der rothen Lippe
Und des Aug's, erhitzt von Wein,
Ich das Glas des Grames leere,
Scheint der Wein mir Blut zu sein.
Wenn im Osten meines Dorfes
Eine Sonne, du erscheinst,
Wird mein Stern gar herrlich strahlen,
Strahlt er anders noch dereinst.
Von Schirin's so süsser Lippe
Hat uns einst Fĕrhād erzählt
Und Mĕdschnūn hat Leïla's Locke
Sich zum Aufenthalt erwählt.
Sei mir hold, denn hold erhebet
Sich dein Wuchs, Zipressen gleich;
Sprich ein Wort, denn zart gewogen
Redest du und anmuthreich.
Schenke, durch des Bechers Kreisen
Bringe Ruhe mir in's Herz;
Denn des Himmels Kreisen schaffet
Dem Gemüthe nichts als Schmerz.
Seit der Knabe, mir so theuer,
Sich entrissen meiner Hand,
Ist des Oxus wildem Strome
Ähnlich meines Saumes Rand.
Kann mein Inn'res Lust empfinden,
Wenn stets Kummer es befällt?
Ist dies doch ganz vorzugsweise
Ausser meiner Wahl gestellt.
Weil Hafis sich selbst verloren.
Sehnt er nach dem Freund sich nun,
Wie sich ein Verarmter sehnet
Nach den Schätzen des Kărūn.
54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[183] [185]54.

Der Mann in meinem Auge blicket
Nur dir in's holde Angesicht,
So wie mein Herz, in wüster Irre,
Nur dein gedenkt und von dir spricht.
Ein Pilgerkleid trägt meine Thräne
Und kreist um deinen heil'gen Schrein,
Ist gleich vom Blut des wunden Herzens
Es keinen Augenblick ganz rein.
Streut der Verarmte, der dich liebet
Sein Herzgeld hin, leicht an Gewicht,
So schilt ihn nicht, denn bare Münze,
Wie sie cursirt, besitzt er nicht.
An jene höchste der Zipressen
Reicht jedes Mannes Hand zuletzt,
Der an die Lust dich zu besitzen
Nicht ein nur nied'res Streben setzt.
Von 'Îsa, der zum Leben wecket,
Sprech' ich vor dir kein Wörtchen mehr,
Weil im Beseelen deine Lippe
Ja weit erfahr'ner ist als er.
Da sich im Feuer deiner Liebe
Kein Ach mir aus dem Busen stahl,
Wie kannst du sagen, ich ertrüge
Nicht mit Geduld des Herzens Maal?
Im Käfich, wie ein scheuer Vogel,
Vollbringe seinen Lebenslauf
Der Sänger auf dem Sidrabaume,
Fliegt, dein begehrend, er nicht auf.
Am ersten Tag' schon, wo ich schaute
Dein Lockenhaar, musst' ich gesteh'n,
Von der Verwirrung dieser Kette
Sei wohl kein Ende abzuseh'n.
Die Lust nach deinen Banden fühlet
Wohl nicht Hafisens Herz allein:
Wem mag die Lust nach deinen Banden
Nicht im Gemüthe heimisch sein?
55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[185] [187]55.

Der Liebe Bahn ist eine Bahn,
Die keine Grenze kennt,
Und wo man Seelenopfer nur
Als Rettungsmittel nennt.
Wein, drohst du, wehre dem Verstand?
Du schreckst mich nicht; bring' Wein!
In uns'res Landes Wirthschaft mengt
Sich jener Vogt nicht ein.
Wenn du dein Herz der Liebe weih'st,
So lebst du frei von Qual:
Ein gutes Ding bedarf nicht erst
Des Rathes und der Wahl.
Frag', Seele, nur dein eig'nes Aug',
Wer mich dem Tode weih't?
Die Schuld der Sterne ist es nicht,
Noch des Geschickes Neid.
Ein reines Aug' nur kann erschau'n
Hell wie des Neumond's Licht
Das Mondlein dort; es spiegelt sich
In jedem Auge nicht.
Benütz' den Pfad der Trunkenheit;
Denn dieser Talisman
Ist, wie der Weg zu einem Schatz,
Nicht offen Jedermann.
Hafisens Thräne wirkt auf dich
Auf keine Weise ein:
Ich staune über jenes Herz,
Das hart ist wie ein Stein.
56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[187] [189]56.

Des Festes Eintritt sei gesegnet dir, o Schenke;
Doch des gegeb'nen Wort's erinn're du dich auch!
Grüss' mir der Rebe Kind und sprich zu ihm: »Erscheine!
Denn es entband vom Gram dich meines Strebens Hauch.
Dass du das Herz gehabt – dies setzt mich in Erstaunen –
Das Herz so lange Zeit den Freunden zu entzieh'n.
Gottlob, der Herbstwind that nicht Schaden deinem Garten,
Wo Buchs und Rose blüh'n, Zipressen und Jasmin.
Fern sei der böse Blick! Vor jenem Sturm bewahrte
Dich dein gerühmter Stern, dein angebornes Glück.
Mit deiner Ankunft kömmt der Frohsinn in die Kreise:
Will dir ein Herz nicht wohl, so treff' es Missgeschick!«
Hafis, lass aus der Hand dies Noëschiff nicht gleiten,
Sonst schwemmt dein Haus dir weg die Sündfluth böser Zeiten.
57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[189] [191]57.

Ich hört' ein schönes Wort, von Kan'âns Greis gesprochen:
»Nicht auszusprechen ist, was Trennungsschmerz vermag«
Die Schrecken des Gerichts, vom Prediger geschildert,
Sind nur ein schwaches Bild von einem Scheidetag.
Wer gibt ein Zeichen mir vom abgereis'ten Freunde?
Der Bote Ost sprach wirr und war nicht zu versteh'n.
Vertreibet alten Gram mit altem Rebensafte,
Um, wie der Bauer sagt, Euch Lust in's Herz zu sä'n!
Weh', dass dem Feindesfreund, dem liebelosen Monde,
Den trauten Kreis zu flieh'n so leicht geworden sei!
Ergeben trag' ich nun den Dank des Nebenbuhlers;
Mein Herz, gewohnt an Leid, entsagt der Arzenei.
»Vertraue nicht dem Wind, wenn er auch günstig bliese;«
Als Gleichniss sprach dies einst der Wind zu Salomon.
Gibt dir der Himmel Frist, so bleib' auf rechtem Pfade;
Glaubst du, das alte Weib entsag' dem Truge schon?
[191][193]
Frag' nicht: Warum und wie? Ein trauter Knecht ist jener,
Der sich des Herrschers Wort mit ganzer Seele fügt.
Wer sagte, dass Hafis dein nimmermehr gedenke?
Ich hab' es nicht gesagt, und wer es sagt, der lügt.
58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[193] [195]58.

Der Sprosser sprach des Morgens einst
Zur neu entsprossten Rose:
»Sei nicht so spröd', denn Viele blüh'n
Gleich dir im Gartenschoosse.«
Die Rose lächelte: »Mich hat
Die Wahrheit nie betrübet;
Doch kein Verliebter spricht so hart
Mit Jener, die er liebet.«
Der Liebe Duft steigt ewig nicht
Dem Manne zu Gehirne,
Der nicht am Staub der Schenkenthür
Gerieben sich die Stirne.
Willst du aus jenem Gemmenglas
Rubinenwein geniessen,
Musst an den Dolch der Wimper du
Erst manche Perle spiessen.
Als gestern auf der Flur Ĭrēm's
Bei sanfter Lüfte Säuseln
Der Hyacinthe Haar begann
Der Morgenwind zu kräuseln,
Da sprach ich: »Thronsitz Dschem's! Wo ist
Dein Glas, das Welten zeiget?«
»Weh, – sprach sie – dass das wache Glück
Zum Schlummer sich geneiget!«
Nein, keine Zunge spricht es aus
Das grosse Wort der Liebe;
O Schenke, bringe Wein und sprich
Nichts mehr von diesem Triebe!
Hafisens Thräne warf Geduld
Und Einsicht in die Fluthen:
Wie anders? Bergen konnt' er nicht
Des Liebesgrames Gluthen.
59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[195] [197]59.

Fort sind Glaub' und Herz, und grollend
Stand der Holde auf zu mir,
Also sprechend: »Bleib' nicht sitzen,
Denn das Heil stand auf von dir!«
Doch wer sass bei diesem Feste
Und genoss der kurzen Lust,
Der nicht endlich aufgestanden
Mit der Reue in der Brust?
Weil die Kerze lachen wollte
Hold, wie jene Wange lacht,
Stand zur Straf' vor deinen Buhlern
Aufrecht sie die ganze Nacht.
Aus der Rose und Zipresse
Armen stand der Lenzwind auf,
Jenen Wuchs und jene Wange
Suchend im beschwingten Lauf.
Trunken schrittest du vorüber;
Engel sah'n dich: da entstand
Wie am Auferstehungstage
Ein Tumult am Himmelsrand.
Ganz beschämt vor deinem Gange
Machte die Zipresse Halt
Und mit anmuthsvollem Wuchse
Stand sie da, die Hochgestalt.
Wirf, Hafis, zur Seelenrettung
Weg von dir dies Mönchsgewand,
Weil aus einer Gleissnerkutte
Immer Feuer nur entstand.
60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[197] [199]60.

Noch erblickte Niemand deine Züge,
Und doch hast schon tausend Buhler du;
Nur noch Knospe bist du, und schon fliegen
Liebentbrannt dir hundert Sprosser zu.
Wenn ich in dein theures Dorf gekommen,
Ist da nichts Befremdliches fürwahr,
Denn von Fremden lebt in diesem Lande,
Wie ich selbst, gar eine grosse Schaar.
Zwar entfernt von dir muss ich stets weilen,
(Weile Niemand je entfernt von dir!)
Doch die Hoffnung, dir mich zu vereinen,
Lebt nicht minder nahe stets bei mir.
Liebe in den Klöstern unterscheidet
Sich von Liebe in den Schenken nicht:
Denn in jedem Orte wo er weilet
Strahlet ja des Freundes Wangenlicht.
Wo die frommen Werke einer Zelle
Ihren Glanz verbreiten fort und fort,
Schallt die Glocke von des Mönches Kloster
Und des Kreuzes Name tönet dort.
Wo ist je ein Liebender gewesen,
Dem der Freund den Blick nicht zugewandt?
Denn für alle Leiden ist, o Meister,
Auch der Arzt, der heilende, zur Hand.
Alle Klagen, die Hafis erhoben,
Sind am Ende doch nicht ohne Grund:
Eine gar befremdliche Geschichte,
Einen selt'nen Vorfall mach' ich kund.
61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[199] [201]61.

Weil sich in deiner Locken Ring
Mein armes Herz von selber fing,
So tödt' es mit der Wimper Schwert,
Denn dieser Strafe ist es werth.
Wenn deine Hand mir zugesteht
Das, was mein heisser Wunsch erfleht,
So sei damit schnell bei der Hand:
Recht ist hier Gutes angewandt.
Bei deiner Seele schwör ich's hier,
O du mein süsser Götze, dir:
Des Nachts bin ich – der Kerze Bild –
Mich selbst zu opfern dir gewillt.
An Liebe, Sprosser, dachtest du;
Da rief ich dir als Warnung zu:
»Thu's nicht: die Rose jener Flur
Hat ihren eig'nen Willen nur.«
Dem Moschus aus Tschĭgīl und Tschin
Ist Rosenduft wohl kein Gewinn:
Des eig'nen Kleides Falte beut
Den Wohlduft ihm, den er verstreut.
Betritt des Mannes Wohnung nicht,
Dem es an Menschlichkeit gebricht:
Den Winkel wahrer Seelenruh'
Triffst nur im eig'nen Hause du.
Hafis verbrannte; doch gefiel
In Liebe und im Seelenspiel
Ihm auszuharren wie zuvor,
Dem Bunde treu, den er beschwor.
62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[201] [203]62.

Ich möchte gern mein Herz vor dir entfalten
Und von dem deinen Kunde gern erhalten.
O eitler Wunsch! Was alle Welt erfahren,
Vor Nebenbuhlern möcht' ich's gern bewahren.
Die Nacht der Kraft, geweiht so frommen Dingen,
Möcht' gern bei dir ich, bis es tagt, verbringen.
Ach, diese Perle, zart und auserkoren,
In finst'rer Nacht möcht' ich sie gern durchbohren.
Erhöre, Ost, in dieser Nacht mein Flehen!
Gern möcht' ich Morgens mich erblühen sehen.
Mit meinen Wimpern, bloss der Ehre wegen,
Möcht' ich dir gern den Staub vom Wege fegen.
Hafisen gleich, und trotz der Gegner Menge
Möcht' gern ich singen frohe Zechgesänge.
63.62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[203] [205]63.

Ost, du Wiedehopf! Ich sende
Dich nach Saba's fernem Land,
Doch bedenke erst von wannen
Und wohin ich dich gesandt.
Schade, sitzt ein solcher Vogel
In dem Staub des Grames fest:
Darum send' ich dich von hinnen
Nach der Treue hohem Nest.
Keine Nähe, keine Ferne
Kennt der Pfad der Liebe. Mir
Bist du d'rum stets klar erschienen,
Und ich sende Grüsse dir.
Karawanen guter Wünsche
Sende ich so früh als spät
Im Geleite dir des Windes,
Der aus Ost und Norden weht.
Du, der meinem Blick entschwunden,
Stets im Herzen weilest mir!
Wünsche zoll' ich dir und sende
In die Ferne Grüsse dir.
Dass des Grames Heer nicht plünd're
Deines Herzens reiches Land,
Send' ich dir die eig'ne Seele
Als der Nahrung Unterpfand.
Dass die Sänger dir verkünden,
Wie mich Sehnsucht zu dir zieht,
Send' ich Worte und Ghasele,
Holde Töne dir und Lied.
Schenke, komm! denn frohe Kunde
Gab ein Himmelsbote mir:
»Trage mit Geduld dein Leiden:
Arzeneien send' ich dir.«
[205][207]
In dem eig'nen Angesichte
Staune Gottes Wunder an;
Send' ich doch dir einen Spiegel,
Wo man Gott erblicken kann.
Unser Kreis, Hafis, ertönet
Nur von deiner Trefflichkeit;
Darum eile, denn ich sende
Dir ein Pferd und Ehrenkleid.
64.63.62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[207] [209]64.

O Entschwund'ner meinem Blicke!
Dich empfehl' ich Gottes Hut;
Du verbranntest meine Seele,
Doch ich bin dir herzlich gut.
Bis den Saum des Leichentuches
Ich nicht ziehe in das Grab,
Zieh' ich nicht von deinem Saume
– Glaub' es mir – die Hände ab.
Zeig' den Altar mir der Brauen,
Dass zur Zeit des Morgenstrahls
Betend ich die Hand erhebe,
Schlingend sie um deinen Hals.
Müsst' ich zu Hărūt auch wandern
Fern nach Babel's Brunnen hin,
Hundert Zauberkünste übt' ich,
Und du müsstest mit mir zieh'n.
Wolle huldvoll mir gestatten,
Dass ich in des Herzens Brand
Rastlos dir zu Füssen streue
Perlen aus des Auges Rand.
Hundert Bäche meines Auges
Leitend in des Schoosses Beet,
Hofft' ich auf der Liebe Samen,
Den in's Herz ich dir gesä't.
Immer wein' ich, und die Thräne,
Hoch zum Strome schon geschwellt,
Sei der Liebe zarter Same,
Dir gesä't in's Herzensfeld.
Hat sie doch, mein Blut vergiessend,
Mich vom Trennungsgram befreit
Deine dolchgespitzte Wimper,
Und d'rum sei ihr Dank geweiht!
[209][211]
Dir vor Augen will ich sterben,
Ungetreuer Arzt! allein
Frag' doch, wie's mir Kranken gehe?
Denn in Sehnsucht harr' ich dein.
Liebchen, Wein und Schwelgereien
Ziemen, o Hafis, dir nicht,
Und ich lasse ganz dich sinken,
Thust du nicht darauf Verzicht.
65.64.63.62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[211] [213]65.

Wolle, Herr, den Freund mir wieder
Wohlbehalten senden;
Mache, dass er mich befreie
Aus des Vorwurf's Händen!
Bringet vom gereisten Freunde
Mir die Strassenerde,
Dass mein weltenschauend' Auge
Ihr zum Wohnort werde!
Weh, mir machen von sechs Seiten
Für den Ausweg bange
Antlitz, Maal und Ringellocken,
Flaum, Gestalt und Wange!
Heut', wo ich noch dir gehöre,
Lass Erbarmen walten:
Morgen nützt der Reue Thräne
Nichts dem Staub', dem kalten.
Der du willst von Liebe schwätzen
Überklug und weise!
Nichts hab' ich mit dir zu schaffen;
Glück auf deine Reise!
Armer! Über's Schwert der Freunde
Frommt's dir nicht zu klagen:
Blutgeld nehmen sie von Jenen,
Die sie todt geschlagen.
Schleud're Feuer auf die Kutte,
Weil des Schenken Brauen
Des Imâms Altareswinkel
Kühn in Stücke hauen.
Dich der Grausamkeit zu zeihen
Mag mich Gott bewahren:
Huld und Güte heisst der Holden
Grausames Verfahren.
Spricht Hafis von deinen Haaren,
Ist's nicht kurz; ich wette:
Bis zum Auferstehungstage
Reichet diese Kette.
66.65.64.63.62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[213] [215]66.

Jener Freund, dem Herzen schmeichelnd,
Weckt bald Dank in mir, bald Klage;
Kennest du den Geist der Liebe,
So vernimm was ich dir sage.
Jeder Dienst, den ich geleistet,
Hat des Lohns und Danks entbehret:
Diene Keiner einem Manne,
Der, o Herr, nicht Huld bewähret!
Niemand will die durst'gen Zecher
Mit ein wenig Wasser laben:
Scheint es doch, dass alle Frommen
Dieses Land verlassen haben.
Lass, o Herz, dich in den Schlingen
Seines Lockenhaars nicht fangen:
Schuldlos abgehau'ne Köpfe
Siehst du dort in Menge hangen.
Mit der Wimper trinkt Sein Auge
All' mein Blut; und dich kann's freuen?
Ungerecht ist es, o Seele,
Blutvergiessern Schutz zu leihen.
Dieser schwarzen Nacht verdank' ich's,
Dass ich meinen Weg verloren;
Tritt denn vor aus deinem Winkel,
Du, zum Leitstern mir erkoren!
Stets vermehrte sich mein Schrecken,
Wo ich auch mich hingewendet:
Hüte dich vor dieser Wüste,
Diesem Weg', der nimmer endet!
Dieses Weges Ende können
Nimmer fassen unsre Sinne:
Hunderttausend Posten zählt er
Nur allein im Anbeginne.
[215][217]
Du, o Sonne aller Schönen!
Siedend braust's mir im Gemüthe:
Gib mir nur ein kurzes Stündchen
Schutz im Schatten deiner Güte!
Fiel dir auch mein Ruhm zum Opfer,
Nie von dir werd' ich mich wenden:
Schöner ist's, wenn Freunde quälen,
Als wenn Feinde Ehren spenden.
Liebe lässt, wenn du sie rufest,
Nicht auf ihre Hilfe warten,
Kennst du, wie Hafis, den Koran
In den vierzehn Lesearten.
67.66.65.64.63.62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[217] [219]67.

Stets berauschen mich die Düfte
Deines krausen Lockenhaars;
Stets verwüstet mich die Schlauheit
Deines Zauberaugenpaars.
Könnt', o Herr, nach solchem Dulden
Einmal nur des Nachts ich schau'n
Meines Auges Kerze brennen
Auf dem Altar deiner Brau'n!
Meines Auges schwarze Scheibe
Wird von mir so hochgeehrt,
Weil der Seele sie ein Abbild
Deines Indermaals gewährt.
Willst du dieses ganze Weltall
Schmücken mit der reichsten Zier,
Sag' dem Ost, er heb' ein wenig
Vom Gesicht den Schleier dir!
Wünsch'st du das Gesetz des Todes
Aufzuheben ganz und gar,
Schüttle dich, und tausend Seelen
Fallen dir aus jedem Haar.
Zwei verwirrte Thoren sind wir,
Ich und jene Morgenluft:
Mich berauscht dein Schelmenauge,
Sie berauscht dein Lockenduft.
O des hohen Sinn's Hafisens!
Hier so wie in jener Welt
Ist's der Staub nur deines Dorfes,
Der ihm in das Auge fällt.
68.67.66.65.64.63.62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[219] [221]68.

Offen steht die Thür der Schenke:
Dank sei Gott dafür!
Denn mein Antlitz wendet flehend
Sich zu ihrer Thür.
Gährend brausen alle Krüge,
Denn berauscht sind sie,
Und der Wein darin ist Wahrheit,
Nicht Allegorie.
Alles trägt bei ihm des Rausches
Und des Stolzes Spur,
Und bei mir ist alles Schwäche
Und Ergebung nur.
Was noch Keinem je vertraute,
Noch vertraut mein Mund,
Weiss der Freund, denn das Geheimste
Mach' ich stets ihm kund.
Des Geliebten Haare schildern
Durch ein kurzes Wort
Kann man nicht: denn dieses Mährchen
Spinnt gar lang sich fort.
Dem Mĕdschnūn ist Leïla's Locke
Eine theure Last
Und Măhmūd hält an Ajāsens
Zarter Sohle Rast.
Aller Welt schloss ich mein Auge,
Wie der Falke thut,
Seit auf deiner schönen Wange
Es erschlossen ruht.
Vor der Kibla deiner Brauen
Weilet im Gebet,
Wer die Kába deines Dorfes
Zu besuchen geht.
Freunde! Wer von euch Hafisens
Herzensbrand nicht kennt,
Möge nur die Kerze fragen,
Die da schmilzt und brennt.
69.68.67.66.65.64.63.62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[221] [223]69.

Was des Lebens Werkstatt liefert,
Ist als Nichts nur zu betrachten;
Bringe Wein! denn was die Erde
Bietet, ist für Nichts zu achten.
Des Geliebten edlen Umgang
Suchen Herzen, suchen Seelen:
Denn sonst wäre ja die Seele
Und das Herz für Nichts zu zählen.
Glück ist das nur, was an's Ufer
Ohne Herzensblut wir bringen:
Nichts sind selbst die Himmelsgärten,
Muss man mühsam sie erringen.
Lass den Sidra und den Thuba
Ob des Schattens dich verachten:
Nichts ja ist er, o Zipresse,
Wirst du ihn erst gut betrachten.
Nur fünf flücht'ge Tage wurden
Dir auf dieser Post gegeben:
Nütze sie zur kurzen Ruhe,
Denn ein Nichts sind Zeit und Leben!
An dem Seestrand des Verderbens,
Schenke! harren wir der Stunde;
D'rum geniesse! Nichts ist Alles,
Wie von Lippe hin zum Munde.
Niemals an's Entblättern denkend,
Blicke heiter wie die Rose,
Denn ein Nichts ist ird'sche Grösse,
Trägt Vergänglichkeit im Schoosse.
Frömmler, sei nicht allzu sicher
Vor des Eifers Spiel und denke,
Dass ein Nichts die Strasse scheide
Von der Zelle zu der Schenke.
[223][225]
Viel hab' ich, der gramverbrannte
Abgehärmte Mann ertragen,
Und, in Wahrheit, nichts erheischet
Dies vernehmlich erst zu sagen.
Zwar es hat Hafisens Name
Einen guten Klang bekommen;
Aber nichts kann bei den Zechern
Gutes oder Böses frommen.
70.69.68.67.66.65.64.63.62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[225] [227]70.

Welche Gnade, dass nun plötzlich
Deines Rohres sanfter Regen
Alle Rechte meiner Dienste
Deiner Huld will unterlegen!
Mit des Schreibrohr's zarter Spitze
Schriebst du Grüsse, die mich ehren;
Möge die Fabrik der Zeiten
Deines Schriftzug's nie entbehren!
Nimmer sag' ich, dass du meiner
Nur gedachtest aus Versehen,
Denn – nach des Verstand's Berechnung –
Kann dein Schreibrohr kein's begehen.
O veracht' mich nicht, zum Danke
Dass der Himmel wohl dir wollte,
Und das ew'ge Glück dir immer
Liebe nur und Ehren zollte.
Komm! Mit deiner Locken Spitze
Lass mich nun ein Bündniss schliessen:
Geht dann auch mein Kopf verloren,
Liegt er doch zu deinen Füssen.
Welche Lage mir geworden,
Wird dein Herz erst dann verstehen,
Wenn auf deiner Opfer Grabe
Blutgefärbte Tulpen stehen.
Nur von deinem Lockenhaare
Spricht der Ost mit allen Rosen:
Doch wann liess der Nebenbuhler
In dein Heiligthum den Losen?
Wolle mit ein Bischen Hefe
Mir den Durst der Seele stillen,
Da für dich in Dschem's Pocale
Chiser's süsse Fluthen quillen.
[227][229]
Immer nur an deiner Pforte
Weilt mein Herz; o halt's in Ehren!
Liess ja doch die Gnade Gottes
Jeden Kummers dich entbehren.
Hinterhalte gibt's; ich warne;
Eile nicht gar so verwegen:
Von des Nichtseins Königsstrasse
Fliegt dir sonst der Staub entgegen.
'Îsagleicher Wind des Morgens,
Froh soll dir die Zeit entschweben!
Denn Hafisens wunde Seele
Rief dein Hauch zu neuem Leben.
71.70.69.68.67.66.65.64.63.62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[229] [231]71.

Liebchen, du aus heil'gen Fluren,
Sprich, wer löst dein Schleierband,
Und wer reicht dir Korn und Wasser,
Vogel, du aus Eden's Land?
Meinem Aug' entfloh der Schlummer,
Weil mich der Gedanke quält,
Wessen Arm du dir zum Lager
Und zum Schlummerplatz erwählt?
Mir, dem herzenswunden Manne,
Gingst du schnell weg aus dem Arm':
Doch wo fand'st du eine Stätte
Um zu schlummern liebewarm?
Mein Gejammer, mein Geklage,
Nimmer reicht es an dein Ohr:
Schönes Bild, wie hoch du stehest,
Geht daraus ganz klar hervor.
Um den Armen fragst du nimmer,
Und darum besorg' ich sehr,
Fromme Werke und Verzeihung
Kümmern dich wohl nimmermehr.
Du o Schloss, der Herzen Schimmer,
Bist das Haus, wo Freundschaft wohnt:
Vor dem Unglück des Verfalles
Halte dich der Herr verschont!
Wasserlos ist diese Wüste:
Lass es deine Sorge sein,
Dass dich kein Gespenst der Wüste
Täusche je durch Wasserschein.
Meines Herzens Ziel verfehlte
Deine Wimper, pfeilbewehrt;
Doch was hast du jetzt ersonnen,
Das als treffend sich bewährt?
[231][233]
Wie, o Herz, wirst du nun wandeln
Auf des Greisenalters Bahn,
Da die schöne Zeit der Jugend
Dir entschwand in eitlem Wahn?
Auf verliebte Herzen stürmte
Jenes trunk'ne Auge ein:
Nur zu klar zeigt dies Benehmen,
Ein Berauschter sei dein Wein.
Nein, Hafis ist nicht ein Sklave,
Der da seinem Herrn entwich;
Übe Huld und kehre wieder,
Denn dein Zorn verwüstet mich.
72.71.70.69.68.67.66.65.64.63.62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[233] [235]72.

Jener Peri gleiche Türke,
Gestern Nacht verliess er mich:
Was an mir hat ihm missfallen,
Dass er nach Chătā entwich?
Seit ich jenes Aug' nicht schaue,
Dem das Weltall offen stand,
Hat kein Sterblicher begriffen,
Was aus meinem Auge schwand.
Dichter stieg der Rauch nicht gestern
Aus der Kerze Herzensgluth,
Als er nun durch inn'res Feuer
Über meinem Haupte ruht.
Fern von Seiner Wange fliesset
Stets aus meines Auges Quell
Eine Sündfluth aller Übel,
Und ein Strom von Thränen hell.
Schwerer Gram der Trennung machte,
Dass ich hin zu Boden sank,
Und im Schmerze blieb ich liegen:
Fehlte doch der Heilungstrank.
»Durch Gebete bring'st du wieder
– Sprach das Herz – zur Liebe Ihn.«
Und nun bring' ich im Gebete
Meine Lebenstage hin.
Ziemt mir wohl der Pilgermantel?
Meine Kibla ist nicht dort.
Wesshalb müh' ich mich? die Freude
Eilte aus dem Dorfe fort.
Als der Arzt mich gestern schaute,
Sprach er in des Mitleid's Ton:
»Weh! dein Übel überschreitet
Das Gesetz der Heilung schon.«
Eile, Freund, um nachzuforschen
Dem Befinden des Hafis,
Eh' man dir die Nachricht bringet,
Dass er diese Welt verliess.
73.72.71.70.69.68.67.66.65.64.63.62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[235] [237]73.

Ausser deiner Schwelle bin ich
Jeden Zufluchtsort's beraubt,
Habe ausser diesem Thore
Keine Stelle für mein Haupt.
Meinen Schild werf' ich zu Boden,
Zieht der Feind sein rasches Schwert:
Bin ja mit dem Schwert der Klage
Und des Seufzers nur bewehrt.
Wesshalb soll vom Dorf der Schenke
Wenden ich mein Angesicht?
Gibt es doch für mich hienieden
Eine bess're Strasse nicht.
Wird die Garbe meines Lebens
Von des Schicksals Brand verzehrt.
Nun, wohlan! in meinem Auge
Hat sie keines Halmes Werth.
Sklave des so kühnen Auges
Jenes Schlanken nenn' ich mich,
Der, berauscht vom Hochmuthsweine,
Nie auf And're blickt als sich.
Allenthalben droht am Wege
Eine Schlinge mir Gefahr,
Und die einz'ge Zufluchtsstätte
Bietet mir Sein Lockenhaar.
Reite mit gehalt'nem Zügel,
Kaiser du im Schönheitsland!
Denn wo wäre nicht ein Kläger
Aufgestellt am Strassenrand?
Thue Keinem was zu Leide,
Handle sonst wie's dir beliebt,
Weil's nach unserem Gesetze
Keine and're Sünde gibt.
[237][239]
Seinen Fittich hält der Unbild'
Adler um die Stadt gespannt,
Und es liegt kein Klausnerbogen
Und kein Seufzerpfeil zur Hand.
Gib den Herzensschatz Hafisens
Nicht dem Haar und Maale Preis,
Weil denn doch nicht jeder Schwarze
Solch' ein Gut zu hüten weiss.
74.73.72.71.70.69.68.67.66.65.64.63.62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[239] [241]74.

Schaffe Wein herbei, o Schenke!
Denn der Fastenmond entwich;
Gib das Glas mir, denn die Jahrszeit
Für den guten Ruf verstrich.
Eine theure Zeit enteilte:
Komm, ersetzen wir die Qual
Eines Lebens, das entschwunden
Ohne Flasche und Pocal.
Kann man denn, wie Aloë, immer
Brennen in der Reue Brand?
Bringe Wein! da mir das Leben
Nur in roher Lust entschwand.
Mach' so sinnlos mich und trunken,
Dass ich nimmer schaue klar,
Wer das Bilderfeld betreten,
Wer daraus geschieden war.
Dass die Hefe deines Glases
Mich beglücke, hoffe ich:
Desshalb bet' ich Früh und Abends
Auf der Schenkenbank für dich.
Des erstorb'nen Herzens Seele
Lebte auf, jedoch erst dann,
Als ihr deines Hauches Düfte
Drangen in's Geruchsorgan.
Voll von Hochmuth war der Frömmler,
Unheilvoll war seine Bahn:
Doch der Zecher kam in Demuth
In dem Haus des Heiles an.
Alles bare Geld des Herzens
Gab ich hin und kaufte Wein:
Unecht war's; aus diesem Grunde
Schlug's verbot'ne Wege ein.
Gib Hafisen keine Lehren;
Fand doch nie den wahren Pfad
Ein Verirrter, dessen Gaumen
Süssen Wein verkostet hat.
75.74.73.72.71.70.69.68.67.66.65.64.63.62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[241] [243]75.

Seit der Gram um Ihn mein Herz bewohnet,
Ist Sein Haar nicht schwärzer als mein Sinn;
Seine Feuerlipp' ist Lebenswasser,
Feuer sprüht sein Wasser auf mich hin.
Eifrig sucht der Huma meines Strebens
Lebenslang schon jenes Hohen Spur;
Seine Hochgestalt ist's, die ich liebe:
Denn Verliebte suchen Hohes nur.
In dem Schatten Seiner Huld nur lebend.
Ward ich dessen nun beraubt. Warum?
Ambradüfte haucht der Morgen heute:
Treibt mein Freund sich auf dem Feld herum?
Meines Augenmeeres Thränen fassen
Eine Welt in Perlen hell und reich.
Hoch, Zipresse, stieg der Ruf Hafisens,
Der Beschreibung deines Wuchses gleich.
76.75.74.73.72.71.70.69.68.67.66.65.64.63.62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[243] [245]76.

Schön, mein Fürst, kömmst du einhergeschritten:
Sterben will ich d'rum zu Füssen dir;
Schön beweg'st du dich, mein holder Türke:
Sterben will vor deinem Wuchs ich hier.
»Wann – so sprachst du – willst du vor mir sterben?«
Was bedeutet diese grosse Hast?
Schön beschliessest du, und sterben will ich
Gern vor dem was du beschlossen hast.
Trunken bin ich, bin getrennt und liebe;
Doch der Schenkengötze zögert lang;
Dass vor seiner Hochgestalt ich sterbe,
Komm' er her mit anmuthvollem Gang.
Er, durch dessen Trennung ich erleide
Lebenslanger Krankheit Missgeschick,
Seh' nur Einmal her auf mich, und sterben
Will ich dann vor seinem Schelmenblick.
»Die Rubine meiner Lippen – sprachst du –
Schmerzen bald und heilen bald das Herz.«
Lass mich denn zuweilen vor der Heilung
Und zuweilen sterben vor dem Schmerz.
Schön beweg'st du dich; dich zu erschauen
Sei dem bösen Blicke nie erlaubt!
Aber dir zu Füssen will ich sterben,
Den Gedanken nähr' ich stets im Haupt.
In der stillen Kammer deiner Liebe
Findet für Hafis kein Plätzchen sich:
Lass denn du, der jeden Ort verschönert,
Sterben mich an jedem Ort für dich!
77.76.75.74.73.72.71.70.69.68.67.66.65.64.63.62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[245] [247]77.

Schon lang ist's, dass der Sehnsucht Brand
Die Seele mir verzehrt
Durch Wünsche, die mein ödes Herz
Zu jeder Stunde nährt.
Der Mann in meinem Auge ist
Getaucht in Herzensblut,
Weil Seiner Wange Sonnenquell
In meinem Busen ruht.
Ein Lebenswasser ist das Nass
Aus jenem Zuckermund,
Ein Abglanz jenes hellen Mond's
Der Sonnenscheibe Rund.
Seit ich den Vers vernahm: »Ich blies
Von meinem Geist ihm ein«,
Erkannte ich, Sein sei ich ganz
Und Er, Er sei ganz mein.
Geheimnisse der Liebe fasst
Nicht jedes Herz; fürwahr,
Die sinnigen und hohen sind
Nur meiner Seele klar.
Schweig', Prediger, und deute mir
Den Glauben länger nicht:
Mein Glaub' in beiden Welten ist,
Nur was mein Liebling spricht.
Erkenne bis zum letzten Tag'
Es dankbar an, Hafis,
Dass Freund und Gast vom ersten an
Dir jener Götze hiess.
78.77.76.75.74.73.72.71.70.69.68.67.66.65.64.63.62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[247] [249]78.

Deiner Wange Bild begleitet
Freundlich mich in jedes Land;
Deines Haares Düfte bilden
Meiner wachen Seele Band.
Gegen jeden Widersacher,
Der da nichts von Liebe weiss,
Ist die Schönheit deiner Züge
Wohl der sprechendste Beweis.
Sieh, der Apfel deines Kinnes
Warnet, also sprechend, dich:
»Tausende, wie Joseph, stürzten
Schon in meinen Brunnen sich.«
Wenn zu deinem langen Haare
Meine Hand den Weg nicht fand,
Ist's die Schuld des wirren Looses
Und der Kürze meiner Hand.
Zu dem Pförtner, der das Inn're
Des Palast's bewachet, sprich:
»In den Thürstaub meines Thronsaal's
Setzet stets ein Armer sich;
Tief verhüllt vor meinem Blicke
Ist dem Scheine nach er zwar,
Doch dem Blicke des Gemüthes
Stellt er sich erfreulich dar.
Klopft Hafis einst, um zu betteln,
An ein Thor, so schliess' ihm auf;
Denn mein Mond weckt sein Verlangen
Schon durch vieler Jahre Lauf.«
79.78.77.76.75.74.73.72.71.70.69.68.67.66.65.64.63.62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[249] [251]79.

Vorüber ist's, wenn einen Fehler
Begangen hat dein Moschushaar;
Vorüber ist's, wenn auch dein Inder
Hart gegen mich gewesen war.
Mag immerhin der Blitz der Liebe
Versengen eines Armen Saat!
Vorüber ist's, wenn einem Bettler
Ein mächt'ger König Unrecht that.
Mag immerhin des Holden Blicken
Ein liebend' Herz erliegen schier:
Vorüber ist, was Statt gefunden
Einst zwischen meinem Freund und mir.
Die Worteklauber fördern immer
Nur Tadel an das Licht; allein
Vorüber ist, was zwischen Freunden
Nicht recht und schicklich mochte sein.
Nichts Kränkendes für die Gemüther
Gibt's auf dem Pfade. Bringe Wein!
Vorüber ist nun deine Trauer,
Nicht deine Freude nur allein.
Der Liebe Launen muss man tragen,
D'rum harre muthig aus, o Herz!
Vorüber ist nun jeder Kummer,
Verschwunden jeder Unbill Schmerz.
Der Pred'ger tadle nicht Hafisen,
Weil aus dem Kloster er entwich;
Vorüber ist's, wenn er entwichen:
Nicht fesseln lässt der Freie sich.
80.79.78.77.76.75.74.73.72.71.70.69.68.67.66.65.64.63.62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[251] [253]80.

Ging je ein Mann beglückten Blickes
Die Seligkeit zu suchen aus,
So ging er in der Schenke Winkel
Und in des freien Willens Haus.
Der Wand'rer löste mit dem Glase,
Das einen halben Menn enthält,
Die tiefverhüllten Räthsel alle
Bezüglich auf die Sinnenwelt.
O komm und horche meinem Wissen,
Denn jedes Wort aus meinem Mund
Gibt, durch des heil'gen Geistes Gnade,
Was er mich Weises lehrte, kund.
Von meinem Schicksalsstern begehre
Nichts And'res je als Trunkenheit,
Denn mein Geburtsstern schon bestimmte
Mich nur zu solcher Thätigkeit.
Als Morgens du hieher gekommen,
Schien deine Laune mir getrübt:
Hast du vielleicht beim Abendweine
Zu vielfach deine Pflicht geübt?
Ein Wunder, scheint es, wolle wirken
Der Arzt, der 'Îsa's Hauch besitzt,
Weil mir, dem gar so schwer Erkrankten,
Kein ärztlicher Besuch mehr nützt.
O tausend Dank, dass gestern Abends
Hafis der Schenke Schatz verliess
Und in dem Winkel sich des Klosters
Der Pflicht und Andacht niederliess!
81.80.79.78.77.76.75.74.73.72.71.70.69.68.67.66.65.64.63.62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[253] [255]81.

Fort ist Er, und vom Rubine
Seiner Lippe nippt' ich nicht;
Fort ist Er, und satt nicht schaut' ich
Mich an Seinem Mondgesicht.
Scheint es doch, mein Umgang habe
Ihn versetzt in grosse Pein;
Fort ist Er, den Bündel schnürend,
Und ich holt' Ihn nimmer ein!
Fātĭhās und Stossgebete
Waren's, die ich häufig sprach;
Fort ist Er; die Sure: Treue
Hauchte ich umsonst Ihm nach!
Schmeichelnd sprach Er: »Nimmer werd' ich
Aus des Willens Dorfe geh'n.«
Fort ist Er, Sein Schmeicheln täuschte,
Und du hast's nun selbst geseh'n.
»Wer mich will besitzen – sprach Er –
Trenne von sich selber sich.«
Fort ist Er, und weil ich hoffte,
Trennt' ich von mir selber mich.
Auf der Huld und Anmuth Wiese
Schritt Er stolz einher; allein
Fort ist Er, und nie betrat ich
Seiner Vollgunst Rosenhain.
Wie Hafis hab' ich gejammert
Und die ganze Nacht geklagt;
Fort ist Er und weh, ich habe
Nicht Ihm Lebewohl gesagt!
82.81.80.79.78.77.76.75.74.73.72.71.70.69.68.67.66.65.64.63.62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[255] [257]82.

Weh! Mich liess der Freund an Kummer
Und an Weh gebannt und floh;
Setzte mich, dem Rauche ähnlich,
Auf den Feuerbrand und floh;
Reichte mir, dem Liebetrunk'nen,
Nicht ein einz'ges Gläschen dar,
Gab mir aber Gift zu kosten
Mit der Trennung Hand und floh.
Als ich seine Beute wurde,
Liess er mich im Meer des Gram's
Wund und krank; und seinen Zelter
Spornte er gewandt und floh.
Als ich sprach: »Vielleicht gelingt es
Ihn mit List zu fesseln mir,«
Fuhr er auf; mein Glückesrenner
Schreckte sich und rannt' und floh.
Weil mein Blut den Raum im Herzen
Allzu enge fand, geschah's,
Dass es rosig aus den Augen
Durch das Feld sich wand und floh.
Weil der Knechtschaft Wonne nimmer
Diesem Sklaven ward zu Theil,
Sandt' er Grüsse ab und küsste
Jener Schwelle Rand und floh.
Schleier deckten noch die Rose,
Als der Morgenvogel schon,
In Hafisens Garten eilend,
Stoff zu Klagen fand und floh.
83.82.81.80.79.78.77.76.75.74.73.72.71.70.69.68.67.66.65.64.63.62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[257] [259]83.

Keiner lebt, der nicht als Opfer
Jener Doppellocke fiel,
Denn, wer traf nicht Unglücksnetze
Auf dem Wege nach dem Ziel?
Spiegelt sich in deiner Wange
Nicht der Gottheit Strahlenglanz?
Ja in Wahrheit; und hierüber
Schwindet jeder Zweifel ganz.
Nicht dein Antlitz mehr zu schauen
Macht der Frömmler mir zur Pflicht:
Schämt er sich denn vor dem Schöpfer
Und vor deinem Antlitz nicht?
Weine, Morgenkerze, weine
Über mich und über dich!
Denn geheime Gluth verzehret
Wohl nicht minder dich als mich.
Gott den Herrn ruf' ich zum Zeugen,
– Und sein Zeugniss gilt fürwahr –
Dass mehr Blut als ich schon Thränen
Nie vergoss der Zeugen Schaar.
So zu kosen wie dein Auge
Wünschte die Narzisse sehr:
Doch das arme Aug', von Liebe
Und von Schimmer ist es leer!
Schmücke doch, um Gotteswillen,
Nicht dein Haar mit solcher Pracht,
Sonst bekomm' ich hundert Streite
Mit dem Ostwind jede Nacht!
Gestern ging Er. »Götze«, – sprach ich –
»Wort zu halten sei dir Pflicht!«
Und Er sprach: »Du irr'st, o Lehrer!
Diese Zeit kennt Treue nicht.«
[259][261]
Da dein Aug' selbst frommen Klausnern
Ihre armen Herzen raubt,
Halte ich dir nachzufolgen
Nimmermehr für unerlaubt.
Komm zurück, o Herzensfackel,
Komm, denn ohne dein Gesicht
Gibt es bei dem Zechgelage
Keine Freude und kein Licht!
Wenn der Wirth mein Meister wurde,
Ändert das die Sache? Nein;
Schliesst doch jedes Haupt des Menschen
Ein Geheimniss Gottes ein.
Zu der Sonne aufzurufen:
»Sieh' doch, mir entquillt das Licht!«
Schickt sich – wie Verständ'ge wissen –
Für Sŭhā, das Sternchen, nicht.
Für den Fremdling Sorge tragen
Gilt für eine edle That;
Dies Gesetz scheint mir, o Seele,
Nicht bekannt in deiner Stadt.
Wer da liebt, der wird getroffen
Von des Tadels Wurfgeschoss:
Schützt doch auch kein Schild den Helden,
Wirft mit Pfeilen ihn das Loos.
In des Frömmlers stiller Zelle,
In des Ssofi Klause gar
Ist der Winkel deiner Brauen
Der allein'ge Bet-Altar.
Der du deine Hand getauchet
In Hafisens Herzensblut,
Denk'st wohl nicht, der Koran Gottes
Räche einst den Übermuth.
84.83.82.81.80.79.78.77.76.75.74.73.72.71.70.69.68.67.66.65.64.63.62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[261] [263]84.

Durch den Schimmer deiner Wange
Wird ein jeder Blick erhellt,
Durch den Staub an deiner Pforte
Jedes Aug' von Dank beseelt.
Wer dir in das Antlitz blicket,
Fühlet Liebe: und fürwahr,
Es bewegt in jedem Haupte
Sich die Lust nach deinem Haar.
Wundert's dich, wenn meine Thräne
Sich aus Gram geröthet hat?
Jeder, der Verrath geübet,
Schämt sich der begang'nen That.
Meines Auges Wasser schuldet
Dank dem Staube deiner Thür:
Hundertfachen Dank auch zollet
Jeder Thürstaub ihm dafür.
Dass sich nimmer dir ein Stäubchen
Setze auf des Kleides Saum,
Hat der Strom aus meinem Auge
Überfluthet jeden Raum.
Wer ein Zärtling ist, der trete
Keine Liebesreise an:
Jede Gattung von Gefahren
Trifft man stets auf jener Bahn.
Dass vom Abend deiner Locke
Er nicht schwätze überall,
Bin ich mit dem Ost zu hadern
Jeden Morgen in dem Fall.
Schlimm zwar ist's, wenn ein Geheimniss
Durch des Vorhang's Hülle bricht;
Dennoch kömmt im Kreis der Zecher
Jeder Vorfall an das Licht.
[263][265]
Mein Geburtsstern nur, der böse,
Kränkt mich, weil sonst Jedermann,
Vom Geschicke mehr begünstigt,
Deinem Dorfe nahen kann.
Weil vor deiner süssen Lippe
Er sich schämt, o Honigquell!
Taucht nun jedes Stückchen Zucker
Sich in Schweiss und Wasser schnell.
Nicht nur mir, dem Herzberaubten,
Blutet stets durch dich das Herz;
Füllt mit Blut doch alle Herzen
Deiner Liebe Gram und Schmerz.
In der Wüste deiner Liebe
Schrumpft der Leu zum Fuchse ein;
Weh der Strasse, wo Gefahren
Stets sich an Gefahren reih'n!
Dass ich lebe, zeigt ein Name,
Ach, und zeigt ein Zeichen nur!
Bleibt ja sonst von meinem Leben
Nicht die allerkleinste Spur.
Missvergnügt machst du Hafisen:
Ausser dieser Kleinigkeit
Wohnt in dir vom Haupt zum Fusse
Jede Art von Trefflichkeit.
85.84.83.82.81.80.79.78.77.76.75.74.73.72.71.70.69.68.67.66.65.64.63.62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[265] [267]85.

Wonne lässt der Blick des Wirthes
Und Genuss erwarten;
Wundervoll sind Luft und Wasser
In der Schenke Garten.
Billig war's, dass edle Häupter
Ihm zu Füssen lagen:
Unverschämte Kühnheit wär' es,
Mehr davon zu sagen.
Wer vom Himmelshaus und Eden
Spricht in reichen Bildern,
Will dadurch der Rebentochter
Haus nur klarer schildern.
Mein Gemüth, das würzig duftet,
Wünscht nur Weinrubine;
Doch der Geizhals wünscht des Silbers
Und des Goldes Mine.
Gott schrieb Jedem auf die Stirne
Was er mag erreichen:
Kába, Tempel, Höll' und Himmel
Sind die äusser'n Zeichen.
Lass die Mährchen! Schatz und Schlange
Weilen stets beisammen,
Des Propheten Glücke drohte
Bŭlĕhēb mit Flammen.
Wahre Grösse gleicht der Perle
Ungetrübtem Schimmer;
Mühe dich! denn wahre Grösse
Liegt im Stammbaum nimmer.
Ewig strebt das Herz Hafisens
Durch des Schöpfers Gnade
Tag und Nacht mit regem Fleisse
Nach demselben Pfade.
86.85.84.83.82.81.80.79.78.77.76.75.74.73.72.71.70.69.68.67.66.65.64.63.62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[267] [269]86.

Ein Fallstrick für den falschen Glauben,
Wie für den wahren, ist dein Haar
Und stellt sich als ein zartes Pröbchen
Aus Gottes Künstlerwerkstatt dar.
Die Schönheit selbst staunt deine Reize
Gleich einem Wunder an; allein
Was man von deinem Blick erzählet,
Sind gar erst off'ne Zauberei'n.
Die Wunder, die einst 'Îsa wirkte,
Entkräftet deiner Lippen Paar,
Und einem starken Seile gleichet,
Was man erzählt von deinem Haar.
Gezollt sei jenem schwarzen Auge
Des Beifalls hundertfacher Zoll.
Denn Zauberei erschafft's und lehret,
Wie man Verliebte morden soll.
Es ist der Liebe Sternenkunde
Die wunderbarste Wissenschaft,
Da sie zum siebenten der Himmel
Die siebente der Erden schafft.
O sage nicht, die Seele rettend
Stieg der Verläumder in das Grab:
Er legt erst den geehrten Schreibern
Die Rechnung seiner Thaten ab.
Wie kann ich wohl die Seele retten
Vor Seines Auges Schelmerei?
Ich weiss ja, dass mit einem Bogen
Er lauernd im Verstecke sei.
Hafis, vor Seiner Lockenschlinge
Sei immerdar auf deiner Hut!
Er hat dir schon das Herz geraubet
Und strebt nun nach des Glaubens Gut.
Es trank Hafis von jenem Weine,
Der aus dem Glas der Liebe winkt:
Und hier nur ist der Grund zu finden,
Warum er immer zecht und trinkt.
87.86.85.84.83.82.81.80.79.78.77.76.75.74.73.72.71.70.69.68.67.66.65.64.63.62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[269] [271]87.

Die Faste schwand, dem Feste weichend.
In Aufruhr ist das Herz versetzt;
In Schenken hat der Wein gegohren,
Und Wein verlangen soll man jetzt.
Die Zeit für die so schweren Seelen
Der Tugendprahler ist dahin,
Indem die Zeit der Lust und Wonne
Für alle Zechenden erschien.
Was trifft wohl Jenen für ein Tadel,
Der, so wie ich, getrunken Wein?
Nicht Schande kann es und nicht Sünde
Für die verliebten Zecher sein.
Ein Trunkenbold, in dessen Herzen
Sich nimmer Falsch und Trug geregt,
Ist besser als ein Tugendprahler,
Der Falsch und Trug im Herzen trägt.
Ich bin kein gleissnerischer Zecher
Und bin kein Freund der Heuchelei,
Und Gott, der das Geheimste kennt,
Ist Zeuge, dass dies Wahrheit sei:
Ich thu', was Gott zu thun befohlen,
Und handle gegen Niemand schlecht,
Und was man mir als unrecht schildert,
Das schild're nimmer ich als recht.
Was thut's, wenn ich und du zusammen
Ein Gläschen leeren oder mehr?
Stammt ja der Wein vom Blut der Reben,
Und nicht von deinem Blute her.
Dies halte ich für keinen Fehler,
Der Ander'n Nachtheil bringen kann:
Und wär's ein Fehler auch zu nennen;
Wo lebt der fehlerfreie Mann?
Lass das Warum und Wie, und trinke,
Hafis, durch eine kurze Zeit!
Bei Gottes Weisheit sind die Worte:
Wie und Warum – Unmöglichkeit.
88.87.86.85.84.83.82.81.80.79.78.77.76.75.74.73.72.71.70.69.68.67.66.65.64.63.62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[271] [273]88.

Es stimmt zur Trauer mich die Welt
Und was in ihr mag sein;
Das Inn're meines Herzens fasst
Nur meinen Freund allein.
Wenn aus der Liebe Rosenflur
Ein Duft mich angeweht,
So springt mein Herz wie Knospen auf,
Von Wonne aufgebläht.
Wollt' ich, der Narr, ein Rather dir
Auf Liebespfaden sein,
Das Mährchen wär's vom närr'schen Mann,
Vom Kruge und vom Stein.
Zum Frömmler sprich: »O spare mir
Den Tadel, denn fürwahr
Der Augenbrauen Wölbung nur
Erscheint mir als Altar.«
Die Kába und des Weines Haus,
Sie gleichen sich gar sehr,
Denn, wo du hin in beiden blick'st,
Allüberall ist Er.
Um Kālĕndēr zu sein, genügt
Bart, Haar und Braue nicht:
Der Kālĕndēr berechnet stets
Gar haarklein seine Pflicht.
Entsagen einem Härchen, fällt
Dem Kālĕndēr nicht schwer:
Wer, wie Hafis, dem Haupt entsagt,
Nur der ist Kālĕndēr.
89.88.87.86.85.84.83.82.81.80.79.78.77.76.75.74.73.72.71.70.69.68.67.66.65.64.63.62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[273] [275]89.

Wird vor der Gestalt des Freundes
Die Zipresse je erwähnt?
Hat die Schlanke doch vom Freunde
Ihre Hochgestalt entlehnt.
Nimmer will ich Sein gedenken
Unter der Zipresse Bild;
Hoch zwar ist sie, die Zipresse,
Doch von Selbstsucht auch erfüllt.
Dennoch steht Er, als Zipresse,
Stets an meines Auges Rand:
Hat doch stets am Stromesufer
Die Zipresse ihren Stand.
Seines Haares, Flaum's und Maales
Dachte oft die Morgenluft
Im Gespräche mit dem Moschus;
D'rum verhaucht er süssen Duft.
Über seinem hellen Monde
Schwebt ein Schriftzug, hoch und frei:
Wer enträthselt, ob's ein Neumond,
Oder eine Braue sei?
Tausend Seelen opfr' ich Jenem,
Dessen Haupt beim Liebesspiel
Gleich dem Balle in das Häkchen
Seines Locken schlägels fiel.
Soll Sein Mund den Wunsch des Herzens
Dir erfüllen, folge nicht,
Gleich Hafisen, Seinem Auge,
Das auf Streit nur ist erpicht.
90.89.88.87.86.85.84.83.82.81.80.79.78.77.76.75.74.73.72.71.70.69.68.67.66.65.64.63.62.61.60.59.58.57.56.55.54.53.52.51.50.49.48.47.46.45.44.43.42.41.40.39.38.37.36.35.34.33.32.31.30.29.28.27.26.25.24.23.22.21.20.19.18.17.16.15.14.13.12.11.10.9.8.7.6.5.4.3.2.1.Erster BandDiwan des HafezLyrikḤāfeẓ, Šams o'd-din MoḥammadDer Buchstabe Te

[275] [277]90.

Du fassest, Freund – da liegt der Fehler –
Nicht richtig auf das was man spricht,
Hörst du verständ'ge Männer sprechen,
So zeihe sie des Irrthums nicht.
Mein Haupt, es beugt sich nicht, und gälte
Es diese und die and're Welt;
Gelobt sei Gott für all' die Listen,
Die mein verschmitztes Haupt enthält!
Wer schlich – ich kann es nicht begreifen –
Sich in mein krankes Herz hinein?
Denn, während ich mich stumm verhalte,
Hör' ich es lärmen d'rin und schrei'n.
Mein Herz trat aus des Vorhang's Hülle:
Wo weilest du, o Sänger, nun?
Auf, klage! denn nur diese Weise
Bringt reine Stimmung in mein Thun.
Noch hat's der Welt und ihrem Treiben
Mich zu erfreuen nie geglückt:
Dein Antlitz nur hat für mein Auge
Mit solchen Reizen sie geschmückt.
Ein Traumbild liess mich Nachts nicht schlafen
Und schwebte stets mir vor dem Sinn;
Berauscht bin ich von hundert Nächten: –
Wo führt der Weg zur Schenke hin?
Da mit dem Blute meines Herzens
Besudelt ward der Zelle Wand,
So ist – wollt Ihr mit Wein mich waschen –
Das volle Recht in Eurer Hand.
Man hält mich in dem Maghen-Kloster
Schon aus dem Grunde lieb und werth,
Weil eine Gluth, die nie verlöschet,
Beständig mir am Herzen zehrt.
[277][279]
Auf welchem Instrumente spielte
Vergang'ne Nacht der Sänger wohl?
Schon schwand mein Leben, und noch immer
Ist mein Gehirn von Klängen voll.
Man rief den Aufruf deiner Liebe
Vergang'ne Nacht mir in das Herz:
Mein Busenfeld erfüllt noch immer
Der Wiederhall im Sehnsuchtsschmerz.
Seit jener Zeit, als zu Hafisen
Des Freundes holde Stimme drang.
Ist seines Herzens Berg in Sehnsucht
Noch immer voll vom süssen Klang.