[45] Klingelbeutel

Der Klingelbeutel klingelt im Kirchenstuhle:
Almosen den Hungerleidern in unsrer Schule!
Viel hundert Kinder hungern von Tag zu Tage,
Die »Presse« schreibt es, das Faktum ist außer Frage;
Barmherzig war der biedere Bürger von je,
Mit eurem goldenen Herzen, o stillt das Weh!
Den braven Bürger kitzelt's gütig und gruselt's,
In seinem faulen Hirne dämmert's und duselt's.
Am Hungertuche – kaum glaublich scheint die Geschichte –
Vorläufig gebe man ihnen Erbsengerichte!
Drei Deziliter! Hülsenfrüchte sind gut,
Fleischkost, ja, ja, verdickt und verdirbt das Blut.
Nun wird der Rahm der Humanität gebuttert,
Die armen Kinder privatwohltätig gefuttert:
Des echten Christen Wohltat muß sich verzinsen,
Drum opfern mild wir Erbsen, Bohnen und Linsen.
Der Fabrikant bekreuzt sich und denkt: Parbleu!
Helft, helft! Die industrielle Reservearmee!
[46]
Ich aber sage euch: Alles muß anders werden,
Ein groß Geräusch wird fahren über die Erden!
Aus allen Winkeln hör' ich es heimlich brausen,
Meine dunkle Seele durchzuckt ein leuchtend Grausen:
Der Klingelbeutel empörter Natur geht um,
Ihren Kreuzer die Dirne opfert und weinet stumm.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek