Eine Theodicee

1763, November.


»Erwache!« sprach ein Gott, und sieh! ich sah,
Und weite Nacht war um mich da,
Und über mir ein Heer gesä'ter Sterne
Erhob mein Aug'! Wie der, dem Orkus nah
In Cimmers Kluft nur Höllenstimmen ferne
Herrauschen hört, nur ew'ges Schwarze sah
Und, schnell ins Meer des Lichts entzückt,
Weitäugig starrt – halb sieht – nur Zauberei erblickt –
Schon sehen lernt – und sieht, sieht Alles Pracht!
Er fühlt's, nennt, stammelt: »Schön!« und lacht:
So stand ich, staunte, griff nach Sternen, staunte mehr,
Und Wirbelwind ward um mich her.
Schnell bin ich hoch – tief unter mir die Erde,
Bei mir ein Gott, Mensch an Geberde,
Vor mir der Sonnenkreis.
Ich sah Unendliches – ich fühl und seh' und höre
Die Harmonie der ganzen Sphäre,
Was Newton zählt, der Seraph weiß
Und Gott erschuf. – Gott, Du bist hier;
Der Seraph singt Dir, Newton forscht dort Sterne,
Die ich von ihm einst, meinem Seraph, lerne,
Und ich – hier knie' ich Dir.
O Du, von dem einst Funken, Sonnen, troffen,
Der von dem Chaos Klöße riß –
Noch fühlen sie den Wurf; sie laufen dort, sie brennen,
Bis einst Dein Wink ins Nichts sie stieß.
Noch glänzt im Mittelthron die Sonn', Dein Bild,
Die um sich Welten ewig ohne Ruh
An goldnen Seilen lenkt. Die stelltest Du!
Wer, wo bist Du? – Könnt' ich Dich, ach, nur sehn, nicht nennen!
Wen? – Dich, in Sonnen und ins Nichts verhüllt!
Du schufst da Was und Wenn und Wo?
Und bist Du –?
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Ach, Erde, Mutter, der ich bin,
Was bist Du? mir schon! was dem Erdengeist,
Der von dem höchsten irdischen Gedanken hin
In Deine Tiefe blickt und Engel wird?
Und was denn Gott? O Gott, mein Auge irrt
Ueber und unter mir umher – mir wird
Das All zum Nichts, das Nichts zum Allen!
Du bist im Nichts das All. – Wer reißt
Mich los von Erd' und Sonne? dort sind Sonnen!
Sonnen, wo ist die, um die Ihr Erden seid?
Wo ist des Allen Kraft? wo hat das Was begonnen?

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