[295] Sorrent

Rückkehr zur Natur

Als hätt' uns lang ein Zwist geschieden,
Der nun geschlichtet wunderbar,
So trat ich ein in deinen Frieden
Und ward im Tiefsten still und klar.
Ich sah das Meer sich leuchtend dehnen,
In Frühlingswonnen stand die Flur,
Da warf ich wieder mich in Tränen
An deine Mutterbrust, Natur.
Ich kannte dich, und doch im stillen
Trotzt' ich der Liebe, die mich zwang,
Die um den spröden Eigenwillen
So zarte Fesseln freundlich schlang.
Am Geiste sucht' ich mein Genügen,
Und zahme Schwäche schien mir's nur,
Mich unter deine Zucht zu fügen
Und still zu wandeln deine Spur.
Du schwiegst, und fort und fort in Treuen
Geselltest du dich nah zu mir,
Den nicht'gen Unmut zu zerstreuen,
Und riefst so sanft: Ich bin bei dir!
Du sahst mich an aus Himmelsreine,
Aus Wald und Blumen mütterlich –
Umsonst! Nicht war ich mehr der Deine,
Und so verscherzt' ich dich und mich.
Empfinden sollt' ich's. Wie die Schwüle
Des engen Tagwerks mich umfing,
Wie mir im hastigen Gewühle
Der gleiche Mut verloren ging –
[296]
Der Leib verfiel dem langen Kranken,
Die Seele zittert' in der Pein,
Da zogen sehnliche Gedanken
An deine Heilkraft in mich ein.
Und nun! – O, magst du schon dem Knaben
Die noch verhüllte Seele weihn,
Den Mann aus hundert Quellen laben,
Dem Greisen eine Freistatt sein:
Nur wer genest, fühlt ganz tief innen
Die Fülle deiner Liebeskraft,
Und rein und reizbar noch an Sinnen,
Umfängt er dich mit Leidenschaft.
So nimm mich wieder, hehres Leben,
In deinem Schoße birg den Sohn!
Du lächelst mir, du hast vergeben
Und segnest den Verirrten schon.
Du übertönst mit Vogelstimmen
Die Beichte, die dein Ohr vernahm,
Und in des Morgens Glühn und Glimmen
Begräbst du dieses Rot der Scham.

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