[202] Weihnachten 1869
An Anna
Ich wollt' auch heute zu dir sprechen
Wie ich's gewohnt zur Weihenacht,
Doch zwischen alle Worte brechen
Die Tränen vor mit Übermacht.
Noch ist zu frisch, was wir erlitten,
Die Lebenswunde nicht vernarbt;
Noch ist der Friede nicht erstritten,
An dem so bitter wir gedarbt.
Doch zürne nicht, wenn schon die Flügel
Hoffnung zu lüften sich erkühnt,
Noch eh' auf unsres Kindes Hügel
Ein Halm des Lenzes wieder grünt.
Laß träumen mich von künftg'en Zeiten,
Wo nach dem lichterhellen Baum
Sich kleine Ärmchen wieder breiten
Und Jauchzen füllt den stillen Raum.
Du aber nimm das Pfand der Treue,
Und mahne dich im Gold das Grün,
Daß du noch hoffen darfst, aufs neue
Zu lächeln, wenn die Kerzen glühn.
Nur inniger durch den Bund der Schmerzen
Hat uns vereinigt das Geschick.
So halt' ich fest dich Herz am Herzen,
Du meine Jugend, du mein Glück!