In Florenz

Florenz! O helle Tag' und Nächte,
Einst hier verschwärmt, wie liegt ihr weit!
Wer einen Hauch uns wiederbrächte
Der wonnevollen Knospenzeit!
Du noch so jung, so glückbeklommen,
Des Götterneides unbewußt,
Und ich, der manchen Strom durchschwommen,
Gelandet nun an deiner Brust!
Weißt du, wie in der Abendkühle
Wir wandelten den Fluß entlang,
Wie zärtlich fest sich im Gewühle
Mein Arm um deine Schulter schlang?
Herab den Arno kam gefahren
Mit Fackeln und Musik ein Kahn,
Daß wir den Widerschein, den klaren,
In unsern Augen blitzen sahn.
Und dort im Mezzanin die Zimmer,
Die unser junges Glück bewohnt,
Wo nachts mit seinem Märchenschimmer
Verstohlen zu uns kam der Mond;
Wenn vor dem Spiegel du die Locken
Dir löstest mit der schlanken Hand,
Noch stets erglühend süßerschrocken,
Weil dein Geliebter bei dir stand!
[242]
Und wenn ich dann beim Tageslichte
Dich durch die heitre Stadt geführt,
Wie ernstbemüht wir Kunstgeschichte
In Farb' und Stein und Erz studiert!
Des Tizian himmlische Gestalten,
Sie rührten kaum die Seele mir;
Kaum konnt' ich mich des Rufs enthalten:
Ich weiß, was holder ist als ihr!
Da sah vom hohen Fußgestelle
Der eh'rne Perseus fremd mich an.
Ist's wahr, schwermütiger Geselle,
Daß du es einst mir angetan?
Daß ich in hellen Jugendjahren
Die Mär zu deuten wohl vermeint
Von jenem Haupt mit Schlangenhaaren,
Das sterbend dir die Welt versteint?
Und jetzt – nur kurze Frist vergangen –
Wie anders kehren wir zurück!
Noch hält mein Arm dich fest umfangen,
Doch unterm Schleier weint mein Glück.
Du alles, was mir blieb vom Leben,
So sterbensmüd, so still und blaß –
Ich frage mit geheimem Beben:
Wie lang, ihr Götter, bleibt mir das?
Ja, lieblich war, was wir besessen,
Wir drückten's jubelnd an die Brust.
Doch um so bittrer unermessen
Wühlt nun im Tiefsten der Verlust.
Das Glück mit seinem süßen Lachen,
Es flog den wilden Strom hinab,
Gleich jenem lichterhellen Nachen,
Versunken in ein dunkles Grab.
Und wir – an all den alten Stätten
Verwandelt blicken wir uns um.
Wir möchten aus dem Lärm uns retten
In ein unnahbar Heiligtum.
[243]
Wir sehn den alten Halbgott winken
Und wissen jetzt erst, was sie meint,
Die Mär vom Haupt in seiner Linken,
Das sterbend ihm die Welt versteint.

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