MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten
1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

Marianne

(1869)

1.

Wie hast du nur hinweg dich stehlen können
Aus dieser Lichtwelt, ohne – böses Kind! –
Mir einen Scheideliebesblick zu gönnen!
Hast, da ich arglos ferne war, geschwind
Dich fortgeschlichen, ohn' ade zu sagen,
Und ich, in Tränen, suche nun mich blind!
Sonst, wenn du frühe schon an Sommertagen
Spazieren gingst und ließest dich hinab
Die Treppe nur bis in den Garten tragen,
Da klopftest du, bis ich dir Einlaß gab,
Und botst das Mäulchen mir, bewegtest winkend
Schalkhaft das kleine Händchen auf und ab.
Und ich, von deinen Lippen Freude trinkend,
Zog dich ans Herz und gab dich zögernd frei,
Mich aller Väter glücklichsten bedünkend.
Nun brachst du scheidend mir das Herz entzwei.
Ich durfte nicht dir von den Lippen küssen
Den letzten Seufzer, ach, den letzten Schrei.
Warst du so klug, mein Liebling, um zu wissen,
Daß dieser Abschied, dieser jammervolle,
Mein Leben hätte mit hinweggerissen?
Das Graun, daß ich dahin dich geben solle
Dem Reich der Nacht, mich hätte selbst verleitet,
Dir nachzuschleichen unter deine Scholle?
O Kind, du hast das Schlimmre mir bereitet,
Daß des versäumten Abschieds mahnend Bild
Auf Schritt und Tritt gespenstisch mich begleitet;
Daß mir nun ist, als könn' ich ins Gefild
Des Lebens keinen festen Schritt mehr tun,
Eh' ich den letzten bangen Wunsch gestillt.
[189]
Und wenn ein wenig kaum die Schmerzen ruhn
Und Lebenshoffnung sich hervor will wagen,
Bebt plötzlich mir das Herz, als sollte nun
Mein Kind erst kommen, gute Nacht! zu sagen.
2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

2.

Denkst du des Abends noch im Karneval?
Die Kinder hatten auch ihr Mummenschänzchen
Und drehten sich vergnügt in Flur und Saal.
Und unser Nestling, noch ein zartes Pflänzchen,
Doch mit der Lust den Beinchen weit voraus,
Verlangte wie die andern auch sein Tänzchen.
Wie sah das süße Dirnchen reizend aus
Im Schwabenhäubchen, goldgesticktem Mieder,
Vielfalt'gem Rock mit Bändern braun und kraus.
Wie sah es sich im Spiegel immer wieder
Und lachte selbst sich an, das Evaskind,
Und regte nach dem Takt die kleinen Glieder.
Und da ich's auf den Arm nahm und geschwind
Im Kreise schwang, die kleine Tänzrin wiegend,
Die Härchen flogen ihr im Wirbelwind.
Sie aber saß, sich furchtlos an mich schmiegend
Und sah auf das Getümmel stolz herab;
Mehr! bat sie, mehr! mit Schmeicheln mich besiegend.
So unermüdlich flog sie auf und ab.
Die wird viel Schuhe brauchen! sagt' ich lachend,
Als ich sie endlich ihrer Wärtrin gab.
Und wir dann scherzten, stolze Pläne machend,
Wie über sechzehn Jahr wir nächtelang
Dasitzen würden, unsern Schatz bewachend;
Wenn mit dem Veilchenkranz bei Geigenklang
Das schlanke Kind sich wiegen würd' im Tanze
In heller Jugendwonnen Überschwang,
Und wie mit ihrer Augen dunklem Glanze
Sie Herzen würde, jung und alt, gewinnen
Und uns anlächeln unter ihrem Kranze.
Und nun – nun führt' ein Tänzer sie von hinnen,
Dem sie mit Sträuben folgte, dessen Reigen
Das Blut ihr in den Adern ließ gerinnen.
[190]
Wir hören keinen Ton von muntern Geigen,
Weiß ist der Kranz, die Wangen und das Kleid,
Und wir – wir hüten unser Kind in Schweigen,
Denn Spiel und Tanz ist aus, lang vor der Zeit.
3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

3.

Schläfst du? Es ist schon Tag. – Ist's wirklich Tag?
Mich dünkt, die Nacht ist eben angebrochen.
Mein Ohr ist taub dem frühen Stundenschlag.
Es lauscht, wie es getan seit so viel Wochen,
Ob noch das Stimmchen uns nicht rufen will,
Das Fingerchen an unsre Türe pochen.
Rief es nicht da? Nein; alles totenstill,
Und nur der Gram, der über Nacht geruht,
Schreit plötzlich auf mit Stöhnen, bang und schrill.
Ist's möglich? Nie mehr wird es uns so gut,
Durch unsres Kindes Weckruf zu erwachen?
O wie das wehe, wie das wehe tut!
Nie mehr zu hören, wie mit leisem Lachen
Im Zwielicht etwas tappt an unser Bette
Bis uns gefällt, die Augen aufzumachen,
Und dann, nie rastend an derselben Stätte,
Sich in die Decke wickelt und versteckt,
Als ob die Schnecke nun ihr Häuschen hätte;
Bald neben uns sich wie zum Schlafen streckt,
Und wenn es eben mäuschenstille lag,
Mit neuer Schelmerei uns jauchzend neckt.
Das soll nie wiederkommen, und den Tag,
Den sonnenlosen, soll man überleben,
Wo man erwacht ist ohne Lerchenschlag?
Wohl! ins Notwend'ge gilt's sich zu ergeben;
Wir werden's, du und ich. Doch keine Hand
Wird je von unserm Tag den Schleier heben,
Bis aus des Lebens Grund emporgesandt
Ein neues Glück uns anlacht, als ein Bote
Der Hoffnung, die so frühe schon entschwand,
Ein kurzer Traum im Lebensmorgenrote.
4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

[191] 4.

Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten?
Ich war verwöhnt, hinweg von meinem Blatte
Oft auf ein kleines Haupt den Blick zu richten;
Und wenn das Sinnen mich ermüdet hatte,
An seinem Schlaf den wachen Geist zu stärken,
Die Stirne küssend ihm, die lilienglatte;
Auf seines Atems Ebb' und Flut zu merken,
Als ob ein Hauch von unbewußtem Sein
Sich mische so den wohlbedachten Werken.
Und wacht' es auf, so lief's zu mir herein
Und wollte mich durchaus zum Spielgesellen
Und ruhte nicht, bis wir den Ball zu zwein
Hin über meinen Teppich ließen schnellen,
Auch wohl, wenn ich beharrlich weiter schrieb,
Kramt' es die Bücher mir von den Gestellen,
Holdselig lachend, der verschmitzte Dieb,
Droht' ich, den Raub ihm wieder abzujagen,
Bis sorglich ihn die Wärterin vertrieb:
»Du störst Papa; laß zur Mama dich tragen!«
Nun – bittrer Hohn! – nun stört mich niemand mehr;
Das Leid darf ungestört am Herzen nagen.
Nun hab' ich Ruhe, doch die Ruh' ist leer.
Der Faden, den die süßen Kinderhände
Mir oft zerrissen, flattert um mich her.
Fortspinnen könnt' ich ihn getrost ohn' Ende,
Doch läuft er grau in grau, gleich Spinneweben,
Ein Tun, daran kein Mensch Gefallen fände.
Versiegt ist nun der Born von jungem Leben,
Drin ich die Fäden eingetaucht, der Quell
Ew'ger Natur, der ihnen Halt gegeben.
Kein Spiel ergötzt mich, seit mein Spielgesell
Mir untreu ward, und die den Ernst mir weihte,
Die Freude fehlt, dies Lachen silberhell,
Das mir in der Gedanken Widerstreite
Aufblitzte, wie ein Licht in Finsternissen,
Das den verworrnen Geist zum Ziele leite.
[192]
Wertlos ward mir das Bilden, schal das Wissen.
Die Bücher stehn wie tot in ihren Reihn,
Und was ich sonst bedurft, nun kann ich's missen –
In all mein Leben grinst der Tod hinein.
5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

5.

Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!
So schmerzlich süße Bilder wecken sie,
Daß ich der Tränen kaum mich kann erwehren.
Saß nicht beim Nachtisch stets auf meinem Knie
Das liebe Kind, mit ungeduld'ger Bitte,
Bis ich der Schmeichlerin den Teller lieh?
Und dann mit spitzen Fingern aus der Mitte
Die schönsten Beeren lesend, immer zwei
Für sich erwählte sie, für mich die dritte.
Oft zweifelt' ich bei mir, was röter sei,
Die Waldfrucht oder meines Kindes Lippen;
Was süßer, wußt' ich wohl. Das ist vorbei.
Nie wirst du mehr aus meinem Glase nippen,
Nie mehr von einem Teller mit mir naschen,
Nie mehr, Bachstelzchen, auf dem Schoß mir wippen.
Von meiner Zunge nicht hinwegzuwaschen
Ist dieser bittre Schmack. Die Süßigkeit
Der Welt wird mir im Mund zu Salz und Aschen.
Denn wenn ein Mahl begann in Fröhlichkeit,
Zum Nachtisch schleicht ein kleiner Gast ins Zimmer
Und stellt sich leise bittend mir zur Seit',
Und Nacht umdunkelt jeden Freudenschimmer.
6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

6.

Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird,
Wenn durch den Dreiklang dieser rauhen Saiten
In dumpfer Melodie mein Finger irrt.
Eintönig wie das Lied der Amme gleiten
Die Klänge mir ums Herz und stillen drin
Die Klagestimmen, die sich schwer bestreiten.
Und wenn ich so in Schlaf gesungen bin,
Tritt das geliebte Bild mit hellen Zügen,
Ein Traumgesicht, leibhaftig vor mich hin.
[193]
Wie gern, wie dankbar laß ich mich betrügen
Und schwelg' im Wahne, wieder Hand in Hand
Und Mund an Mund und Herz an Herz zu schmiegen.
Ich seh' mein Kind, so wie es vor mir stand,
Horchend, wenn ich ein Liedchen sang und pfiff,
Die großen Augen fest auf mich gewandt;
Wie's mit den Händchen in den Bart mir griff
Und jauchzt' im Übermut und, mich zu herzen,
Mit ros'gen Fingern mir die Wange kniff.
Doch mitten unter Spiel und Lust und Scherzen
Zerrinnt der Traum; die Saiten gellen scharf,
Und jäh erwachend leid' ich größre Schmerzen;
Daß ich auf Musentrost nicht hoffen darf
Und nur zu wohl verstehe, wie es kam,
Daß Saul den Speer nach jenem Knaben warf,
Der singend ihn betrog um seinen Gram.
7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

7.

Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt,
Mit Kränzen, dieses Sommers Blütenspenden,
Daß ganz der kleine Sarg war eingehüllt.
Ich stand und sah ihm nach mit leeren Händen.
Ich hatte nichts als meiner Tränen Tau
Zum Totenopfer, Kind, dir nachzusenden.
Die armen Blumen, zugeschüttet rauh
Mit Erdgeröll, gleich dir, du ärmste Blume,
Hinweggepflückt von goldner Sonnenau;
Sie welken ihrem Schwesterchen zum Ruhme.
Ich aber, – nicht mit flücht'ger Blumenzier,
Mein Liebling, nah' ich deinem Heiligtume.
Nicht Lieder streu' ich auf den Hügel dir,
Die blumenhaft im Sommerwinde schwanken
Und dann verwehn wie diese Tränen hier.
Kein Tändeln frommt, wenn wir am Leben kranken.
Zypressen will ich um die bange Gruft
Dir pflanzen: hochaufstrebende Gedanken.
Sie schmeicheln nicht dem Sinn durch Farb' und Duft,
Sie machen heller nicht den dunklen Ort;
Doch wenn die Flur erstarrt in Winterluft,
[194]
Umschirmt ihr ernster Wipfel fort und fort
Auch unterm Schnee den Schlummer meinem Kinde,
Und wenn mein Lebenssommer mich umdorrt,
Weiß ich, wo Schatten ich und Kühlung finde.
8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

8.

Mich dieser Tränen schämen? Ew'ge Mächte,
Was gabt ihr Tränen uns, wenn solches Leid
Ein Menschenauge nicht zum Tauen brächte!
Wenn einer hingeht aus der Zeitlichkeit,
Der sich am Glück gesonnt, des reifes Leben
In reichen Garben prangte weit und breit,
Um solchen dürft ihr Klage nicht erheben.
An ihm ward milde das Gesetz vollstreckt,
Dem alles Erdendasein untergeben.
Und wenn ein müdes Haupt der Hügel deckt,
Das keinen Lohn der Lebensmüh' gesehen
Und fragte: ward ich nur zur Qual geweckt?
An dessen Grabe mögt ihr klaglos stehen.
Daß er gelebt, war eurer Tränen wert;
Nun darf er ausruhn. Ihm ist wohl geschehen.
Doch hier! – ein Kind, mit keiner Schuld beschwert,
Die Blumenseele jedem Lufthauch offen,
Vom Schimmer reinen Morgentaus verklärt;
Sein ganzes Sein ein schönverkündet Hoffen,
Ein Feiertagsgedanke der Natur,
Die es gebildet aus den zartsten Stoffen,
Und doch von ihr vernichtet, spielend nur,
Als ob sie nur am Schaffen sich erfreute,
Nicht am Erhalten ihrer Kreatur; –
Und nun den süßen Leib dem Schmerz zur Beute,
Die Seele sehn in Todesängsten ringen,
Die einer Mücke wehzutun sich scheute,
Und während blasse Ärmchen uns umschlingen,
Veratmen sehn ein liebstes Lebensglück
In jammervoll hilflosem Händeringen – –
Wer da den Strom der Zähren hält zurück,
Ward nicht gesäugt von einem Erdenweibe,
Wenn nicht zuvor schon der Medusenblick
Des Irrsinns ihm versteint das Herz im Leibe.
9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

[195] 9.

Fassung? – Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde
Aufbäumen wider das gewalt'ge Muß
Ist eine Torheit, die ich nicht verschulde.
Ich weiß, in strenger Kette, Schluß an Schluß,
Reiht sich der Wandel aller ird'schen Dinge,
Und unaufhaltsam rinnt des Werdens Fluß.
Nur daß zum Danken ich die Lippen zwinge,
Wenn ich beraubt ward, daß ich, wenn der Geier
An meiner Leber zehrt, Tedeum singe,
Daß hinter jenem niegehobnen Schleier
Ich eine Macht mir träumte liebevoll
Und Huldigung ihr stamml' in frommer Feier:
Das fordre niemand. Weder Haß noch Groll,
Noch minder Liebe trag' ich jenem Einen,
Der alles ist und wirket, was er soll.
Ich bin ein Teil von ihm, samt allem Meinen.
Wie winzig ihm, der auf das Ganze denkt,
Muß des Atoms, des Stäubchens Weh erscheinen!
Äonenlang hat er das Sein gelenkt
An seiner Brauen Wink. Soll er's nun achten,
Wenn eine Mücke sich am Licht versengt?
Urew'ger Ziele Bahn muß er betrachten,
Vielleicht unselig selbst, unfroh gewiß;
Denn wo sind Freuden, die ihn jauchzen machten?
Und darum hüllt er sich in Finsternis,
Als scheu' er sich, sein Angesicht zu zeigen
Elenden, die er in das Sein verstieß,
Unwissend, nur gewissem Tod zu eigen.
Und ihm, dem Unerforschlichen, der nie
Mir brechen will sein unnahbares Schweigen,
Ihm sollt' ich kindlich liebewarm das Knie
Umfassen, gut' und böse Gabe danken,
Im Wahn, daß er sie väterlich verlieh?
Niemals! Uns trennen himmelhohe Schranken.
Muß er mich leiden lassen, sei's darum!
Dem Weltall dient vielleicht des Wurmes Kranken.
[196]
Doch eh' mir seine Weisheit das Warum
Nicht offenbart, schweigt mir von Vatergüte!
Wo blieb' ein Vater seinem Kinde stumm,
Wenn schon aus einem Wort ihm Trost erblühte?
10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

10.

Betracht' ich unser schwankes Menschenlos,
Geringe Lust, von Unlust überwogen,
Die Angst vorm Wechsel in des Glückes Schoß,
Der Jugend Hoffnungen, so schwer betrogen,
Des Alters bittre Weisheit: »Alles nichtig!« –
Der Liebe Götterrausch, so bald verflogen:
Dann preis' ich dich, mein Kind, daß nur so flüchtig
Dein kleiner Fuß des Lebens Bahn berührt,
Und gern auf dich zu deinem Heil verzicht' ich.
Wie treu ich dich an meiner Hand geführt,
Nicht hätt' ich eine dir erspart der Plagen,
Die je ein Herz beklemmend eingeschnürt.
Dein Mäppchen hättst zur Schule du getragen,
Zitternd in Furcht und Scham, wenn dir einmal
Die Antwort stockte auf des Lehrers Fragen.
Dann Ehrgeiz, Reue, stumme Liebesqual,
Freundschaft an Stolz und Wankelmut verschwendet,
Und was die Jugend lockt und irrt zumal.
Und hätte sich das Herz dir zugewendet
Des Einen, dem im Leben wie im Tod
Du deine Pflicht und Treue gern verpfändet,
O dann nach kurzem Glück die lange Not
Der Mutterschaft, erst Kinder ihm gebären
Und dann sie aufziehn, tausendfach bedroht;
Die Fiebernächte, wo mit bangen Zähren
Am kleinen Bett du hättest wach gesessen,
Den Feind des Lebens kämpfend abzuwehren.
O armes Frauenleben! Denk' ich dessen,
So ist mir fast, es sei ein Hochgewinn,
Daß wir dich nur so kurze Frist besessen.
Dein Auge sah so ernsthaft vor sich hin,
Als hättest du, das Schwere leicht zu nehmen,
Schwermut zu viel, zu wenig leichten Sinn;
[197]
Zu starken Willen, weich dich zu bequemen,
Zu treuen Sinn, um lachend zu verzichten,
Zu reines Herz, der Schuld dich nicht zu schämen.
Und Solche wissen schwer sich einzurichten
In dieser argen Welt, wo man sich drehn
Und winden muß im Zwiespalt enger Pflichten. –
Und doch, mein Kind: warst du auch ausersehn,
Zu bluten aus den tiefsten Lebenswunden,
Doch hätt' ich dir's gegönnt, im Kampf zu stehn.
Der Kräfte frohes Spiel hättst du empfunden,
Des Ringens Stolz, des Sieges hohe Lust,
Die herbe Tage aufwiegt durch Sekunden.
Du hättst an deine kleine Menschenbrust
Die Welt gedrückt und staunend zu den Sternen
Emporgesehn, des Ew'gen dir bewußt;
Hättst um die Stachelschalen nicht den Kernen
Der Wahrheit abgesagt, es nicht verschmäht,
Im Schweiß des Angesichts die Pflicht zu lernen.
Wohl weiß ich es: in weisen Büchern steht,
Daß Nichtsein köstlicher als Sein, das Leben
Ein Irrtum nur, den Gott erkannt zu spät.
Doch ward nicht Liebe zum Ersatz gegeben?
Ist nicht der Schmerz, den wir um dich erlitten,
Ein teurer Schatz, wohl wert, ihn aufzuheben?
So lebst du fort in unsres Lebens Mitten;
Und wie verewigt werden Stein und Erz,
In die ein edles Bild ward eingeschnitten,
Sind wir geadelt auch durch unsern Schmerz.
11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

11.

Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen,
Mein alter Hund, mit einer Beileidsmiene
Und ruhst nicht, bis ich dir das Fell gestrichen?
Du senkst den Kopf so traurig, daß es schiene,
Als fühltest du, wie dieses Gramgeschick
Mitleid der stummen Kreatur verdiene.
Jawohl! Nun trifft dich nimmermehr der Blick,
Der Lockruf deines kleinen Spielgenossen;
Kein ros'ges Händchen zaust dir das Genick.
[198]
Nicht gibst du dich, halb freundlich, halb verdrossen,
Zum Reiten her und wirst's nie überdrüssig,
Zu dulden willig tausend Kinderpossen.
Wozu noch lebst du jetzt, als daß du müßig
Dich sonnst und schnarchst und Fliegen fängst im Traum,
Der Welt und dir und mir höchst überflüssig –
Und atmest fort, und füllst noch deinen Raum
Mit träger Masse, saugst noch Lebensluft – –
Und unser Kind – o ich ertrag' es kaum!
Mir aus den Augen, heuchlerischer Schuft!
Dein Winseln trügt mich nicht. Ich weiß, Geselle,
Dich rührt kein Schauer an aus ihrer Gruft.
Als kaum erblichen ihres Auges Helle,
Da lagst du, Wicht, als wäre nichts geschehn,
Und schliefst auf ihres Sterbezimmers Schwelle.
Und als man sie hinaustrug und in Wehn
Das Mutterherz und meines schier gebrochen,
Sah ich dich lungernd vor der Türe stehn.
Du nagtest gierig einen leckern Knochen
Und knurrtest scheel die fremden Männer an,
Die im geschäft'gen Fraß dich unterbrochen.
Und jetzt scheinheilig schleichst du dich heran?
Hinaus mit dir! Du bist ein Tier. Wir beide
Sind andern Seelenmächten untertan.
Herzlos, wie die Natur, bei Menschenleide,
Stimmst du in unsern Jubel munter ein;
Du weißt, am Festtag gibt es fette Weide.
Des Menschen Weh versteht der Mensch allein,
Kein Gott, kein Tier. Der Kummer ist erlaucht,
Und du, so treu du winselst, bist gemein.
Gram kennt kein Gestern. Du bist eingetaucht
In dumpfes Heute. Hast du dich verkrochen
Aus Furcht vor meinem Zorn? Der ist verraucht.
Troll dich hinaus und nage deinen Knochen!
12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

12.

Ins Reich der Schatten führte mich der Traum.
Da sah ich unser liebes Kind sich nahn,
So still und blaß und ernst – ich kannt' es kaum.
[199]
Die Arme streckt' ich aus, es zu umfahn,
Doch schüttelt' es die Locken schwer wie Blei,
Als hätt' ihm noch das Hälschen wehgetan.
Dann deutet' es, als ob es durstig sei,
Auf seine Lippen, und mit müdem Winken
Der beiden Ärmchen zog es mich herbei.
Kind, rief ich zu ihm eilend, willst du trinken?
Sieh hier den Quell, der meiner Brust entquillt,
Aus breiter Wunde strömend an der Linken. –
Da trank's; und als es seinen Durst gestillt,
Das blasse Mündlein mit dem Blute färbend,
Gewann es Sprache, seufzt' und sagte mild:
O lieber Vater, dem zuerst ich sterbend
So großes Leid gebracht und mehr noch bringe,
Die Lust am Licht der Sonne dir verderbend,
Sei doch getrost und wieder guter Dinge.
Ich schweb' hier unten freud- und kummerlos,
Der Nacht gewohnt, wie nächt'ge Schmetterlinge.
Das eine quält uns leichte Schatten bloß,
Daß ihr mit Tränen unser Grab betrauert,
Die zu uns dringen durch der Erde Schoß;
Daß Regenguß uns winterlich umschauert
Und unser Schattenleib von Frösteln bebt
Und fieberhaft am Lethestrome kauert.
Uns wird nur wohl, wenn ihr zu hemmen strebt
Den blut'gen Quell untröstlich bittrer Tränen
Und euer Auge rein zum Himmel hebt.
Denn wenn ihr mäß'ger, mit gefaßtem Sehnen
Der Toten denkt, so ist's, als fühlten wir
In warmem Schimmer unsern Leib sich dehnen.
Sieh nur, so manche Schatten wandeln hier
Von sanftem Zwielicht wundersam umflossen,
Verklärten Blicks im traurigen Revier.
Das sind die Seelen, deren Lichtgenossen
Mit steter Treue noch ihr Bild bewahren,
Doch ihre Tränen still ins Herz verschlossen.
So, Vater, wenn du nun hinaufgefahren,
Tu auch, und sage meinem Mütterlein – –
Da schwieg's, als dürf' es mehr nicht offenbaren.
[200]
O, rief ich, Kind, du mahnst uns, froh zu sein?
Bist du denn froh, seitdem du uns verlassen? –
Da winkt' es mit der Hand, als spräch' es: nein.
Und wie ich's wollt' in meine Arme fassen,
Schwand es gleich einem Rauch an mir vorbei;
Ich sah es nur noch lächeln und erblassen.
Da weckte mich der erste Hahnenschrei.
13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

13.

Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du
Erlebst es noch: ein jedes Leid am Ende,
So furchtbar es gewütet, kommt zur Ruh'.
Dem Schmerz, so lang er jung ist, sind die Wände
Des Leibes viel zu eng, ihn einzuschließen.
Er tobt umher, daß er den Ausweg fände.
In Strömen muß er aus den Augen fließen,
Dir von den Lippen ächzen, auf die Stirn
In kalten Tropfen perlend sich ergießen.
Am liebsten möcht' er seiner Haft entschwirrn,
Zusamt der Seele, und dem Geier gleich
Mit freiem Flügelschlag das All durchirrn.
Ermattet herrscht er dann in seinem Reich
Gelaßner, bricht nur selten aus den Augen
Und hüllt sich in Erinnern dumpf und weich.
Nun mag ihm nur die tiefste Stille taugen;
Er haust im dunkelsten Verließ der Brust,
Begnügt, dein Herzblut tropfenweis zu saugen.
Die Mond' und Jahre fliehn ihm unbewußt;
Er ist gealtert, fühllos wie ein Greis,
Den kein Gewinn mehr kümmert, noch Verlust.
Doch wenn die Seele kaum noch von ihm weiß,
Kaum des verschollnen Gastes Näh' empfindet,
Tritt plötzlich er aus dem verborgnen Kreis,
Erschrickt, daß er die Welt verwandelt findet,
Und schilt die Seele, daß sie ihn verachtet,
Und schilt sich selbst, daß er verwelkt und schwindet.
Dann in die Kammer, drin er lang geschmachtet,
Schleicht er zurück und sargt sich selber ein
Und stirbt, von tiefster Einsamkeit umnachtet.
[201]
Du aber, kannst du auch noch fröhlich sein
Und wieder ausgefüllt von neuem Glücke:
In jene Kammer dringt kein Sonnenschein,
Und Moderduft bleibt stets darin zurücke.
14. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

14.

Ob wohl im Atem dieser Sommerluft,
In dieses Morgens sanftbewegter Kühle
Ein Hauch schon mich umschwebt aus deiner Gruft?
So rein wie kindlich heitre Vorgefühle
Weht von der Halde mich der Frühwind an,
Indes ich hier in meinen Schmerzen wühle;
Daß ich des Wahns mich nicht erwehren kann,
Ein Teil von dir, ein Stäubchen von dem Staube
Der dich, geliebtes Kind, zurückgewann,
Umwittre mich im Schatten dieser Laube,
Umschmeichle mein Gemüt, daß es hinfort
Nicht mehr so bittrer Schwermut sei zum Raube.
Im Tropfen Tau an jener Ranke dort
Seh' ich den Schimmer deines Auges wieder,
Im Rieseln jenes Bachs hör' ich dein Wort.
Dein Lachen klingt mir aus den Wipfeln nieder,
Wo Tauben nisten; jeder Blumensproß
Mahnt mich des Wuchses deiner schlanken Glieder.
Nichts ist in aller Runde klein und groß,
Das mir nicht dienen muß, dich zu verkünden,
Als wäre die Natur ein Spiegel bloß,
Dein frühverlornes Bild darin zu finden,
Als bärge jeder laut geheimen Sinn,
Den nur wir beide, du und ich, verstünden.
O sprich mir weiter, süße Schläferin!
Aus deinem Traum sprich Liebliches zu mir,
Der ich noch taub für Menschenstimme bin!
Bestärke mir den Glauben: was ich hier
An Holdem seh' und höre, sei dein Grüßen,
Und jedes Labsal stamme nur von dir.
So früh hab' ich zurück dich geben müssen
Ans All, aus dem du flüchtig aufgetaucht;
Nun kann der Trost nur meinen Gram versüßen,
Daß aus dem All zurück dein Wesen haucht.
Weihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

[188] Meinen Toten

[202] Weihnachten 1869

An Anna


Ich wollt' auch heute zu dir sprechen
Wie ich's gewohnt zur Weihenacht,
Doch zwischen alle Worte brechen
Die Tränen vor mit Übermacht.
Noch ist zu frisch, was wir erlitten,
Die Lebenswunde nicht vernarbt;
Noch ist der Friede nicht erstritten,
An dem so bitter wir gedarbt.
Doch zürne nicht, wenn schon die Flügel
Hoffnung zu lüften sich erkühnt,
Noch eh' auf unsres Kindes Hügel
Ein Halm des Lenzes wieder grünt.
Laß träumen mich von künftg'en Zeiten,
Wo nach dem lichterhellen Baum
Sich kleine Ärmchen wieder breiten
Und Jauchzen füllt den stillen Raum.
Du aber nimm das Pfand der Treue,
Und mahne dich im Gold das Grün,
Daß du noch hoffen darfst, aufs neue
Zu lächeln, wenn die Kerzen glühn.
Nur inniger durch den Bund der Schmerzen
Hat uns vereinigt das Geschick.
So halt' ich fest dich Herz am Herzen,
Du meine Jugend, du mein Glück!
ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten
1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

Ernst

(1871)

1.

Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt,
Mit Feierkleidern angetan aufs beste,
Doch deine großen Augen zugedrückt,
So fuhrst du weg zu deinem letzten Feste,
Langsam, im Schritt. Warum dich übereilen?
Gern wartet jener Wirt auf seine Gäste.
[203]
Dort hinter langen, stillen Hügelzeilen –
Siehst du das Haus? Es brennen viele Lichter,
Doch denen nicht zur Lust, die dort verweilen.
Seltsam! Die hagern, bräunlichen Gesichter,
Wie sie bekümmert in die Kerzen starren.
Manch einer grinst, doch nicht das Schweigen bricht er.
Es scheint, es finden's all die armen Narren
Gar unbequem, hier aufgeputzt der Stunde,
Da man zur Ruh' sie bringen wird, zu harren.
Die alte Dame dort, mit gutem Grunde
Verstimmt es sie, daß man sie hergebracht
So ungeschminkt, mit zahnlos offnem Munde.
Und dort das Fräulein, das so gern gelacht,
Getänzelt und das süße Kind gespielt,
Was hat auf einmal sie so ernst gemacht?
Der alte Dandy zwar, der nach ihr schielt
Und ihren Kranz und Schleier scheint zu loben,
Ist ein Galan, der sich nur schlecht empfiehlt.
Die blonde Haartour hat sich ihm verschoben;
Sein Kammerdiener hielt der Müh' vielleicht,
Obwohl er ihn beerbt, sich überhoben.
Und dort, zum Alabasterbild gebleicht,
Die junge Mutter, hier zum Fest geladen,
Eh sie dem Säugling noch die Brust gereicht.
Ihr Nachbar auch scheint trüb und grambeladen,
Nicht dreißig alt, ein schmucker Offizier,
Und schon getrennt von allen Kameraden!
Fürwahr, es ist nicht eben lustig hier;
Ein jeder Gast hat nur mit sich zu tun,
Die Kerzen knistern wie geängstet schier.
O kommst auch du, mein lieber Knabe, nun
Und suchst dir bei den stillen fremden Leuten
Bescheiden einen Platz, um auszuruhn?
Hier spielt man nicht die Spiele, die dich freuten.
Soll Jugend, die den Ernst des Lebens kaum
Von fern geahnt, den ernsten Tod sich deuten?
Es geht ein heimlich Regen durch den Raum,
Als wollten sie den Ankömmling beschauen
Durch eingesunkner Wimpern schmalen Saum.
[204]
Er aber achtet nicht der Herrn und Frauen.
Er ruht wie über Lieb' und Graun erhaben
Mt leidsam ernst gespannten Augenbrauen.
Jawohl, ihr Späher dort, in diesem Knaben
Ward eurem Fest beschert ein holder Gast,
An dem ihr könntet eure Freude haben.
Doch jeden drückt zu schwer die eigne Last,
Als daß er lange dächt' an andre Dinge.
Still ist's im Saal. Man hört das Flattern fast
Des weißen Falters, der mit hast'ger Schwinge
In bangen Kreisen durch die Lüfte zieht,
Als sei's ihm nicht geheu'r im Totenringe.
Und wie er jetzt den stillen Knaben sieht,
Läßt er sich rasch auf seine Stirne nieder,
Wie auf ein heilig blühendes Gebiet;
Als hab' auf diese sanften Augenlider
Der Tod kein Recht, als kehre, statt zur Gruft,
Die blasse Lilie zu den Blumen wieder
Hinaus in Sonne, Lenz und Lebensluft! –
2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

2.

Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen
Den Mut, auf diese Sonne zu verzichten
Und der Vernichtung Schauer zu ertragen.
Im Jetzt und Hier lernt' ich mich einzurichten,
Und selbst die Neugier nach dem letzten Wort
Des bunten Rätsels lockte mich mit nichten.
Wohl riß die Brandung manchen vor mir fort,
Der, während ich noch trieb auf hoher See,
Still Anker warf im ew'gen Ruheport.
Nach Sturm und Not und namenlosem Weh,
Oft an ein letztes morsches Brett gebunden
Und fühlend, daß auch das in Trümmer geh',
Wie sahn sie gern der Irrfahrt sich entbunden,
Die wenig Freude bot und viele Last;
Wie gönnt' ich's ihnen, daß sie »Land« gefunden!
Sie hofften nichts mehr, als zu ruhn, und fast
Mit Ingrimm hörten sie die Tröster sagen,
Man wecke sie dereinst nach kurzer Rast.
[205]
Doch du, mein Knabe, dem noch offen lagen
Die Meer' und Länder, Mut die Segel schwellt',
Ein Inselland der Sel'gen zu erjagen,
Wie ward dein leichter Nachen früh zerschellt,
Und was die Sonne dir an Blüten gab,
Verschlungen von der dunklen Wasserwelt!
Und sollte nicht an deinem jungen Grab
Das alte Märchen sehnlich mich beschleichen:
Einst dring' ein Weckruf in die Nacht hinab,
Ein Hahnenschrei aus ew'gen Lebensreichen,
Den Tag verkündend, dem die Macht verliehn,
Des Erdentages Unbill auszugleichen?
Dann dürft' ich wieder an mein Herz dich ziehn,
Den frischen Mund dir, den geliebten, küssen.
(Nun dünkt mich's, ach, zu selten küßt' ich ihn!)
Die hier entblättert sank zu meinen Füßen,
Die Knospe säh' ich dort sich rein entfalten,
Mit Duft mein neues Leben zu versüßen! –
Hinweg den Schleier, den ich fern gehalten
Vom hellen Aug! Er soll das trübe mir
Auch jetzt nicht trocknen mit den weichen Falten.
Kein Einst und Drüben, nur ein Jetzt und Hier.
Erbetteln will ich nicht vom Selbstbetrug
Den feigen Trost. Das eine wissen wir:
Auch wir vergehn; und das ist Trost genug.
3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

3.

Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen,
Den einz'gen, der mich schmeichelnd nie betrog,
Und den ich liebe, mag die Welt ihn hassen.
O Schmerz, du weiser, treuster Pädagog,
Noch nicht entwuchs ich deiner Zucht und Lehre,
Die mich mit rauher Hand zum Mann erzog.
Mich, der ich gern im Traum geblieben wäre,
Hast du erweckt, unsanft nach deiner Art:
Steh auf, und diesen Morgenbecher leere!
Ich trank. Da schüttelte mich Frost. Doch ward
Mein Auge wacker, diese Welt zu schauen,
So wie sie ist. Auf Wegen steil und hart
[206]
Der Kraft, die du mir gabst, lernt' ich vertrauen
Und wünschte mir kein Märchenflügelpaar,
Zu schwanken wahngewiegt im Ätherblauen.
Durch schwarze Gläser lehrtest du mich klar
Den Quell des Lichtes prüfen und erkennen,
Daß er so herzlos wie die andre Schar,
Die wir mit liebevollen Namen nennen,
Daß die erhabnen Sterne sonder Lust
Und Mitleid über unsern Qualen brennen.
Das aber trägt nur eine tapfre Brust,
Und darum haßt die Menge dein Ermahnen,
Den strengen Weckruf: Wolle, denn du mußt!
Du lässest sie den dunklen Urgrund ahnen,
Aus dem des All und Eins Grundwasser quellen,
Geheimnis allen tändelnden Profanen.
Und dennoch: wenn das Licht uns soll erhellen,
So müssen wir des Brennens Angst und Pein
Erdulden, ohn' uns weibisch anzustellen.
Nichts, was wir nicht erkämpft, wird unser sein;
Mit Lebensschätzen aus dem eignen Mark
Bezahlen wir des Wissens Dämmerschein.
Doch so sich läuternd wird die Seele stark,
Den Glanz der höchsten Wonnen auch zu tragen,
Daran fürwahr kein Heldenleben karg.
Ahnt ihr den Tiefsinn nicht der alten Sagen,
Wie jener Heros erntet' Himmelsruh',
Der durch Lernäas Sümpfe sich geschlagen?
O mein Befreier, Freund und Meister du,
Der mir vom Auge nahm des Wahnes Binden,
Ich jauchze dir in düstern Nächten zu.
Du, wenn mir alle Taggenossen schwinden,
Hältst bei mir aus, in Schlummer singst du mich,
Und selbst im Traum muß ich dich wiederfinden.
Und wenn die letzte Sonne mir erblich,
Die letzte Nacht die Flügel um mich breitet,
Dann neben meinem Lager find' ich dich,
Der mich an treuer Hand zum Frieden leitet.
4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

[207] 4.

Und deine finstre Schwester, deren Bild
Ein Graun den Toren, die sich sicher wähnen,
Auch sie hat mir das Herz mit Trost gestillt.
Ihr großes Aug ist dürr und leer von Tränen.
Ein seltsam Lächeln irrt um ihren Mund;
Die fahle Lippe bebt an bleichen Zähnen.
Sie rauft ihr Haar nicht, schlägt die Brust nicht wun
Sie gleicht dem Bruder; aber kalt und fremd
Bohrt sich ihr Blick bis in der Seele Grund.
Die Linke steinern in das Kinn gestemmt,
Die Rechte starr am Dolch, sitzt sie und brütet
Und harrt der Zeit, da nichts den Willen hemmt.
Sie stiert so scheu, wie wer Vergrabnes hütet.
Sie weiß, man würde sie an Ketten legen,
Erriete man, was heimlich in ihr wütet.
Doch was sie immer sinnt, es ist zum Segen.
Mag sie die Torenwelt »Verzweiflung« taufen
Und fürchten, wie wir Nachtunholde pflegen:
Sie trachtet nur, Gefangne loszukaufen
Aus Lebenshaft und Seelen zu befrein,
Die voll von Jammer sind zum Überlaufen.
Drum sollte »letzter Trost« ihr Name sein,
Denn wo mit Schmach und heillos bittrer Not
Geschlagen wird ein zitterndes Gebein,
Und weder Gott noch Teufel Hilfe bot,
Da tritt sie zu dem hoffnungslos Gequälten
Und raunt ihm zu: Erwähle selbst den Tod!
Ich hauchte nur dich an, und dich Gestählten
Durchschauert Kraft, die schwere Kerkertür
Zu sprengen, eh' die Henker dich entseelten.
Willst du dich beugen jeder Ungebühr,
Auch noch die rechte Wange leihn dem Streiche,
Ein Büßender und weißt doch nicht wofür? –
So stillt den Ächzenden die stille Bleiche,
Und wenn ihm fremd ward jeder Rat der Welt,
O sie berät ihn gut, die Listenreiche.
[208]
Auch mir, du Mitleidvolle, bleib gesellt,
Ich flehe dich, wenn mir ein Los beschieden,
Das jeden Lebensbecher mir vergällt.
Die Bande, die uns an das Dasein schmieden,
Hilf mir sie sprengen, Freundin, führe du
Die stolze Seele, die das Glück gemieden,
Den sanften Sternen ew'ger Nächte zu!
5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

5.

Zu bitter wär' ich? Doch wer hat's verschuldet,
Wenn meine Zunge trieft von Bitterkeiten?
Ein feiger Knecht, wer ohne Murren duldet!
Ward nicht, was Süßes ich genoß vorzeiten,
Mir über Nacht vergiftet und vergällt,
Entwertet meine liebsten Kostbarkeiten,
Da, die ich über jeden Schatz gestellt,
Die goldne Freiheit, nun als schlimmste Bürde
Mir unerträglich auf die Seele fällt?
Es wog mir kein Gewinn, noch Ehr' und Würde
Den Adel auf: mir selber zu gehören,
Nicht eingeschränkt in eines Dienstes Hürde;
Nicht mit banausischem Geschäft zu stören
Die stille Bildkraft, all die Schmerzenslust,
In ernstem Ringen Geister zu beschwören.
Wie war ich mir so streng und froh bewußt,
Daß meines Wirkens Maß und meiner Pflichten
Mir einzig ruht' im Grund der eignen Brust!
Und nun – wie möcht' ich gern auf mich verzichten
Und, fremdem Willen dienstbar untertan,
Ein dumpfes Werk gedankenlos verrichten!
Den Bauer neid' ich, der in grader Bahn
Die Furche zieht, den Kärrner, der im Staube
Des Heerwegs seinen Rossen geht voran.
Und jener dort in niedrer Reisiglaube,
Der Steine klopft, gebückt am heißen Wege,
Nicht ödem Müßiggang ist er zum Raube.
Sein Tagwerk fördert jeder seiner Schläge,
Und, wacker bis zum Feierabend, letzt
Ihn seine Flasche, wird der Arm ihm träge.
[209]
Und ich – dem selbst der Quell der Musen jetzt,
Der Himmelstrank, wie schaler Spülicht mundet,
Wo ist ein Werk, ein Ziel, das mich ergötzt?
Denn die Gestalt, die sich dem Dichter rundet,
Soll er beleben mit dem eignen Blut.
Wie? wenn er selbst nun ward zu Tod verwundet,
Daß Lebensüberfluß und -übermut
Versiegen und die Liebe geht verloren,
Die auch an seinem Werk das Beste tut?
So hab' ich selbst mich wider mich verschworen.
Mir selbst gehör' ich? Keinen schlimmern Herrn
Und keinen ärmern hätt' ich je erkoren.
Sein schnödes Joch abschütteln möcht' ich gern,
Der mich mißhandelt, der mich darben läßt,
Und kann nur knirschend an der Kette zerrn.
So wird der Freiheit jammervoller Rest
Mir noch zum Fluch. Wenn unser Wille schwankt,
Gleich einem Vogel, dem zerstört das Nest,
Dann strebt das Ich, das an sich selber krankt,
Sich loszuwerden, von des Sehnens Not
Zu ruhn in einem Ziel, das nimmer wankt, –
Und was ist hier gewiß, als nur der Tod?
6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

6.

Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab,
Eh' jener Kränze bleicher Schmuck vermodert,
Die man dir mitgab in die Nacht hinab,
Wie? all die Glut der Schmerzen schon verlodert?
Die Augen trocken, kühl der Herzen Schlag,
Als wäre nichts geschehn, was Tränen fordert?
O ihr, da er noch auf der Bahre lag,
An Jammer unersättlich, wie so eilig
Verleidet' euch das Leid der lust'ge Tag!
Im Wechsel euch betäuben müßt ihr freilich,
Denn an die eigne Flachheit mahnt euch bald
Ein jedes Wehgefühl, das tief und heilig.
Drum habt ihr eure Sprüchlein maunigfalt,
Daraus ihr lernt: ein Tor, wer nicht genieße
Des Augenblicks buntgaukelnde Gestalt,
[210]
Vom Strom nicht trinke, der so rasch verfließe,
Versäumend eines Sonnenblickes Gunst,
Fruchtlosen Gram fest an den Busen schließe.
Carpe diem! – das sei die Lebenskunst;
Memento vivere! und nicht zum Heile
Dem lebenden Geschlecht sei Gräberdunst.
So geht denn hin und kehrt in schnöder Eile
Zu nicht'gem Tagwerk, das euch wichtig scheint,
Indes ich still bei meinem Toten weile.
Ich habe meinen Gram nicht ausgeweint,
Wie ihr, nicht aus den Augen ihn verschüttet;
Zu tief mit meinem Blut ist er vereint.
Nichts hab' ich mehr, das noch zur Not verkittet
Die Stücke des zerbrochnen Seins, als ihn,
Der ganz die Seele füllt, obschon zerrüttet.
Nicht will ich feige mir und ihm entfliehn,
Will heil'gen meines Schmerzes Feiertage,
Da mir der Andacht hohe Kraft verliehn.
Denn Frevel dünkt mich, daß man sich entschlage
Der Pflicht des Danks, mit Schmerzen die zu missen,
Die man geliebt mit innigem Herzensschlage.
Die frommen Alten lehrt' es ihr Gewissen,
Dem Gram sein Recht zu geben, wie der Freude,
Und das Volk Gottes hat sein Kleid zerrissen.
Nur ihr, die ihr der Selbstsucht Wahngebäude
Auftürmt, ihr nennt zu kostbar die Sekunde,
Die man an hoffnungsloses Weh vergeude.
O nun versteh ich, was mit stummem Munde
Du mir gesagt, mein Liebling, als mit Stöhnen
Und Schluchzen dich umgab die dichte Runde.
Dein Schweigen schien ihr Klaggeheul zu höhnen,
Als wüßtest du, der kärglichste Gewinn
Wird morgen sie mit dem Verlust versöhnen.
Die Augen, dunkel starrend vor sich hin,
Bekannten: Wohl mir, daß ich dieser Erde,
Die keine Treue kennt, entnommen bin!
So streng weltabgewandt war die Gebärde,
So kühl und stolz, es bangte mir fürwahr,
Als ob ich selbst von dir verachtet werde.
[211]
Nein, Liebling, mich nur aus der dumpfen Schar
Sollst du getreu und deiner wert erfinden;
Denn was dein Lächeln meinem Leben war,
Wird mit dem letzten Hauch nur mir entschwinden!
7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

7.

Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube
Gleichgült'gen Tagwerks ist ihr Quell versiegt.
Die Wunde will schon heilen, wie ich glaube.
Ich sage mir, wie still er draußen liegt,
Wo unter Blumen wir ihn hingebettet,
Dicht an sein totes Schwesterchen geschmiegt.
Und Weisheit raunt mir zu: er ist gerettet
Vor vielem Weh, von keiner Last beschwert,
Frei von dem Schmerz, der an die Schuld sich kettet.
Dies Menschendasein, ist's der Mühe wert?
Hin ging er, wie der holde Frühling scheidet,
Von schüchtern zartem Jugendglanz verklärt.
Ist das ein Ende nicht, das jeder neidet?
Ist's nicht ein frevelnd eigensücht'ger Gram
Um den, der ewig keinen Kummer leidet? –
Doch wenn die Nacht mit ihren Schatten kam,
Nichts mehr sich regt, als meines Herzens Pochen,
Und schon der Schlummer mich gefangen nahm,
Auf einmal wird des Schlafes Bann gebrochen:
Zwei Augen sehn mich an, so wohlbekannt,
Die Stimme klingt, die hold zu mir gesprochen.
Jäh fahr' ich auf, und an des Bettes Rand
Seh' ich den Knaben aus den Dämmernissen
Der Nacht mir winken mit der kleinen Hand,
Und lautaufweinend sink' ich in die Kissen.
8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

8.

(Am 5. April)


Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde.
Der Werdeschrei des jungen Lebens sprengt
Des grauen Herzens narbenvolle Rinde,
[212]
Daß es wie Frühlingsschauer dich umfängt
Und dir erblüht ein selig Mitempfinden
Der Lebenslust, die hier zum Lichte drängt.
In Tränen will das Auge dir erblinden;
Die Schatten, die den Erdentag umgraun,
Im Strahl der Hoffnung müssen sie verschwinden.
O holder Mut, o lächelndes Vertraun!
Es lebt! – und alle Sorgen sind vorbei.
Wer möchte noch zurück nach Gräbern schaun?
Nur mir hat dieser benedeite Schrei
Das Auge nicht getränkt mit Freudengüssen;
Erstarrt im dumpfen Graun stand ich dabei.
O Kind, wie harmvoll mußt' ich dich begrüßen
Und habe meines Schluchzens Kampf und Beben
Erstickt an deines Mündleins ersten Küssen.
Die Stunde war zum Eintritt in das Leben
Nicht klug gewählt, zu kurze Frist vergangen,
Seitdem dein Bruder uns Valet gegeben.
Die Hand, die eben seine blassen Wangen
Geliebkost, kühl von Todesschweiß beronnen,
Wie sollte sie dein Händlein nun umfangen?
Wie töricht schienst du mir, wie unbesonnen,
In diesem Würfelspiel dein Glück zu wagen,
Drin jener seinen Einsatz kaum gewonnen!
Da hört' ich deine Mutter nach dir fragen:
Wo ist das Kind? O gebt es mir, o gebt,
Und laßt mich fühlen seines Herzens Schlagen!
Und wie dein kleiner Mund an ihrem bebt'
Und sie mit mattem Lächeln, von Entzücken
Wie trunken, hauchte: Unser Kind! Es lebt! –
Da sprang der Reif um meine Brust in Stücken,
Und ich erkannte, daß du wohlgetan,
Da du's gewagt mit dieses Lebens Tücken.
Es leuchtet doch ein Stern auf deiner Bahn,
Der wohl des Weges Mühe kann vergüten
Und dir zu Häupten stand, dich zu empfahn:
Ein Mutterauge wird dein Leben hüten,
Ein Mutterherz dir deine Schmerzen lindern,
Ein Muttersegen reifen deine Blüten –
So wag es denn, mit andern Mutterkindern!
9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

[213] 9.

Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!
Im Jammer, welch ein Raub an mir geschehn,
Vergaß ich, welch ein Reichtum mir geblieben.
Laßt nur des Sturmes erste Wut verwehn,
Dann blickt des Himmels ausgeweinte Bläue
Gelassen durch, drin tausend Sterne stehn;
Und man gedenkt der Lebenspflicht aufs neue,
In Grüfte nicht die Seele zu vergraben,
In frevlem Unmaß sehnsuchtsvoller Treue.
Sollt' ich der Pflicht zu lang vergessen haben,
Vergebt mir's! Dieser Schlag war allzu herbe.
Zu herzlich hing mein Herz an diesem Knaben.
Nun sei die Menschheit meines Lieblings Erbe,
Auf daß der Schatz, den ich für ihn gespart,
An Liebeskraft nicht herrenlos verderbe.
Sie meinen, wer sich keiner Himmelfahrt,
Nicht froher Urständ' will getrösten lassen,
Dem müsse trostlos sein die Gegenwart.
Dies bange Erdenzwielicht müss' er hassen,
Das nicht ein Strahl der Hoffnung je verkläre,
Und in Verzweiflung werd' er einst erblassen.
Kommt! Machen wir dem eignen Credo Ehre!
Aufrechten Haupts, nicht trotzig, nicht verzagt,
Liebt, was da lieblich ist, ertragt das Schwere.
O schämt euch nicht, daß ihr in Schmerzen klagt!
Es ächzt der Baum, wenn Ungewitter toben,
Und krümmt den Wipfel, der so hoch geragt.
Dann wieder still von Sonnenglanz umwoben
Trinkt er den Äther, reift der Ernte zu,
Bis ihn die Axt zerspellt zu Scheit und Kloben.
So, Kind der Erde, füge dich auch du
Und neide nicht hoffärt'gen Himmelspächtern
Und Säulenheil'gen ihre dumpfe Ruh.
Wag es, gleich all den atmenden Geschlechtern,
Dein Herz zu hängen an dies kurze Sein,
Die Welt zu lieben trotz den Weltverächtern.
[214]
Der Augenblick und dein Gemüt sind dein,
Du Sterblicher; du sollst sie zum Gefäße
Des edelsten, des ew'gen Inhalts weihn.
Was jedem, der zu eigen es besäße,
Das Leben tröstlich macht, das schaff in dir
Und teil es mit, wo jemand sein vergäße.
So hast du Ewigkeit und Himmel hier,
So wirkst du in dir aus die echte Milde,
Die rein von Kälte bleibt, wie von Begier.
Es müssen sich erfreun an deinem Bilde,
Die dürft'ger sind, als du, und alle Schwachen
Beschirmst du treu mit deinem goldnen Schilde.
Laß dann die Stolzen deiner Armut lachen,
Die ihren Schatz im Jenseits angelegt;
Du bist doch reich, um viele reich zu machen.
Du hast ein Herz, das frei und innig schlägt,
Hast deine Sinne, voll dich zu erquicken,
Ein Flügelpaar, das dich zum Lichte trägt,
Und Mut, dem Tod ins Angesicht zu blicken.
Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten
[Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

Wilfried

(Ein Tagebuch. Oktober 1877 bis Mai 1878)

Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt,
Ein böser Herbstwind schauert durch die Welt.
Wir pflegten Winters dies und das zu tun,
Das ward so müßig, so entbehrlich nun!
Zu hoffen, harren, sorgen, uns zu freun –
Das soll nun alles nimmer sich erneun.
Nicht sehn wir mehr der kleinen Füße Spur
Leicht eingedrückt der überschneiten Flur.
Nicht bei der frühen Lampe goldnem Licht
Glüht horchend auf ein kleines Angesicht.
Uns bringt der Winter nur mit Sturm und Graus
Melancholie ins ausgestorbne Haus.
[215]
Das klügste wär', sich einzuspinnen sacht,
Wie es zum Winterschlaf die Raupe macht.
Doch da ein Mensch soll wacker sein und wach,
Komm! fliehn wir sommerwärts den Schwalben nach!
Vielleicht daß zweier Wandrer tiefverarmt
Die Bettlerfreundin Sonne sich erbarmt.
[So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

[So reisen wir ins Land hinein]

So reisen wir ins Land hinein
Bei Sonn' und Mond und Blitzesschein,
Und immer reist auf Schritt und Tritt
Ein kleiner blasser Schatten mit.
Und wo die Erde schöner blüht,
Sein Mündchen weher zuckt und glüht,
Und wo die Sonne goldner lacht,
Sucht er uns trüber heim zu Nacht.
Was suchst du, blasser Schatten, hier,
Du kleiner blinder Passagier?
Ach, dir versagt ist alle Lust,
Und uns erstarrt dein Hauch die Brust.
Wie war dein Auge warm und hell,
Ein Lebenswonnenzauberquell!
Und jetzt – o hab Erbarmen, Kind!
Du siehst ja, wie wir elend sind.
Wir drängen dich ja nicht zurück,
Doch komm mit sanftem Geisterblick,
Nicht alles Holden ganz beraubt! –
Umsonst! Er schüttelt still das Haupt.
Sein armes bleiches Mündchen bebt:
Wie habt ihr nur mich überlebt!
Nun komm' ich, wie ich kommen muß,
Nun haltet Treue bis zum Schluß. –
[216]
So reisen wir ins Land hinein
Bei Sonn' und Mond und Blitzesschein,
Und mit uns wandert unser Kind,
Bis auch wir andern Schatten sind.

Unterwegs

[Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

[Verzogen]

Verzogen,
Verflogen,
Alle Vögel aus dem Nest!
Nur die Mauern,
Sie dauern,
Überdauern die Gäst'.
Junge Zeiten,
Sie schreiten
Wie Geister vorbei.
Wo ist nun geblieben
Das Lachen, das Lieben?
Blieb keines dir treu?
Von weiten
Da läuten
Die Glocken wie einst.
Alter Träumer, entrinne,
Daß am Fenster die Spinne
Nicht sieht, wie du weinst!

Sorrent

[Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

[Die Tage schleichen an uns vorüber]

Die Tage schleichen an uns vorüber,
Wie eine dunkle Geschwisterschar,
Die einen sanfter, die andern trüber,
Doch keiner lachend und freudenklar.
Sie tragen Gaben in bleichen Händen,
Der edeln Güter gar mancherlei,
Doch florumwunden sind ihre Spenden,
Und unbewillkommt ziehn sie vorbei.
[217]
Voran geht einer mit harten Mienen
Und scheuem Trutzblick, gesenkt das Haupt;
Er ist von gleichem Geschlecht mit ihnen,
Doch statt zu schenken, hat er geraubt.
Seitdem mißtraun wir den andern allen,
Die sonst wir arglos ans Herz gedrückt.
Auch mit den Schwestern sind wir zerfallen,
Den schönen Nächten, so reichgeschmückt.
Ein Tag wird kommen, der wird uns retten,
Ein Weltversöhner, aus allem Harm;
Mitleidig führt er zu ew'gen Stätten
Der stillsten Schwester uns in den Arm.

Sorrent

[O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

[O Herzenseigensinn]

»O Herzenseigensinn!
Wie viel ist dir geblieben,
Wie viel noch kannst du lieben,
Und wirfst doch alles hin?
Seit ein Geliebtes fehlt,
Zwei Augen sich geschlossen,
Bleibt alles ungenossen?
Ist dir die Welt entseelt?« –
Und hat denn Liebe je
Gelernt vorlieb zu nehmen?
Muß Treue nicht sich schämen,
Wenn sanfter wird das Weh?
Euch ist die Welt so viel,
Mir gilt sie nur geringe,
Gleich einem goldnen Ringe,
Aus dem die Perle fiel.

Sorrent

[Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

[Horch! in der dunklen Frühe]

Horch! in der dunklen Frühe
Herübersummt das Glockenerz.
Zu neuer Qual und Mühe
Wach auf, verschlafnes Herz! –
[218]
– Es ist noch viel zu frühe,
Laß schlafen mich ein Weilchen noch.
Wer weiß, ob nicht erblühe
Ein Trost im Traume doch! –
Die falschen Träume fliehe!
Sie bringen nur erträumtes Glück.
Am wachen Leben glühe
Von neuem auf dein Blick. –
– Umsonst! Dem Frohen sprühe
Das Leben seine Wonnen aus;
Mir in der dunklen Frühe
Nur einen Tropfen Taus!

Sorrent

[Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

[Kein Wort, kein Blick]

Kein Wort, kein Blick;
Das lieblichste Glück
Verschwunden, verloren, dahin!
Nie mehr – nie mehr – –
Von den Glücklichen wer,
Wer faßt den vernichtenden Sinn?
Kein flüsternder Gruß,
Kein lächelnder Kuß,
Die scherzende Lippe verstummt;
Die süße Gestalt
Nun starr und kalt
In das traurige Laken vermummt.
Was kann und vermag,
Was will – o sag –
Die Welt, die zu trösten uns meint?
Ihre Zaubergestalt
Erbleicht alsbald,
Wenn das blasse Gesichtchen erscheint.
Ihr lockender Chor,
Nicht zieht er empor
Ein Herz, zur Tiefe gebeugt.
[219]
Wir wandeln dahin
Mit verschlossenem Sinn
Und horchen, wie er nun schweigt!

Sorrent

[Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

[Es singt und klingt mir im Gemüt]

Es singt und klingt mir im Gemüt
Vom Morgen bis zum Abendrot:
Das Leben ist ein süßes Lied,
Sein bittrer Kehrreim ist der Tod.
Ich sang das Lieb wohl vor mich hin,
Der Kehrreim schuf mir keine Not.
Das Leben hatte klaren Sinn,
Ein dunkles Rätsel schien der Tod.
Gedämpft ist nun der lust'ge Schall,
Der mir die Brust zu sprengen droht.
Das Leben dunkelt überall,
Und hell und heller winkt der Tod.
Die falschen Töne sind verstummt,
Des Lebens irre Glut verloht –
Ich harre, daß in Schlaf mich summt
Mit sanftem Wiegenlied der Tod.

Sorrent

[Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

[Die silberne Luft erglänzt so blaß]

Die silberne Luft erglänzt so blaß
Über dem schwarzen Meer;
Die Möwe kreist, die schwanke,
Ruhlosen Flugs umher.
Ich denk' an eine Stirne so blaß,
Zwei Augen schwarz und stumm.
Ein einz'ger irrer Gedanke
Geht ruhelos drin um.

Zwischen Sorrent und Capri

[Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

[Warum zwitschert ihr mich]

[220]
Warum zwitschert ihr mich
Um meinen Morgenschlaf
Mit scharfem Weckruf,
Grausame Vögel!
Ach, ihr scheuchet
Mir von der Seite
Den einz'gen Freund und Erbarmer,
Der bei mir aushielt,
Da vom Haupte
Des Götterverfemten
Entsetzt hinwegflohn
Alle guten Geister.
Wie qualvoll lang
Im purpurnen Abgrund der Nacht,
Zu dem hinunter
Kein Strahl des Friedens tauchte,
Lag ich mit fieberbangen Sinnen,
Aus furchtbarn Träumen
Zurückgeschreckt
Ins schreckenvollere
Wache Bewußtsein
Meines Unglücks,
Bis endlich nachgab
Der leidermattete Leib
Und ein Tropfe Vergessen
Auf die lechzende Seele taute.
Den mißgönnet ihr mir,
Schadenfrohe Vögel!
Ach, vorzeiten
Meintet ihr's gut,
Wenn ihr den schlummerberauschten
Knaben und Mann
Hinaus in die lodernde
Pracht des Morgens riefet.
Da war Welt und Leben
Des Wachens wert.
[221]
Jetzt ist der dichteste Schleier,
Den Träume weben,
Nur wie ein Spinnweb,
Gelegt auf frische Wunde:
Nur leicht das Blut
Zu hemmen vermag's;
Doch voll durchtränkt
Mit dem quellenden Naß,
Wird das Gespinst
Wieder hinweggespült,
Und heißer rieselt die Welle
Am grauen Morgen.
Daß ein Morgen käme,
Der sie stocken machte,
Müßte mit ihr auch
Mein Leben stocken –
Denn, all ihr Götter,
Übermenschlich
Ist diese Pein!

Sorrent

[Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

[Des ungewordenen]

(Fragment)

Des ungewordenen
Allvaters Kronos
Weltalte Zwillingstöchter,
Natur und Schicksal –
Feindlichere Schwestern
Sah nie das Licht.
Wenn die Jüngere,
Die Lebengebärerin,
Kräftesprühend
Ihre Geschöpfe
Mit mannigfaltigen
Gaben gesegnet,
Oder gedankenlos
Ihr Geschenk
Durch Widerstreitendes
Wieder zerstört:
[222]
Nicht Tück' und Neid,
Nur der Unbedacht
Spielender Kraft
Macht sie furchtbar
Ihren Geschöpfen.
Den Lieblingen, wie
Den Stiefgeborenen
Teilt sie launisch aus
Heilsames und Verderbliches
Und läßt ihrer Kinder
Oft die verwöhntesten
Am eignen Herrlichsten
Zugrunde gehen.
Aber die ältere,
Die nie ein Götter-
Und ein Menschenauge
Lächeln sah,
Die finstere Heimarmene, –
Was sie tut,
Ist immer unhold,
Ob es auch gut wäre;
Denn alles Seelenvolle,
Gütige, Zarte
Ist ihr fremd.
Doch sieht sie wen,
Dem ihre Schwester
Liebgesinnt war,
Den sie mit ihrer Gaben begehrtesten,
Liebenswertesten ausgestattet,
Ergrimmt die Arge,
Da, wer geliebt wird,
Ihrer spotten mag.
Solche zu verderben
Sinnt sie tückisch,
Und gleich dem Fischer,
Der nachts um Uferklippen
Lautlos lenkt mit der Fackel
[223]
Den dunklen Nachen
Und über Bord geneigt
Späht in die Tiefe,
Der Fische glückliche Brut
Heraufzulocken,
Daß die Harpune dann
Ihr Spielen ende:
So lauert nächtlich
Das Schicksal der Betrogenen,
Denen wohl ist in kühler Wonne.
Denn kindisch sind
Die Lieblinge der Natur.
Glänzendes lockt sie,
Und arglos bieten sie
Den Hals der Schärfe des Eisens ...

Sorrent
[Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

[Wie so wund nun bist du, arme Seele]

Wie so wund nun bist du, arme Seele,
Blutest, ach, verblutest dich nach innen!
Gleich der Taube, der das Rohr des Jägers
Ihren Nestling in die Brust getroffen,
Ihn durchs Herz und sie mit gleichem Schusse
Nicht zum Tode, nur zu Lebensunmacht.
Nun mit welkem, eingeknicktem Flügel
Nicht mehr kann sie durch die Wipfel streifen,
Nicht die sonnewarmen Dächer suchen.
Überm feuchten Grund, dem moderkühlen,
Der das Blut gesogen ihres Lieblings,
Wankt sie flatternd hin und her; verloren
Ist der Lenz für sie, vergällt die Liebe,
Leben Todesqual. O hilf und heile,
Wenn du Macht hast, mütterliche Sonne!
Hab Erbarmen mit der Mutterseele,
Der unheilbar zärtlichsten von allen!

Sorrent

[Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

[Wie schon jahrlang abgeschieden]

Wie schon jahrlang abgeschieden,
Wandelnd allvergeßne Pfade,
Atm' ich reinen Jenseitsfrieden
Am geliebtesten Gestade.
[224]
Nächtens seh' ich Barken fahren
Weit ins Meer bei Fackelscheine,
Daß ich stiller Geisterscharen
Hadesfahrt zu schauen meine.
Tags, wie haben Luft und Welle
Alle Zauber ausgegossen!
Von des Empyreums Helle
Fühl' ich selig mich umflossen.
Kaum ein Gruß wird mir geboten,
Höchstens winkt ein Kinderhändchen,
Und so leb' ich meinen Toten
Und verschalle den Lebend'gen.

Sorrent

[Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

[Die Sonne gleitet still hinab]

Die Sonne gleitet still hinab
Ins Wellengrab.
Ein feiner falber Schleier fällt
Rings auf die Welt.
Am blauen Bergeshorizont
Glüht auf der Mond.
Es hellt sein düsterwildes Licht
Die Trübe nicht.
Wir wandeln traurig Hand in Hand
Durchs Totenland.
Was jedes denkt so weit von Haus,
Spricht keines aus.
Ein Nachglanz von verlornem Glück
Blieb uns zurück –
Es hellt sein rotverweintes Licht
Die Trübe nicht!

Pompeji

[Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

[Bezwingst du nicht den dunklen Gram]

[225]
»Bezwingst du nicht den dunklen Gram?
Am Firmament
Wie lockt das Licht so wonnesam!« –
Die Wunde brennt.
»Wer ward nicht schon vom liebsten Glück
Unsanft getrennt!
Wer leben will, schau' nicht zurück!« –
Die Wunde brennt.
»Und du, dem so viel reiche Gunst
Ein Gott gegönnt,
Die Seele voll Natur und Kunst –!« –
Die Wunde brennt.

Neapel

[Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

[Der Tag verging mir]

Der Tag verging mir,
Der Abend kam
Aug' in Auge
Mit meinem Gram.
Freuden pochten
Ans öde Haus;
Er hielt die Wache
Und schloß sie aus.
Träume nachten
Bei Sternenschein;
Die trostbegabten
Ließ er nicht ein.
Er wich und wankte
Vom Bett mir nicht;
Ich sah durch Tränen
Sein starr Gesicht.
Die Nacht verging mir,
Der Morgen kam
Aug' in Auge
Mit meinem Gram.

Neapel

[Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

[Kennst du die Tränen]

[226]
Kennst du die Tränen,
Die nie versiegen,
Das wunde Sehnen,
Wie Fieberglut?
Mit unterirdisch
Geheimer Welle
Rinnt dieses Kummers
Wühlende Quelle,
Und jäh zutage
Bricht ihre Flut.
Heut unter lachend
Azurnem Himmel,
In des Toledo
Glanz und Getümmel
Plötzlich zum Herzen
Stürmt mir das Blut:
So viel üppiges
Leben ergossen,
Und du, mein Knabe,
Hast nichts genossen.
So lebenswürdig,
So schön und gut!
Wehe den Tränen,
Die nie versiegen,
Dem wunden Sehnen,
Das nimmer ruht!

Neapel

[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten]

Hab' ich denn schon Schmerz gelitten,
Eh' ich dieses Glück verlor?
Ward mir schon ins Herz geschnitten
Mit so rauher Hand zuvor?
Stockt mir doch der Quell des Lebens
Wie verschüttet in der Brust.
Nun umschmeichelt sie vergebens
Liebeslockung, Lebenslust.
[227]
Wenn ein Tagwerk mich beschwerte,
Wer erquickt mich nun am Ziel?
Und wo ist mein Spielgefährte,
Wenn die Stunde kommt zum Spiel?
Lange Bogenzeilen tragen
Vom Gebirg den reinen Quell.
Lorbeerhaine seh' ich ragen,
Licht und Luft wie süß und hell!
Golden blitzt des Stromes Welle,
Und ich blicke starr hinein,
Wie vom hohen Fußgestelle
Fühllos jenes Bild von Stein. – –

Rom

Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

Der Mond stand überm Palatin. Wie ich

Der Mond stand überm Palatin. Wie ich
Hinaufkam, weiß ich nicht. Das hohe Tor
War offen, ohne Wächter. Eine Stimme
Sprach in mir: Geh hinauf! Du findst ihn dort!
Doch langsam, denn mir klopfte stark das Herz,
Stieg ich die dunkle Treppenflucht hinan
Und stand nun auf der Höhe, rings um mich,
Was von der Hofburg der Cäsaren blieb:
Nur Stein und Schutt, der Gold- und Marmorhülle
Beraubt, wie nacktes Knochenwerk, von dem
Hinweggemodert längst das blühnde Fleisch.
Gewaltig in den veilchenblauen Äther
Zur Rechten mir erhob das Kolosseum
Die dunkle Stirn, durch seine leeren Bogen
Quoll goldner Schein; genüber ragt' empor
Des Friedenstempels dreigeteilte Cella,
Geheimnisdunkel; dran vorüber sah ich
Mondblitze, schlanken Silberpfeilen gleich,
Von Säul- zu Säulenstumpf des alten Forums
Sich schwingen und vom steilen Kapitol
Abprallend in der Nebeldämmrung schwinden.
Das sah ich mit dem äußern Auge nur
Und ungerührt. Stieg ich doch nicht hinauf,
Mich am Erhabensten der Welt zu weiden,
Nur weil es in mir sprach: du findst ihn dort!
[228]
So wandt' ich mich und wandelte den Pfad
Vorbei dem Hause des Caligula
Und dem Palast der Flavier, bis zum Rand
Des Hügels, wo in sanften Duft gehüllt
Das Haupt des Aventin herübersah.
Wie Geisteratem leise ging die Luft,
Und jeder Stein und jeder zarte Sproß
Der Bäum' und Sträucher schien zugleich dem Blick
So deutlich und so märchenhaft, daß mir
In wunderlichem Graun die Seele bebte.
Da, wie die Augen ziellos sich ergehn,
Auf jener Wiese, zwischen Lorbeerbüschen
Und wilden Rosen – heil'ge Götter! was
Erblick' ich! – Ist er's? – Das geliebte Kind –
Es sitzt mir abgewandt – mit blassen Händchen
Pflückt's auf dem mondbeglänzten Rasenteppich
Die zarten Anemonen und Tazetten,
Der Totenblume glockengoldne Sprossen,
Und windet eifrig sie in einen Kranz.
Ein Schrei entringt sich mir – da wendet er
Das Haupt – er ist's! – und sieht mich, und die Blumen
Vom Schoße schüttelnd springt er hastig auf
Und mir entgegen, steht dann plötzlich still,
Scheu, als besänn' er sich auf ein Verbot.
Ich aber fasse mir ein Herz: Mein Kind,
Mein holdes Leben! stamml' ich. Doch er schüttelt
Wehmütig ernst das Haupt, als woll' er sagen:
Was sprichst du! Leben? Das ist hin! – Und langsam
Nimmt er die Blumen auf und ordnet sie
In einen Strauß, winkt dann geheimnisvoll
Und geht voran.
Auf einmal ward das Herz
Mir seltsam leicht und froh, als gingen wir
Wie sonst spazieren und betrachteten
Mit hellen Augen rings die Welt. Wo willst du
Nur hin? begann ich. Willst du deinen Strauß
Der Mutter bringen? – Und er nickt' und sah
Mit einem traurig stillen Blick mich an –
Es war, als wollt' er plötzlich an die Brust
[229]
Mir stürzen, mich zu bitten: nimm mich mit,
Zurück ins Leben! Wo ich jetzt verweile,
Ach, ist's so schaurig kalt und liebeleer! –
Doch er bezwang sich, hob das Fingerchen,
Wie um zu mahnen: denk nicht drüber nach,
Wie all das ist; es bräche dir das Herz! –
Und so verstummt' ich. Ach, die Augen hingen,
Sich nicht ersättigend, an dem lieben Antlitz.
Noch feiner schien es, reifer noch, zugleich
Noch weit unschuld'ger, rührender, nur daß
Es nicht mehr glänzt' in süßem Übermut.
Und näher schmiegt' er sich an mich. Doch nur
Der Duft berührte mich von seinem Strauß,
Nichts von ihm selbst. So, unvermerkt hinab
Vom Palatin hatt' er mich weggeführt,
Und scherzend sagt' ich: Weißt du denn Bescheid
Im fremden Rom? Willst du am Kapitol
Die Wölfin sehn? Er aber schwieg und ging
Voran mit leichtbeschwingtem Schritt, das Haar
Umwehte Stirn und Schläfen seidenweich –
O wie er lieblich war! – So schritten wir
Die totenstillen Gassen traulich hin.
Nur meines Schrittes Echo klang, und dort
Der große Brunnen rauschte. Sieh nur, sagt' ich,
Dies ist der Trevibrunnen. Möchtst du wohl
Auf diesen Wasserpferden reiten, Kind? –
Da lächelt' er, zum erstenmal. Und weiter
Rastlos den langen Corso ging's hinab.
Und als wir jetzt dem Hause nahten, wo
Die ärmste aller Mütter schlief, – doch nein,
Sie wachte; durch die Läden schimmerte
Die Lampe noch – da blieb er stehn und sah
Still zum Balkon hinauf. Unschlüssig schien er,
Ob er die Schwelle wohl betreten dürfe.
Und ich: ach, wenn die Zwei sich wiedersehn,
Er nimmt sie mir mit fort! – Da sah ich, wie er
Rasch vor der Tür die Blumen niederlegte,
Dann, gleich als ob er Eile habe, winkt' er
Mir zu, und durch das monderhellte Tor
Des Volkes führt' er mich und nach der Villa
[230]
Borghese, und wir schritten frei hinein.
Wie zauberherrlich breiteten die Wiesen,
Von Pinienwipfeln dunkel überschattet
Und rings von Säulen, Brunnen, Marmorbildern
Durchschimmert, weit sich aus! – Hier ist es schön,
Nicht wahr, mein Liebling? Sieh nur die Narzissen
Dort auf der Halde. Willst du wieder pflücken? –
Er aber spähte still umher. Da sahn wir
Im Stadium, wo Zypressen rings wie Wächter
Den Plan behüten, schöne Pferde frei
Sich tummeln oder weiden durch das Gras.
Die schlanken Nüstern schnoberten, es flogen
Die langen Schweife, wie sie ihre Sprünge
Fast wie im Reigen machten. Und auf einmal
Kam aus der Koppel zu uns hergelaufen
Ein weißes Füllen. Fromm-geduldig stand's
Vor meinem Knaben, ließ das krause Fell
Von seinen dreisten Händchen willig streicheln,
Und eh' ich's dachte, saß er auf dem Rücken
Des schlanken Tiers, und nun begann das Spiel,
In leichten Sprüngen erst, dann wild und wilder,
Daß ich in Angst erschaudernd rief und bat
Und warnt' – umsonst! In plötzlich tollem Rasen
Ausbrach der Wildling, wie gepeitscht mit Dornen,
Und mein Geliebter, wie ein Federball
Hinab, hinaufgeschnellt, kaum noch die Mähne
Fest hielt er – zwischendurch aus seinem Auge
Traf mich ein banger Strahl. – Ach, rief ich, hättst du
Es nicht gewagt! Das Leben ist zu wild,
Es wirft dich ab! – Da hört' ich einen Ton
Wie Ächzen – drauf ein schadenfrohes Wiehern –
Und als der Nebel meiner Ohnmacht wich,
Sah ich auf feuchtem Abhang hingestreckt
Den holden weißen Leib, die Strahlenaugen
Erloschen, ach, die Blumenglieder nackt
In eine rote Decke halbverhüllt –
Und sinnlos stürzt' ich hin. – –
Doch aus der Wiese,
Darauf er lag, sproß eine Blumensaat
[231]
Von gelben Totenblumen und Narzissen
Und frühen Veilchen, und sie wuchsen hoch
Und höher, überwuchernd die erblichnen
Geliebten Glieder, bis ich nichts mehr sah
Von meinem toten Glück. Ins Auge drang
Mir scharf und schmerzend erste Morgenglut
Des neuen Tags, in lautem Weinen brach
Die Qual mir aus, und seinen Namen rufend,
Erwacht' ich.

Rom im März

[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]

Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's,
Ihm nachzuhängen. Dennoch, jeden Tag,
Sobald versank der Sonnenball und noch
Der Trost des Sternenschimmers nicht erblüht,
Nur bleiern bleiches Zwielicht auf dem plötzlich
Entseelten Angesicht der Erde ruht,
Tritt vor mich hin dasselbe Graungespenst.
Mir ist, mein Knabe sei in weiter Ferne
Verirrt und finde nicht nach Haus. Ich seh' ihn
Durch graue Gassen einer fremden Stadt
Hineilen, seine kleinen Füße wanken,
Von kühlem Tau und kaltem Schweiße klebt
Sein braunes Haar, die Augen suchen irr
Umher, ob sie das Haus nicht wiederfinden,
Wohin er soll, wo ihm das Bettchen steht,
Die Mutter tödlich sich um ihn zerbangt
Und trostlos sie der Vater trösten will.
Und fremde Leute, hastig teilnahmlos,
Gehn ihm vorbei – er ruft sie an – er fleht:
Bringt mich nach Hause! – Keiner hört auf ihn;
Nicht eine Pforte tut sich ladend auf,
Nicht eine Hand zieht ihn ins Wohnliche.
Und so von Tür zu Türe, hingejagt
Von Hunger, Angst und Sterbensmüdigkeit,
Sucht er und sucht – und keine Zuflucht winkt,
Und dichter, kühler, schauriger umdunkelt
Die Nacht sein banges Leben – schwer und schwerer
Den Atem ringt er aus beklemmter Brust –
[232]
Und jetzt – die Kraft versiegt – mit leisem Ach
Hinsinkt er auf den kalten Stein.
Da sendet
Ein güt'ger Dämon, der das Herz mir nicht
Will springen lassen im lebend'gen Leibe,
Ihm Helfer in der höchsten Not. Ich seh'
Zwei andre Kinder um die Ecke biegen,
Stillgleitend wie mit Flügeln. An der Hand
Führt ein halbwüchs'ger Knab' ein zierlich Mägdlein,
Das kaum erst trippeln lernte. Stolz und ernst
Glüht unter blasser Stirn das Knabenauge
Und rastet plötzlich auf dem Hingesunknen.
Das Mägdlein aber stutzt und zeigt auf ihn,
Und jetzt, mit holdem, unhörbarem Lachen
Läuft's auf ihn zu und tupft ihn auf den Kopf,
Und wie er aufsieht, streichelt sie ihm sanft
Das taubetriefte Haar. Doch ihr Gefährte
Faßt brüderlich den Kleinen unterm Arm
Und richtet ihn empor. Da sehn die Drei
Sich an mit Kinderneugier, rasch vertraut,
Und flink das Mägdlein in die Mitte nehmend,
Gehn sie dahin; mir ist, ihr Lachen hört' ich,
Ihr kindisch Plaudern, – und wie Flötenhauch
Dringt's an mein Ohr. So blick' ich ihnen nach,
Bis vor dem übertauenden Aug' ihr Bild
Zerrinnt, und dort am Dachesrande glüht
Der goldne Mond empor und übergießt
Mit Balsam mir die angsterlöste Seele.

Rom

Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten
1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

Rispetti

1.

Rispetti singt man abends in der Kühle
Und mitternachts zur Stunde der Gespenster.
Ein wenig aufzuatmen nach der Schwüle,
Singt sie ein Liebender am Kammerfenster.
Ich singe sie an einem kleinen Grabe,
Drin ruht, was ich zumeist geliebet habe.
[233]
Es kommt kein Gruß, kein Flüsterwort zurücke;
Ein armer Spuk nur blieb von so viel Glücke.
2. [Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen]1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

2.

Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen,
Und fuhr empor, als wärst du wieder da
Und sprächest wieder, wie du oft gesprochen,
Mit Schmeichelton: Darf ich hinein, Papa?
Und da ich abends ging am steilen Strand,
Fühlt' ich dein Händchen warm in meiner Hand.
Und wo die Flut Gestein herangewälzt,
Sagt' ich ganz laut: Gib acht, daß du nicht fällst!
3. [Wir müssen es nur ja der Welt nicht sagen]2. [Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen]1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

3.

Wir müssen es nur ja der Welt nicht sagen,
Daß sie zu arm, dies Kleinod zu ersetzen.
Sie zuckt die Achseln nur zu unsern Klagen:
»Was man verloren, darf man überschätzen!« –
Unter vier Augen magst du mir's gestehen,
Daß wir als Bettler nun durchs Leben gehen.
Unter vier Augen will ich dir's bekennen:
Es wird kein Glück mehr uns beglücken können.
4. [Um Mitternacht weckt mich die alte Wunde]3. [Wir müssen es nur ja der Welt nicht sagen]2. [Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen]1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

4.

Um Mitternacht weckt mich die alte Wunde.
Ich seh' den Mond so still ins Fenster scheinen.
Auch du bist wach, und mit dem Tuch vorm Munde
Ersticken möchtest du dein einsam Weinen.
Ach, sollen mir nicht sagen deine Tränen,
Ich dürfe niemals dich getröstet wähnen?
[234]
Ach, sagen sie mir nicht: was dir geblieben,
Sei kaum der Mühe wert, es noch zu lieben?
5. [Vor unsern Fenstern nachts erklingt die Zither]4. [Um Mitternacht weckt mich die alte Wunde]3. [Wir müssen es nur ja der Welt nicht sagen]2. [Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen]1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

5.

Vor unsern Fenstern nachts erklingt die Zither;
Hörst du? Santa Lucia wird gesungen.
Wie klingt uns nun die süße Weise bitter,
Wie wühlt sie aus dem Schlaf Erinnerungen!
Das Stimmchen, das geliebte, tönt nicht wieder,
Das oft uns sang dies liebste seiner Lieder.
Vom andern Ufer lockt es: Mamma mia,
Deh! vieni all' agile barchetta mia!
6. [Die Augen weg, die ernsten Kinderaugen]5. [Vor unsern Fenstern nachts erklingt die Zither]4. [Um Mitternacht weckt mich die alte Wunde]3. [Wir müssen es nur ja der Welt nicht sagen]2. [Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen]1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

6.

Die Augen weg, die ernsten Kinderaugen,
Die unverrückt mir überm Bette strahlen,
Mir Freud' und Frieden aus der Seele saugen
Und mich zu Asche glühn in Sehnsuchtsqualen!
Sie fragen: mußten wir denn untergehn,
Eh' wir am Buch der Welt uns satt gesehn?
Wär' deinen, die sich müde dran gelesen,
Willkommner nicht die ew'ge Nacht gewesen?
7. [Es war im Himmel und auf Erden nichts]6. [Die Augen weg, die ernsten Kinderaugen]5. [Vor unsern Fenstern nachts erklingt die Zither]4. [Um Mitternacht weckt mich die alte Wunde]3. [Wir müssen es nur ja der Welt nicht sagen]2. [Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen]1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

7.

Es war im Himmel und auf Erden nichts,
Was uns nicht höher Sinn und Herz entzückte,
Wenn aus dem Spiegel deines Angesichts,
Geliebtes Kind, es uns entgegenblickte.
Der klare Spiegel ward so jäh zerschlagen,
Nun hat die Welt uns weiter nichts zu sagen.
Nicht lockt uns mehr der Dinge Widerschein;
Wir starren freudenblind in uns hinein.
8. [Komm! Laß uns hier die Anemonen pflücken]7. [Es war im Himmel und auf Erden nichts]6. [Die Augen weg, die ernsten Kinderaugen]5. [Vor unsern Fenstern nachts erklingt die Zither]4. [Um Mitternacht weckt mich die alte Wunde]3. [Wir müssen es nur ja der Welt nicht sagen]2. [Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen]1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

[235] 8.

Komm! Laß uns hier die Anemonen pflücken;
Dem Liebling sei's ein Liebesangebinde.
Wir woll'n sie wohlverwahrt nach Hause schicken,
Man soll aufs Grab sie legen unserm Kinde.
Sein kleiner Hügel ist nun überschneit,
Und uns umblüht hier Frühling weit und breit.
Uns scheint die Sonne Roms so süß und warm,
Er aber ruht der ew'gen Nacht im Arm.
O weher tut, als Armut, Überfluß,
Wenn ein Geliebtes ewig darben muß!
9. [Das Leben ist ein Meer voll wilder Klippen]8. [Komm! Laß uns hier die Anemonen pflücken]7. [Es war im Himmel und auf Erden nichts]6. [Die Augen weg, die ernsten Kinderaugen]5. [Vor unsern Fenstern nachts erklingt die Zither]4. [Um Mitternacht weckt mich die alte Wunde]3. [Wir müssen es nur ja der Welt nicht sagen]2. [Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen]1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

9.

Das Leben ist ein Meer voll wilder Klippen,
Mit Fischblut gilt es glatt sich durchzuwinden,
Niemals sein Herz zu tragen auf den Lippen,
Niemals an andrer Glück sein Herz zu binden.
Du lerntest viel zu früh an andre denken,
An ihrem Wohl und Weh dich freun und kränken.
Ach, viel zu frühe singst du an zu lieben:
Du wärst nicht lang ein froher Mensch geblieben!
10. [In junger Zeit, wenn meines Herzens Pochen]9. [Das Leben ist ein Meer voll wilder Klippen]8. [Komm! Laß uns hier die Anemonen pflücken]7. [Es war im Himmel und auf Erden nichts]6. [Die Augen weg, die ernsten Kinderaugen]5. [Vor unsern Fenstern nachts erklingt die Zither]4. [Um Mitternacht weckt mich die alte Wunde]3. [Wir müssen es nur ja der Welt nicht sagen]2. [Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen]1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

10.

In junger Zeit, wenn meines Herzens Pochen
Schon lang vor Tage mir den Schlaf vertrieben,
Hab' ich in Reimen vor mich hingesprochen
Und bei der Kerze noch sie aufgeschrieben.
Der Liebsten bracht' ich sie zur Dämmerstunde,
Die küßte Zeil' um Zeile mir vom Munde.
Dies nächt'ge Lied wird kein Geliebtes hören:
Es dient allein den Schlummer mir zu stören.
[236]
Es dient allein, mich vor dem Traum zu retten,
Als ob wir dich noch nicht verloren hätten!
11. [In dieser Welt voll banger Widersprüche]10. [In junger Zeit, wenn meines Herzens Pochen]9. [Das Leben ist ein Meer voll wilder Klippen]8. [Komm! Laß uns hier die Anemonen pflücken]7. [Es war im Himmel und auf Erden nichts]6. [Die Augen weg, die ernsten Kinderaugen]5. [Vor unsern Fenstern nachts erklingt die Zither]4. [Um Mitternacht weckt mich die alte Wunde]3. [Wir müssen es nur ja der Welt nicht sagen]2. [Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen]1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

11.

In dieser Welt voll banger Widersprüche,
Wie fühlst du Zweifel deine Brust beklemmen,
Die eklen Dünste dieser Hexenküche
Den Sinn verwirren und den Atem hemmen!
Ich trug einmal ein Blümchen in der Hand,
Vor dessen Hauch ein jeder Mißduft schwand.
Es schien mit seines Kelches zartem Neigen
Mich zu ermuntern, mir den Weg zu zeigen.
Seit mir das Blümchen in den Staub gefallen,
Kann ich den Weg nur tastend weiterwallen.
12. [Ich war ein reingestimmtes Saitenspiel]11. [In dieser Welt voll banger Widersprüche]10. [In junger Zeit, wenn meines Herzens Pochen]9. [Das Leben ist ein Meer voll wilder Klippen]8. [Komm! Laß uns hier die Anemonen pflücken]7. [Es war im Himmel und auf Erden nichts]6. [Die Augen weg, die ernsten Kinderaugen]5. [Vor unsern Fenstern nachts erklingt die Zither]4. [Um Mitternacht weckt mich die alte Wunde]3. [Wir müssen es nur ja der Welt nicht sagen]2. [Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen]1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

12.

Ich war ein reingestimmtes Saitenspiel;
Wenn ich erklang, so war's zur Freude vielen.
Warum's dem Meister Schicksal nur gefiel,
So ungestüm und rauh mir mitzuspielen?
Nun ist die edle Harmonie zerstört;
Verstimmen muß ich jeden, der mich hört.
Nun sind die andern Saiten all' zersprungen;
Nur eine tönt noch, von Erinnerungen.
Weihnachten in Rom12. [Ich war ein reingestimmtes Saitenspiel]11. [In dieser Welt voll banger Widersprüche]10. [In junger Zeit, wenn meines Herzens Pochen]9. [Das Leben ist ein Meer voll wilder Klippen]8. [Komm! Laß uns hier die Anemonen pflücken]7. [Es war im Himmel und auf Erden nichts]6. [Die Augen weg, die ernsten Kinderaugen]5. [Vor unsern Fenstern nachts erklingt die Zither]4. [Um Mitternacht weckt mich die alte Wunde]3. [Wir müssen es nur ja der Welt nicht sagen]2. [Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen]1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten
1. [Kein Baum mit Lichtern, keine Weihnachtsgaben]Weihnachten in Rom12. [Ich war ein reingestimmtes Saitenspiel]11. [In dieser Welt voll banger Widersprüche]10. [In junger Zeit, wenn meines Herzens Pochen]9. [Das Leben ist ein Meer voll wilder Klippen]8. [Komm! Laß uns hier die Anemonen pflücken]7. [Es war im Himmel und auf Erden nichts]6. [Die Augen weg, die ernsten Kinderaugen]5. [Vor unsern Fenstern nachts erklingt die Zither]4. [Um Mitternacht weckt mich die alte Wunde]3. [Wir müssen es nur ja der Welt nicht sagen]2. [Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen]1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

Weihnachten in Rom

1.

Kein Baum mit Lichtern, keine Weihnachtsgaben.
Wir sitzen uns genüber bang und stumm,
Und jedes weiß, und keines sagt, warum:
Drei Kinder in der Ferne, drei begraben.
[237]
Wir werden stille Feiertage haben,
Trotz Glockenläuten, frohem Festgesumm.
Denn immer geistet bleich um uns herum
Das Schmerzensantlitz unsres lieben Knaben.
Nun wohl! So werd' auch dies noch ausgestanden,
Geschlürft im Jammerkelch der herbste Tropfen!
Noch Bittreres ist schwerlich mehr vorhanden.
Es wäre denn der Blutsquell nicht zu stopfen,
Und von zwei Herzen, fest in Liebesbanden,
Hörte das eine vorschnell auf zu klopfen.
2. [Ich hatt einmal gar treffliche Talente]1. [Kein Baum mit Lichtern, keine Weihnachtsgaben]Weihnachten in Rom12. [Ich war ein reingestimmtes Saitenspiel]11. [In dieser Welt voll banger Widersprüche]10. [In junger Zeit, wenn meines Herzens Pochen]9. [Das Leben ist ein Meer voll wilder Klippen]8. [Komm! Laß uns hier die Anemonen pflücken]7. [Es war im Himmel und auf Erden nichts]6. [Die Augen weg, die ernsten Kinderaugen]5. [Vor unsern Fenstern nachts erklingt die Zither]4. [Um Mitternacht weckt mich die alte Wunde]3. [Wir müssen es nur ja der Welt nicht sagen]2. [Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen]1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

2.

Ich hatt einmal gar treffliche Talente:
Goldsterne schnitzeln und die Lichter zünden
Am Weihnachtsbaum und mit der Glocke künden,
Daß man die Tür nun endlich stürmen könnte.
Ich wußt' auch, wie man Festungen berennte,
Um nach dem Sieg in bombenfesten Gründen
Die Honigkuchenmunition zu finden
Mit einem Bleisoldatenregimente.
Ich hatt' auch einen guten Kameraden –
Als wär's ein Stück von mir, ein großes Stück!
Wir fochten manchen lust'gen Strauß selbander.
Den wird hinfort kein Weihnachtsglöckchen laden;
Nie stürzt er mehr ins Zimmer, rot von Glück,
Und schlägt die Händchen jauchzend ineinander.
3. [Und doch, ein Christfest war auch uns beschieden]2. [Ich hatt einmal gar treffliche Talente]1. [Kein Baum mit Lichtern, keine Weihnachtsgaben]Weihnachten in Rom12. [Ich war ein reingestimmtes Saitenspiel]11. [In dieser Welt voll banger Widersprüche]10. [In junger Zeit, wenn meines Herzens Pochen]9. [Das Leben ist ein Meer voll wilder Klippen]8. [Komm! Laß uns hier die Anemonen pflücken]7. [Es war im Himmel und auf Erden nichts]6. [Die Augen weg, die ernsten Kinderaugen]5. [Vor unsern Fenstern nachts erklingt die Zither]4. [Um Mitternacht weckt mich die alte Wunde]3. [Wir müssen es nur ja der Welt nicht sagen]2. [Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen]1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

3.

Und doch, ein Christfest war auch uns beschieden;
Kein nordisch lust'ger Tannenbaum, statt dessen
Ein ganzer Hain hochragender Zypressen
Am Fuß der stillsten aller Pyramiden 1.
[238]
Wir gingen langsam durch den Todesfrieden
Und lasen alte Namen, meist vergessen,
Von Kämpfern, die schon lang die Bahn durchmessen
Und narbenvoll aus dem Getümmel schieden.
Herüber sah von fern durch grauen Duft
Das Kapitol, ein Riesenhaupt, ergraut,
Weil es Geburt und Tod muß überdauern.
Zwei Veilchen pflücktest du von einer Gruft
Und brachst in Tränen aus, als plötzlich laut
Die Vögel sangen auf den Gartenmauern.

Fußnoten

1 Die Pyramide des Cestius, an deren Fuß der Friedhof der Protestanten liegt.

Tristien3. [Und doch, ein Christfest war auch uns beschieden]2. [Ich hatt einmal gar treffliche Talente]1. [Kein Baum mit Lichtern, keine Weihnachtsgaben]Weihnachten in Rom12. [Ich war ein reingestimmtes Saitenspiel]11. [In dieser Welt voll banger Widersprüche]10. [In junger Zeit, wenn meines Herzens Pochen]9. [Das Leben ist ein Meer voll wilder Klippen]8. [Komm! Laß uns hier die Anemonen pflücken]7. [Es war im Himmel und auf Erden nichts]6. [Die Augen weg, die ernsten Kinderaugen]5. [Vor unsern Fenstern nachts erklingt die Zither]4. [Um Mitternacht weckt mich die alte Wunde]3. [Wir müssen es nur ja der Welt nicht sagen]2. [Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen]1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten
1. [O stiehl dich nicht von meiner Seite fort]Tristien3. [Und doch, ein Christfest war auch uns beschieden]2. [Ich hatt einmal gar treffliche Talente]1. [Kein Baum mit Lichtern, keine Weihnachtsgaben]Weihnachten in Rom12. [Ich war ein reingestimmtes Saitenspiel]11. [In dieser Welt voll banger Widersprüche]10. [In junger Zeit, wenn meines Herzens Pochen]9. [Das Leben ist ein Meer voll wilder Klippen]8. [Komm! Laß uns hier die Anemonen pflücken]7. [Es war im Himmel und auf Erden nichts]6. [Die Augen weg, die ernsten Kinderaugen]5. [Vor unsern Fenstern nachts erklingt die Zither]4. [Um Mitternacht weckt mich die alte Wunde]3. [Wir müssen es nur ja der Welt nicht sagen]2. [Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen]1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

Tristien

1.

O stiehl dich nicht von meiner Seite fort,
Wie's oft mir droht dein trostlos wunder Blick!
Ein blindes Rätselspiel ward das Geschick,
Doch ist der Tod ein trüglich Lösungswort.
Ja, gäb' es über diesem Hier ein Dort,
Dir zu erneun verlornes Mutterglück,
Wer weiß, ich hielte nicht die Hand zurück,
Die steuern wollte noch dem Rettungsport.
Doch jener Schlaf, der keine Träume bringt,
Nur seelenlosen Frieden, starr und still,
Ist er denn mehr als diese Trauer wert,
Drin fort und fort sein Stimmchen dich umklingt,
Sein weiches Händchen dich noch streicheln will,
Und was du hingabst, ewig dir gehört?
2. [Wir wollten in Borgheses hohem Saal]1. [O stiehl dich nicht von meiner Seite fort]Tristien3. [Und doch, ein Christfest war auch uns beschieden]2. [Ich hatt einmal gar treffliche Talente]1. [Kein Baum mit Lichtern, keine Weihnachtsgaben]Weihnachten in Rom12. [Ich war ein reingestimmtes Saitenspiel]11. [In dieser Welt voll banger Widersprüche]10. [In junger Zeit, wenn meines Herzens Pochen]9. [Das Leben ist ein Meer voll wilder Klippen]8. [Komm! Laß uns hier die Anemonen pflücken]7. [Es war im Himmel und auf Erden nichts]6. [Die Augen weg, die ernsten Kinderaugen]5. [Vor unsern Fenstern nachts erklingt die Zither]4. [Um Mitternacht weckt mich die alte Wunde]3. [Wir müssen es nur ja der Welt nicht sagen]2. [Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen]1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

2.

Wir wollten in Borgheses hohem Saal
Am Zauber Tizians heut die Blicke weiden,
Und weil die Brunnen sich mit Eis bekleiden,
Hing ich den Mantel um zum erstenmal.
[239]
Was zog ich aus der Tasche da? O Qual!
Zwei winzig kleine Handschuh', weich und seiden,
Die wollt' er nicht mehr an den Händchen leiden,
Da schon zu warm der Frühlingssonne Strahl.
Da hob ich sie ihm auf, als durch den Wald
Vergnüglich »wir zwei Männer« uns ergingen,
Ach, ahnungslos, wie kurz der Frühling bliebe.
Und nun sein warmes Händchen starr und kalt
In ew'ger Nacht –! Dies Höllenleid bezwingen
Kann keine »himmlische und ird'sche Liebe«.
3. [Wenn ich, mein holdes Kind, wie oft geschah]2. [Wir wollten in Borgheses hohem Saal]1. [O stiehl dich nicht von meiner Seite fort]Tristien3. [Und doch, ein Christfest war auch uns beschieden]2. [Ich hatt einmal gar treffliche Talente]1. [Kein Baum mit Lichtern, keine Weihnachtsgaben]Weihnachten in Rom12. [Ich war ein reingestimmtes Saitenspiel]11. [In dieser Welt voll banger Widersprüche]10. [In junger Zeit, wenn meines Herzens Pochen]9. [Das Leben ist ein Meer voll wilder Klippen]8. [Komm! Laß uns hier die Anemonen pflücken]7. [Es war im Himmel und auf Erden nichts]6. [Die Augen weg, die ernsten Kinderaugen]5. [Vor unsern Fenstern nachts erklingt die Zither]4. [Um Mitternacht weckt mich die alte Wunde]3. [Wir müssen es nur ja der Welt nicht sagen]2. [Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen]1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

3.

Wenn ich, mein holdes Kind, wie oft geschah,
Dir vorgefabelt wundersame Sachen,
Sahst du mich an mit deinem klugen Lachen
Und sagtest: Ich versteh' schon Spaß, Papa.
Ein Glanz umfloß dir Mund und Augen da,
Um auch die tiefste Schwermut froh zu machen.
Schon kündete sich an des Geists Erwachen,
Der im Humor des Lebens Blüte sah.
Das Schicksal aber hat nicht Spaß verstanden.
So unerbittlich war sein eh'rner Wille,
Daß aller Munterkeit ich längst vergaß.
Nichts, was des Lachens wert, scheint noch vorhanden
Ich horche Tag und Nacht – die Welt bleibt stille,
Und dieses Dasein ward ein schaler Spaß.
4. [Heut nacht kam das Gebet mir in den Sinn]3. [Wenn ich, mein holdes Kind, wie oft geschah]2. [Wir wollten in Borgheses hohem Saal]1. [O stiehl dich nicht von meiner Seite fort]Tristien3. [Und doch, ein Christfest war auch uns beschieden]2. [Ich hatt einmal gar treffliche Talente]1. [Kein Baum mit Lichtern, keine Weihnachtsgaben]Weihnachten in Rom12. [Ich war ein reingestimmtes Saitenspiel]11. [In dieser Welt voll banger Widersprüche]10. [In junger Zeit, wenn meines Herzens Pochen]9. [Das Leben ist ein Meer voll wilder Klippen]8. [Komm! Laß uns hier die Anemonen pflücken]7. [Es war im Himmel und auf Erden nichts]6. [Die Augen weg, die ernsten Kinderaugen]5. [Vor unsern Fenstern nachts erklingt die Zither]4. [Um Mitternacht weckt mich die alte Wunde]3. [Wir müssen es nur ja der Welt nicht sagen]2. [Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen]1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

4.

Heut nacht kam das Gebet mir in den Sinn,
Mit dem als Kind ich stets mich schlafen legte,
Und wie die Lippe sich von selbst bewegte,
Sagt' ich das »Vaterunser« vor mich hin.
[240]
Doch weil ich längst entwöhnt des Wahnes bin,
Daß väterlich des Lebens Herr mich hegte,
Geschah's, daß der Gedank' in mir sich regte:
Wie gut, daß ich ein Kind des Todes bin!
So betet' ich zu ihm: Gescheh' dein Wille! –
Gib mir mein täglich Brot an Sorg' und Mühe! –
Versuche du mich nicht! – Dann schwieg ich stille
Und lag in unaussprechlichem Gegrübel,
Bis ich aufdämmern sah die erste Frühe,
Da schloß ich fromm: Erlös' uns von dem Übel!
5. [Ob in der argen Welt, wie gute Christen]4. [Heut nacht kam das Gebet mir in den Sinn]3. [Wenn ich, mein holdes Kind, wie oft geschah]2. [Wir wollten in Borgheses hohem Saal]1. [O stiehl dich nicht von meiner Seite fort]Tristien3. [Und doch, ein Christfest war auch uns beschieden]2. [Ich hatt einmal gar treffliche Talente]1. [Kein Baum mit Lichtern, keine Weihnachtsgaben]Weihnachten in Rom12. [Ich war ein reingestimmtes Saitenspiel]11. [In dieser Welt voll banger Widersprüche]10. [In junger Zeit, wenn meines Herzens Pochen]9. [Das Leben ist ein Meer voll wilder Klippen]8. [Komm! Laß uns hier die Anemonen pflücken]7. [Es war im Himmel und auf Erden nichts]6. [Die Augen weg, die ernsten Kinderaugen]5. [Vor unsern Fenstern nachts erklingt die Zither]4. [Um Mitternacht weckt mich die alte Wunde]3. [Wir müssen es nur ja der Welt nicht sagen]2. [Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen]1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

5.

Ob in der argen Welt, wie gute Christen
Beteuern, alles sich zum Besten wende,
Ob sie nur wert sei, daß sie eilig ende,
Nach eurem Credo, werte Pessimisten,
Ob zwischen dem Erfreulichen und Tristen
In goldner Mitte sich der Ausgleich fände:
Fern sei's von mir, daß ich mich unterstände
Schiedsrichterlichen Spruchs bei solchen Zwisten.
Ich hab', indes ich wandelt' hier auf Erden,
Vom Süßesten und Bittersten genossen
Und kenne dieses Daseins Stärk' und Schwächen.
Im Einzlen hoff' ich klüger noch zu werden,
Doch übers Ganze bin ich fest entschlossen
Superlativisch niemals abzusprechen.
6. [Ich habe längst in mir den Wunsch begraben]5. [Ob in der argen Welt, wie gute Christen]4. [Heut nacht kam das Gebet mir in den Sinn]3. [Wenn ich, mein holdes Kind, wie oft geschah]2. [Wir wollten in Borgheses hohem Saal]1. [O stiehl dich nicht von meiner Seite fort]Tristien3. [Und doch, ein Christfest war auch uns beschieden]2. [Ich hatt einmal gar treffliche Talente]1. [Kein Baum mit Lichtern, keine Weihnachtsgaben]Weihnachten in Rom12. [Ich war ein reingestimmtes Saitenspiel]11. [In dieser Welt voll banger Widersprüche]10. [In junger Zeit, wenn meines Herzens Pochen]9. [Das Leben ist ein Meer voll wilder Klippen]8. [Komm! Laß uns hier die Anemonen pflücken]7. [Es war im Himmel und auf Erden nichts]6. [Die Augen weg, die ernsten Kinderaugen]5. [Vor unsern Fenstern nachts erklingt die Zither]4. [Um Mitternacht weckt mich die alte Wunde]3. [Wir müssen es nur ja der Welt nicht sagen]2. [Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen]1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

6.

Ich habe längst in mir den Wunsch begraben,
Zu schlürfen aus des Lebens Freudebronnen;
Der Ehrgeiz schwand, mich am Erfolg zu sonnen,
Und über Habsucht fühl' ich mich erhaben.
[241]
So werd' ich meinen Weg zu Ende traben
Gesenkten Haupts, den aufrecht ich begonnen,
Und doch – noch einmal, eh' die Frist verronnen,
Wünscht' ich an Jugendvollkraft mich zu laben.
Denn hinter meiner Stirne fühl' ich sacht
Ein Ungebornes ungebärdig pochen,
Das hätt' ich gern noch rein ans Licht gebracht.
Nun bangt mir, meine Bildkraft sei gebrochen
Und nieder müss' ich in die stumme Nacht,
Verstummt, eh' ich mein letztes Wort gesprochen.
In Florenz6. [Ich habe längst in mir den Wunsch begraben]5. [Ob in der argen Welt, wie gute Christen]4. [Heut nacht kam das Gebet mir in den Sinn]3. [Wenn ich, mein holdes Kind, wie oft geschah]2. [Wir wollten in Borgheses hohem Saal]1. [O stiehl dich nicht von meiner Seite fort]Tristien3. [Und doch, ein Christfest war auch uns beschieden]2. [Ich hatt einmal gar treffliche Talente]1. [Kein Baum mit Lichtern, keine Weihnachtsgaben]Weihnachten in Rom12. [Ich war ein reingestimmtes Saitenspiel]11. [In dieser Welt voll banger Widersprüche]10. [In junger Zeit, wenn meines Herzens Pochen]9. [Das Leben ist ein Meer voll wilder Klippen]8. [Komm! Laß uns hier die Anemonen pflücken]7. [Es war im Himmel und auf Erden nichts]6. [Die Augen weg, die ernsten Kinderaugen]5. [Vor unsern Fenstern nachts erklingt die Zither]4. [Um Mitternacht weckt mich die alte Wunde]3. [Wir müssen es nur ja der Welt nicht sagen]2. [Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen]1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

In Florenz

Florenz! O helle Tag' und Nächte,
Einst hier verschwärmt, wie liegt ihr weit!
Wer einen Hauch uns wiederbrächte
Der wonnevollen Knospenzeit!
Du noch so jung, so glückbeklommen,
Des Götterneides unbewußt,
Und ich, der manchen Strom durchschwommen,
Gelandet nun an deiner Brust!
Weißt du, wie in der Abendkühle
Wir wandelten den Fluß entlang,
Wie zärtlich fest sich im Gewühle
Mein Arm um deine Schulter schlang?
Herab den Arno kam gefahren
Mit Fackeln und Musik ein Kahn,
Daß wir den Widerschein, den klaren,
In unsern Augen blitzen sahn.
Und dort im Mezzanin die Zimmer,
Die unser junges Glück bewohnt,
Wo nachts mit seinem Märchenschimmer
Verstohlen zu uns kam der Mond;
Wenn vor dem Spiegel du die Locken
Dir löstest mit der schlanken Hand,
Noch stets erglühend süßerschrocken,
Weil dein Geliebter bei dir stand!
[242]
Und wenn ich dann beim Tageslichte
Dich durch die heitre Stadt geführt,
Wie ernstbemüht wir Kunstgeschichte
In Farb' und Stein und Erz studiert!
Des Tizian himmlische Gestalten,
Sie rührten kaum die Seele mir;
Kaum konnt' ich mich des Rufs enthalten:
Ich weiß, was holder ist als ihr!
Da sah vom hohen Fußgestelle
Der eh'rne Perseus fremd mich an.
Ist's wahr, schwermütiger Geselle,
Daß du es einst mir angetan?
Daß ich in hellen Jugendjahren
Die Mär zu deuten wohl vermeint
Von jenem Haupt mit Schlangenhaaren,
Das sterbend dir die Welt versteint?
Und jetzt – nur kurze Frist vergangen –
Wie anders kehren wir zurück!
Noch hält mein Arm dich fest umfangen,
Doch unterm Schleier weint mein Glück.
Du alles, was mir blieb vom Leben,
So sterbensmüd, so still und blaß –
Ich frage mit geheimem Beben:
Wie lang, ihr Götter, bleibt mir das?
Ja, lieblich war, was wir besessen,
Wir drückten's jubelnd an die Brust.
Doch um so bittrer unermessen
Wühlt nun im Tiefsten der Verlust.
Das Glück mit seinem süßen Lachen,
Es flog den wilden Strom hinab,
Gleich jenem lichterhellen Nachen,
Versunken in ein dunkles Grab.
Und wir – an all den alten Stätten
Verwandelt blicken wir uns um.
Wir möchten aus dem Lärm uns retten
In ein unnahbar Heiligtum.
[243]
Wir sehn den alten Halbgott winken
Und wissen jetzt erst, was sie meint,
Die Mär vom Haupt in seiner Linken,
Das sterbend ihm die Welt versteint.
In VenedigIn Florenz6. [Ich habe längst in mir den Wunsch begraben]5. [Ob in der argen Welt, wie gute Christen]4. [Heut nacht kam das Gebet mir in den Sinn]3. [Wenn ich, mein holdes Kind, wie oft geschah]2. [Wir wollten in Borgheses hohem Saal]1. [O stiehl dich nicht von meiner Seite fort]Tristien3. [Und doch, ein Christfest war auch uns beschieden]2. [Ich hatt einmal gar treffliche Talente]1. [Kein Baum mit Lichtern, keine Weihnachtsgaben]Weihnachten in Rom12. [Ich war ein reingestimmtes Saitenspiel]11. [In dieser Welt voll banger Widersprüche]10. [In junger Zeit, wenn meines Herzens Pochen]9. [Das Leben ist ein Meer voll wilder Klippen]8. [Komm! Laß uns hier die Anemonen pflücken]7. [Es war im Himmel und auf Erden nichts]6. [Die Augen weg, die ernsten Kinderaugen]5. [Vor unsern Fenstern nachts erklingt die Zither]4. [Um Mitternacht weckt mich die alte Wunde]3. [Wir müssen es nur ja der Welt nicht sagen]2. [Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen]1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

In Venedig

Hier unsre letzte Rast, im stillen Haus,
Daran vorbei die schwarzen Gondeln gleiten.
Wie dumpfe Geisterklage tönt daraus
Der Gondoliere Wechselruf zuzeiten.
Es schläft die Stadt, doch ihre Seele wacht,
Die sonnenscheue, wieder auf bei Nacht.
Und wir, wenn bei umflortem Sternenglanz
Wir wandeln durch die schweigenden Arkaden,
Gleich Schatten unter Schatten, die zum Tanz
Am Acheron die Spukgenossen laden –
Wie der Gedank' uns lähmend überfällt,
Zurück zu müssen in die Oberwelt!
Zurück zur Heimat, die zur Fremde ward,
Wo nicht mehr lockt, was einst so süß gewesen,
Wo unser nur die Freundesfrage harrt:
Kehrt ihr getröstet wieder, gramgenesen? –
Und wenn der Blick noch traurig suchend schweift,
Kaum einer, der sein Schmerzensrecht begreift!
Denn leicht beweglich fließt der Menschen Blut
Und scheidet hastig aus den fremden Tropfen.
Es sträubt sich, Jahr und Jahr verlornem Gut,
War's auch des Lebens Krone, nachzuklopfen.
Wir aber, deren Blut der Gram vergällt,
Wie taugten wir noch in die muntre Welt?
Sie gönnt dem Unglück, eine Weile still
In Einsamkeit sich trauernd abzuschließen.
Doch daß zuletzt nicht alles heilen will,
Nicht wiederkehrt die Sehnsucht, zu genießen,
Daß Treue nicht zu sterben sich bequemt,
Muß sie verdammen, weil es sie beschämt.
[244]
O wie sie grausam klug zu trösten weiß,
Wie sie ergaben spricht von Lebenspflichten:
Der Menschenwürde Feuerprobe sei's,
An neuer Hoffnung sich emporzurichten. –
Doch wenn der Blitz des Baumes Mark verheert,
Wo ist ein Lenz, der neu ihn blühen lehrt?
Die Glücklichen! O, sie verstehn es nie
Und schelten »krankhaft« den erkrankten Willen.
Die Kühlgesunden! Nie begreifen sie,
Daß Wunsch und Wille nicht das Fieber stillen.
Uns aber laß verstummen, wo uns nicht
Ein Herz vernimmt, das unsre Sprache spricht.
Sieh diese Stadt, der Meere Königin,
Stolz, frei und glücklich einst und allumworben.
Ihr Stern erblich, ihr Purpur sank dahin,
Die Macht, ihr Lebensatem, ist erstorben,
Und wenn die Sonne jetzt dem Meer entsteigt,
Steht sie verschämt und nackt, das Haupt geneigt.
Nur wenn die Nacht kommt und Erinnerung
Im Mondlicht spukt und tausend Schatten schwärmen,
Dann ist's, als werde sie noch einmal jung
Und dürfe nicht um ihr Geschick sich härmen
Und wieder froh auf ihre Kinder schaun,
Die stolzen Nobili und blonden Fraun.
Süß ist der Traum und das Erwachen herb.
Durch ihre Gassen wimmelt neu das Leben,
Doch nur bedacht auf ärmlichen Erwerb,
Der Notdurft nur und dem Genuß ergeben.
Aus der Paläste toten Fenstern lacht
Nicht mehr das Glück, die Schönheit und die Macht.
Dann der Lagune Bettlermantel schlägt
Die alte Fürstin um die morschen Glieder,
Und in sich selbst versunken, unbewegt
Und klaglos in die Wellen starrt sie nieder,
Im Kleid der Armut noch der Krone wert! –
Wir aber wissen, wie man Unglück ehrt.
Auf der HeimfahrtIn VenedigIn Florenz6. [Ich habe längst in mir den Wunsch begraben]5. [Ob in der argen Welt, wie gute Christen]4. [Heut nacht kam das Gebet mir in den Sinn]3. [Wenn ich, mein holdes Kind, wie oft geschah]2. [Wir wollten in Borgheses hohem Saal]1. [O stiehl dich nicht von meiner Seite fort]Tristien3. [Und doch, ein Christfest war auch uns beschieden]2. [Ich hatt einmal gar treffliche Talente]1. [Kein Baum mit Lichtern, keine Weihnachtsgaben]Weihnachten in Rom12. [Ich war ein reingestimmtes Saitenspiel]11. [In dieser Welt voll banger Widersprüche]10. [In junger Zeit, wenn meines Herzens Pochen]9. [Das Leben ist ein Meer voll wilder Klippen]8. [Komm! Laß uns hier die Anemonen pflücken]7. [Es war im Himmel und auf Erden nichts]6. [Die Augen weg, die ernsten Kinderaugen]5. [Vor unsern Fenstern nachts erklingt die Zither]4. [Um Mitternacht weckt mich die alte Wunde]3. [Wir müssen es nur ja der Welt nicht sagen]2. [Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen]1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

[245] Auf der Heimfahrt

Es steht ein Haus im Garten,
Kühl an ein Wäldchen angelehnt.
Auf allen meinen Fahrten
Hab' ich nach ihm mich heimgesehnt.
Wie süß erklang
Dort Vogelsang,
Wie lachten Blumen ringsumher!
Wie ging's im Lauf
Die Stieg hinauf –
Nun graut mir vor der Wiederkehr.
Im Haus da ist ein Zimmer,
So luftig hoch, so blank und rein.
Was nur an Sonnenschimmer
Ums Häuschen streifte, drang hinein.
Wie lustig klang
Dort Kindersang,
Kein Winkel war von Spielen leer;
Dort fand ich Rast
Nach Tageslast –
Nun öffn' ich seine Tür nicht mehr.
Im Haus erklang ein Name
Von allen Lippen fort und fort,
Der hatte wundersame
Gewalt, schier wie ein Zauberwort.
Auf jedem Mund
Ein Lächeln stund,
Als ob's des Frühlings Name wär' –
Jetzt geht er stumm
Gespenstig um,
Und wer ihn ausspricht, lacht nicht mehr.
Wieder zu HauseAuf der HeimfahrtIn VenedigIn Florenz6. [Ich habe längst in mir den Wunsch begraben]5. [Ob in der argen Welt, wie gute Christen]4. [Heut nacht kam das Gebet mir in den Sinn]3. [Wenn ich, mein holdes Kind, wie oft geschah]2. [Wir wollten in Borgheses hohem Saal]1. [O stiehl dich nicht von meiner Seite fort]Tristien3. [Und doch, ein Christfest war auch uns beschieden]2. [Ich hatt einmal gar treffliche Talente]1. [Kein Baum mit Lichtern, keine Weihnachtsgaben]Weihnachten in Rom12. [Ich war ein reingestimmtes Saitenspiel]11. [In dieser Welt voll banger Widersprüche]10. [In junger Zeit, wenn meines Herzens Pochen]9. [Das Leben ist ein Meer voll wilder Klippen]8. [Komm! Laß uns hier die Anemonen pflücken]7. [Es war im Himmel und auf Erden nichts]6. [Die Augen weg, die ernsten Kinderaugen]5. [Vor unsern Fenstern nachts erklingt die Zither]4. [Um Mitternacht weckt mich die alte Wunde]3. [Wir müssen es nur ja der Welt nicht sagen]2. [Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen]1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

Wieder zu Hause

Und weiter braust das Leben,
Du aber liegst so still.
Viel Stimmen klingen munter;
Zu dir, zu dir hinunter
Nicht eine dringen will.
[246]
O helles Blühn und Grünen!
O Frühlingsüberschwang!
Nur deine zarten Glieder
Wärmt keine Sonne wieder,
Belebt kein Vogelsang!
Die Amseln, die dich frühe
Geweckt mit Zwitscherton,
Sie füttern neue Kleinen;
Ich schaue zu mit Weinen –
Mein Nestling flog davon.
LiedWieder zu HauseAuf der HeimfahrtIn VenedigIn Florenz6. [Ich habe längst in mir den Wunsch begraben]5. [Ob in der argen Welt, wie gute Christen]4. [Heut nacht kam das Gebet mir in den Sinn]3. [Wenn ich, mein holdes Kind, wie oft geschah]2. [Wir wollten in Borgheses hohem Saal]1. [O stiehl dich nicht von meiner Seite fort]Tristien3. [Und doch, ein Christfest war auch uns beschieden]2. [Ich hatt einmal gar treffliche Talente]1. [Kein Baum mit Lichtern, keine Weihnachtsgaben]Weihnachten in Rom12. [Ich war ein reingestimmtes Saitenspiel]11. [In dieser Welt voll banger Widersprüche]10. [In junger Zeit, wenn meines Herzens Pochen]9. [Das Leben ist ein Meer voll wilder Klippen]8. [Komm! Laß uns hier die Anemonen pflücken]7. [Es war im Himmel und auf Erden nichts]6. [Die Augen weg, die ernsten Kinderaugen]5. [Vor unsern Fenstern nachts erklingt die Zither]4. [Um Mitternacht weckt mich die alte Wunde]3. [Wir müssen es nur ja der Welt nicht sagen]2. [Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen]1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

Lied

Schöne Jugend, scheidest du?
Wohl! du bliebst mir lange treu.
Weil ich dir im Arm geruht,
Schien die Welt mir lieb und gut,
Kampf und Ruh
Immer freudig, immer neu.
Nicht entwichst du über Nacht,
Wie uns Dirnengunst verläßt,
Heischtest zögernd nur zurück
Gab' um Gabe, Glück um Glück,
Und mit Macht
Hielt ich noch die Fliehnde fest.
Wie ein feines Lieb sich kränkt,
Das vom Liebsten scheiden soll:
Immer noch ein letzter Kuß,
Noch ein Seufzer, noch ein Gruß –
Fern noch schwenkt
Sie ihr Tüchlein tränenvoll.
Ach, und nun dem Blick entflohn,
Trifft mich noch der Stimme Klang.
Schweig! O locke nicht von fern!
Sieh, im Blau der Abendstern
Schimmert schon –
Um den Schlaf bringt dein Gesang!
ZueignungLiedWieder zu HauseAuf der HeimfahrtIn VenedigIn Florenz6. [Ich habe längst in mir den Wunsch begraben]5. [Ob in der argen Welt, wie gute Christen]4. [Heut nacht kam das Gebet mir in den Sinn]3. [Wenn ich, mein holdes Kind, wie oft geschah]2. [Wir wollten in Borgheses hohem Saal]1. [O stiehl dich nicht von meiner Seite fort]Tristien3. [Und doch, ein Christfest war auch uns beschieden]2. [Ich hatt einmal gar treffliche Talente]1. [Kein Baum mit Lichtern, keine Weihnachtsgaben]Weihnachten in Rom12. [Ich war ein reingestimmtes Saitenspiel]11. [In dieser Welt voll banger Widersprüche]10. [In junger Zeit, wenn meines Herzens Pochen]9. [Das Leben ist ein Meer voll wilder Klippen]8. [Komm! Laß uns hier die Anemonen pflücken]7. [Es war im Himmel und auf Erden nichts]6. [Die Augen weg, die ernsten Kinderaugen]5. [Vor unsern Fenstern nachts erklingt die Zither]4. [Um Mitternacht weckt mich die alte Wunde]3. [Wir müssen es nur ja der Welt nicht sagen]2. [Mir war's, ich hört' es an der Türe pochen]1. [Rispetti singt man abends in der Kühle]Rispetti[Ich weiß, ein Wahn ist's und zum Wahnsinn bringt's]Der Mond stand überm Palatin. Wie ich[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten][Kennst du die Tränen][Der Tag verging mir][Bezwingst du nicht den dunklen Gram][Die Sonne gleitet still hinab][Wie schon jahrlang abgeschieden][Wie so wund nun bist du, arme Seele][Des ungewordenen][Warum zwitschert ihr mich][Die silberne Luft erglänzt so blaß][Es singt und klingt mir im Gemüt][Kein Wort, kein Blick][Horch! in der dunklen Frühe][O Herzenseigensinn][Die Tage schleichen an uns vorüber][Verzogen][So reisen wir ins Land hinein][Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt]Wilfried9. [Kommt an mein Herz, kommt nah heran, ihr Lieben!]8. [Mit jedem neuen Kind wirst du zum Kinde]7. [Die Träne quillt nicht mehr. Im dürren Staube]6. [Noch eh' der Hügel grünt auf deinem Grab]5. [Zu bitter wär' ich. Doch wer hat's verschuldet]4. [Und deine finstre Schwester, deren Bild]3. [Ich will mir meinen Freund nicht schelten lassen]2. [Ich fühlt' in meinen hellsten Lebenstagen]1. [Mit Kränzen, wie kein Bräutigam, geschmückt]ErnstWeihnachten 186914. [Ob wohl im Atem dieser Sommerluft]13. [Und doch, das ist der Dinge Lauf; auch du]12. [Ins Reich der Schatten führte mich der Traum]11. [Kommst du nun auch zu mir herangeschlichen]10. [Betracht' ich unser schwankes Menschenlos]9. [Fassung. - Ich bin gefaßt. – Geduld? – Ich dulde]8. [Mich dieser Tränen schämen. Ew'ge Mächte]7. [Mit Blumen haben sie dein Grab gefüllt]6. [Wohl fühl' ich, daß der Schmerz gelinder wird]5. [Tragt mir die Schale fort mit Walderdbeeren!]4. [Wie soll ich denken nun, wie soll ich dichten]3. [Schläfst du. Es ist schon Tag. - Ist's wirklich Tag]2. [Denkst du des Abends noch im Karneval]1. [Wie hast du nur hinweg dich stehlen können]MarianneGedichteGedichteHeyse, PaulMeinen Toten

[247] Zueignung 1

(An Wilfried)


Nun gingen zwanzig Jahr dahin,
Seit du uns fehlst, mein holder Sohn,
Und immer noch in Ohr und Sinn
Klingt mir der lieben Stimme Ton,
Und immer noch in Nächten klar,
Wenn mich geweckt die alte Wunde,
Seh' ich dein ernstes Augenpaar,
Das Lächeln an dem jungen Munde.
Doch nein! das sind die Augen nicht
Des Knaben, wie in jener Zeit:
Mich grüßt ein Jünglingsangesicht,
In Lebensernst schon eingeweiht;
Als ob an jenem dunklen Ort,
Der streng dich hält in seinem Banne,
Du heimlich lebtest mit uns fort
Und reiftest still heran zum Manne.
So wärst du hier auf Erden auch
Zu unserm Stolz herangeblüht,
Umweht von jenes Adels Hauch,
Der schon dein Knabenherz durchglüht.
Nicht wie der heut'gen jungen Welt
Erschiene dir des Lebens Krone
Genuß und Macht, und treu gesellt
Wär' mir ein Freund in meinem Sohne.
Nun wir getrennt für immer sind,
Kann ich im Geiste nur dir nahn,
Doch all mein Tagwerk, teures Kind,
Ist immer auch für dich getan.
Dir bracht' ich stets das Beste dar
Von meinen Lebensernten allen,
Und wenn ein Werk vollendet war,
Fragt' ich mich: würd' es ihm gefallen?
[248]
Umsonst! Es kehrt aus jenem Reich
Kein Laut des Anteils je zurück,
Und einem blassen Schatten gleich
Ist dieser Freundschaft Geisterglück.
Doch samml' ich heut die Herbstfrucht ein,
Gereift in Sonn' und Sturmeswettern,
Dem Toten soll zu eigen sein,
Was leben wird in diesen Blättern.

Salò

25. März 1897

Fußnoten

1 Der »Neuen Gedichte und Jugendlieder.« 1897.