AnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

[398] Ein Wintertagebuch

(Gardone 1901–1902)

Ankunft

15. Nov. 1901


Nun seid gegrüßt mir, Land und See und hoch am Berg du altes Nest,
Ihr Vignen, längst nicht mehr geschmückt mit rothem Herbstlaub wie zum Fest,
Olivenhalden, Lorbeerweg, du Bach, der wild zu Tale schießt,
Und ihr zumal am Seegestad, mein Haus und Garten, seid gegrüßt!
Ich find euch nach der Sommerglut noch frisch und grün am alten Fleck.
Die Erd' hat in Salò gebebt, ihr kamt davon mit bloßem Schreck,
Und dir, o mein Villino, wuchs inzwischen noch ein Flügel an,
So daß ich mich zum Winterschlaf in dir bequemer strecken kann.
Und diesen stört auch selten nur von draußen ein lebend'ger Klang,
Gedämpft ertönt das Glockenspiel zu mir herab vom Bergeshang,
Vom See nur eines Dampfers Pfiff, ein Eselchen schreit dann und wann,
Und alle Stücke kenn' ich längst, die drunten spielt der Orgelmann.
Und wenn am Haus die Glocke tönt, sie meldet lahme Bettler nur;
Ein Nachbar, der zu plaudern kommt, tritt selten ein in meinen Flur.
[399]
Es lockt uns kein Konzert hinaus, ein Schauspiel bietet nur der See,
Und Langweil hüllt uns dichter ein, als hoch im Norden Eis und Schnee.
Ein hochverehrlicher Kurvorstand sorgt eifrig und gewissenhaft,
Daß ja nur keine Lustbarkeit den Wintergästen Fieber schafft,
Daß Keinem, der zu sterben kam, hier, wo ihm letzte Frist gewährt,
Der Abschied von der schönen Welt durch Lebensfreuden werd' erschwert.
Doch da's einmal nicht anders ist, so füg' ich mich gefaßt darein,
Die Welt zu meiden winterlang, um länger auf der Welt zu sein.
Und überdies – ein Winterschlaf hier unter Palmen – in der Tat,
Ich finde, daß trotz alledem er seine stillen Reize hat.
Sagt Hamlet doch: »Was uns im Schlaf für Träume kommen, ja, da liegt's!«
Wohl Manches, was mir hier geträumt, nicht mit dem Morgenrot verfliegt's.
Einstweilen sei's im Tagebuch hier zwanglos zu Papier gebracht,
Und somit, halb im Traume schon, wünsch' ich mir selber gute Nacht!
Andere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Andere Zeiten

In einem alten Buch fand ich beschrieben,
Wie's fürstlich hohe Herrn und edle Damen
Vor Zeiten hier an der Riviera trieben.
Historien, bunt und wild, mit wundersamen
Kriegsläuften, Mordgeschichten, und in ihnen
Stets klangvoll hocherlauchte welsche Namen,
[400]
Visconti und Gonzaga, Ghibellinen
Und Guelfen, die die kleinen Städte zwangen,
Abwechselnd dem und jenem Herrn zu dienen.
Fast siebenhundert Jahre sind vergangen,
Seit Donna Margherita nach Gardone
Mit ihrem Fra Dolcino durchgegangen,
Dem Albigensermönch, da nach Sermione
Sich seine Glaubensbrüder hingeflüchtet,
Bis sich aufs Haupt gesetzt die Herrscherkrone
Mastino della Scala, der errichtet
Das mächtige Kastell, so fest und groß,
Daß es so bald kein Sturm der Zeit vernichtet.
Beatrix della Scala, Bernabò's
Gemahl, erhielt von ihm als Morgengabe
Die reiche Flur Maderno's und Salò's.
Und sie verfügte: nicht zu herrschen habe
Ob der Riviera, wie bisher, Maderno;
Sich beugen sollt's des Nachbarn Richterstabe.
Darob ein Kampf entbrannt' um das governo,
Höchst blutig, und die Küste, die bisher
Ein Paradies war, wurde zum Inferno;
Und wie im Lauf des Cinquecento dies
Umstrittene Gebiet, das vielbegehrte,
Der Meeresbraut Vasallenpflicht erwies,
Dann an Verona kam und wieder kehrte
Unter des Dogen Schutz und heftig dort
Sich gegen Brescia's Oberhoheit wehrte.
So wallt' und wogt' im Zeitenstrome fort
Kampf, Eifersucht und Unheil, bis am Ende
Die Wut gelinder ward. Am selben Ort,
[401]
Wo einst gelodert wilde Kriegesbrände,
Schien brennende Genußsucht nur zu walten,
Gelenkt vom Szepter weißer Frauenhände.
Ein Bankettieren, Tanzen, Festehalten,
In goldenen Karossen Tag und Nacht
Lustfahrten, daß die Ufer wiederhallten.
In allen Schlössern zügellose Pracht,
Ein Lotterleben, stets frivol und heiter,
Bis ihm die strenge Zeit ein Ende macht.
Dann Bonaparte's sieggewohnte Streiter,
Dann Garibaldi's heldenhafter Zug,
Der Tag von San Martino – und so weiter!
Mich dünkt fürwahr, an diesem sei's genug
Zum Zeugnis, daß der Boden, den wir treten,
Die Spur schon größerer Geschicke trug.
Heut geht's in der Riviera kleinen Städten
So still zu, wie die Luft an dieser Küste
In allen Vignen rings und Oliveten.
Nichts, was an alte Zeit dich mahnen müßte.
Statt glatter welscher rauhe deutsche Namen,
Anstatt der Chronik eine Fremdenliste.
Hüstelnde alte Herrn, nervöse Damen,
Vorsorglich dicht sich hüllend in den Pelz,
Da sie in einen »Winterkurort« kamen.
Zu ringen um die Herrschaft – heute fällt's
Maderno und Salò nicht ein. Es machen
Den Rang sich streitig höchstens die Hôtels.
Nicht in Maderno's »Palazzino« krachen
Champagnersalven, keine Lauten klingen,
Kein Tanz, kein Spiel, noch andre schöne Sachen.
[402]
Und statt der Ritter, die aufs Roß sich schwingen
Mit holden Frau'n, aus Furcht, sich zu entadeln,
Wenn sie gutbürgerlich zu Fuße gingen,
Sieht du die feine Welt – vorüberradeln.
ErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Ersatz

12. Dez.


Nun auf winterlicher Flur
Sind die Blumen all verschwunden.
Bleiche Weihnachtsrosen nur
Hab' ich in der Schlucht gefunden.
Doch die wilde Myrte sprießt
Immergrün an Weg und Stegen,
Und aus Lorbeerbüschen fließt
Kräft'ger Würzduft mir entgegen.
Sind die Blumen auch dahin,
Die ich brach im jungen Leben,
Unverwelklicher Gewinn
Ward mir zum Ersatz gegeben:
Sie, die ich zumeist geliebt,
Bleibt mir wandellos zur Seite,
Und die holde Muse gibt
Winters auch mir das Geleite.
Ein TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Ein Tantalus

Nino ist todt. Heut in der Frühe fand
Sein Herr auf dürft'gem Lager ihn entseelt,
Die Miene sanft, wie eines Schlafenden,
Doch alles Rütteln, aller Zuruf war
Umsonst. Zu seiner Tagesfrone stand
Er nicht mehr auf.
Undank, der Lohn der Welt,
Auch dir, du frommer Knecht, ward er zu Teil.
Denn von den Deinen, denen Jahre lang
[403]
Du treu gedient, ward eine Träne kaum
Dir nachgeweint, kein Grabgesang ertönt:
In steinigem Acker wirst du eingescharrt
Und morgen schon vergessen.
Ich nur widme
Bewegt dir einen Nachruf. Denn du warst
Zwar nur ein Pferd, doch gut und sanft und wohl
Auch hübsch in deiner Jugend, bis die Last
Der Arbeit dir das glatte Fell verdarb
Und dir der Rücken einsank. Dies zwar ist
Gemeines Pferdelos. Dich aber traf
Ein schlimmres, denn du warst ein Tantalus.
Dein Herr, der Fruttajuol, ein wackrer Mann,
Doch ahnungslos für Pferdeseelenschmerz,
An jedem frühen Morgen spannt' er dich
Vor seinen Karren, drauf in Körben frisch
Ein mancherlei Gemüse lag, Salat,
Kohl, Artischocken, Petersilie, auch
Spinat und würz'ger Fenchel und was sonst
Gott in Italiens Gärten wachsen läßt.
Dann hui! und omm! und Peitschenknall, auch wohl
Ein Peitschenhieb, und auf der Straße fort
Zogst du die grüne Ware für den Tisch
Der Villen, hieltst vor jeder Türe still
Und hörtest hinter dir die Köchin feilschen
Mit deinem Herrn um Leckerbissen, die
Du nie gekostet. Wenn die Hausfrau dir,
Mitleidig gegen jegliches Getier,
Ein Weißbrot spendet' und zuweilen auch
Ein Stücklein Zucker, dankbar nahmst du's hin
Und seufzend doch – ach, nur ein Tropfen war's
Auf heißen Stein! Wie hättst du erst geschwelgt
Im saft'gen Grünzeug, dem du vorgespannt!
Und wieder hui! und omm! und weiter ging's
Den Leidensweg. Sic vos non vobis –! klagte
Dein vorwurfsvoller Blick.
Nun ruhst du aus
Von ungestillter Sehnsucht, und ein andrer,
Nicht braun wie du und auch so mager nicht,
Ein muntrer Scheck zieht den Gemüsekarren,
[404]
Noch ganz vergnügt. Ich aber seh' voraus,
Was seiner harrt, und seufze mitleidsvoll:
Auch du bist von des Tantalus Geschlecht!
PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Pasqua

Diese Last von schwarzen Haaren,
Dieser Augen dunkle Glut,
Und so scheu und unerfahren,
Dieses Mündchen rot wie Blut;
Runde, zarte Kinderwangen,
Glatt und weiß wie feiner Samt,
Die in Schreck und Scham und Bangen
Rosenschimmer überflammt –
Ach, mit deinen Reizen allen
Bist du einem niedren Loos,
Kleine Pasqua, doch verfallen,
Heute noch so ahnungslos.
Hätte dich in goldner Wiege
Weich geschaukelt je das Glück,
Spräche wohl von manchem Siege
Dieser sprüh'nde Feuerblick.
Jetzt in ödem Haus vergeht dir
Karg das Leben, glückverwaist.
Nur ein Malerblick verrät dir
Dann und wann, wie schön du seist.
Und du dünkst dich hochbeseligt,
Wenn, bevor das Alter winkt,
Dich ein grober Bauer ehlicht,
Der nicht täglich sich betrinkt.
Manchmal blickst du wohl mit Neide
Einer stolzen Dame nach,
Die in Pelz und Samt und Seide
Ein par Worte mit dir sprach.
[405]
Aber weißt du, ob der Schönen,
Die besitzt, was dir versagt,
Nicht zu Haus mit tausend Tränen
Heißer Gram am Herzen nagt
Um den Mann, er sie umschmeichelt,
Bis er werbend sie betört,
Und nun längst schon nicht mehr heuchelt,
Daß sein Herz nur ihr gehört?
Früh muß sich die Blum' entblättern,
Drauf zu heiß das Licht geglüht.
Kleine Pasqua, dank den Göttern,
Daß im Schatten du erblüht!
Chi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Chi bella non è ...

Ich sah im Olivenwalde
Ein Mägdlein wandeln durchs Gras,
Das Beeren, zerstreut auf der Halde,
Gebückt in ihr Schürzchen las
Und sang, als ob ihr groß Leid geschah:
Chi bella non è, fortuna non ha!
Es klang so traurig und trübe
Von einsamer Todesstund',
Als klagt um verlorene Liebe
Ein nimmergeküßter Mund:
Die Häßlichen sterben allein, ach ja!
Chi bella non è, fortuna non ha!
Da blickte sie auf, und mit Staunen
Gewahrt' ich ein reizend Gesicht.
Es lacht aus den Augen, den braunen,
Ein schalkhaft blitzendes Licht.
Mit solchen Augen, wer klagte da:
Chi bella non è, fortuna non ha!
Die Schelmin sah mit Erröten,
Wie sehr sie den Fremdling behext,
[406]
Fand gleichwohl nicht vonnöten,
Zu ändern den seufzenden Text,
Und sang mit Lachen, so lang sie mich sah:
Chi bella non è, fortuna non ha!
Das GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Das Glöckchen

Still! o still!
Hörst du durch die Abendluft,
Wie das leise Glöckchen ruft?
Weißt du, was es sagen will?
Sanft zur Ruh'
Ward ein müdes Herz gebracht,
Und noch eine gute Nacht
Ruft ihm Mutter Erde zu.
Letzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Letzte Blüten

Noch eine Ros' am kahlen Strauch
Fand im Advent ich aufgeblüht,
Noch eines Liedes zarter Hauch
Klang mir verstohlen im Gemüt.
Der Rose Blätter taumeln hin,
Da ich sie kaum berührt, ins Beet,
Das Liedchen schwand mir aus dem Sinn –
Für Sommerkinder ist's zu spät!
Im AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Im Advent

Die längsten Nächte. Drüben hinterm Vorgebirg
Von San Vigilio schläft noch in den Tag hinein
Frau Sonn' und kann sich nicht entschließen aufzustehn.
Zeit wär' es längst. Doch sie, wie eine Königin,
Die weich sich dehnt im seidnen Bett und gähnend denkt,
Es eile nicht, von ihrem goldnen Thron herab
Ihr Weltreich zu regieren, schläfrig blinzelt sie
Nur schwach hervor aus grauer Wimper, zieht sodann
Das Nebeldeckbett hoch sich übers Angesicht
Und schlummert weiter.
[407]
Auch hernach, wenn endlich sie
Beginnt ihr Tagwerk, nur im Schlafrock schleicht sie dann
Mit ungestrählten Haaren, sehr unaufgeräumt
Des Wegs dahin, im Wolkenmantel dicht vermummt,
Als friere sie. Denn ach, nur eine Fabel ist
Das ewig blaue Firmament Italias!
Auf ihrer Stirn auch spukt gar oft zur Winterszeit
Ein Schatten grauer Schwermuth. Ihre Kinder dann
In kellerkalten Häusern, wo kein Ofen brennt,
Ums Reisigfeu'r am Herd trübsinnig kauern sie,
Vor Frost erschauernd. Stumm im kleinen Käfig sitzt
Die Drossel. Auch am Rocken jetzt und Webestuhl
Erklingt kein Ritornell und kein Rispetto mehr,
Und vorwurfsvoll ertönt nur noch des Mäuschens Pfiff,
Da ein Polentabröckchen kaum ihm übrig bleibt. –
Doch nur Geduld! Nach kurzen Wochen, hingedehnt
Im Nebelhalbtraum, denkt Frau Sonne wiederum
Vor Scham erglühend ihrer alten Schuldigkeit
Und holt, was lang versäumt ward, um so eifriger
Nun wieder ein. Den Reif vom Laube schüttelt sie
Den Lorbeern und Oliven, lockt mit warmem Hauch
Krokus und blaue Veilchen schon im Februar
Hervor auf allen Wiesen. An den Reben sacht
Beginnt's zu knospen. Ja sogar ein Vögelchen,
Wenn glücklich es dem Blei des Jägers winterlang
Entgangen, denkt bereits an neues Nesterbau'n
Und zirpt und wirbt um eine Braut.
Und ähnlich so
Ergeht's dem Dichter. Sacht in seinem Busen schon
Rührt sich Gesang, wenn früh am Tag er wohlgemut
Auf luft'ger Höhe wandelt, nur im leichten Rock
Und, was das Beste – denn verhaßt vor allem sind
Ihm diese nordischen Gräuel –, ohne Gummischuh'!
Eine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Eine Weihnachtsepistel

Du neidest mich mit deinem gönnenden
Selbstlosen Neide, Freund, um all den Zauber
An Farb' und Licht und immergrünem Flor
Des Winters hier im Süden. Einzig nur,
[408]
Daß es um Weihnacht uns an Schnee und Eis
Und Schlittenbahn gebricht, »was doch durchaus
Gehört zu einem richtigen heil'gen Christ«,
Müss' ich wohl auch beklagen.
Freilich war's
Mir selbst verwunderlich, als frühe schon
Die heil'ge Nacht vom klaren Firmament
Herabsank und ich hoch am Bergeshang
Hinschlendernd auf den See herniedersah, –
Weitum der Ufer reingeschwungner Ring,
Der einer edlen Silberschale gleich
Die dunkle Flut umfaßte, – daß mich noch
So lind die Luft umspielte, wie bei euch
Im Mai, und dachte: Heut ist Heiligabend;
Heut flockt vielleicht der Schnee in dichtem Schwarm
Auf Münchens Gassen, oder schneit es nicht,
So heult ein rauher Winterwind mit Macht
Weit vom Gebirg daher, daß, die verspätet
Noch unterwegs sind, ihre roten Nasen
Tief in den Kragen stecken und trotzdem
Den trefflichsten Katarrh nach Hause bringen. –
Nun, ländlich sittlich. Auch ein Schnupfen wohl
Gehört zu einem »richtigen« Weihnachtsfest,
Und mit Sylvesterpunsch kuriert man ihn.
Mich aber dünkt, die erste Weihnacht, die
Historische, hat von Katarrhen nichts
Und Sturm und Schnee gewußt. Lag doch, gehüllt
In leichte Windeln nur, im offnen Stall
Das liebe Christkind. Und die Hirten, die
Des Engels Botschaft hörten, ihre Herden
Auf freiem Felde hütend bei der Nacht,
Sie krochen frierend nicht in dumpfe Hütten,
Denn lau und lieblich war die Luft. Auch ragt'
Ein Lorbeer wohl hoch an des Stalles Mauer
Und strömte seinen Duft aufs Kripplein nieder,
Noch ehe die drei Könige mit Weihrauch
Und Myrrhen kamen. Eines Palmbaums Krone
War ausgebreitet als ein Baldachin
Zum Schirm der dürft'gen Wiege. Drinnen aber
[409]
Das Himmelskind bedurfte wahrlich nicht
Der goldnen Kerzchen unsrer Weihnachtstannen.
Denn in der Nacht des Südens funkelte,
Geschart um jenen Leitstern, das Gewimmel
Der Goldgestirne – fast wie überm See
Sie heut erglänzen, wo aus tiefem Blau
Sie nach und nach aufglimmen, während rings
Geläut ertönt – meinst du nicht doch, man könn'
Auch ohne Schnee und Eis an dieser Stätte
Die richtige Weihnacht feiern? – – –
Die PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Die Pergola

Vier schlanke Pfeiler im Geviert, darüber
Von braunem Holz ein leichtes Sparrenwerk,
Der offne Bau von Mäuerchen umsäumt
Und zierlichen Balustern nach dem See,
So steht an meines Gartens Uferrand
Die Pergola.
Noch klettern lustig nicht
Die Bangsiarosen bis zum Dach empor.
Doch übers Jahr schon wölben ihre Ranken
Ein luftig Schattendach, das mir den Brand
Der Maiensonne dämpft. Und auf der Bank
Darunter sitzend, kann hinüber ich
Zum Greisenhaupt des Monte Baldo schau'n,
Und an die Brustwehr träumend hingelehnt
Dem Plätschern lauschen der kristallnen Flut,
So klar durchsichtig, daß ich spielen seh'
Die Fischlein drunten überm Kieselgrund,
Blitzend wie lautres Silber.
Hier zu ruhn
Nach heißem Tagwerk in der Abendkühle
Wird köstlich sein. Und noch willkommner einst
Die letzte Ruh', die ewige – nicht zu bald,
So hoff' ich! Dann jedoch, statt eingepfercht
In eines Friedhofs Mauerring, mein Haupt
Hier frei zu betten wär' ein tröstlicher
Gedank', und hier, wenn noch ein Abgeschiedner
In seiner Nacht des Lebens inne wird,
[410]
Das droben weiterbraust, vernehm' ich wohl
Im Traum, wie Enkel und Urenkel fröhlich
Im Garten spielen. Unter ihnen wandelt
Mit ernstem Lächeln dann die teure Frau,
Die mich vermißt, wenn all den andern schon
Mein Bild verblich. O liebe, liebliche,
Ewig Geliebte, dein Gedächtnis wird,
Solang ein Ton von meiner Leier noch
Die Welt durchzittert, nie vergehn! Und die
Vorüberschiffen auf dem See, sie deuten
Auf dich und sprechen: 's ist des Dichters Frau,
Der hier gewohnt und diesen See geliebt
Und nun den letzten Schlummer schläft im Schatten
Der Pergola.
Wilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Wilhelm Hertz †

Dumpf über Berg und Tal dringt zu mir her
Die bitterste der Kunden, tränenschwer:
Der Teure, den ich brüderlich geliebt
In jung' und alter Treue, nie getrübt,
Lang vor der Zeit der hingewelkten Kraft
So unerbittlich jäh hinweggerafft,
Der Leib von grimmer Schmerzen Qual verzehrt,
Der reiche Geist ins All zurückgekehrt!
Und wir, daß er uns fehlt, wir fassen's kaum,
Als ängstet' uns ein unbarmherz'ger Traum.
All was wir ihm verdankt, erst im Verlust
Wird's der beraubten Seele voll bewußt:
Die Welt von Wissen, die er in sich trug
Und sie beherrscht' in freiem Geistesflug,
Die Welt von Schönheit, die von Jugend an
Erobernd er zu eigen sich gewann,
[411]
Am Quell der alten Dichtung früh genährt,
Der Erbe Gottfried's, seines Ahnen wert,
So daß, erwacht bei seiner Saiten Klang,
Verschollne Sage neu die Flügel schwang!
Wohl ließ er uns zu köstlichem Gewinn
Sein Werk zurück, – er selber ging dahin,
Und was er lebend war und gab und sprach,
Tönt unersetzlich uns im Innern nach.
Wie gern genießend saß er jugendfrisch,
Ein stolzer Zecher, an des Lebens Tisch!
Sein goldnes Lachen – niemand lachte so! –
Wie macht' es Jeden in der Seele froh!
Sein milder Ernst, der Keinen je versehrt,
Sein edler Zorn, wenn Niedres ihn empört,
Ein zartes Mitgefühl in Leid und Lust,
Ein Kindersinn in fester Mannesbrust,
Treu seinen Göttern dienend, immer fern
Dem Marktgewühl, vertrauend seinem Stern,
Und all das nun dahin, was uns beglückt,
Kalt diese Hand, die unsre warm gedrückt – –
Ja, klagt um ihn! Doch unsre Klage stillt:
Uns war gegönnt solch seltnes Menschenbild.
Ihm sagen durften wir, bescheiden zwar,
Dem tiefbescheidnen Freund, was er uns war,
So daß er, den die Mitwelt kaum erkannt,
Doch einen Schatz von Lieb' und Treue fand
Und nichts, bis ihn verschlang die letzte Nacht,
Entbehrte, was das Leben lieblich macht.
[412]
Und so, ob du nun ruhst am dunklen Ort,
Du Vielgeliebter, lebst du mit uns fort,
Und Tod und Schicksal überdauernd, zieht
In fernste Zeit dein herzbezwingend Lied!
MittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Mittagsruhe

Goldner Nebelsonnenduft
Überhaucht Gebirg und Flur.
Droben steht ein Wölkchen nur
In der windstill reinen Luft.
Auf dem See ein Fischerkahn
Mit den Segeln gelb und blau,
Drauf gemalt die Himmelsfrau,
Zieht wie träumend seine Bahn.
Rings kein Laut der wachen Welt
Um des Monte Baldo Thron,
Gleich als wüßten's Alle schon,
Daß der Alte Siesta hält.
Leis am Ufer gluckst die Flut;
Auch der Kummer, der zu Nacht
Mich um meinen Schlaf gebracht,
Hält den Atem an und ruht.
ResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Resignation

Diese Tage, milddurchsonnt,
Wo dich sonst wohl freuen konnt'
Eine Welt, die lieblich blüht,
Heilen nicht dein wund Gemüt.
Immer bleibt die Sorge wach,
Geht auf Schritt und Tritt dir nach,
Wie ein graues Taggespenst,
Das du nicht beim Namen nennst.
Immer steht ein lieb Gesicht
Vor der Seele dir und spricht:
[413]
Werd' ich, ach, im Sonnenschein
Wieder jung und glücklich sein?
Und dein Herz drückt doppelt schwer
All die Schönheit rings umher.
Aller Glanz der Gottnatur
Dünkt ein kalter Hohn dich nur.
In der herzlos weiten Welt
Bist du nur auf dich gestellt.
Wem ein teures Glück geraubt,
Beuge weinend still das Haupt!
Die SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Die Schlucht

Tret' ich, die Brust zu lüften, aus dem Haus
Aufatmend in den Wintertag hinaus,
So lockt mich, eh' ich fünfzig Schritte tat,
Vom Fahrweg links hinweg ein Schattenpfad
Zu einem Gittertor. Da tret' ich ein,
Und mich empfängt ein lichter Erlenhain,
Sich wölbend über eines Bächleins Lauf.
Links steigt der Abhang dichtbelaubt hinauf,
Rechts breitet sich ein sanfter Wiesengrund
(Der Lieblingstummelplatz für meinen Hund)
Und drüber, auf des Tales Rand erhöht,
Ein weiß Kapellchen. Ihm zur Seite steht
Ein dunkles Paar Zypressen, hingestellt
Als Wächter dieser traumhaft stillen Welt.
Rings unten auf dem dichtbegras'ten Plan
Und zu den schattigen Halden hoch hinan
Wird, wenn die ersten lauen Lüfte wehn,
Ein märchenbunter Lenzesflor erstehn,
Von Primeln schimmert's golden, Veilchen blühn,
Aus wilden Myrten äugelt Immergrün,
Doch jetzt ist Winter.
Sacht schreit' ich empor,
Bis wo sich auftut hoch und schmal ein Tor:
Zwei schlanke Stämme, wuchernd dicht umrankt
Von Epheu, der bis in die Wipfel langt.
Hier ist der Eingang, wo die Schlucht sich engt
Und ew'ge Wildnis dämmernd dich umfängt.
[414]
Vom Bach, der rauschend in die Tiefe fährt,
Wird üppig grüne Pflanzenbrut genährt,
Hängt sich in wirren Ranken links und rechts
Um nackte Zweige jedes Baumgeschlechts,
Hirschzungen, Farn und Brombeer, urwalddicht,
Schwach trieft herein von oben her das Licht.
Hier kannst nach Herzenslust du einsam sein,
Denn selten nur verirrt sich hier hinein
Ein Wintergast. Und wo die Kluft sich schließt,
Siehst du den Bach, der rauschend sich ergießt
Aus braunem Felsspalt und zerstiebt im Fall
Und füllt die Schlucht mit seines Sturzes Schall.
Das Bänklein hier, vom hellen Gischt umsprüht,
Lockt nur zur Rast, wenn schwer der Sommer glüht.
Doch jetzt ist Winter; aber weich die Luft
In dieser moderkühlen Felsengruft,
Und würzig weht dich an um Weihnacht auch
Des immergrünen Unkrauts feuchter Hauch.
Hier ist's, wo manche Stund' an manchem Tag
Ich still verweilend der Betrachtung pflag,
Der Welt und ihrem Lärmen weit entrückt,
Von Geistergruß im Innersten beglückt,
Tief in den Frieden der Natur versenkt,
Die Seel' und Leib aus reinen Quellen tränkt.
Denn der Gealterte – was kann die Welt
Ihm geben, das dem Glück die Wage hält
Einsamer Einkehr in sich selbst! Der Wahn,
Antwort auf Schicksalsfragen zu empfahn,
Des Weltgeheimnisses zweideut'gen Sinn
Je zu enträtseln, – längst schwand er dahin.
Des bunten Lebens vielgestalt'ger Zug,
Der uns vorbeiflieht, schon bekannt genug
Dünkt uns sein Wechselbild; schon tausendmal
Rührt' er an unser Herz in Lust und Qual.
Nur was aus Tiefen unsrer eignen Brust
Aufsteigt, uns wie ein Traum nur halbbewußt,
Veraltet nie, ein unerschöpfter Quell
Begieriger Betrachtung, dunkelhell.
Denn ob die Fordrung niemals sich erfüllt
[415]
Der Selbsterkenntnis, nie doch wird gestillt
Die Sehnsucht, aus dem weiten Weltenrund
Zu flüchten in des eignen Wesens Grund
Und zu genießen rein und ungestört,
Was unentreißbar einzig uns gehört,
Sich uns enthüllend in der Zwiesprach nur
Mit unsrer alten Mutter, der Natur.
Wie bist du hier mir nah, du heil'ge Macht,
Im dunklen Zauber dieser Waldesnacht!
Im Wasserfall, der schäumend niederschießt,
Hör' ich die alte Weisheit: Alles fließt.
Und wie aus tausend Keimen Leben dringt
Und rankend sich empor zum Äther schwingt,
Ob auch der Winter draußen starr und wild
In Eis und Schnee die Bergesgipfel hüllt,
So fängt die Brust, die schon erstorben schien,
Mit tausend neuen Trieben an zu blühn,
Und aus der immergrünen Schlucht hinaus
Kehr' ich gestärkt an Haupt und Herz nach Haus.
Das KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Das Konzert

In meinem Zimmer mir zur Augenweide
Hängt überm Schreibtisch jenes Meisterwerk
Giorgione's, das Konzert, das Kleinod aus
Dem Schatz Palazzo Pitti's. In der Mitte
Der blasse junge Mann im schwarzen Kleid,
Der auf den Tasten eines Orgelwerks
Die schlanken Hände ruhen läßt, als schlüg' er
Den Schlußakkord, den feierlichen, an
Der geistlichen Motette, die den Zwei'n
Er vorgespielt, den Freunden, gleich ihm selbst
Verehrer Palestrina's. Oder war's
Ein Stück, entsprungen aus der eignen Seele
Des Spielers, oder freie Phantasie?
Nein, eines Meisters Schöpfung muß es sein.
Denn zu dem Alten hinter ihm das Haupt
Umwendend, scheint sein mystisch heißer Blick
Zu fragen: Ist's nicht wunderbar? Und hab'
[416]
Ich dir's zu Dank gespielt? Allein der Freund
(Wohl ein Prälat, der Kleidung nach; ein Kranz
Von dunklem Haar umzirkt sein kahles Haupt),
In stiller Rührung zuckt's um seinen Mund,
Und traulich auf des Jünglings Schulter legt er
Die Rechte, gleich als spräch' er: Bravo, Freund!
Du spieltest wundervoll! – Die linke Hand
Hält einer Laute schlanken Hals umfaßt
(Auch er übt wohl Musik, als Dilettant),
Indes der Dritt' im Bunde, jener Jüngling
In Federhut und adligem Gewand,
Herausblickt aus dem Bilde, wie noch ganz
Versunken in Entzückungen, und scheint
Mich anzureden: Hättest du's gehört,
Du stündest unterm Zauber noch, gleich mir!
Und fühl' ich anders? In das seelenvolle
Gesicht des Spielers blickend, ist es mir,
Als höb' ein sanftes Klingen geisterhaft
Sich an und dringe mir mit magischer
Gewalt an Seel' und Sinn und fülle mir
Das Herz mit Wonneklang, indes von draußen
Der See, anstürmend an die Uferwehr,
Mit tiefem Orgelbaß die Melodie
Begleite.
Heil'ge Musen, schwesterlich
Fürwahr reicht ihr euch oft die Hand. Denn hier
Aus des Giorgione stummberedtem Bild
Tönt zauberisch mit längst verklungner Macht
Ein Hauch italischer Tonkunst mir entgegen.
ErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Ermutigung

Sei nur getrost! Was auch geschieht,
Werd' an dir selbst nicht irre, mein Herz!
Sieh, auf schwankender Lebensfahrt,
Der stürmevollen,
Bleibt kein anderes Heil,
[417]
Als zu vertrauen dem Dämon,
Der deines Schiffleins Steuer
Lenkt mit eigenwilliger Hand.
Ob er es führt zum sichern Port,
Ob scheitern lässet an Klippen,
Du bist sein Meister nicht,
Mit klügelnder Torheit
In den Arm ihm zu fallen.
Denn er ist's, der dir von Anbeginn
Ward zum Lenker gegeben,
Daß deine Bahn du vollendest,
Nachtwandlerisch nach verhülltem Ziel
Und wissest nicht, was sie wollen mit dir,
Die dunklen Mächte.
Sie aber wissen's.
Denn was du blindlings, dem Dämon getreu,
Vollbringst an deinen sprossenden Tagen,
Mehr ist's und fruchtet reicher,
Als was du tätst, auf den Zuruf horchend
Der fremden schwatzenden Menge.
Und wär' es herrlich, es wär' nicht dein,
Wär' nur ein Knechtswerk,
Unwirksam, dich zu beglücken.
Sei nur getrost! Was auch geschieht,
Werd' an dir selbst nicht irre, mein Herz!
Er und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Er und Ich

Er

Was hast du nur erreicht
Mit all der Müh und Plage,
Wenn dich am letzten Tage
Dein Stündlein überschleicht?
Ein Wellchen ist verschäumt,
Erloschen ist ein Funken,
Ein Becher ausgetrunken,
Ein irrer Traum verträumt.
[418] Ich

Und mag auch wie im Flug
Mein Erdensein verstieben,
Zum Lachen, Weinen, Lieben
Hatt' ich doch Zeit genug.
Entzückt in mancher Nacht
Seh' ich die Sterne sinken,
Die nur zu flücht'gem Blinken
Am Firmament erwacht.
SündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Sündenregister

Stets nahm ich dich in Schutz und bliebe
Dein Anwalt gegen eine Welt,
Du Volk Italiens, das ich liebe,
So manches mir an dir mißfällt.
Doch unter uns und ohne Zeugen
Nehm' ich ein Blatt nicht vor den Mund
Und kann als Freund dir nicht verschweigen:
Sie tadeln dich nicht ohne Grund.
Das süße Nichtstun – deinen Kindern
Verwehrt's die liebe Sonne nicht,
Und fremde Reisende zu plündern,
Scheint jedem Gastwirt Ehrenpflicht.
Man schilt auch, daß du ohn' Erröten
In schmutz'gen Mauerhöhlen wohnst,
Die kleinen Vögel liebst zu töten,
Jedoch das Ungeziefer schonst;
Und daß man selbst den Angestellten
Vergolden mag die hohle Hand –
Nun, dies und andres noch, nicht selten
Trifft man's wohl auch in anderm Land.
[419]
Doch Schlimmres noch: Brigantenhorden
In deiner Berge wildem Schoß,
Vendetta, die, zur Pflicht geworden,
Geschlechter mordet gnadelos,
Der Wälder gräuliche Verwüstung,
Camorra, die das Ärgste wagt,
Und wes in sittlicher Entrüstung
Dich gutes Volk man sonst verklagt:
Das alles dünkt dir sehr verzeihlich,
Was Hohn Europens Sitte spricht,
Nur eine seltne Tugend freilich
Macht Vieles gut: du heuchelst nicht.
Auch ich, so sehr ich dir gewogen,
Bin nicht für deine Fehler blind.
Ich weiß, du wurdest schlecht erzogen,
So bliebst du stets ein großes Kind.
Unarten, die in deinem Blute
Verderblich nisteten bis heut,
Sie wurden nicht mit scharfer Rute
Von deinen Zwingherrn ausgebläut.
Sie knechteten dich manch Jahrhundert,
Mit schlauer Priesterschaft im Bund,
Daß billig eins nur uns verwundert,
Wie unverwüstlich du gesund.
Gewiß, dir wäre hoch vonnöten
Ein deutscher Unteroffizier,
Würd' auch sein Drill so manches töten,
Was liebenswürdig ist an dir.
Doch da man endlich aus Ruinen
Verjährten Wust beiseite räumt,
So malerisch er lang erschienen,
So wundersam man drin geträumt;
[420]
Da selbst in Roms verfallne Gassen
Dem Licht man einen Weg gebahnt,
Ob auch erhabne Trümmermassen
An ferne große Zeit gemahnt,
So wünsch' ich, daß du, neu erstanden
Aus langem Schlummer, dich befreist
Von den jahrtausendalten Banden,
Die dir umschnürten Seel' und Geist;
Daß du, was nie zuvor du lerntest,
Dich selber nimmst in strenge Zucht
Und vollgereift nun endlich erntest
All deiner edlen Gaben Frucht.
Dann wirst du deine Rache nehmen
Und, die dich höhnten dünkelhaft
Als »Land der Toten«, stolz beschämen
Durch Taten freud'ger Lebenskraft.
WintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Wintersturm

Nun braust's in den Lüften, nun donnert der See,
Aus schwarzblauen Klüften schäumt's wild in die Höh'.
Mit wiehernden Rossen kommt über den Plan
Weißmähnig geschossen der Herrscher Orkan.
Es zittern die Mauern, die Scheiben erklirr'n,
Die Palmen erschauern und beugen die Stirn.
Die hohen Oliven mit silbernem Laub,
Sie schwanken und triefen, dem Sturme zum Raub.
Zu Nacht auf den Kissen bang horcht' ich hinaus,
Dem Schlummer entrissen vom wüsten Gebraus.
O wehe, mein Garten, um dich ist's geschehn!
Wie wird es den zarten Jungpflanzen ergehn?
Doch sieh, da die Sonne mich früh schon erquickt,
Im Garten, o Wonne! kein Pflänzchen geknickt,
[421]
Nur feucht noch die Blätter, nur schimmernd erfrischt
Vom sausenden Wetter und sprühenden Gischt.
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Italiens Kinder, so lodert die Glut
Des Zornes nicht minder euch jählings im Blut:
Ein wütend Gebrülle, morddroh'nden Gesichts,
Dann plötzliche Stille – viel Lärmen um nichts!
Servite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Servite Domino in laetitia

Sonntag. Die Gassen still und leer.
Kein Laut aus einem Hause dringt,
Nur aus der hohen Kirche klingt
Der Orgel Summen zu mir her.
Und durch die Pforte tret' ich sacht
Und seh' in Dämmrung eingehüllt
Das Volk, das alle Bänke füllt,
Doch Keiner hat des Ketzers Acht.
Männlein und Weiblein hingebückt
Und lautlos betend aus dem Buch,
Die Frau'n im schwarzen Schleiertuch,
Das auch das jüngste Mägdlein schmückt.
Am Ehrenplatz beim Hochaltar
Mein alter Vize-Sindaco.
Da thront er, seiner Würde froh,
Hochaufgesträubt sein schneeweiß Haar.
Die Sindachessa im Gebet
Kniet bei den Ärmsten an der Tür.
Sie hofft, Gott lohnt die Demut ihr;
Wer sich erniedrigt, wird erhöht.
Durch bunte Scheiben glüht herein
Ein warmer Glanz im Chore dort.
Zuweilen tönt ein Priesterwort,
Und kurz nur fällt die Orgel ein.
[422]
Und jetzt das Ite missa est.
Doch rührt noch Keines sich, zu gehn,
Denn auf des Orgelchores Höh'n
Beginnt nun erst das schönste Fest.
Und alle lauschen andachtsvoll
Dem Nachspiel, das so weltlich tönt.
Sie sind's von Jugend auf gewöhnt,
Daß so das Hochamt enden soll.
Was hör' ich? Verdi? Ja, fürwahr,
Aus Traviata, Troubadour.
Von frommen Weisen keine Spur
Im Haus des Herrn, wie sonderbar!
Und wild und wilder jauchzt und stöhnt
Verliebte Lust und Leidenschaft,
Bis mit des ganzen Werkes Kraft
Zuletzt ein flottes Tanzlied tönt,
Im Polkatakt! Doch ringsumher
Nicht Einer hat ein Arg daran.
Gern fingen sie zu tanzen an,
Wenn's in der Kirche Sitte wär'.
Des dumpfen Alltags Not und Leid
Umfängt sie wieder bald genug.
Am Sonntag denken sie mit Fug:
Wir dienen Gott in Fröhlichkeit!
JagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Jagdvergnügen

Nun knallt es wieder an allen Enden
In Ölbaumhalden und Rebgeländen,
Den kleinen Vögeln den Tod zu bringen,
Die kaum erst schüchtern ihr Liedchen singen.
Denn mit dem Frühling an dieser Küste
Erwacht den Menschen das Mordgelüste.
Mit Schießgewehren von allen Arten
Schleichen sie durch den Gottesgarten,
[423]
Zumal den Sonn- und Feiertag
Man so am liebsten »heiligen« mag,
Und wo sie erspähn ein klein Gefieder –
Piff paff! – da taumelt's zerfledert nieder.
Den armen Braten, der in zwei Bissen
Verschluckt ist, könnten sie leichtlich missen,
Und mit dem sprühenden Vogeldunst
Zu treffen, ist auch keine sondre Kunst.
Es ist nur eben ihr liebster Sport,
Stets zu betreiben den Vögelmord,
Und da »bekanntlich!« nicht wie wir
Den Schmerz der Wunde spürt ein Tier,
Auch Tiere keine Seele haben,
Können getrost die bösen Knaben
Singvögel in enge Käfige setzen
Und mit Leimruten, Dohnen und Netzen
Und Pulver und Blei nach ihnen zielen. –
Dürft' ich nur einmal Gottvater spielen,
Nur auf ein Stündlein, – ich führe dazwischen,
Und wo ich irgend tät' erwischen
In flagranti solch einen groben Bengel,
Ich ließ' im von einem handfesten Engel
Fünfzig mit feuriger Rute geben –
Die Jagdlust verging' ihm fürs ganze Leben!
Die FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Die Fliege

Dem Menschen lebt, dünk' er sich edel auch
Und gut, im Busen ein Vernichtungstrieb,
Wie ja der Schöpfer, dessen Ebenbild
Er sich berühmt, was er erschaffen, auch
Dem Tode weiht.
Am Fenster stand ich heut
Und blickte müßig auf den See hinaus,
Der aufgestürmt, mit weißen Kämmen wild
Die Flut ans Ufer trieb. Im Zimmer doch
War's heimlich, denn im Ofen knisternd sang
Des Ölbaums grünes Holz. Und wie ich stand,
Nichts denkend, sah ich eine Fliege, kaum
Erwacht zum Leben, die am Fensterglas
[424]
Behaglich sacht hinaufkroch, wohl gleich mir
Der Wärme froh. Und wie zur Sommerszeit,
Wo nur zu sehr der kleinen Näscher Schwarm
Uns lästig wird, auch jetzt zerdrückt' ich sie
Mit plumpem Finger. Doch sogleich in mir
Sprach eine Stimme: O du Grausamer!
Konntst du das kurze bischen Leben ihr
Nicht gönnen? War die Welt nicht weit genug
Für dich und sie, und hätt' ihr Summen dir
Den Schlaf gestört?
So sprach mein bessres Ich.
Und von dem Ort der Untat, wo, gestreckt
Die zarten Füßchen, an der Scheibe hing
Die kleine Tote, trat ich rasch zurück,
Sehr unzufrieden mit mir selbst.
Ach wohl!
Gedankenlose Mordlust lebt in uns,
Und schämen sollte sich der Mensch vorm Tier,
Das nur aus Notwehr tötet, oder weil's
Der wilde Hunger zwingt. – – –
RückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Rückblick

Wenn es wahr ist, jung schon müsse sterben,
Wen die Götter lieben, bin ich dankbar,
Daß sie nicht zum Liebling mich erkoren.
Zwar, schon nach des Schauspiels erstem Aufzug
Heimzugehn, empfiehlt sich, wenn ein Rührstück
Oder Alltagspuppenspiel tragiert wird.
Doch, ob meistens auch des Stückes Fabel
Schal und dürftig, ist's doch unterhaltsam,
Zuzuschau'n dem bunten Szenenwechsel
Dieser Posse, die wir Leben nennen,
Bis der Vorhang fällt, und dann mit Gähnen,
Unerbaut zwar, doch an Wahrheit reicher
Uns zu Bett zu legen.
Manchmal freilich
Geht ein mächtig Trauerspiel in Szene.
Dann fürwahr verlohnt sich's, auszuharren
Bis zum Abschluß und von Furcht und Mitleid
[425]
Tiefbewegt im Innern zu erschaudern.
Gleichermaßen, wessen Erdendasein
Tätig wirksam wie ein Strom verflossen,
Der befruchtet rings das Land und stolze
Schiffe trug, dem ziemt es kaum zu klagen,
Nicht die Lampen wert sei die Komödie.
Und nun vollends, wem das Glück vergönnt ward,
Im Parterre zu sitzen, während droben
Aufgeführt ward eine Welthistorie,
Größer als sie je ein Dichter träumte:
Ein Volks Erstehn aus überlanger
Schmach zu höchster Herrschermacht und Glorie,
Wer den hohen Genius, der vollbracht so
Traumhaft Herrliches, mit Augen schaute,
Ja die Hand ihm leibhaft drücken durfte,
Der wird keinen »Götterliebling« neiden
Um den frühen Heimgang, der den Anblick
Solchen Wunders ihn verschlafen lassen.
Nein, im Frösteln seines Greisenwinters
Wird sein Herz erglühn, so oft Erinnrung
Ihm den Frühhauch jener Zeit zurückbringt.
Vor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Vor dem Jugendbildnis meiner Mutter

O hätt' ich damals dich gesehn,
Als so du in die Welt geschaut,
So morgenklar, so jugendschön,
Noch mit dem Leben unvertraut;
Noch unterm schwarzen Haar so licht
Die Mädchenstirne, weiß und glatt,
So blau das Auge, das noch nicht
Getrübt ein Strom von Tränen hat;
Und dieses liebliche Profil,
Der schalkhaft feingeschürzte Mund,
Bereit zu munterm Witzesspiel
Und sinn'gem Wort in ernster Stund'!
[426]
Mir ist, ich seh' dich am Klavier,
Wie du die alten Lieder singst
Und dann im weißen Kleid, wie hier,
Im Tanz die kleinen Füße schwingst.
Und wieder, wie du ernst bemüht
Am Schreibtisch sitzest stundenlang,
Von Robert Burns ein kleines Lied
Nachdichtend, froh, wenn dir's gelang.
Und alles, was dich rings umgibt,
Hast du mit Anmut angestrahlt.
Gewiß war auch in dich verliebt
Der Maler, der dies Bild gemalt.
O hätt' ich jemals dich gesehn
Leibhaftig so, du lieb Gesicht!
Doch nein! wär' mir so wohl geschehn,
Wärst du meine Mutter nicht.
Nun kannt' ich deine Züge nur
Nicht morgenklar und jugendfroh,
Gefurcht von mancher Leidensspur,
Doch schön erschienst du mir auch so.
Vorüber zog die Jugendzeit
Lang eh' dein Herzensglück du fandst,
Hast, eh' mein Vater dich gefreit,
Längst nicht gespielt mehr und getanzt.
Doch dir im Herzen sang und klang
Noch stets das Lied der Jugend hell,
Und sprudelnd dir vom Munde sprang
Des Witzes und des Frohsinns Quell.
Und zärtlich in des Sohnes Ohr
Hast Liebesworte du gehaucht,
Die hör' ich wieder, wenn empor
Dein Bild vor meiner Seele taucht.
[427]
Ich höre, wie du gute Nacht
Mir sagtest, wenn aus fernem Land
Heimkehrend ich so wohlgemacht
Mein Bett im Mutterhause fand,
Und seh' dein Auge übergehn,
Wenn meine Kinder du geküßt.
Da schienst du mir so hold und schön,
Wie jung du nie gewesen bist.
Nun ward ich selber alt wie du;
Nur noch ein Weilchen athm' ich hier,
Doch bis ich geh' zur letzten Ruh',
Was an mir jung bleibt, dank' ich dir.
Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch
1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Friedrich Rückert

1.

Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte,
Steckt' ich, die schwerlich man im Süden fände,
Auch meines teuren Rückert Liederbände
Mit ein, dem dieser Vorzug wohl gebührte.
Wie bin ich froh, daß ich ihn mit mir führte!
Denn nie lies't diesen Reichen man zu Ende,
Dem gütig so Natur gefeit die Hände,
Daß Poesie ward, was er je berührte.
Nun liegt vor unserm Blick auf tausend Seiten
Sein Leben, sein Gemüt, sein tiefstes Denken,
All seine Freuden, Schmerzen, Traulichkeiten.
Wohl frommt's, in solchen Schatz sich zu versenken
Und nach der trüben Flut der jüngsten Zeiten
Aus diesem reinen Quell sein Herz zu tränken!
2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

2.

Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt
Von mancher Fahrt, in seiner engen Hütte
Treu aufbewahrt nach guter Schiffersitte,
Was ihm die Fremde Köstliches beschert,
[428]
So hielt auch er des Aufbewahrens wert,
Was auf des Flügelpferds weltweitem Ritte
In Welschlands und des Morgenlandes Mitte
Vielsprachig ihn der Muse Gunst gelehrt.
Doch wie nachdichtend alles er umfaßte,
Sein Herz gehörte dem nur, was entsprungen
Dem tiefen Grund der heimatlichen Scholle.
Da lud er seine Freunde gern zu Gaste
Und fragte liebevoll auch mich, den Jungen,
Ob ich an seine Tür nicht klopfen wolle.
3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

3.

Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue.
Nie sollt' ich in sein leuchtend Auge blicken,
Niemals versuchen, stammelnd auszudrücken,
Wie innig seines Sangs ich mich erfreue.
Nun häng' ich um so mehr mit später Treue
An seinem Bilde, dem so kalt den Rücken
Die Mode kehrt, die immer mit Entzücken
Preis't das Vergängliche, das gleißend Neue.
Mir aber ist, blättr' ich in seinen Liedern,
Als hört' ich eines Freundes Stimme tönen
Und müßte jetzt noch seinen Gruß erwidern,
Mit Lorbeer seine Dichterstirne krönen
Und sein Gemüt, verwundet durch den niedern
Undank der nachgebornen Welt, versöhnen.
Horaz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Horaz

Hier am Ufer des Sees, der mir von Süden her
Unterm Hauche des Föhn hoch an die Brüstung spritzt,
Wandl' ich lesend und sinnend,
Meinen alten Horaz zur Hand;
[429]
Noch das nämliche Buch, draus in der Prima schon
Lang versunkener Welt Zauber mich angerührt;
Denn es kehrt zu der ersten
Lieb' uns immer das Herz zurück.
Und ich denke, wie früh ernst ich beflissen war,
Dem Venusischen Schwan zagenden Flügelschlags
Mich auf rhythmischen Flügen
Nachzuschwingen begeistrungsvoll;
Wie ich groß mich gedünkt, wenn im alkäischen
Oder sapphischen Maß eine der Oden mir
Nachzustammeln geglückt war
In pedantischem Schülerdeutsch.
Damals zog ich zumeist jene Gedichte vor,
Drin ein zärtlicher Hauch wittert der Leidenschaft
Und des Leides, mit dem die
Falschheit immer der Treue lohnt.
Pyrrha glaubt' ich zu sehn, von dem begünstigten
Neuen Liebsten umarmt unter der schattigen
Rosenlaube, dieweil sich
Stolz der Dichter zurückezog;
Und in eigener Brust fühlt' ich der Eifersucht
Brand, wenn Lydia frech rühmte des Telephus
Ros'gen Nacken, die schönen
Arme, weiß wie aus Wachs geformt.
Gute Jugend! Es liest jeder ein andres sich
Aus den Versen heraus eines Poeten, dem
Als dem Liebling der Götter
Wenig Menschliches ferne blieb.
Jetzt, da längst ich wie du hing an der Tempelwand
Auf mein triefendes Kleid, als ein Votivgeschenk
Jenem Gott, der im Hafen
Wohlbehalten mich landen ließ,
[430]
Lausch' ich, alter Horaz, lieber verständnisvoll
Deinem klugen Gespräch, wenn du vom Weltenlauf
Mit gelassner Entsagung
Sprichst und rühmst die Genügsamkeit.
Dein Kollege Katull drüben auf Sirmio,
Ruhlos bis an den Tod brannte das Herz in ihm.
Du taugst besser zum weisen
Hausfreund einem Gealterten.
LiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Lied

Ach, wie kann's zur Freude taugen,
Einsam seines Wegs zu gehn!
Unter zärtlichen vier Augen
Ist die Welt noch eins so schön.
Kann ein Herz doch nicht erwarmen
Einzig an der Sonne Glut.
Unter zärtlichen vier Armen
Lodert wonnevoll das Blut.
Und die Brandung an den Klippen
Dieses Lebens hörst du nicht,
Wenn mit zärtlichen vier Lippen
Seele stumm zu Seele spricht.
Im FebruarLiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Im Februar

Leise knospt es in den Gärten,
Zarte Sonne blitzt im Hain.
Meine Freunde, die Lazerten,
Äugeln vor aus dem Gestein;
Wittern mit den feinen Näschen,
Ob es nun schon wirklich lenzt,
Daß sie zwischen jungen Gräschen
Tanzen könnten leichtgeschwänzt.
[431]
Ach, ihr unbedachten Kinder,
Schlüpft zurück nur ungesäumt
In die Ritzen, wo in blinder
Frostnacht ihr die Zeit verträumt.
Schlaft nur weiter noch ein Weilchen,
Bis der Frühling naht mit Macht.
Seht, es sind ja auch die Veilchen
Noch am Bach nicht aufgewacht,
Und ihr müßtet Hungers sterben,
Nirgends bietet sich ein Schmaus,
Denn in dieser Luft, der herben,
Wagt kein Mückchen sich hinaus.
FlockIm FebruarLiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Flock

Täglich steig' ich in stiller Mittagssonne
Nach Gardone di sopra und Morgnaga
Oder höher hinauf den weitgeschwungnen
Bergpfad über die Schluchten bis Fasano.
Mir zur Seite, doch öfter weit voraus mir,
Trabt mein Wandergenoß, mein kleines Hündchen
Flock, ein munterer Spitz. Zwar reiner Rasse
Kann er nicht sich berühmen, doch so manchem
Preishund läuft er den Rang wohl ab an Schönheit
Und an Temperament. Wenn er so hinspringt,
Hoch das Näschen, den Schweif wie eine Fahne
Aufrecht tragend, gespitzt die braunen Öhrchen,
Grüßen ihn die Gardoner Gassenkinder
Schon von weitem, und Flocki! Flocki! rufend,
Suchen schmeichelnd sie ihn heranzulocken.
Doch er windet sich ungerührt und vornehm
An der jungen Verehrerbrut vorüber,
Läßt zuweilen zu kleiner Köter Spielen
Sich leutselig herab und rauft mit großen,
Die ihm neidisch am Hals das rote Schleifchen
Bös zerzausen, worauf aus ehrenvollen
Wunden blutend er heiter mir zurückkehrt,
Ein geschlagener Held, doch ein Charakter.
[432]
Manchmal, wenn ich im duft'gen Lorbeerschatten
Müd vom Klettern auf einem Bänklein raste –
Schön ist's droben; die sanften Lüfte fächeln
Rings das silberne Laub der Ölbaumhalden,
Und mit purpurnem Blau durch ihr Gezweige
Schimmert drunten der See – mein Flock ist freilich,
Wie die Hunde gewöhnlich, kein Naturfreund.
Ruhig liegt er im Gras an meiner Seite,
Manchmal schnappend nach einer kleinen Fliege,
Manchmal still mich betrachtend, gleich als fragt' er:
Woran denkst du nur jetzt? 's ist unbegreiflich,
Daß die Menschen beständig denken müssen.
Wir sind klüger. Schon Lessing sagt: wer möchte
Denken, wenn er genießt! Und ich genieße
Meine Ruhe, die wohlverdient, nachdem ich
Heut Lazerten gejagt und ganze sieben
Tot zur Strecke gebracht. (Denn dies ist leider
Eine noble Passion, von der bisher ihn
Zu entwöhnen mir nicht gelang. Es fröhnen
Hohe Herren ja auch des edlen Mordwerks,
Nicht zur Ehre der Menschheit.) Und zur Antwort
Auf die schweigende Frage sag' ich: Flöckchen,
Was ich eben gedacht, hat einem andern
Deiner Brüder gegolten – Schnautz geheißen,
Schnäutzlein nannten wir ihn – der auch vor Zeiten
Mich getreu zu begleiten pflag auf manchem
Bergweg, bis er zuletzt so fett geworden,
Daß nur keuchend er aufwärts kroch. Ich mußt' ihm,
Da ihm irdische Freuden nicht mehr blühten,
Selbst verkürzen die Qual. Doch wie er dalag,
Um das struppige Haut – er war vom Stamm der
Rattenfänger – ein dickes Tuch, getränkt mit
Chloroform: an des Herzens Schlägen sah ich,
Daß schon nahe das Ende. Da auf einmal
Aus dem feuchten Verband hervor sich windend,
Hob der Sterbende auf zu mir sein treues,
Still anklagendes Aug', als wollt' er sagen:
Bessres hofft' ich um dich verdient zu haben,
Als so kläglichen Tod von deinen Händen! –
Ach, er wußte ja nicht: zu seinem Besten
[433]
Ihm durchschnitt ich den morschen Lebensfaden,
Der nur quälend die zott'ge Brust umschnürte.
Doch mir folgte noch lang in meine Träume
Dieser scheidende Blick. Nicht wünsch' ich, Flöckchen,
Je dein Auge mit ähnlich stummem Vorwurf
Auf mir ruhen zu sehn. Du bist der Jüngre,
Sollst noch lange, wenn ich dahingeschieden,
Deines Lebens dich freu'n, Lazerten jagend
Und darüber des guten Herrn vergessend,
Rascher, als er dich selbst vergessen würde,
Wenn ihn später als dich Freund Hein besuchte
Beata solitudoFlockIm FebruarLiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Beata solitudo

In diesen linden Lüften
Wie ruht es sich so gut,
Umhaucht von leisen Düften
Der jungen Veilchenbrut!
Kein Laut der Tiefe dringet
Hier störend zu mir hin,
Und tröstlich immer klinget
Der Spruch mir durch den Sinn:
Beata solitudo,
Sola beatitudo!
Ein Schifflein kommt gegangen
Tief unten auf der Flut.
Die Segel niederhangen,
Da jeder Fahrwind ruht.
So spielt mit meinem Herzen
Ein windstill süßer Traum;
Der tausend alten Schmerzen
Und Freuden denk' ich kaum.
Beata solitudo,
Sola beatitudo!
Ich habe lang mein Leben
Geschäftig durchgestürmt,
Gar oft in Furcht und Beben,
Wenn Wolken sich getürmt.
[434]
Nun, da ich hier geschieden
Vom Weltgetümmel bin,
Sing' ich in sel'gem Frieden
Mein Sprüchlein vor mich hin:
Beata solitudo,
Sola beatitudo!
SonntagsruheBeata solitudoFlockIm FebruarLiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Sonntagsruhe

Im April


Die Sonne ging so goldenrot
Auf über San Vigilio's Cap.
Mit blauem Segel schwimmt ein Boot
Langsam den weiten See hinab.
Wo lärmend sonst die Möwen schrie'n,
Sich zankend überm flachen Strand,
Seh' ich den braunen Falken ziehn,
Weit seine Schwingen ausgespannt.
Von tausend Rosen weht der Duft,
Wohin ich wandeln mag, mir zu.
Kein Laut in klarer Morgenluft
Stört die geweihte Sonntagsruh.
Nur unten, wo das Flutgeroll
Sich rastlos an das Ufer schwingt
Ertönt das Lied geheimnisvoll,
Das nie der See zu Ende singt.
NachtgesichtSonntagsruheBeata solitudoFlockIm FebruarLiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Nachtgesicht

11. Mai


Schwül war gestern die Nacht. Herauf vom Süden
Wetterleuchtet' es stark, und wie der Atem
Eines Stöhnenden fuhr in schweren Stößen
Durch den Garten der Föhn. Aus kurzem Schlummer
Schreckt' ich auf, und ein Weilchen lag und sann ich,
Dann vom Bett mich erhebend und notdürftig
Mich bekleidend, hinaus zur Türe trat ich
Meines hohen Balkons.
[435]
Da strömt' entgegen
Mir die Feuchte der Nacht und vom Spaliere
Süßes Rosengedüft, indessen drüben
In der Ferne die lange Garda-Insel
Jetzt aufleuchtet, ein weiß Gespenst, im Zucken
Grell elektrischen Scheins und jetzt in Nacht sinkt.
Drunten wogte die Seeflut, hochaufspritzend
Weit herein in den Garten, daß die Palmen
Zitternd standen, besprüht vom Schaum der Wellen.
Und mich lüstet' es auch nach solchem Staubbad;
Nur die Schläfer im Haus zu wecken bangt' ich,
Noch so leise die Trepp' hinunterschleichend.
Doch da lehnt ja an des Balkones Brustwehr,
Die der Gärtner vergaß, die Sprossenstange,
Die zur Leiter ihm dient, aus höchstem Wipfel
Die Oliven zu pflücken. Flugs hinunter
Klettr' ich Sprosse für Sprosse, bis eratmend
Ich den Boden erreicht. Im Stillen freilich
War's nicht ganz mir geheuer. Denn wohl würde
Meine Liebste mich schelten, säh' sie hier mich
Leichtbekleidet bei Nacht herumspazieren.
Doch nun ist es geschehn, und fröhlich wandl' ich
An der Brüstung dahin, gekühlt vom feinen
Hauch der brandenden Flut. O weiche Feuchte!
Zauber südlicher Nacht! Und weit mich beugend
Übers Mäuerchen, blick' ich in die Tiefe,
Wo es brauset und rauscht.
Da lenkt auf einmal
Mir zur Rechten den Blick ein heller Lichtschein,
Nichts Elektrisches. Ruhig kommt's geschwommen
Von Gardone daher, und jetzt erkenn' ich –
Corpo della Madonna! – eine blanke,
Schlanke Weibergestalt! – vielleicht die schöne
Russin aus dem Hotel, die Lust verspürte,
Grad um Mitternacht noch ein Bad zu nehmen?
Solchem emanzipierten Überweibe
Säh's wohl ähnlich. Und jetzt – es gleitet näher,
Hoch das Haupt aus der Flut gereckt, die Fülle
Schwarzer Haare – doch nein, sie schimmern grünlich,
[436]
Und am Rücken, behaglich hingebettet –
Ist's denn möglich? ein Kind! ein nacktes Bübchen,
Das so sicher hier ruht wie in der Wiege,
Leicht ein Ärmchen geschlungen um den weißen
Hals der Mutter!
Im ersten Schreck entfährt ein
Ruf mir. Aber die Schwimmerin, im mindsten
Nicht verlegen ob ihres mangelhaften
Badeanzugs, hinauf zu mir mit Grinsen
Fletscht sie lachend die spitzen weißen Zähne,
Und nun seh' ich es deutlich: statt der Füße
Regt sie rosige Flossen, auch das Knäbchen
Ist kein richtiges Menschenkind – die Beiden,
Die mir drunten genaht, sind Seegeschöpfe,
Doch leibhaftige, da für Fabelwesen
Sie mir immer gegolten!
Sacht indessen
Rudert weiter das Weib, am Wassertreppchen
Taucht sie auf, und den Kleinen niedersetzend
Auf die unterste Stufe, schießt alsbald sie
In die Tiefe zurück und gleich nach oben
Kehrt sie wieder, in der erhobnen Rechten
Einen zappelnden Fisch. Den auseinander
Bricht sie, ihrem begier'gen Kind die Hälfte
Reichend, das mit den Zähnchen frisch hineinbeißt,
Und so halten mit lautem Schmatzen Beide
Ihren nächtlichen Schmaus.
Da horch! Zur Linken
Rauscht's heran, noch im Wellenschaum verborgen.
Plötzlich fährt aus dem Gischt empor ein strupp'ges
Männerhaupt, und mit wildem Lachen reckt es
Zwischen Mutter und Kind sich in die Höhe,
Patscht mit schuppiger Hand des Knäbchens Rücken
Und entreißt ihm den Fisch. Doch grimmig fauchend
Zieht die Mutter es an sich, stirnrunzelnd,
Und will flüchten mit ihm. Es scheint, sie hat wohl
Grund dem Gatten zu grollen, der vielleicht sich
Einer sträflichen Liebschaft schuldig machte
Mit der Nixe von San Vigilio oder
Von Malcesine, und sie sagt' entrüstet
[437]
Von dem Falschen sich los, der nun des Knaben
Sich bemächtigen will. (Das Seegesindel
Ist natürlich durchaus nicht tugendhafter,
Als das Menschengeschlecht.)
Ein Weilchen zerren
Mann und Weib an dem Bübchen, das sich kläglich
Winselnd sträubt. Doch auf einmal wird der Vater
Meister über das Kind, und durch die Wellen
Trägt er's rauschend davon, im nach mit rauhem
Möwenkreischen das Weib und jäh entschwindet
Meinem Blick der Roman der Seefamilie.
Kühler wehte der Wind. Ein leiser Schauer
Lief mir über den Leib, und nach dem Hause
Strebt' ich eilig zurück, erklomm die Leiter
(Wie mir's glückte, mir selber schien's ein Wunder)
Und rasch wieder ins Bett.
Am andern Morgen,
Als beim Frühstück ich beichtete meiner lieben
Frau, was gestern im Garten leichtbekleidet
Ich erlebt, und der wohlverdienten Schelte
Harrte, sah sie mich lächelnd an: Da hat dir
Wundersames geträumt. – Geräumt? O bitte!
Mit leibhaftigen wachen Augen sah ich
All die Wassergeschöpfe, wie auch Böcklin
Sie gesehn und gemalt. – Nun ja, genau wie
Gestern Abend in unsrer Böcklin-Mappe
Du sie sahest noch kurz vor Schlafengehen.
Oder denkst du, ich soll dir glauben, du mit
Deinen hundertundachtzig Pfund vermöchtest
Auf der schwankenden Leiter wie ein Eichhorn
Auf und nieder zu klettern? Überdies hat
Sie der Gärtner am Abend weggetragen,
Daß nicht Diebe bei Nacht ins Haus uns steigen.
Sieh nur nach, ob sie heut noch am Balkon lehnt.
Nun per Bacco! und wär' dies alles richtig:
Was ich sah, ob im Wachen oder Träumen,
Streitet Keiner mir ab, und so behaupt' ich,
Daß ich jetzt um die Nixenschaft im Garda-
[438]
See so ziemlich Bescheid weiß, da ich schaute,
Was kein Fischer Gardone's noch ein Kurgast
Je gesehn, den zu baden Nachts gelüstet.
AbschiedNachtgesichtSonntagsruheBeata solitudoFlockIm FebruarLiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Abschied

20. Mai


Hab' ich ihn nun ausgeträumt,
Meinen Wintertraum im Süden,
Wo die Flut am Strand verschäumt,
Als ein Schlummerlied dem Müden?
Nordwärts zieht das rasche Schiff
An der schönen Bucht vorüber;
Einen Abschiedsgruß hinüber
Schickt des Dampfers hoher Pfiff.
Lange noch zurück vom Bord
Wandern Augen und Gedanken
Zu dem hellen Häuschen dort,
Das die Rosen hoch umranken,
Wo im linden Sonnenschein
Unter Palmen und Zypressen
Holdbetrogen ich vergessen,
Daß es Winter sollte sein.
Doch getrost! Nun wirst du bald
Holden Heimatklängen lauschen.
Wieder wird der deutsche Wald
Kühl die Stirne dir umrauschen,
Wenn an des Benacus Strand
Alle Kreatur verschmachtet
Und die Luft, auch wenn es nachtet,
Nie sich kühlt vom Tagesbrand.
Danke, daß erreicht du hast,
Was dem Menschen blüht so selten,
Daß er als vertrauter Gast
Bürger sei in zweien Welten
Und zu träumen sich erkühnt,
Trotz des Alters frost'gem Schauer,
Daß in märchenhafter Dauer
Ew'ger Frühling ihn umgrünt.
HeimkehrAbschiedNachtgesichtSonntagsruheBeata solitudoFlockIm FebruarLiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

[439] Heimkehr

Das ist die Heimat wieder,
Durch hohe Gartenwipfel
Winkt mir Willkommen das alte Haus.
Wie schüchtern erst
Ist aufgesprossen an allen Zweigen
Maigrünes Laub im herben Hauch
Des deutschen Lenzmonds!
Nirgends glüht mir entgegen,
Wie dort zu tausenden,
Nur Eine Rose,
Maasliebchen allein im Wiesengrund
Und zart entfaltet am Strauch
Der Päonie Knospen.
Doch trauen sie nicht der trüglichen Sonne,
Die lockend niederäugelt,
Denn gestern erst, so hört' ich,
Hat's wieder einmal
Geschneit in den Münchner Frühling.
Beklommnen Herzens
Überschreit' ich die Schwelle.
Werd' ich, verwöhnt
Durch südliche Sonnenglut,
An dieser kühlen Heimat
Blasses Licht mich zurückgewöhnen?
Doch da breitet am Fuß der Treppe
Der Adorante die schlanken Arme
Aus, wie betend zur Gottheit,
Daß mein Eintritt gesegnet sei,
Und wie empor ich steige,
Begrüßt mich eine vertraute Schaar,
Die meiner geharrt im langen Winter:
Erinnerungen, trüb' und frohe,
Hier angesiedelt in jedem Raum,
Wo ich gelebt, geliebt, gelitten,
Jung gewesen und alt geworden
Und mein redlich Herz
In festen Händen gehalten.
[440]
Und in mir ruft's: Sei froh der Heimkehr!
Hier bist du zu Haus und drunten
An deinem See nur zu Gast.
Denn deines Wesens tiefste Wurzeln
Sind zäh gesenkt in die deutsche Erde,
Wenn auch der Wipfel sich gern
In italischen Lüften wiegt.
Morgen aber,
Wenn du im alten Bett zu Nacht
Geruht und Amselgesang
Früh dich lieblich ermuntert,
Gehst du durch wohlbekannte
Gassen und Plätze,
Nicht wie da unten freilich
Von Lorbeerhecken durchduftet,
Doch zum Ersatz dafür
Begegnet dir hin und wieder
Ein freundlich grüßend Gesicht,
Und Mancher stellt dich und drückt dir die Hand:
Grüß Gott! Bist glücklich zurückgekehrt?
Wir haben dich so lange vermißt.
Nun, hoff' ich, bleibst du ein Weilchen hier!
Ja, alte Freunde!
Wenn die uns fehlen, fehlt uns das Beste doch
Im Land auch, wo die Zitronen blühn.

25. Mai 1902

GhaselenHeimkehrAbschiedNachtgesichtSonntagsruheBeata solitudoFlockIm FebruarLiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch
PrologGhaselenHeimkehrAbschiedNachtgesichtSonntagsruheBeata solitudoFlockIm FebruarLiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Ghaselen

Prolog

Warum willst du mit Ghaselen
Die geduld'ge Muse quälen?
Lieder dichte, drin sich zwanglos
Sinn und Reim von selbst vermählen,
Wie sie hold von Mädchenlippen
Tönen und aus Vogelkehlen! –
Also werden meine Feinde,
[441]
Werden meine Freunde schmählen.
Doch bedeckt: nicht steht's dem Dichter
Frei, sich seine Form zu wählen;
Er gehorcht geheimnisvollen
Seines Genius Befehlen.
Platen wagte, Schiras' Gärten
Sehr ausgiebig zu bestehlen,
(Ganze hundertsechsundfünzig
Hafislieder konnt' ich zählen!)
Und er wußte viel vom Schenken
Und vom Liebchen zu erzählen,
Im Gedicht; denn ach, im Leben
Sollt's ihm oft an beiden fehlen.
Mich, den weltentrückten Alten,
Kann allein der Wunsch beseelen,
Auf den Vollklang dieser Reime
Lauschend, mein Gemüt zu stählen
Und aus mancher bittren Schale
Mir den Kern herauszuschälen.
1. [Tief in unsres Herzens Grunde ruht ein Schutt- und Trümmerhauf]PrologGhaselenHeimkehrAbschiedNachtgesichtSonntagsruheBeata solitudoFlockIm FebruarLiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

1.

Tief in unsres Herzens Grunde ruht ein Schutt- und Trümmerhauf.
Aufgewühlt in dunkler Stunde drängt er ungestüm herauf.
Frühzerstörte Illusionen, Unbill, die das Blut empört,
Hohn auf all das ungesunde Gaukelspiel im Weltenlauf.
Darum, wenn sein Herz der Dichter lüften will im Selbstgespräch,
Tönen aus dem Liedermunde Klagen oft zum Licht hinauf.
Ach, sein Rügelied – nur selten, da die Welt gedankenlos,
Weckt es in der weiten Runde ein verstehend Echo auf.
Selbst dem eignen Ohre tönt es oft zu herb und ungerecht,
Doch es kühlt den Brand der Wunde, und so nimmt er's mit in Kauf.
2. [Die Tage schleichen trüb dahin, und auf die Sonne hoffst du noch]1. [Tief in unsres Herzens Grunde ruht ein Schutt- und Trümmerhauf]PrologGhaselenHeimkehrAbschiedNachtgesichtSonntagsruheBeata solitudoFlockIm FebruarLiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

2.

Die Tage schleichen trüb dahin, und auf die Sonne hoffst du noch?
Daß Goldgespinst die Parze spinn' am dunklen Rocken, hoffst du noch?
[442]
Du weißt, das ist des Alters Los: es wiederholt sich Schlimmes nur;
Was lieblich war zu Anbeginn, daß sich's erneure, hoffst du noch?
Das Größte, was das Leben beut: Kunst, Liebe, Frieden gab es dir,
Und einen neuen Vollgewinn aus seinem Füllhorn hoffst du noch?
Ist's nicht genug, daß Schlummer dir die letzte ew'ge Nacht verheißt,
Und einen bunten Traum darin, du Anspruchsvoller, hoffst du noch?
3. [Also, daß der Mensch vom Affen abstammt, dünkt dir zweifelhaft]2. [Die Tage schleichen trüb dahin, und auf die Sonne hoffst du noch]1. [Tief in unsres Herzens Grunde ruht ein Schutt- und Trümmerhauf]PrologGhaselenHeimkehrAbschiedNachtgesichtSonntagsruheBeata solitudoFlockIm FebruarLiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

3.

Also, daß der Mensch vom Affen abstammt, dünkt dir zweifelhaft,
Leugnest mit den strengen Pfaffen Darwin's tiefe Wissenschaft?
Problematisch bleibt's; indessen, klar ist der Familienzug.
Sieh nur, wie statt blanker Waffen auch der Mensch vom Boden rafft,
Was ihm kommt an faulen Äpfeln, eklem Unrat in die Hand,
Nur um Hilfe sich zu schaffen gegen überlegne Kraft.
Eilen nicht, wenn ein erhabnes Vorbild ragt vor ihrem Blick,
Nachzustümpern eitle Laffen seine Werke tölpelhaft?
Und die edlen Menschenkinder, die sich dünken göttergleich,
Wie sie achselzuckend gaffen, wenn des Helden Mut erschlafft,
Gassenbubenhaft frohlocken, wenn er endlich niedersinkt,
Weil ihm tiefe Wunden klaffen, draus entströmt der Lebenssaft?
Auf die Bäume nur zu klettern hütet sich ein Weibessohn,
Denn sein Fuß ist so beschaffen, daß die Erd' ihn hält in Haft.
Doch ihr schadenfröhlich Grinsen, wagt er's doch und fällt herab,
Schwerbemüht, sich aufzuraffen – ist's nicht völlig affenhaft?
4. [Daß Jedermann an sich nur denkt, find' ich nicht eben wunderbar]3. [Also, daß der Mensch vom Affen abstammt, dünkt dir zweifelhaft]2. [Die Tage schleichen trüb dahin, und auf die Sonne hoffst du noch]1. [Tief in unsres Herzens Grunde ruht ein Schutt- und Trümmerhauf]PrologGhaselenHeimkehrAbschiedNachtgesichtSonntagsruheBeata solitudoFlockIm FebruarLiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

4.

Daß Jedermann an sich nur denkt, find' ich nicht eben wunderbar,
Auch daß man gern den Nächsten kränkt, find' ich nicht eben wunderbar.
[443]
Das Ich regiert so Groß wie Klein, und daß, wer einen Bach entdeckt,
In flugs nach seiner Mühle lenkt, find' ich nicht eben wunderbar.
Nackt sind die Menschen selten schön. Daß Jeder drum ein Mäntelchen
Um seine schnöde Blöße hängt, find' ich nicht eben wunderbar.
Gern nimmt man mit sich selbst vorlieb, und daß nicht jeder Schelm und Schuft
Selbst an den nächsten Baum sich henkt, find' ich nicht eben wunderbar.
Doch daß die Luft hier unterm Mond, so voll von eklem Mißgedüft,
Nicht mehr den Atem mir beengt, das freilich find' ich wunderbar,
Und vollends, daß zuweilen noch mir, der ich längst gewitzigt ward,
Das Herz sich auf die Lippen drängt, fürwahr, das find' ich wunderbar!
5. [Wohl, ich weiß, ihr hohen Alten, was ich früh schon euch verdankt]4. [Daß Jedermann an sich nur denkt, find' ich nicht eben wunderbar]3. [Also, daß der Mensch vom Affen abstammt, dünkt dir zweifelhaft]2. [Die Tage schleichen trüb dahin, und auf die Sonne hoffst du noch]1. [Tief in unsres Herzens Grunde ruht ein Schutt- und Trümmerhauf]PrologGhaselenHeimkehrAbschiedNachtgesichtSonntagsruheBeata solitudoFlockIm FebruarLiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

5.

Wohl, ich weiß, ihr hohen Alten, was ich früh schon euch verdankt,
Da ich, rein mich zu entfalten, mich an euch emporgerankt.
Denn ihr lehrtet schon den Knaben, der Natur getreu zu sein
Und den sittlichen Gewalten, deren Urbild nie geschwankt,
Schütztet den Herangereiften vor des Fiebers gift'gem Hauch,
So des hitz'gen wie des kalten, dran die Kunst der Zeit gekrankt.
Doch der Lehre dann entwachsen, ließ ich meines Genius
Stimme nur im Busen walten, deren Treue nie gewankt,
Wandert' einsam meines Weges, wenn die Menge zügellos,
Nie beflissen, Maß zu halten, andres Werk von mir verlangt.
Und so tröst' ich mich, ihr werdet überdauern diese Zeit,
Meiner Bildkraft Traumgestalten, die ihr nicht der Zeit entsprangt.
6. [Willst du noch ein Liebeslied singen, meine Seele]5. [Wohl, ich weiß, ihr hohen Alten, was ich früh schon euch verdankt]4. [Daß Jedermann an sich nur denkt, find' ich nicht eben wunderbar]3. [Also, daß der Mensch vom Affen abstammt, dünkt dir zweifelhaft]2. [Die Tage schleichen trüb dahin, und auf die Sonne hoffst du noch]1. [Tief in unsres Herzens Grunde ruht ein Schutt- und Trümmerhauf]PrologGhaselenHeimkehrAbschiedNachtgesichtSonntagsruheBeata solitudoFlockIm FebruarLiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

[444] 6.

Willst du noch ein Liebeslied singen, meine Seele,
Ob auch längst die Jugend schied, müd' und rauh die Kehle?
Süßer wohl und heller klang's in den Rosentagen,
Als noch rings im Lenzgebiet mitsang Philomele,
Als des Baches Murmeln nur und des Waldes Rauschen
Mich geheimnisvoll beriet, wie das Wort ich wähle.
Jetzt im Lebenswinter ach, muß ich wohl erkennen,
Wenn es zum Gesang mich zieht, daß das Beste fehle.
Statt, was mir im Herzen lebt, mühlos auszuströmen,
Wie die Thrän' entquillt dem Lid, reim' ich jetzt Ghasele.
Doch den Eisesblumen gleich, die vom warmen Hauche
Man erblühn am Fenster sieht, zierlich sonder Fehle,
Ist auch dieser Winterflor warmer Brust entsprossen –
Singe nur dein Liebeslied, sing es, meine Seele!
7. [Und so wanderten wir Beide weite Strecken Hand in Hand]6. [Willst du noch ein Liebeslied singen, meine Seele]5. [Wohl, ich weiß, ihr hohen Alten, was ich früh schon euch verdankt]4. [Daß Jedermann an sich nur denkt, find' ich nicht eben wunderbar]3. [Also, daß der Mensch vom Affen abstammt, dünkt dir zweifelhaft]2. [Die Tage schleichen trüb dahin, und auf die Sonne hoffst du noch]1. [Tief in unsres Herzens Grunde ruht ein Schutt- und Trümmerhauf]PrologGhaselenHeimkehrAbschiedNachtgesichtSonntagsruheBeata solitudoFlockIm FebruarLiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

7.

Und so wanderten wir Beide weite Strecken Hand in Hand,
Hielten treu in Lust und Leide Schritt mitsammen Hand in Hand,
Hatten, wie es glückverwöhnten Sterblichen von je geschehn,
Auch ein Lied vom Götterneide oft zu singen Hand in Hand.
Doch ich tat es sonder Klagen, da, so hart die Prüfung war,
Meine Aug- und Seelenweide, du mir nah bliebst Hand in Hand.
Eins nur fleh' ich vom Geschicke: wenn die strenge Parze naht,
Die den Faden uns zerschneide, daß wir scheiden Hand in Hand.
Denn wie sollt' ich einsam wandeln auf der Erde Dornenpfad,
Oder du im Witwenkleide, ach, und nicht mehr Hand in Hand?
8. [Ich habe versucht so manchesmal mit Lieb' und Leben es leicht zu nehmen]7. [Und so wanderten wir Beide weite Strecken Hand in Hand]6. [Willst du noch ein Liebeslied singen, meine Seele]5. [Wohl, ich weiß, ihr hohen Alten, was ich früh schon euch verdankt]4. [Daß Jedermann an sich nur denkt, find' ich nicht eben wunderbar]3. [Also, daß der Mensch vom Affen abstammt, dünkt dir zweifelhaft]2. [Die Tage schleichen trüb dahin, und auf die Sonne hoffst du noch]1. [Tief in unsres Herzens Grunde ruht ein Schutt- und Trümmerhauf]PrologGhaselenHeimkehrAbschiedNachtgesichtSonntagsruheBeata solitudoFlockIm FebruarLiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

8.

Ich habe versucht so manchesmal mit Lieb' und Leben es leicht zu nehmen,
Zum Trost im irdischen Jammertal mit Lieb' und Leben es leicht zu nehmen.
Wie oft verwünscht' ich mein schweres Blut, dem Salomo's Weisheit nicht zu eigen,
Der riet, weil alles eitel zumal, mit Lieb' und Leben es leicht zu nehmen.
[445]
Und doch, wem Mutter Natur versagt ein sorglos unbedenklich Gewissen,
Der muß verzichten zu seiner Qual, mit Lieb' und Leben es leicht zu nehmen.
Den Dichtern freilich erlaubt die Welt, sich über manches hinwegzusetzen,
Was andern verpönt, und nennt's genial, mit Lieb' und Leben es leicht zu nehmen.
Doch mir, dem sein Gewissen sogar macht in der fröhlichen Kunst zu schaffen,
Bleibt nicht am Scheidewege die Wahl mit Lieb' und Leben es leicht zu nehmen.
Ein hinkendes Bild stiehlt mir den Schlaf, ein schleppender Vers. Wie sollt' ich es lernen,
Ein Schnippchen schlagend der hohen Moral, mit Lieb' und Leben es leicht zu nehmen?
9. [Ich hab' in strengem Musendienst mich redlich müd' und heiß gelebt]8. [Ich habe versucht so manchesmal mit Lieb' und Leben es leicht zu nehmen]7. [Und so wanderten wir Beide weite Strecken Hand in Hand]6. [Willst du noch ein Liebeslied singen, meine Seele]5. [Wohl, ich weiß, ihr hohen Alten, was ich früh schon euch verdankt]4. [Daß Jedermann an sich nur denkt, find' ich nicht eben wunderbar]3. [Also, daß der Mensch vom Affen abstammt, dünkt dir zweifelhaft]2. [Die Tage schleichen trüb dahin, und auf die Sonne hoffst du noch]1. [Tief in unsres Herzens Grunde ruht ein Schutt- und Trümmerhauf]PrologGhaselenHeimkehrAbschiedNachtgesichtSonntagsruheBeata solitudoFlockIm FebruarLiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

9.

Ich hab' in strengem Musendienst mich redlich müd' und heiß gelebt
Und andachtsvoll mein Leben lang in hoher Meister Kreis gelebt.
Dem Wettlauf, dem banausischen, nach Gold und Ehren blieb ich fern
Und hab' im Stillen, lauschend auf des Genius Geheiß, gelebt.
Der Schöpfung tausendstimm'gen Chor, in meiner Klause hört' ich ihn
Und glaubte, wenn ich niederschrieb, was in mir klang, so sei's gelebt,
Doch jetzt, am Ziel der langen Bahn, beschleicht mich Sorge: nicht genug
Hätt' ich in freier Gotteswelt, zu viel nur schwarz auf weiß gelebt.
10. [Schwinge dich auf und singe, mein Herz!]9. [Ich hab' in strengem Musendienst mich redlich müd' und heiß gelebt]8. [Ich habe versucht so manchesmal mit Lieb' und Leben es leicht zu nehmen]7. [Und so wanderten wir Beide weite Strecken Hand in Hand]6. [Willst du noch ein Liebeslied singen, meine Seele]5. [Wohl, ich weiß, ihr hohen Alten, was ich früh schon euch verdankt]4. [Daß Jedermann an sich nur denkt, find' ich nicht eben wunderbar]3. [Also, daß der Mensch vom Affen abstammt, dünkt dir zweifelhaft]2. [Die Tage schleichen trüb dahin, und auf die Sonne hoffst du noch]1. [Tief in unsres Herzens Grunde ruht ein Schutt- und Trümmerhauf]PrologGhaselenHeimkehrAbschiedNachtgesichtSonntagsruheBeata solitudoFlockIm FebruarLiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

10.

Schwinge dich auf und singe, mein Herz!
Dunst und Nebel durchdringe, mein Herz!
Diesem lähmenden Unmutsqualm
Stark und frei dich entringe, mein Herz!
[446]
Was die Toren mit Ehrfurcht füllt,
Acht' es alles geringe, mein Herz!
Sieh, es ist nur ein nicht'ger Traum
Dieser Wechsel der Dinge, mein Herz!
Hüte dich, daß ihr gleißender Schein
Nicht dich lockend bezwinge, mein Herz!
Stellt dir Fallen die Eigensucht,
Zieh dich rasch aus der Schlinge, mein Herz!
Gib an hohe Gedanken dich hin,
Daß dir Hohes gelinge, mein Herz!
Und aus Sümpfen zum Ätherglanz
Fleuch mit Adlerschwinge, mein Herz!
11. [Hast du nicht so viel genossen, altes Herz, was willst du mehr]10. [Schwinge dich auf und singe, mein Herz!]9. [Ich hab' in strengem Musendienst mich redlich müd' und heiß gelebt]8. [Ich habe versucht so manchesmal mit Lieb' und Leben es leicht zu nehmen]7. [Und so wanderten wir Beide weite Strecken Hand in Hand]6. [Willst du noch ein Liebeslied singen, meine Seele]5. [Wohl, ich weiß, ihr hohen Alten, was ich früh schon euch verdankt]4. [Daß Jedermann an sich nur denkt, find' ich nicht eben wunderbar]3. [Also, daß der Mensch vom Affen abstammt, dünkt dir zweifelhaft]2. [Die Tage schleichen trüb dahin, und auf die Sonne hoffst du noch]1. [Tief in unsres Herzens Grunde ruht ein Schutt- und Trümmerhauf]PrologGhaselenHeimkehrAbschiedNachtgesichtSonntagsruheBeata solitudoFlockIm FebruarLiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

11.

Hast du nicht so viel genossen, altes Herz, was willst du mehr?
Siebzig Jahr sind dir verflossen trüb und hell, – was willst du mehr?
Hast du doch geliebt, gelitten, redlich deine Pflicht getan,
Mit den traulichsten Genossen Hand in Hand, – was willst du mehr?
Früh ward aufgetan dein Auge, daß du sahst die Niedertracht
Dieser Welt und ihrer Possen lachen konntst, – was willst du mehr?
Und an reichbesetzter Tafel durftst du schmausen früh und spät,
Wo in Strömen dir geflossen Geisteswein, – was willst du mehr?
War auch nicht im Kreis der Gäste dir der erste Platz bestimmt,
Wurdest du doch unverdrossen gut bedient, – was willst du mehr?
Jetzt erfährst du, daß zum Nachtisch harte Nüsse man serviert;
Knacke sie nur auf entschlossen; Schicksal ist's; was willst du mehr?
Ob dich's auch die letzten Zähne kosten mag und neue dir
Schwerlich in der Siesta sprossen, – du bist satt; was willst du mehr?
12. [Wenn feig du unters Joch dich schmiegst der Weltklugheit, was frommt es dir]11. [Hast du nicht so viel genossen, altes Herz, was willst du mehr]10. [Schwinge dich auf und singe, mein Herz!]9. [Ich hab' in strengem Musendienst mich redlich müd' und heiß gelebt]8. [Ich habe versucht so manchesmal mit Lieb' und Leben es leicht zu nehmen]7. [Und so wanderten wir Beide weite Strecken Hand in Hand]6. [Willst du noch ein Liebeslied singen, meine Seele]5. [Wohl, ich weiß, ihr hohen Alten, was ich früh schon euch verdankt]4. [Daß Jedermann an sich nur denkt, find' ich nicht eben wunderbar]3. [Also, daß der Mensch vom Affen abstammt, dünkt dir zweifelhaft]2. [Die Tage schleichen trüb dahin, und auf die Sonne hoffst du noch]1. [Tief in unsres Herzens Grunde ruht ein Schutt- und Trümmerhauf]PrologGhaselenHeimkehrAbschiedNachtgesichtSonntagsruheBeata solitudoFlockIm FebruarLiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

[447] 12.

Wenn feig du unters Joch dich schmiegst der Weltklugheit, was frommt es dir?
Man weiß, wenn du den Rücken biegst, 's ist nicht dein Ernst. Was frommt es dir?
Man fühlt' an deinem Ton und Blick und wie du auf dem Nacken trägst
Den Kopf, den du so höflich wiegst, du heuchelst nur. Was frommt es dir?
Nein, sage lieber frei heraus dem Schelm, dem Schächer ins Gesicht,
Wie dir zu Mut. Denn wenn du schwiegst als Diplomat, was frommt es dir?
So dumm ist selbst der dümmste nicht, daß er nicht merk', aus Mitleid nur
Gescheh's, daß du ihn nicht bekriegst, und schonst du ihn, was frommt es dir?
Dies macht verhaßt, allein was liegt am Hasse der Verächtlichen?
Wenn du in ihrer Achtung stiegst um solchen Preis, was frommt' es dir?
Gefürchtet sein als Störenfried, als unbequemer Narr verlacht,
Ist mehr, als, wenn im Grab du liegst, ein Lobgesang; was frommt' er dir?
Am besten freilich bleib für dich. Denn wenn du zehnmal Recht behältst
Und allen Unverstand besiegst – ein solcher Sieg, was frommt' er dir?
13. [Es sind mir die Schuppen vom Auge gefallen, was kann ich dafür]12. [Wenn feig du unters Joch dich schmiegst der Weltklugheit, was frommt es dir]11. [Hast du nicht so viel genossen, altes Herz, was willst du mehr]10. [Schwinge dich auf und singe, mein Herz!]9. [Ich hab' in strengem Musendienst mich redlich müd' und heiß gelebt]8. [Ich habe versucht so manchesmal mit Lieb' und Leben es leicht zu nehmen]7. [Und so wanderten wir Beide weite Strecken Hand in Hand]6. [Willst du noch ein Liebeslied singen, meine Seele]5. [Wohl, ich weiß, ihr hohen Alten, was ich früh schon euch verdankt]4. [Daß Jedermann an sich nur denkt, find' ich nicht eben wunderbar]3. [Also, daß der Mensch vom Affen abstammt, dünkt dir zweifelhaft]2. [Die Tage schleichen trüb dahin, und auf die Sonne hoffst du noch]1. [Tief in unsres Herzens Grunde ruht ein Schutt- und Trümmerhauf]PrologGhaselenHeimkehrAbschiedNachtgesichtSonntagsruheBeata solitudoFlockIm FebruarLiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

13.

Es sind mir die Schuppen vom Auge gefallen, was kann ich dafür?
Will nun in der Welt mir so Manches mißfallen, was kann ich dafür?
Ich opferte schönen und leuchtenden Göttern, und schmerzt es mich jetzt,
Zu sehen, wie rasch ihre Tempel verfallen, was kann ich dafür?
[448]
Es macht im Theater Gemeines und Plattes und Mystik sich breit,
Und scheinen entweiht mir die heiligen Hallen, was kann ich dafür?
Orchestergelärm zu rhetorischen Phrasen gilt heut für Musik.
Mich lockt der bel canto der Nachtigallen; was kann ich dafür?
Die Lyriker halten ihr Klimpern und Klingeln für Seelengesang,
Und dünket mich kindisch ihr Stammeln und Lallen, was kann ich dafür?
Die Pleinairisten und Naturalisten, wenn beide zumal
Mir scheinen absurden Doktrinen verfallen, was kann ich dafür?
Sie zucken die Achseln und rümpfen die Nase und nennen's senil,
Im Stürmen und Drängen nicht mitzukrawallen; was kann ich dafür?
Denn spräch' auch einer mit Engelszungen, es würde sein Wort
Wie eines Wüstenpred'gers verhallen; was kann ich dafür?
Doch schnöd' ist's freilich, nur stets zu sprechen und heimlich dabei
Ohnmächtig die Faust in der Tasche zu ballen: was kann ich dafür!
14. [Du mußt am Tische dieser Welt nur auch kein Kostverächter sein]13. [Es sind mir die Schuppen vom Auge gefallen, was kann ich dafür]12. [Wenn feig du unters Joch dich schmiegst der Weltklugheit, was frommt es dir]11. [Hast du nicht so viel genossen, altes Herz, was willst du mehr]10. [Schwinge dich auf und singe, mein Herz!]9. [Ich hab' in strengem Musendienst mich redlich müd' und heiß gelebt]8. [Ich habe versucht so manchesmal mit Lieb' und Leben es leicht zu nehmen]7. [Und so wanderten wir Beide weite Strecken Hand in Hand]6. [Willst du noch ein Liebeslied singen, meine Seele]5. [Wohl, ich weiß, ihr hohen Alten, was ich früh schon euch verdankt]4. [Daß Jedermann an sich nur denkt, find' ich nicht eben wunderbar]3. [Also, daß der Mensch vom Affen abstammt, dünkt dir zweifelhaft]2. [Die Tage schleichen trüb dahin, und auf die Sonne hoffst du noch]1. [Tief in unsres Herzens Grunde ruht ein Schutt- und Trümmerhauf]PrologGhaselenHeimkehrAbschiedNachtgesichtSonntagsruheBeata solitudoFlockIm FebruarLiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

14.

Du mußt am Tische dieser Welt nur auch kein Kostverächter sein.
Denk, wenn ein Mahl dir nicht behagt, es könnte leicht noch schlechter sein.
Nimm auch mit trocknem Brot vorlieb und einem Trunk aus klarem Quell;
's ist besser, nüchtern, als ein schwer von Fuseltrank Bezechter sein.
Nur hüt' dich vor gefälschter Kost, auch noch so zierlich aufgetischt;
Die Kräfte, die du stärken willst, sie würden nur geschwächter sein.
[449]
Erlogne Weisheit, Brüderschaft mit solchen, die verächtlich sind,
Eh sie dich selbst verächtlich macht, mußt stolz du ihr Verächter sein.
Doch halt auch zu Geringern dich, wenn sie nur wackre Leute sind;
Je dumpfer ihr Verstand, ihr Herz wird oft nur um so echter sein.
Bleib aber fern, wo man sich spreizt, wo das Gemeine vornehm tut,
Und Schranzen- oder Streberpack laß stets dir zum Gelächter sein.
So wirst du, wenn du schwerlich auch emporkommst und Karrière machst,
Doch deines eignen Genius getreuer, frommer Wächter sein.
15. [Warum wünscht ein Dilettant, daß die Kinder seiner Laune]14. [Du mußt am Tische dieser Welt nur auch kein Kostverächter sein]13. [Es sind mir die Schuppen vom Auge gefallen, was kann ich dafür]12. [Wenn feig du unters Joch dich schmiegst der Weltklugheit, was frommt es dir]11. [Hast du nicht so viel genossen, altes Herz, was willst du mehr]10. [Schwinge dich auf und singe, mein Herz!]9. [Ich hab' in strengem Musendienst mich redlich müd' und heiß gelebt]8. [Ich habe versucht so manchesmal mit Lieb' und Leben es leicht zu nehmen]7. [Und so wanderten wir Beide weite Strecken Hand in Hand]6. [Willst du noch ein Liebeslied singen, meine Seele]5. [Wohl, ich weiß, ihr hohen Alten, was ich früh schon euch verdankt]4. [Daß Jedermann an sich nur denkt, find' ich nicht eben wunderbar]3. [Also, daß der Mensch vom Affen abstammt, dünkt dir zweifelhaft]2. [Die Tage schleichen trüb dahin, und auf die Sonne hoffst du noch]1. [Tief in unsres Herzens Grunde ruht ein Schutt- und Trümmerhauf]PrologGhaselenHeimkehrAbschiedNachtgesichtSonntagsruheBeata solitudoFlockIm FebruarLiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

15.

Warum wünscht ein Dilettant, daß die Kinder seiner Laune,
Dran er sein diletto fand, nun die ganze Welt bestaune?
Hüt' er seine Liebe doch, die ihn selig macht im Stillen,
Vor gestrengem Kunstverstand oder spöttischem Geraune.
Leider nicht geschaffen ist jede Muse, zu beglücken
Legitim im Ehestand, so die blonde wie die braune.
Fehlt der Segen der Kritik, kann man doch die Kinder lieben,
Die man außer Rand und Band frisch gezeugt hat hinterm Zaune.
16. [Daran merk' ich, daß lebendig mir das Herz im Busen blieb]15. [Warum wünscht ein Dilettant, daß die Kinder seiner Laune]14. [Du mußt am Tische dieser Welt nur auch kein Kostverächter sein]13. [Es sind mir die Schuppen vom Auge gefallen, was kann ich dafür]12. [Wenn feig du unters Joch dich schmiegst der Weltklugheit, was frommt es dir]11. [Hast du nicht so viel genossen, altes Herz, was willst du mehr]10. [Schwinge dich auf und singe, mein Herz!]9. [Ich hab' in strengem Musendienst mich redlich müd' und heiß gelebt]8. [Ich habe versucht so manchesmal mit Lieb' und Leben es leicht zu nehmen]7. [Und so wanderten wir Beide weite Strecken Hand in Hand]6. [Willst du noch ein Liebeslied singen, meine Seele]5. [Wohl, ich weiß, ihr hohen Alten, was ich früh schon euch verdankt]4. [Daß Jedermann an sich nur denkt, find' ich nicht eben wunderbar]3. [Also, daß der Mensch vom Affen abstammt, dünkt dir zweifelhaft]2. [Die Tage schleichen trüb dahin, und auf die Sonne hoffst du noch]1. [Tief in unsres Herzens Grunde ruht ein Schutt- und Trümmerhauf]PrologGhaselenHeimkehrAbschiedNachtgesichtSonntagsruheBeata solitudoFlockIm FebruarLiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

16.

Daran merk' ich, daß lebendig mir das Herz im Busen blieb
Und mein Blut noch nicht verständig-kühl sich durch die Adern trieb,
Da es, wenn ich Unbill schaue, schnöde Vergewaltigung,
Gleich empor mir schwillt unbändig, abzuwehren Hieb mit Hieb,
Und ich weiß doch, stets auf Erden werde Macht vor Recht ergehn,
Ob ein Gott auch eigenhändig strenge Strafgesetze schrieb.
[450]
Immer wird die Kraft bewundert, sei sie noch so frevelhaft;
Große sündigen beständig, und man hängt den kleinen Dieb.
Aber ist's auch toll und töricht, gegen ein Naturgesetz
Aufzubäumen, doch verständ' ich nie zu zügeln diesen Trieb.
War der Ritter von la Mancha glücklicher, vom Wahn geheilt?
Drum an diesen Wahn verschwend' ich, was mir noch von Jugend blieb!
17. [Sei nicht zu ehrlich mit der Welt! Die Welt will ja betrogen sein]16. [Daran merk' ich, daß lebendig mir das Herz im Busen blieb]15. [Warum wünscht ein Dilettant, daß die Kinder seiner Laune]14. [Du mußt am Tische dieser Welt nur auch kein Kostverächter sein]13. [Es sind mir die Schuppen vom Auge gefallen, was kann ich dafür]12. [Wenn feig du unters Joch dich schmiegst der Weltklugheit, was frommt es dir]11. [Hast du nicht so viel genossen, altes Herz, was willst du mehr]10. [Schwinge dich auf und singe, mein Herz!]9. [Ich hab' in strengem Musendienst mich redlich müd' und heiß gelebt]8. [Ich habe versucht so manchesmal mit Lieb' und Leben es leicht zu nehmen]7. [Und so wanderten wir Beide weite Strecken Hand in Hand]6. [Willst du noch ein Liebeslied singen, meine Seele]5. [Wohl, ich weiß, ihr hohen Alten, was ich früh schon euch verdankt]4. [Daß Jedermann an sich nur denkt, find' ich nicht eben wunderbar]3. [Also, daß der Mensch vom Affen abstammt, dünkt dir zweifelhaft]2. [Die Tage schleichen trüb dahin, und auf die Sonne hoffst du noch]1. [Tief in unsres Herzens Grunde ruht ein Schutt- und Trümmerhauf]PrologGhaselenHeimkehrAbschiedNachtgesichtSonntagsruheBeata solitudoFlockIm FebruarLiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

17.

Sei nicht zu ehrlich mit der Welt! Die Welt will ja betrogen sein.
Nur wer sie dreist zum Narren hält, dem wird sie wohlgewogen sein.
Der Glaub' an etwas Göttliches, würd' es in frommer Demut nur
Als ein Geheimnis hingestellt, er würde bald verflogen sein.
Ein Gott nur wird, des weißer Bart als eines guten Großpapa's
Den großen Kindern wohlgefällt, der Gott der Theologen sein.
Und sieh gewisse Dichter an! Der Schleier, drin sich rätselhaft
Drapiert ihr höchst trivialer Held, soll niemals fortgezogen sein.
Zufrieden ist's das Publikum und will ja im Theater selbst
Mit Worten um den Sinn geprellt von schlauen Mystagogen sein.
Daß hinter Sonnenklarheit just sich birgt das Unergründlichste,
Wird, weil es nicht ins Auge fällt, von Wen'gen nur erwogen sein.
18. [So lasset uns suchen und finden das Glück]17. [Sei nicht zu ehrlich mit der Welt! Die Welt will ja betrogen sein]16. [Daran merk' ich, daß lebendig mir das Herz im Busen blieb]15. [Warum wünscht ein Dilettant, daß die Kinder seiner Laune]14. [Du mußt am Tische dieser Welt nur auch kein Kostverächter sein]13. [Es sind mir die Schuppen vom Auge gefallen, was kann ich dafür]12. [Wenn feig du unters Joch dich schmiegst der Weltklugheit, was frommt es dir]11. [Hast du nicht so viel genossen, altes Herz, was willst du mehr]10. [Schwinge dich auf und singe, mein Herz!]9. [Ich hab' in strengem Musendienst mich redlich müd' und heiß gelebt]8. [Ich habe versucht so manchesmal mit Lieb' und Leben es leicht zu nehmen]7. [Und so wanderten wir Beide weite Strecken Hand in Hand]6. [Willst du noch ein Liebeslied singen, meine Seele]5. [Wohl, ich weiß, ihr hohen Alten, was ich früh schon euch verdankt]4. [Daß Jedermann an sich nur denkt, find' ich nicht eben wunderbar]3. [Also, daß der Mensch vom Affen abstammt, dünkt dir zweifelhaft]2. [Die Tage schleichen trüb dahin, und auf die Sonne hoffst du noch]1. [Tief in unsres Herzens Grunde ruht ein Schutt- und Trümmerhauf]PrologGhaselenHeimkehrAbschiedNachtgesichtSonntagsruheBeata solitudoFlockIm FebruarLiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

18.

So lasset uns suchen und finden das Glück,
Und fanden wir's, nimmer entschwinden das Glück.
Nicht aber die Hexe, am Stirnhaar erfaßt;
Bald flattert davon mit den Winden das Glück.
Das echte, das rechte sitzt traulich am Herd,
Da mußt du mit Rosen umwinden das Glück.
[451]
Hausfräulich geschäftig, den Wirten zum Lohn,
Wird ewige Glut dir entzünden das Glück.
Es fragt nicht nach Schätzen, nach weltlicher Lust;
Treu bleibt auch den Armen und Blinden das Glück.
Denn wo eine Seele dem Edlen sich weiht,
Da wohnt in den heimlichsten Gründen das Glück,
Und wo sich zum Edlen das Schöne gesellt,
Läßt Göttergefühl dich empfinden das Glück.
Epilog18. [So lasset uns suchen und finden das Glück]17. [Sei nicht zu ehrlich mit der Welt! Die Welt will ja betrogen sein]16. [Daran merk' ich, daß lebendig mir das Herz im Busen blieb]15. [Warum wünscht ein Dilettant, daß die Kinder seiner Laune]14. [Du mußt am Tische dieser Welt nur auch kein Kostverächter sein]13. [Es sind mir die Schuppen vom Auge gefallen, was kann ich dafür]12. [Wenn feig du unters Joch dich schmiegst der Weltklugheit, was frommt es dir]11. [Hast du nicht so viel genossen, altes Herz, was willst du mehr]10. [Schwinge dich auf und singe, mein Herz!]9. [Ich hab' in strengem Musendienst mich redlich müd' und heiß gelebt]8. [Ich habe versucht so manchesmal mit Lieb' und Leben es leicht zu nehmen]7. [Und so wanderten wir Beide weite Strecken Hand in Hand]6. [Willst du noch ein Liebeslied singen, meine Seele]5. [Wohl, ich weiß, ihr hohen Alten, was ich früh schon euch verdankt]4. [Daß Jedermann an sich nur denkt, find' ich nicht eben wunderbar]3. [Also, daß der Mensch vom Affen abstammt, dünkt dir zweifelhaft]2. [Die Tage schleichen trüb dahin, und auf die Sonne hoffst du noch]1. [Tief in unsres Herzens Grunde ruht ein Schutt- und Trümmerhauf]PrologGhaselenHeimkehrAbschiedNachtgesichtSonntagsruheBeata solitudoFlockIm FebruarLiedHoraz3. [Daß ich's versäumte, weckt mir ew'ge Reue]2. [Gleich einem Schiffer, der zurückgekehrt]1. [Als ich zur Winterflucht mein Bündel schnürte]Friedrich RückertVor dem Jugendbildnis meiner MutterRückblickDie FliegeJagdvergnügenServite Domino in laetitiaWintersturmSündenregisterEr und IchErmutigungDas KonzertDie SchluchtResignationMittagsruheWilhelm HertzDie PergolaEine WeihnachtsepistelIm AdventLetzte BlütenDas GlöckchenChi bella non è ...PasquaEin TantalusErsatzAndere ZeitenAnkunftGedichteGedichteHeyse, PaulEin Wintertagebuch

Epilog

Was an Weisheit ich erspart, seit ich zu Verstand gekommen,
Hab' ich gern im Reim bewahrt, nur zu eignem Nutz und Frommen.
Denn so manchen Biedermann wird so manches dran befremden
Und wohl oft in ihren Bart murmeln »Ketzerei!« die Frommen.
Doch ein kleines Kapital, das man prägt mit eignem Stempel,
Nicht nur blind zusammenscharrt, ist zur Zeit der Not willkommen.
Wohl nicht alles wiegt wie Gold, manches ist nur Scheidemünze,
Doch kein falscher Groschen ward wissentlich drin aufgenommen.
Und so reicht es immerhin, lernte man nur hauszuhalten,
Auf der irdischen Wanderfahrt leidlich damit auszukommen.