[4] [15]Damon empfängt vom Horatz die Lesbische Leyer

Auch ich mein Thirsis greiffe nach dem Lorbeer;
Ich habe muthiger als Herkules
Den alten Vorurtheilen angesieget.
Die harte Clio wird mir nun geneigter,
Sie ist der unbewegten Treu gewichen,
Und ihre, mir zwar nicht geschenckte, Gunst
Darf ich doch einmahl zu erlangen hoffen.
Du aber wirst wohl meinen Stoltz befahren;
Du schaust mitleidig von der Höh herab,
Und siehst das Zittern meiner schwachen Knochen,
Und die dem schwachen Fuß zu schwere Mühe;
Doch, siehst du nicht, wie, an dem rechten Arme
Horatz, mich leitend, geht? Wie er mein Spiel
Selbst stimmt, und mir die hohen Griffe zeiget?
Lezt war ich an der Doris Seit entschlafen;
Als Flaccus nebst der Clio zu mir kam.
Der Epheu beugte sich um seine Scheitel,
Ein Römisches Gewand floß von den Schultern.
Ich sahe sein dir ähnliches Gesichte;
Nur strich er langsam an dem Boden hin,
Und warf auf mich die aufmercksamen Augen.
Du, der mein Lied, sprach er, allein erhöhet,
Ich sehe deinen Schweiß mitleidig an;
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Du wilst mein Römisch Spiel die Deutschen lehren,
Das du nicht durch den leeren Reim verstimmest;
Du gibst dir Müh dich in die Höh zu schwingen;
So gehst du mir auf allen Schritten nach,
Drum will jetzt Clio deinen Wunsch erfüllen.
Drauf gab er mir die krumme Lesbsche Leyer;
Ich griff begierig zu. Es wich der Schlaf.
Ich fühlt in meiner Brust ein feurig Rasen,
Mit flüchtgen Schwingen steig ich in die Höhe
Und sehe unter mir den trägen Pöbel,
Und liege schwebend sicher auf der Luft,
Und übe die noch ungewohnten Flügel.
So fühlt der kühne Adler sich zum ersten,
Wenn nun sein nackter Flügel sich verkielt.
Er schlägt die Fittige, die er versuchet,
Und fliegt erst furchtsam auf die nächsten Aeste,
Von dannen hebt er sich begierig weiter,
Und steiget auf den nächsten hohen Baum,
Und sieht den Himmel und den Wald verwundernd.
Hier wird mein Blick des hellen Lichts gewohnet;
Dann eilt mein Flug mit starckem Schwung zur Sonne
Du bist mein unerschrockener Gefährt,
Und ungekränckt, daß uns kein König höret,
Daß uns kein pöbelhafter Dichter schätzet,
Sehn wir, durch den wahrsagenden Apoll,
Die uns geweihten späten Ehren-Mähler.
Die Nachwelt nennet keinen von uns beyden
Allein. Mein Lob ist deinem fest verknüpft.
Du auf der scharfen Flöt, ich auf der Leyer,
Verdunckeln die, die ich hier nennen würde,
Wenn nicht mein ewiges Gedicht der Nachwelt
Durch manches einsten unbekannten Namen,
Den jetzt der Pöbel ehret, dunckel würde.

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