[88] [92]10. Clorinda bewäinet ihr unmenschliche Grausamkeit/ so sie sowol gegen ihr eigne/ als viel andere durch ihr verführerische Lieb verkehrte Seelen verübt

Nunc reminiscor malorum, quæ feci in Jerusalem.

1. Maccab. 6. v. 11.


Nun gedencke ich des Ubels/ so Ich an Jerusalem verübt.


1.
Was Ubels an Jerusalem
Antiochus vollbracht/
Indem er es zu einer Schwemm
Der Thränen hat gemacht:
Den Tempel rein geplündert auß/
Die Stadt biß auff das letste Hauß
Verwüstet/ und verstört/
Nur nicht gar umbgekehrt.
2.
Das hab' an meiner Seelen ich
Auch allerdings verübt/
Indem ich sie stieffmütterlich
Biß in den Tod betrübt:
Ich hab' Sie/ als das Oberhaupt/
Der Herrschung meines Leibs beraubt/
[92]
Und immer nur veracht/
Zur Sclavin mir gemacht.
3.
In meiner zarten Jugend noch
Hab ich sie unterdruckt
Unbändig ihrem Tugend-Joch
Mich meisterlich entzuckt:
Den Schatz der Unschuld hab' ich ihr
Entfremmt/ eh' sie vernünfftig schier/
Ja mörderisch verletzt'
In armen Stand gesetzt.
4.
Man sagt was einer bösen Art 1
Die Manticora sey/
Ein Thier von Zähnen scharff/ und hart/
Sehr grausam auch darbey/ 2
Groß wie ein Löw/ Haarlocken-reich/
Von Angesicht den Menschen gleich/
So seinen wilden Wuht
Erkühlt mit Menschen-Blut.
5.
Die Manticor' so wild/ wie ich/
Niemahlen sich verhält/
Dann sie aus Hunger nur dem Vieh-
Und Menschen-Fleisch nachstellt:
Ich aber habe (läider ach!)
Den Seelen auch gesetzet nach/
Sie mörderisch versehrt/
Zerrissen/ und verzehrt.
[93] 6.
Was für ein grosse Missethat
Hat Cain nicht vollbracht/
Als er dort seinen Bruder hat
Zu einer Leich gemacht:
Wann Menschen-Blut gen Himmel schreyt/
Wie wird nicht seyn vermaledeyt/
Der eine Seel bezwingt?
Und umb das Leben bringt?
7.
Ein Basilisc mit schauen an
So gar zu töden pflegt/
Der Seelen doch nicht schaden kan/
Wann er den Leib erlegt/
Ich aber voller argen Tück
Durch geil-vergiffte Liebes-Blick
Den Seelen/ wie ein Pest/
Gegeben hab' den Rest.
8.
Unmenschlich Diomedes war'/
Und tausend Höllen werth/
Weil er mit Menschen-Fleisch so gar
Gespeiset seine Pferdt:
Ich aber böse Jezabel 3
Hab' manche fromm und edle Seel
Dem Höllen-Beel-phegor 4
Zur Speiß geworffen vor.
[94] 9.
Dem Jasons-Weib 5 war' auff der Welt
Zu grausam keine That/
Als die zerrissen/ wie man meldt/
Ihr' eigne Kinder hat:
Den Bruder in viel Stuck verzehrt/
Den Mann verfolget unerhört:
Sein Hauß mit Feur berennt/
Sammt neuen Weib verbrennt.
10.
Daß aber ein so grosse Rach
Medea hat verübt/
Gab Jason dessen ihr Ursach/
Weil er sie höchst betrübt/
Indem er sie von seinem Hauß/
Ehbeth/ und Lieb gestossen auß/
Ein anders Weib getraut/ 6
Die nicht mehr angeschaut.
11.
Ich aber mit den Seelen bin
Grausam gegangen umb/
Hab' Türckisch sie gerichtet hin/
Und wußte nicht warumb?
Die Lieb allein die Ursach war'/
Daß ich an der bethörten Schar/
Vorauß die mich geliebt/
Dergleichen Mord verübt.
12.
Procrustes ein verruchter Mann 7
[95]
Begierig auff die Beut/
Geschlachtet hat/ wie ein Tyrann/
Die Weeg-verirrte Leut/
Hat doch/ ob er fürsichtig schon/
Empfangen endlich seinen Lohn:
Theseûs hat ihn erhägt/
Und mit dem Schwerdt erlegt.
13.
Ich aber hab die Seelen-Mord
Begangen so verdiebt/
Daß man mich dannoch immerfort
An Hassens-statt geliebt:
Wie Moloch dort das Götzen-Bild/ 8
So mit den Kindern haußte wild/
Die man ihm schlachten müßt/
Doch göttlich wurd gegrüßt.
14.
Busiris, der den Göttern auch 9
Geschlachtet seine Gäst'/
Ist nicht/ wie ich/ so wild/ und rauch
Gewesen/ glaub' ich vest/
Dann er vermeinte/ dieses wär'
Gefällig dem Gott Jupiter,
Ich auch der Seelen nach
Thät es zu Gottes Schmach.
15.
Ein so Blut-durstigs Löwen-Hertz
Gehabt hat Phalaris, 10
[96]
Daß einen Ochsen er von Aertz
Zur Marter giessen ließ/
In welchen er gesperret eyn
(Der Meister 11 müßt der erste seyn)
Die Menschen/ und im Feur
Verbrennet ungeheur.
16.
Ich hab' gar die Plutonische 12
Schwitz-Oefen eingeheitzt/
Indem ich das Adonische 13
Volck zu der Lieb gereitzt:
Wer sich aus ihnen nicht bekehrt/
Unfehlbar wird darein gesperrt/
Und immer immer fort/
Gemartert werden dort.
17.
Was könnte doch so grausam seyn/
Als der Medusa Haupt/ 14
So stracks verkehrt in einen Stein
Den/ der es angeschaut:
Ich auch von keiner bessern Art
Die Leut mit meiner Gegenwart
Zur Christlichen Andacht
Hab' Diemant-hart gemacht.
18.
Wie groß/ ô höchst-erzörnter Gott/
Ist meine Boßheit nicht/
[97]
Indem ich fast ein gantze Rott
Der Seelen hingericht!
O wär' ich Æsculapius, 15
So wolt' ich (durch das Kraut der Buß)
Erwecken aus dem Grab/
Die ich entseelet hab'!
19.
Orpheûs mit seiner Lauten hat 16
Sein Weib der Höll entführt/
Als er auff wohlbeglücktem Raht
Die Seyten süß gerührt:
O wär ich jetzt an Orpheûs Stell/
So wolt' ich aus der Sünden-Höll
Erlösen wiederumb/
Die ich gemacht unfrumb.
20.
Doch seynd noch übrig alle beyd'/
Des Æsculapen Kraut/
Und/ für das lange Höllen-Leyd/
Des Orpheûs süsse Laut:
Das Kraut der Buß das Leben bringt:
Des Creutzes-Spiel die Höll bezwingt:
Gebraucht euch dieser Kunst/
So brennt die Höll umsunst.

Fußnoten

1 Elian. lib. 7. c. 21.

2 Plin. lib. 8. c. 21.

3 Ein gottlose Königin.

4 Ein unersättliches Götzenbild/ die Geilheit bedeutend. Num. 25.

5 Der Medea.

6 Genommen.

7 Ein grausamer Mörder.

8 4. Reg. 23. v. 10. Ein Götzenbild/ welchem man die Kinder geschlachtet.

9 Ein grausamer Wüterich in Aegypten.

10 Ein grausamer König in Sicilien.

11 Perillus.

12 Höllische.

13 Bulerische.

14 Medusa Haupt hatte die Krafft/ alle Menschen/ die es angeschaut/ in Stein zu verwandlen. Poët.

15 Æsculapius ein berühmter Artzt/ der einen Todten zum Leben erweckt. Poët.

16 Orpheûs ein fürtrefflicher Lautenschlager hat durch sein Spiel sein Weib Euridice aus der Höll erlöset. Poët.

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