Eine Mitternachtszene
(Sommerabend im Park des Fürsten. Um eine Marmorbank zu Füßen der Medicëischen Venus versammelt sich eine kleine Gesellschaft, den Dichter in ihrer Mitte bittend, sie mit neuen Versen zu erfreuen. Er beginnt unter einigen galanten Entschuldigungen, während die Schönen und ihre Kavaliere sich auf und um die Bank erwartend gruppieren. Verstecktes Lachen, Flüstern und Fächerschlagen begleitet den leichten Vortrag, nach dessen Beendigung man sich lebhaft plaudernd und scherzend wieder in den hohen dämmrigen Laubgängen des Parks zerstreut, nicht ohne den Poeten mit zweien seiner liebenswürdigsten Verehrerinnen einer anmutigen Einsamkeit zu überlassen.)
1 Aus einem Liederspiel, komponiert von Robert Kahn
Einem Bildhauer der Zukunft
Fernher schwillt
eines Dudelsacks
einförmig-ewigwechselnde
Melodie:
Unaufhörlich
hebt sich und senkt sich
über dem Urton
ihr unerfaßliches Spiel.
. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Auf dem ehernen Tische
Unendlichkeit
liegt unermeßlicher Sand gebreitet.
Da streicht ein Bogen
die Tafel an:
Einen Ton
schwingt und klingt
die fiebernde Fläche.
Und siehe!
Der Sand
erhebt sich und wirbelt
zu tausend Figuren.
Aus ihnen,
den tanzenden,
tönenden,
glühenden
[98] schlingen sich Tänze,
binden sich Chöre,
winden sich Kränze,
umringen sich,
fliehen sich,
finden sich wieder.
Aber das Spiel
der Formen, Farben und Töne
durchbrummt
unaufhörlich,
beherrscht
fürchterlich-unerfaßlich
der tiefe Urton.
. . . . . . . . . . . . .
Fern verschwillt
des Dudelsacks
einförmig-ewigwechselnde
Melodie.
Dorf, Wald, Welt
versinkt mir
schweigend
in Nacht.
Nulla dies sine linea
15. August 1896
(d.)
(d.)
18. August 1896
19. August 1896
20. August 1896
(d.)
(d.)
(d.)
21. August 1896
(d.)
(d.)
22. August 1896
[144] [146]Mein lieber teurer Georg,
Die Dreckseelen, die über Dich einzigen Kerl sich ausgegeifert haben, haben mich ganz krank gemacht. Ich kann mich immer noch nicht fassen und stehe wieder einmal vor einem Ekel vor der »Welt, dieser Großstadtwelt, der mir den Atem benimmt. Aber nimm Dir's nicht zu Herzen, lieber Kerl, denk' an Böcklin, Klinger, Hauptmann und jeden ändern Charakterkopf, den die Menschen bei seinem Auftreten besudelt haben . . . Lieber Junge, Du lachst vielleicht schon über den ganzen Chorus – aber verzeih ich mußte mich hier erleichtern, ich war' Ja fast umgekommen heut Nachmittag.
Leb wohl Bruderherz, grüß die Deinen!
Dein Christian.
14.V.95.