SoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

Friedrich Müller (Maler Müller)
Gedichte

[5] Soldatenabschied

Heute scheid' ich, heute wandr' ich,
Keine Seele weint um mich.
Sind's nicht diese, sind's doch andre,
Die da trauern, wenn ich wandre:
Holder Schatz, ich denk' an dich.
Auf dem Bachstrom hängen Weiden,
In den Tälern liegt der Schnee –
Trautes Kind, daß ich muß scheiden,
Muß nun unsre Heimat meiden,
Tief im Herzen tut mir's weh.
Hunderttausend Kugeln pfeifen
Über meinem Haupte hin –
Wo ich fall', scharrt man mich nieder,
Ohne Klang und ohne Lieder,
Niemand fraget, wer ich bin.
Du allein wirst um mich weinen,
Siehst du meinen Totenschein.
Trautes Kind, sollt' er erscheinen,
Tu' im Stillen um mich weinen,
Und gedenk' auch immer mein.
Heb' zum Himmel unsern Kleinen,
Schluchz': »Nun tot der Vater dein!«
Lehr' in beten! Gib ihm Segen!
Reich' ihm seines Vaters Degen!
Mag die Welt sein Vater sein.
[5]
Hörst? Die Trommel ruft zum Scheiden:
Drück' ich dir die weiße Hand!
Still' die Tränen! Laß mich scheiden!
Muß nun für die Ehre streiten,
Streiten für das Vaterland.
Sollt' ich unter freiem Himmel
Schlafen in der Feldschlacht ein –
Soll aus meinem Grabe blühen,
Soll auf meinem Grabe glühen
Blümchen süß:
Vergiß nicht mein.
Das Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

Das Heidelberger Schloß

Hymne.


Wo die Tage, da du in deiner Herrlichkeit standest – als von Reisigen deine Tore, deine Vorhöfe erfüllt von wiehernden Rossen, von edler Ritter Gejauchz Gewölb und Bogen erklangen; süßer Frauen Blicke die Herzen entzündeten, weiser Männer Wort rein erklang wie geläutertes Gold? – Wo sind sie? –

Vorbei! – Ach! alles vorbei! – – Gras bedeckt deine Höfe, Efeu rankt um deine Mauern, Eulenruf hallet zur Dämmerstunde durch die Bogen und Gewölbe, der Mauerfalk zieht seine Kreise spähend um deine Türme, und eine Blindschleiche raschelt im dürren Laub am Boden, während der Molch in der feuchten Tiefe langsam von Stein zu Stein kriecht.

Ruin um mich her, Ruinen überrall! Trauer und ödes, totes Schweigen! O was warst du, an dem Jahrhunderte gebaut? Was warst du, als deine Fürsten durch dich hinschritten und hinausschauten vom Erker auf das Land des Segens, auf die ragenden Fluren, durch die Rhein und Neckar das silberne Kreuzband schlingen, [6] begrenzt von dem blauen Kranze der Höhen dort drüben?

Du warst die Perle, der Diamant am stattlichen Kurhut des Pfälzers; du warst die Wiege der Weisheit, die Heimat der Kraft und des Mutes, die Wiege des Volksglücks, die Stätte des Sanges, wo die Harfe klang und das Lied von des Minnesängers Lippen floß, weich und innig, weckend und beseeligend der Hörer Herzen! Trauert auch ihr, gefallene Fürsten? Hat auch in steinerner Brust der Schmerz eine Wohnstätte? Moos an eurer Schulter, Dorn wuchs um den Fürstenhut; weggeschlagen vom Wetterstrahle das Schwert und die glänzende Weltkugel; drüber ein Kreuz, das auf den Glauben wies, der warm im Herzen wohnte.

Ha! ihr trauert, – trauert mit in dem ganzen Verfall. – Um die zerstörte Feste, um das stolze Werk eurer Hände rollen unsichtbar Tränen, klagen, wenn auch ungehört, die Seufzer.

Und ich soll nicht klagen? Schlüg' ein Pfälzerherz in meiner Brust, wenn ich nicht klagte? Wär' ich wert, daß ich pfälzer Luft geatmet, daß Brot, gewachsen in Pfälzer Erde, mich gesättigt, Wein mich erquickt, den die Sonne an pfälzer Reben geläutert zu Geist? Wär' ichs wert, wenn ich nicht mitklagte, daß fränkische Frevlerhand die Brandfackel geschleudert in diese Räume und gesprengt mit des Pulvers unbändiger Gewalt diese Riesenmauern? Gesprengter' Turm, du gibst Zeugnis!

Fluch euch, die ihr Honig auf den Lippen und Galle im Herzen! Fluch euch, die ihr zum Trümmerhaufen machtet mein schönes Heimatland! die ihr Städte niedergebrannt, Fluren zertreten, Blutbäche fließen gemacht!

Wo ist die Ruine dort am Rheine, hier am Neckar, dort an der Nah, wo meine Wiege stand, dort, wo die Mosel schäumt, wo das Gebirge sich auftürmt zum waldreichen Hunsrück, die es nicht hinausriefe in die Welt!

Fluch dir Melac, dir Louis, dir gekröntem Wüstling, der du im weichen Arm der Buhlerin schwelgtest, als deine entmenschten Horden meine Heimat verwüsteten! Fluch dir und deinem Namen, du vierzehnter Louis von Frankreich, der du dich nanntest: Der Allerchristlichste!

Könnt' ich hier stehen, unter diesen Trümmern, groß im Vergehen, ohne zu weinen, wenn ich an euch denke, ihr Helden, die ihr wandeltet, die ihr niederblickt auf die Stätte eurer Kinderspiele, eurer Heldentaten, eurer Liebe, eures Leids, und sehet nur gefallene Majestät?

Ha! ihr wart einst groß, nicht unbedeutend im Verborgenen; eure Macht gebot weit in die Lande. Bis zum Kaiserthron reicht eure Reihe. Macht war der Atem, der hier geweht; Macht die Faust, die hier gewaltet; Macht das Wort, das hier befahl; Macht der Wink, dem sich alles gebeugt, diese Welt umher, die jeder sich schuf nach seinem Willen.

[7] Und nun! das glorreiche Haupt mit Moder umwachsen! Zerstört zu euren Füßen, in Trümmer all' eure Arbeit, zerrissen in Fetzen euer schönes Land! Zertreten ist alles, was ihr geschaffen.

Nur drunten in der Stadt blüht euer Werk. Über Ideen hat das Schwert keine Gewalt, das Pulver keine Macht. Für den Geist gibt es keine Ketten, seit er sich kleidet in das Gewand, das ihm Gutenberg gegeben. Die Quelle, die ihr mit Mosis Stab aus dem Granit dieser Berge geschlagen, fließet klar und hell, ein Labsal der Geister, die es hinaustragen in alle Welt. Zu den Füßen der Trümmer eurer Herrlichkeit stehet das Denkmal dauernder als Erz.

Wieder meine Blicke wend' ich zu diesen schwarzen Mauern. O daß eure Zinnen noch stünden! daß die Helden noch schritten in diesen Gängen! Aber ihr seid Moder geworden und Trümmer die Stätte eures Glanzes.

O was ist Größe? was ist Macht? Was sind Menschen?

Am Wasserfall sitzt das Kind, wälzt Steine hinab, schwellt und baut der Flut einen andern Weg – ferne stehts nun, horcht dem neuen Geräusch – steht lächelnd nah, freut sich seiner Schöpfung – und ihr! Ach ihr! Was ist das größte Menschenwerk? Gleicht's nicht dem neuen Rinnsal, das des Kindes Hand gebaut? Das Wasser rauscht stärker und alles ist dahin. Der Strom deckt es. So gehet die Zeit in ihrem Strome über jedwedes Menschenwerk, begräbt es in Trümmern und der Efeu rankt sich drum, der nur blühet, wenns Winter ist, und Früchte trägt, wenn ringsum waltet der Tod und kein Auferstehen ist, kein Frühlingswiederkehren des Lebens.

Und ich sank nieder, wo die Schwesterlinden stehen, in der Stämme Mitte die Steinbank. Meine Tränen rannen. Sie galten dem Untergange alles Großen, Schönen, Herrlichen, überall und auch hier!

Wer sind sie, die köstlich geschmückt einhergehen, stählern die Rüstung, glänzend das Schwert in der stahlumpanzerten Faust, sie blicken traurig aus den Visiren, wandeln stille die Stiegen hinab.

Vor allen schwebst du heran, Otto, du Erbauer dieser Hallen – seine Stirne furchet die Trauer, am Mooswuchs haftet sein Blick, schwere Seufzer drängen sich aus der Brust von Eisen umstarrt.

Ach dahin ist alles! ach zerstört, verfallen meine Burg, mein Sitz naß, dunkel, moderig – – wie öde mein Saal! – Fluch! – Fluch denen, die es verübt! hin, hin! mein Saal, den ich den Rittern erbauet, zerschlagen die herrlichen Türen, aufgerissen die Platten – zerstört, zerstört! das Werk meines nächtlichen Wachens. – Am Erker, wo nachspähten die Fräuleins den geliebten Rittern – nistet die traurige Eule. – Verstümmelt alles, o! Die Sonne wirft fremden Schatten herab, und ich kenne mich nicht mehr in meinen Gemächern!

[8] Und nun bäumt er sich auf, ans Schwert gelehnet, schwellend sein Busen, die Locken flatternd in die Sterne der Nacht, schwere Seufzer fallen tief ihm von den Lippen und ein langgetragenes Ach! tönt schauerlich durchs Gemäuer.

Und mehr, mehr sinkt nieder die Herrlichkeit. Fühllosigkeit und Stumpfsinn lassen niedersinken, was verrät'rische Grausamkeit übrig lies. – Ach!

»Kommt einst der Wandrer, meinen Saal zu sehen, die Herrlichkeit und Pracht, die er im Lande gehört: Wo ist Ottos fürstliches Werk, von dem die Kunde spricht, Ritter erzählet und Dichter sangen weit und breit? ... Ha! es ist dahin! Hinschauen über grünen Schutt und Stein wird er, sich umdrehen und mein und meines Saales vergessen.«

Und kühl wie ein Sommerregen träufelt mir's über die Wangen ... Verbergen wollt' ich mich, aber mir war's, als trügen mich Stürme des Himmels empor, meine Seele schauernd, zitternd meine Nerven, bebend die Lippe, entströmend süßem Gesang.

Harre, harre, trauernder Geist! Noch blüht dein Anseh'n, umsonst Ruin und Zeit.

Wird dein Name doch herrlich genannt vom fühlenden Edlen, vom Denker, wenn er mit Bewunderung auf deine Stufen tritt, deiner Werke Dauer ermißt, beschaut die Kühnheit des Gedankens.

Sorge, sorge du nicht! Noch steht viel – Wer wagt's, zu zerstören, dein Andenken zu verlöschen, zu brandmarken seinen eigenen Namen – wer? Daß man nicht mehr sehe das Denkmal der Vorwelt, den Geist vergangner Jahrhundert', und man nicht rufen könne: Siehe, dies waren sie! – Wer wagt's? – So sang ich vor Jahren, als ich stand in den bemoosten Trümmern deiner Herrlichkeit, du Pfalzgrafenschloß. So klagt' ich über der Grausamen Wut, dich zu vertilgen; über der Lebenden Fühllosigkeit, die die Nesseln wuchern ließen an der Stätte der Herrlichkeit, und wanderte dann über die Alpen hinunter in deinen Schooß, Roma, du Ewige! Und ich sah dich nicht wieder, du meiner Fürsten Stammsitz, ihres Stammes Wiege; sah dich nicht wieder, mein Heimatland, betete nicht mehr am Grabe der Mutter.

Aber über die Alpen drang zu mir die Kunde, wie um deine Trümmer aufblühe der Garten. So pflanzen liebende Kinder Blumen auf der Eltern Grab.

Dank euch aus weiter Ferne! O daß ich noch einmal schauen könnte aus dem Raume deiner Mauern in das Paradies der Pfalz, in das Paradies der Heimat! Mir bleibt nur in der Fremde ein Grab! ...

SerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[9] Serenade

Laß, o stille Nacht,
Auf den, der harrend wacht,
Zwei Sternlein blicken,
Sein Herz zu beglücken,
Das in Sehnsucht bricht!
O du Süße, Reine,
Die in Lieb ich meine,
Höre, was bittend die Lippe spricht:
Zaud're nicht! Zaud're nicht!
So oft in Schlummer
Mein Herze schlägt,
Nach der die Sehnsucht
Es mir bewegt;
So oft am Tage
Geheime Klage
Der Seufzer trägt:
Dir, dir alleine,
Du Süße, Reine,
Der Seufzer gilt.
O höre, was bittend die Lippe spricht:
Zeige dein liebliches Angesicht!
Leise hauchen Abendwinde
Durch der Blüten Gold.
Ach, versteh's! Sie sprechen linde:
Sei mir hold!
Vom Himmelsblau
Perlet Tau;
Sollen Tränen ihn mehren?
O Süße, Reine,
Du nur die Eine,
Für die ich lebe,
Für die ich strebe,
Willst du mir wehren
Der Äuglein Schein?
Soll Nacht in mir, wie um mich sein?
O höre, was bittend die Lippe spricht:
Neige mir milde dein Angesicht!
Ach, du schweigest! Schlummerst du? –
O walle hernieder
Mit leisem Gefieder
Schlummer der Ruh;
Siegle das liebe
Augenlid zu!
[10]
Zaubre, ich flehe,
Daß vor ihr stehe
Im Traum mein Bild!
O Süße, Reine,
O schlummre mild!
Die ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

Die Zeugen

Du grün bewachs'nes Tal
Voll klarer, frischer Quellen,
Du Bach, der du so sanft
Hinrieselst deine Wellen,
Du wilder Wasserfall,
Umflort von Silberweiden,
O du geliebter Hain,
Bei euch nur wohnen Freuden,
Wohnt Friede nur allein!
Euch einen Tag zu meiden,
Wär' meinem Herzen Pein!
Denn wenn ich von ihr träume,
So träum' ich auch von euch!
Wenn ihrer ich gedenke,
Gedenk' ich eurer gleich.
Denn hier in diesem Tal
Traf mich zum erstenmal
Aus ihrem Aug' ein Strahl,
Der tief ins Herz mir drang,
Der sie zu lieben mich
Für Ewigkeiten zwang.
Hier lächelte sie mir,
Hier hielt ich ihre Hand,
Hier ihrer Lippe sich
Das süße Ja entwand.
Ihr sahet all mein Glück,
War't Zeugen meiner Lust;
Zu euch, zu euch zurück
Zieht es mich unbewußt.
Hier lausch' ich, ob ihr Tritt
Nicht in den Büschen rausche –
Und – ach, ich weiß es doch,
Daß ich vergebens lausche!
Deckt nicht das kühle Grab,
Was ich so heiß geliebt?
Nacht, senke dich herab,
Die keinen Morgen gibt.
Der FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[11] Der Faun

Idylle.


Vom Hügel herunter kam der Faun Molon. Auf seiner Schulter trug er sein verblichenes Weib. Nun legt er sie weinend auf den Holzstoß nieder, streckt schluchzend seine Hand auf ihr Gesicht – seufzt: – nun tot! – Tot du liebes Weib! – Soll ich denn leben?

Es trauern um dich Hecken und Stauden; alle meine Weinbecher trauern mit mir. – Ach heiliger Bacchus! Bin des Kummers so voll, daß ich auch Gebet und Weintrinken vergesse.

So kommst du denn nimmer zurück. – Will von nun an keines Lebens mehr genießen. – Nein, will mich lieber wälzen durch Dornen, wälzen durch heiße Nesseln, als von nun an noch einmal mich erfreuen. An Festtagen, wenn andere lachen, will ich daheim sitzen in meiner Höhle, Wein trinken, so mir Bacchus ferner verleiht; deiner gedenken, lange gedenken, bis der Abend kommt; herausgehen will ich dann, hinsitzen, wo deine Urne steht; will betrachten den Lauf des Monds über Berg und Tal – deinen Namen rufen – weinen, ja weinen, beide Fäuste voll Tränen.

Das kränkt mich nur im Herzen: was soll ich mit meinen Kleinen anfangen? Wie die Würmchen ernähren, wenn sie ihre Mäuler aufsperren, lallen und vor Durst am Däumchen nullen? Oh! – du lieber Gott! – Oh! – wenn dann der Erwachsene kommt: Vater, sag's der Mutter doch, daß sie komme, Brüderchen stille. Etwa mein Kleinerer spricht: Was macht sie draußen so lange, die liebe Mutter? Wo ist sie? Wird sie bald heimkehren vom Feld? Was soll ich dann sagen? – Was? Gern gäb ich mich dem Wolf preis, Antwort zu ersparen. – Gerne, ja gerne – daß sich Pan meiner erbarme!

So weint der Faun, wischt mit beiden Händen die Tränen, löst nun von seiner Seite die Weinflasche und trinkt. – Ach, ich halt' es nicht länger aus, seufzt er – trinkt wieder.

Vom Hügel kommen nun seine Kinder. Die erwachsenen schleppen die kleinsten, und die mittleren kriechen auf allen Vieren nach, hocken sich um den trauernden Vater, heulen mit; aber er ruft: Schweigt! Ich bin noch nicht fertig; darnach, darnach mögt ihr Abschied nehmen. – Nun trinkt er noch einmal, blickt lächelnd auf sein totes Weib und fängt freundlich also weiter zu klagen an:

Weiß Gott, warst ein munteres Weib; redlich, treu und an Freundlichkeit gibt's doch wenig deinesgleichen. Will nicht aller Tugenden gedenken, das fräß' mir's Herz ab; aber auch kann ich's nicht verschweigen, wie gut du warst. Stahlst für mich oft Wein, wenn ich nichts hatte, in Nöten trocken in meiner Höhle saß; ja da genossest du nichts, wovon ich nicht auch einen Teil bekam, hättest's auch müssen heimbringen im Mund.

[12] Kam einmal Maienfest. – Unser Vieh war an der Seuche gefallen; alle unsere Schläuche leer. Wir sind nicht die reichen Faune, die Bacchus weidet, also daß sie liegen mit fetten Rücken auf seinem Füllhorn und wollüstig hinabbaumeln ihre Füße ins Weinfaß. – Hatten nichts zu nagen und zu beißen, und sollten doch lustig sein, drei Tage lang – Was war zu tun? – Da gingst du hin – ach! in meinem Leben – werd' ich's nicht vergessen, gingst hin, du liebliches Weib du, hingst einen großen Rückenkorb auf meinen Buckel, bandst Schellen an meine Hörner, um meine Brust ein Ziegenfell; Gras und Kräuter zogst du über mein Gesicht, daß sie herabfielen auf meinen Bart von vielfarbigem Moos; – du aber triebst gar artig, auch im Gesicht bemalt, triebst mich mit einer langen Gerte vor dir her – riefst laut: ich komm' aus Bambelbumbe, Bambelbumbe! Wer will gute Wahrsagung? – Ihr Mädchen kommt, teilet mit, was euer gutes Herz vermag, und ich will in artigen Reimen was schönes prophezeien, jeglicher, nachdem sie reichlich gibt. – Vor jeder Höhle mußten wir nun halten. Noch freu' ich mich darüber, wenn ich nur daran gedenke. Was flog da Butter, Käse, Mehl, Honig und Kürbis in meine Keze; also reichlich, daß ich fast darunter zu Boden sank. Jedem Mädchen sangst du dann was vom goldigen Buben und fremden Schäfer, mit Lämmerherden, weiß, grau, wie Holderblüt, und vom Mainachts-Amor – – des lachten die Dirnen gar herzlich; sprachen: ei! wär's wahr! Gaben noch Milch und Most drüber, also – daß wir reich beladen zurückkamen, mit allem, was liebs und guts ist, und wir schmausen konnten nach Herzens Willen.

Geh' nur hin; es kann dir meinethalben nirgens übel gehen; geh' nur hin, da du Guts an mir getan. Hast mir Treu erwiesen in allen Stücken; Buben zur Welt gebracht, groß und stark, voll heißer Eßlust, also, daß ich nicht weiß, woher nehmen, ihren Gaumen zu füllen. – Dein werd' ich gewahr werden, du Fette, im Schmalztopf und im Keller: denn du warest nahrhafter als eine Herde; einträglicher als ein Hügel, worauf Schnitter und Winzer ruhn. – Geh' nur hin; magst kecklich dich stellen vor den blinden Richter; nicht zittern, wenn er dich Knieende erwischt am Wirbel, wenn der auseinanderteilet mit schwerem Scepter dein Haar – daß etwa ein süßer Schauer durch dein Gebein saust und deine bebende Seele zerreißt. Umschlinge dann mit deinem freundlichen Arm sein Knie; bring' ihm meinen Gruß; erzähle, wieviel Knaben du mir geboren, daß er dir aufhelfe und dich geleite in Elystums schönes Tal.

Wenn's sein könnt', nur noch ein einziges Wörtchen aus deinem Munde. – Ach! wenn du unter Elysiums goldenem Tor eingehst, wirst du auch meiner gedenken? Gedenken bei so vielem Wohlleben? – Ich meine, säh's, wie du freundlich einherhüpfst – unter Blumen, Ach! – den Becher in der Hand – hüpfst hervor nun, lachst mir – dir scheint das Sonnenrot unter die [13] Nase – Halt ein, halt ein, daß ich meine zwei krausköpfigen Buben erwische und hinter dir herspringe!

So fahr' denn wohl, weil's nicht anders sein kann! Liebes, liebes Weib du! Gedenke meiner, ehe du aus der stillen Quelle trinkst – hum – Grab' meinen Namen in einen Felsen, hum – daß, wenn ich einst entgegenkomme, dir die Hand reiche, hum – du nicht zurückgehst, hum – mich allein stehen ließest, hum – das würde im Himmel noch mein Herz zerreißen!

So klagte der Faun, bestreute nun die Leiche mit Blumen, legte dann Wachholder, Thymian und Quendel auf sie – dann betrachtet er seine Kinder, die ihm am Gürtel hängen und um seine Füße herumkriechen. Seid ihr alle hier? – Ja wohl mögt ihr schreien, liebe Herzchen – Heult nur, heult. – Will nun hingehen, einen Brand holen und den Holzstoß anzünden, denn der Abendtau sinkt schon. Nehmt alle Abschied von eurer Mutter – ins Dunkle geht sie; blickt nimmer zurück ins Licht.

Also der Faun. Erbärmlich heulten nun die Knaben; aber der älteste sprach: Laßt mich zuerst heulen, und ihr darnach. – Ach! daß du fortgehst, liebe Mutter, da die schöne Jahreszeit kommt. – Ach! Vögel Nester bau'n, Junge zu hecken; die Weiden im Saft stehen, zu schönen Pfeifen. – Ach! mir möcht' das Herz im Leibe brechen, daß ich nicht scheiden soll; es klucksen die Tauben unter Felsen hervor; im jungen Korn die Wachteln. – Könnt' ich Schlingen flechten, wie du, wollt' sie bald kriegen. – Ja, ja! Ach! ich möchte vor Herzeleid sterben mit dir – daß du hinuntergehst im Frühjahr – sitzen willst im Dunkeln, wohin die liebe Sonne nicht scheint.

Ei, halt' sie, rief der kleinere; halt' sie, Bruder, an der Hand. – Heb' mich, bin zu klein – reich' hinauf – wenn sie nur nicht vergißt wiederzukommen morgens und abends – sag's ihr, mir die Geiß am Horn hält, daß ich unten hinkrieche und am vollen Dullen trinke – He!

Ja, ja! schrie der noch kleinere und purzelte über noch zwei ganz unmündige, die im Grase lagen – hätt' ich nur Nuß und den Apfel! – Geh' sag', soll aufstehen und mir Nuß und den Apfel geben. – Geh'! Geh'!

So heulen die Knaben. Schon lodert der Holzstoß hell. – Zurück führt nun der Faun seine Kinder. – Ferne stehen sie, betrachten die fressende Glut und heulen weiter – Langsam geht nun die Mitternacht vorüber und seitwärts über der Flamme voll der Mond auf.

Der BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[14] Der Brite

Schaffe dir zuvor, stolzer Brite, eine eigene Sprache,
Ehe verächtlich du blickst auf den Deutschen herab.
Brüste dich in deinem Stolz, doch jegliches Wort, das vom Munde
Strömt dir, beweiset es klar, was du stets schuldig uns bleibst.
Über den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

Über den Briten

Auch ich schätze den Briten, ist er zum Umgang gebildet,
Fühlt er das Schöne, und ist offen und edel sein Sinn;
Nur den Bootsknecht vermeid' ich, will er sich brüsten als Lord, und
Dann den verrückten Lord, wie die Seuche der Pest.
Der MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

Der Maler

Er zeichnet richtig mit Fleiß und Müh',
Er färbet lieblich, klar und rein,
Er pinselt fertig, leicht: doch nie
War er, noch wird er Maler sein.
»Ein Rätsel! Ha, wo fehlts denn? Wie?«
Am Einzigen: an Fantasie.
GebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

Gebet

Daß ich nicht üppig
Erheb' mich, noch zittre,
Zeige mir himmlische
Weisheit den Pfad!
Daß nicht im Abrund
Mein Wagen zersplittre,
Allmacht, o hemme
Im Fliehen mein Rad.
Eine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[15] [21]Eine kleine Quelle

Ihr Quellen,
Ihr Augen der Natur,
Ist es Freud
Oder Leid
Oder ist's Schwatzhaftigkeit,
Was du murmelst, dunkle Quelle?
Ei, wie bist du doch so klein
Ei, wie bist du doch so rein,
Kühles, liebes Brünnelein!
Um dich tanzt den Ringeltanz
Nicht der braune Faun
Mit der weißen Nymphe;
An dir tränkt
Nicht der Hirt den Stier
Und die wollig weiße Heerde.
Klein ist dein grüner Rand
Und ganz in dem Busch versteckt.
Nicht der Mond und nicht die Sonne
Baden in dir ihren Glanz;
Denn du sprudelst immer dunkel
Durch deine Gräschen hin.
Nur der Schmetterling und die Mücke
Schwärmt um dich und spiegelt sich in dir –
Legen will ich meine kleinen Lieder,
Muse, und mein Saitenspiel hierher.
Der Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

Der Räfer und der Schmetterling

Schmetterling, fliegest so stolz mir redlichem Käfer vorüber.
Gelt, du scheuest den Freund, der dich als Raupe gekannt?
Barden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[21] Barden-Ode

Herunter, ihr Wolkenflieger! Schon taumelt die Nacht
Mit den hellleuchtenden Gestirnen, ihren Kindern.
Was eilt ihr auf purpurnem Tau?
Herunter, herunter, die Lanz' ist geschliffen!
Blutschwelger, hört ihr nicht
Der Schlachthörner Schall – Tal hinab?
Herunter, herunter, das Schwert ist gezogen!
Ihr hört das Würglied – Wonneton
Eurem Ohr – das euch festliche Tische bereit'
Und den roten Purpurkelch füllt.
Wir sind die am Hügel – schwarz
Wie des Donners Fittig,
Rot geflammten Blicks –
Zu mir, zu mir braust der Flügel Getön!
Ihr mit Eisen gepanzerte,
Verkündigt ihr Wodans Rache?
Wie griff er die Lose – wie tönte
Der Urne Klang ... Schwebet, entschwindet!
Die Morgensonne glüht am Hügel herauf
Und rötet eure Flügel.
Ha, Wonne, ha Wonne! Ergreift das Schwert,
Cherusker!
Ergreif das Schwert,
Abkömmling von Mana:
Seht die Sklaven des Varus,
Wie sie vom Adlerklang geschreckt
Die dunklen Tälern durchziehen!
Auf, auf – unser ist Sieg!
Ha, Wonne – tönt Hörner!
Tal hinab – Kriegsgesang!
Hinab – hinab! –
Sie stehn, sie stehn im Blute!
Singet, ihr Mädchen!
Sie stehn im Blute, eure Jünglinge,
Holde Bräute! –
Pflücket die Blumen und schmücket
Den Fuß zum Tanz!
Sie fliehen, sie fliehen! Schon sinkt ein Turm!
Jünglinge nach! Nach, Cherusker,
Bructerer – nach Ihr, Sonne der Edlen!
Sie fliehen, sie fliehen und schreien.
Wodan, Wodan brauset hinter ihnen her.
Sie fühlen der Racherosse malmenden Fußtritt,
Vor ihnen rast seine Heroldin, flammender Donner
Und Angst und Zagen!
Adams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte
Lob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[22] Adams erstes Erwachen und erste selige Nächte

Lob Gottes

Wo seid ihr, harmonische Stunden der Jugend, die ihr an morgenlichen Bildern so oft dies klopfende Herz gewiegt? Von Gottes Wundern stark ergriffen, stieg meine Seele dann vollen Flugs zum Himmel; verloren im Gelispel des Bachs, hing mein Ohr dann nicht mehr, nicht mehr mein nasser Blick am süßern Blau der Ferne; mir selbst schuf himmlische Phantasie edlere Gestalten ins Herz. Schlafende Bilder erwachten in meiner Seele: ich sah Fußtritte Heiliger, hörte dann singen die Stimmen fremder himmlischer Lieder jenseits dieser Welt. Dann ward mir mehr geweissagt in meinem Herzen, als diese zu stumpfen Sinne zu fassen vermögen, daß meine Augen oft im Tau rannen voll süßen Gefühls, daß dreimal mein Inneres wiederklang, ehe die kindische Lippe noch das Wort traf.

Was will sie, die brünstige, liebekranke Seele, so duldend und umschließend Gottes Geheimnis, so keusch, verschwiegen und brünstig wie Liebe, die noch im Grabe schwärmt?

Reiß los das Siegel meiner Zunge; ström' hin, Lied, dem Herrn! Meine Brust duldet des Dankes Fülle nicht mehr.

Mein Gott, wie unsprechlich, wie wundervoll, wie liebreich du [23] mir bist, wie reich an Maß zum Wohltun! Siehe' mein Auge weint zu dir! Wie voll väterlicher Sorgsamkeit, vom Moos, das am dürren Felsen klebt, bis zu Ceder, die die Wolken zerreißt, vom Schrecken bis an die Freude, bis in die stillen grauenvollen Geheimnisse der Nacht, bist du, mein Gott, ist dein Pfad Güte, Licht und Wunder!

Der Strom gischt, springt über mir hin in die Tiefe, zerreißt die Klippe des Tals; fürchterlich hast du seinem Pfad in Wildniß geboten. Durchbrecher eigener Bahn, reißt er sich die hallende Tiefe hinunter, und Felsen stürzen ihm nach. Höhnend faßt er Bäume an ihrer Wurzel und wirft aufeinander Gestade. Über seinen Sturz hervorstoßen junge Tannen, in sein Gebraus nieder rauscht die geschlagene Fichte; an seinen Füßen Reiher klatschen, um sein Haupt Raubvögel planen mit ihren Jungen. Sieh', im Stolze der Leidenschaft ruft er dem Frost: »Komm über mich!« und schäumt zur Erde: »Mache mir Platz!« Dann übernachten Stürme auf seinen schwellenden Schultern. In tiefer Gewitternacht horcht der Bär, ihm graust vor seinem gewaltigen Gange. Aber du rufst, der Riese höret dich und fällt zu Boden vor deiner Stimme. Entwaffnet hingestreckt im Tale ruht er, daß die Hirsche des Waldes herbeispringen, zu trinken aus seinem Helm, daß in seinem hellen Schwert und Schilde sich spiegeln Schäfereien und Fluren und Brunnen und brüllende Heerden mit ihren Hirten.

Wer hat den Drachen gebaut? Zu schrecklich der Erde, ward sein Kerker das Weltmeer. Du trugst ihn in die Fluten; dort bewegt er, Walfisch, junger Inseln Fuß. Wie ein Gebirg im Nebel ruht er; die Kerzen des Morgens brennen auf seinem Schilde, lebendige Brunnen springen aus seiner Nase, ihn trägt sein Element voll Ehrfurcht, des Meeres schwarze Wogen spielen um seinen Schwanz. Wenn alles stille, um Mitternacht, steigt er auf beim Nordschein und vergnügt sich am Sturm seines einsamen Pfades.

Ach, Sterne um dein allmächtig Haupt, Ewiger! laß mich auf mein Angesicht niederfallen vor dir! Licht, das bleiben wird, wenn auch keine Sonne mehr scheint, zu groß bist du mir, zu unermeßlich! Wer will dich umfassen, Meer, in das alles sinkt und versinkt und mein Geist sich verliert! Die Funken, die über mich sich drehen als Welten, vielleicht edlerer Gebilde Erbteil; ich Oberster hier, dort vielleicht Wurm noch, der Kette unterstes Glied, die sich zu höhern Gestalten emporschlingt.

Halleluja, Vater, der Welten und ihren Staub gemessen! [24] Halleluja, der Welten und ihren Staub erhält!

Wie viele Tausende leben, trinken dein Licht und harren auf dich, o mein Gott! Welch eine Menge entschlummert zu dir! Mehr als der Tränen am Morgen, mehr als des Ozeans Sand, ach, als die Tropfen des unermeßlichen Weltmeers: alle hingesäet der Verwesung, alle in Liebe und Hoffnung auf dich!

Kommt, Bilder sanfter Unschuld, vor meine brünstige Seele, die euch zu empfangen sich öffnet; jetzt seid ihr erwünscht, das Auge der Liebe forscht euch herbei! Kommt schmerzlindernd, liebevoll, heiter, wie Eva aus Gottes Wunderhand ging; die kalten Felsen fühlten, die Ungeheuer erschracken ob ihrer Lieblichkeit, und über ihr ließen alle Bäume ihr Blütenspiel los. Steigt auf harmonisch, ergötzet die Seele, erquicket, entsiegelt die geheimen Quellen meines Innern! Reiniget, führet mich ganz wieder der Menschheit nahe! Erreget so edle, starke, wahre Gefühle des ersten gottgeschaffenen Mannes in mir, daß diese dichte Dämmerung weiche, Licht um mich werde, meine Seele trunken, wie an Regenströmen dürres Land!

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Eingang in die Erzählung: Adam und seine Kinder unter einem Baume

Stehend unterm schattigen Nußbaume nun Adam, der gottgeschaffene Vater der Menschen, an seiner Hütte; vor ihm sitzt Eva, die teure Mutter, mit ihren schönen Töchtern, Melboe und Tirza, auf dem Moose. Brauner Schweiß rinnt von des Erzvaters Stirne auf den schweren Baum nieder, mit dem er die harte Erde erst losstach. Den schweren Druck der Sünde fühlt er nun oft! Schweigend hängen seine Blicke über den Kindern, und trüber wird's ihm in der Seele; aber nur ein Blick himmelwärts, und der Ruhe sanftes Lächeln erhellt die traurige Stirne wieder. Süßere Rede fließt von seinen freundlichen Lippen bald also: »Teure, gottgeschaffene Mutter, lieben Kinder, welch ein freundlicher Abend! Schöner als diesen habe ich lange nicht, Eva, haben wir keinen außer Edens Fluren noch erlebt! Sehet, ihr Lieben, darum eilt' ich auch früher nach Hause, um ihn so ganz mit und unter euch zu genießen. Wie sich doch alles jetzt erquickt! Alle frohen Geschöpfe singen aus Gesträuchen und von Bäumen der lieben Sonne gute Nacht zu und [25] danken ihrem gütigen Erhalter. Hörst du vor allen der Lerche Abendlied? So hoch sie im Fluge alle andern Buschvögel übersteigt, überschmettert auch ihre helle Zunge alle andern Gesänge der Luft. Sie ist des Morgens und des Abends erste Gefährtin, die früh den Menschen zur Arbeit wecket, auch früh ihn wieder zur Ruhe erquicket; sie bleibt des Ackermanns stete Lust auf dem Felde und erfrischt ihn von oben herab, wenn's schwül um ihn, alles laß und niedergedrückt, in der heißen Stunde des Mittags. Meine Teure, sieh, jetzt fallen mir die ersten selige Tage wieder ein, als ich, nun von Gottes allmächtigem Odem hervorgerufen, ein Neuling in dieser Schöpfung, erwachte, als zum erstenmal der Tagesstern über mir anbrach, zum erstenmal der Abend mir entgegenprangte voller Pracht, und in schauderhafter Stille sich zum erstenmal über mir niederließ die finstre, schwarze Nacht. Ja, süß war die Stunde meines ersten Erwachens ins Leben! Wonnevoll wird die letzte Stunde, die Stunde meines Hinsinkens zum Tode auch sein! Mir ahnet's so fröhlicher Zukunft – ach Gott, mein Schöpfer!«

Und Tirza, Adam's Jüngste, ein wahrer Abdruck ihres Vaters in weiblicher Milde, ganz die hohe, feuertrunkene Seele, die oft in wonnevoller Phantasie in eine andere Welt hinüberschwärmt, ganz in Eden mitten unter Engelchören wandelt, wenn ihre Mutter, die holdselige Eva, daraus ihr vorerzählt. Sie ist das Seelenmädchen, das oft in einsamer Nacht von der Seite ihrer schlummernden Schwester aufsteht, im Mondschein unter dunkeln Buchen, am Gestade des Stroms sich Linderung zu schaffen, Empfindungsdrang von ihrem wunden Herzen loszuweinen, was ihre stammelnde Zunge nicht vermag. Da denkt sie sich oft seligere Zeiten zurück: ihre liebvollen Eltern, wie die noch in Unschuld wandelnd, noch engelrein im Paradiese unermeßliche Seligkeit genossen; und alle diese anmutigen Bilder lassen schweren, drückenden Kummer auf ihrem Herzen zurück und öffnen ihre Augen in immer fließenden Tränen. Allen Jammer ladet sie dann allein auf ihre Seele. Das Heldenmädchen gelobt oft im Taumel heiliger Andacht, die Sünden alle wegzubeten, allein wegzutilgen durch ihr Leiden den Fluch von ihren zärtlichen Eltern, und bringt so manche nächtliche Stunde im hohen Seelenkampfe zu. Jetzt neigt sie ihr blondlockig Haupt zur zärtlichen Mutter herüber, flüstert leise ihr also zu: »Teure, holdselige Mutter, bitte, daß Adam, der gottgebildete Vater, uns jetzt erzähle das erste Erwachen, die einsamen Nächte in Edens anmutigen Gefilden. Ach, lange dürstet mein Herz schon darnach. [26] Teure, süße Mutter, laß deine Tirza nicht umsonst hoffen!«

So sprach sie, hielt flehend der Mutter Hand fest an ihren Busen mit der Rechten; ihre Linke streichelt' sanft Evens holdselige Wangen. Die schöne, gottgeschaffene Mutter nahm also das Wort zu Adam, ihrem Geliebten:

»Mich däucht, ich höre jetzt Abel, unsern Sohn, nach Hause kehren; er spielt auf der Rohrflöte, seine Lämmer vor sich hertreibend; bald wird er auch bei uns sein. Mein Geliebter, noch ist's früh, nicht Essenszeit, obgleich alles bereits in jener Sommerlaube unserer wartet. Wolltest du nicht indessen mich und unsere Kinder hier mit deinen freundlichen Gesprächen erquicken, die Gott immer an unsern Herzen segnet, unser Gefühl nach deinem höhern Gefühle spannen? Ergötzlich ist jetzo der Abend, und wir so geöffneter Seelen. Trauter, erzähle uns jetzo von deinen Empfindungen, als du zuerst in Gottes Garten auferwachtest, nun über dir der neue Tag anbrach, die herzerquickende Sonne nun über dir lief, der Abend sich ausgespannt in seiner Pracht, und in schauderhafter Stille zum erstenmal sich über dir niederließ die schwere, finstere Nacht. Geliebter, erinnerst du dich's noch? Auf der holdseligen Insel im Herzen des Paradieses erzähltest du mir einmal davon. O selige Stunden! Laß mich's heute noch einmal von deinen Lippen vernehmen, schöner, gottgebildeter Adam! Auch unsere Kinder baten dich öfters darum; mach' ihnen jetzo die Freude! Auffassen werden sie alle deine Worte und fest in ihre Herzen verschließen, einst treulich ihren Nachkommen wieder erzählen, Wort für Wort, wie sie das von Adam's Munde vernommen; das wird ihnen ein seliger Trost bleiben und allen denen, die es hören.«

Also Eva, die schöne Mutter. Der gottgebildete Mann aber nahm sie freundlich an der Hand und sprach: »Gerne will ich euch jetzo erzählen, meine Teure; deine Bitte ist mir selber so angenehm. Doch laß uns warten, bis Abel, mein Sohn, auch hier ist. Schon kommt er an dem Garten her, er trägt seinen Stab auf der Schulter, daran ein schön geflochtener, mit Gras bedeckter Korb hängt. In der Hand aber hält er seine schön geschnitzte Wasserflasche; der gute getreue Hund springt vor ihm hin. Gewiß kommt er von der Weide und hat bereits seine Lämmer eingetrieben.« Also Adam.

Abel, der muntere liebreiche Schäfer, ging jetzt die Hecke hervor. In die Mitte kommt er nun herbei und stellt seinen Korb auf die Erde; dann küßt er seiner geliebten Mutter Stirne und des erhabenen Vaters Hand, beide Schwestern aber küßt er zärtlich auf [27] den Mund. Jetzt geht er wieder zum Korbe und spricht: »Etwas Angenehmes hab' ich für euch in diesem Korbe verborgen, Schwesterchen. Welche es rät, soll es sogleich auch von meinem Händen empfangen.«

Also Abel. Lächend hüpft' er um den Korb herum. Tirza sann hin und her. Jüngst begehrte sie von Abel eine Opferschale, die er ihr schnitzen sollte; sie hatte sie selbst ausgedacht bei nächtlicher Weile: schön rund sollte sie sein und tief ausgehöhlt, Früchte darein zu legen; auf jeder Seite gegenüber sollte ein Cherub stehen mit doppelten Flügel nach Adams Abbildung. Sonne und Mond sollten darauf stehen, der Morgen-und der Abendstern; unten und oben aber zögen sich Kränze von mancherlei Blumen herum, die Abel mit Saft von wilden Beeren bestreichen und schön bemalen wollte. Jetzt glaubte sie ganz gewiß, er habe diese Opferschale heimlich vollendet und wollte sie ihr unversehens vor ihren geliebten Eltern schenken, um ihr Herz in Freude zu überraschen. Freundlich steht sie auf, hinzugehen; aber Melboe, ihre geliebte Schwester, war bereits am Korbe. Die schiebt neugierig oben das Gras weg und spricht anmutsvoll zu ihrem geliebten Bruder also: »Nicht doch, laß uns viel lieber gleich sehen, was du uns Gutes heimgebracht, liebster Bruder, als so lange raten. Ei sieh' doch, teure Mutter! liebster Vater! Schwesterchen sieh' mal, welch ein schön Tierchen, o wie unschuldig! Einen jungen Hirsch, Schwesterchen, ein klein Reh hat Abel, der liebe, im Korb mit heimgebracht. Sag' mir doch, Bruder, wo hast du's gefangen?«

Jetzt treten alle hinzu, sich an dem unschuldigen Geschöpfe zu erfreuen, das so vertraulich vor ihnen lag. Eva sprach zu Adam also: »Welche auch dies Rehchen von ihren Bruder empfängt, immer wird es die andere schmerzen, denn ich sehe, beider Herzen hängen daran. Mich dünkt, Vater, wir wollen es unserer Jüngsten für eigen lassen; aber Melboe, unsere liebevolle, darf sein warten und pflegen und also auch ihre Freude mit daran genießen.« Dies sagte die Mutter und war eben im Begriffe, es also unter ihre Töchter zu verteilen. Aber nicht weit davon stand des Rehes Mutter. Immer war sie Abel nachgelaufen, jetzt kam sie unter den Linden hervor mit aufgereckt forschenden Ohren und schaute sehnlich nach ihrem Kinde umher. Immer näher ging sie und trat furchtlos hinter Adam, dem ersten Menschen, zur teilenden Mutter herbei, legte leise das Haupt auf ihre Schulter.

Der erhabene Vater aber spricht also: »Du teilest unrecht, [28] schöne Eva; meine Liebe, sieh hinter dich, noch eins steht und erwartet sein Teil schmerzlich, und ich hoffe zu deinem mütterlichen Herzen, du wirst ihm das nicht versagen können. Eva dreht sich, erblickt die Rehmutter, betroffen steht sie auf. Adam aber spricht zu ihr weiter: »Kennst du dies Reh nicht mehr, Eva? Ist doch eine alte Bekanntschaft; erinnerst du dich nicht mehr im Paradiese, in Eva's schöner Grotte, wen ich dir zuerst da zugeführt? Sieh, sie lenkt deine Hände, die teuern Hände, die ihr so oft damals geliebkoset. Komm, gib ihrer Liebe Raum! Laß uns dort ins Grüne ihr Junges hintragen und so wieder ihrer mütterlichen Pflege überlassen. Süß sind Muttersorgen, das weißt du, meine Teure!«

Eva winkt nun Melboe; die nahm sachte das Reh aus dem Korbe hervor und hielt es nieder. Freudig sprang's aus ihren Händen zur ernährenden Mutter hinüber; freundlich empfing die es unter ihre Beine und tränkt' es. Eva legt ihre Hand auf der Rehmutter Stirne und spricht: »Sei mir gesegnet, die du in Unschuld Eva gekannt! Viel selige Stunden haben wir damals miteinander genossen; reich war damals Eva an Freuden, an ewigen, seligen Schätzen; jetzt reich an liebem Kummer, an mütterlichen Sorgen dafür! O komm noch oft zu mir!«

Sie sprach so und trat auf die Seite, ihrem gedrückten Herzen Raum zu lassen; die Rehmutter aber zog durch Ginster und Sträuche mit ihrem lieben Jungen wieder davon.

Adams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

Adams Erwachen im Paradiese. Eintritt in die Schöpfung. Erster Sonnenaufgang

Jetzt winkt Adam, der Vater der Menschen, allen aufs Moos nieder; er aber bereitet sich auch, legt den schweren Baum vor sich hin, sitzt mitten unter sie. Herrlich saß Adam, der Urvater unter seinen Kindern: Gottes Meisterstück, saß er in übermächtiger Kraft Leibes und der Seele. Obgleich gefallen, ruhte doch immer Abglanz göttlicher Erhabenheit auf ihm, die ihn über alles Geschaffene hervorhob. Freundlich glühten seine Wangen am silbergrauen Barte, patriarchalisch floß die satte Locke am mannhaften Halse herunter. Jetzt nahet ihm eben Eva, die schöne, gottgeschaffene Mutter. Männlich faßt er sie an in ungeschminkter, schuldloser Liebe und [29] nötigt sie nieder auf sein kraftvolles Knie. Sie sinkt, seiner stärkeren Arme Beute, enthüllt ihren wonnevollen Busen dem unschuldigsten Raube. Der Vater der Menschen sah sie an, verwundert ob ihrer Schönheit, neu verliebt; freudig ward sein Herz jetzt und Entzücken strömt aus seinen strahlenden Augen. Innig umfangen hält er sie nahe seinem Herzen und spricht also;

»Nein, das sagen kann ich dir nicht, teure geliebte Eva: Des ersten Erwachens Schauder bleibt unaussprechlich, mir ewig geheim. Wie könnt' ich auch, liebe Geliebte? Mehr als ein Mensch müßt' ich sein – könnt' ich das jetzt aussprechen. Zwar haben heilige Engel in ihren Liedern oft mir der Schöpfung Geheimnisse verkündet, oft mir erzählt, wie Gott den Erdenkloß zum Menschen beseelt, wie er dalag in des Schöpfers Händen, ungeschlacht, noch Staub, ein Nichts, jetzt, angehaucht vom allmächtigen Odem ins Leben erwärmt, zum schönsten Wunder erwacht. Welche Fülle von Empfindungen umfaßt doch das einzige Wort: Erwachen – ins Leben erwachen! Meine Kinder, wer will das aussprechen!

Wie war dir, Liebe, als du zum erstenmal deine Augen über mir aufschlossest, den schönen Himmel, die schöne Erde zum erstenmal vor dir erblicktest? ... Dies fragt' ich dich öfters, und allemal standst du schweigend, und deine schönen Augen fanden immer eher Tränen als deine Lippen Worte, es auszusprechen.

Als ich zum erstenmal meine Augen aufschloß, über mich zum erstenmal Licht von oben herabkam ... o Gott! ... ich sah, ... und sah nichts, und alles war doch so lieblich; hört' ... und hörte nicht, alles doch so lieblich! ... Es war noch totes Leben, war noch lebendiger Tod. Meine Seele schlummerte noch, meine Sinne alle noch geschlossen ... Bald aber erwacht' ich weiter, meine Sinne eröffneten sich mehr; klarer murmelten jetzt die Bäche vor mir, die Winde rauschten lieblicher, neben mir, über mir, in den Büschen, in den Cedern ... alles sah wundersam, alles ... ha, daß ich's einmal ganz aussagen, hinlallen könnte! Die Winde rauschten so lieblich! Bäche murmelten so klar! die schönen lebendigen Bäume vor meinen Augen! das Gebrüll der Tiere in meinen Ohren! – Alles so fremd und doch mir einfühlend, ganz mir verwandt! Ich sah hin: Himmel, Erde – ein Blick; ich fühlte, freute mich; mir war's, als fühlt' ich des Schöpfers allbelebenden Odem über mir.

Da eröffnet' ich die erwachenden Augen, da sah ich, und meine [30] Blicke faßten stärker. Das Morgenrot quoll auf am Himmel, quoll über mich nieder. Kühl taut's, ich zog die Luft ein, da ging lebendig der Odem in meinem Busen. Noch weht's; ich hielt mein Ohr hin, da klang's, da tönt's, säuselt's ... Da schlossen sich meine Sinne ganz auf, wie einem Kinde schlossen sie sich auf; neue Stärke drang durch alle meine Gebeine, neues Leben ergoß fich in alle meine Adern. Jetzt fühlt' ich Kraft, meine Glieder zu bewegen – aber mich selbst hielt noch immer die kühle Erde in ihrem gewaltigen Schoße fest. Ich saß im Kampfe zwischen Ermannen und Niedersinken und neue Kraft Gottes kam über mich, stärkte mich zum Leben.

Die ganze Schöpfung um mich her – Lebensodem weht überall; die ganze Natur, neben mir, um mich, brach jetzt in einen frohen Laut aus. Lieblich sangen nun die Vögel über mir, fröhlich brüllten die Tiere darein, die Winde sausten erquickend hinüber, die Bäume rauschten freundlich herunter, die Ströme schossen mächtig daher ... Alles ein Stoß dem Erderwacher, nicht Klang spielender, sich selbst überlassener Natur. Heilige Stimme Gottes nun, Aufforderung, Einsetzung, Einsegung des Menschen in die neue Schöpfung, Huldigung, frohes Staunen, Zuruf, Gejauchz der Geschaffenen dem ersten Menschen ins neue Leben.

Nun war ich ... fühlte mich ganz im Lichte geworden .... sah alles an, was vor mir geschaffen war .... aber auf meiner Seele lag noch schwere Dämmerung.

Gewaltigere Lebenskraft floß noch einmal durch alle meine Nerven, riß mich nun ganz der Erde los ... Da stand ich auf: der Sturm wirbelte die Wipfel, das brauste herunter, das kühlte meine Brust ... Nun schaut' ich um mich, ging, sprang, stand wieder, betrachtete meine Glieder ... Die Haare wehten mir um die Stirne, ich griff darnach, hielt mich so selbst gefangen ... nun lacht' ich .... ich fühlte das Anspannen meiner Wangen ... ich schrie, der Odem ward mir im Busen zu mächtig; ich schrie wieder und verwunderte mich ob meiner Stimme ... Jetzt fuhr Schauer durch alle meine Gebeine, riß schwere Nacht von meiner Seele; da erwacht auch mein Inneres und gewaltig drang's in mir darnach: Wer bist du? Wie bist du? Wer hat dich gemacht? hierher gebracht? wer das Klopfen in deine Brust gelegt? den Schrei in deinen Hals? das Recken und Strecken in deine Arme? in deine Ohren den Schall?

Ich sprang über Hügel, Auen, Felsen – überall mir entgegenströmendes [31] Wunder, neues auf mich einstürzendes Entzücken durch alle meine Sinne, alle meine Adern! Da strömte Gefühl auf Gefühl, Schauer auf Schauer, Wonne auf Wonne in mein Herz! Ihr blühenden Wiesen, fallenden Bäche, steigenden Wälder, alles! Licht auf Licht, Kraft auf Kraft, Schlag auf Schlag.

Und nun, o Anblick über alle maßen! Sinneverwirrung mir, Zwang zu stummen, heißen Tränen: als ich zum erstenmal über mir aufsteigen die Sonne sah! ... Mächtiger Anblick, der jetzt noch alle meine Nerven erschüttert! O glaubt mir, ihr Lieben, hätte damals meinen bessern Leib, erst aus Gottes Hand hervorgangen, hätt' ihn nicht selige Reinheit emporgehalten, wär' er sündenschwach, gefallen wie jetzt gewesen, glaubt mir, er hätte die Stärke, den so gewaltigen Schlag dieses Wunderanblicks nicht ertragen können.

Da stand sie, teilte eben leuchtende Wolken auseinander prangt ... himmelan im stolzen Gange! ... Hingezückt, mir selbst verloren, sah ich nichts als sie, ihn, den neuen Engel über mir, den Gott, Weltbeleber, Weltentzücker! Ich flog mit Blicken zu ihm hin, umfaßt' ihn, hielt ihn, erschrak und konnte mich doch nicht loswinden von dem zu süßen, seligen Wunder.

O unaussprechliches, großes, herrliches Gefühl, das damals mit deinen Strahlen zuerst in mein Herz eindrang: Licht, das mich umschwebt, mich umfing, meine Seele entzündet, meine Sinne erleuchtet zum hohen Bildnis dessen, der die Erde, die Himmel gemacht, der den Kloß zum Menschen beseelt! Du gabst mir erst Kraft und Vollendung, o Sonne! In deinen erquickenden Strahlen reift' ich zum Menschen erst aus.

Da riß schwerere Nacht von meiner Seele, da schaut' ich, sah, hörte die Worte dessen, der laut durch mein Inneres rief: Mann von Erde, alles was da ist, alles was du erblickst, ist mein Werk, ist alles geschaffen aus Liebe zu dir! – Da sank ich nieder, von trunkener Andacht ergriffen, streckte stumm meine Hände aus, sprachlos lag die Stimme in meinem Busen. Halleluja dem, der's gemacht! Halleluja dem, der's gegeben! Ihm sei Ehre, Preis in Ewigkeit!

Heilige Geheimnisse lagen jetzt aufgedeckt in meinem Busen.«

Strombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[32] Strombachs Lied

Um Mitternacht, wer weint herab?
Wer hemmt des Stromes Rauschen?
Emma, du beim Sternentanz
Und deiner Söhne Bräute?
Sie lagern hin, das Haupt auf dem Stein –
Fluch den brennenden Sternen!
Es zittern bleich die Kinder der Nacht
In der Flut, es horchen die Klippen
Im schwarzen, schwarzen Tale,
Wo Klippe sich hebt aus dunkler Flut,
Wo ihre Wunden triefen!
Ach meine Söhne im blutigen Grund,
Wer hat Euch alle erschlagen?
Ach, meine Blumen am schattigen Bach,
Wer hat Euch alle gemähet?
Sag, Mildeburg! Die Äuglein naß,
Dein Blut soll Violen färben.
Sag, Heldengast! Dein Mündlein blaß,
Dein Haar zerzaust im Sterben.
Kein Heimchen der Nacht rief uns ins Land,
Es ist doch alles stille.
Ein Rosenbett war uns bestellt –
Wir schlummern auf Speer und Schwertern.
Gestillt ward unser Heldendurst
Im schwarzen, schwarzen Tale,
Geendigt unser Todeslauf
Im schwarzen, schwarzen Tale.
Ich Thurmann lieg auf einem Roß;
Ich Wethal an der Klippe –
Drei Speere halt ich in der Brust,
Ein Schwert in meiner Rippe.
Wir schlummern vom Dunkel gedeckt gar schwer –
Wir schlummern Heldenleben!
Wir machten weinen der Mütter mehr
Als Blätter im Sturme beben!
Macht unserm Leib kein Bad zurecht,
Zerstört die goldne Kammer,
Wir alle schlummern im schwarzen Grund
Umwölbt vom blutigen Schilde.
Jägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[33] Jägers Abschied

Ich muß, mein Liebchen, scheiden –
Hörst du das Jagdgebell?
Mich ruft des Vaters Hifthorn,
Sein Klang ist silberhell.
Ruh' sanft hier in der Grotte,
Die kühler Duft durchschwebt,
Bis aus dem Wollkenmeere
Der Abendstern sich hebt.
Leb' wohl! Bald kehr' ich wieder,
Eil' dieser Höhle zu
Auf Flügeln meiner Liebe
Und kröne deine Ruh.
VorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[34] [37]Vorschrift

Waffne mit Mut und Geduld dich, im Unglück die einzige Weise,
Wie aus des Schicksals Kampf ungebeugt du dich erhebst.
Das verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[37] Das verlorne Lämmchen

Was rauscht dort durch das Gesträuch,
Durch Nesseln, durch Brombeer'n und Schleen?
Wie ist mir mein Herzel so weich,
Mein Lämmchen, kann ich es nicht sehen?
Mir trauert mein Mut und mein Sinn –
Ach, ach! Mein Lämmchen ist hin.
Was plätschert dort unten am Teich?
Was bringt da die Distel und Kräuter?
Was raschelt im Eichengezweig?
Ich kann, ich kann nicht mehr weiter ...
Ihr Wiesen, wie seid ihr so grün!
Doch ach! mein Lämmchen ist hin.
O Lämmchen, wie bin ich so müd,
Soll ich dich denn nimmrer finden?
Durch Efeu, durch Bremmen, durch Ried,
Im Tal, auf Heiden und Gründen
Hab' ich gesucht und geschrien:
Wo bist du, mein Lämmchen, doch hin?
Der Rosenstrauch trauert mit mir,
In dem ich aus süßem Lavendel
Gebauet ein Nestelein dir
Mit Majoran, Thymian, Quendel.
Wenn heiß die Sonne dir schien,
Dann lagst du, mein Lämmchen, darin.
Auch trauert das Farrenkraut,
In dem ich mich öfters verstecket;
Dann liefst du, dann schrieest du laut,
Bis daß du mich endlich entdecket.
Dann hüpfte ich fröhlich um dich,
Und du sprangst blöckend um mich.
Ach, ach! Die Nacht bricht herein,
O Lämmchen, daß ich dich nicht habe!
Heut muß ich schlafen allein,
Allein, ich verlassener Knabe.
Weg Balsam, weg, Rosemarin!
Mein Lämmchen, mein Lämmchen ist hin.
Der FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[38] [64]Der Felskönig

Ode an ein Gebirge.


Fahr' durch das Klippental,
Fahr' durch die Wipfel:
Der Tannen hohes Lied!
Schwing' dich auf zu jenem Felskönig,
Der fürchterlich durch Blitze blickt,
Wenn licht geflügelt seine Schulter
Des Donners Wagen drückt,
Damit es sich erhelle! – Ruf zurück
Den Tag, da er das erste Mal gleich einem Riesen ausgestreckt
Der Sonne gegenüberstand, zehn Täler und zehn Wälder
Mit seinem Schatten überdeckte,
Und wie vom süßen Strahle trunken,
Gleich einem frohen Säugling lächelte – voll Lust
Die aufgeschwollne, grüne Schulter bäumte, hoch erhob
Die rauhe Felsenbrust.
Und wie auf seinem Haupt nun Blumen aufgeschlossen,
Er schmachtend in das Abendrot geblickt,
Gleich einem Jüngling, dem mit erstem Siegeskranz
Das Mädchen seine Stirn umschmückt.
KlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

Klopstock

Dann, wenn er, unter den säuselnden Ästen des Frühlings,
Vom Himmel die Gottheit ruft,
Oder mit unsterblichen Schwingen
Über die Sonn' ihr entgegenfliegt –
Möchte dann ein einziger Blick,
Den er der fallenden Erde nachwirft,
Meinem bewundernde Blicke begegnen!
Ach, dann wär' diese Träne verklärt ...
Dann müßte das schattige Ungeheuer Vergessenheit
Ewig tief
Unter meinem Namen hinschweben!
Das braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[64] Das braune Fräulein

Laßt an dem Stock die Lilie,
Laßt Ros' und Holderblüt'
Am Stengel, holde Mädchen,
Und horchet meinem Lied.
Ich sing' zerrissner Treue,
Verlassener Liebe Schmerz;
Euch schmelzen zarte Klagen
Das wehmutsvolle Herz.
Und du, aus tausend Mädchen
Die Frömmste, höre du
Des braunen Fräuleins Klagen
Und ihrem Jammer zu.
Es beb' dein junges Herzchen,
Verborgen jeder List,
Dein junges fühlend Herzchen,
Das ganz nur Unschuld ist.
Wenn durch die bange Saite
Des Fräuleins Seufzer steigt,
Des Fräuleins, das an Treue
Dir holdem Schätzchen gleicht:
O wenn von deinem Auge
Auch nur ein Tränlein fiel',
Gekrönt wär' dann, geheiligt
Wär dann mein Saitenspiel! –
Dort sitz an einer Ecke
Das Fräulein in dem Moos;
Viel helle Tränen rinnen
Herab in ihren Schoß.
Dreimal schickt sie den Knaben
Zur hohen Burg hinan,
Zum Führer blauer Greife,
Dem schönsten Rittersmann.
Die Sonne eilt; sie harret
Lang' unter Glut im Tal:
»Wo bleibst du, holder Ritter,
Du Trost in meiner Qual?«
Doch seht, die Zweige beben,
Es rauschet um den Bach.
»Mein Ritter kommt! Du bist es,
Geliebter Heinrich, ach!«
Geflügelt springt sie, hänget
An seinen Nacken sich,
Küßt froh die braunen Wangen
Und weinet bitterlich.
»Wo bliebst du, meine Ruhe,
Mein bester Trost, so lang'?
Lang' harrt' ich dein im Tale,
Ach, auf der Aue lang.
Denk, unsre stille Liebe
Ist jedermann bekannt!
Mich stoßen meine Freunde
Hinweg mit harter Hand,
Schütz' du mich, holder Ritter,
Mich, die ich elend bin!
Dir gab ich meine Liebe,
Ach, alles gab ich hin« –
[65]
»Sei ruhig«, spricht der Ritter,
»Nur ruhig bis zur Nacht.
Neun Schlösser hat mein Vater,
Betürmt und wohl bewacht.
Reitst mit mir in das schönste,
Vor allem ausgeschmückt,
Sobald vom Sternenhimmel
Die Nacht herunterblickt.« –
»Sollt' ich im Dunkeln fliehen,
O Rittersmann, mit dir?
Im Angesicht der Sonne
Schwurst du einst Treue mir.
O führ' vor allen Augen
Im Hochzeitskranz, beblümt,
Mich aus der Jungfraun Kammer,
Wie's, Liebster, sich geziemt.« –
»Ha, stolzes Fräulein! Glaubst du,
Mit Musik sollt ich dich
Aus deiner Kammer führen
Als eine Braut für mich?
Den Blumenkranz dir flechten
Um das gelockte Haupt?
Dem Mond zur Seit' zu stehen,
Ist Sternen nur erlaubt.
Zwar du bist süß und lieblich
Wie Frühlingssonnenschein;
Doch von dem feinsten Golde
Sieh hier ein Ringelein.
Es funkelt in der Mitte
Ein doppelter Rubin,
Ein Bild der warmen Lippen
Der jungen Raugräfin.
Die mir mit ew'ger Treue
Ihn zum Geschenk heut' gab;
Vom Turme, holdes Fräulein,
Blickt sie nach mir herab.« –
»Was, lieber, holder Ritter?«
Schrie hier das Fräuelein.
»O bei dem hohen Himmel!
Dies kann nicht möglich sein.
Mich, mich willst du verlassen,
Verlassen nun, ach Gott!
Dein armes braunes Fräulein,
Zu aller Menschen Spott?
Nein, nein, es ist nicht möglich,
Daß du mich so betrübst!
Hast doch so oft geschworen,
Daß du mich ewig liebst!
Wirf in die tiefsten Fluten
Den falschen Ring von dir!
Laß, laß mich ihn zerreißen!
Den Ring, den Ring gib mir!«
»Den Ring? Daran denk niemals,
O zartes Fräuelein!
Gleich Zwillingsbrüdern stehen
Zwei Schlösser an dem Rhein.
Solang' an meinem Finger
Der Ring blinkt, sind sie mein;
Drum bitt' ich dich, o Fräulein,
Stell' alles Klagen ein.
Was hilft's, daß ich geschworen!
Dein Weinen kommt zu spät?
Der Wind hat dreingesauset,
Hat alles weggeweht.
Sieh, du bist mir zu Willen,
Du zärtliche Jungfrau,
Sollst blühen und gedeihen
Wie Blumen voller Tau.
Du wohnst in einem Schlößchen,
Schön wie ein Schloß der Lust,
Dein Gast bin ich fein öfters,
Verweil' an deiner Brust.«
Und voller Gram und Jammer
Dreht sich das Fräulein um:
»Du raubst mir meine Ehre,
Mein einzig Eigentum,
Und willst mich nun verstoßen,
Mich, die so schmerzenwund
Dich ewig zärtlich liebet,
Dem Himmel ist es kund.
Hab' ich gleich keinen Vater,
Kein'n Bruder, der die Schmach,
Die du mir gibst, könnt' rächen,
So wird's der Himmel, ach!
»Doch für dich will ich beten,
O Jüngling, höre mich!
Laß von der reichen Gräfin,
Sie liebt dich nicht wie ich.
Ach, wälz' nicht neue Schmerzen
Auf mich, die jammervoll
Die Schmerzen einer Mutter
Ohn' dies bald fühlen soll!«
So schluchzet sie und senket
Sich vor ihm hin aufs Knie.
Es nickt die dunkle Eiche
Und säuselt sanft auf sie.
Durch ihre Locke seufzet
Das Windchen hin und späht
Der Blume nach, die tauig
Von ihren Tränen steht.
[66]
Ach, deine zarten Klagen
Rührt alles, Fräuelein,
Schwellt auf die heischre Quelle,
Erweicht den Kieselstein;
Nur er, der harte Ritter,
Schenkt dir nicht einen Blick.
»O«, ruft sie, »eh' du scheidest,
Sie noch einmal zurück!
Ach, von mir Tiefgekränkten
Geh nicht mit Zorn erfüllt.
O Ritter, wenn du grausam
Mich nicht mehr lieben willt.
Noch einmal diese Stimme,
Die sanft das Herz mir band!
O reich mir noch zum letzten,
Zum letzten mal die Hand!
Dann geh zu deiner reichen,
Geliebten Gräfin hin!
Vielleicht wird dich es reuen,
Wenn ich gestorben bin.«
Du weinest schon, mein Mädchen?
Wisch' nicht das Tränlein ab.
Mehr als die reichste Perle,
Die Indien je gab,
Schmückt sie die warme Wange,
Schmückt sie dein schönes Aug'.
Wie lieb' ich diese Träne
Am seelenvollen Aug'!
Ja, Mitleid, süßes Mitleid,
Vom Himmel stammst du nur,
Vom Angesicht des Schöpfers
Stahl dich einst die Natur.
Des Wilden Herz ist grausam;
Der bessre Mensch allein
Kann tragen fremden Jammer,
Kann fühlen fremde Pein.
Laß, laß die Träne rinnen
Bald stürzet sie hinab;
Lockt tausend goldne Schwestern
In deinen Schoß herab. –
Der wilde Ritter gehet,
Er geht, betrachtet nicht,
Wie nun am Felsen ringend
Des Fräuleins Herz zerbricht.
Stumm sitz sie an der Erde,
Schaut' bang den Himmel an.
»Ach, er geht fort, ich Arme!
Was soll ich fangen an?
Die du an meinem Herzen
So süß und sanfte ruhst,
Du Zeuge meiner Treue,
Daß du mit welken mußt!
Doch besser noch, es decket,
Ach, dein' und meine Schand'
Ein einzigs Grab auf ewig
Im kühlen, weichen Sand.
Einst kämest du, erwachsen:
›Wo, Mutter, ist der Mann,
Den ich soll Vater nennen?
Hab' ich kein'n Vater dann?‹ –
Verstoßen, sagt' ich weinend,
Bist du, o Söhnelein;
Er liegt in andern Armen,
Nennt andre Kinder sein! –
Dann würdest du, durchdrungen
Von Scham und Haß auf mich
Und meinen Wehen fluchen,
Die einst geboren dich.«
So schluchzet sie und stürzet
Voll zärtlichem Gemisch
Von Raserei und Liebe
Ins dunkelste Gebüsch.
Wie eine trübe Quelle
Durch Klippenmoos und bang
Zum schwarzen Tale flüchtet
Im schwermutsvollen Drang;
Wo sie nur irret, fühlet's
Des Schäfers horchend Ohr
Am seufzenden Gemurmel
Vom Weidenbusch hervor:
So fliehet sie drei Tage,
Am vierten steht sie still.
»Hier ist es, wo ich ruhen
Und wo ich sterben will.
Hier unter dieser Buche,
Wo oft bei der Natur,
Beim Himmel selbst, der Falsche
Mir Lieb' und Treu' beschwur.
Einst kommt er mit der Liebsten,
Die er nun zärtlich küßt,
Vielleicht zu meinem Grabe
Und fraget, wem es ist.
Weht, Lüftchen, weht's gelinde,
Daß es das meine sei,
Das Grab des braunen Fräuleins,
Die für ihn starb aus Treu.«
Sie schweigt. Da fällt vom Hügel
Ein heller Glockenschall,
Ein frohes Lärmen hallet
Zurück durchs ganze Tal.
[67]
Von hohen Türmen flosse
Der Harfen Silberklang
Zum Hochzeitsfest der Gräfin
Und ihrem Brautgesang.
Auch rühmten die Trommeten
Des Heinrich's stolze Zier,
Der siegreich sich bezeiget
Im adlichen Turnier.
Der Lilie gleich, die stürmisch
Ein Regen niederschlägt,
Sitzt hinter dunkeln Aesten
Das Fräulein unbewegt.
»Gott, dieses war sein Name,
Dies seiner Stimme Ton!
Du freust dich, holder Ritter,
Und ach, ich sterbe schon.
Ach, ach, dein Mädchen sinket!
Vielleicht denkst ihrer nie!
Vielleicht, daß du sie suchest,
Und nimmer findst du sie!«
So seufzet sie und blicket
Zur hohen Burg und schweigt.
Ihr braunes Auge dämmert,
Ihr Rosenmund erbleicht.
Viel goldne Tränen blinken
Herab in ihren Schoß,
Noch einmal seufzt sie: »Heinrich!«
Und sinkt ins weiche Moos.
Du fällst, o braunes Fräulein
Ein Opfer deiner Treu'.
Schleicht, zärtlichste der Winde,
Vom Blumental herbei.
Faßt auf das letzte Tränlein,
Das ihr im Auge blinkt.
Und tragt's zum Stern der Liebe,
Der tief in Trauer sinkt!
Ihr aber, Mädchen, höret
Das schreckliche Gericht!
Lang' weilt des Himmels Rache,
Doch ewig weilt sie nicht.
Der wilde Ritter sitzet
Am hochzeitlichen Mahl,
Zwar Freuden in den Augen,
Im Herzen Angst und Qual.
»Ach«, denkt er, »die Verstoßne,
Wo mag sie jetzo sein,
Ihr Äuglein Tränen gießen,
Wo jammert sie allein?
Ach! Hab sie doch betrogen.«
Ihn peinigt Angst und Qual;
Zerreißt die Hochzeitkränze
Und flieht hinab ins Tal.
Umsonst der Freunde Flehen,
Der Gräfin banger Blick,
Sein Fräulein sieht er liegen
Und schreit und schlägt zurück.
Ist's tot, das sanfte Händlein,
Das freundlich mich umschlang?
Ha! Tot das zarte Herzlein,
Das dann vor Freude sprang!
»Ha! Freunde, seht ihr's, Freunde?
Mein erstes Weib liegt dort
Erblasset! Wenn ihr's höret,
Ich, ich hab' sie ermord't!
Was soll ich länger schweigen,
Zerreißt mich innrer Schmerz?
Ihr brach ich Lieb' und Treue,
Und dieses brach ihr Herz.
Vollend's nun Höll' und Teufel!«
Er knieet auf die Erd',
Zieht wild und voller Feuer
Sein scharfgeschliffnes Schwert!
»Zerschmettre falsche Herzen
Und Untreu, Donnerkeil!
Hinweg aus meinen Augen,
Die Hölle bleibt mein Teil!
»Ja, süßes, sanftes Mädchen,
Aus Treue starbst du, ach!
Muß grausam dir nun folgen,
Dein Geist, der winket nach ...«
An Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[68] An Schubart im Kerker auf Hohenasberg

Bei Übersendung eines Gedichtes. – Dem armen, unglücklichen Schubart zum Zeitvertreibe gewidmet!


Warme Freundschaft und Bruderliebe wird's ihm einhändigen. In seinen melancholischen Stunden, wenn's ihm da Grillen vertreibt, aufheitert eine Stunde nur in seiner traurigen Situation – war's Arznei, gepflückt aus den Gärten des Lebens, ist's mehr wert, als wenn es zehn Recensenten loben.

Weine nicht, wie Du auch gebeugt sitzest, ermann' Dich – über Dir hoch der Himmel! Gottes allmächtig Aug' leuchtet und sein belebender Odem weht noch über Dir hin.

Trauerst Du unverdient, rollt die gepreßte, bittere Kummerzähre über die Wangen unverschuldet Dir ab – wehe an jenem Tag dem, der den erdgeschaffenen, freien Menschen niederwirft, ihn aus seiner Bestimmung reißt, zu reifen am Sonnenstrahle der Freiheit, an des Lebens Licht ... Entreißt der Natur ihn, nimmt seinem Fuß, von Gott zum Gange geschaffen, Bewegung und Kraft, den fröhlichen, vom Himmel vermachten Blick zur Sonne, beraubt ihn der Freuden des Jahrs, der Freuden des seligen Genusses von Vater und Gatten, der ihm angeborenen Sangeslust beim Handschlag und Weine und ihn selig umfangender Lieben, übergibt – zehnfach weh! – oft kummervoll, niedergedrückt ihn bangen, mitternächtlichen Stunden, wenn seine Schmerzen ihn umringen wie ein gewaltig Heer, wenn Philosophie, überwunden von Menschheit und Natur, seine Seele der Verzweiflung nahebringt ... Ha, groß die Gewalt der Götter der Erden, schwer in jenen Tagen des Gerichts das Wort, das man streng fordert von dem ...

Hast Du verschuldet, o so trage geduldig, lehne Dein Haupt gegen schwere Riegel, auch da bleibt Gott über Dir allgegenwärtig. Die Zeit fleucht schneller, schüttelt die Sanduhr! Der Zeiger läuft und die Erlösungsstunde nahet heran – Alles nimmt ein Ende, Deines Schmerzens Tage auch. Die Du beleidigt, wollen sich beruhigen. Deine Seele fühlt es. Pflanz' Dein Kreuz hoch auf und schaue, wie viele Buße litten, um Liebe willen noch mehr –!

Sieh den armen Mohr in Perus dunklen Schachten, verkauft [69] vom Vater, vom Bruder weg oder vom Haß nahen Freunden, fern aus seinem Land entführt ... ach, verdammt zu ewigen Leid! nicht in einem Kerker, von Menschen gebaut – dies, deucht mich, wäre noch lindernd, denn immer noch bleibt eine Spur von Menschlichkeit dann gesellig dem Herzen – nein, schuldlos in öden, wilden Gebirgen, sich selbst entrissen, noch nicht gereift zum Menschen, sein harmloses Leben verseufzend!

Mit Tränen wäscht er das Gold, das unsern Prunk schmückt, gräbt mit blutigen Händen sich tiefere Kerker aus der Erde, während über ihn der geizige Herr knirscht und ihm die Peitsche vorhalten möchte; hat keinen Trost, kein Licht, keine Hoffnung, keine Zuflucht als den Tod, und nur der Tod weht ihm lieblich entgegen, kommt wie der Bräutigam zur Braut ... Ihm sei Trost von Gott bald sanfte Ruhe, wenn die Gebeine lechzend ermüden, das erstarrte Aug' des gemißhandelten Körpers nicht mehr die Peitsche des Drängers fürchtet ...

Drum weine nicht, wo du auch sitzest in Trübsal!

Die heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

Die heilige Familie

Auf der Flucht.

Umringt von Feindesschlingen schreitet
Noch ruhig der Gerechte seine Bahn.
In Not reicht Schutz und Labung
Der schroffe Fels ihm mild, und Liebe,
Gepaart mit Menschlichkeit, begegnen
Auf öder Haide ihm, ihn leitend
Am steilen Abgrund hin, denn überall
Deckt freundlich ihn der Vorsicht sichrer Flügel.
Ruhe auf der Flucht.

Und wenn die Dämm'rung jetzt auf rauhem Pfade
Die Unschuld überfällt, läßt friedlich sie
Bei erstem Schirm sich nieder;
Denn inn're Furcht, die schnöder Tat entsprießt,
Beschwert nicht ihre Brust, sie schlummert
In süßer Ruhe bald, und über ihr
Eröffnet sich der Himmel.
Die drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[70] Die drei Augen

Im Angesicht des Menschen stehn
Der Augenlichter zwei;
Eins strahlet in der tiefen Brust
Und so sind's ihrer drei.
Erlischt eins von den äußern, hilft
Das andre aus der Not,
Doch geht das innre aus, dann ist
Der Mensch lebendig tot.
Ihm helfen die zwei äußern nicht,
So hell sie auch und klar –
Blind bleibt er, reichte Argus auch
Ihm hundert Augen dar.
Die KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

Die Königswahl

Ihr Buhler um die Krone,
Was lärmt ihr? rief der Adler,
Dort oben an die Sonne
Hat Zeus sie aufgehangen –
Frisch aufwärts schwing' sich jeder,
Wer Macht hat, sie zu holen!
An TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

An Theone

(Nachruf der Freunde.)


Im schnellen Flug der Horen
Schwand deiner Nähe Glück.
Was wir in dir verloren,
Bringt uns kein Wunsch zurück.
Wie hofften wir im Lenze
Des Bruders uns zu freu'n,
Und heitre Blumenkränze
Auf deinen Pfad zu streu'n!
[71]
Doch wie des Traums Entzücken
Beim Strahl des Morgens flieht,
Entschwebst du unsern Blicken,
Da kaum der Frühling glüht.
Dir blüht, wo du auch weilest,
Rings um dich Zauberflur;
Uns wird, da du enteilest,
Entzaubert die Natur.
Zur Treue still verbunden
Bleibt unser Kreis umschwebt
Vom Schatten sel'ger Stunden,
Die einst dein Hauch belebt.
Oft wird im trunknen Wähnen,
Wenn Trennungstage flieh'n,
Der Geist in leisen Tönen
Zu dir hinüber zieh'n,
Oft wird am Wasserfalle,
Den du so gern besucht,
Im spiegelnden Krystalle
Von uns dein Bild gesucht.
Wo Buchen sanft umdüstern
Der Felsen Wände Moos,
Entsteigt dann unter Flüstern
Dein Nam' der Wellen Schoß.
An den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[72] An den Spatzen

Du glücklichster von allen Vögeln,
Kleines, liebes Spätzchen!
Du nist'st an meiner Cloe Fenster.
Viel glücklicher als der Adler bist du,
Dem rote Morgensonne sein Bett vergoldet.
Denn ach! Du weckst sie, die Schöne, aus dem Schlummer,
Du siehst sie aus dem Bett steigen
Und hüpfst mit deinen Jungen hervor.
O dann öffnet sie selbst das Fenster
Und ätzt mit ihrer lilienweißen Hand
Dich kleinen Sänger noch.
JägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

Jägerlied

Auf, rüstige Knaben,
Eh' Lucifer sinkt!
Auroren nun haben
Die Stunden gewinkt!
Schon blasen bei Netzen
Die Jäger im Wald,
Zum Treiben und Hetzen
Das Echo erschallt!
Nach sausen die Lanzen
Dem Wilde durch's Tal!
Am Abend, da tanzen
Wir lustig ums Mahl.
Selbst Amor, der kleine,
Jauchzt mit ins Geschrei
Und treibet uns feine
Brünetten herbei.
Tallara! Taltara!
Das Jagdhorn erschallt!
Taltara! Tallara!
Der Dogen Laut hallt!
Auf Rossen wir eilen
Gleich Stürmen dahin,
Bepflanzen mit Pfeilen
Den Eber im Fliehn!
Tallara! Taltara!
Vom schäumenden Quell,
Taltara! Tallara!
Stürzt mutig Gebell!
Gebt, Jäger, die Spornen!
Auf, Hunde, hieher!
Schon wälzt sich durch Dornen
Der zornige Bär!
Diana hält innen
Die Drachen und blickt
Von wolkigen Zinnen,
In Jagdlust entzückt;
Und läßt nun am Himmel
Den Mondlauf verkürzt,
Und spornet den Schimmel,
Als Jüngling geschürzt.
Wie lechzen die mutigen
Doggen! Wie eilt's
Dort über die blutigen
Klippen! Wie heult's!
Ha! Cynthiens mächtiger
Ruf in den Klang:
Dem Bären dem prächtiger
Sterbegesang!
[73]
Tallara! Taltara!
Juch, lieblich Getön
Taltara! Tallara!
Von blühenden Höhn!
Ei, seht doch, wie bieder
Jagt Amor, der Mann!
Ihm treiben die Brüder
Die Mädchen voran!
Schnell gibt er ein Küßchen
Der jüngsten, hihi!
Entblößet ihr Füßchen
Und wächsernes Knie.
Sie hören ihn lachen
Und schreien: ei, ei!
Und lachen und jagen
Geschwinder vorbei!
Auf, munter, ihr Schützen,
Zum sprudelnden Quell!
Wir schmücken die Mützen
Mit Eichenlaub hell!
Vorbei ist das Jagen!
Dort reiten sie her,
Und führen auf Wagen
Den Eber und Bär!
Auf Rasen nun nieder!
Herr Bacchus schenkt ein,
Und salbet die Glieder
Mit rheinischem Wein!
Laßt Hörner ertönen
Dianen allein!
Ertönen den Schönen
Die Gläser voll Wein!
Schon tanzen, ihr Brüder,
Dort Mädchen in Reihn;
Sie locken durch Lieder
Uns, kühner zu sein.
Sie lachen und scherzen,
Um Amor, das Kind,
Und küssen und herzen
Den Flatterer blind.
Die Lanzen bei Seite,
Ihr Jäger, und springt
Und fröhnet der Freude
Bis Hesper euch winkt!
Dann schlummert auf Rosen
Und Lilien ein,
Und träumet von Kosen,
Von Küssen und Wein!
Der Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

Der Wirt und die Gäste

Wirt:

Nehmt den Wein, den ich euch reiche,
Meines guten Willens Zeuge,
Freunde, nehmet freundlich hin!
Wie ihn Gott und Reben gaben
Lieben Freuden geb' ich ihn.
Gäste:

Du, der Lust und Freud' entzündet,
Mit der Rebe Herzen bindet
Evan, schütz' dies deutsche Blut.
Mehr ihm immer Durst und Freude,
Fröhlichkeit und jungen Mut.
Seht, der fromme Rebenzecher
Teilt mit uns den vollen Becher
Welch' ein ehrlich deutsches Blut!
Mehr' ihm immer Durst und Freude,
Fröhlichkeit und jungen Mut.
[74] Erster Gast:

Sei du seines Weinbergs Hüter!
Gieße deine Schale nieder,
Daß ihm alle Ranken blühn,
Daß er tausend Fässer fülle
Segne, Vater Evan, ihn.
Zweiter Gast:

Schrecke mit des Panters Brüllen
Ferne von ihm Gram und Grillen,
Alles, was das Herze sticht.
Mehr' ihm seine Jugendkräfte
Und verschöne sein Gesicht.
Dritter Gast:

Leit' ihn einst in Charons Nachen
Unter Scherzen, unter Lachen –
Ohne Krankheit, ohne Pein,
Leite seinen sanften Schatten
In den goldnen Rebenhain.
Vierter Gast:

Dort, wo auf betauten Matten
Jene heilig frohen Schatten:
Hagedorn und Kleist nun gehn,
Wo die Denkmal' frommer Trinker
Ewig hell und glänzend stehn.
Alle:

Du, der Lust und Freud' entzündet,
Mit der Reben Herzen bindet,
Evan, schütze deutsches Blut,
Mehr' uns allen Durst und Freude
Fröhlichkeit und jungen Mut!
Wirt:

Dank Euch, fromme Rebenzecher!
Greifet nun zu eurem Becher
Jeder stoße, leere rein.
Zwanzig volle Humpen warten –
Bacchus heißt uns fleißig sein!
Bacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[75] Bacchidon und Milon

Idylle.


An seiner epheuumwachsenen Grotte saß der Knabe Milon entzückt. Ihm war erst ein treffliches Lied auf den Weingott Bacchus gelungen; das gefiel ihm selbst so wohl, daß er es, weil niemand anders zugegen war, der horchen wollte, dreimal seinen Ziegen vorsang. Eben kam der immer durstige Satyr Bacchidon seiner Höhle zu. Fröhlich nötigt ihn der Hirt also herbei.


Milon.


Wie recht gehst du hier vorüber, Freund Bacchidon! Herein in meine Grotte! Will dir einen Gesang vorspielen, einen trefflichen Gesang auf den Weingott Bacchus. Eben ward er fertig. Soll dir gefallen, gewiß gefallen; ohne mich zu rühmen, es ist mein bestes Gedicht, herrlich! Wirst selbst hören.


Bacchidon.


Mit deinem Gedicht! Lärmst du doch, als wolltest du einen zum Schmaus laden. Bin ohnehin schwer und unbeholfen, und du Narr machst mich noch durch die Hitze laufen, daß ich den Atem verliere. Weg!


Milon.


Wirst doch nicht so sein, lieber Bacchidon! Wieder fortgehen, ohne meinen Hymnus zu hören! Bleib doch, wird dich nicht reuen. Ich hab' mir alle Mühe gegeben, was Gutes zu machen; auch läßt es so schön sich an, wenn ich ihn spiele.


Bacchidon.


Still! still! Uh! du flammender Hundsstern!

Milon.


Danach hätten wir uns fröhliche Stunden gemacht, wacker gezecht; habe meinen Schlauch weidlich mit frischem Most gefüllt.


Bacchidon.


Ah, so!

Nun heiterte sich des alten Satyrs Stirn auf, als er vom Most hörte. Weiter sprach der Knabe zu ihm: »Willst du horchen?«


[76] Bacchidon.


Freilich! Laß doch einmal hören, was du Guts gemacht.

Nun saßen beide auf das Moos nieder. Bacchidon lehnte seinen zottigen Bockfuß auf ein zerbrochen Stück Urne, das eben dalag, sein Haupt und Rücken aber lastet' er an eine grüne Pappelwand. Dann sprach er dem Knaben gegenüber also: »Was das eine Hitze ist! Was ich dir Durst habe! Sirius tobt abscheulich; ist ein Narr der Kerl, möcht' uns alle gern rasend haben. Wohl, mein Sohn, daß du deinen Schlauch wacker geflickt; aber dreimal wohl, daß du mich zu deinem Schmaus ladest!«


Milon.


Sage mir doch, soll ich allein nur singen, oder soll ich auch mit der Leier dazu spielen?

Bacchidon.


Närrchen, mach's wie du willst. Vor allem gib was zu trinken; ich meine, Lung' und Leber brennen mir ab. Was das heiß macht! Puh! Ist mir, als trüg ich den Aetna im Leibe. So, so, schon gut! Auf dein Wohlsein, pappelbekränzter Freund Milon!


Milon.


Wenn dirs einerlei ist, will ich dazu spielen; läßt doch immer hübscher –

Bacchidon.


Vortrefflicher Wein! Extragut! Extrafein! Mein lieber Freund Milon, laß dir einen Schmatz geben! Her, sag' ich. Stärkst meine alten Knochen mit köstlichem Balsam; delikates Gläschen Wein! Verjüngst mich als ein'n Adler.


Milon.


Schmeckt er? Je, Bacchidon liebt immer was Feines; sollst's auch gleich hören.

Bacchidon.


Um Pans willen, wo hast du den Wein her? Geruch, Farbe aus Cypern. Junge, wer gab dir ihn? Will ein Schelm fein, wo du ihn nicht den kahlköpfigen Silen weggemaust, als er voll unter seinem Esel lag. Ist's so, he? Himmlischer Wein! Der schleicht die Gurgel 'nunter! Mein Gläschen ist wieder leer.


Milon.


Traun, er mag gut sein; hat mich auch mein schönstes Stück Bock gekostet. Aber wenn du ein so großer Becherheld bist als du rühmst, kannst du mir sagen, was für ein Landsmann?


Bacchidon.


Beim Jupiter, ja. Gleich sollst du's hören, gleich! Laß mich nur erst ausreden, das Herz ist mir zu voll. Was ist's doch eine edle Sach' um ein gut Tröpfchen! Freund, daß uns doch Zeus einmal zu Genüge gäbe und wir wie Gänse in solchem Trank schwämmen! Wahrlich, 'n frommer Wunsch. Aber er macht's, wie er will. Prosit! Ist Wassers Patron.


Milon.


Wie ist's? Kennst du ihn nun?

Bacchidon.


Was denn? Wie denn? O mein Seel', ich hab's vergessen. Daß dich der Kukuk! Der Schurk ist auch so glatt. Schenk' noch einmal ein! Gar zu glatt, Milon, glätter als ein Aal. Kaum wollt ich den Schelm am Kopf erwischen und ihm ins Gesicht sehen, da war mir schon der Schwanz zwischen dem Daumen.[77] Kann's nicht begreifen! – Nun guckte er ins leere Glas und sprach: Freund Milon, ich dacht' auch wirklich, dein Pokal wär' tiefer.


Milon.


Was tiefer! Der Henker reich' tief genug! Wenn's auch ein Ziehbrunnen wäre, du söffest ihn aus. Mein Schlauch reicht nicht zu, wenn's so währt. Bleib ruhig sitzen; hör' hübsch meinem Hymnus zu. Hernach, wenn ich fertig bin und dir's gefallen hat, will ich schon wieder füllen.


Bacchidon.


Was hast du vor, Junge? Was soll das bedeuten? Ist das dein Ernst, wie? Ei du lieblicher Gaudieb, willst mich nur vexieren? Vexieren, ha? Geh, schenk ein; wer will warten, wenn der Schlauch noch voll ist! Schenk' ein, sag' ich. Warten! Daß dich die Pest! Ein schön Warten! Kind Milon, nur ein einziges Wort. Ist dein Gesang nicht auf Bacchus?


Milon.


Das hab' ich dir schon zwanzigmal gesagt; wärst du ruhig und ließest mich auch zum Wort kommen, so könntest du hören.


Bacchidon.


Was? Weißt du auch, Junge, was das heißt, ein Gedicht auf Bacchus? Was das auf sich hat, was das sagen will, Baccho ein'n Hymnus dichten? Weißt du, wer Bacchus ist? Frag' nicht umsonst, wer er ist. Ein muntrer, durstiger Mann, freundlich und leer, der alle Dinge im Rausch anfängt, dabei ein merklicher Feind von leeren Gläsern ist. Merkst du?


Milon.


Oho, sehr leicht! Dein Glas.

Bacchidon.


Was geht's dich an, wenn's leer ist und dir nicht gefällt? Ei, du Närrchen! Füll' wieder; was hindert's? Weiter ist Bacchus der Weinerfinder, der Weinerfinder, mein Sohn! Wenn man ihn malt, trägt er immer in der Rechten einen vollen Becher, in der Linken einen Traubenklotz. In Wahrheit hab' ihn selbst einmal so mit Kohlen an ein Faß gerissen, wie er zwei Staaren von einer Traube scheucht ...


Milon.


Was geht's mich an?

Bacchidon.


Trauben scheucht ... zwei Staaren ...

Milon.


Meinetwegen zwei Raben!

Bacchidon.


Staaren bei meinem Horn! Hättest alle Nägel an ihren Füßen zählen mögen und alle Federn an ihren Schwänzen bei meiner Treu! Die Faunen lachten dir oft drüber. Sieh, so ließ ich dem Bacchus den linken Arm über's Knie bambeln. Sieh doch, den rechten hub er so in die Höh', schlug mit einem Stecken dem einen Staarmatz auf den Kopf, daß ihm die gestohlne Beer' aus dem Schnabel fiel. Darnach stellt' ich gerad' seinen Augen gegenüber in freier Luft einen mächtig großen Becher voll dicker Tropfen nebenum; einen Korb voll Trauben hing ich an seine Hörner, und setzte ihm, Trunk anzudeuten, aus freier Hand mitten auf die Nase zwei rote Pocken, haselnußdick, daß sie jeder von fern schauen mochte. Gelt, das war dir was Nobl's? Noch manchen Gott würd' ich so an die Wand hinarbeiten, aber ich [78] kann vor meinem Bauch nimmer zu. Im übrigen all eins. Wieder aufs Wort zu kommen: Du weißt also, wer Bacchus ist. Hast du denn Verwegenheit genug, einem alten frommen Mann als mir zuzumuten, daß er einen Lobgesang auf Bacchus anhöre, ohne zuvor durch tüchtigen Rausch sich in heilige Begeisterung zu setzen? Ah, das wag' ein anderer! Nein, Verwegenheit, grausame Sünde so was! nein, da behüte! Getrunken muß man haben, siehst du, und ich habe heut' noch kein Tröpfchen über mein Herz gebracht, mein Seel'!


Milon.


Schwör', daß du erwürgen möchtest! Ei du fetter schmerbauchiger Lümmel! Nicht getrunken? Mein Schlauch ist halb leer. Nicht getrunken, nein? Nicht getrunken? So zu schwören!


Bacchidon.


Schrei nur nicht so! Ist ja nur Spaß.

Milon.


Schlechter Spaß. Ist dir nur um saufen zu tun; einen Gefallen erweisen, zuhören, kannst du nicht. Möcht' des Teufels werden! Säufst einem den Wein und tust einen noch dazu quälen ...


Bacchidon.


Ha ha ha! Was das gesprochen ist! Verzeih' dir's Jupiter, gottloser, lieblicher Schelm. Dich quälen! Einen alten Mann so verleumden! Dich quälen! Ha ha ha! Ei ja doch! Den Schlauch wollen wir quälen, ihm den letzten Tropfen vom Herz drücken. Dich quälen! Unvergleichlicher Dieb! Dich quälen! Sag', wie kommst du nur dazu?


Milon.


Laß mich nur einmal zum Wort! Hör' auf zu plappern! Hättest du nur deinen Wanst voll Steine und ließest auch einmal mein Maul frei; aber ...


Bacchidon.


Hörst du, Junge, wer hält dir's? Sprich so viel dir lüstet, wir haben das Maul nicht umsonst. Ah, da fällt mir ein artig Stückchen ein. Weiß du zum Exempel, warum das Maul unter der Nase sitzt, he? Die Nas' hat sonst auf dem Wirbel gestanden; gelt, das hast du vor nie gewußt? Ein herrlich Histörchen! Hör' nur, ein gerechtes Stück, ein klarer Beweis von Jupiters Weisheit. Mir hat's jüngst ein graubärtiger Aegypter, der in meiner Grotte übernachtet, ein gelehrter Hexenmeister, der dir alles weiß, was Sonn' und Mond spricht und Jupiter träumt, erzählt. Zu Anfang der Welt, sagt' er mir, als Zeus den Menschen gemacht, schuf er die Nas' auf den Wirbel, sprach ... Aber wart', will zuvor ein'n Schluck tun, daß mir der Hals ein bißchen glätter wird, hernach weiter erzählen.

Nun trank der alte Satyr. Aber Milon sprach heimlich also: »Wollt', er läg mit seinem Märchen im Rhein; heut' komm ich nicht an, mein Lied zu spielen; und ich wollt', ich läg obendrein dort, daß ich so einfältig war und den Nimmersatt in meine Höhle gezogen. Wenn's noch lange währt, drückt es mir das Herz ab.«


Bacchidon.


Was geschah? Da nun jeder seine Nase unter der Kappe trug – denn Jupiter sprach weislich: »Laßt sie nicht eher aus, als wenn's euch beliebt, so seid ihr nicht gezwungen, zu riechen, [79] was euch nicht beliebt« – und kurz, meine Meinung zu sagen, mir gefiel's sehr unvergleichlich. Aber wie gefiel mir's? Zum Exempel, wenn man, wie Jupiter meint, durch des Nachbars Kuhstall in seinen Weinkeller geht, oder sonstwo, da man gezwungen ist, einzuschnaufen, was uns mutwillige Lüfte unter die Nase treiben, da ließ ich nun hübsch meine Kappe sitzen, ging gerade durch. Aber zum Exempel, wenn man bei Gelagen sitzt, guten Wein trinkt, da lob ich mir doch dies Plätzchen, wo wirklich die Nase steht; denn da kann man immer trinken, auch zugleich riechen und so doppelt genießen. Schönheitshalber möchte sie immer ganz wegbleiben; denn die schönste Nase, Wahrheit zu sagen, steht einem nicht besser zu Gesicht als das Bierschild zu einer Klippschenke. Aber wieder auf meine Erzählung zu kommen. Das ging nun alles gut mit unserer Nase; geruhig saß sie unter ihrer Kappe, dacht' an nichts, bis Bacchus geboren ward, mit ihm die Rebe hervorwuchs, da war ein Jubilierens ohn' Ende; alles freute sich, denn die Rebe wuchs kräftig voll Most und Trauben; da waren die Augen, sie zu sehen, Zung' und Maul, Trauben zu kosten, Ohren, lieblich den Most im Becher sprudeln zu hören, alles voll Lust; nur der armen Nase unter der Kappe, als ein Ei unter der Henne versteckt, ward nicht gedacht, konn' nicht mitgenießen allerlei Freuden. Denn das muß ich dir beiseit' sagen, Freund Milon, damals war's noch nicht Mode, beim Gesundheittrinken die Kapp' abzuziehen, hörst du's?


Milon sprach heimlich:


Ich wollt' hätt' keine Ohren! Gewiß, ich verbrenne langsam im Styx, so das Ding noch lange währt.

Bacchidon.


Will lauter reden, daß du mich besser verstehen kannst. Endlich erfuhr's meine gute Nase. »Ei!« schrie sie zu Jupiter auf, betrügt man mich so? Was hab ich denn getan, daß ich schlechter geachtet werde denn ein anderer?« Absonderlich tat's ihr wegen des Mauls weh; das trank nun nichts, ohne zuvor der armen Nase unter der Kappe zu höhnen, schrie: »Komm herunter, Näschen, herunter, wenn du kannst, schnüffl' ein bischen!« Jupiter schlug auf den Bauch. Jupiter ist ein feiner Mann, sah wohl, daß der Nase Gewalt geschah; was tut er? Er nimmt fein hübsch die Nase vom Wirbel runter, setzt sie recht über's Maul hin, sagend: »Weil du, Maul, gehöhnt, soll künftig Nase recht über dir stehen, sollst immer in ihrem Schatten sitzen zur Straf'; auch sollst du, Maul, künftig nichts genießen, worin nicht zuvor Nase ihre Nase stecke.« So kam sie herunter. Ha ha ha! Nun, wie gefällt dir mein Spaß?


Milon.


Das will ich dir gleich sagen. Solange ich hier in dieser Grotte wohne, und so lange sie meine Vorfahren bewohnt, die Pan selbst hierin erzogen, hat nie ein unerträglicherer Schwätzer mit seinem Rücken an dieser Wand gelegen als du. O du unerträglicher Saufaus und noch greulicherer Plapperer, wie du ermüdest meine Geduld! Ich wollt', ich wäre zehn Meilen von hier.


[80] Bacchidon.


Was schnarrst du? Was gehen mich deine Fratzen an! Wenn dir mein Stückchen nicht gefällt, was tobst du Esel dann?


Milon.


Platz' auseinander! Ich schwör' beim Cerberus, denn nun bin ich fuchswild. Sollst kein Maul voll mehr zu trinken bekommen, bis du meinen Hymnus angehört, solltest du auch drüber verzwatzeln.


Bacchidon.


Liegt da der Has'? Ich Ochsenkopf! Hum! Milonchen, mein Närrchen, mein Hühnchen! Wirst doch nicht bös sein? Nicht gleich bös sein! Will Silen's Reitpferd sein, Disteln fressen, mir die Ohren abschneiden lassen, wo ich's im Herzen mit dir arg meine. Wie, singst du denn heut' nicht? Wie, mein artiger Venuskeil? Laß mich doch nicht so lange warten. Geh doch, geh, mache einem alten Mann auch einmal ein Späßchen. Laß mich deinen Hymnus hören, mein Seel'! Sitze schon über eine Stunde hier, eine volle Stunde, lasse meine Ohren weit offen hängen als ein hungriges Füllen, laustre dir mein Fleiß auf. Sei doch so geizig nicht, sing doch, sing, sing, sing? Komm, will mit singen, Takt schlagen, Baß brummen, Chor schreien, heulen, bewundern, wie's gilt. Ah, eh' du anfängst, füll' mir noch einmal dies Glas, noch ein einzig mal; und um die Welt keinen Tropfen mehr. Genug! Will dies mit Verstand trinken, spitzen, suckeln, Tröpfchen für Tröpfchen, bis du fertig bist. Fang an! Schluk – drunten ist alles. Daß dich der Geier! Wie ging das zu? Ei du Gaudieb, hast mich am Aermel gestoßen, mir das Glas in den Hals gestoßen! Kann's nicht begreifen. Wundersame Sympathie! Magnetische Kraft!


Milon sprach nun hitzig:


Horch, Bacchidon, das letzte Wort! Laß mich jetzt gleich mein Lied vorsingen, oder ich glaub', du stoffelst mich; will dir's dann gesegnen, soll dir nicht schmecken wie mein Wein.

Als dies der Knabe sagte, hob er erzürnt den Stock in die Höh'. Ängstlich rollte der Satyr die feurigen Augen, denn ihm war vor Prügel angst; darum sprach er ganz leise: Ja, ja, ich will schweigen und horchen; fang nur einmal an.

Fröhlich ward's dem jungen Hirten nun zu Mute; entzückt nahm er die Leier, fing mit beweglichen Geberden und herzbrechender Stimme also an:

»Bacchus! Bacchus! Wie soll ich dich singen, umstirnter Evan, wie, o du unvergleichlicher Thyrsusträger du! Soll ich dich mächtig singen, wie du mächtig hinter einer Rebe lauernd der nächtlichen Luna kämpfende Drachen erhaschest? Erhaschest, sing' ich; denn damit die göttliche Schwester länger bei deinem Becher verweile, knüpftest du ihres Gespanns feuerschuppige Schwänze ineinander, zogst sie dann hoch auf, daß sie herabkreisten von deinem Weingelände, ähnlich Jovis flammenden Blitzen. Ja, das war ein Spiel! Oder soll ich dich singen, wie du epheugekrönt und thyrsusschwingend durch's heilige Cypern flohst? Um dich jauchzten taumelnde Faunen, den Göttern entsprungen; und der Wälder und Quellen Nymphen[81] gossen die Urnen vor dir, pflasterten deine Straße mit Blüten. Oh, oh! da gingst du stolz und königlich einher. Deine wehenden Locken schlugen harmonisch herab auf den goldnen Riemen, der anzog deiner schwellenden Schulter den Purpurmantel, daß ihn nicht dir nachgaukelnde Zephyrn mit leichten Fingern entwänden. O, wie ganz heilig warst du! Wilde Pardel führten ihre Jungen auf deinem Pfad, die trunkne Spur aufzulecken, wo dein heiliger Fuß stand. Krokodil und der grimmig jauchzende Löwe liefen wie weinende Kinder nebenher, bettelten Most und Trauben aus deiner vollen Schale. Ach, da gabst du ihnen, und sie nahmen und aßen fröhlich; war das nicht himmlisch anzusehen?«


Bacchidon.


Halt' ein, Milon, keine Silbe weiter! Hierauf muß erst getrunken sein! hierauf muß erst getrunken sein. Was das gesungen: Und sie nahmen und aßen – wie weiter?


Milon.


Und aßen fröhlich; war das nicht himmlisch anzusehen?

Bacchidon.


Göttlich Lied! Schenk' ein. Was das gedicht't ist! Schenk' voll. Ei du Spitzbub', lässest das ganze Glas leer. Keine Ehrlichkeit mehr! Muß gestehen ...


Milon.


Hör' doch nur weiter, lieber Bacchidon, jetzt kommt erst das Schönste.

Der Satyr trank und sprach: Wohl! wohl!

Aber der Knabe sang also weiter:

»Auch mutig bist du im Gedräng' der Schlacht, wo Hörner brüllen den Hügel herunter, auch beim Weinmahl. Ergriffst du nicht einst voll Kraft jenen rußigen Bock, den ausgesandt der ergrimmte Erebus, deinen heiligen Weinberg zu verheeren? An seiner buschigen Stirn faßtest du ihn, schleudertest ihn hoch, daß er hinfuhr über den Ozean in Neptuns wellenreiches Spiel, dem brausenden Walroß zur Beute. Ja, ja! Aber das ist zu traurig für meine Schalmei. Lieber will ich singen, wie du im Grünen scherzest, da, wo hüpfende Quellen herunterfallen von Klippen und unter biegenden Lauben plätschern. Wie munter bist du dann und vertraulich! Wie spaßest du dann glimpflich mit deinen Freunden! War es nicht ein götzlich Späßchen, als du einstmals deinem göttlichen Vetter, dem wackelnden Silen, einen dicken Kürbis auf den Rücken warfst, daß er wie von Jupiters Blitz gerührt mit seiner krummbehörnten Glatze in den Weinschlauch schlug? Befestigt am Horn blieb der Schlauch hangen, begoß ihn so stark, daß er fast im herausstürzenden Most ersoff. Geblendet lief er umher, zappelt' und spie den lieben Wein, den andere so gern genossen, mit so lächerlichen Geberden auf die Goldmäntel der Nymphen aus, daß lachend einer des andern Bauch halten mußte. O du majestätische Jovisbrut, so freundlich bist du und treu!


Bacchidon.


Oh! Oh! Jovisbrut! Keine Silbe weiter! Eingeschenkt! Ach! Ach! Guck, was das ein wohlgeschliffenes Glas ist.


Milon.


Es ist noch lange nicht aus. O mein Herzens-Bacchidon, jetzt kommt's erst; jetzt, jetzt!

[82] Bacchidon.


Proficat! Was das ein Jung' ist! Was mir das einen Jungen gibt! Auf dein dichterisches Wohlsein! Hem! Hem! Oh! Ach!


Milon.


O du herzliebster Bacchidon, gefällt dir's so gar wohl? Dir stehen ja Tränen in den Augen.

Bacchidon.


Oh! Oh! Hem! O Cerberus! Fast erstickt – Zu schnell getrunken, stecken geblieben! Daß dich der Hagel! Schenk' ein, daß ich's geschwind aus dem Hals spüle. Wohl! Sag', du hartherziger Knabe Milon, was machst du mit mir alten Mann? Machst mich vor Freuden weinen als ein Kind. Kann nicht weiter – Ist zu viel.


Milon.


So hör' nur zu Ende!

Und der Knabe füllte von neuem des Alten Becher, sang also weiter:

»Auch schrecklich bist du, Evan! Bessareus! Jacche! Freudenmehrer! Drum weihen wir dir Kränze, durchflochten mit Trauben und Obst, hängen sie an dir geheiligte Aest' auf. Ach, du Grausamer, sieh uns nicht an, wenn die Flamme deines Zorns weht; wir liegen auf unsern Bäuchen als gezähmte Schlangen, preisen deine Wunder. Wer will dir beistehen, wenn du rüstig deinen Nacken schüttelst, zurückgefallene Tiger erschrocken winseln, die Augen von deinen stürmischen Locken drehen? Ach! Ach! Hubst du nicht einst, Schrecklicher, die Nymphe Ariadne so empor? Drücktest sie an dein gieriges Herz, daß sie wollüstig herunterlehnt' auf deinen Hals ihr schmachtend Haupt. So glänzend beladen stehst du als einer, der mit der Flöte ein krauses Milchlamm gewonnen und es erfreut zu seiner Mutter heimträgt. Wehe! Wehe! Mich durchrast's ganz! Pardel wälzen sich vor dir, Weinkönig, knurren und werfen einander mit Trauben; dennoch bleibst du stehen, erhabner Bacchus, immer noch, teilst mit der Linken den Lockenknoten auseinander, der wie ein gülden Horn um der Nymphe schönen Wirbel sich dreht. Ach! Ach! Da rinnt herab deinem Schenkel wellig ihr blinkendes Haar, übergießt mit Glanz dein heiliges Knie. Wärst du ein Mädchen und säßest so, schwören wollt' ich, du seist Danae, ihr Haar Jupiter, der sich gülden hinregnen wollte in deinen Schoß. Ach, aber so bist du ein wohlgemachter Knabe; auch dieses sieht das Nymphchen gar wohl, verbirgt ihr schämend Angesicht unter deine schattige Locke. Aber, du Grausamer, lächelst rüstig herab auf ihre Brust, die da hüpft artig und weich, wie zwei Turteltäubchen hüpfen nach der Flöte gelernt. Hätten sie Mäulchen, küssen werden sie sich, so wohl ist ihnen. O! O! O! Nun rufst du hoch, bäumst auf die wilde Brust, wirfst über den grunzenden Tiger das Joch, sprengst hinan, heulend: Mein ist sie! Mein! Mag ein Höllengott kommen, einer vom Meer oder der Erde, Hand anlegen an meine schöne Beute, daß er falle vor meinem Wagen! – So aufgeschwungen jagst du der Grotte zu, denn dir blökt die Seele, wie ein junges Mailamm blökt, wenn es unter der Mutter [83] hervorspringt. Drum wende von uns dein Antlitz, wenn die Flamme deines Zorns weht; wir liegen auf unsern Bäuchen als gezähmte Schlangen, preisen deine Wunder, Amen!«


Bacchidon.


Bist du fertig? Haben wir nicht morgen Rosenfest oder übermorgen?

Milon.


Sag', wie hat dir mein Gesang gefallen?

Bacchidon.


Wenn's Regen gäbe, könnten wir nicht tanzen. Ist der Himmel hell?

Er schenkt ein.


Milon.


Mein Hymnus, Bacchidon! Wie ...

Bacchidon.


Schweig doch Junge! Ist eine gewaltige Sache um Musik, erschrecklich und schwül, graus und erhaben; trinkt es wäre lang davon zu sprechen, meinst du nicht auch?


Milon.


Was? Was?

Bacchidon.


Ah, dein Lied? Fragst du nach deinem Lied? Unvergleichlich, göttlich, meisterhaft! Wie, mein rüstiger Apollo, kannst du so was fragen, wie's einem gefallen hat? so einen versuchen? Ach, mir fällt ein gutes Exempel ein, mein Seel', ein gutes Exempel; weißt du, wie mir's gefallen hat? weißt du, wie? Schenk' ein, dein Lied ist wie dein Wein; wie dein Wein, schenk' ein, dein Lied ist wie dein Wein.


Milon.


Ha ha ha! Machst gar Verse. Aber, lieber Bacchidon, hilft hier Wollen wenig. Hast so tapferlich meinem Schlauch zugesprochen, daß er nun aufs letzte Glas leer ist. Sieh!


Bacchidon.


Hab' ich so viel getrunken? Wie ging das zu? Das ist im Entzücken geschehen – Daran ist dein warmes Lied schuld. O der Kukuk, hättest mir's sagen sollen, hätte keinem andern um zehn Böcke so viel getan. Nein! Mag dir's Jupiter vergeben, Junge, daß ich mich deinetwegen so verderbe ...


Milon.


Schön, willst gar noch prahlen; gut, gut, will diesen übrigen Pokal auf die Seite stellen.

Bacchidon.


Auf die Seite stellen? Ist denn noch da?

Nun guckte der Alte und sprach wieder: Mach' keine Narrenstreiche, gib doch her, wenn noch da ist. Für was auf die Seit' stellen? Was? kann mir einer sagen, daß ich solch ein Wort gesprochen? Ein schön Wegstellens; schöne Manier, einem das Wort im Maul verdrehen und zum Uebel legen – Den Becher her, oder du bist ein Erzhalunk', ein verpest'ter Dieb, der kein'n ehrlichen Blutstropfen im Leibe hat, mich verlästern will, sagen will, könne nicht aushalten, ich! Hüt' dich vor dergleichen Laster, so einem geht's hie und dort nicht zum Besten.

Nun gab's ihm der Knabe Milon. Bacchidon trank's aus, guckte in den leeren Grund und sprach gelassen: »So geht's. Alles dauert nur ein Weilchen. Drum, Kind, laß gehen, stehen, wie's will; wer am längsten lebt, erbt die ganze Herde. Aber sag', wo wollen wir morgen schmausen?


[84] Milon.


Wenn du heut' hübsch ordentlich bist, kann's morgen noch einmal bei mir sein.

Bacchidon.


Wie? Mein Herz, was verlangst du denn? Sag's doch geschwind, mein lächelnder Coridon, meine Waldlerche, mein Phönix!


Milon.


Sing mir jetzt ein Lied! Komm, schadlos mußt du mich doch mit etwas halten. Habe nichts trunken; sing mir, ich weiß, du hast eine treffliche Stimme.


Bacchidon.


Die Wahrheit zu sagen, nein. Meine Stimme ist nicht fein, ist so schnarrend, wie soll ich doch sagen, borstig, widerstrebend, zu vergleichen einem Igel.


Milon.


Sing, Sing!

Bacchidon.


Je, Närrchen, quäl' mich doch nicht so! Kann dir nicht singen. Schweig davon, sieh, daumensdick läuft mir der Schweiß, da ich nur davon höre.


Milon.


Mein Lebtag keinen Schmaus mehr!

Bacchidon.


Kannst du so gottlos sein, daß dir's nicht ans Herz geht, einem alten Mann als ich so Schweiß abzujagen? Wie? Soll ich verbrennen? Willst du mir tropfenweis wieder den Wein abzapfen, willst mit meiner Gesundheit dein Ohr füttern, dich an meiner Angst laben? Soll ich diese maullosen Felsen mit Herzwasser tränken, he? Böses will dir nicht wünschen, aber bedenk, daß du über den Phlegethon willst: mögen dir's die drei Biedermänner dort verzeihen, wenn du so denkst! Gewiß, mein Sohn, ich lasse jedem gern das Seine, mag nicht mehr können, als ich kann; wenn du neben der Leier dein Plätzchen hältst, so hab' ich das meine neben dem Becher. Neide niemand; einer kann nicht alles haben. Junge, geh fort! Hier läßt sich's trefflich schlummern.


Milon.


Nichts schlummern! Beim Styx, mußt singen, oder ich binde dich und will dich zum Gespötte ...

Bacchidon.


Fluch' nur nicht! Wenn's sein muß, will ich auch; sonst um die Welt nicht. Hilf mir nur ein wenig auf. Es schallt nicht, wenn man sitzt, bleibt alles im Bauch. He, du Schlingel läßt mich auf den Bauch fallen, zerplatzen!

Nun hielt der Knabe Milon den alten Satyr an die Wand gelehnt empor; mit der Linken fingert' er auf seinem Haberrohr, mit der Rechten hielt er den Fleischhügel von hinten umschlungen.

Der Satyr sprach: Spiel', hilf mir ein wenig in Schuß; langsam, langsamer! nicht so springend! taktmäßig und klar! Singen soll ich, singen – und doch ist der Schlauch leer. So will ich denn hier stehen über ihm, mit Fingern herabweisen und schreien: »Leer! leer! Kann man was sagen herzrührender, tragischer? Bedenkt's selbst und sinnet ihm nach! Ja, du sehr leerer Schlauch, wärst du nicht leer, so wärst du voll! Wie wohl wär' dir, wie wohl wär' mir! Nicht traurig müßt' ich dann über dir stehen, Tränen mit Schweiß vermischt auf dein Grabmal herabgießen; nein, lustig[85] säß' ich neben dir hin, wollte dich mit Rosen bekränzen, als ein Bräutigam seiner Braut tut; wollte dir süße Worte geben, als ein Bräutigam seiner Braut gibt – Aber ach, dies ist vergebens! – –Tot, runzlich, entstellt liegst du, zuvor so angespannter Schlauch, ähnlich einer Barke, deren volle Segel ein Sturm zerrissen, still als ein aufgesprungner Dudelsack, unbrauchbar als ein Bogen ohne Pfeil. Gern, herzliebster Schlauch, wollt' ich länger bei deiner Leiche weinen, stünde nur, wie sich's gebührt', neben deiner Bahre ein wohlgezogenes, junges, vollbackiges Schläuchlein, dein Sohn oder Enkel, der mir hernach auch wieder mit Mildigkeit meine Bekümmernisse hülfe abwälzen vom Herzen, mit seinem Balsam wieder abwüsche meiner Tränen Salz. Aber wehe mir Trauermann! Der Erblichene war eine Waise. Mags's ein anderer, der ein härteres Herz hat' aussingen; mir blutet die Seele zu viel, weiter kann ich nichts als seufzen: Leer! Zu früh leer! Ach armer Weinschlauch!«

So sang Bacchidon, und nun ließ ihn der lachende Knabe los. Am Ufer taumelte der trunkene Satyr fort, seiner Höhle zu; viel heult er noch unterwegs vom leeren Weinschlauch, und der doppelzüngige Widerhall streckt sein Haupt aus dem hohlen Ufer jenseits und heult's ihm nach.

Trinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

Trinklied deutscher Künstler in Rom

Laßt in Rom beim Saft der Reben,
Brüder, fröhlich heut uns sein,
Da die Parzen noch das Leben
Zugemessen uns verleihn!
Morgen kann das Grab uns decken
Oder doch das Scheiden schrecken:
Drum soll heute frisch und rein
Zum Gesang die Lust uns wecken.
Recht so, Brüder, ohne Säumen
Reiche jeder her die Hand.
Fröhlich laßt den Becher schäumen,
Angefüllet bis zum Rand.
Deutschland hoch! Hoch deutsche Treue!
Reicht die Händ' euch, schwört aufs neue,
Treu zu sein dem Vaterland.
Deutsche Kunst geb' uns die Weihe!
An die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[86] An die Liebesgötter

Dem Landschaftsmaler Ferdinand Kobell gewidmet.


In diesem Regenwetter,
Was schwärmt ihr um den Hain?
Ihr liebsten kleinen Götter,
Kommt doch zu mir herein!
Horcht, wie die Stürme heulen,
Durch jene Felsenkluft!
Die grauen Lerchen eilen
Gebadet aus der Luft.
Kommt hurtig doch geflogen,
Damit der Regen nicht
Erschlaffe euren Bogen,
Euch eure Pfeilchen bricht!
Kommt, hängt zu meiner Leier
Den goldnen Köcher hin,
Den Bogen auch! Zum Feuer
Setzt euch um den Kamin.
Und singt mit süßer Kehle
Mir meinen blonden Freund,
In dessen großer Seele
Sich Kunst und Geist vereint.
Was brauch' ich ihn zu nennen?
Ihn nennt die ganze Welt:
Den Kobell müßt ihr kennen!
Sonst, Knaben, wär's gefehlt.
In Cypris dunklen Hainen
Steht er in hoher Ehr;
Die Grazien', ihr Kleinen,
Sind immer um in her.
[87]
O, der hat hohe Gaben!
Der malt euch eine Flur,
Ein' Wasserfall, ihr Knaben,
So schön als die Natur.
Ihr hört die Weste wehen
Herab in's kühle Tal;
Ihr schwört, die Sonn' zu sehen
Und fühlet ihren Strahl.
Auch ehret er die Weisen
Und liebet Scherz und Wein.
Ihr müßt, ihr müßt ihn preisen,
Wenn ihr mir lieb wollt sein.
Denn, goldgelockte Kleinen,
Sehr zärtlich lieb ich ihn.
Ach, ach! Ich möchte weinen,
Daß ich nicht bei ihm bin ...
Ein Kranz wollt' ich ihm winden
Von Rosen, Balsamin
Und süßen Hyacinthen
Und duftenden Jasmin,
Daß er in heißen Tagen
Um seine Stirne weht,
Wenn über ihn der Wagen
Der goldnen Sonne steht.
GeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

Genius

Schatten leiht die Palette dem Maler, aber es wandelt
Um der Genius leicht sie zu ätherischem Licht.
Auf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[88] Auf Lessings Tod

Klagt, ihr Musen, klaget! schmucklos walle
Aufgelöst das Haar am Busen schwer;
Dämpft die Leier, daß sie traurig schalle,
Lessing, ach der Edle! ist nicht mehr.
Umgestürmt so von des Eurus Flügel,
Kracht und sinkt die Tanne mir Gewalt,
Sie, die Zierd', der Schmuck vom nahen Hügel,
Sie, die Königin vom hohen Wald.
Gleich der Pallas sitzt die hehre, schöne
Melpomene an der Urn' und weint,
Von Thalias Wange rinnt die Träne,
Schwesterlich in ihren Schmerz vereint.
Und der holde Schutzgeist des geliebten
Teuern Vaterlandes klaget laut,
An den Fels gelehnt, gleich dem betrübten
Bräutigam, am Grabe seiner Braut.
»Ach Camönen! eure Augen gießen
Schmerzen um den Edeln nicht allein,
Tausend, tausend! heiße Tränen fließen,
Seht hinunter am gehörnten Rhein,
Wo Lyäus aus der goldnen Schale
Unter Lauben selig Nektar trinkt,
Und vom Mainstrom, wo zum frischen Mahle
Froh Pomona jedem Gaste winkt,
Bis zur Donau und der Elbe breiten
Ufern und hinauf bis an das Meer,
Wo sich Phöbus golden am beschneiten
Eisberg spiegelt, und das blaue Heer
[89]
Blasender Tritonen mit bereiften
Bärt'- und Schultern durch die Wellen gehn,
Bis wo rechts und links die weitgeschweiften
Bögen sich des weißen Nordpols drehn,
Höret ihr die Klage weit erschallen.
Lessing, Lessing! seufzt der Nachhall schwer,
Ach, ein Edler, Teurer! ist gefallen,
Ach, ein Teurer, Edler! steht nicht mehr.
Und er schwieg, ein banges, tiefres Stöhnen
Schloß in mir die Pforte jedem Laut,
Mich durchströmend nur ein heißres Sehnen,
Seinem Geist zu nahen mich, vertraut;
Einen Blick in seinen Blick zu senden,
Nun entfesselt ganz vom Sinnentrug,
Ihn zu flehn, voll Mitleid mir zu spenden
Einen Strahl aus höherm Sternenflug.
Ach umsonst! die Zaubermelodieen
Stillten augenblicklich nur das Herz,
Bang' erwachend, sinkt bei deren Fliehen
Neu und mächtiger auf mich der Schmerz,
Qual und Jammer, ungeheuern, schweren
Felsen ähnlich, sinken sie herab:
Ach, du bist dahin! o fließt, ihr Zähren! –
Doch umsonst, ihr findet nicht sein Grab.
Wo, ach wo? um Romas Mauer hallet
Meine Klage, Teurer! fern von dir,
Fern von deines Grabes Hügel wallet,
Irrt mein Fuß in Schutt und Trümmern hier.
In die Wölbung alter Bögen schlagen
Diese Seufzer hohl; die rege Luft
Trägt mit leichtem Fittich meine Klagen
Zu den Nymphen in die Felsenkluft.
In die Tiber rinnen meine Zähren,
Hier am Ufer sitz' ich, fremd, allein;
Nacht umhüllt mich; meinen Harm zu nähren,
Rötet Luna ihren Silberschein.
Hofft' ich das, als du, noch stark und munter,
Mich in deine Arme schlossest, frei
Angelobt mit mir zu leben unter
Welchem Stern und Himmel es einst sei?
O, ihr grünen Neckartäler! Sitze
Meiner Fürsten; moos'ger Mauernring,
[90]
Wolfsbrunn, und du Jettas Felsenspitze
Saht's! wie ich an seinem Halse hing,
Wie er mich, ich ihn zum Freund erkoren,
Daß ich's nicht vergessen soll, noch kann!
Ach er war so ganz für mich geboren,
War so ganz, so ganz! ein Mann, ein Mann!
Aller frohe Scherz der Lippen, Bester!
Jener Augen Blitz, dein reiner Sinn,
Jene freie Stirne und dein fester,
Wohlgebauter Körper ist nun hin!
Hin die Hoffnung, die mir so geschmeichelt
Mit der frohsten Zukunft goldnem Schein,
Ach! es war vom Glücke nur geheuchelt,
Alles sinkt in Nacht, ich steh' allein;
Gleich dem armen Schiffer, der nach tausend
Fehlgeschlagner Müh' ein Schiff erbaut;
Stark an Mast und Segel geht es, sausend
Spielt der Wind im Wimpel; fröhlich schaut
Der Erbauer, über blaue Wellen
In Gedanken eilend an den Strand,
Wo Fortunas Hörner üppig schwellen,
Goldner Plutus thront auf Perlensand.
Schon im voraus erntend, hängt entrücket
Er im Traumgenuß am Schattenglück;
Ha, ein Blitz, der schnell hernieder zücket,
Trifft das Schiff und schmettert ihn zurück.
Nackt und elend an die Klippe wieder,
Ärmer als er je dem Tod entrann,
Und Verzweiflung schlägt ihn zweifach nieder –
Ha, wie töricht, töricht ist der Mann,
Der sich warmer Seele hin zum Guten,
Edeln, allzu nahe drängt im Feu'r!
Seht! wie mir jetzt Herz und Ader bluten –
O die Wonneblicke kauft' ich teu'r.
Besser, ha! dem Edeln gleich entfliehen,
Eh' ein wallend Herz sich fest verstrickt,
Als sich solchen hungrigen Harpyen
Überlassen, so die Seel' zerstückt!
Dreimal selig, ha! zurückgezogen
Hinters Schild der rauhsten Stoa fest,
Wie die Muschel in dem engen Bogen,
Wie die Schneck' in ihrem Felsennest.
[91]
Einsam, ha! nur ruhig; sich versagend
Alles, schauend, schaudernd weg sich drehn
Vor dem Edeln, als hernach so klagend,
So entwurzelt und zerrissen stehn.
Ha, wo schwank' ich! o Vernunft, du reine,
Hohe Götterjungfrau! stählst mein Herz,
Ja ich sänk' in Staub hinab, wenn deine
Starke Rechte mich nicht hielt im Schmerz.
Leise lispelst du und überschwänglich
Strömet Trost, die bange Brust erbebt,
»Alles,« rufst du, »alles ist vergänglich,
Was vor deinen Sinnen lebt und schwebt.
Der Gestalten steter Wechsel schlinget
Neue Schönheit in der Schöpfung Kranz,
Immer neu'res Leben quillt und springet
In der Dingen vollsten Reihentanz.
Ist der Wechsel dir ein ewig Scheiden?
Weckt der Übergang aus Klang in Klang
Bei der großen Harmonie dir Leiden?
Schauderst du beim schönsten Übergang?
Harmonie dir alles! alles strebet,
Hebet und bewegt sich nur durch sie;
Jener helle Stern dort oben, klebet
Mit dem Erdenstaub in Harmonie.
Ganz verschließet nicht des Grabes Hügel,
Was ein sterblich Auge hier beweint –
Bleibst du nicht umfaßt vom Allmachtsflügel
Immer noch mit deinem Freund vereint?
Grüble nicht was eitel sein kann, reiße
An dem Schleier nicht, den Vorsicht wand;
Der vollendet seinen Lauf nur weise,
Der sich leiten läßt an Vaterhand.
Er, der Ewige! Wer mag ihn nennen?
Born der Kraft, der Weisheit er allein!
Tausend Sonnen, die dort flammend brennen,
Sind von seinem Licht nur Wiederschein.«
Auf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[92] Auf Moses Mendelssohns Tod

Nachtigall:

Schwan, wer hätte geglaubt, daß je die Eule sänge;
Hörst, wie linde, wie rein dort auf Mendelssohns Grab?
Schwan:

Einfalt! Wie du nur sprichst, als ob die Eule das sänge!
Ist's doch Minerva selbst, die den Geliebten beweint.
RatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

Rat

Störe keinen in seiner Meinung, doch laß dich beherrschen
Niemals durch Anderer Sinn. Traue dem eignen Gefühl.
Sicher leitet es dich zum Wahren, Guten und Rechten;
Aber des Freundes Wink ehre und achte stets hoch.
Der Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

Der Jüngling und der Waffenhändler

Einst zu dem berühmten Waffenhändler
Kam ein Jüngling. Lehre mich gebrauchen,
Bat er, deine starken, schönen Kriegerwaffen,
Daß ich tapfer sie mit Anstand führe,
Wenn zum Kampfe die Trommete ruft.
Drauf der Alte, mit dem Kopfe schüttelnd:
Sieh', die Waffen stehn hier zum Verkaufe,
Schmieden lernt' ich sie, doch nimmer führen.
Anders ist's nicht mit den Theorien,
Von den Meistern fein und klug ersonnen.
Anzuwenden, praktisch zu bewähren
Fehlt die Kraft den Meistern, und je blanker
Ihre Waffen glänzen, desto seltner
Taugen sie, wenn's gilt, im Waffentanze.
Auf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[93] Auf die Leier des Orpheus

Unter Sonnen glänz' ich – o gelber Neid, warum grollst du?
Alles beschattende Nacht leiht mir nur grelleren Schein.
Achilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

Achilles Lied

Bändige meines Unmuts Feuer,
Bändige meinen lodernden Busen,
Goldumspannte Leier!
Bringe die Töne zurück,
Jene sanften Töne,
Darin die goldgelockte Fürstentochter tanzte,
In dem ihr zarter Finger über ihre Saiten lief.
Dann kam ich, belastet von Beute –
Sie tanzte mir entgegen!
Ich ruhte in ihrem Arm.
Aber nun, wo ist sie, wo?
Sie haben mir sie geraubt.
Hebe hoch, dein Haupt, Troja!
Kein tapfrer Grieche fecht' mehr,
Und du, Speer und Schild, traure!
Keine Lorbeern fallen auf euch herab.
Schon sehne ich mich zurücke,
Zurück nach meinem Vaterland
Und den geliebten Tannenwäldern
Und singe unter dem Schatten
Meiner tapfern Voreltern
Geschichte – jene Helden,
Die Himmel und Erde bewundert –
Auf, ihr Schiffe, auf, davon!
MorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[94] Morgendämmerung

Ich steh an einer Linde
Und lausche durch den Hain;
Und rufe dir, Belinde,
Voll stiller Liebespein.
Mit purpurroten Wangen
Voll schmelzendem Verlangen
Hüpft Zephyr durch den Hain
Und suchet seine Flora
Am Busen der Aurora,
Geweckt von gleicher Pein.
Noch schlummernd unter Rosen,
Die ihre Brust umglühn
Und spielend sie liebkosen,
Sieht ihn die Göttin fliehn.
Sie hascht ihn bei den Locken,
Die seinen Nacken fliehn,
Flicht Hyacinthenglocken
In seine goldnen Locken
Und herzt und küsset ihn.
Nun tanzen sie an Quellen
Verliebt im goldnen Hain,
Versilberen die Wellen,
Umsticken rund die Quellen
Mit Maienblümelein.
Wo find' ich dich, Belinde,
Belinde, du mein Licht?
Ich suche, ach ich finde
Dich unter Rosen nicht.
Ich suche dich in Sträuchen,
Die Vögelchen durchschleichen,
Die, wie ich, brünstig glühn.
Ich tappe unter Eichen,
Wo Lilj' und Veilchen blühn.
Der Tau fällt von den Zweigen
Auf meine Locken hin.
[95]
Schon ist ein Heer von Westen
Im Myrthenbusch erwacht
Und spielet unter Aesten.
Schon eilet von den Festen
Nach durchgelachter Nacht
Der frohe Schwarm von Scherzen
Mit abgebrannten Kerzen
In bunter Flügel Tracht.
Schon steigt vom goldnen Wagen,
Den Silberwolken tragen,
Aurora in das Tal,
In dicht verflochtnen Buchen
Den Liebling aufzusuchen,
Gejagt von Amors Qual.
Die goldnen Locken fliegen,
Von Rosen durchgeschmückt –
Sie sieht den Schönen liegen
Mit seligem Vergnügen,
Der ihre Brust beglückt.
Sie geht und pflückt Narcissen
Und kränzt ihn unter Küssen.
Von ihres Busens Schlägen
Erwacht der schöne Knab –
Ein bunter Blumenregen
Fällt über ihn herab.
Amynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

Amynt an Mirons Grab

Mirons treues Herz! Hier – scharrte man es ein!
Eine Welt voll Liebe decket dieser Stein.
Nach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[96] Nach Hahns Abschied

von Zweibrücken Ostern 1775.


Ach, sie singet, die brünstige Finke,
breitet den zarten Flügel übers vollendete Nestchen,
zwitschert – und schlummert zum erstenmal wonniglich ein.
Und du, mein Freund, ferne! ferne!
Schüttle den Tau, wehender Nachthauch! ich schaure!
schüttl', ach schüttl' ihn mir,
daß ich senke diese reifende,
dem Herzen entquellende Zähre
auf die Viole ... Hat er's gehört?
O des Zärtlichen, er hat's gehört –!
Murmelt und schüttelt – – Meine Träne
gleitet sachte die Wang' herab!
Ach kein Mädchen, kein Freund!
kein zärtliches, zärtlicher, ach!
der ich sie breche,
dem ich sie gebe,
diese dir tränenbetaute Viole!
Und so muß sie einsam welken,
so geschmückt mit meiner Wehmut,
sterben, unbetrauert, ungeliebet, ach!
Mag sie doch – sinken, liegen, im Winde zerstieben!
Meine Wehmut mit ihr!
Bist du doch glücklich, Geliebter!
geliebt am Herzen derer, die meine Seele liebt!
Ha! dies wilde, pochende,
dies unaufhaltsam fliegende,
dies ängstlich tragende, mitfühlende Herz!
das, unglückselig ewig,
barbarisch immer aufnimmt und trägt!
Wie's drängt', wie's tobt! dir vorwärts nacheilt,
und mich peinigt und quält,
und meine Sinne zerrüttet,
und mir die Nerven zerreißt!
[97]
Wachs't zu Einem Freund', ihr Freunde!
Ach Seligkeit des Himmels
träufelt nieder dem,
der des Geliebten Busen umschlingt!
O ich weine, da du, Trunkner,
da du, Seliger,
an Stollbergs Busen dich knüpfst.
Genieße! und gedenke meiner!
Ha! gedenke meiner, wenn du tränenschauernd
unter der Liebe Fülle versinkst
und du am Herzen liegest dem
o wie soll ich ihn nennen!
Vater! Freund! Vater!
Klopstock! Klopstock! Ihm!
Wenn du an ihm hängst
und herzerdrückend, zermalmend
über dir die Wonne liegt,
o, dann reiße dich auf, atme und schaure
und gedenke deines Einsamen hier;
und, indem du noch einmal
die geliebte Stirne drückst,
gedenke deines Einsamen hier
und wehmütig und leise so:
Der, der jetzt noch um mich klaget,
schmachtend den Frühling verseufzt,
o, des einsamen Jünglings –
er liebt dich ewig wie ich!
Am Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

Am Eingange des Tales, wo Hermann den Varus schlug

Weich', o Römer, zurück! Das Grab hier der Legionen,
Hier des herrischen Roms Orkus! – weiche zurück!
Rudharts HaßAm Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[98] Rudharts Haß

An dem felsigen Abhang des Mains saß Rudhart
und blickt' zu Orlas Ritterburg hinan.
»Werden denn ewig – rief er – diese Türme stehen?
Wird kein Donnerstrahl sie zerschmettern?
Verflucht sei die Hand, die den ersten Stein dazu brach!
Meiner Rache hat sie gehöhnt.
Mutter, sitz' auf jene Klippe,
sing dem Verzagten ein Lied
und höhne mir den Narren herab:
Ein kriegrisches Lied voll Haß und Groll und Schande und Spott!
Mit ihm, Orla, muß ich heut kämpfen!«
»Soll denn ewig Haß deine Stimme umwölken?
Großmütig ist der Ritter. –
Was tat er dir, mein Sohn, daß du ihn hassest?
Daß er dich, als du überwunden vor ihm standst,
nicht fesselte und dich in tiefe Gewölbe warf,
wo weder Frühlings- noch Sommershauche hindringen?
Dein Handschlag galt ihm – gedenke,
was du tust!
Ich singe zum Kampfe kein Lied.«
»Nicht? So singe ich selbsten!« – Nun tönte das Tal,
dreimal hallte es um die Burg.
»So sei's denn – rief Orla – morgen hinab
in's blumige Tal – ehe die Erde erwacht.«
Und nun standen sie gegeneinander.
»Warum – rief Orla – warum suchst du den Kampf?
Jüngling, was reizet dich?«
»Ich hasse dich,« rief Rudhart.
Du hast mir alle Ritterehre geraubt –
Du gewannst im Turnier den Preis.«
»Und ich – rief Orla – liebe dich –«
»Verflucht sei deine heuchlerische Zunge!
Erzähle Weibermärchen und schläfre Kinder ein.
Ich hasse deine Gütigkeit.
Zurück, zurück! Mein Schwert soll dir's vergelten!«
– »Noch ein Wort, Jüngling! Vater bin ich.
Dies sage ich nicht, dich zu erweichen,
nur darum: Schwöre, ehe du streitest,
der Kinder, fall ich, dich zu erbarmen.«
»Laß die Erbarmung schweben, wohin sie will!
Für dich keine!« –
Ha, nun hallte das Schild und das Schwert!
»So nimm dies!« Zersplittert war das Schild,
und Rudhart wankt zu Boden.
[99]
»Soll ich meinen Fuß auf deine Kehle setzen – sieh das gezückte Schwert!
Du würdest mich nicht schonen. Aber stehe auf, Jüngling.
Reich mir deine Hand und du bist frei!«
Oben im Schlosse weinte der Schildknapp
an der Gräfin Orla Schlafgemach – sie hört das Schluchzen.
»Fort eilt sie! denn ach, verlassen hatte ihr Gemahl ihre Schlafdecke,
zum Kampf aus ihren Armen sich gestohlen.
Sie nahm die gelblockigen Knaben
hinab ins Tal. Da kam sie, als noch der überwundene
Rudhart zu ihres Gemahls Füßen lag.
An ihrem Vater hingen die Knaben und weinten
und schluchzten und zitterten noch da, als er sie liebend
in seine Arme nahm, an seine Brust gedrückt
für sein Leben.
»Lade mir, kleiner Kleeblut, lade den Ritter ein!
Sag' ihm, er bleibe bei uns zum nächtlichen Mal.«
Aber des Nachts als alles schlief, stand Rudhart auf.
»Ich habe es gesehen, wo die Knaben schlafen.
Sie sollen sterben – sterben! Ich will sie
würgen, wie Lämmer an der Brust!
Kommen meine Reiter bald?
Sie sind unten – nun auf! Rache
ersticke meinen Busen, denn ich räche mich!«
Nun tritt er in die Kammer – da lagen sie
wie zwei Lämmer, Arm in Arm geschlungen ...
Er riß sie hervor! »Wohin willst du mich führen?
fragte der eine, »laß mein Brüderchen schlafen!«
Die Ärmchen auf den Rücken gebunden
führt er sie hinauf zum Giebel des Turmes.
Und – o Jammer, wer solches hört: –
Dort stürzt er sie hinab!
Aber ach, sie fielen auf den Erker,
wo der Vater schlief – dort röcheln sie blutend.
Mit dem Schwert in der Hand sprang er hervor:
»Ach meine Knaben! meine Kinder!
Ihr sterbet, sterbet, meine Knaben –
Mutter, Mutter! hier liegen sie ...«
Nun heulte er durch die Feste
und suchte den Täter – bis der Tag anbrach.
»Hervor, Wütrich! Teufel, hervor!«
Da lag er – seine Knochen verwehte der Wind
und sein Andenken ist auf ewig verflucht.
Es freut sich nur seiner die Hölle.
Huldigung der TiereRudharts HaßAm Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[100] Huldigung der Tiere

(Weitere Folge der Idyllen: Adams erstes Erwachen und erste selige Nächte.)

Adam Beschreibung einiger Tiere. Adam Segen über sie

»Vor mir huldigt die ganze Natur: Alles Getier der Erde, alles Gevögel unterm freien Himmel, alles Gewürm, das auf der Erde kriecht, was lebt und webt, sang und sprang, aus Höhlen und Büschen im Meer und auf dem Lande, vom Größten bis zum Kleinsten mancherlei Art – alle sammelten sich nun und kamen herbei, vom ersten Menschen ihren Segen zu empfangen.

Sie gingen gepaart, standen oder lagerten sich vor mich hin auf die Erde. Die Vögel aber saßen auf Zweigen und schwebten über meinem Haupte daher. Gefleckte Hirsche mit ihren Rehen – Tirza, du liebst sie so sehr! – strichen damals freundlicher noch über die Auen zu mir. Dort gingen zahmere Tiere, Stiere mit schweren Nacken, Rinder und Ziegen und Schafe – sie ließen die fette Weide, kamen zu Adam herab. Allerlei Waldtiere sprangen nun aus dem Gehölz herüber. Voran schritten die Heldentiere, zuerst der Löwe.

Ganz Mannheit, behende Stärke, gedrungene Kraft geht er daher, wirft zurück den stolzen Nacken, das trotzige Haupt und schüttelt die wilde, gelbe Mähne. Mut ist seine Ruhe. Zum Kampfe geboren, greift er alles an im edlen, aufgereizten Zorn. Nur Schwachheit verschmäht er. Fürchterlich schön ist er, meine Kinder, wenn er, von Schrecken begleitet, zum Raube ausgeht, runzelnd die Stirn, zwei Flammen seine Augen. Das Schnauben seiner Nase schon macht seine Opfer feige. Er schlägt sich um die Lenden mit seinem Schweife und reizt sich immer zum Kampfe an: Panther heulen dann, die Tiger verkriechen sich in ihre Höhlen. Er aber jagt immer voran in der Kraft seiner Lenden. Ferne folgen ihm die hungernden Luchse, sich vom Überfluß seiner Beute zu nähren. [101] Er ist ein gewaltiger Held, ein Führer bei Nachtzeit. Im Dunklen ist sein Gang, des Waldes Tiere gehorchen ihm strenge. Ferner Donner ist sein Geheul, Sturm sein Schnaufen. Die schüchternen Rehe zagen dabei, die entmannten Rehböcke fahren angstvoll zurück. Gerne bewohnt er die Höhlen im grünen Walde, wo der Strom am Felsen sich bricht, oder an kühlen Brunnenquellen. Dort schlummert er gerne beim Wellenrauschen. Es weidet am Mittag das Wild von den Bergen herunter, scheuet zu trinken vor ihm. Aber damals kam er zu Adam so freundlich, so edel unter'm Zedernschatten hervor. Er stand vor mir, zur Sonne hinauf gähnend; seine gelbe Mähne kehrte den Sand.

Schön war er, herrlich schön! Ich lobt' ihn, faßt' ihn am Hals, schmeichelte ihm. Er duckte sein trotzig' Haupt unter meiner Hand, er leckte meine Brust mit scharfer Zunge.

Hinter ihm drein tappt nun der rauhe Wintermann, der zottige Bär. Eignen Pfades geht er, wie Gott ihm angewiesen nach seiner rauhen Natur. Schwarzbraun ist seine Farbe. An Kraft ist er fast dem Löwen gleich, aber von düsterem Sinn. Er liebt nicht den Gesang der Vögel, noch des Menschen Stimme; viel lieber steht er an wetterverschlagener Fichte und späht, von woher die Imme fliegt und wohin sie ihre Waben verbirgt; so schleicht er dann bei Nachtzeit herbei, ein fleißiger Wächter, und leert die Fülle des Honigs reinlich aus. Er ist lustig nach eigenem Mute. Ihm genügt nicht das Aas, er rührt nicht an, was er nicht selbst geschlachtet. Da geht er gerne im kühlen Waldbach; forscht, wo etwa die Ameise baut, zertritt ihr Nest, stört es durcheinander und sammelt dann mit scharfer Zunge ein. Im Winterjahr, wenn die Sonne zurücktritt, die Erde erstarrt, alles Grün wieder den Wäldern entfährt, sucht er sich oft ein Lager aus unter freiem Himmel – dort liegt er dann in fauler Ruhe, läßt über sich ausgehen des Winters Strauß, daß es herunterhagelt auf ihn mit Schnee und Schloßengestöber und Eis darauf hin, und er tief bedeckt liegt vor aller Welt, fest schlummernd und harrend das rauhe Jahr durch; bis der Lenz ihn wieder schüttelt, über ihm auftaut, die Biene bald wieder ihren Honigflug zur Erde beginnt – dann schüttelt er sich auf, steht auf wunden Füßen und blinzt in die Welt. Er hört das frohe Summsen, erquickt sich, hebt die Ohren und erinnert sich von neuem des Honiglebens.

Jetzt kamen auch der helläugige Luchs, der gefleckte Tiger, der raubgierige Wolf – Melboe, meine Sanfte, du kennst den; erst gestern hat er dich weinen machen um dein schönes Lamm – Tiere, die jetzt grausam sind, die euch jetzt fliehen, die ihr scheut, kamen damals so vertraulich zu mir, lagerten sich neben mir ins Grüne nieder oder spielten liebreich zu meinen Füßen.

Nun kam auch der Tierberg Elefant im sichern Schritte daher. Breit ist sein Schatten, er umnachtet die Flur, lichtgrau seine Farbe; über alle Tiere ragt er in fester Größe wie ein Berg Gottes über [102] niedere Hügel hervor. Mild ist sein Anblick, freundlich sein Auge, stolz sein Gebiß, sein Gang voll Adel. Er liebt alle Tiere, hat einen fröhlichen, vertraulichen Mut. Kraftvoll steht er, seine Füße gleichen den Stämmen alter Eichen, sind dauernder Stärke Bild. Die andern Tiere scheinen nur Kinder vor ihm: er spielt mit ihnen, ihr Meister; keines vermag ihn zu erzürnen. Baut er aber ein Lager und hat Junge, so treibt er alles gewaltig davon. Er schlägt mit seinem Rüssel den trotzigen Löwen zu Boden, zertritt den Luchs, rennt im Grimme Bäume über den grinsenden Tiger, daß der Vögel Wohnungen an seinem Rücken schweben. Sonst ist er geduldig, sanftmütig, steht, Gott lobend, früh und spät unterm Himmel und erfreut sich an des Menschen Stimme. Als er so vom Walde herkam, stand ich auf und ging ihm entgegen; um ihn liefen die kleinen Tiere aufheulend und führten ihn so im stolzen Jubel einher. Da gingen der Affe, der Esel, der Fuchs, das Kameel, der Hase, der Hund, klein und groß nebeneinander; das edle stolze Pferd, das flüchtige Renntier, der schön gestreifte Waldesel, die Katze, der Dachs, das Stachelschwein, der Elend gingen alle in der Nacht seines Schattens nebenher und erzeigten dem Meister Ehrerbietung. Herrlich bist du, Werk Gottes; herrlich dein Gang! Du trägst des Meisters Stärke. Dich hat Liebe empfunden, dich Weisheit gedacht, und Kraft dich aufgebaut. Schön bist du, Werk Gottes; herrlich dein Gang! Er kam mir näher, sah liebreich auf mich, sein Auge glänzte mild wie des Tages tauiger Aufgang; wir standen voreinander, mein Herz faßte Liebe für ihn.

Jenseits ging das gewaffnete Nashorn, des Elefanten jüngerer Bruder an Größe und Kraft. Seine Gefährten waren der grunzende Eber, der brummende Ur und Büffel. Tückisch, meine Kinder, ist es, hat kein fröhlich Herz wie sein Meister, der liebreiche Elefant; mistrauisch schärft es an Klippen immer sein Horn. Wie aus Fels gebrochen, wie vom wilden Meer geboren, gefallen aus einer Winterwolke, steht es im rauhen Schilde, trotzt aller Tiere Zahn. Der Löwe vermag es nicht anzufallen, noch der bluttriefende Tiger seine unbarmherzigen Klauen ihm in den Bauch zu schlagen; es höhnt ihrer im sichern Gang. Dennoch läßt Neid es nicht ruhig; hat es einen Baum der Erde entzogen und genießt süßer Wurzel, bald läßt es sein Mahl – grollend im Busen sucht es den Elefant auf, dessen Ansehen und Größe es grämt. Doch wagt es nicht, ihn von vorn anzugehen. Da steht es wie ein Blitz hinterm Fels, harrt bis es von hinten zukommt, dann schießt es auf einmal los und zerwühlt ihm die unbewaffnete Seite.

Noch viele andere Tiere kamen jetzt nach. Schlangen und Gewürm, giftig, dem Auge schreckhaft, kamen damals jedes in eigener Freude herbei. Dann auch die Vögel aus den Lüften. Zuerst der Sonnenadler, der auf den steilsten Klippen horstet, im stolzen Himmelsfluge die Augen immer zur Sonne dreht. Dann der langhalsige, langgebeinte Strauß. Dumm und stolz, schämt er [103] sich, Vogel zu sein, geht gern auf der Seite der Erdtiere; er vergleicht sich in seinem Sinn dem Behemot oder gar dem Meister der Tiere. Er freut sich sehr, daß er im Laufe stolz auf des Pferdes und auf des Nashorns Rücken sieht. Seine Eier legt er in den Sand und läßt sie an der Sonne brüten. Auch der Reiher, der Weih, der Storch, der auf unserer Hütte nistet, der Kranich, die Nachteule, der Uhu, der Pfau, der einen ganzen Frühling auf seinem Schweife trägt, die Rohrdommel, die Löffelgans, der Papagai, der Paradiesvogel und alle größern und kleinern Vögel, alles singende Gefieder, kamen zu mir aus den Lüften, schwebten an den Ästen hin und her oder ließen sich über die Felsen zu mir herab.

Ich sah an alles Getier unter dem Himmel, hingelagert nach mancherlei Natur, in mannichfaltigem Gewimmel und Farbenspiel. Wie sie dasaßen und standen untereinander, so listig und so dumm, so liebreich und so finster, so stark und so schwach, so groß und so klein – jedes nach seiner Art und nach dem Wesen, das Gott der Schöpfer in jedes gelegt; jedes vollendet, vollkommen herrlich! Heimliche Freude drang durch mein Herz. Da hob ich meine Hand auf, meine Seele sprach solche Worte: Seid alle Gesegnet! Ihr alle seid mein, seid mir gegeben vom Herrn!

Wie selig ist es doch, zu beschauen die Werke Gottes, meine Kinder; wie selig, zu preisen den Allmächtigen, der doch alles in Liebe, in Weisheit vollendet, der das Wetter verteilt in das Jahr, läßt wechseln Wind und Regen. Er schaut überall und sorgt, ein liebreicher Vater, er erhält, was er gemacht. Ihm ist gleichviel der Regenwurm wie der Meister der Tiere; er merkt auf jedes Rufen. Ihm gilt nicht Schönheit und Stärke, denn beides hat er gemacht.

Und die Tiere verstanden all' meinen Segen und neigten sich tief, und ich ward aufgenommen und eingesetzt unter ihnen in die Schöpfung.«

Adam auf einem Hügel. Meertiere. Evas Brautgrotte

»Gott führte mich nun am Mittag aus der Ebene einen schönen grünen Hügel hinauf. Unter einer hohen Granate saß ich dort, sah unter mir im See auch wieder eine neue Sonne daherschweben, sah Wälder und Felder, Bäume und Fluren noch einmal unterwärts und bewegsam in die Fluten hinabhängen. O! wie wunderbar war mir nun, als ich sah so Gebirge hinwanken, dann Anger und Feld und Bäume tanzen; wenn muntere Fische Wellen aufschlugen, dann alles gar wieder ineinander rann; wenn größere Meertiere, wenn ein freundlicher Seehund hervorstieß, Krokodile mit grünen Rücken oder Walrosse die Wogen zerrissen und durch die aufgekrauste Flut zu mir herruderten. So ward jede Minute ein neues Wunder, jeder Blick wurzelte mich Staunenden fest, und ein neueres Wunder riß mich gleich wieder los. Ja, ihr lieben Kinder, das ist euch alles nicht zu sagen. – Nun, da mit jedem[104] neuen Gefühle zugleich auch neue Kraft über mich kam, o, dies Lallen, dies kindische Verwundern, Stammeln der Zunge, Tränen am Auge! das Aufheben, Falten, Zusammenschlagen der Hände! das Schaudern durch alle meine Gebeine! sprach damals alles mehr, als ich jetzt in Worte zu fassen vermag. Klein kamt ihr Kinder auf die Welt, jung an Kraft und Vermögen. Wie ein Wurm liegt der Säugling, den das Erdenweib gebar, am Licht und erträgt den Tagesstrahl kaum. Umfangen sind seine Glieder und Sinne, denn aus Banden der Mutter geht er ins Freie hervor. Sein Inneres schlummert schwer, wenngleich der Leib sich regt. Er ist wie ein abgerissener Zweig, der antreibt, sich lange müht, bis er selbst Kraft gewinnt; bald aber schießt er auf ins Leben, faßt Mut, sein Auge sucht das Licht und hält es. Nun sieht er das Kommen und Fliehen des Tags, der Nacht, sieht Sonne und Mond, Wald und Flur, alles vor ihm wandern und stehen, weiß nichts davon, sieht und genießt nur, wird stark, auch nach und nach mit den Tieren der Erde bekannt. Sehet, so wächst er heran und ihm ist auch nichts mehr neu, nichts mehr wunderbar, ehe er noch sprechen, denken, sich noch darüber verwundern kann; denn ihm ist alles schon so gewohnt von Vater und Mutter her, aufgewachsen gleichsam mit ihm. Aber ich? – denkt einmal, ihr Kinder – ich, damals erst aufgeweckt ins Leben in aller Gewalt, aller Stärke, mit hellen Sinnen, wachem Verstande, wie aus dem Schlummer aufgesungen, hingesetzt ans Licht, an die neue Schöpfung, überlassen mir selbst, all dem Herrlichen um mich her – hingeworfen ganz dem Strome, dem Wirbel!

Nahe über mir erhob sich nun der dunkle Zedernwald; mit ihm rauschten noch tausenderlei fremde Bäume, die köstlichsten Gewürze und die seltensten Gewächse mancherlei Art blühten in seinem Schatten dort: Muskaten, Aloe, Zimmt und Nägelein, Rosen und Jasmin und der stark duftende Holunder standen hier im schönsten Flor. Vorn an der Seite stiegen steile Felsen, kahl und bewachsen, in die Wolken; daran lag eine kühle Felsgrotte, die ein breiter, abstürzender Strom beschloß. Vier Ausgänge hatte sie: drei auf Erden und von oben eine, durch die das Tageslicht hereinfiel, alle lieblich mit Epheu umwachsen. Durch die mittelste von unten ging man in den gewürzreichen Wald hinaus. Da zogen einem immer die süßesten Gerüche entgegen, denn der Abendwind blies lieblich vom Wald her durch diese Höhle von einer Seite, der Morgenwind aber durch die andere; am Mittag vernahm man darin einen angenehmen süßen Klang. Sie war mit Fleiß angelegt von Gott, inwendig wie ein schön blühender Garten, und herrliche Kräuter und schattenliebende Gewächse grünten im Überflusse da herum. Ein süßer Brunnen sprang oben und ein Bächlein floß daraus, das schied in der Mitte die Höhle in zwei gleiche Teile und floß dann weiter unten in den Strom hinab. Schön war's, hier der Ruhe zu pflegen am Mittag; auch kamen die Tiere des Waldes oft durch die Abendhöhle, wenn schwerer die Glut ward, und suchten [105] bei uns Kühlung darin. O Eva, du kennst wohl diese Grotte! Wie oft verweilten wir liebevoll in den Tagen seliger Unschuld darinnen – es war dein Lieblingsaufenthalt, darum gab ich ihr auch den schönen Namen: Evas Grotte. Erinnerst du dich, wie ich dich zum erstenmal hinführte? Ha, du bebtest, als nun über dich weg so gewaltig der Strom fiel; du ließest damals den Mann nicht los, der mutig hinabsteigen wollte, aus seiner reißenden Flut dir zu schöpfen. Ha, der unschuldigen Freude, teure Eva, wie du nun hineintratest, dir so frischer Tau, süße Düfte daraus entgegenzogen, und du verwundernd ausriefst und jetzt dich doppelt im Widerhall hörtest! Ha, Mutter der Menschen, trautes Seelenweib, die Stunden, die Augenblicke waren doch süß!«

»Ach Adam, was sprichst du!« bricht nun Eva, die gottgeschaffene Mutter, in lautem Stöhnen aus. Sie hatte immer geweint, seit Adam dieser lieblichen Grotte erwähnt. Selig lag sie in ihren Gedanken, weckte oft paradiesische Anmut in ihr auf; heimliche Sehnsucht trieb sie öfters, von dieser Grotte Lieblichkeit zu erzählen, wenn sie mit ihren Kinder allein war. Hier war es, wo sie zuerst im vertraulichsten Geflüster der Liebe, im Drang von Wonne und Wehmut die seligsten Stunden verweilt; hier umfing sie Adam zuerst in zärtlichster, reinster Unschuld, hier gab sie des Mannes heißerer Sehnsucht zuerst nach. – Jetzt umschweben ihre verwundete Seele alle schwärmerischen Bilder noch einmal, wie sie oft allein ging, zu suchen den teuern Flüchtling. Er strich fern im Walde oder flocht nun Lauben aus Cassia; beide Arme dann mit Blumen beladen, streute sie indessen ein holdes Lager ihm auf, lief dann und schaute öfters, ob bald der Abendstern aufging, das holde heilige Zeichen, bei dem trauliche Liebe einander bestellt, und wartete dann voller Sehnsucht länger auf ihn. Jetzt trafen die Worte des Vaters der Menschen mächtig in ihre Seele. Tränen laufen aus ihren schönen Augen und rinnen stark ihre unschuldigen Wangen herab. Sie blickt nun auf ihre Älteste, Kains holde Verlobte, und banger wird ihr Schmerz. Da wendet sie sich zu Adam und macht in solchen wehmütigen Klagen ihrem kummervollen Herzen Raum: »Ach, teurer, gottgeschaffner Mann, was sind wir geworden, was haben wir bereits erlitten und ach, was bleibt noch zu leiden übrig. – Wie gerne ertrüg' ich's allein! O könnt' ich den Fluch hinab mit mir zur Erde nehmen, könnt' ich den Zorn des Rächers allein versöhnen, wie gerne stürb' ich noch heute! Sieh, teurer Vater, unsere älteste Tochter ist nun auch Braut – was können wir ihr geben? Ach dürften wir nur noch eine Stunde so mit unsern Kindern in Edens Gefilden verleben, sie sähen dann auch der Herrlichkeit Zahl. Dies allein könnte mein zerschlagenes Gebein wieder erquicken, mein kummererliegendes Herz wieder aufrichten.«

So Eva. Sie wollte weiter sprechen, aber Adam, der erhabene Mann, winkt ihr ernsthaft zu: »O süßes Mutterherz! wünsche nicht so vergeblich; verbanne diese Gedanken ferne. Des Ewigen [106] Willen ist weise, ist gerecht.« Die Mutter der Menschen verstand dieser wenigen Worte hohe Meinung. Schweigend neigt sie ihr Antlitz und ihre zärtlichen, mitweinenden Töchter umfangen sie. Der göttliche Mann Adam aber stand auf und sprach weiter also:

Der Abend kommt. Die Tiere versammeln sich. Die erste Nacht
Trauer über die versunkene Welt. Sternenaufgang
Trost und Hoffnung in's Leben

»So lief, ein Blick, ein Staunen, mir der erste Tag dahin. Die Sonne war tief bereits hinuntergesunken. Im Feuerschimmer glühten nun über mir die Zedern, die Gebirge rauchten um mich her und brannten in Glut aneinander; ich vergaß mich ganz an der Schönheit dieses herrlichen Schauspiels. Jetzt schien mir ein neues Leben aufzugehen, die Schöpfung um mich her stand umgewandelt in neuer Pracht. Die Vögel flogen gerötet im Schimmer; ich selbst fühlte die Glut auf meiner Stirne, als ich nun den Hügel hinunterging. Wie Offenbarung der Zukunft lag um mich die Welt. Ich wußte nicht, daß nun bald der Tag sich neige, Finsternis über mir zum erstenmal hereinbreche – Finsternis war mir unbekannt.

Aber die Sonne ging unter. Die Abendröte schloß den niedern Himmel, leise Dämmerung sank über die Welt.

Da stand ich – es ward so anders um mich. Veränderung fühlt' ich überall. Die Meerungeheuer, die ans Ufer heraufkamen am Mittage, ihr Spiel unter den Erdtieren zu treiben oder im Rohr zu schlafen, sammelten sich schon, ließen nun, den Sand mit ihren schweren Bäuchen furchend, sich wieder in die Fluten und schwammen einsam davon. Nun regte sich alles Getier der Erde und der Luft; die Vögel flogen nun alle auf, die Waldtiere versammelten sich, zogen heerdenweise den kühlen Bächen zu, tranken, badeten, und verliefen sich nach und nach in den Gesträuchen. Das sah ich all' an, wußte nicht, wie mir geschah. – Es dämmert stärker, es wird stiller um mich her, ich stand, mit den Augen zum Himmel, fragend: wo ist hin die Sonne, das Licht der Welt? Ich sehe, fühl's ja nicht mehr; wo ist hin die schöne, schöne Sonne?

Traurig gab mein Herz Antwort: Geflohen ist die schöne Sonne, geflohen das Licht der Welt, geflohen die Freude des Menschen! – Und siehe, grau- und braunbesäumte Wolken der Nacht breiteten sich weit auseinander, überzogen den ganzen niedern Himmel. – Mir ahnte durch all' meine Nerven tiefe Veränderung. Ich streckte den Hals aus, mit emporgerichtetem Haupte dem neuen Wunder zu begegnen. Aber die Veränderung ging schneller; kühler stieß jetzt der Wind vom Walde her, immer kälter ward der Himmel und düsterer und stiller unter ihm die Erde. Alles war hinweg. – Die Tiere des Feldes hatten sich schon verlaufen, sich schon zur Ruhe gelassen alle Vögel der Luft, die Fische schlugen auf Fluten nicht mehr. Immer schwerer und schwerer sank Nacht herunter, löschte und verlöschte allen Glanz der Dämmerung über mir. [107] Schweigen fuhr nieder von den Gipfeln der Berge, Trauer bedeckte die Haine. – Da schlug laut mein Herz, da fragt' ich in mir selbst; einsam stand ich, aber schwärzere Finsternis umhüllte mich nun ganz, begrub mich nun ganz, begrub die Schöpfung um mich her. Da war alles versunken dem Auge, dem Herzen; nur mein Ohr lebte noch: es faßte das Rascheln im Baume, des Stromes Fall, der Tiere fernen Tritt im Walde, das Gesäusel der Nachtvögel durch die Luft über mir. – Was ist das? Was soll das? Jetzt fuhren mir die feuchten Haare um den Nacken. – Angst überfiel meine Seele in dieser schwarzen Nacht. – Ach, Herr, mein Gott, wie wird mir! Wende dein Licht, daß der Mann von Erde nicht in Finsternis versinke?

Trauernd saß ich nieder auf die Erde, und dicke Tropfen rollten jetzt über meine Wangen. – Die Finsternis aber ward dichter, banger meine Seele. – Da weint' ich über die versunkene Schöpfung, da weint' ich, daß sie so schön war. Soll sie denn so ganz wieder versinken? Ich auch wieder versinken mit ihr? – Ach Gott und Schöpfer! Soll versinken dein herrliches, schönes Werk? Wilde Wogen umfassen, umschweben mich, verdrängen mich! – Wer war ich, ehe du mich erweckt, o Gott, mein Schöpfer! Schwerere Nacht lag auf mir als jetzt, da ich noch zu dir spreche! Ach der schönen Schöpfung! Soll die so ganz versinken? Versink' ich auch wieder dahin? Du riefst mich ins Leben. – War es nicht Liebe zu mir, nicht ewige Liebe von dir? Nein, du kannst so mich nicht lassen wieder vergehen! Du hemmtest dann lange mein innres Wallen zu dir, zögst mich nicht näher in Banden der Liebe, und Finsternis wär' mir dann lieber als Licht. Auf dich harre ich; du hörst, fühlst mich im Dunkeln, du bist allmächtig an Kraft, zu schaffen mir neues Licht! Ich hör', ich fühle schon Wehen vom Odem, der über mich ausgeht. – Ach, heiliger, ewiger Gott, was siehet mein staunender Blick!

Und ich sah nun auf, siehe, hoch über mir am Himmel brachen alle Lichter hervor – Tausend und tausend in zahlloser Menge; wie Körner von des Sämanns Hand fallen, sanken die nun scharenweise über mir hin durch die Nacht – Sterne voll Schönheit und Liebe, die da brannten in seliger Klarheit und sandten in heiliger Ordnung ihre Strahlen über die Welt! – Lange staunt' ich hinauf, mich umfaßt' seliges Schweigen, Taumel der Wonne, Glauben und Ruhe – Ach, mit einem Blicke wie nahe da meinem Schöpfer! Wie nahe dem Quell der Liebe, aus dem mir nun alles fleußt.

Liebes Weib! Liebe Kinder! Seht, ich walle nun gleich wieder im Erzählen hinüber. – Edens fromme, schauerhafte Gefühle umfassen mich noch einmal so ganz. Schön ist die Klarheit der Nacht; lieblicher dann auf der Aue zu weilen. Des Schöpfers Lob steigt einem wie eine Flamme über's Herz empor; dann sich der Mund ergießet in frommen, lindernden Gesängen, dann alles um uns her Ruhe und Seligkeit wird.

[108] Mit geöffneten Augen beschaute ich nun die ganze himmlische Pracht. Damals sah ich noch Sterne schimmern, die ihr jetzt vergebens am Himmel sucht: den holden Paradiesstern, der mitten am Himmel voll reiner Unschuld stand. O Eva, wir wissen es, wann er sich verlor, wie mitleidig den Gefallenen nachblickte, dann auf immer in Wolken sein trauerndes Antlitz verbarg! Auch sah ich jetzt deinen Stern, mein lieber Abel, selig auflodernd so wie du selbst; dann deinen, fromme Melboe; dich, gefällige Tirza, und Kains, meines Erstgebornen, trotzig Gestirn. Adam und Eva flimmerten vertraulich nebeneinander, zwar alle namenlos damals, doch herrlich funkelnd in stolzer Klarheit zu mir. Auch heller sah ich nun die Sternbahn über mir aufgehn, Millionen Funken einander durchbrennen und den baren Bogen am hohen Himmel halten. Es ist die Straße von heiligen Engeln bewandert, die teils singen in holder Liebe und tragen auf sanften Flügeln Kraft und Fülle des Lebens und Ahnungen himmlischer Freuden, auch süßen Frieden und selige Träume dem Menschen. Sie haben alle gar die Reinheit der Liebe, rasten im hohen Berufe nicht aus, bis sie vollbracht, was sie sollen. Dann steigen sie frohlockend wieder die höhern Stufen hinan. Sie sind zu Wächtern der Nacht bestellt, zu Hütern der Unschuld; sie stehen an heiligen Stäben, umfassen der Klarheit ewigen Quell. Tausend und tausend Flammen brannten nun und entzündeten einander, durchleuchteten die Nacht. Da ward lieblich die Finsternis; aber der Mond war nicht am Himmel zu sehen.

Wunderbeladen sank meine Stirne, aber Gott faßte mich in seine Arme auf, schloß meine müden Sinne zur Ruhe. Da lag ich ausgestreckt im kühlen Grase, und sanfter, erquickender Schlummer breitete sich zum erstenmal über mich aus.

So schlief Adam ein, voller Gnade, denn im Traume ward ihm nun höhere Offenbarung kund. O meine Kinder, wer vermag den reinen Sinn, die göttliche Einfalt dieser hohen Offenbarung zu geben! Uns verließen bei Edens Ausflucht alle die Bilder, in deren Klarheit allein ich Gottes Geheimnis verstand. Bereitet euch jetzt zu höherem Gefühle!«

Erscheinung Gottes. Gott kündigt Adam seinen Beruf an. Adam gibt vor Gott den Tieren Namen

»Ich lag in einem grünen Tale, so träumt' ich. Siehe da faßte mich's von meinem Lager auf und schüttelte mich, da strömte Feuer aus über die Wälder, mich beschattete aber eine dunkle Wolke, die mir entgegenstand, und als mich heiliges Beben auf meine Kniee niederwarf, siehe, da tat sich voneinander die Wolke, ich sah eine Klarheit, und die Sonne war schwarz, alle Sterne trübe gegen diese Klarheit, und ich sah heilige Rede in dieser Klarheit und eine Stimme – Gott war die Klarheit, aber ein Engel Gottes seine Stimme. Der stand zur Rechten, jugendlich schön gebildet in menschlicher Gestalt. Zwei Strahlen hielten auf seinen Schultern, ausgegangen [109] der Klarheit, und ein dritter bedeckte seine Lenden ganz; aber ein Hauch wirbelt' über sein Haupt her, entwehend die duftende Locke seiner Stirne, doch konnt' ich ihn nicht deutlich beschauen, weil er der Klarheit so nahe war. Zur Linken tiefer knieten drei andere Engel, ganz im Schimmer verborgen, heilige Gesandte des Herrn. Sie waren alle sel'ger Mienen, die Augen in Andacht, die Lippen voll süßen Gebets. Sie trugen alle drei Flammen an ihrer Stirne, sie bogen ihre Hände sanft übereinander und drückten im warmen, innigen Gefühl sie fest an ihre Brust.

Und andachtsvoll kniet' ich, neigte mein Haupt herab; aber zwischen mir und der Klarheit stieg aus der Erde eine weiße, reine, unbefleckte Lilie empor. Schnell trieb sie zur Höhe im grünenden Wuchse und reichte mit ihrem Stengel hoch in die Klarheit hinauf. Sie stand hervorgezogen vom Odem des Lebens, entfaltet' ihr schönes Haupt in wollüstigen, süßen Blüten, und ein angenehmer Geruch stieg über ihr auf, und da sie nun freundlich ihr Haupt zu mir herüberbog, auf einmal sie wieder zerfiel, und nicht mehr war zu sehen ihre Spur; aber ein Funke fuhr von da aus hinüber in die Klarheit.

Eine Rebe schoß nun auf, trieb hinan, grünte und blühte und stieß volle Ranken überall, schoß über von so mächtiger Kraft; unter ihren Blättern setzten häufig blau und rote Trauben sich an, ein liebreicher Anblick dem Auge und lüstern dem Mund. Nun bog sie sich in der Fülle zu mir herüber, aber ein Wind wehte, sie versank wieder und nicht mehr ward gesehen ihre Spur; aber ein Funke fuhr von da aus hinüber in die Klarheit.

Und siehe, ein reines Lamm stand, zarter Wolle, in Unschuld weidend vor mir; sieh, es wuchs auf, ward groß und ward zum Widder. Seine Hörner bogen sich stark um sein Haupt, er blökte zu mir fröhlichen Mutes; aber ein Zuck, da fiel er, seine Knochen verschlang die Erde, seine Wolle verwehte der Wind und nicht mehr zu sehen war seine Spur; aber ein Funke fuhr von da aus hinüber in die Klarheit.

Und ich stand verwundert. – Aber eine Stimme erhob sich, ähnlich dem sanften Gemurmel am heiteren Sommerabend; aus verborgenen Grotten und Felshöhlen her weht's unter den Bäumen hervor. Also die Stimme:

»Mann von der Erde, tritt nahe, am Anschauen werde vollkommner, vollkommner werde durchs Wort! Ich bin der Herr, dein Gott, der Himmel und Erde geschaffen; ich bin's, der das Meer, die Sonne, alles, was da ist, gemacht: alles Getier der Erde, die Vögel unter den Lüften, alle Geschöpfe der Wasser habe ich mit Odem erreget, habe Lebensgefühl verliehen der Pflanze, den Fels gewogen, Wärm' und Schönheit und Dauer nach Maß allew'ger Liebe. Vor allen du mein Werk, ganz in Liebe geschaffen, mein schönstes Gebild, Mann aus kühler Erde. – Tausend Wellen zu dir dem Quell der Klarheit entflossen, als mein Odem segnend über die Schöpfung ausging. Was lebet, was webet, fühlet Odem des [110] Lebens, faßt und trägt für dich Funken allewiger Liebe. – Deine Freude die meine; gesegnet mir vor allen, Mann aus kühler Erde, meiner Schönheit Spiegel – wie lieb ich dich! Du bist mir gleich in deiner Unschuld. Trag' mein Bild, rein verwahr' in deinem Busen meinen allliebenden Odem. – Gesegnet sei auf Erden, vor allen sei gesegnet, Schöpfer, Herrscher mit mir. Herrschen sollst du in Liebe über die Vögel des Himmels, über der Meere Geschöpfe, über der Erde Tiere, über die Pflanzen der Erde, über Wasser und Erde.«

Also die Stimme. – Ein weites, breites Land streckt sich auf einmal vor mir aus, lieblich mit Bäumen bewachsen wie im Paradiese. Ein dunkler, breiter Wald eröffnet sich; in der Mitte war eine schöne, grüne Wiese; die ward anmutig von zwei blauen Flüssen umfangen, oben aber am Walde lag ein lichter See, aus dem die Flüsse herabströmten. – Auf einmal ward ich auch hinversetzt auf diese grüne Wiese; aber eine Stimme rief über mir: »Schaff' jedem Tier Namen nach deinem Willen!« Und sieh, alle Tiere der Erde kamen nun und gingen vor mir vorbei, ein jedes allein, sobald ihm Gott ein Zeichen gab, und ich erteilt' einem jeden seinen Namen, wie es an mir vorbeikam, vom größten bis zum kleinsten. Vom Elefanten bis zum Wurm zogen alle vorbei. Ich gab einem jeden seinen Namen, wie es kam, und sah an den Adel, wie sie von mir wegsprangen, darum daß ihnen der Mann einen Namen gab. Nach den Tieren der Erde kamen auch aus dem Walde die Vögel der Luft. Heerdenweise flogen sie über die Ströme, ließen sich vor mir nieder, aber ein jedes kam allein an mir vorbei, sobald ihm Gott ein Zeichen gab; vom größten bis zum kleinsten, vom Strauß bis zum Kolibri, kamen alle, empfingen Namen von mir, und ich sah an den Adel, wie sie von mir wegflogen, darum daß ihnen der Mann einen Namen gab.

Jetzt stiegen auch aus dem Grunde der Flüsse die Fische hervor. Sie schwammen oben auf der Flut, die Meertiere kamen oben aus dem See bis an's Ufer zu mir herunter und wateten im Schaum. Da erteilt' ich einem jeden seinen Namen, wie es auf Gottes Wink bei mir vorbeikam, vom größten bis zum kleinsten, vom strömeblasenden Walfisch in den Meeren bis zur Grundel im Bache; und ich sahe an den Adel, wie sie von mir wegbrausten, darum daß ihnen der Mann einen Namen gab.

Neu erquickt, erleuchtet der hohen Offenbarung ward meine Seele zum Berufe des Menschen, zum Willen Gottes gegen den Menschen. Die Klarheit aber schloß sich jetzt vor meinen Augen wieder zusammen. Ein sanfter Wind erhub sich über mir, faßte die Wolke und trug sie drehend über den Wald. Weiter wollte ich ihr nachschauen, aber der Morgentau sank kühl nieder also, daß ich's im Schlummer empfand. Schnell erwacht ich darüber, schloß meine Augen auf. Der heilige Traum aber war vor meinen Blicken verschwunden.

[111] Adams Freude beim Erwachen. Der Tiere Erkenntnis zu Adam, ihrem Herrn. Lobgesang

Schon hatte die Sonne ihren hohen Kreislauf begonnen, alles um mich herum mit ihren warmen Strahlen ins Leben geregt, die Vögel sangen doch wieder so liebreich über mir, die Tiere brüllten mir wieder entgegen, alles mir so fröhlich, da ich nun meine Augen aufschloß. Zum zweitenmal erwachte ich jetzt, ebenso selig, noch seliger als zum erstenmal. O wie war mir alles so willkommen jetzt, mir so neu wiedergegeben jetzt! Wie grüßt' ich, wie segnet' ich! O Sonne, wie jugendlich sprang ich dir wieder entgegen! Wie hing ich an deinen warmen, allbelebende Strahlen, – du, die du mir entwichen, mich in Finsternis allein ließest, mir verloren warst – mit welcher Kindlichkeit, mit welcher Seelenergießung, welcher Wonne, du Meer des Wohlwollens, des Überflusses, des Ausflusses alles Segens über die Menschen! Du, deren wohltätige Strahlen mich auch im Schlummer erquickt! Ha, ihr seid mir alle wieder da, Tiere der Erde, Tiere der Luft, Pflanzen, Stauden, Hügel, Klüfte, Ströme der Welt! Wo bleibt ihr in dunkler Nacht? Ha, ihr seid mir nun wiedergegeben! euch bin ich wiedergegeben! Ihr seid mein wieder, ich wieder euer! Bist du wieder gekommen, Sonne? Du bist da, schöne Flamme, vom Himmel leuchtest du herunter, lieblich dein Gang über Hügel und Wälder, schön über die Erde, schön übers Meer! – Mein Elefant dich liebet, der Löwe gähnt zu dir, der Strauß geht aus dunkeln Schatten hervor, zu schauen dein helles Auge. – Schön ist dein Gang über Hügel und Wälder, schön über die Erde, schön übers Meer!


Du erquickest die Bäume, erquickest Fluren, erquickest und segnest die ganze Natur. Schön ist dein Gang über Hügel und Wälder, o Sonne, schön über die Erde, schön übers Meer! Geflohen der Dunkelheit! geflohen! geflohen! Jetzt lallte meine Zunge Töne der Freude, Worte, aus meinem Innern gegriffen, die meinem Herzen zwar bekannt, meiner Zunge, meinen Ohren bisher noch fremd waren. – Da lief ich zu den Tieren, schmeichelte, nannt' ihre Namen. Mein Herz ergoß sich in einem Strome von Segen um mich aus. Du bist mein, Elefant, mein bist du! Dich hat Gott mir aufgebaut, mich dir zum Herrn gesetzt; ja, laß uns freuen, daß wir einander gegeben sind. Er schrie, da ich das sagte, er schrie sanftmütig und freute sich mein. Auf meinen Ruf kamen nun alle Tiere. Es nahte der Löwe, nahte der Adler, jedes die Stärke seines Geschlechts. Alle Tiere warteten freundlich hinter ihnen. Ach, wie war mir alles so nahe damals, so nahe am Herzen. O Gott! welch eine reine, süße, unschuldige Freude; wie alles umfangend, wie alles umschließend damals mein Herz! Die Meertiere kamen jetzt auch herauf, sie schossen aus Felshöhlen am Ufer, aus der Tiefe der Wasser hervor, sie fühlten alle des Schöpfers mächtige Kraft, den süßen Hinzwang zum Menschen.

[112] Mit gräßlichem Gebrülle stieg der Meerlöwe vor allen herauf; ihm folgte nach Behemot, des Krokodils vertraulicher Bruder. Er liebt die süßen Ströme. Am Morgen steigt er herauf, zu weiden im hohen Grase; unbeholfen ist sein Gang, unedel seine Größe. Schreit er, so schwillt sein Hals wie Wolken im Sturme, sein Rachen fährt auseinander wie eine Kluft, sein Gebrüll ist wie des Stromes Fall, seine Zähne stehen malmend aufeinander wie Klippen, er zerhaut am Ufer Baumwurzeln wie Schilf. Er ist faul, wollüstig, hat keine andere Freude als sich selbst, Verderben seine Kraft. Ihm folget nach das Krokodil. Lang hingestreckt an der Erde läuft es schneller als das flüchtigste Roß, schneller als des Adlers Hinschießen nach Raube; steinern ist sein Rücken, so hart, grün wie des Meeres Schlamm. Es schlummert gern im Schilf, nach Beute lauschend. Aufgesperrt ist dann sein Rachen, scheußlich sein Gebiß, die Backenzähne sind scharf geschliffen, sie verwunden die Blicke; rot sein Auge, trüb und fürchterlich rollt es es in die Stirne, wie die blutige Sonne beim Abendsturm ins Meer. Es kennet kein Erbarmen, keine Treue, keinen Edelmut; ihm ist auch Schwäche nicht verächtlich. Wie des Meers Aufbrausen sind seine Begierden. Verzweiflung, dem es begegnet! Die Sonne ist seine Gehilfin bei der Geburt; es legt Eier wie der Strauß und läßt sie am Meersand brüten. Nun schlug auch die ungeheure Meerschlange in großem Wall hervor. Sie wiegte sich oben auf der Flut heran. Wie Wetterleuchten bei der Nacht zuckt ihr Schweif durch die Wasser; zerteilt lag sie da unter den schaumigen Wogen, wie drei hingewehte, vom Donner, Laub und Ast verbrannte Tannen. Wie ein Fluß ins Meer schießt, weit hinaus durch die grünen Wogen seine eigene Farbe treibt, kam sie also näher zum Ufer heran. Jetzt hob sie ihre Brust hoch in die Luft, warf Schatten auf die Landtiere herüber. Sie ist ein erschrecklich Geschöpf, meine Kinder! Fürchterlich wand sie sich aus des Allmächtigen Hand, da sie ward; die Wasser erfühlten ihre Schwere und sprangen unter ihr empor. Legt sie sich vor die Mündung eines Flusses, so schwellt sie den Strom zurück; mächtiger ist sie als der gewaltige Leviatan. Sie schlingt sich um die Starken herum, zieht sie mit sich hinab in ihre Wohnung, in die Tiefe der Wasser, in den Schoß des brausenden Weltmeers.


Jetzt kam auch Leviatan in eigenem Sturme daher; ferne spielt' er mit den grausen Fluten, warf die über sich in die Lüfte wie einen Stein. Er naht in seinem Zuge den Inseln und läßt regnen über sie. Wie die Nacht kommt er über dem Wasser her – aber sein Auge ist fromm, ähnlich dem Auge des frommen Stiers. Jetzt naht er dem Ufer, läßt angehen die lebendigen Brunnen seiner Nase; sie sausen und brausen in Kraft. Schwache Tiere weichen all' von ferne, die starken bleiben liegen, lassen sich erfrischen vom Morgenwind, der die Ströme hoch auffängt und lieblich zu ihnen hinüberbläst. Schöne, farbige Bogen springen vor der Sonne im Wassersturz; sie verändern sich bei jeder Bewegung.

[113] Groß seid ihr, Geschöpfe der Fluten, gewaltig gebildet von Gott, wie die Klippen, wie die Berge, aber nicht liebreich wie die Tiere des Landes. Nicht sitzen möcht' ich in euern Wohnungen, nicht teilnehmen an euerm Spiel. Ferne vom Menschen ist euer Gang, ihr fühlt nicht Triebe zu mir; gezwungen kommt ihr hierher, gezwungen von der Hand der Allmacht.

Wie sollt' ich sie alle nennen, wie könnt' ich euch jetzt sie alle nennen, die noch nachkamen! der Seehund, der so gerne auf Eis in der Sonne schläft, der Delphin, der Seebär, die vielerlei Wasserschlangen, die ans Ufer heraufkrochen, in Ringen unter den Tieren lagen oder am Ufer herunterhingen, verknüpft wie Gewurzel der Wälder.

Ich stand da, sah alle an. Alles war mir gesegnet, alle Geschöpfe sahen auf mich; wie unmündige Geschwister auf ihren ältern Bruder sehen, sahen alle auf mich.

Seid alle gesegnet, vom Herrn Erschaffene! Seid alle gesegnet, vom Herrn Gegebene! Beherrschen euch in Liebe, so ist des Schöpfers Wille! Beherrschen euch in Liebe, so ist mein eigener Wille! Mitgeschöpfe! Traute Geschwister! gebildet von Einer Hand! beseelt alle durch einen Odem! Seid alle gesegnet, vom Herrn Erschaffene! alle gesegnet, vom Herrn mir Gegebene! Gehet hin, erfreut euch im Grünen, gehet hin in die Lüfte, in die Wogen, bis ich euch berufe. Euch leuchte die Sonne lieblich am Tage, die schwere Dunkelung der Nacht mach' euch nicht bange; der Herr laß euch aufgehn, laß euch aufgehn ein Licht am Himmel! Seid mir gesegnet, vom Herrn Erschaffene! Seid mir gesegnet, vom Herrn Gegebene!

Und da sie nun meinen Segen empfangen, standen jetzt alle von ihrem Lager auf. Ein jedes suchte sich Nahrung, nach Trieben seiner eigenen unschuldigen Natur. Die fanden sie auf der Wiese, jene an Bächen und Quellen, die auf Blumen und Kräutern, an Wurzeln, an Früchten der Wälder oder auf blühenden Stauden. Jedes fand, wo es suchte, und freute sich am Genusse, da es fand. Mich aber trieb nun Neigung zur einsamen Selbstüberlassung beiseite.

An die MenschenverbessererHuldigung der TiereRudharts HaßAm Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

An die Menschenverbesserer

Suchst du durch äußere Formeln den Menschen zu bessern, du irrest;
Nur aus dem Innern hervor läßt sich's erreichen mit Glück.
Ulrich von CoßheimAn die MenschenverbessererHuldigung der TiereRudharts HaßAm Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[114] Ulrich von Coßheim

Deutsche Idylle.


Am Hang eines düsteren Bergwaldes ritt Ulrich von Coßheim, Kaiser Heinrichs des Vierten Schildträger und Freund. Verirrt in sternenloser, tiefer Nacht, sucht er durchs Gesträuch die Anhöhe zu erreichen, ungewiß, ob das Rauschen im Tale des Rheins oder der Nahe wäre. Da schwimmen ihm nun des Morgens lang gehoffte, lang gewünschte süße Strahlen entgegen. Froh, Gott dankend, hält der edle Ritter auf seinem schnaubenden Roß, hebt die stählernen Hände gen Himmel, denn in seiner Faust trug er Kraft und Mut um seines lieben Kaisers Glück und Ehre: Sei mir gelobt, Gott, für dein Licht! Ha, du Flammenschiff Sonne, die nun über herbstliche Nebel wie über ein Feuermeer hinstreicht – schneller, schneller vor mir her und zeige mir die gerade Bahn, daß ich über sie komme, daß ich sie niederschmettre mit Schrecken, alle die Verruchten, die einen Edlen betrübten!

Tränen schmolzen nieder auf seinen Harnisch, da der edle Ritter dies sagte, denn er liebte Heinrich aus voller Seele. Noch niemals hat ein Freund an seinem Freunde so gehangen, nie ein Diener für seinen Herrn so viel gewagt, als Ulrich für seinen Kaiser. Die Schmach, die die Fürsten des Reichs ihren Oberherrn angetan, erfüllte lebendig seine Heldenbrust:

Du sollst gerächt werden, mein Heinrich, gerächt werden vor ganz Deutschland. Klinge, hüpfe du selbst aus der Scheide, wenn ich mich niederstürze wie ein Adler auf seinen Raub, Klinge, Klinge, auf die ein Edler Tränen geweint!

Schnell drückt er in des Rosses Seiten den Sporn – ihm war's, als wenn alles neu beseelt im Bunde der Rache mit ihm stünde, Himmel und Erde, Schrecken und Verderben den flüchtigen Fersen seines Kampfrosses folgen müßte.

Aber von Hunger und langer Arbeit ermüdet, stand das Roß. Unmutig sprang der Ritter ab, warf sich verzweifelnd an des Rosses Hals, schaute umher, Weide zu suchen. Da sah er auf dem Felsen einen Greis schlummernd liegen, oben auf der grünen Ebene weidende Stiere und Rosse.

Am Zaum nimmt nun der Ritter sein Roß und führt es hinauf.


[115] Coßheim zu dem Greis, der erwacht.

Grüß Euch Gott, Vater.
Der alte Weidmann.

Schönen Dank, Herr Ritter. – Wollt wohl euern Hengst in's Gras treiben?
Läuft herbei, nimmt das Pferd ab.

Mag da den Gang hinunter weiden, trifft Klee und süß Futter in Menge an. – Hockt warm, Herr Ritter.
Coßheim.

Ist kein Quell hierum? Bin über die Maßen durstig.

Weidmann.


Gibt seine Flasche.

Coßheim.

Milch?
Weidmann.

Trinkt, will indessen dort aus meinem Keller euch was Kühleres holen. – Hungert euch was?

Coßheim.

Dank, Dank, alter lieber Vater. Kann mich nicht so lang aufhalten, will nur einen Augenblick meinen Falk dort verschnaufen lassen, dann weiter. – Liegt dort unten nicht Bingen?


Weidmann.


Setzt euch doch, setzt euch doch einen Augenblick, junger Rittersmann, warum wollt ihr denn so eilen?


Coßheim.

Wie angenehm der Morgen! – Die Sonne zwingt den Nebel noch, gibt heut einen herrlichen Tag.
Weidmann.

Ja wohl.

Coßheim.

Das fröhliche Gebrüll dort unten am Ufer, wie Alles unter der Sonne erwacht, eine herrliche Glorie dort unten, wie die Nah in Schimmer sich herdrängt und in den Rhein fällt, wie der große, feuerreiche Strom dort den kleinern hineinschlingt und stolzer vorübereilt! – Ich seh ja den Mausturm nicht.


Weidmann.

Meinem Finger nach, da richt hinüber! Seht ihr, Nebel bedeckt ihn.
Coßheim.

Ja, ja. – Gelt, das Graue grad gegenüber ist das Castell Bingen?
Weidmann.

Richtig.

Coßheim.

Nun fang ich an, wieder hierum mich zu kennen, schon lange war ich in dieser Gegend nicht mehr. – Aber sagt doch, Vater, jener sonnige Hügel, woran eure Ziegen klettern, oben auf steht ein Fels, den die Natur nicht hingesetzt ...


Weidmann.

Ist Fräulein Animas Grabhügel: wißt ihr denn die Geschichte nicht, Herr Ritter?
Coßheim.

Könnt ihr mir sie erzählen?

Weidmann.

Nun, so setzt euch zu mir. Hab's schon manchem guten Ritter erzählen müssen.

Und Ritter Coßheim läßt sich auf freundliche Bitte des alten Mannes auf einen Moosfelsen nieder, seinen rund polierten Schild, auf dem grell die Sonne zurück blitzte, legt er vor sich nieder ins Gras, dazu sein Schwert und die scharfe Streit-Axt. Begierig horcht er dem Greise.


Weidmann.


Otto, heißt's, der Rheinbewohner, und Philipp, der Franzose, schwuren lange Tod und Verderben einan der. Drunten [116] an der Stromklippe, wo wir Schäfer die Heerde schwemmen, der Jäger die Lanze schärft, rannten sie wild auf einander: der Franzose sank, blieb mit dem Beine im Bügel hangen, mit dem Leibe verwickelt im Zaum. Also gefangen schrie er, flehte Otto'n um's Leben. Ihm schenkt' es der tapfre Rheingraf, aber gefesselt lag er im Turm zum Lösegeld, seine schöne Rüstung im Saal, ein Lächeln uns Deutschen.

Aber einmal, als wie gewöhnlich im Blumenmonat unter grünender Linde die Mädlein getanzt, führte Anima, Otto, des Rheingrafen einzige Tochter, den Reigen heraus. Sie saßen nun auf dem Altane der Burg in Freuden; da hörte das Fräulein weinen das ihr gleich tief in's Herz hinein drang. Traurig schleicht sie herbei, zu sehn, woher die Stimme komme, da hört sie nun kläglich einen schönen, jungen Ritter weinen, ungefähr also:

Ach wie lange soll ich noch im Gefängniß schmachten? Spatzen, die ihr hier am Turme spielet auf dem Dach, ach! an meinen öden Fenster eure Jungen ätzt! Enten, die ihr auf dem Weiher freudig scherzt und lacht! Hören kann ich euer Spiel, aber sehen nicht, – o wie glücklich seid ihr All', glücklicher als ich! Freiheit habt ihr, Glückliche, ach! Die fehlet mir! Seufz' ich doch im Turme tief, Niemand blickt herab. Was hilft mir der Schlösser Menge, was mein Ahnenglanz, was mir Jagd und Reiterspiel? Unter Gram und Schmerzen flieht meine Jugendzeit.

Gerührt geht das Fräulein vom Gitter weg. Ei das gute Mädchen, sie hatte mit geweint in des Fremdlings Kummer. Sie sah ihn, er gefiel ihrem Herzen und tief in der Seele blieb ihr sein Bildnis. Nachts, als alles schlief, stand sie hier am Altane, dachte an ihn, den gefangnen Ritter, und wie er so traurig durchschmachtete die Jugendzeit: ach, ihn zu retten aus mühseliger Gefangenschaft, war ihr süßester Wunsch und das Herzchen klopft ihr bange. – Einmal Nachts öffnet sie den finstern Turm. Eine Lampe in der Hand, grüßt sie den traurigen Gefangenen gar freundlich; ein Wörtchen von Freiheit und Hilfe entfällt ihrem Mündlein. Da kniet zu ihren Füßen der Franzmann hin, schwört und weint auf ihre Hände. Mit Küssen hält er das zarte Mädchen gefangen, daß sie verspricht, mit ihm zu entfliehen aus ihres Vaters Hause. Sie schließt ihn los, führt zitternd ihn in ihre jungfräuliche Kammer, dort verbirgt sie ihn drei Tage vor ihres Vaters grimmigem Suchen, sorgte, wachte immer über ihn, daß ihn Niemand im Schlummer entdecke. Ei, das gute Mädchen lief so oft an's Fenster, winkte den Mond hinunter: O du neidischer Mond! Was blickst du so hell herunter? Hinter die dunkelste Wolke lauf doch geschwind! Willst du mich Zitternde verraten, verraten, mein Schätzchen, das in meinen Armen ruht? Des Regenvogels Geschrei ist mir zuwider, aber doch wollt' ich, daß er heut sänge, daß es stürmte hinter den Gebirgen hervor und Wetter brausten und man nicht hörte die knarrende Pforte! Weit will ich mit meinem Schätzchen entfliehn! [117] Da, wo er geboren ward, wo er der frohen Jugend Tage durchlebt, im Frühling in Blüten gespielt hat, soll mein Vaterland sein. – So seufzt das gute Mädchen. In der vierten Nacht steigt ein Wetter auf, Regengüsse stürzen herab, verschwistert mit Donner und Blitz, schlagen, plätschern nieder von den Dächern der Burg, und im Turmloch heult und pfeift gräßlich der Wind. Da erwacht Fräulein Anima, mit Küssen weckt sie den lieben Schlummernden: Auf! auf, Liebchen! Du schläfst an meinem Busen noch lange; hörst du, wie angenehm es draußen stürmt? Laß uns fliehen, Liebchen, Sturm und Dunkelheit schützen uns jetzt. – Sie flohen. Vor ihm her geht das liebe Mädchen, leitet im Dunkeln des unsichern Schritt, der väterlichen Wohnung fern, Wälder und Haiden durchflohen sie, bis aus dem trüben Himmelmeer sich der Morgenstern hebt. Da steht der Franzmann stille: Kehr' heim, Fräulein, zur jungfräulichen Kammer, darfst weiter nicht mehr fliehn. Ach! mein Liebster! ach! Umsonst! die sich Anklammernde stößt er unwillig zurück, sie fällt, glitscht in die Woge hinab, und unbarmherzig eilt der Ritter davon. An Sträuchen hilft sich das arme Mädchen hervor, folgt weinend mit nassem Gewande ihrem unbarmherzigen Ritter nach, wie ein treues Hündchen, das durch die Flut seinem falschen Herrn nachschwimmt, der es verlassen will. Schluchzend steht sie am Schiff, in das der Ritter gestiegen, die Hände gefaltet, und sucht mit heißen Tränen sein Herz zu bewegen. Da zieht der Feige das Schwert: Kehr' um, Fräulein, heim, heim, oder vermähle dich mit meinem Schwert, herein darfst du nicht zu mir, ich liebe dich nicht. – Ritter, ach Ritter, was tust du? Sei nicht so grausam, verstoße mich Arme doch nicht, tat ich doch Alles um deiner Liebe willen, ach! ließ Freunde und Heimat willig. Wer schützt mich nun, ach wer, vor meinem zürnenden Vater? Laß mich, Liebster, an deiner Seite entfliehn! – Vor drängt sie sich in seine Arme, die Spitze des Schwertes steht ihr entgegen. Sie sinkt, Blut färbt ihr flachsenes Haar und sprengt wie frühe Mairöschen ihr blaß Gewand. Ferne über Flut und Land floh der Verräter. Fluch verfolgt ihn. Noch weint jedes Mädchen, wenn es zum Schäferkranz an diesem Hügel Thymian und Maßliebchen pflückt.


Coßheim.


Könntet mit euern süßen Reden mich an die Nacht hinfesseln, triebe mich nicht ein so heiliges Geschäft davon. – Ruhe sanft, armes Mädchen, in kühler Erde, sanft schlummre, daß keine Herzensangst dich mehr wecke. O der Verräter! Gott im Himmel, daß du solchem Schurken Liebe noch vergönnst. – Hilf mir doch mein Pferd fangen, alter Mann. Ist kein Quell da herum? Will's tränken und wieder fort.


Weidmann.

Hier ist wohl ein Quell, aber vor Steinen könnt' ihr euer Pferd nicht zuführen.

Coßheim.

Schadet nichts, ich schöpfe mit dem Helm.

Und der Ritter Coßheim nahm seinen Helm vom Haupte, schöpfte dreimal und hielt es seinem durstigen Pferde vor, daß er's tränkte. [118] Naß hingen seine Blicke immer über Animas Grabhügel, und nun schwang er kräftig sich in den Sattel, drückt dem alten Manne freundschaftlich die Hand: Fühlt' ich's nicht gewiß, Alter, daß ich euch in Kurzem wieder hier sähe, der Abschied von euch machte mich traurig. Gott mit euch, Vater, grüßt mir eure Kinder!


Weidmann.

Darf ich euern Namen nicht wissen, edler Ritter?
Coßheim.

Schreib' oben an den Stein auf Anima's Grab: Ulrich von Coßheim.
Weidmann.

Lieber Ulrich, Gott erhalt' euch, ihr seid ein frommer Waffenträger.
Coßheim.

Kennst du meinen Herrn?

Weidmann.

Kaiser Heinrich sollt' ich nicht kennen? O den kenn' ich wohl, mit seinem Vater war ich in Italien; er selbst ist der freundlichste, wackerste Herr, hab' ihn noch kürzlich zu Worms gesehn. Gott erhalt' ihn fröhlich.


Coßheim.


Gehört viel dazu, lieber Mann. Du weißt also nicht, wie übel's im Reich mit deinem lieben Kaiser steht?


Weidmann.

Wie soll ich's wissen! Wir Hirten hören wenig Neues auf unsrer Weide. Sagt mir's doch.

Coßheim.

Du hältst mich auf. Du weißt es doch, daß die sächsischen Fürsten und Bischöfe sich schon lange wider Heinrich empört?


Weidmann.

Sind die Wetterwolken noch nicht vorüber!

Coßheim.

Noch mehrere, schwülere wälzen sich nun auf, ballen sich zusammen, um Schlag auf Schlag über Heinrichs Haupt loszubrechen. Wie ein Fels im Sturm, den die Donner splittern, aber nicht bewegen können, steht er in sich selbst fest, und teilt die vorüber ziehenden Wetter auseinander. Sieh, seine getreusten, liebsten Freunde, seine Lieblinge, die er immer vorzüglich geehrt, Rudolf von Schwaben, der sein leiblicher Schwager ist, dem er sein Herzogtum verliehn, und Berchthold von Zäringen stehn nun gegen den Helden auf. So lang er als Mündling unter ihnen gespielt, sich alles gefallen ließ nach ihrem Willen, war er ein wackrer, trefflicher Herr und seine Majestät war die Amme, an deren wohltätigen Brust sich jeder getränkt und gelabt; aber nun, da der kaiserliche Jüngling heranwächst, im Harnisch kühner um sich schaut, in die Höhe richtet den gesunknen Zepter, sich gürtet mit Recht und Gerechtigkeit und ausüben will die von Gott ihm anvertraute Gewalt, stehen die übermütigen Zöglinge gegen die nämliche Majestät, die sie so groß gemacht, und schlagen wie undankbare Kinder auf ihrer Ernährerin Brust. Solch einen Bubenstreich macht der schwäbische Rudolf. Gedungen haben sie da mit einander einen verräterischen Hund, Regginger genannt, der aussagen mußte vor der Fürsten Versammlung, als hätte ihn und andre mehr Kaiser Heinrich gedungen, zu Würzburg etliche Fürsten hinterstelliger Weise zu ermorden; und sieh, unter dem Vorwand kündigen sie ihrem frommen, [119] wackern Kaiser Treu und Gehorsam auf. Die Krone ist der Apfel, nach dem die Schlange mit giftigen Augen sticht, herunter stoßen seinen Kaiser vom Stuhle möchte Rudolf der Schwabe gern und sich selbst darauf schwingen.


Weidmann.


Die Hölle wird ihn eher verschlingen, als er darauf sitzen soll! – Wo ist doch der Regger? Lebt der noch?


Coßheim.


Das hoff' ich! Bei Mainz, auf der Rhein-Insel, Morau genannt, kommen wir Stirn' an Stirne zusammen, Regginger der Verräter und ich, um Wahrheit und um Ehre zu kämpfen, ich für Gott und meines Kaisers Unschuld, er für die Hölle und ihren lügnerischen Anhang, unter deren schwarzer Fahne er geschworen. An den Tag will ich da bringen alle Bosheit und Verleumdung, wenn ich ihm das Schwert an's tückische Herz setze und jubelnd zu allen Teufeln jage seine vermaledeite Seele. Wenn ich an die Tränen gedenke, die Held Heinrich bei dieser Beschuldigung geweint! Mit der Klinge wollte mein heldenmütiger Kaiser im Zweikampfe selbst über den ruchlosen Schwaben her, aber wir knieten um seinen Thron, neun Waffenträger, alle zum Streiten und Siegen bereit, so lange, bis er dem Entschluß entsagte, und vor Allem gab Gott die Gnade mir, daß ich ausersehn ward, dies edle Werk auszustreiten. Das ist nun mein Ritt. Bin ich nicht beneidenswert?


Weidmann weinend.


Bei Gott, ihr seid ein wackrer Ritter, Gott ist auf eurer Seite, ihr werdet gewiß siegen. Hält ihm die Hand.


Coßheim.

Dafür ist mir nicht bang.
Weidmann.

Fechtet ihr morgen schon?
Coßheim.

Morgen ist der erste Tag, vierzehn Tage halt' ich auf der Insel und erwarte seiner.
Weidmann.

Schlagt mir's nicht ab. Ich reit' mit euch.
Coßheim.

Ich muß allein. Laßt mich los.
Weidmann.

Wenn ihr wieder zurück reitet, sprecht doch dort in meiner Hütte zu.
Coßheim.

Gewiß.

Weidmann.

Vergeßt mich nicht, wie ich eurer nicht vergesse. Immer soll mein Gebet euch begleiten.

Und der Ritter Coßheim ritt an Animas Hügel hinunter, vierzehn Tage und noch vierzehn Tage hielt er auf der Insel Morau bei Mainz und wartete seines Gegners, aber umsonst, denn Regginger kam nicht. Das böse Gewissen peinigte diesen und die Reue und Angst einer solchen unredlichen Tat an seinem getreuen Oberherrn marterte ihn so stark, daß er in Unsinnigkeit verfiel und sich selbst an einem Baum erwürgte. Unmutig zog Ulrich von Coßheim zurück. Tief stand schon die Sonne im Abend, als er vor Weidmanns Wohnung hielt. Eine schöne Hütte hatte dieser sich über eine kühle Felshöhle gebaut, die rundum mit Weinreben und grünen Gesträuchen bedeckt war und ein lebendiges Dach zur Kühlung ließ. Mit seinen Kindern saß der fromme Greis darunter, verrichtete[120] sein Abendgebet, als er das Schnauben von seines lieben Gastes Pferd erkannte. Fröhlich sprang er hervor: Gott sei Dank! Wieder da, Herr Ritter? Frisch, ihr Jungen, zieht das Pferd hinein und nehmt die Waffen und hängt sie in die Laube. Geht, bereitet schnell den Tisch und bringt was zu essen und trinken her, der Herr Ritter wird hungrig und durstig sein.

Das taten die Knaben. Sie bereiteten in der kühlen Laube einen Tisch, besetzten ihn mit Brot, Obst und Käse und einem herrlichen Trunk Most. Der Held saß nieder, aß und trank.


Weidmann.


Nun, lieber Herr Ritter, wie ist's euch seither ergangen? Ihr seid lang ausgeblieben. Der Regginger ist doch tot.


Coßheim.

Ein neuer Schurkenstreich! Er ist ausgeblieben.

Weidmann.

Darum zögertet ihr so lange! Laßt euch das nicht betrüben, Herr Ritter, eßt und seid munter, die Schelmen mögen sich grießgramen und grämen. Grau wird der doch nicht werden, und was macht's? Eine Handvoll Schelmenblut mehr oder weniger in der Welt oder nicht! Von was Freundlicherem. Hab' ich nicht drei hübsche Jungen da, von sechzehn bis vierundzwanzig? Habe ihnen halt seit der Zeit neue Kittel machen lassen, hab' sie für den Kaiser groß gezogen, sollen nun mit euch reiten, wenn's Not ist und ihm dienen.


Coßheim.

Ihr seid ein braver Mann. Der Kaiser sollte viele so treue Untertanen haben.
Weidmann.

Eure Gesundheit!
Coßheim.

Gott gesegn's!

Weidmann.

Mein, wo ist denn's Mädel? Ruf doch einer eure Schwester hervor, der Ritter mag vielleicht gern singen hören, weil er zum Plaudern zu müd' ist. Ich weiß nicht, ob ihr auch so ein Liebhaber von Liedern seid, Herr Ritter, als von Märchen.


Coßheim.


Ihr tut mir einen Gefallen. – Ist das nicht eure Tochter?

Und Agnes, Weidmanns Tochter, tritt herein, wie eine Braut, der der schönste Freier lange mit Liebe nachgestellt und die nun in die Laube gefordert wird, wo der willkommne Gast sich mit der Mutter bespricht. Sanft errötend, die fleißige Spindel in der Hand, geht sie zur fragenden Mutter hin, die Augen immer aus ihre Arbeit geheftet, strauchelt sie fast, indem sie naht, und sie fürchtet nun frei aufzublicken und dem in die Augen zu sehn, den sie doch, verborgen hinter Blättern, mit süßen Blicken verschlang. Ein einzig Wort von seinen Lippen jagt ihr Zittern durch alle Glieder und die Spindel fällt aus den unsichern Händen hin: so trat Agnes bei des Ritters freundlichem Gruße unter den Ranken her, bescheiden sitzt sie auf ihres Vaters Wink auf einen Schemel dem Ritter gegenüber nieder; immer die Augen niedergeschlagen, saß sie, nur dann und wann gleiteten ihre Blicke und blieben an des Ritters edler Gestalt hängen.


Weidmann.


Siehst du, liebe Tochter, dies ist der Herr Ritter [121] Ulrich von Coßheim, er ist keiner von denen, die Landmanns Kost verschmähen und eines schlichten Mannes Herz verachten, ob er gleich unserm lieben Kaiser immer am nächsten steht. Hoffe doch, daß ihr diese Nacht bei uns bleibt, Herr Ritter.


Coßheim.

Ja, Vater.

Weidmann.

Die Sonne ist nun drunten. Nun Agnes und du Peter, singt ihr indessen, bis es Zeit Schlafengehens ist, dem Herren Ritter Ulrich noch ein paar Lieder. Ich denk', das von Genoveva der Keuschen im Turm genannt. Peter du mußt Golo sein, Agnes singt die Genoveva, ich will euch sagen, was dazwischen hin gehört. Ihr werdet da sehn, Herr Ritter, wie der listige Golo allerhand aussinnt, als Schmeichelei der Schönheit, Versprechen von Gaben und grausames Drohen, die keusche Pfalzgräfin zu erweichen, bis er endlich ... ihr werdet's am besten selbst hören. Gebt acht, ihr Kinder, ich fange nun an:


Das Innere eines dunkeln Turmes; Genoveva sitzt in Ketten mit ihrem Kinde auf dem Stroh, Golo schließt die Tür auf.


Golo.

Zu dir komm ich gegangen
Am schönsten Frühlingstag,
Willst du nicht mein Verlangen
Heut stillen, Liebchen, sag'?
Fröhliche Vögel pfeifen
Auf blütenreichem Zweig,
Rehchen springen und streifen
Voll Muts am blumigen Teich.
O wie sprudelt die helle,
Klare, duftende Quelle
Durch Moos und bogig' Ried:
Wie schlagen, wie klagen
Von Rosen getragen
Finken ihr brünstig Lied!
Auf, Genoveva, meine Wonne!
Alles liebelt, singet, lacht,
Nur du liebst Kerkers Nacht,
Verbannest Scherz und Sonne.
Willst du denn stehts versagen
Lindrung meiner Qual,
Soll ich alleine klagen,
Unter Blumen im Frühlingstal?
Im Fels durchhoffet Wintersnacht
Das Turteltäubchen, denkt sich frohen Mai'n,
Süße Träume voll Frühlingspracht,
Führt Amorn, unter Rosen erwacht,
Bald in ihr Nestchen ein.
Geregt vom lenzischen Triebe
[122]
Girrt es nun schnäbelnd im Moos,
Vergißt allen Kummer in ihres Taubers Schoß; –
Ist dem nicht so, meine Liebe?
Weidmann.

Hier läßt Golo auf Genovevens Schoß einen Blumenstrauß fallen.
Komm, wollen im Garten
Lustwandeln gehn,
Tulpen mancher Arten
Flora malen sehn.
Gerne wollt ich sterben,
Könnt' ich mir
Deine Liebe erwerben,
Aller Frauen Zier.
Genoveva.

Meine Liebe erwerben!
Falscher Rittersmann,
Sieh mich nicht an,
Sonst muß Scham meine Wangen färben.
Ha! die Wange, bleich und matt,
Drücket schwerer Kummer,
Herz und Auge, lebenssatt,
Wünschen Todesschlummer!
Umsonst schwingt Frühling sein farbig Panier,
Koset süßer Lilien Zier,
Was hilft's, Siegfried ist fern von hier,
In blutigen Schlachten zu siegen.
O Himmel, alle Maienzeit
Floh mit ihm, – alle Freud',
All' selig Vergnügen.
Arm an Blumen ist die Flur,
Ach, zu seinen Füßen nur
Sprossen Hyazinthen;
Keine Lust, statt Freuden Leid,
Keine süße Maienzeit,
Spielet unter Linden.
Verlassen schmacht' ich
Mit meinem Kind ach! in Ketten,
Niemand höret mich,
Niemand will mich retten.
Lust und Freude, Maienzeit,
Die mich sonst so sehr erfreut,
O wie flohet ihr so weit!
Ha! die Wange, bleich und matt,
Drücket schwerer Kummer,
Herz und Auge lebenssatt
Wünschen Todesschlummer!
[123] Weidmann.

Sie schüttelt die Blumen wieder vom Schoß. Golo faßt ihre Hand, die sie schnell wieder zurückzieht.
Golo.

Weine nicht, du schöne Frau,
Mein Herz weint mit dir,
Glaub' mir, Blumen blühen auf der Au,
Ist gleich dein Siegfried nicht hier.
Fühlst du doch selbst, wie Liebe brennt,
Ach daß ich dir's nur sagen könnt',
Wolltest du mit mir
Freundlich in schmucker Lockenzier
Über blühende Beete gehn,
Es glänzte der Frühling noch einmal so schön.
Dort in der Laube, die Rosen durchwehn,
Wollten wir lieblich singen hören.
Dir schlägt der Fink und die Nachtigall,
Dir klingt der Harfen Silberschall,
Dir tönt Gesang in Mädchenchören.
Beherrscht doch Liebe die ganze Natur,
Sieh die Vögel auf der Flur
Küssen sich ohne Betrüben,
O was tät' ich zu dieser Stund,
Heilte dein rubinroter Mund
Mit einem Küßchen mein Herz, so wund,
Wolltest du mich lieben!
Mir wäre nicht zu hoch des Himmels Halle,
Zu streiten mit Adlern am Sonnenballe,
Des Kampfs mit Riesen und Drachen
Auf Erden wollt' ich nur lachen,
Für dich stieg ich in Grotten,
Die kein Tagesstrahl durchschlich,
Wollt' um dich
Aller Gefahren spotten!
Hat doch mein Herz dreimal geweint,
Als ich in Fesseln dich schloß,
Aber, ach, mein Leid ist so groß,
Vater und Mutter würd' ich feind,
Müßt ich dich, Liebchen, verlieren,
Lenk' nur einen Liebesstrahl,
Schöne Frau, auf meine Qual,
Laß mein Flehn dich rühren,
Schnell wird dein Kerker ein Rosental,
Deine Ketten Rubin und Saphiren.
Weidmann.

Golo zieht hier ein Schmuckkästchen hervor, kniet vor Genoveva nieder.
[124]
Sieh, hier hab ich ein Perlenband,
Dürft' ich's doch mit eigner Hand
Schlingen um dein Händlein,
Weiß und glatt wie Elfenbein,
Hei! wie wollt' ich fröhlich sein.
Sieh diesen Ring, von Gold so fein,
Häng ich an dein Öhrlein,
Dein Öhrlein muschelrund und klein.
Bereitet steht dir noch ein Saal,
Voll Kostbarkeiten allzumal,
Voll Purpur, Gold und Seiden,
Dich königlich zu kleiden.
Dann kannst du, wie die Liebe, schön
In stolzem, klaren Schimmer gehn,
Dich wird die Welt verehren!
Wo du gehst, werden Düfte wehn,
Vor dir sich Blumen in Goldtau blähn,
Wo du ruhst, wirst du Nachtigallen hören.
Schon laden sie, ihr sanfter Schall
Durchläuft der Saiten Wirbelfall,
Schon tönt Gesang in Mädchenchören,
Komm, Liebe, wollen hören!
Weidmann.

Er legt seine Wangen auf ihr Knie. Genoveva stößt ihn mit weggedrehtem Haupte zurück.
Genoveva.

Seien's Gesänge brünstiger Nachtigallen,
Seien's Lieder, Harfen entflohn,
Mögen sie an stummen Felsen verhallen,
Nichts kann mir süßer schallen,
Als das Lallen
Von meinem unmündigen Sohn.
Verflucht deine Zaubergesänge,
Fluch deiner Schmeichelei!
Mein Herz zu bestricken,
Zu fälschen meine Treu,
Sind sie gericht't,
Nie soll es dir glücken,
Sing, sing, ich höre nicht.
Deine Untreu' wird dich selbst schlagen,
Wird gegen dich das Beil tragen,
Golo, Golo, meine Plagen
Fallen auf deinen Scheitel schwer.
Ging der königliche Bär
Nach Raub aus seinen Höhlen,
Und du Luchs schleichest her,
Seine Lust zu stehlen!
[125]
Hörst du ihn, er eilt zurück,
Tal und Wald durchtönet Heldenstimme,
Eh ihn entdeckt dein scharfer Blick,
Stürzt er ab auf dein Genick,
Und rötet den Bach in stolzem Grimme.
Weidmann.

Sie hebt ihr Kind vom Stroh auf, drückts an ihr Herz und küßt es.
Auf uns blicken Engel nieder,
Drum schläft Unschuld sicher im Hain,
Deckt' uns nicht heilig Gefieder,
Söhnchen, wo wär dein und mein Gebein?
Schluchze nicht, Trauter, müssen deine Wiegenlieder
Seufzerlein,
Ketten gleich dein Wiegenbettchen sein.
Der Mond geht auf und sinket nieder,
Der Morgen kommt und fliehet wieder.
Es fällt die Flut, es wächst das Meer,
Es läuft der Sterne lichtes Heer,
Es stirbt des Frühlings Melodie,
Nur meine Treue weichet nie.
Zurück, Golo, zurücke!
Weiche von hier!
Verhaßt sind mir deine Blicke,
Nimmer rede von Liebe mir.
Golo.

Harte Frau, härter als Stein,
Dich kann kein Flehn erweichen,
Grausam muß man sein,
Wilden Tieren gleichen;
Mein bist du, dir hilft nicht Gott,
Ich muß dich genießen,
Sollt' ich auch im bittern Tod
Noch diese Freude büßen.
Siehst du meine Tränen rinnen,
Sie bringen dir und mir den Tod,
Was tat ich nicht, dich zu gewinnen!
O ihr Nächte habt es oft betrachtet
Die ich unter Seufzern hingeschmachtet
Vor Lieb' und Schmerz von Sinnen!
Weidmann.

Er nimmt ihre Hand, drückt sie an seine nassen Wangen.
Noch bist du in meiner Hand,
Siehst, fühlest meine Zähre;
Fürchtest du der Untreu' Schand,
Wohlan! so höre:
Dein Gemahl ist tot, der junge Held,
Erbleicht liegt er im Siegesfeld,
[126]
Sein Grabmal baut die Ehre;
Es sank sein prächtiges Panier,
Der tapfre Ritter Bellamir,
Durchrannt' ihn mit dem Speer,
Glaub', es ist keine falsche Mär',
Bringt Knechte, bringt die Waffen her.

Weidmann.

Golo stampft mit dem Fuß, Knechte treten herein, bringen blutige Waffen, legen sie auf den Boden vor Genoveva nieder, gehen ab.


Sieh hier den Schild, sieh hier den Speer,
Dies Schwert, so er geführet,
Und diesen Helm, den ich vorher
Mit Palmen schön gezieret,
Von seinem Heldenblute rot.
Er starb – laß dir's erzählen,
Sein letztes Wort war noch im Tod:
Wir sollten uns vermählen.

Genoveva.

Mein Gemahl ... Siegfried tot!
O Himmel, drückt mich nieder!
Dies Schwert von seinem Blute rot,
Tot! tot!
Mein Siegfried, mein Gebieter!
Auf Erden wohnt kein Erbarmen,
Verstoßen, allein,
Niemand will sich mehr erbarmen,
Erbarmen meiner Pein!
O du Wesen, das Herzen zerschlägt,
Mir diesen Jammer zuwägt,
Was tat dir meine Seele!
Kind, hörst du's, dein Vater ist dahin,
Lall' ihn zurück, ruf' ihn,
Aus Todes nächtlicher Höhle!
Weidmann.

Genoveva springt wild auf, schluchzt, starrt die blutigen Waffen an – blickt wild in Golos Aug'.
Nein, es war Teufels List!
Golo, Golo, du bist
Ein Lügner, ein Verruchter!
Du willst mich betrügen,
Bestricken, belügen:
Er lebt! Qual auf dein Herz, Verfluchter!
Er lebt und lebt und soll dir leben,
Bebe, du sollst noch beben,
Hier streck' ich meine Händ' dir aus,
Da führe mich zum Hochzeitsschmaus,
In Schutt und Gruft, in Nacht und Graus,
[127]
Bei Mord und Höllen-Fackelschein
Soll unsre Hochzeitsfeier sein!
Und Siegfried! Siegfried komme dann
Lebendig oder tot! –

Weidmann.

Genoveva sieht wild umher, fällt mit dem Antlitz in ihre Arme, die Linke hält Golo und steckt ihr einen Ring an den Finger; küßt ihr die Hand.


Golo.

Ha! endlich noch mein,
Mein Jammer, meine Pein!
Wie wird mir dann sein?
Ein Pilger wall' ich für und für
Um dieser klaren Augen Schein.
Hölle, daß ich nur sagen könnt',
Wie sehr, wie sehr dies Herz hier brennt,
Das lindert schon die Pein,
Mein wirst du noch, mein!
Ras' ich vor Entzücken?
Dem Bruder jagt' ich den Dolch ins Herz,
In diesem Arm zu liegen,
Mich an die zarte Brust zu drücken,
Auf deinem Herzen mein Herz zu wiegen,
Gedanken voll Entzücken!
Mich zücket Wonne himmelwärts.
Blumig mögen die Auen blühen,
Entglommner junge Rosen glühen,
Seit ich hoffen darf, du werdest mein!
Zur Hochzeit, zartes Fräulein,
Schlag auf dein blaues Äuglein,
Genoveva, du bist mein!
Weidmann.

Sie reißt sich los, rafft schnell das Schwert ihres Mannes auf.
Genoveva.

Sieh her, her, hab' ein Schwert,
Ha! meines Siegfrieds Schwert,
Will tief ins Herz mir's drücken!
Anlachen dich
Ich, ich?
Lieber den Teufel, als dich!
Entweich', Scheusal, tötest mich,
Hölle sind mir deine Blicke!
Verrätrischer, elender Mann,
Lächelst du mich noch einmal an,
So stoß' ich zu, so ist's getan.
Weidmann.

Sie setzt sich das Schwert auf die Brust, Golo ergreift schnell das Kind.
[128] Golo.

Zerschmettern soll, hier schwing' ich ihn
Am Beine hoch – siehst du ihn –
Ohn' Mitleid, ohn' Bedauern,
Dein' Sohn hier an den Mauern!
Wirf geschwind das Schwert zurück,
Ich schlag ihn den Augenblick,
Wird fallen, röcheln, sich krümmen,
Weib voll Eigensinn,
An deinen Füßen hin.
Trag ich noch ein Menschenherz?
Was war ich – bin ich jetzt?
Die Schlange tobt vor Schmerz
Auf den, der sie tritt und verletzt.
Verflucht sei Schönheit,
Wo kein Erbarmen wohnt,
Wenn Grausamkeit
Im Weibe thront.
So scheußlich ist die Hölle nicht als sie!
Treibst mich nicht selbst zum Abgrund hin,
Mich, der ich voll Elend,
Verdammte falsche Gleißnerin!
Ha! ich
Zerschmettre des Knaben Glieder,
Fall' über mich
Erd' und Himmel nieder!
Dann schleif' ich dich,
An blutigen Haaren schleif' ich dich
Über des Röchelnden Glieder,
Und stirbst du, will ich doch
Im Sterben noch
An dir meinen Willen erfüllen.
Ha! was säum' ich noch,
Wer hält die Wut,
Die Herz und Blut
Mir frißt und raubt?
Schon schlag' ich ihn rachevoll,
Zerschmettern an der Mauer soll
Des jungen Drachen Haupt.
Genoveva.

Golo, Golo, halt ein,
Beim lebendigen Gott, halt ein,
Halt ein, sieh meinen Jammer!
Golo.

Vergebens flehst du meiner Wut,
Färben soll sein mitschuldig Blut
Rosenrot diese Kammer.
[129] Genoveva.

Erbarmen, ach Erbarmen!
Das Schwert liegt schon,
O! den Sohn, den Sohn
Zurück in meine Arme!
Hier knie' ich,
Hier wälz' ich mich,
O Golo, trag Erbarmen!
Golo.

Vergebens flehst du, er fällt, fällt,
Ihn rettet nicht die Welt,
Röchelnd zu deinen Füßen –
Peinigst, zermalmst mein Herz
Ohn' Mitleid, er soll's büßen!
Rosenrot soll sein Blut zum Scherz
Zu deinen Füßen fließen;
Lächeltest, wenn ich weinte vor banger Liebesqual –
Ha, dies Lächeln des Knaben
Erdrück' ich nun in Todesqual,
Sein Geheul, seine Qual
Soll mein kochend Herze laben!
Freu' dich, höhn' mich,
Nun ist es dir erlaubt,
Nun schlag' ich ihn rachevoll,
Zerschmettern an der Mauer soll – Mauer soll
Des jungen Drachen Haupt.

Weidmann.

Golo hebt fürchterlich das Kind in die Höhe, es schreit überlaut, heulend stürzt ihm die Mutter in die Arme.


Genoveva.

Golo! Ach Golo! Halt ein!
O wenn du den Himmel hoffst, halt ein!
Laß, laß mein Kind am Leben,
O daß du selber Vater wärst!
Du fühltest mein Erbeben,
Verschone oder nimm, nimm mir zuvor mein Leben.
Golo.

Ha! ihre Stimme,
Das hält mich! Ich höre dich,
Ein Löwe, gefesselt bin ich,
Gefesselt im stolzen Grimme;
Eine Memme bin ich,
Deine Schönheit entmannet mich,
Entmannt mich deine Stimme.
Was fällst mir in die Arme?
Was netzen diese Tränen mich?
Liebe bringt kein Erbarmen,
Nur Grausamkeit erweichet dich.
Weh dem Mann, der Rettung begehrt
Vom Weib, er ist verloren,
[130]
Eh fänd' er die vor des Drängers Schwert,
Im Pantherrachen und bei Mohren.
Ohne Licht, ohne Götter,
Kalt verstoßen, klimmt er pfadlos hin,
Mittag fliehet hin,
Und Mitternacht ist sein Erretter.
Nächtlich Geschöpf voll Trug und List,
Weib, daß du so gleißend bist!
Höll' und Himmel liegt in dir beisammen,
Da schwebt ein engelmilder Schein,
Um's Aug' geflochten drein
Sind Todesqual und Flammen.
Hör' dies, mein Herze schwillt,
Keine Taube singt dir, ganz erfüllt
Bin ich von Mord und Verderben,
Ein Augenblick umspannt dein Ziel,
Und wenn ich in die Hölle fiel,
Ihr müßt beide darnach sterben.
Dein Kuß, dein Kuß! Weigerst du?
Genoveva.

Ich will, ach Gott! Ich muß!
Der Teufel selbst hat's dir gesagt,
Daß Alles eine Mutter wagt,
Um ihren Sohn ging sie schnell
Hinunter in die tiefste Höll',
Der Teufel selbst hat's dir gesagt,
Daß Alles eine Mutter wagt,
Ihren Sohn zu erhalten.
Was tu' ich? Gott! Was tu' ich?
Erd' und Himmel, bedecket mich!
Golo.

Halt' ich mich? Reicher Gott, welch ein Kuß!
Leb' ich oder bin ich hingesunken,
Wein' ich, ach, von süßen Freuden trunken,
Daß ich bald in Wollust sterben muß?
O wie sehr, sehr
Gewaltig Entzücken!
Brausend wie wildes Meer.
Weidmann.

Golo gibt ihr den Knaben, Genoveva küßt ihn, drückt ihn fest an ihr Herz.
Rollen doch warme Tränen
Meine Wangen herab!
Goldne Tränen,
Schwimmt ihr, den Kuß zu krönen,
Den die allersüßeste Lippe gab?
Bebe nicht, Weiblein, binde
[131]
Straf' und Schuld allein an mich,
Ist dieser Kuß Sünde,
So schwör ich:
Den Himmel zieret diese schöne Sünde.
Ade! schön Liebchen! Blicke
Noch einmal auf! Lebendige Blicke!
Gott, Du Lilienbrust, du Purpurmund,
Lebe wohl, in einer Stund
Bringt die Liebe mich dir ganz zurücke.
Welche frohe Ernte wartet mein,
Lieg' ich an dieser Brust, Weiblein,
Vor mir mögen goldne Berge stehn,
Werd' sie nicht sehn,
Ja wüchs' unter meinen Füßen
Diamant und Edelstein,
Stieß' Alles weg mit Füßen,
Sammelt' nichts als der Teuern Küsse
Auf deinen purpurnen Lippen ein!
Um Mitternacht, wenn traut
Der lichte Mond die Welt beschaut,
Kehr' ich wieder ein,
Ade, schön Liebchen, scheid' von hier,
Bereite dir, bereite mir
Ein süß Schlafkämmerlein.
Weidmann.

Golo will abgehen, bückt sich, ihre Hand zu küssen.
Genoveva (aufstehend).

Ha! was tat ich?
Himmel, verzeih' mir!
Versprach ich? ... Was versprach ich?
Hundertmal lieber sterb' ich hier!
Nein, nein, die Angst sprach aus mir,
Die Mutter hat mich betrogen.
Golo, zurück, ich hab gelogen!
Lieber erwürgt' ich gleich
Diesen mit eignen Armen,
Schlüng' diese Locke um seinen Hals,
Erdrosselt' ihn ohn' Erbarmen,
Als daß ich durch Schand' und Schmach
Ihn wollt verfluchen! Erwach',
Henker! Ich verlache dich!
Komm', feßle mich, komm', töte mich,
Bring' aller Marter, Feuer und Schwert,
Vertilg' mich heimlich von der Erd',
Der Himmel wird's sehn, hören die Welt!
Mein Siegfried lebt, es lebt mein Held!
Schon fährt er auf im dunkeln Zelt,
[132]
Engel zählen ihm seines Weibes Tränen,
Er spornt das Roß, schärft den Stahl,
Er rächet seines Weibes Qual
Und seines Unmündigen Stöhnen.
Der Starke hoch in Wolken geht,
Der wird nicht von ihm weichen.
Komm, Teufel, um Mitternacht,
Wenn Höll' und Mordsucht mit dir lacht,
Nicht lang bedacht,
Ich und mein Sohn, wir wollen hier erbleichen!

Weidmann.

Sie fällt über ihr Kind auf das Stroh, Golo schlägt sich auf die Brust, geht verzweifelnd von dannen. –


Coßheim.


Ei mein liebes Agneschen, ihr habt gesungen wie ein Engel des Himmels, aber eine solche Genoveva würdet ihr nie sein können, das sanfte Herz würde erkalten, ehe der Räuber sich nahete, dies Auge, wenn es nicht in milde Tränen das Herz schmelzen ließ, würde schwerlich dem Anfall Trotz bieten und den verwegnen Frevler wegzürnen. Aber ihr solltet fast glauben müssen, mein Mädchen, es gäbe nur schlimme Ritter, die die Treue verfolgen. Ach Anima! Er sitzt zu Agnes nieder, nimmt ihre Hand. Nein, Agnes, der treuen, zärtlichen Jünglinge gibt's wohl noch, die Redlichkeit und Ehre fühlen, und glücklich wären, ein treues Herz zu finden. Hört einmal dies Liedchen von einem beklommenen, Liebe suchenden Ritter:


Wo irr' ich um den Muschelstrand,
Wo find' ich, Armer, sie?
Ach über Strom und über Land
Ich such' und suche sie.
Ein Mädchen, das von Treu' bewegt,
Auf mich ihr lieben richt't,
Im Herzen süßen Himmel trägt
Und Ruh' im Angesicht,
Mir werter noch, als Kron' und Welt,
Mit Liebe mich beschirmt,
Sanft mich in ihren Armen hält,
Wenn's hier im Busen stürmt,
Ach, mit mir weinet, alles stillt,
Den Kummer und Verdruß,
Dies ganze, warme Herz erfüllt,
Das lieben will und muß?
O Täubchen auf dem dürren Ast,
Zeig' doch das Mädchen mir!
Verberget ihr den lieben Gast,
Ihr schlanken Ulmen hier?
[133]
Lang stand ich dort am Dornenhang
Und wo der Kibitz baut,
Lang irrt' ich durch den Klippengang
Und rief ihr überlaut.
Ach nimmermehr! – Am Muschelstrand,
Wo find' ich, Armer, die?
Wo über Strom und über Land?
Ich such' und suche sie.

So sang der Ritter Coßheim. Unbeweglich schaut' ihn das Mädchen immer an und vergaß sich in seinen redlichen, schwarzen Augen. Der volle, wahre Ausdruck, das Schmachten und Sehnen, geliebt zu sein, zu lieben, eine auszufinden, die an ihm hinge mit voller Seele, mit ihm teilte Herz und Leben, Freuden und Kummer, öffneten ihre Brust, und ein banges, zitterndes Verlangen durchdrang sie, diejenige aus Allen zu sein, die an ihrem Busen, an ihrem Herzen dem Ritter all die Fülle geben könnte, die ihn schadlos hielte all des langen Herumirrens und Suchens. Wie Feuer lief es durch ihre Adern. Plötzlich stand sie auf und entfernte sich, auch ihre Brüder entfernten sich und ließen den werten Gast bei ihrem Vater allein.

Kommt, Ritter, sprach der Alte, noch eins auf unsers lieben Kaisers Gesundheit, dann begleite ich euch zu Bette; ist's doch ein trefflicher Herr, was man auch tausendmal wider ihn schreit. Ha! sah ich ihn doch auf seinem Hochzeitsfeste, da überrannt' er wie ein junger Stier in seiner Kraft Alles, was ihm im Zweikampf gegenüberstand.

Nein, das müßt ihr euch nicht kränken lassen, mein guter Herr Ritter, daß der Schurke Regginger nicht kam. Kommt, ruhet ihr, und morgen weck' ich euch. – Mit so vertraulichen Gesprächen führte der Alte den Ritter in seine Schlafzelle.

Aber der Ritter konnte nicht schlafen. Freundlich war die Nacht, am Fenster steht er, betrachtend der Mondwolken Lauf, wie das Alles hervorglomm und zum Licht sich vordrängte und wuchs, dann die dämmernde Gegend, die unter dem milden Strahle geruht. Der Anblick zog ihn hinaus. Fräulein Animas traurige Geschichte fällt ihm von Neuem wieder ein, sachte geht er zu ihrem Grabhügel hin, das sanfte Mädchen stand lebhaft vor seiner Stirne, das so unglücklich war, da der einzige, auf den sie hoffte und baute, der ihrem klopfenden Herzen Ruh und Himmel einlieben konnte, sie verließ, zurückstieß am jähen, klippenvollen Ufer, im Sturm, in unbekannter Welt allein. Er kehrt sein Antlitz zum Mond: So liefst du, so hell, wenn sie am Erker stand und winkte den zu Hellen hinab, und sie konnte nicht ruhen, nicht zurückhalten die Liebe im Wachen, im Schlafen, immer zärtliche Besorgnis um den, der sie verriet! Und daß sie ihm noch nachfolgte, wie ein unschuldig geschlagen Hündlein seinem Herren gern noch nachläuft, wenn's nur [134] wieder von Neuem ein wenig Liebe hoffen darf! Schlummre sanft, zu sterben wünscht' ich mit solch einer liebevollen Seele, auf ihr Grab wollt' ich meine Wohnung bau'n, hätt' ich sie nur eine Minute im Leben gekannt. Ha, diese Liebe für mich, o wie treu, wie treu wollt' ich ihr sein.

In stillen Betrachtungen steht der Ritter, ein Schatten bewegt sich zu seinen Füßen, ein Mädchen sitzt neben ihm an Animas Grabhügel.

Sie war es, die zärtliche, sanfte Agnes, die ihren einsamen Kummer im Mondschein hier einwiegte. Ach, Sterne gingen nicht auf, gingen nicht unter, sie saß an diesem Hügel, ihr Herz auszulassen, die Fülle ihres Busens in süßen schwermütigen Klagen. Den Ritter erkennt sie nun und will entfliehen, aber umschlungen hält er sie an seinem Herzen: Bleib, Agnes, bleib, der Verstorbnen Geist, Animas Seele schwebt über dir. In dir, in dir lebt sie wieder auf: ich habe sie gefunden, die ich lange gesucht! – Lang hielt sie der Ritter noch, bis sie sanft ihr Haupt auf seine Schulter neigt. Ach, schluchzt sie, laßt mich, wir können uns doch nicht werden, und wenn ich unglücklich bin, werdet ihr bald mein vergessen und euch wieder freuen. – O dies sanfte Klopfen, das von deinem Herzen melodisch an meine Brust schlägt, o möcht' ich niemals leben, dich zu beängstigen. Bei den Sternen, die über uns brennen, nichts soll mich mehr von dir trennen!

Aber sie entflieht weinend, er folgt ihr ohne zu sprechen in die Hütte, sie wünscht ihm gute Nacht und sieht ihn an, dann geht sie in ihre Kammer und legt den Riegel vor. Lange stand er sinnend, bis der Morgen schon dämmerte; dann ging er vor das Bett des Alten, der noch im Schlafe lag. Der Ritter weckt ihn freundlich und spricht zu ihm: Seid' mir gegrüßt, und möcht' ich euch doch Vater nennen, ich liebe Agnes, gönnt sie mir zur Gattin.


Weidmann.


Keinem so gern als euch, doch wißt ihr selbst, ich bin jetzt ein armer Mann, und rühm' mich adlicher Geburt nicht.


Coßheim.

Das Herz adelt, nicht Schild und Geburt, du bist edler als tausend, drum gib mir deine Tochter.

Weidmann.

Dank, Herr Ritter, ich will das Mädchen wecken, und fragen; wenn sie will, in Gottes Namen.

Er ging in des Mädchens Kammer. Erwacht war sie, denn sie hatte des Ritters Worte versteckt hinter der Türe angehört, schamhaft mit roten Wangen tritt sie hervor, vor Liebe traute sie sich nicht, dem Ritter in's Gesicht zu sehn. Er nahm sie in seine Arme und küßte sie vor ihrem Vater.

Drei Tage hielten sie Hochzeit und die Schäfer der dortigen Gegend waren versammelt und der Ritter tanzte mit seiner Braut unter ihnen. Am vierten Morgen gab sie ihrem Vater den Abschiedskuß.


Coßheim zu Weidmann.

Ihr müßt mit, Vater!

Weidmann.

Bin alt, kraftlos nun – O, das letzte Mal zu [135] Trier, als – wie schon erzählt – euer Kaiser Heinrich Hochzeit hielt, ich seh' ihn noch in blauer Rüstung – das war eine Zeit!


Coßheim.


Ha, jetzt erkenne ich euch! Ihr wart's – ihr wart der Ritter Bruno – auf Welf, den Herzog, traft ihr! Ich war als Ritterknabe dabei, ihr hobt den Herzog aus dem Sattel, daß er zehn Schritte hinter seinem Pferde niederfiel ... Ihr wart's, Eberhart von Steinbachs bester Gesell!


Weidmann.

Kennt ihr diesen Namen?

Coßheim.

Ob ich ihn kenne! Er war der Ritter Krone. Seinesgleichen trägt die Welt nicht mehr. Auf den Turnierplätzen in allen Schilden steht sein Name golden. Nach ihm werden Verdienste bemessen.


Weidmann.

Was sagst du! Lebt er noch?

Coßheim.

Seinen Körper fand man an Klippen. Wölfe sollen den Edlen überfallen und zerrissen haben. (Weidmann weint). Vater, faßt euch! Jetzt, jetzt müßt ihr mit uns an den Hof, an Heinrichs Hof! Euer Anblick, euer Name wird Helden erwecken.


Weidmann.


Dringt nicht in mich weiter. Ein letzter Abendstrahl, diese Erinnerung, ja glänzend aber ohne Macht, mich zurückzuführen .... O, ihr Jugendzeiten kommt nimmer mehr – die Heldenzeit war – und wird nicht wiederkommen. Nimm' meine Söhne mit, meine Tochter, führe sie an Heinrichs Hof, aber mich laß hier. Wenn ich sie auch suchte, fände ich die nicht mehr, die ich gekannt, und in meinen alten Tagen würd' ich zum Kind. O, dort wär' ich verbannt. Hier, wo meine Jutta liegt, die ich selbst begrubt, ist meine Heimat. Vierzig Jahre hatt' ich zurückgelegt, eh' ich meine Jutta ehelichte, und doch war sie das erste Mädchen, auf deren Wange ich einen Kuß gedrückt – herzhaft im Krieg, als immer furchtsam bei Schönen. Ihr Grab, jene Büsche, die ich aufwachsen sah – alles das hängt an mir. Bei euch, ihr unverstellten Kinder der Natur, unter eurem Schatten, ihr Eichen, laßt mich zu meinen Helden entschlummern. Im Herbst, wenn alles mit mir stirbt und ihr mit euren Blättern mich bedeckt, sollen diese Augen sich schließen, daß die Natur um ihre Edlen trauert. Geh', nimm meine Tochter – ich hab' euch zum letzten Mal gesehen ....

Segen und Wohlergehn und langes Leben wünschten nun von allen Hügeln die Hirten ihnen nach. Coßheim schwang die Geliebte zu sich auf sein Roß, ihre drei Brüder saßen auf und begleiteten ihn an den Hof – und dem edlen Heinrich waren sie alle herzlich willkommen.

NachtgesangUlrich von CoßheimAn die MenschenverbessererHuldigung der TiereRudharts HaßAm Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[136] Nachtgesang

Durch die Dämmrung sinkt gelinde
nun herab der Abendtau
und die leichten Frühlingswinde
hauchen durch die Blüten lau;
und des Mondes Silberwallen
zittert hin auf dunkler Flut
Möge dir! mein Lied gefallen,
Auserwählteste von allen!
die geweckt von Nachtigallen
nun auf weichem Lager ruht.
Lieblich steiget auf von hellen
Perlen süßer Maienduft,
aus der Erde Busen schwellen
Blumen tausendfach zur Luft;
und des Himmels klare Kerzen
gießen nieder milden Schein.
Aber fern von holden Scherzen,
klagen einsam wunde Herzen;
bange sind der Liebe Schmerzen,
sie durchnagen Mark und Bein.
Nacht verbreitet still die Flügel,
dämmernd ruhet Feld und Bach;
alles schlummert, Tal und Hügel,
nur mein Aug' bleibt tränenwach.
O du weißt, mit welchen Stricken
Liebe mir die Seele band.
Willst du mich der Not entrücken,
lösen ach! mit sanften Blicken
Tod und Leben, Qual, Entzücken!
Alles steht in deiner Hand.
RitterehreNachtgesangUlrich von CoßheimAn die MenschenverbessererHuldigung der TiereRudharts HaßAm Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[137] Ritterehre

Der ist kein Mann, der furchsam
zu hohem Laster schweigt:
Am Felsen liegt, ihr Väter,
Ein Fräuelein erbleicht –
Verführt von falschen Schwüren
Durchstach sie sich das Herz.
Zu Frankreichs stolzem Turme
floh der Verräter hin.
Der sitzt in goldnem Saale
Bei Harfenton und Tanz
am Busen einer Dirne,
von Bourbons falsch Geschlecht;
und lacht noch seiner Taten
und prahlt damit und höhnt
der zarten Liebe Treue
beim goldenen Pokal.
Ha, freu' dich nur – die Rache
folgt an der Ferse dir!
Es heulen Stürme, Donner,
ihm tausend Flüche nach.
So niedrig ist's, wenn Schande
im stolzen Helme steckt,
wenn Adels goldne Rüstung
ein Sklavenherz bedeckt!
Der Ritter – gleich der Schlange,
die in der Sonne kriecht,
die außen gleißt, doch giftig
mit schwarzer Zunge sticht –
mit stolzer Stirne schreitet
im hellen Ehrenkleid
der tapfern Vaters-Väter
und doch nicht Laster scheut.
Er, der das Schild der Schwachen
sollt' sein, reißt von der Brust
der Mutter selbst die Tochter
zu geiler Liebeslust.
Entreißet ihm sein Wappen,
das er so tief entehrt!
Was nützt dem feigen Knaben
ein scharfgeschliffen Schwert.
O, sammelt euch, ihr Väter,
o, sammelt euch und tilgt
die Laster, die nicht euer –
seht, wie der Nachbar höhnt!
Schlagt eure Händ' zusammen
beim freundschaftlichen Wein
und schwört, den auszurotten,
der Deutschlands Treue bricht!
Du aber, Ritterknabe,
sieh her und folge mir:
Leg' niemals junger Unschuld
die Schlingen falscher Schwür!
Gerecht und groß zu handeln,
ist adelige Pflicht;
wenn du willst niedrig denken,
so führ' den Adler nicht.
Für dich schickt's sich, o Knabe,
nah der Gefahr zu stehn,
dem Feind ohn' Furcht und Schrecken
In's Angesicht zu sehn.
Gedrückte Schwäch' zu stärken
sei deines Pfades Spur;
zum Schilde der Bedrängten
erschuf dich die Natur.
Fühlst du der Liebe Flammen
einst, sag' es ohne Scheu
vor aller Welt dem Fräulein
und bleib ihr immer treu.
Verfluch mit mir die Memme,
die Schwacher Ehre raubt.
So bleibst du deutschen Stammes
und deiner Väter wert,
der Väter, die die Tugend
und Heldenmut geehrt.
An den FrühlingRitterehreNachtgesangUlrich von CoßheimAn die MenschenverbessererHuldigung der TiereRudharts HaßAm Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[138] An den Frühling

Du schwebest vom Hügel
Mit tauigem Flügel,
Mit blumigem Kleid!
O Frühling, hernieder,
Und weckest uns Lieder,
Und weckest uns Freud'
Und führest gelinde
Umschmeichelnde Winde
Zum schilfigen Bord,
Und fesselst geschwinde
Den schnaubenden Nord.
Du kleidest die Haiden
Und nackenden Weiden,
Du schwängerst die Luft
Mit Balsamgerüchen
Und lieblichem Duft,
Und gibest den Quellen
Belebende Wellen
Mit lächelndem Blick,
Dem schmeichelnden Bache
Die freundliche Sprache
Und Stimme zurück.
Dich grüßet der Himmel,
Dich grüßet die Welt,
Im frohen Getümmel
Tal, Wiesen und Feld.
Dich grüßet durch Lieder
Das bunte Gefieder,
Das Büsche durchzieht;
Dich grüßen die Hirten
Bei schattigen Myrthen,
Dich grüßet mein Lied!
Mit blendenden Füßen
Entschlüpfen den Flüssen
Nun Paar an Paar;
Die frohen Najaden
Sie ruhn an Gestaden
Und trocknen ihr Haar:
Sie eilen, Violen
Und Rosen zu holen
Vom schattigen Hain,
Und grüßen dich singend
Und küssen dich schlingend
In lächelnden Reihn.
Mit fröhlichem Spotte
Steigt aus der Grotte
Der Satyr herfür:
Treibt Lämmer und Geißen,
Und locket den weißen,
Wildbrüllenden Stier.
Nun trinkt er und singet,
Und grüßt dich und springet
Mit fröhlichem Mut;
Und wirfet sich nieder,
Und wälzet die Glieder
In sonniger Glut.
Auch Amor, der kleine,
Durchtanzet die Haine,
Den Satyr sieht er;
Er winkt den Najaden
Und blauen Dryaden
Vom Frühlingsfest her.
Da eilen von Tänzen
Die Nymphen hervor,
Und schmücken mit Kränzen
Des schlummernden Ohr.
Unter Michelangelos BildnisAn den FrühlingRitterehreNachtgesangUlrich von CoßheimAn die MenschenverbessererHuldigung der TiereRudharts HaßAm Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[139] Unter Michelangelos Bildnis

Betrachtet diesen Blick! Ihr schaut in diesem Strahl
Prometheus, als er kühn vom Himmel Flammen stahl.
ShakespeareUnter Michelangelos BildnisAn den FrühlingRitterehreNachtgesangUlrich von CoßheimAn die MenschenverbessererHuldigung der TiereRudharts HaßAm Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

Shakespeare

Liebling der Natur,
Gott der Erdendenkenden!
Wie eine Zeder Gottes
Siehst du in die Wolken.
Um ihre Schulter schlägt der Donner den Flügel,
Indeß dein Haupt in des Himmels Strahle steht!
Zerschmettert sie ein Donner,
So weint und heult er um sie.
Ach, so weinte die Natur selbst
In dem Augenblicke, der
Dich, ihren Liebling,
Wieder der Erde entriß,
Zu glückliches Albion,
Zu glücklich durch dich!
Der Ritt von dreißig MeilenShakespeareUnter Michelangelos BildnisAn den FrühlingRitterehreNachtgesangUlrich von CoßheimAn die MenschenverbessererHuldigung der TiereRudharts HaßAm Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

Der Ritt von dreißig Meilen

Es ritt ein Pfalzgraf über den Rhein;
Er sang für sich ein Liedelein;
Sang's lieblich auf dreierlei Stimmen, ja Stimmen,
Daß Berg und Tal es erklingen.
Das hört des Markgrafen Töchterlein
In ihres Vaters Lustkämmerlein.
Sie flocht ihr Härlein in Seiden, ja Seiden,
Mit dem Rittersmann will sie gern reiten.
Der Ritter bog sich herab vom Roß,
Wohl ihren schlanken Leib umschloß,
Sie ritten in schnellem Eilen, ja Eilen,
Den Weg von dreißig Meilen.
Der seraphische DichterDer Ritt von dreißig MeilenShakespeareUnter Michelangelos BildnisAn den FrühlingRitterehreNachtgesangUlrich von CoßheimAn die MenschenverbessererHuldigung der TiereRudharts HaßAm Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[140] [177]Der seraphische Dichter

Für Engel, nicht für Menschen sang der Dichter sein Gedicht?
Was Menschen nicht erfreuet, ergötzt auch Engel nicht.
Gesang auf die Geburt des BacchusDer seraphische DichterDer Ritt von dreißig MeilenShakespeareUnter Michelangelos BildnisAn den FrühlingRitterehreNachtgesangUlrich von CoßheimAn die MenschenverbessererHuldigung der TiereRudharts HaßAm Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[177] Gesang auf die Geburt des Bacchus

Mich senget dürrer Durst! Füll', Knabe,
Den goldnen Becher hier.
Ha! Lieblich teilst du, Evan, deine Gabe;
Wie bist du Freudenvater mir!
Füll' wieder! Wonnequell! Geschenke
Der Götter! Süßer Wein!
Ein jeder Tropfen, seliges Getränke
Von dir, schließt einen Himmel ein.
Wo irr' ich? – Evan! – In Corycens Grotte
Umtanzen die Bacchiden mich.
Begeistert, heilig, tauml' ich voll vom Gotte;
Die schöne Sonne hüpft um mich –
Hüpft' fröhlich auf, es fliehen meine Sinnen
Und meine Seele schwimmt in Glanz,
Mein sträubend Haar durchbebt Glut der Bacchantinnen –
Ich seh', ich seh' dich Vater ganz,
Wie kindlich du im lichten Maientraume
Einst unter goldnem Nymphenchor
Gebunden lagst von Reben an dem Baume
Und schnell die Traube wuchs hervor:
Und Nysa ließ in goldne Schalen träufeln
Der freudenschwangern Beere Saft,
Voll Lust auf dich nun staunt und länger nicht will Zweifeln:
Du seist ein Gott der Kraft.
Geheiligt durch den Wein, der Aug' und Lippen
Bald angeflammt, sieht sie nun den Silen,
Zehntausend Thyrsusträger, hoch auf Wolkenklippen
Die Götter um dich stehn.
Prophetisch dann, mit hingestorbnen Blicken
Und seelenvollem Haar,
Heult sie herab voll dithyrambischen Entzücken:
O heilig! heilig! Bromius gebar,
O Evan! Stolzer Evan, Jacche!
Aus Zeus Umarmung, eingehüllt
Vom roten Blitz, an Dyrcens Quell dich, Bacche,
Des mächt'gen Vaters Ebenbild,
Der goldnen Schlangen Tochter Semele! Die Götter,
Sie prunken vom Olymp den Tag,
Neunmal umleuchtet Zeus in einem Donnerwetter
Den Erdball, der in trunknem Schlummer lag.
[178]
Dem Jubel neigt die Erde ihre Ohren,
Daß Sonne, Mond und Himmel singt
Vom stolzen Knaben, der kaum neu geboren
Schon unter Rebenlauben springt.
Froh hören's die Gestirne, die da glänzen
Im Himmelsmeer; da dreht
In mystisch heilig labyrinth'schen Tänzen
Sich jeder taumelnde Planet.
Da taumeln Wälder, finstre Grotten hüpfen!
Heil' dir! Heut küsset dich die Lust,
O Welt, zum ersten Mal! Verjünget mußt du hüpfen:
Der Freudenschöpfer ruht an deiner Brust.
Und heilige Gebirge zauchzen, springen
Vom Hymnus: Heil dir, Tag
Des Taumels! und hundertzüngig singen:
Heil dir! die Täler nach!
DithyrambeGesang auf die Geburt des BacchusDer seraphische DichterDer Ritt von dreißig MeilenShakespeareUnter Michelangelos BildnisAn den FrühlingRitterehreNachtgesangUlrich von CoßheimAn die MenschenverbessererHuldigung der TiereRudharts HaßAm Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

Dithyrambe

Ha! was staunen meine Blicke!
Ha! wie schwindeln meine Blicke!
Füllt den mächtigen Pokal,
Füllt ihn, füllt ihn noch einmal!
Daß von meinen blöden Sinnen
Alle Nacht und Nebel fällt!
Ha! nun steh' ich aufgehellt!
Götter! was soll ich beginnen?
Seh' ich eine fremde Welt?
Dorten rauscht der Zug herunter!
Dort herunter! da hinunter!
Soll ich, soll ich zu ihm hin?
Dorten seh' ich selbst Lyäen
Auf dem goldnen Wagen stehen!
Wie des Siegers Wangen glühn!
O! ich seh, ich seh' Lyäen
Wie vor ihm die Tiger knien!
Dorten rauscht der Zug herunter!
Dort herunter! da hinunter!
Soll ich, soll ich zu ihm hin?
[179]
Du verklärter Gott der Reben!
Darf ich auch den Thyrsus heben?
Darf ich mit am Wagen ziehn?
Helle, brünstige Gesänge,
Die ihm jede Nymphe zollt,
Strömen durch die Efeugänge!
Wie sein stolzer Wagen rollt,
Wie ihm Löw' und Pardel brüllen!
Ha! aus jeder Rebe quillen
Taumelströme, Wein und Gold.
O ihr Brüder, o ihr Brüder!
Selig, selig, selig, Brüder!
Evan steigt zu mir hernieder,
Lehnet sich an mich vertraut!
Selig, selig, selig, Brüder!
Seht, es rauscht um meine Glieder
Tief herab die Pantherhaut.
Kröne meine Schläfe! Kröne
Meine Stirne, neu geschmückt!
Tanzet vor mir, Silbertöne!
Götter, Götter, wie entzückt!
Flieh' ich auf des Meeres Wogen?
Tret' ich den gehörnten Rhein?
Meine Seele ist entflogen,
Wut durchschauert mein Gebein!
Jacche, Jacche, Jacche, Jacche!
Vater Evan, Vater Bacche!
Jacche, Jacche! Gnade, Gnade!
Reiß' mich von dem Flammenrade,
Reiß'! Schon taumelt auf einander
Erd' und Himmel und Gestirn!
Auf mir steht ergrimmt der Panther
Und zernaget mein Gehirn!
Ach du kommst, du kommst und rettest,
Vater Evan, rettest, rettest,
Kühlst in süßer Wonneflut
Meiner heißen Locken Glut.
Wehe, Wehe! Evan! Wehe!
Ich versinke! Ich vergehe!
Sieh, mich stößet Morpheus hin!
Welche süßen, süßen Lüfte
Jagen kühle Blumendüfte,
Silbern säuseln sie im Fliehn!
FreudenliedDithyrambeGesang auf die Geburt des BacchusDer seraphische DichterDer Ritt von dreißig MeilenShakespeareUnter Michelangelos BildnisAn den FrühlingRitterehreNachtgesangUlrich von CoßheimAn die MenschenverbessererHuldigung der TiereRudharts HaßAm Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[180] Freudenlied

Auf, ihr muntern Brüder,
Jubelt mit mir Lieder!
Nimmer kommt uns wieder
Frohe Jugendzeit!
Sei den leichten Scherzen,
Und dem Gott der Herzen
Dieser Tag geweiht.
Laßt an hellen Tagen
Alte Narren klagen!
Sich mit Grillen plagen,
Ist dem Blöden süß!
Weise scheuchen Sorgen,
Sorgen für den Morgen!
Heute bleibt gewiß!
Silberharfen klingen,
Freie Mädchen singen,
Brüder, laßt uns springen,
Springen goldnen Wein!
Wo sich Scherze wiegen,
Blonde Locken fliegen,
Kann man luftig sein!
Tanzet um die Fässer!
Freude lachet besser,
Stoßet ihr die Gläser!
Welch ein froher Klang!
Klingt die Urne besser
An Cocyts Gewässer,
Oder Grabgesang?
Freier Mädchen Nicken,
Runde Busen schmücken,
Weiche Hände drücken,
O wie süß, wie süß!
Unter frohen Chören
Volle Becher leeren,
O wie süß, wie süß!
Jünglinge, die Losen,
Werfen uns mit Rosen,
Daß wir ihre bloßen,
Weißen Arme sehn.
Löset mit mir Bänder!
Streift die Brustgewänder!
Nackend sind sie schön!
Spiegle mir, du kleine
Blonde, hier im Weine
Deine weiße, reine
Marmorbrust geschwind!
O! du schwebst im Weine,
Wie im Strahlenhaine
Ein vergöttert Kind!
Küßchen hör' ich tauschen,
Kleine Pfeilchen rauschen,
Amorn seh' ich lauschen,
Fröhlich hüpft er her.
Neben seiner Seite
Schwingt die lose Freude
Ihren grünen Speer.
Über Schwanenbetten
Flüchten sie, und retten
Sich in Blumenketten;
Cypris tanzt herab.
Ihren Sohn zu strafen,
Der zu lang geschlafen,
Bricht sie Rosen ab.
Der schöne TagFreudenliedDithyrambeGesang auf die Geburt des BacchusDer seraphische DichterDer Ritt von dreißig MeilenShakespeareUnter Michelangelos BildnisAn den FrühlingRitterehreNachtgesangUlrich von CoßheimAn die MenschenverbessererHuldigung der TiereRudharts HaßAm Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[181] Der schöne Tag

O Leben, o Freude!
Wie lachet die Haide,
Der Anger und Hag;
Wie schwellen die Lüfte,
Die blumigen Düfte,
Welch' lieblicher Tag!
O seht auf den Wiesen
Die Blümchen aufsprießen,
Süß rieselt der Quell;
Wie blühen die Zweige,
Wie schlägt im Gesträuche
Der Finke so hell!
Wie sumsen im Grünen
Um Thymian Bienen,
Wie schwätzet der Rab';
Wie blöket die Heerde
Auf tauiger Erde
Den Hügel herab!
Wie klatsch durch die Laube
Die lachende Taube,
Horch, wie sie nun girrt!
Wie singen die Wälder,
Wie jauchzen die Felder,
Wie pfeifet der Hirt!
Wie flattern die Weste
Durch plaudernde Äste,
Durch Tal und Flur!
Es taumelt vor Freude
Und Seligkeit heute
Die ganze Natur.
So liebliches Wetter
Erwählte der Götter
Erhabenster sich,
Wenn er in dem Haine
Der Sterblichen eine
Als Jüngling beschlich.
Der StärkereDer schöne TagFreudenliedDithyrambeGesang auf die Geburt des BacchusDer seraphische DichterDer Ritt von dreißig MeilenShakespeareUnter Michelangelos BildnisAn den FrühlingRitterehreNachtgesangUlrich von CoßheimAn die MenschenverbessererHuldigung der TiereRudharts HaßAm Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

Der Stärkere

Bacchus ist stärker
Als Armor, denn Amor
Siegt durch Bacchum;
Und Amor wird durch's
Alter besiegt, Bacchus
Aber besiegt das Alter.
Wer kann's leugnen,
Das der Wein
Weit stärker ist als Liebe?
Liebe wird durch's Alter besiegt,
Der Wein besiegt das Alter.
Wer kann's leugnen,
Daß der Wein
Weit stärker ist als Liebe?
Denn, Freunde, seht, die Liebe
Besiegt das graue Alter.
Freunde, gestehet selbst es ein,
Daß der Wein
Stärker ist als Liebe.
Siehst du nicht: die Liebe
Wird bekrieget
Und besieget
Von dem grauen Alter.
Aber, Feund, sieh den Wein –
Der bekrieget
Und besieget
Ganz allein
Kummer, Schmerz und Alter.
TrinkliedDer StärkereDer schöne TagFreudenliedDithyrambeGesang auf die Geburt des BacchusDer seraphische DichterDer Ritt von dreißig MeilenShakespeareUnter Michelangelos BildnisAn den FrühlingRitterehreNachtgesangUlrich von CoßheimAn die MenschenverbessererHuldigung der TiereRudharts HaßAm Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[182] Trinklied

Frischer Saft der Reben,
Brüder, gießet ein!
Jünger, als nun eben,
Werden wir im Leben
Nicht beisammen sein.
Mag die Zeit mit Flügeln
Eilen wie sie will;
Heut' die Lust zu zügeln,
Gilt mehr uns als Klügeln,
Bacchus steht hier still.
Was hilft alles Sorgen
Für der Zukunft Glück?
Mir liegt nichts am Morgen,
Bin ich nur geborgen
Für den Augenblick!
Töricht ist's zu grämen
Sich um Gold und Pracht;
Wenn wir's mit uns nähmen,
Wenn wir wieder kämen
Aus des Hades Nacht!
Dieser will noch scharren
Heut' nach Gut und Geld;
Wird die Parze harren,
Bis es wohl dem Narren
Mitzugehn gefällt?
Der von Orden blinket
Wie sein Roß beschwert.
Seht, das Schicksal winket
Und – der Prahlhans sinket
Nackt und bloß zur Erd'.
Stieg' zum Sternenheere
Jener siegend hin,
Wenn's noch höher wäre –
Lauert mit der Scheere
Atropos auf ihn.
Alles Sorgen, Schwitzen,
Titel, Schmuck und Band,
Kronen, die hier blitzen,
Sternen, Bischofsmützen
Sind im Orcusland.
Nur in frohen Stunden,
Was uns glücklich macht,
Wenn, des Zwangs entbunden,
Wir die Lust gefunden –
Das sinkt nicht in Nacht!
Darum gießt der Reben
Frischen Saft mir ein!
Jünger, als nun eben,
Werden wir im Leben
Nicht beisammen sein.
SkolieTrinkliedDer StärkereDer schöne TagFreudenliedDithyrambeGesang auf die Geburt des BacchusDer seraphische DichterDer Ritt von dreißig MeilenShakespeareUnter Michelangelos BildnisAn den FrühlingRitterehreNachtgesangUlrich von CoßheimAn die MenschenverbessererHuldigung der TiereRudharts HaßAm Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

Skolie

Bechert froh den süßen Wein
Von der Mosel, von dem Rhein,
Brüder, weil wir leben!
Ach wir müssen schnell davon
Und am Stix und Acheron
Blühen keine Reben.
Inschrift auf einem TrinkgefäßSkolieTrinkliedDer StärkereDer schöne TagFreudenliedDithyrambeGesang auf die Geburt des BacchusDer seraphische DichterDer Ritt von dreißig MeilenShakespeareUnter Michelangelos BildnisAn den FrühlingRitterehreNachtgesangUlrich von CoßheimAn die MenschenverbessererHuldigung der TiereRudharts HaßAm Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

Inschrift auf einem Trinkgefäß

Trinke, Freund, aus dieser Schale,
Die der Gott der Lust
Einst geformt bei einem Göttermahle
Auf Cyterens Brust!
Aufschrift auf Amors KöcherInschrift auf einem TrinkgefäßSkolieTrinkliedDer StärkereDer schöne TagFreudenliedDithyrambeGesang auf die Geburt des BacchusDer seraphische DichterDer Ritt von dreißig MeilenShakespeareUnter Michelangelos BildnisAn den FrühlingRitterehreNachtgesangUlrich von CoßheimAn die MenschenverbessererHuldigung der TiereRudharts HaßAm Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[183] Aufschrift auf Amors Köcher

Mit furchbarn Zügen
Des Schicksals leuchtet
Auf Amors gewaltigem
Köcher die Schrift:
Ich trage die süßesten
Pfeile der Wonne;
Ich fasse die bittersten
Pfeile der Schmerzen:
Olympus, Erebus
Ruhen in mir.
An NemesisAufschrift auf Amors KöcherInschrift auf einem TrinkgefäßSkolieTrinkliedDer StärkereDer schöne TagFreudenliedDithyrambeGesang auf die Geburt des BacchusDer seraphische DichterDer Ritt von dreißig MeilenShakespeareUnter Michelangelos BildnisAn den FrühlingRitterehreNachtgesangUlrich von CoßheimAn die MenschenverbessererHuldigung der TiereRudharts HaßAm Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

An Nemesis

Was ist's, das mitten
Im Freudenfluge scharf und bitter,
Des Winters strengem Odem gleich, das Herz
Belastet und im trunkensten Genusse
Den Flügel lähmt? Ist's vom Orcus
Der Hohn? Ha, oder ist's der Klang
Von deinem furchtbarn Maß, o Nemesis,
Vor blinden, überüppigen Begierden warnend?
Denn o, zu ausgelassner Mut ist fürchterlich.
Wir flehen, flehen,
O Nemesis, zu dir!
Erhell' die düstre Wolke, die zu schwer
Das Aug' des Sterblichen umhüllet!
O zeig' uns klar die sich're Bahn,
Erhabne Göttin, die du mächtig
Auf Athos Gipfel standest einst,
Und furchtbar deinen Stab bei Marathona
Und Salamis erhubest: Brich,
O brich die schwere Kett' entzwei, zerschlage
Der Unterdrücker Vorsatz und Gewalt!
KainAn NemesisAufschrift auf Amors KöcherInschrift auf einem TrinkgefäßSkolieTrinkliedDer StärkereDer schöne TagFreudenliedDithyrambeGesang auf die Geburt des BacchusDer seraphische DichterDer Ritt von dreißig MeilenShakespeareUnter Michelangelos BildnisAn den FrühlingRitterehreNachtgesangUlrich von CoßheimAn die MenschenverbessererHuldigung der TiereRudharts HaßAm Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[184] Kain

(Schlußfolge der Idyllen: Adams erstes Erwachen und erste selige Nächte.)

Das Herz des Paradieses, eine schöne Insel. Adams erster Genuß der Erdfrüchte. Adam und Kain

Adam:


Ich durchging die blühenden Fluren aufmerksamer, stand bald am angenehmen, rauschenden, über Goldsand hinrollenden Pison stille. Schön war sein Lauf, harmonisch sein Klang, am grün beschilften Ufer herunter. Jetzt ging ich weiter hinaufwärts, wo sich der Strom stillte, wo hohe Erlen, Gebüsche, Weiden, Pappeln, Nüsse und allerlei wohlriechende Sträuche sich dicht überwölbten, ihren Schatten hinunter in den Spiegel warfen. Gar ein angenehmer, lieblicher Platz zum Ruhen war hier, die Seele lachte beim frohen Anblick. In der Mitte des Flusses erblickte man die so anmutige, schöne Insel, das Herz des Paradieses genannt. Gar herrlich lag sie da. Der Goldstrom wand sich um sie herum wie eine schöne Schlange und umfing sie von beiden Seiten. Zwei Zugänge, von Gott bereitet, führten durch die Flut auf diese schöne Insel hinüber; sie waren von gediegenem Golde, das Wasser floß leicht darüber weg, benetzte kaum die Sohlen im Gehen. Sie spielten in die Ferne durch die Wellen herauf wie zwei klare Bogen und schossen lebendige Strahlen von sich.

Auf dieser so anmutigen Insel grünten nun allerlei der herrlichsten Bäume. Alles, was die Sinne ergötzen, den Menschen im Leben erquicken konnte, stand in herrlichster Fülle. Früchte tausenderlei, gelb, blau, rot, grün, in mannichfaltigen gemischten Farben und in mancherlei reizenden Formen. Hier reifte die kernhafte Granate, die würzreiche Ananas, die süße Pomeranze, die liebliche Zitrone, der wollige Pfirsich. Apfel und Birne und Kirschen und Aprikosen glühten untereinander, die Äste überladen, daß jeder sich tief zur Erde bog. Feigen, Zwetschgen, Mandeln, Datteln, Kastanien, Nüsse, Melonen und tausenderlei Stauden und Erdfrüchte standen [185] in schönster Ordnung und erhoben einander also durch ihre Nachbarschaft. Fast an allen Baumstämmen krochen Rosintrauben hinan und überschütteten so die schon beladenen Äste mit doppeltem Segen. O des Reichtums! Erquickender Duft zog weit und breit umher, berauschte Geruch und Sinne und ließ einen nicht von der Stelle los.

Hinter den fruchttragenden Bäumen nun war rund ein kühler Gang von Palmen angelegt, unter denen immer die wohlriechendsten Blumen jeder Jahreszeit aufschossen; er schloß einen runden, grünen Platz ein, in dessen Mitte der Baum des Lebens und des Todes sich erhob.

Entzückt stand ich jetzt eine Weile, also betrachtend diese wunderschöne Pracht. Innere Sehnsucht, Verlangen nach dem Genusse dieser himmlischen Früchte zog meine Augen und mein Herz hinüber, ja bemächtigte sich aller meiner Sinne so ganz, daß ich nicht anders konnte: ich sprang durch die Flut hinunter in die Wellen, versank in den Wellen. Ich schwamm herauf, ward erquickt. Noch naß tropfend, über meine eigene Kraft jauchzend, stieg ich nun am andern Ufer hinauf, ging unter die Bäume, beschaute die schöne Frucht, lachte, pflückte begierig eine ab, hielt sie in der Hand, o Freude! besah sie, brachte sie zum Mund, roch, aß, aß begieriger, riß noch eine herunter, noch eine, und noch eine. O unaussprechliche Wonne, die neu wieder über mich hereinstürzte! Heilige Gottheit! Liebe, die alles dem Menschen in Liebe gegeben, in jedem Sinne Wollust, so süßes, heiliges, reines Entzücken bereitet! O meine Kinder, fühlet diese Wohltat mit mir, ihr, die ihr so innig euch freuet auf das reifende Jahr, euch schon freuet, wann die Rede kaum Knospen gewonnen, kaum die Bäume in Blüte aufgehen. Ihr singet der Freude, dem künftig werdenden Genusse entgegen. – Dank mit mir, ewigen Dank dem Geber! Dank mit euch, ihr Geliebten! Dank, in euerm unschuldigen Dank, dem Geber! Wer wollt' ihm nicht danken, sich nicht ganz überlassen der Freude beim Anblick seiner väterlichen Sorge, beim Genusse seiner Wohltat! Wer ist so ein rauhes, unbarmherziges Herz, das nicht in Liebe entflammen zu ihm, nicht einstimmen wollte mit mir in seine Liebe? Nicht der Sonne mildes Lächeln verdient er, nicht den Anblick des seligen Segens, den Gott über uns ausgießt. – Ha! Wo ist Kain? Wo ist Kain, mein Erstgeborener? Wende Gott den Fluch ab, der mir jetzt über die Lippen fuhr! Wo ist er denn, Mutter? Wenn Adam von Gott spricht, bleibt er niemals, zu hören. O Eva, schlinge deine teuern Arme nicht fester um meinen Hals! Ja, Mutter, ich sah schon lange das Herzeleid voraus, das in ihm über uns kommen würde, wenn er fruchttragende Stämme zerriß, aß und trank ohne zu danken, ohne sich einmal darüber zu erfreuen, was selbst die Tiere unter dem Himmel nicht tun. O trotz deinen mütterlichen Auslegungen ward bald alles wahr. Sieh, der Unmut des Bären, der Grimm des Tigers sitzt tief in seinem Herzen, er flieht menschliche Gesellschaft, ist undankbar und ehret Vater und Mutter nicht mehr!''

[186] Holdselig errötend, aber tiefen Gram im Herzen, nimmt Eva freundlich das Wort: »Adam, mein Vater, beruhige dich, laß in dieser süßen Erzählung keinen traurigen Gedanken dich stören. Muß denn alles dich auf deinen armen Sohn reizen? Kain ist seit kurzem viel anders geworden, er ist milder, fühlt oft tief den Jammer, den er uns beiden verursacht. Er glaubt sich immer gehaßt von dir. Gestern erst hielt ich ihn am Brunnen drunten; da gestand er mir's. Dicke Tropfen fielen dabei aus seinen Augen. So glaubte er auch, Melboe liebe ihn nicht zärtlich, und ist unausstehlich in diesen Gedanken. O Liebster, sein Unmut soll bald nachlassen, wenn ihn jetzt die sanfte Melboe in ihren Schoß aufnimmt. Das ist mein einziger Trost, Gott, der über uns ist, weiß es; das ist mein einziger Trost in seinem und meinem bittern Leiden«. Also tränend Eva. Sie lehnt ihr Haupt nun an Adams Schulter, und da sie wahrnimmt, daß nachdenkend der Vater der Menschen, sucht sie ganz seinen Zorn zu mildern, durch süßes Schmeicheln sein Herz zu rühren, und spricht wehmütig weiter:

»Oft seh' ich ihn an, wie er so ganz deine Züge hat, Adam, gottgeliebter Mann, so ganz deine Gestalt, deinen Ton der Stimme, deinen Gang, und er wird mir immer lieber darum. Auch wenn er trübsinnig aus meinen Armen flieht, kann ich ihn darum nicht hassen, er ist ja unglücklich genug. Ach, dort geht er am Hügel, sieh Vater, dort an den Weiden; ein trauriger Gedanke peinigt ihn wieder. So sahst du aus, trauriger Mann, als wir Eden verließen, du am Abend vor Eva hergingst, einen Ort auszuspähen, einen Baum, unter dem das kummervolle, ermattete Weib ausrasten könnte. So zitternd, doch edler Mannheit voll, standest du vor dem Engel des Fluchs, als Kain vor dir steht, wenn du ihn ausschiltst. Glaub' Vater, er ehrt dich, horcht auf dich allein, er liebt dich mehr als uns alle. Hab' Mitleid mit ihm, wie Gott mit uns. Er ist doch mein Erstgeborener, der erste, auf dem schwerer Sündenfluch ruht«.

Adam ermannt sich und faßt schnell Eva, küßt sie und drückt ihr die Hand: »Was sprichst du, teure Mutter? Wolle Gott nicht, daß ich so je meinen Erstgeborenen hasse. Keins von all meinen Kindern liebt' ich mehr als ihn, glaub' es; aber Ungerechtigkeit, Ungerechtigkeit duld' ich nicht an Kain. Er ist oft ungerecht. Ist das Liebe des Bruders, Liebe des Bräutigams, die er hier meiner Melboe erweist? Verhüte Gott, daß ich's noch einmal sehe! Gestern! Er höhnte das zarte Mädchen vor meinen Augen, gab ihr falsche Blicke, wenn sie liebvoll ihm entgegenging.« – Teure Mutter, trockne deine Tränen; ich weiß, daß er dein Liebling ist, auch meiner sollt' er sein. Adam würde Kain unaussprechlich lieben, wenn ihm seines Vaters Liebe teurer wäre. Sieh', nun hab' ich wieder dein liebend Herz schmählich verwundet; du wirst traurig bleiben, diese Nacht wieder in Tränen hinfeufzen. Edles, teures, segenreiches Weib, ich liebe wahrhaftig deinen Sohn, Gott, der [187] über mir ist, weiß es. Müßt' ich ganz aufhören, ihn zu lieben, ich wollte ja eher des Sonnenlichts, eher der Freude des Lebens entsagen. Bring ihn zu mir, morgen, bring ihn diese Nacht noch, ich will ihm alles vergeben. Wir wollen uns miteinander aussöhnen, als Vater, als Sohn. O laß doch alle betrübenden Gedanken aus deinem Herzen fahren! – – Aber sehet, meine Lieben, bereits ist der Abend über meinem Erzählen hinuntergesunken, jene purpurnen Streifen, die dort am Westen sich sammeln, winken schon der braunen Nacht herauf, sie fleucht mit siebenfachen Flügeln zwischen Erd' und Himmel, jeder Flügel entschwingt Tau der trockenen Welt herunter. – Kommt, laßt uns jetzt zur Laube zurückkehren, im kühlen essen, ehe die schwache Dämmerung gar über uns verlischt und schwerere Dunkelung uns umhüllt und unsere Freude des fröhlichen Anblicks beim Mahle uns raubt. Früher wird heute der Mond herauftreten. Wir wollen dann nach dem Essen unter jenen begeisternden Linden uns wieder niederlassen; dann will ich meine angefangene Erzählung euch weiter vollenden«.

Adams Hütte. Mahlzeit. Kains Rauhigkeit. Adams und Evas Kummer

Jetzt standen sie auf und gingen miteinander. Einfältig war Adams Sommerhütte gebaut, schön und lieblich gelegen. Vier Lindenbäume, einander gleich an geradem Wuchse, standen in der Ebene, nahe an einem Felsen: die sah sich der Vater der Menschen zur Sommerwohnung aus. Jetzt fällte er am Hügel schlank aufgeschossene Tannen, behieb sie gleich und zog sie durch die untersten Gabeln des Lindenstammes gegeneinander über. Er befestigte sie dann mit starken Weiden, ließ hernach von allen Ecken schwanke Stämme hinaufwärts gehen. Oben liefen aber alle in eine Spitze zusammen; die durchflocht er nun mit jungem Gereisig, Binsen und Rohr, und belegte sie mit Eichenrinden und Baummoos zum leichten, bequemen Dache. Die untere Seite durchstach er mit starken Pfählen, durchzäunte sie sorgfältig und verstopfte sie gegen Wind und Regen fest mit Moos; belegte sie unten mit Wasen, leitete einen Graben rund um die Hütte und schaufelte die Erde abwärts, daß der ungestüme Regen dahinein abliefe. Nur von der Morgenseite, wo der Eingang der Wohnung war, blieb der Graben geteilt. So standen die Linden halb in der Wohnung, halb außen. Wenn also der Frühling kam, grünten sie gar lieblich, und die Zweige und Blätter schossen herüber und umwölbten das ganze Dach; aber die Vögel sangen herunter und brüteten hie und da in den Wipfeln. Schattig war's hier am heißen Tage und kühlende Winde wehten hier leise hin und her. Gar sicher stand die Hütte. Kam der Sturm von Mitternacht, so konnt' er sie nicht greifen, denn der Fels beschützte sie von hinten; schlug der Regen vom Abend her, so zogen sie an einer Weide die Öffnung zu, von welcher Licht in die Hütte herein fiel, und auch die andere, wo der Rauch des Herdes [188] seinen Ausgang nahm. Hinter der Wohnung aber lag ein schöner, von Adam angepflanzter Garten, und jenseits am Fels sprang ein herrlicher Brunnen, der Winters und Sommers nicht versiegte. Er rollte als ein geschwätziger Bach dahin und floß unten durch die Wiese in einen schwarzen, fischreichen Weiher hinab. So segenvoll wohnte Adam, der Vater der Menschen.


Also treten nun alle zufrieden hinein in die Hütte, wo auf Blättern und holzgeschnitzten Schüsseln sie ein ländlich Nachtmahl erwartet: frische Früchte von Bäumen und Pflanzen, dann gedörrte Rosinen, Feigen und Mandeln standen neben Honig, Milch und Rahm aufgetischt. Der Trank aber ging in einer reinlichen, holzgeschnittenen Schale von Mund zu Mund. Solche zu schnitzen verstand Adam der Erzvater vortrefflich, und Abel, sein Jüngster, übte sich in aller Freude ihm nach. Kleine Muscheln waren ihre Werkzeuge dazu, die sie mit aller Kunst zu brauchen wußten; unschuldig war dabei ihre Freude und nützlich der Gebrauch davon. Alle ihre Speisen waren schon von der Hand der Natur bereitet. Nicht selten genossen sie auch von einem reinen Lamme, das Adam der Vater schlachtete. Dann buk Eva, die erste Mutter, Kuchen dazu und bereite sie aus Semmel und Honig. Jetzt standen alle um den Tisch freundlich; der Vater der Menschen aber stand oben. Er faltete jetzt die Hände, hob andachtsvoll die Augen gen Himmel und sprach also: »Allmächtiger, ewiger Gott! Sei gelobt für deine Wohltaten, für alles, was du gibst, für Speise und Trank, für Arbeit und Ruhe, für alles, was du mir und den Meinen erweisest. Sei gelobt in alle Ewigkeit!« Nun saßen alle wieder, jedes an seinem bestimmten Platz. Oben saß der Vater der Menschen, zur Rechten ihm die schöne Mutter, dann von Adams linker bis zu Evas rechter Seite die Kinder, Kain zuerst – doch selten kam der nach Haus. Adam nahm also seinen jüngsten Sohn Abel zu sich herauf. Sehr liebt' er den Jüngling seiner Frömmigkeit wegen – seitdem dies geschah, betrat Kain nicht mehr die Laube, noch saß er mit seinem Vater zu Tische. – Hier Melboe, weiter die schwärmerische Tirza. Schön saßen so alle in seliger Eintracht, lobten Gott den Geber alles Guten im freundlichen Genusse. Nur Tirza allein saß einsam, voll war ihre Seele noch von hohen, trunkenen Bildern. Ähnlich einer Verliebten unter ihren Blumenfreundinen, krank von innerm Sehnen, träumt sie sich immer ferne mit ihren Gedanken zum Ort ihres Verlangens hin; das Herz ist ihr gezogen wie von süßen Banden aus ihrem Busen und zieht jetzt gewaltig verlangend ihre Seele nach. Ihre geschickte Hände ruhen an köstlicher Arbeit. Ihre emporgerichteten, von innerer Glut gebrochenen Augen sehen nicht mehr. Ferne, ferne über Tal und Hügel schwebt sie dann ganz, schwingt sich ganz in die glücklichen Inseln, in die seligen Gärten der Liebe hinüber an grünen Gestaden, zu den Seen und Flüssen dahin. Dort warten Kähne, geflügelt wie singende Schwäne. Schon steigt sie ein in Gedanken, schneller segelnd als [189] Kraniche im hohen Fluge über die stürmenden Wellen, durch die hängenden Klippen, vorbei an heulenden Grotten und wilden geborstenen Gebirgen, an unwirtbaren Haiden, vorbei an finsterbangen, klagenden Wäldern. Sie hört die nächtliche Stimme der Angst am Rande des Todes oftmals, oftmals wähnt süße betrogene Hoffnung den seligen Stern zu schauen, der dem Ziele sie nahet. Endlich aber nach teuer überstandenem Leiden, nach Kummer, Trübsal und Weh, findet sie sich im Schoße der Anmut, wo sicher der Strom schlägt, harmonisch in ewiger Liebe, wo nichts sie verrät, wo alles wartet im Lächeln, im Frieden auf sie. Da umfaßt sie ganz ihr Glück, genießt sie der Liebe, weint sie, daß ihre Fülle zu schwer ihr nun wird. Ihre Freundinnen staunen verwundernd sie an; weggeblaßt in des Todes Armen wähnten alle sie schon, vrrriet' nicht oft ein Seufzer, tief aus dem Herzen gezogen, die Tränen, am Augenrande gereift, das bange Lächeln noch Leben.

So saß jetzt Tirza, Adams jüngere Tochter, genoß weder Speise noch Trank. Sie wandelte in Gedanken zum Himmel; engelrein zu werden, war ihr einzig Bestreben, dann noch einmal aufzuschließen das Paradies in seiner Schönheit. Ihre Schwester stößt sie sanft, spricht leise: »Geliebte, warum issest du nicht?« Jetzt nimmt sie ihre zarte Hand, drückt sie sanft an ihren Busen und spricht weiter: »Du machst dir immer Sorgen und quälest unablässig dein armes Herz mit Gedanken an Dinge, die nicht zu ändern sind. Iß deß süßen Honigseims, er ist lieblich, meine Taube; Kain, mein Geliebter, hat ihn jüngst heimgebracht. O Gott, wo wird der jetzt einsam sitzen, der arme Traurige, unterm weiten Himmel! Wir essen jetzt, und er ist fern, als wäre er unser Bruder nicht.« Als sie das gesagt, dreht sie ihr Antlitz auf die Seite und weint ungesehen die Fülle ihrer Schmerzen aus.

Liebreich umfing sie nun Tirza, sie sah ihren Schmerz. »Teure Schwester, stille doch deine Tränen, was trauerst du! Viel vermag Melboe über Kain, ihren Bruder, du wirst seinen Felsensinn mildern. Auch Adam, unser teurer Vater, hat ihm heute vor uns allen vergeben. Morgen wollen wir ihn mit Sonnenaufgang aufsuchen und ihm das alles erzählen. Das wird Licht in die Dunkelheit seines Busens bringen. – Sitze herum, Schwester, meine Liebe; Adam möchte sonst leicht deines Kummers inne werden.«

Melboe faßt sich nun wieder, das harmloseste Geschöpf unter der Sonne. O, ein schönes, liebes Herz! Immer der Freude geneigt, immer wohlwollend, ganz obwaltende Güte, auslassende Liebe; ruhig ihre Mienen, ihre Augen stillen allen Gram. Der rauhe Kain stand oft gerührt davor und wußte sich nicht zu helfen. Ein ewiges Spiel von Unschuld, ein Gewebe von Liebe war ihr Leben. War der rauhe Kain freundlich, o wer war glücklicher als sie! Das genoß sie so ganz im Überflusse, alle Wesen mußten teilen mit ihr; vergaß dann alles wieder, vergaß gestrigen Kummer, gestrige Tränen gern an heutiger Freude, träumte, fühlte dann kein [190] größer Glück. Sie weiß auch sonst von nichts, als was sich so täglich ihr gibt: ihren Kain zu lieben, ihre Eltern, ihre Geschwister zu lieben, ihrer Blumen zu warten, ihre Schafe zu weiden, ist alles, was sie Seliges kannte. Jetzt trocknet sie ihre Augen wieder. Voller Hoffnung spricht sie zu ihrer Schwester leise: »Gott segne dich, teure Schwester! Ja wenn ich Kain einmal zufrieden wüßte, wie selig sollte dann mein Herz mir im Busen hüpfen.«

Also sprachen die liebenden Schwestern untereinander. Adam aber nahm am Tische das Wort. Er dreht sich ernsthaft nach Evas Seite und spricht gelassen leise also: »Ich fühl's, wir sinken immer tiefer zum Fluche hinab. Eva, meine Teuerste, warum kommen nun die Tiere nicht mehr, uns zu besuchen, wie in den ersten Jahren unserer Verbannung? Allemal beim Anfange des Frühlings kamen sie sonst, hielten sich eine Zeit lang um unsere Hütte mit ihren Jungen auf, zeigten sie freundlich und holten für sie ihren Segen vom Menschen. Der sanftmütige Elefant, wie er mit seinem Weiblein gegen unsere Hütte zum erstenmal wiederkam, jetzt in der Mitte ein Kleines führte, erinnerst du dich's, Liebste, wie wir uns freuten und sie sich wieder freuten, uns ihren Segen zeigten und uns entgegenschrien? Du hattest eben Kain, deinen Erstgeborenen, auf dem Schoße. Du sprangest mütterlich auf und zeigtest auch ihnen deinen Segen, auch ihnen deine Freude. Im fünften Jahre nachher, als du unsern Abel gebarst, kam schon eine kleine Heerde, immer die ältern voran und dann ein junger und noch ein jüngerer und wieder ein jüngerer, Teuerste! Jetzt bekümmern sie sich nicht mehr um uns. Das kommt alles von Kains Flüchen, von der Uneinigkeit zwischen Bruder und Bruder und Vater und Sohn, wovor auch die Tiere selbst einen Abscheu tragen. Alle Reinheit in unserm Umgange ist schon ausgetilgt. Wie wird es im zunehmenden Alter noch ergehen?«

Also sprach der harmvolle Vater und trank; die Mutter aber legte ihre zarten Wangen auf seine männliche Hand. Der fromme Abel ergriff jetzt am Tische schnell das Wort. Er wollte das treue Mutterherz gern wieder aufrichten und sprach also: »Das ist wohl Honigseim, den jüngst mein liebster Bruder aus dem Walde mit heimgebracht? Gut ist er und wohlschmeckend. Beste Mutter, versuch' ihn auch einmal.« Es nahm ihn freundlich die wohlgestaltete Mutter, bot auch Adam, ihrem Herrn, davon. Freundlich nahm der es aus ihren schönen Händen an und genoß es vor ihren Augen. Dann spricht er lächelnd: »Mein Erstgeborener hat eine gute Tat vollendet, daß er diesen süßen Honig nach Hause brachte. Mutter, das will ich ihm wieder freundlich gedenken«. Jetzt schloß sich Evas ganzes Herz auf in Freude, da sie Adam also sprechen hörte. Vertraulich legt sie ihre Hand auf die seine und schaut ihm mit wohlwollenden Blicken unter die leuchtenden Augen. Da sie nun so liebreich sitzen, noch untereinander also sprechen, kommt Kain zur Laube herbei. Jetzt tritt er unter die Tür und schaut [191] wie ein Fremdling herein. Eva, ihn erblickend, ruft liebevoll ihm gleich also zu: »Komm' herein, mein gesegneter Sohn, soeben sprachen wir von dir. Du hast Honigseim nach Hause gebracht aus dem Walde, den auch der Vater gekostet und wohl befand. Komm', mein Gesegneter, sitze nieder zu mir, du bist müde und hungrig«. Sorgsam macht sie ihm an ihrer Seite jetzt Platz; aber Kain nickt ihr und spricht zur Seite: »Tu nicht soviel, Mutter; laß sein, ich bin nicht müde, hab' auch keinen Hunger«. Adam spricht jetzt auch: »Kain, mein Erstgeborener, komm herein, sitze zu deiner Mutter oder dort zu deiner Geliebten oder hier neben mir, wenn du willst, Abel wird dir Platz machen.« Schnell winkt Eva die Mutter ihrem Sohne Abel; da rückt Abel freundlich hinunterwärts und spricht: »Lieber Bruder, komm', sitze wieder einmal zu mir her, komm', mein gesegneter Bruder!« Aber Kain schießt trotzige Blicke aus seinen Löwenaugen auf ihn und geht murmelnd wieder, ohne umzuschauen, zur Türe hinaus. Da seufzt Eva laut.

Und Adam goß nun in eine Muschel süßen, aus Aepfeln gepreßten Trank ein und spricht zur bangen, niederblickenden Mutter also: »Besorge nichts, teure Mutter, besorge nicht Adams Zorn gegen deinen wilden Erstgeborenen. Rauh wie die Felsen ist er. Du siehst, wie er uns ehrt und seine Geschwister liebt. Aber dennoch ist er mein Sohn. Euch allen befehl' ich's, daß ihr ihn ehrt als euern ältern Bruder. Solange Kain, gegen sich selbst grausam, die Liebe seiner Eltern wegwirft, unglücklich ist, weil er's sein will, bedauere ich ihn; aber dann, wenn er tückisch mehr noch vergißt Kindespflicht und Bruderliebe, wenn er, Gott vergessend, seiner heiligen Wunder spottet, dann will ich mich über ihn aufmachen, ihm entgegenstehn wie ein Fels dem Strome. Fühlen soll er dann des Vaters Gewalt unter mir, ja er soll dann fühlen, daß er mein Sohn ist. Erblasset nicht so meine Kinder, meine Teure, erblasse nicht so – ich hoffe mit euch allen noch, hier Melboe, meine sanfte Tochter, soll ihn in ihren Armen wieder zurechtbringen, ihm Freude und Ruhe wieder über die Seele gießen. Ich hoffe das.« Also Adam, der erste Mann. Er suchte seine Kinder zu beruhigen, obgleich im selbst tiefer Gram im Herzen saß. Eva beugt sich nun über ihre Jüngste weg und flüstert zu Melboe also: »Geh hinaus, sieh, daß du mit Kain sprichst, du vermagst viel über sein Herz; bitt' ihn, daß er jetzt auch bei des Vaters Erzählen bleibe. Verweis' ihm sein finstres, wildes Betragen; nur bitt' ich, alles in Liebe.« Melboe, die liebreiche Tochter, steht jetzt auf, gehorsam ihrer Mutter Worte. Ihrem Herzen war das ein erwünschtes Zeichen. Jetzt stehet sie und betet für sich allein. Dann wusch sie ihre Hände in einem großen, hölzernen Becken, das Adam und Abel miteinander an drei Sommerabenden verfertigt und das, immer angefüllt mit reinem Wasser, am Eingange der Laube stand. Jetzt eilte sie leise davon, Kain, ihren Geliebten, zu finden und nach der Mutter Geheiß freundlich mit ihm zu sprechen.

[192] Kain im Mondschein allein. Melboes Liebe. Adams und Evas Ankunft

Nicht weit von der Laube stand der rauhe Kain auf einem Steine. Wild stieß er den Stab auf die Erde und blickte durch die Nacht nach seinem Sterne. »Wo bist du, Kain, Kain, trotzig Gestirn? Ha! Schön funkelst du dort oben, schöner als alle anderen; du flimmertest liebreich, trügst du nur Kains Namen nicht. Kain! Kain! Finster überall – Ha! Wie lange Melboe jetzt bleibt! Verwünscht die Schwätzerin, die Träumerin! Wo sie jetzt bleibt? Wo sie jetzt sitzt, zu liebeln mit dem Laffen, dem schönen, zartlockigen Bruder? Uh! – Geh aus der Nacht, aus der Nacht, schöner Stern! du bist Kain, dich wird der Himmel ausstoßen wie mich die Erde! Kain ist verstoßen überall – Herunter, Verbannter! Herunter, ich will dich aufnehmen, wohn' bei mir, bei mir im kühlen Walde. Melboe! Melboe! Melboe! wo bleibst du? Ist mein Nacken braun, die Sonne hat mich verbrannt im Felde; ist meine Stimme so rauh, ha, ist Kraft auch in meinem Gebein. Melboe, komm'! komm'! komm'! Die Ferse brennt mich, ich verglühe, in Ungeduld verglühe ich, komm', oder ich kehr' zurück in den Wald, meinen Grimm auszulassen am Eber. Ha! sie kommt nicht – kommt sie denn gar nicht? Schwarz ist die Nacht, schwarz mein Mädchen, dunkel der Bergquell, dunkel ihr Auge. Verbleiben im kühlen Walde will ich. Kain allein – mit dir wohnen im kühlen Walde das warme Jahr, das kalte Jahr. Ha! dort kommt sie endlich einmal! O daß ein Sturm mir sie herunterjagte! Hu! mein Zorn braust ihr entgegen, entgegen der Langsamen, der Zaudernden. Woher du? Kehre heim, schwätz' dich zuvor satt! Was verlangst du bei Kain? Kenne dich nicht! Will nichts um dich wissen – allein will ich bleiben, allein in schwarzer Nacht. Du bist meine Geliebte, schwarzbraune Nacht – Melboe läßt Kain verschmachten!«

Schon lange gewöhnt an Kains rauhes Anfahren, gewöhnt des brausenden Wintersturms, ging jetzt Melboe geduldig zu ihrem Bruder hin. Seine Hand berührt sie nun und spricht zärtlich also: »Du bist auch heute wieder gar zu wild, Kain, mein Geliebter. Wer wagte zu dir herzukommen, wenn du immer so aufbrausest! Drehe dein holdes Angesicht nicht von mir weg, Kain, du Teurer, du Bester; deine Melboe spricht ja mit dir, Melboe, die dich liebt! Wie begegnest du mir immer so hart. Verdien' ich wohl das an dir? Höre vielmehr, was durch mich die Mutter dir sagen läßt. O, so sehr leidet sie deinetwegen; deine Düsterkeit benimmt jetzt alle Freude ihrem mütterlichem Herzen. Glaub's, Lieber, sie ist dir so gut. Noch kürzlich hat sie Adam auf's neue gegen dich besänftigt. Durch mich bittet sie dich, diesen Abend in unserer Gesellschaft zu verweilen. O schlag' ihr das, um ihrer Schmerzen willen schlag' ihr das nicht ab! Adam wird unter jenen Linden eine angefangene Erzählung dann vollenden. Wie schade, daß du nicht da warst beim Anfange!« So Melboe. Aber Kain stößt, stirnerunzelnd, [193] knirschend mit den Zähnen, tiefer seinen Stab in die Erde. »Ha! besänftigt hat schon wieder die Mutter den Vater, besänftigt wegen mir. Warum das? Was will denn mein Vater? Was hat er immer gegen mich? O weh mir, der verräterische Junge, Abel, betrog mich wieder, hat mich meinem Vater verraten, mich der Lämmer wegen verklagt. Gelt, Adam will über mich her? Fort in den kühlen Wald will ich, nicht länger mehr unter euch bleiben.«

An seinen Hals stürzend, ihn fest umklammernd mit ihren Armen, schreit Melboe: »Nein, du mußt bleiben, bei uns bleiben! O Mond, tritt hervor! Erhelle die Tränen an Melboes Wangen, daß der hartherzige Mann Kain sie alle zählen kann. Du Schmerzenfroher, bleibe! Wie wollt' er dich kränken, da ihm dein Trotz so wehe tut? Bester, Teuerster, besinne dich nur ein einziges mal: hat Melboe dir nicht immer Treue bewiesen? O, Liebe wird dir tausendfach einfallen, wenn du nachdenkest, aber niemals, niemals Untreue gegen dich. Grausamer Mann, gib mir dein Angesicht, dein teures Angesicht wieder! Ja, du bleibst bei uns heut, mein Herz, dein stark klopfendes Herz sagt's mir zu!« Mit solchen Worten hielt Melboe jetzt Kain, den Rauhen. Sie war allein das Mädchen, das ihn lieben konnte. Im Sturme tobender Leidenschaft schlang sie sich fest und liebevoll um sein Herz, wie Efeu um die Ulme, und wich da nicht, bis alles vorüber war. Jetzt konnte der rauhe Mann nicht ganz ihren Bitten widerstehen. Er reicht ihr seine Hand; sie aber spricht weiter also: »Auch Abel, Teurer, bittet dich durch mich, Abel, der so treu dich liebende Bruder. O, du weißt nicht, wie sehr er auf dich hält, wie sehr ihn die harte Begegnung von dir schmerzt. Gestern Abend, als ich in meinem Garten Blumen begoß, kam er doch so traurig zu mir. Er weinte von Herzen, ich mußte mitweinen. Er verklagte dich nicht bei Adam, glaube mir, Lieber, er beklagt nur, daß er deine Bruderliebe verloren.«


Kain wieder auffahrend:


»Der Bube! Nein, er wird mir immer unerträglicher. Bringt er ein Lied oder was dumm Geschnitztes herbei, nicht der Mühe wert zu beschauen, da ist ein Lobens beim Vater, alles wird zusammengerufen; warum Ochsen und Kälber nicht mit? Müssen hinstehen, beschauen, bewundern, und der Bube im Kreis dann, dümmer noch als seine Schafe, senkt, als schäm' er sich, die Augen nieder und wartet aufs letzte Wort sein Lob aus. Pfui! Ich bin doch sein Herr, der Erstgeborene, werd' ich gleich nicht geachtet, nicht gerühmt! Mir ein Lamm zu versagen! Ein Lamm, das ich meiner Melboe bringen wollte.« »Hat er dir ein Lamm versagt, das du mir bringen wolltest?« spricht sanftmütig Melboe. »Müßt's ihm vergeben, er ist ein Schäfer. Schäfer lieben ihre Schafe und Lämmer, wie wir Mädchen unsere Blumen. Geh, laß ihn jetzt brüderlich dich umfangen. Er versagt dir gewiß nichts, warum du ihn freundlich bittest.«


Kain:


»Bitten? Ich? Warum soll ich denn bitten? Der Ziegen wegen, die ich gefangen und gezähmt und dem Laffen in seine Heerde [194] schenkte? Melboe, als der Wolf gestern dein Lamm stahl, er begegnete mir unten an der Wiese. Ich lief nach, schleuderte meinen schweren knotigen Stock ihm in die Lenden. Heulend lies er's am Wald dort fallen, aber zerbissen in der Kehle lag es. In Abel's Heerde ging ich nun, dir ein anderes zu wählen. Da hättest du nur hören sollen, was für kluges Gewäsch mir der Junge vormachte von Arbeit und Mühe, Warten und Pflegen bei Tag und Nacht, und das mit so gescheiten Geberden, als wollte der unbärtige Milchbube mir weismachen, er habe seine Lämmer, seine Schafe habe er mit vieler Mühe selbst gemacht. Aber ich kriegt' ihn, zwei der schönsten nahm ich ihm mit Gewalt, zwei braune, braun wie ich und du. Eingesperrt habe ich sie, drüben in die Waldhöhle. Liebchen, wann soll ich dir sie bringen? Komm' herunter, Melboe, dir bin ich gut, dir allein. Bald ziehen wir in den kühlen Wald miteinander und verlachen alles umher. Im Wald ist's lieblich. Komm' herab ins Grüne zu mir, bei dir will ich verbleiben, bis der Mond dort über die Waldecke hinunterschreitet, bis aus dem kalten Ost dort die wärmere Sonne hervorsteigt; aber sprich nichts mehr von Abel, sprich von mir und deiner Liebe.«


Vertraulicher ließen jetzt Kain und Melboe sich auf das frischbetaute Gras nieder. Eben traten Adam und Eva, die schönen, gottgeschaffenen Aeltern, aus der Laube hervor und gingen näher den Linden zu. Abel und Tirza folgten Hand in Hand, voll traulicher Eintracht, hinter ihnen her. Die seelenschwärmende Tirza aber nahm also das Wort (doch sprach sie leise, daß Vater und Mutter nicht hörten): »Geliebter Abel, daß Kain unser Bruder so unbeweglich ist! Sahst du auch des erhabenen Vaters entbranntes Antlitz über Tische? Groß, wie Gott aus Wettern, spricht Adam im verhaltenen Zorn. O des teuern, gottgeliebten Mannes! Ja Bruder, laß stündlich uns für unsere teuersten Eltern beten, unsere Hände aufheben zum Himmel, auch das abzubitten, wo schuldlos unser Herz etwa teuere Pflichten verletzt. Ach, öfters verzag' ich, wein' ich darüber, denk' ich, daß wir Menschen so ganz in Unart, in Sünden geboren sind.« Ihr antwortet der fromme, junge Hirt liebreich: »Du wirst noch ganz selig hier auf Erden, meine liebe, teure Schwester, dann nicht mehr weiter unter uns Sündern wandeln wollen. O dein beklommenes, ängstliches Herz! Glaube, wer unwissend fehlt, dem verzeiht der Vater, Gott selbst verzeiht ihm gerne. Anderer Jammer, Jammer meines geliebten Bruders Kain wegen schlägt mein wundes Herz; der scheucht oft des Nachts den Schlummer von meinen Augenlidern weg. Heut' Nacht seufzt' ich um ihn. Ich konnte nicht mehr auf meinem Lager bleiben, brach auf mit der Morgenröte und ging in den Garten. Dort vor deiner Kammer stieg ich auf den dichten Hollunderstrauch, den Adam und Eva einst an einem schönen Abend gepflanzt. Ich dacht', ich wollte so mein Herz erleichtern, dich mit meiner Rohrflöte wecken, vielleicht, daß du mit mir über die Aue gingst, den schönen, herrlichen [195] Morgen zu genießen. Ein gottempfundenes Lied, das ich jüngst bei der Schaftränke gedichtet, wollt' ich dir dann vorsingen. Ich weiß, Liebe, daß dies deine einzige Freude ist. Jetzt, da ich leise meine Flöte zum Mund brachte, sah ich Kain. Früh durchstrich er schon die Haiden, finster unter sich blickend wie einer, der Unruhe und schwere Qual im Busen trägt. Da fiel mir seine gestrige harte Begegnung wieder ein. O und die freundlichen Knabenjahre, wo er, mich weniger hassend (denn geliebt hat er mich niemals ganz, niemals brüderlich am Herzen getragen, wie ich ihn) mich dann oft zum freundlichen Spiele ließ – sieh, darüber vergaß ich jetzt alles. Heiße Tränen brachen aus meinen Augen hervor, und ich verzweifelte bei mir selbst, ob er jemals anders gegen mich werde. Für ihn laß uns beten, teure Tirza. O wie glücklich könnten wir leben, wie gerne wollt' ich ihm gehorchen, ihm, Adams Erstgeborenen; aber er stößt mich weg, ich bin ihm zu weich, ein verächtliches Weib, o Tirza!« Tirza, seinen Kummer unterbrechend (sie sah, daß er ihm nun auf einmal zu schwer ward) pflückt vom Geländer eine spätblühende Rose und reicht mit zarten Fingern und holden Mienen sie ihm dar. Abel empfing sie voll Lust aus ihrer Hand, bog sich jetzt über den Zaun hinunter und brach auch zwei Sommerlevkoien und steckte die liebreich an ihren Busen.

Also die Kinder. Die ersten Eltern aber gehen jetzt auch vertraulicher nebeneinander dahin. Eva, die Mutter, sucht Adam, ihren Geliebten, immer mit angenehmen Gesprächen aufrecht zu halten. Das tat sie Kains, ihres Erstgeborenen, wegen. Sie hoffte, Melboe werde ihn bewogen haben, dazubleiben. Dann sann sie hin und her, wie sie ihm sein hartes Verfahren verweisen möge, daß er so unempfindlich für ihre Liebe war. Jetzt sah sie die beiden Liebenden, Melboe und Kain, im Grünen vertraulich sitzen, wie sie Arm an Arm verschwenderisch einander Schätze der Liebe zuteilten. Da erfreut sich die zarte Mutter, freut sich, daß Melboe, ihre Sanfte, also den stolzen Löwen hielt. Näher drückt sie sich jetzt an Adams Seite und spricht also: »Was doch Liebe vermag! Vater, sieh einmal, dort ist der Kain, der Trotzige, den Melboe so süß umschlossen in ihren Armen hält und der ihr so fröhlich wieder am Busen liegt. Ei sieh doch! wilde, ausgeraufte Blumen streut sie ihm jetzt auf das dunkle Haupt; er küßt sie vielmal dafür auf ihre freudenreiche Brust. Vater, wer hätte wohl geglaubt, daß unser trotziger Sohn so zärtlich zu lieben wüßte? Noch hören sie uns nicht einmal näher kommen, so sehr hat Freude beider Herz eingenommen und alle ihre Sinne trunken gemacht.« Adam, der erste Mensch, drückt lächelnd jetzt der treuherzigen Mutter die Hand: »Gebe Gott seinen Segen dazu, Mutter! Wir wollen sie bald miteinander vermählen, sobald ich und Kain vor dem Opfer dann mit einander ausgesöhnt sind.«

Jetzt traten alle näher hinzu, umfingen die Liebenden freundlich und wünschten heimlich der sanften Melboe Segen und Glück. [196] Adam saß nun neben Kain, seinem Erstgeborenen, ins Gras nieder. Schön saßen sie nebeneinander: zwei gleiche Gemälde, von zwei trefflichen Künstlern verfertigt. Eins ist das Urbild, ganz geschöpft aus der Fülle der Phantasie, ganz im Fluge himmelentrissener Flammen; es ruft aus allen Zügen: ich bins', des Meisters Werk! Das andere, Nachbild, mehr Werk des Kampfs, dem Zufall des Geratens unterworfen, verloren alle göttliche, erhabene Einfalt. Eher wird man den Tag mit der Nacht verwechseln, eher die Nacht mit dem Tage, als des Kenners Herz in der Auswahl beider hintergehen. So saßen jetzt Vater und Sohn, einander ganz ähnlich und doch einander ungleich; einerlei Züge und doch verschieden im Ausdruck und Leben. Der hohe Vater der Menschen aber nahm das Wort und fing seine Erzählung also wieder an.

Baum des Lebens. Hymnus der Engel. Sonnenuntergang. Schwere Einsamkeit. Mondaufgang

»Als ich nun meine Begierden auf Pisons schöner Insel im Genusse der lieblichen Früchte genug gesättigt, ging ich, alles zu beschauen, viel tiefer in das Inwendige hinein. Viele tausend Schönheiten traf ich bei jedem Schritte da an. Sie alle zu erzählen, meine Kinder, sie alle zu nennen, würde diese Nacht nicht ausreichen. Mich aber zog vor allem neugierige Lust zum Baume des Lebens hin.

Hoch schwebte der in die Lüfte, seinen Gipfel oben bedeckten Wolken, die bald tiefer herunter-, bald höher hinaufstiegen, je nachdem sie die vier Winde trieben; sie drehten sich aber immer auf des Baumes Äste und ließen beständig lebendigen Tau durch die Zweige niederträufeln. Dunkelgrün waren seine Blätter, dick und breit. Gerade aufgeschossen sein Stamm. Seine Äste glichen schönen Bogen, die übereinanderstiegen und sich immer in schöner Ordnung bewegten. Herrliche Früchte glühten unter seinem Laube hervor. Heiliger Schauer überfiel mich, da ich hinaufschaute, denn Gott der Allmächtige pflanzte selbst diesen Baum am siebenten Tage; da er von aller Arbeit hier geruhet, pflanzt' er ihn. Damals ward erst diese schöne, liebliche Insel um ihn, sie entfloß der lebenweckenden Kraft des Schöpfers, denn Ruhe ist Schöpfung bei Gott.

Und da ich unter den Baum kam, rauschten seine Äste stärker. Ich sah unter seinen Schatten hin. Da saßen heilige Engel, nicht deutlich zu schauen, nur wie sie sich drehten, bemerkt' ich am Schimmer ihre Gestalt. Jetzt sangen sie, und ich vernahm Lieder, zu selig für das sterbliche Ohr – sangen die Schöpfung in heiligen Chören. Hoch in die Wolken drangen die Stimmen hinauf:

Heilig, Jehova, mein Gott! Allmächtig in deinen Werken! Die seligen Engel beten entzückt, die Zähre der Freude rinnet darüber! Die Woge braust nieder, die Erde erhebt sich, die Sonne läuft, Wolken schweben auf dein heilig Wort! – Erzählet die Wunder Gottes, Meere, mit euern Zungen! Erzählt, erzählt! – Hoch stehen die saphirnen Gewölbe des Himmels; des Luftmeers [197] Wogen hallen auf beiden Enden hinauf! – Erzähl' die Wunder Gottes, Erde, mit deinen Gebirgen! Erzähl', erzähl'!

Der Nacht gegeben hat er die schwarzen Schattenflügel. Sie schwebt im heiligen Grauen wohl zwischen Welt und Himmel, breitet auf Erd' und Wasser herab ihr düsteres Haar! – Bald prangt im klaren Reihen der Sterne, Mond, dein Antlitz, heiliger Andacht Leiter, du Geber süßer Ruhe! Schön ist dein Gang und glorreich; die scheue Nacht erblindet, sie läßt vor deinem Licht sich tief hinab ins Meer! Erzählet die Wunder Gottes droben den Himmeln, ihr Sterne! Erzählt, erzählt! Halleluja Jehova! Ehr' und Preis sei dem Herrn, er hat alles wohl geschaffen, alles herrlich vollendet durch sein Wort!

So lobten die Engel. Zwar blieb nur das Irdische davon in meinem Gedächtnis zurück, das Himmlische entfloh mir wieder, stieg bald dem Fluge der Engel nach. Nun kamen alle zu mir herbei in sichtbarer Gestalt, umfaßten mich voll Liebe, wandelten mit mir in den schönen, kühlen Palmengarten. Dreierlei Engel waren's, ein Erzengel in ihrer Mitte. Alle gingen erfreut an meiner Unschuld, lehrten mich viele Wunder Gottes, viele von ihren Geheimnissen schlossen sie mir auf, von ihrem Berufe und ihrer Liebe. Sie sprachen mit mir oft durch Mienen, und ich verstand sie deutlich, und sie verstanden mich wieder, ehe ich winkte. Viel sprachen wir miteinander und schnell, sie teilten in einem Augenblicke Gedanken, Begriffe mit, woran ich jetzt tagelang euch zu erzählen hätte. Ich schaute nur und sah. Mächtig hat Gott mich geschaffen, zum Berufe vollendet, in aller Kraft der Sinne, ihn, den Schöpfer, zu fühlen, ihn zu schauen in seinen Werken; aber mein Denken überließ er mir selbst. Oft stiegen dann heilige Engel zu mir hernieder. Sie leiteten mich über Klippen und Abgründe hin, halfen mir Verirrtem wieder auf, wenn ich in die bodenlose Tiefe des Nachforschens versank. Lange sprachen wir also, bis wir wieder an den Baum des Lebens zurückkamen. Die Sonne warf jetzt tiefer durch die Gebüsche ihre Strahlen. Da segneten sie mich, zwei und zwei reichten mir immer die Hände, trennten sich dann in zwei hellen Chören, jeder von einem größeren Engel geführt, und gingen so zu zwei verschiedenen Seiten der schönen Wunderinsel hinaus. Weit über die goldenen Ausgänge sah ich ihrem Fluge nach, und ihre Klarheit schimmerte von ferne wie ein seliger Stern. Jetzt brach ich auch auf, traf auf einen der goldenen Ausgänge. Schöner schimmerte der jetzt bei der Abendglut und durchschoß gewaltig die Wellen mit Feuer. In der Mitte des Stromes blieb ich jetzt entzückt stehen, sah, in mir selbst emporstrebend, umher. Jenseits am hohen Ufer standen schon die Tiere und erwarteten sehnsuchtsvoll meine Ankunft. Ich konnte mich jetzt nicht halten drüben. Der herrliche Abend, die schöne Gegend, die himmlische Glut umher durchdrang mich jetzt, hielt mich jetzt: ich mußte, mußte bleiben! Geöffnet meine Seele, meine [198] Kehle, sang ich jetzt meine Freude, sang stehend im Strome aus vollem Herzen zum Schöpfer aller Dinge empor. O der lieblichen Anmut! Schön liegt der Wald überm Meer, schön der Abend, seine Glut spielt herunter in die Meergrotte! Wie sich die Büsche bewegen! Wie die Bäume rauschen drüben auf der Insel jenseits am Ufer, wie die Staare schwärmen, wie die Elstern fliegen, sich spiegeln in dem Wasser!

Aber die Sonne sank tiefer, die Schatten verlängerten sich, verkündigten den Abend.

Du mußt fliehen, fliehen mußt du, schönes Licht! Sinke herunter, Sonne, sink' im Segen hinunter! Zögere länger nicht! Ja verweile, Schöne, ja verweile, du bist auch im Verweilen so schön! Warum mußt du denn fliehen, verbergen so dein leuchtend Antlitz? Du mußt fliehen, so will es Gott der Herr. Er hat dich, Sonne, erschaffen, erschaffen die finstere Nacht auch – sinke, Sonne tiefer, sinke hinunter; was zögerst du lange?

Nicht mehr soll Adam erschrecken. Bald gehen hervor die Sterne in süßem, vertraulichem Schimmer. Dann tritt in ihren Reihen hervor der glorreiche Mond, von dem die Engel sangen in hohen, heiligen Liedern. Komm' zu mir, schöner Bewohner der einsamen, dunkeln Nacht!

Ich ging nun weiter, jenseits hinüber. Der Löwe kam brüllend vom Ufer herunter und watete durch die Fluten mir entgegen. Jetzt stand er neben mir, schmeichelt' und hieß mich mit Brüllen willkommen. Aber hohe Wolken stiegen vom Meer auf, blau, rot und licht besäumt, ein erhabener Anblick. Wie Felsen, wie Gebirge stehen sie, türmen sich übereinander, dehnen sich so hoch über die Sonne wie eine Felsenkluft auf, umschlingen nun, verschlingen nun die Sonne ganz. Ha! die Erde ward dunkler, ich fuhr auf. Meine Faust auf des Löwen Haupt gestemmt, die andere vor der Stirn, stand ich, auszuharren den lebendigen Streit am Himmel. Lange schien sie mir verloren, als auf einmal, o welche Freude! welch Frohlocken! durch zerrissene Wolken ihr holdseliges Haupt wieder hervorsiegte und, als ob lebendig Feuer vom Himmel regnete, alle ihre Feinde, alles um sie her in Glut aufschmolz, also verherrlichend ihr letztes glorreiches Prangen im Abend.

Nun stieg ich am Ufer hinauf, die Tiere folgten mir bis auf den Hügel. Dort saß ich unter wilden Reben, gefaßt, in freudigerem Mute wieder die finstere Nacht zu erwarten.

Aber die Sonne sank am Walde hinunter, eine der höchsten Zedern empfing sie. Jetzt stand sie noch über dem Gipfel, schon auf ihm. Nun hing sie, ein Strahlennest, in den wehenden Zweigen. Jetzt kroch sie tiefer und tiefer am dunklen Stamme hinunter, und Blitze schossen überall ihr nach und verrieten durch die Blätter ihren Gang, bis sie sich endlich unten im Dunkel verlor. Wie ein Kind sah ich nun, die Augen in Freuden noch immer auf den Ort geheftet, wo sie, die so schöne, verschwand.

[199] Da stand ich auf, tröstete die Tiere, tröstete die Welt: Trauert nicht, o trauert nicht! Wiederkommen wird das schöne Licht, herrlich geht es am Abend des Schöpfers Rufen nach, herrlicher kommt es am Morgen wieder. Trauert nicht darüber, ihr Tiere, traure nicht, einsame Welt!

Eine Weile dauerte die Glut des Abendrots. Bald aber erkaltete der Himmel, und die Nacht mit ihren grauenvollen Gefahren brach abermals ein. Schneller flogen nun die Vögel auf, eilten in der Luft. Die Tiere der Erde regten sich, versammelten brüllend sich wieder. Ich gab ihnen ihren Segen; nun fuhren alle der Tränke zu, ließen mich abermals allein.

Morgen wird auch sein, er wird kommen, der schöne Morgen, in aller Kraft wird er kommen, meine Tiere mir wieder zuzuführen, die mir der Abend raubte. Alles ist geflohen, alles hat mich verlassen. Wer treibt sie, die mich lieben, von mir? Bin ich am Tage ihr Herr nur, nachts der traurige, einsame Mann? Wie sie dort heerdenweise in die Wälder ziehen; hier und dort nur auf der Heide ein einsam sitzendes Paar.

Komm', freundlicher Mond, komm' du mit deinen Sternen, tröste die bange Welt, tröste den einsamen Mann! Schnell über die Fluten schweben Meeradler dahin. Die Rohrdommel beginnt schon unten im Sumpf ihr langweiliges Lied. Komm', schöner Freund der Nacht, den Engel lieben, besingen; komm', zeige dein Antlitz am Himmel, winke mir Einsamen zu!

Der Odem der Luft ist kühl, erquickt meine Gebeine. Wo brüllst du, starker Löwe? wo bleibst du, der Tiere Meister? Ihr seid die Stärke der Wälder, wo eilt ihr jetzt in der Nacht? Kein Tier auf Erden so groß, so klein, es geht niemals allein, hat immer seinesgleichen. Warum ich denn allein? – Düster war's, schon hier und da glomm ein Stern am Himmel. Jetzt nahm ich mir vor, auszuspähen, wohin sich die Tiere versteckt. Einsam ging ich umher. Nicht weit von mir im Busche sah ich den Hirsch liegen mit seinem Reh, freundschaftlich lagen die. Man sah wohl, daß sie nicht Zufall zueinandergebracht; etwas Geheimes zog und hielt sie so liebevoll nebeneinander. Nicht weit davon hielten auf einem Felsen zwei Störche; der eine saß, der andere stand über ihm und schaute scherzhaft herab. Ich wollte eben mich ihnen nahen, aber ein süßes, zärtliches Gurren zog mich von ihnen weg. Hinten am Fels stand eine Eiche, unter deren hoher Wurzel Tauben sorgsam ihr Bette gebaut. Wie fand ich sie wonnevoll darin, ein Seelenanblick! Sie teilten so willig, so gern, deckten so freundlich mit schirmenden Flügeln einander. O volles Gefühl des einfältigen, doch so sehr ans Herz redenden Anblicks! Ich konnte mich nicht satt sehen an der Unschuld, nicht satt weiden mein Herz an ihrer Liebe. Ich fühlte ihr wonnevolles Gurren so nahe, wie jedes abgibt von sich selber, mit dem andern teilen zu können. Ihr Bett so klein, ihr Wesen so selig. O Gott, was zieht sie so zueinander? [200] Hast du sie so gelehrt, oder paaren sie sich aus eigenem Triebe? Nein, du bist's, du hast's vollbracht, dein Finger, deine Spuren! O Adam, warum du allein? O ewiges schweres Ermangeln! Ja, tausendmal schwerer und unausstehlich ward auf einmal die Einsamkeit mir. Ich trug ein Bild im Herzen. Der heilige Anblick unschuldiger Liebe hatte ganz mein Herz entflammt, die Sterne quollen über mir auf – ach! sie regten nur noch mehr meine Sehnsucht, heiterten das Trübe meiner Seele nicht. Jetzt schwang sich auf brünstigen Flügeln meine Seele hinauf zum Himmel, verlor sich unter den Sternen und sucht' ihr Verlangen droben. Da strömte Gesang aus meinen Lippen, also daß ich anfing, aus meinem Herzen zu beten, zu jauchzen von Liebe Gottes zu dem Menschen:

Schön glänzt ihr Sterne ohne Zahl, glänzt ihr am Himmel droben! Ihr Blumen am Gestade, wo weht des Lebens Odem! Schön sinkt die Nacht herunter, herunter in die Fluten. Es quellen tausend Funken herunter in das Meer.

O großer, ewiger Schöpfer, warum bin ich allein? auf der Erde, in deiner weiten Schöpfung ganz allein? Hoch an dem Himmel flimmern die Sterne immer schöner, die Sterne immer heiterer. Sie lächeln, winken zu einander, sie fühlen nicht mein Leiden. Wo bleibst du, Mond, mein Freund? Der Herr der Schöpfung trauert, dem Auge ist das Dunkel nicht schwerer als dem Herzen – so schwer Einsamkeit. Der Herr der Schöpfung trauert, ihm fließen heiße Zähren. Ach, Adam ist allein! –

So stand ich, heiße Tränen weinend. Über mir brach jetzt zum ersten mal der stille Mond auf. Wie deine weiße Taube von deinem Schoße aufstieg, Melboe, du Liebe, so stieg aus Gottes Schoße jetzt freundlich der Mond und säuselt' in der Nacht auf. O liebreich ist sein Kommen, seelentröstend sein Blick! Ihm jubeln die Tiere nicht nach; aber das kummervolle, gedrückte Herz fühlt wohl sein Ergehen, findet lindernden Trost und Ruhe in seinem Blicke. Zu leisen, zärtlichen Klagen mildert er tiefen, unergründlichen Jammer.

Ach, ich fühlt' ihn auch ganz, ganz sein segnend Wandeln über meinen sich sänftigenden Busen, fühlte sein Kommen durch alle klopfenden, sich schon beruhigenden Adern. Ja, du bist's, du, du bist's! Spät ist dein Kommen, o Mond! Aber ein liebreicher Zeuge, bringst du Hoffnung und Ruhe dem Herzen mit. Was ist's, das unergründlich tief in mich sinkt, lindernd wie die Erscheinung eines Engels? Seliger Trost wehet um ihn. Ich will's nicht ergründen, was mich so wunderbar stärkt. Du bist gekommen, liebreicher Mond, Engel sangen von dir, du bist gekommen, dem Menschen ein seliger Trost.«

[201] Adams Schlummer. Gott zeigt ihm Eva im Traum, erweckt Sehnsucht und Liebe nach ihr in seinem Herzen

»Erquickender Hoffnung sank ich jetzt im Mondglanz zur Ruhe; kaum aber schloß Schlummer meine Augenlider, da umfaßt' auch gleich heiliger Traum wieder meine Seele. Siehe, Gott stand über mir in erhabener, menschlicher Gestalt, in Gestalt eines herrlichen Mannes stand er mir jetzt nah, ewige Kraft ging von ihm aus. Schöpfung wehte in des Allmächtigen Barte, der Tag fuhr von seiner Stirn, und in der Schwere seiner Locken lag die Nacht; aber in seinem Gewande brausten die Elemente, das Meer. Jetzt hob er mich auf von der Erde und führte mich. Ewige Liebe redet' aus seinen Augen; aber die zwei starken Brauen der Stirne richteten Sonn' und Mond in ihrem Lauf und befestigten die Erde. Jetzt gingen wir über Pisons goldenen Eingang auf die anmutige Insel hinüber. Wo der Baum des Lebens blüht, da ließ mich Gott. Aber eine Stimme rief über mir: Schau' um dich! Ich schaute, und siehe, Menschen wandelten im Garten vor mir, Menschen an Bildung mir gleich. Da ging ich unter ihnen fröhlich; ich führte sie zu den Bäumen, woran die edelsten Früchte reiften. Zweimal genoß ich nun Edens Lust, da ich jetzt geben konnte, zeigen konnte all meinen Reichtum, der von Gott mir beschert war.

In des Baumes Schatten aber, nahe bei Gott, sah ich jetzt ein Gebild stehen, das war kein Engel, obgleich himmlisch gestaltet, voll klarer, lauterer Unschuld, wie eine schöne Hyacinthe. Der lieblichste Frühlingsmorgen hat sie der Erde entlockt. Liebend hängt über ihr der laue Mittag, haucht ihre süßen Blüten sanft auseinander. Überlassend sich der Wonne, schließt sie sich jetzt auf, zieht mit ihrem reinen Atem jedes Herz an. So stand das schöne Bild! O, meine ganze Seele floh ihr entgegen! Sie stand wie eine, die freudig zum Himmel betet, verwundernd die Hände zusammendrückt und über sich schaut. Ein frommes Lächeln hing an ihrem Munde. Die krausen Haare liefen ihr schimmernd am Rücken herunter und ließen von der Luft sich treiben, wie ein edler Brunnen im Grunde oder am Felsen. Vater und Kind schöpfen aus ihm, aber je mehr man schöpft, je mehr quillt nach. Also das schöne Bild. Tausend Seligkeiten zog ich aus ihrem Anblick, aus ihrer Freude hierüber; tausend Seligkeiten entquollen von neuem ihr. O ewiger Gott! Ich vergaß alle anderen Gestalten, noch einmal ward ich geschaffen, fühlte mich erst jetzt vollendet, vollendet ganz in ihren Armen, an ihrem Busen ganz Mann zu sein. Ich sprang hin zu dem Bilde unter dem Baume, ich sah sie von neuem. Es war das Bild, nach dem ich mich so lange gesehnt, zu dem mein Inneres geschrien – sie war's, die ich in meinem Herzen gefühlt, in meinem Herzen getragen und doch mir nicht hervorbilden konnte.

Gott stand in all' seiner Pracht. Sichtbare Klarheit entsprang vor ihm, als stünd' er vor sieben Sonnen. Da neigt' ich mich, da rief ich: Herr, sie ist's! Dies ist das Bild, das du in mein Herz [202] geschaffen, du zogst's aus meinem Busen hervor. Ach, mein ist es, mein, ich habe lange geseufzt darnach, ich habe sie lange gewünscht, diese, diese lange getragen unter Schmerzen an meinem Herzen. O Mutter Eva! Dein Bild war es, du standest da, dein Reiz entfaltet im schönsten himmlischen Flor – so schön, als Gott nachmals dich mir gegeben, standest du jetzt vor mir da! O, wie sehr sehnt' ich mich an dich hin. Alles fand ich nun, was bisher mir ermangelt. Wie fühlt' ich jetzt, daß du so lange, so lange mir ermangelt, daß du für mich allein, für mich allein geschaffen warst!

Gott freute sich meiner unschuldigen Freude. Jetzt führt' ich dich in die Fluren unter die Blumen, schmeichelte dir, bat dich, beschwor dich, immer, ewig bei mir zu bleiben. Ich bot dir die herrlichsten Früchte der Bäume, ich führte dich ans Ufer, zeigte dir den schönen, blauen Fluß, die goldenen Eingänge, zeigte dir meine Tiere, die jenseits am hohen Ufer versammelt standen, sich neugierig hervordrängten, Adams Geliebte zu sehen. Du aber lächeltest, holdselig lächeltest du, als ich deine langen, glänzenden Haare bewunderte und so freudig in meinen Händen wog. Da brachst du Blumen und warfst sie über mich hin, nanntest sie schnell Tulpe, Rose, Hyacinthe: süße Namen, die sie jetzo noch tragen. O seliges, reinstes Entzücken, das ich in diesem Schlummer genossen! Jetzt umfing ich dich, schloß mich ganz an dich, verwuchs in deinen Armen, an deinem schönen, freudenreichen Busen – O ewig unvergeßliches, ja in tiefsten Kummer und im Tod mir noch erfreuliches Erinnern! O höchste Schmerzen auf höchste Wollust, als ich nun, nun meine schmachtenden Lippen deinen holdseligen Lippen entgegenbrachte, du mir begegnetest auf halbem Wege jetzt, jetzt meinen glühenden Mund dem deinen genaht, ewige Wonne! – Verzweiflung! Schrecken! als du jetzt im Erwachen mir entführt!

Mein erster Blick in's Licht war ein Schrei: Eva! Eva! Teure Geliebte, himmlisches Bild, wohin? Wo bist du? Wo? Wo? O Meere, Berge, ihr Auen! wo ist sie? wo find ich sie wieder? Ich sprang von der Erde auf, sah um mich, jetzt lief ich durch die Büsche, schrie, rief nach dir, suchte dich überall, überall dich Verschwundene, dich Geflohene, dich mir Entrissene! Wie war mir doch so wehe, wie ward mir doch so bange! Sonne, du schienst damals vergebens so lieblich auf Adam herunter; vergeblich grüßtet ihr damals mich, wohlwollende Tiere. Du menschenfreundlicher Hund, mein treuester Gefährte im Segen, im Fluche – du, dessen ganzes Wesen an den Menschen geknüpft ist, dessen ganzes Glück in den Befehlen seines Herrn liegt, der du sehnsuchtsvoll über mir standest, auf mein Erwachen lauertest – umsonst, umsonst, dein freundlich Bemühen! Ihr Enten und Schwäne und alles, was als Paar und paarweise zu mir her kam – ach, Adam hörte damals eure Grüße nicht. Zum ersten mal ging er jetzt eigenen Pfades in die Wälder, durch die Fluren, wohin ihn die Liebe trieb.

Bild, seliges, in meinem Herzen loderndes, all' meine Adern anflammendes [203] Bild, das Himmel um mich her schuf, jetzt durch sein Fliehen mir die Schöpfung verflucht, o wo bist du? Wenn du mich hörst, meinen tiefen Jammer weißt, ach Teure, Teure, so kehre zurück! – Nein Eva, teure Mutter, ich kann den Jammer nicht sagen, nicht aussprechen das Bange meines Innern damals. – Ja ich will hin auf die schöne Insel, wo ich sie zuerst gefunden, die ihre liebreichen Füße betreten, wo an allen Blumen, an allen Bäumen noch ihre Lieblichkeit schwebt; ich will sie suchen, will sie finden, umfangen, ihr all meinen Jammer klagen, all mein Leiden nach ihr, sie festhalten, ewiger Gott! nicht mehr lassen, daß sie nimmer, nimmer meinen Armen wieder entfliehe. – Ja gewiß, meine Kinder, liebet einander! Was ist doch seliger als lieben, das reinste Gefühl, in dem sich der Mensch über die Erde zu Gott erhebt, zu Gott, dem Ursprung aller Liebe! Kain, mein Erstgeborener, Melboe, liebet euch, seid glücklich, wie Adam und Eva einst waren, seid glücklich, wie Adam und Eva noch sind! Ja du meine holdselige, teuer erbetene Eva, süße Mutter, küsse Adam den Vater, laß fließen unsere Tränen zusammen! O selige Liebe, edelste Gefährtin durchs mühsame Leben, Glück, das dem Mann im Weibe ward, mehr Reichtum, zu teilen an ihrer Brust, als allein zu tragen des einsamen Genusses schwerere Last! Ach, ohne dich, Eva hätt' ich länger ohne Qual durchirren mögen Edens holdergötzliche Fluren? Dich umarmen laß mich, ausweinen über dir. Mein Herz fühlt noch einmal kräftig alle die Sehnsucht, alles was in leerer Einsamkeit ich damals ertrug. Liebe Geliebte, die Tränen, die aus deinen Augen brechen, süße Kinder genossener Freude sind sie. Du Wonne meines mühseligen Lebens! Disteln und Dornen ward unser Teil, und saurer, saurer Schweiß des Tages; dennoch ward dem Mann des Weibes Liebe, ward Liebe des Mannes dem Weibe gelassen. Zu sorgen für einander, einander zu ertragen, ist süße Pflicht. Ach ewiger, wohltätiger, erbarmungsreicher Gott! Du gabst viele der Tränen, aber der Freuden, der Freuden ließest du mehr: des Mannes Sehnen nach seinem Weibe, des Weibes Hoffen auf ihn, des Säuglings Stammeln am Busen der Mutter. Weib, letztes, teuerstes Geschenk des Schöpfers, edler als Wärme, süßer denn Licht sind wir zusammen gegangen durch die Fluren der Jugend; noch stehen wir in starker Blüte, genießen des Lebens Fülle. Entweht das Alter die Blüten, gehen wir entgegen der Grube, in Liebe zur Erde, aus der wir genommen sind!«

Also Adam; und Eva hängt schluchzend an seinem Halse. Ein ängstlicher Schauer durbebt Aller Herzen und erfüllt sie mit innerer Pein. Kain liegt an der Erde und verbirgt in Melboes Schoß sein Angesicht. Adam aber ermannt sich und spricht weiter: »Siehst du, meine Teure, meine Geliebte, Gott, der alles in Liebe anfängt, alles in Liebe vollendet, wollte dem Manne die Sehnsucht nicht rauben, die teure Qual des Verlangens, das schwere, schwere Gefühl des Ermangelns, um hernach auf einmal ganz zu geben des [204] Genusses seligere Wonne. Das Suchen, Fordern nach Liebe geht durch die ganze Schöpfung. Damals bei dem Verlangen nach dir, die du dich immer, auch ferne in meiner Seele, in meinem Herzen wie in einer Quelle gespiegelt, schwebtest du um mich durch die ganze Schöpfung auf blumenreicher Aue, im Schmelz der blauen Ferne, im Flusse, wo alles sich sanfter spiegelt, im Wehen des Abends, im verliebten Gesange der Vögel, im Sternenschimmer, in einsamer Nacht. Überall, wohin mein Herz sich wandte, ahnet' ich, fühlt' ich, hört' ich dich – das alles war nichts als das Heranreifen zur seligsten Frucht der Liebe, die mir nun bald an deinem Herzen ward.

Jetzt ging ich der anmutigen Insel zu, denn nirgends hatt' ich mehr Ruhe, dort mein beklommenes Herz auszulassen, dort inbrünstig in heiliger Andacht jeder Spur nachzuwandeln, zu stehen, wo du standest, zu gehen, wo du gingest, wo wir saßen, zu sitzen, dich zu suchen, dich im Traum wiederzufinden.

Ich nahte der schönen Insel, lieblich wehte der Wind. O Gott, wie kann ich's aussprechen! mein Herz empfand wieder erneut bei ihrem Anblick alle Freude, alles Weh! Noch einmal so anmutig stand alles um mich her. Mit welchem Entzücken betrat ich den Boden! O wie freute sich meine Seele, wie freute sich alles mit mir! Alle Bäume bewegten sich über mir, ihre Blüten bedeckten mich, als ich nun unter ihnen hinging, jetzt von Gott erkorener Bräutigam. Alles, die ganze Natur feierte. Ein stilles, heiteres, gotthoffendes Gefühl umgab mich und stillte das sehnliche Verlangen meines Busens. Unter dem Baume des Lebens sank ich dem Schlummer hin, süßer Schlaf umhüllte meine Augen, mich wiegten sanfte Winde zur Ruhe, mir sangen alle Wesen süße Erfüllung, Stillung meiner Wünsche entgegen. Süß drang's durch all' meine Gebeine; schlaf ein, Adam, schlaf ein, gottgeliebter Mann, deine Wonne reift schon. Wie selig wirst du morgen erwachen!«

Also Adam. Es war bereits tief in der Nacht. Er stand nun auf und Eva mit ihm. Sie nahm seine Rechte und schmelzende Tränen rannen darauf, drückte sie jetzt an ihre heiße Lippe. »Ach, Teurer! Soviel hat Eva nicht verdient, segne dich Gott für deine Zärtlichkeit!«

Auch Tirza und Abel kamen nun liebreich zum Vater hin. Tränen sprachen ihre Liebe, und Küsse redeten ihren Dank.

Kain stand auf, gerührt. »Wie ist mir doch so dumm!« flüstert' er jetzt zu Melboe; »ich möcht' weit fort, weiß nicht wohin, weit in den Wald, an den Wasserfall. Verzeih' mir, Vater, verzeih' deinem Erstgebornen! O Mutter! Vater! Nimm mich wieder auf! Morgen wollen wir uns am Altar versöhnen. Ich will einen Bock schlachten, den mir mein Bruder aus seiner Herde geben soll. Du aber laß allen Groll gegen mich aus deinem Herzen weichen, der schwer meine Seele zu Boden drückt.« So sprach er, und da er noch sprach, bog er zugleich seinen nervigen [205] Arm um seines Vaters Knie. Adam aber legt die Hand auf sein dunkles Haupt und spricht ernsthaft: »Was ist deinem Munde entfahren, Kain? So wahr meine Hand dein Haupt deckt, so komme Segen über dich und mich, wie dir mein Herz verzeiht, wie deine Mutter und ich dich lieben. Ja, morgen wollen wir opfern; ich will dich aussöhnen mit allen deinen Geschwistern und mit mir und deiner Mutter. Du sollst alle unter dem freien Himmel brüderlich umfassen. Dann begehre Melboe hier von ihrer Mutter, und so wie dich Evas Seele liebt, wird sie dir nichts versagen. Gott bringe einmal wieder Frieden unter uns.«

So sprach er. Eva hebt schnell ihren Erstgebornen auf und drückt sich fest in seine starken Arme, küßt unzählige male seine männlichen Wangen und seine leuchtenden Augen. Aber Adam spricht leise nun zu Eva: »Höre, liebe Mutter, laß uns forteilen an den Ort der Ruhe. Stark sehnt sich wieder einmal mein Herz nach dem Genusse deiner Liebe. Teure, laß mich nicht länger schmachten! Schmachten verzehrt das Leben, meine Liebe, es zerreißt die Sehnen und schneidet in's Gebein.« Eva senkt ihre Hand in die seine. Leise spricht sie: »Du hast zu gebieten; mir kommt es nicht zu, deinen Wunsch zu versagen.« Jetzt brechen sie auf und gehen in süßer, seliger Eintracht. Gott winkt ihrer häuslichen Liebe Freude und Segen zu.

Jetzt reicht auch Kain der braunen Melboe die Hand. Sie gehen Arm in Arm geschlungen über die monddämmernde Aue den Hügel hinunter im stillen Entzücken der Liebe. Abel aber begleitet Tirza bis an die Hütte und steigt dann sorgsam wieder den Hügel hinan, um unter seiner Herde zu schlafen.

Anhang

Der erschlagene Abel.


Sanft duftet der Abend. Vom trauernden Himmel sinken die Sterne gemach. Noch hält am Felsen Adam seine Tochter. Losgerissen hat er sie erst vom erschlagenen Geliebten, der vor ihr an der Quelle liegt. Sinnlos, taub, schwankt sie; kalte Tränen rinnen ihr vom Auge, und Verzweiflung sträubt ihre Haare – bis von neuem wieder auffließt ihres Jammers Quelle, sie wieder empfindet: Ewig nun nicht mehr zu sehn, ewig zu lassen nun, den sie so innig geliebt! Zurück ringt sie sich aus des zitternden Vaters Armen. Umsonst hält er sie, flehet: »Bleibe doch, Traute, ach! Du erweckest ihn nimmer. Tot! Tot! Das, meine Tochter, ist Sterben! – so – deine Klagen, ach! unsere Klagen höret mein Abel nicht mehr.« Also spricht Adam tränend. Fassen will er sie nun und zärtlich zurückziehn. Aber heulend fällt sie über den Leichnam hin. »Nein, er ist nicht tot! Nein! Nein! Nein! Gelt, mein Abel? Gelt, bist nicht so gestorben, willst nicht so [206] verlassen deine Tirza? Jammer! Jammer! schweigst du? Kennst mich nicht mehr? Soll's denn ewig währen, immer so sein? Braune, braune Locken! Willst du nicht mehr lächeln, holdseliger Mund? Nicht mehr winken, Auge, so starr und trübe?«

So schluchzet die jammernde Tirza und küßt des Geliebten kalte Hand, blickt dann auf ihre Kinder, die liebend sie aufgesucht, im Grase neben ihr saßen und lächelnd mit ihres Vaters blutigen Locken spielten. Zum Himmel starrt sie nun stumm, dann wieder auf ihre Kinder, weint, rauft sich ihr Haar und sinkt auf des Erschlagenen Busen nieder. Und ängstlich weinen ihr die Kinder nach.

Aber herabstarrend und erschauernd steht Adam, der Mann, über dieser Gruppe von Jammer, ineinandergeschlagen die Fäuste und zuckend sein Mund. Nachdenkend betrachtet er des Toten aufgebäumte Brust, sein fürchterlich niedergesenktes Auge und die geballte Faust. Schreckliche Bilder durchfahren seine Seele. »Ha, er ist grauenvoll, bitter«, heult er, »schrecklich, der Hinübergang vom Leben zum Tod! Wie er zurückgeschaudert, mein Liebling, da ihn des Todes nerviger Arm ergriff! Die Lippen verzog mein Knabe, da ihn der mächtige Tod hielt, zu trinken den bittern Trank! Ach Eva, traute, zitternde Herzensmutter, das sind wir! Wirst weinen, wirst du ihn liegen sehen, schauen deines Lieblings erblaßtes Gesicht. O Erbarmer! Da kommt sie, von der Rosenlaube, ach! wo er ihr heute noch vorsang. Gott! Gott! wie mag ich sie trösten!«

So seufzte Adam, wischt seine wunden Augen und schüttelt die Träne aus seinem silbernen Bart. Entgegen geht er nun freundlich seinem Weibe, der mildern Eva, mit ausgespannten Armen; und will er gleich lächeln, dennoch quellen ihm Tränen die Wangen herunter. Da umschlingt er sie, drückt sie küssend an sein schlagendes Herz und spricht also: »Glück zu, meine Geliebte, Glück zu! Du hast nun einen Sohn im Himmel. Der's gegeben, hat's wieder genommen; des Herrn Name sei gelobet! Weine, o weine nicht zu sehr! Dein Abel ist tot, entschlummert, der erste aus diesem ....«

»Soll ich ihn denn nicht mehr sehen?« meint Eva. »Ach Adam, wie ist er gegangen und vergaß der Traute meiner ganz? Und er kam nicht, seine Mutter zu segnen, die ihn geliebt, die ihn mit Schmerzen gebar?«

So an Adams Seite gelehnt stand Eva, und Tirza fuhr, sie erblickend, auf. »Mutter, Mutter!« schreit sie entstellt und wild, »Hier, Mutter, ruf' ihn! Weck' ihn! Gib ihm Leben! Siehst du! Sieh!«


Eva.


Mein Sohn! Mein Abel! Mein Kind! ... Blut?

Tirza.


Ewig, ewig, ewig dahin! Der Vater hat's gesagt. Ha Mutter, Mutter! Sieh, seine Hand fällt starr zurück.


Eva.


Wehe! Abel! Weck' ihn! Ruf' ihn! Schüttle ihn! Blutig! [207] Blut! Wer hat ihn geschlachtet? Wer? Ist er tot? Ist er hin, wie die Ziege, wie's Lamm?


Tirza.


Ach! Ach!

Eva.


Kalt! Still. Ha Adam, du alter Adam, sieh!

Adam.


Ach traute Geliebte!

Eva.


Ich will dir fluchen! Ich will dir fluchen, sollt ich auch .... sollt' ich auch –

Adam.


Weib! Weib, was treibst du?

Eva.


Vater du? Hast würgen lassen deinen jüngsten Sohn! Würgen lassen, nicht gewagt, ihn zu retten, dich entgegen zu stellen des Todes kalter Hand, da er gekämpft, blutig geschweißt, als ihn zurückgebogen, hingeschleudert der gewaltige Arm des Siegers!

Voll Wut schlägt sich Adam vor die Stirne. Knirscht: »Hab' ich retten können, Allmächtiger, und das nicht getan! Fassest du den Donner am Wirbel, schleuderst ihn wieder entgegen dem, der ihn dir zugerollt? Bin ich allmächtig, daß du mich aufrufst, den Arm zu biegen dem, der Himmel und Erde zerhaucht? Törichtes, törichtes Weib! Vor uns zieht der Tod hin. Vom Herrn gesandt, spottet er uns, seine Beute; wir alle müssen daran, ich und du, und du ....«


Eva.


Nur seinen Pfad – die schwarze Grotte, wo er schläft! Nur seinen Pfad, daß ich ihm nachspüre, abjage meines Sohns Leben. Ach sieh doch, Adam! Sieh doch, daß Gott erbarme! Wie er ihn zertreten, seine schönen Augen erloschen, abgewischt alle Lust von deines Sohnes holdseligen Wangen, mir ihn entstellt, so grausig, Adam, daß ich hinter dich spränge, stünd' er auf, ihm verschlösse meinen mütterlichen Busen.


Also Eva.


Schluchzend wälzt sie sich auf der Erde, die Fäuste voll greiser Locken. Und schlägt er also, der Tod? Und trifft er dich, Adam, und mich und alle meine Kinder und sie alle, die lieben Kleinen, alle, alle hier? – Und nun erwischt sie ihre Enkelchen und drückt sie an ihren Busen und netzt sie mit ihren Tränen.

Und der herrliche Mann Adam faßt die jammerversunkene Mutter der Menschen auf, hält sie dann zitternd empor und seufzt an ihrer Schulter also: »O wir Unglückseligen! Ach Eva, Eva! Mitgenossin in Kummer und Freuden, fasse dich! Noch blickt der Himmel auf uns. Wußtest du doch wohl, zu was du Kinder geboren. Ach schon lange war es uns vorher verkündet, als wir Hand in Hand weinend das schöne Eden verließen. Am Stamm einer Eiche saßen wir verlassen, als im hohen Wetter über uns der Richter stand und herabfuhren durch die gespaltene Wolke Todesflüche. Tod! Uns und unseren Nachkommen. Damals drücktest du deine Hand zärtlicher in die meinige, fielst zitternd an meine Brust. Sie alle, Adam, alle, die uns nachkommen, müssen sterben! Und wir saßen beide und beweinten damals schon unsere sterbenden lieben Kinder, noch ehe sie geboren waren. O ermanne dich, Traute, zum Leben! Höre, was der Erbarmende uns gelobt. [208] Nicht allein gehet dein Abel dahin: bald, bald, ein Weilchen noch, und du und ich werden ihm folgen.«

Erweicht durch Adams zärtlichen Zuspruch, schauert nun Eva empor. Ist's das letzte Röcheln meines Sohns, das mich umschwebt? Oder sind's die Seufzer der Myriaden, die kommen und sinken und fallen? Ha, zu mir, alle zu mir, der Verbrecherin! All' über mein Haupt! Und so werd' ich lange, lange noch unter Tränen genannt werden, Adam. Zweimal wird jede Mutter mir fluchen, mir, der Sünderin, dann, wenn sie unter Schmerzen den Säugling zur Welt bringt, und dann, wenn sie ihn wieder mit Tränen gesegnet. Ach mein Abel! Mein Kind! Wollte Gott, ich läg' bei dir! Adam, Adam! Sieh, seine Locke lebt!


Tirza.


Nein, nein; hoffe nicht mehr: mein Odem, mein Seufzer bewegt sie. Fühlst du die kalte Stirne, o fühlst du sie? Mutter, Mutter, es ist vorbei; ist ewig, ewig, ewig vorbei. Kennt uns nicht mehr, ach! seine Kinder. Ich will nicht länger weinen. Ich will nicht länger seufzen, Mutter. Nein, wenn der Frühling kommt und Röschen blühen und alles lebt und alles neu hervorgeht, ja, ja! dann wollen wir ihm entgegenziehen, du und ich und alle, alle meine Kinder.


Adam.


Ach meine arme, traute Verlaßne! An mein Herz, meine Tochter, mein Kind!

Tirza.


Deine Tränen! Ach er ... er, Vater, er, er, er! So bleibst du denn immer starr? Immer, immer, immerdar?


Adam.


Gott, Schöpfer!

Tirza.


Ich hab' ihn gesehen! Hab' ihn gesehen! Dort wo die Sonne sich wälzt, wo Sterne funkeln und der neue Morgen schläft, hat mir über die Wolken gewinkt mein Abel. Kommst du wieder zu mir, stark und treu, neugeboren, mich zu suchen und zu lieben, wenn die Sterne flimmern und das Abendrot welkt?


Adam.


Ach in deinen Schoß mein greises Haupt! Zum Herrn laßt mich beten, zum Herrn, der der Erbarmer ist. Richte deinen sterbende Blick zum Himmel, Tochter! Es ist vollbracht. Er ist's, der den Geschlagenen heilt, allmächtiger, großer, starker Gott! Komm', mein Mädchen, komm', laß uns beten, dulden und leiden, es wird alles zum besten sein. Ich hebe mein Antlitz zum Himmel auf. Hast mir's gegeben, hast mir's genommen! Und ich weine vor dir, Herr! Amen! Amen!« – Und der Herrliche hub die Weiblein erschauernd in seinen Armen empor. Süße Gefühle von Hoffnung und Zukunft und Wiedersehen entschwangen sich ihren Seelen, und alle Bangigkeit schmolz unter der Wonne der Tränen dahin.

Mit entflammten Herzen und glühenden Lippen stehen sie, singen dem Erschaffer und Vernichter, dem Geber und Nehmer, dem Herrlichen ein Lied, als Kain hastig aus Büschen hervortritt. Unterm Gesträuch versteckt, hatte er die ganze Scene des Jammers gesehen. Länger konnt' er's nicht aushalten; sein stechendes[209] Gewissen ängstigt ihn hervor. Und nun wollt' er mit niedergeschlagenen Augen hastig vorübergeh'n, als er seitwärts den Leichnam erblickte. Starr stehet er und beißt die Zähne zusammen und knirschet und schaudert zurück. Aber Eva ruft ihm wehwütig zu: »Kain, Kain, mein Erstgeborner! Sieh deinen Bruder Abel dort! Ach! Tot ist er!«

Mit weggewandtem Blick und faltiger Stirne spricht der Mörder: »Was geht's mich an? Hab' ich's etwa getan? Meint ihr etwa, ich sollt' um ihn trauern, he? Disteln auf sein Herz! Er hat mich stets gehaßt. Und ihr, was starrt ihr auf mich, als wollt ihr sagen: du hast ihn erschlagen!«


Adam.


Mein Sohn!

Kain.


Sohn, Sohn! Wollt', ich wär's nie gewesen. Daß ihr mich mit euren Flüchen niederschmeißen könnt, darum bin ich euer Sohn. An der Gurgel mich anfassen, niederreißen möchtet ihr mich gerne; mir's Knie aufs Herz setzen, rufen: Bekenn', du hast's getan, hast's getan!


Adam.


Kain, Kain!

Kain.


Und wenn ich denn bekenne? Fluch! Ich hab's getan! Ja, ich hab's getan, hab' ihn erschlagen mit dieser Keule. Sieh!


Adam.


Grauen und Verderben! Du?

Kain.


Kommt mir nicht! Schuld seid ihr an allem. Gelt, immer gekost und geleckt den Knaben, das habt ihr. Da war nichts als er; hintanstehen mußt ich mit meinen Kindern. Üeberall, Tag und Nachts und allezeit, habt ihr für ihn gebetet. Der Heuchler! All' meinen Segen stahl er mir, und ich war immer der Verworfene und der euer Liebster. Küßt ihn nun, so lang ihr wollt. Aber eure Gesichter will ich von nun an nicht mehr sehen. Heimgehen will ich und mein Weib und meine Kinder holen, in die wildeste Wildnis ziehen und euch und diese verfluchte Gegend auf ewig meiden. Verderben und Elend über euch!

So fluchte der erste Mörder Kain seinen Eltern. Dicke Tropfen der Verzweiflung sprangen aus seinem Auge, als er floh. Adam springt auf, streckt die Faust nach ihm, aber zitternd fällt er zurück. Die Kraft verläßt sein schwankendes Knie; sinkend schlägt er mit seiner Stirn an den Felsen und schreit.


Eva.


Mann! Mann!

Adam.


Laß mich! Weg! Weg! Herab, ihr Felsen! Rollet herunter, Hügel, begrabt den Fußtritt des elenden Mannes! So – so ... Ha, wir waren bisher noch nicht verflucht, Eva! Der Engel, der uns aus dem Paradiese stieß, Segnungen wär' sein Schelten heut. Nun! Jetzt! Dein Sohn! Weib! Weib!


Eva.


Erwürg' mich nicht, Adam! Bring mich nicht um!

Adam.


Oh! Wie lächeltest du, ha! lächeltest du, als du ihn gebarst, danktest, ich jammernd umhersah nach Trost dem unmündigen Gast, bis er, genährt von deiner Brust, fiel, lächelnd in deinem Schoß hüpfte und ich ihn aufhub wonnetrunken zum Himmel. [210] Daß er's nun lohnt, im Bruderblut seine Hände wäscht, der Mörder! Verflucht sei er vor meinem Angesicht! Keine Nuhe labe ihn nachts und am Tage! – Halte mich nicht; nach will ich ihm, erhaschen ihn, schleifen im Blute, das er vergoß – ich, aufgerufen von Gott: Vater und Richter.


Eva.


Nein! Nein! Nein! Du sollst nicht. O Adam, willst du mich kinderlos machen an einem Tag? Und hat er erschlagen seinen Bruder, o so erbarme sich der Himmel sein. Bete, wir sind alt und schwach. Nach will ich selbst, meines Sohnes Knie umfassen, bitten, daß er uns nicht so im trüben Alter verlasse. Bleibe du lieber hier.


So Eva und fliehend.


Nach wollt' ihr Adam; aber ein Engel Gottes ergriff seine Haare, senkt ihn nieder aufs Angesicht: Adam, Adam, bleib! Ueber dir wandelt der Richter, und schon rauschen und schlagen und brausen die Wetter, und die Wälder heulen und sinken und beben, und der verwundete Fels bückt sich ins schaudernde Tal. Da rollen die Donner im Aufgang, daß die Säulen des Niedergangs beben. Heilig! Heilig! Heilig! Gelobt, Jehova, dein Name! Und im schlagenden Glanz fliehet der Herr. Und nun, Adam! Am Fels steht der Richter, entblößet das Schwert, zu richten, das Blut abzuscheiden, den Tropfen, der aus dem Staube zu ihm schreit. Ach zittre! Grauenvoll, schwer und siebenfältigen Tod winkt der Ewige nun auf deinen zitternden Sohn!


Adam.


Ach Erbarmen! Erbarmen, mein Gott und Schöpfer!

Und die Gewitter entfliehen, es säuselt und duftet, und der Engel des Herrn ergreift Adam und spricht: »Stehe auf, Mann Gottes! Mit Barmherzigkeit hat der Herr gerichtet, hat mit Milde erhöret das Flehn des er sten Menschen um seines Sohnes Leben. Höre nun auch seinen Willen. Staub zu Staub, so will es der Ewige. Bereite ein Grab und senke den Leichnam hinab, daß er verwese und ihn einst herrlicher wieder hervorrufe Gottes allmächtiger Odem.«

Die NaturKainAn NemesisAufschrift auf Amors KöcherInschrift auf einem TrinkgefäßSkolieTrinkliedDer StärkereDer schöne TagFreudenliedDithyrambeGesang auf die Geburt des BacchusDer seraphische DichterDer Ritt von dreißig MeilenShakespeareUnter Michelangelos BildnisAn den FrühlingRitterehreNachtgesangUlrich von CoßheimAn die MenschenverbessererHuldigung der TiereRudharts HaßAm Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

Die Natur

Wie eine liebe Mutter mit dem jungen,
Geliebten Sohne lächelnd spielt –
Auf Blumen wälzt sie sich, umschlungen
Hält sie den Liebling froh, er wühlt
Sich über ihre Brust voll süßen Wahns, als hielt
Er schon mit Riesenkraft die Stärkere bezwungen,
Es freut die Mutter sich und fühlt
In ihres Sohnes Lust sich doppelt süß durchdrungen –:
[211]
So stand vor dir einst, große Here,
In sel'gen Anblick tief entzückt,
Die himmlisch lächelnd Cythere,
Da sie mit ihrem Zaubergürtel dich geschmückt
Zum Wunderbild für Erd' und Meere,
Zur Schönsten, die Olympus je erblickt!
Sie hängt an dich das Wonnesiegel
All' ihrer Reize, allen Glanz,
Und sieht in deine Schönheit wie im Spiegel
Nur eigner Schönheit Dasein ganz.
Es reicht Natur, o Künstler, willig dir
All' ihren Zauber, ihre seltne Zier
Gleich Waffen dar, sie selber zu besiegen.
Du ringst mit ihr; mit wonnevollen Zügen
Haucht sie im Kampf dir Mut und zahlt dafür
In deinem Jubel sich mit doppeltem Vergnügen.
Einem reisenden Maler in's StammbuchDie NaturKainAn NemesisAufschrift auf Amors KöcherInschrift auf einem TrinkgefäßSkolieTrinkliedDer StärkereDer schöne TagFreudenliedDithyrambeGesang auf die Geburt des BacchusDer seraphische DichterDer Ritt von dreißig MeilenShakespeareUnter Michelangelos BildnisAn den FrühlingRitterehreNachtgesangUlrich von CoßheimAn die MenschenverbessererHuldigung der TiereRudharts HaßAm Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

Einem reisenden Maler in's Stammbuch

Gehst hin in eine andre Welt –
Von Herzen Glück, wie's dir gefällt!
Verleih' dir Gott ein fröhlich Blut,
Zur Arbeit immer frischen Mut!
Wär' ich zur Stund' ein reicher Mann,
Ich böt dir was Geringes an;
Ob's gleich nur Quark – in dieser Welt
Im Glauben manchen noch erhält.
Da ich nichts Bessers geben kann,
Nimm dreierlei zum Frommen an:
Hab' wahrer Künstler Eigensinn,
Zu malen nur nach deinem Sinn.
Wie Gott dir Aug' und Herz gestellt,
Darnach betrachte deine Welt.
Nimm Rat und gute Meinung an,
Doch schau, wer Rat dir geben kann.
Ein Mancher meint's von Herzen recht,
Gibt's drum nicht minder dumm und schlecht.
Vor allem traue der Natur:
Bist Künstler nur auf ihrer Spur:
Denn ohne sie, was ist die Kunst?
Ein Kinderspiel – nur Müh und Dunst.
Der Spaziergang nach NeckarauEinem reisenden Maler in's StammbuchDie NaturKainAn NemesisAufschrift auf Amors KöcherInschrift auf einem TrinkgefäßSkolieTrinkliedDer StärkereDer schöne TagFreudenliedDithyrambeGesang auf die Geburt des BacchusDer seraphische DichterDer Ritt von dreißig MeilenShakespeareUnter Michelangelos BildnisAn den FrühlingRitterehreNachtgesangUlrich von CoßheimAn die MenschenverbessererHuldigung der TiereRudharts HaßAm Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[212] Der Spaziergang nach Neckarau

(Aus einer Zuschrift an Otto Freiherrn von Gemmingen.)


Wer doch dasitzen und sein Luftschlößchen gemächlich nach Herzensgefallen ausbauen kann! Es tut einem so wohl in der Seele, drängt einem oft ganze Stunden wie nach Schlaf, daß man sich's endlich nicht länger mehr erwehren kann, wenn Moment und Lage so recht die Phantasie dazu anreizt. Wir sollen und müssen eben oft hinaus, wenigstens mit unserem Herzen, in die Ferne. Es gehört mit zu unserm Wesen, wie die Bienen über Tal und Auen, die Schöpfung zu durchwandern, um tausend neue Schätze zu finden, wo die Liebe mit allmächtiger Rute anschlägt; nicht immer mit dem Gedanken an einem Herd zu hausen, wär's auch nur dann und wann Bewegung und Ausbruch der Glut zu geben, die, sonst auf uns verschlossen, unser Herz endlich ganz verzehrte. Fühlten wir doch oft süßen Drang, Teuerster, zum Schaffen; und mit welchem Entzücken legten wir Zauberstab und Bleimaß wieder hin und freueten uns der vollendeten Schöpfung, freueten uns der Erholung darnach, wenn die verschlossene Seele, durch Imagination geöffnet, so recht der Fülle entließ, wie nach segenreichem Gewitter, das in üppigem Umfangen die lechzende Natur wieder erquickt.

Neu gestärkt dann, Unsterblichen gleich, wir in Ihren Heldenwagen sprangen, gastfrei und bieder Sie, ein anderer Odysseus, den Zügel ergriffen, die zwei braunen, stolz wiehernden Halbgötter voranzujagen, die ihrer Kraft wegen mir so lieb sind.

Leben, du bist süß, wer dich als Mensch genießt, des angestammten Rechts fühlt, das alles unter der Sonne meiner Freude gegeben!

Dann gings immer voran im Sturm, am Wasser und Wald, Steg und Hecken jetzt vorüber, dem Flug erhitzter Jugendphantasie nach, die taumelnd sich stolzerer, hoffnungsvollerer Zukunft entgegenschwingt. Man glaubt dann schneller zu schweben hinein in die Welt.

Dann und dann, was fällt einem nicht alles ein! Erste Liebe, erste Freundschaft, erste Lieblingsideen, erstes Wonnegefühl an der Natur – dann spiegelt sich noch einmal alles vergangene Herrliche durch die Seele zurück und paart sich mit den Hoffnungen der Zukunft. Die erzeugten Kinder sind schwärmerische Träume, die Herz und Seele eine Zeit lang in wollüstigen Schlummer wiegen ....

[213] Jetzt leben Sie wohl, und verzeihen Sie mir diese Plauderei. Ich hoffe, unsern vortrefflichen von Dalberg diesen Mittag in Ihrer Halle zu treffen.

Wie wäre es, wenn wir gegen Abend durch Neckarau am Rhein hinpilgerten – so in Ihrer und unseres Ossians Gesellschaft, köstlich! Wir ließen so die Sonne vor uns hinter's Rheingebirge hinabsteigen, seh'n den Mond dann die silberne Flut hinaufwandeln, uns in die Zeiten der Helden zurückzuwinken.

Aber da müßten Sie mir auch versprechen, nicht mit einem Wörtchen zu gedenken, daß es heutzutage noch Leutchen gäbe, die ihr buntes Pfeifengequäck dem blitzerhellten Nachtgesange des blinden Königs der Lieder anzuflicken suchen. Sonst bin ich auf einmal für alles verdorben.

An OssianDer Spaziergang nach NeckarauEinem reisenden Maler in's StammbuchDie NaturKainAn NemesisAufschrift auf Amors KöcherInschrift auf einem TrinkgefäßSkolieTrinkliedDer StärkereDer schöne TagFreudenliedDithyrambeGesang auf die Geburt des BacchusDer seraphische DichterDer Ritt von dreißig MeilenShakespeareUnter Michelangelos BildnisAn den FrühlingRitterehreNachtgesangUlrich von CoßheimAn die MenschenverbessererHuldigung der TiereRudharts HaßAm Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

An Ossian

Dich sah ich, Ossian,
König der Gesänge!
Um dich her die gewaltigen
Söhne des Kriegs,
Die du der Ewigkeit geweiht.
Auch Everralina,
Auch das zartlockige Fräulein
Steht neben dir,
Mischt Tränen in den Tod deines Oskar.
Sanft wie der Abendtau
Sich in die goldnen Strahlen
Der sinkenden Sonne herabträgt,
Träufeln deine Seufzer
In meinen Busen.
Und mit gebogener Lanze
Steht dein Fingal,
Um ihn Nebel der Mitternacht,
Unter seinen Füßen der Mondwolke Glanz.
Heidelberger StrophenAn OssianDer Spaziergang nach NeckarauEinem reisenden Maler in's StammbuchDie NaturKainAn NemesisAufschrift auf Amors KöcherInschrift auf einem TrinkgefäßSkolieTrinkliedDer StärkereDer schöne TagFreudenliedDithyrambeGesang auf die Geburt des BacchusDer seraphische DichterDer Ritt von dreißig MeilenShakespeareUnter Michelangelos BildnisAn den FrühlingRitterehreNachtgesangUlrich von CoßheimAn die MenschenverbessererHuldigung der TiereRudharts HaßAm Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[214] Heidelberger Strophen
1.

Die Nacht ist klar und heiter,
Der Himmel sternenhell,
Kein Lüftchen schlägt an Kräuter,
Nur rauscht des Neckars Well'.
Zum heil'gen Berge steiget
Der Mond herab mit Lust,
So rund und weiß, er gleichet
Des schönsten Fräuleins Brust.
Da klingt an ihren Köcher
Die schwere Mitternacht,
Das Licht stirbt der Gemächer
Und auf der Burg der Wacht.
Da taumelt neu geboren
Die Dämm'rung aus dem Hain –
Was schlägt zu meinen Ohren?
Was weinet hier allein?
O Mädchen hier am Steine,
Was weinst Du? Sag' es mir!
Starb Deine Mutter? Deine
Vertraute, starb sie Dir?
»Die Mutter nicht, auch keine
Gespielin schied in's Grab.
Von mir schied nur der Eine,
Den ich geliebet hab'.«

2.

Oed' liegt die weite Schöpfung
Vor ihr. Der Seele Weh
Beklemmt die Brust – sie stöhnet.
So stöhnt das zarte Reh,
Das von dem hohen Ufer,
Woran es sicher sprang,
Hinunter stürzt in Fluten.
Des Stromes rascher Gang
Reißt's fort! die Hügel fliehen,
Wo es sonst weidend ging,
Der Busch, in dem es zärtlich
An Mutterbrüsten hing.
Verloren, hülflos schwebt es
Vor Schrecken stumm und taub
Im nassen Grab. – So wird sie
Jetzt der Verzweiflung Raub.

3.

Faßt auf das letzte Tränlein,
Das ihr im Auge blinkt,
Und tragt's zum Stern der Liebe,
Der tief in Trauer sinkt!
Ach, tausend Herzen fühlten
Des Schicksals herben Streich,
Verletzter Schwüre Opfer
Vielleicht Dir Holden gleich.
Doch keine naht an Reinheit,
An Zärtlichkeit und Huld
Dir Muster hoher Treue
In Sanftmut und Geduld.
Nie soll Dein Ruhm veralten!
Mit jedem neuen Lauf
Der Jahre blühe künftig
Dein Name schöner auf.
Bei Deiner Klage schlage
Das Herz der zarten Braut,
Des Mädchens banger Busen
In heißer Wehmut taut.
Dir winde Kränze künftig
Des besten Jünglings Hand,
Der Gatte mit der Gattin,
Geknüpft an's holde Band
Der Treue, streue Blumen
Der sanften Trauer Dir!
O gerne weilt' ich immer
Mit reichen Klagen hier
In süßem Wehmutswechsel
Mit Dir, geliebtes Bild!
Des Mitleids holde Seele,
Die meine Töne mild
Mit leisem Ach begleitet –
O, teurer mir als Gold!
Die Rührung schöner Seelen
Ist edler Sänger Sold.
KreuznachHeidelberger StrophenAn OssianDer Spaziergang nach NeckarauEinem reisenden Maler in's StammbuchDie NaturKainAn NemesisAufschrift auf Amors KöcherInschrift auf einem TrinkgefäßSkolieTrinkliedDer StärkereDer schöne TagFreudenliedDithyrambeGesang auf die Geburt des BacchusDer seraphische DichterDer Ritt von dreißig MeilenShakespeareUnter Michelangelos BildnisAn den FrühlingRitterehreNachtgesangUlrich von CoßheimAn die MenschenverbessererHuldigung der TiereRudharts HaßAm Eingange des TalesNach Hahns AbschiedAmynt an Mirons GrabMorgendämmerungAchilles LiedAuf die Leier des OrpheusDer Jüngling und der WaffenhändlerRatAuf Moses Mendelssohns TodAuf Lessings TodGeniusAn die LiebesgötterTrinklied deutscher Künstler in RomBacchidon und MilonDer Wirt und die GästeJägerliedAn den SpatzenAn TheoneDie KönigswahlDie drei AugenDie heilige FamilieAn Schubart im Kerker auf HohenasbergDas braune FräuleinKlopstockDer FelskönigDas verlorne LämmchenVorschriftJägers AbschiedStrombachs LiedAdams Erwachen im ParadieseEingang in die ErzählungLob GottesAdams erstes Erwachen und erste selige NächteBarden-OdeDer Räfer und der SchmetterlingEine kleine QuelleGebetDer MalerÜber den BritenDer BriteDer FaunDie ZeugenSerenadeDas Heidelberger SchloßSoldatenabschiedGedichteMüller, Friedrich (Maler Müller)Gedichte

[215] Kreuznach

Hymne.


O daß ich so lange von dir geschwiegen, du meine geliebte, teure Vaterstadt! Wo ich geboren ward, zuerst das Leben, des Seins erstes Gefühl einsog! Wie herrlich schwebst du mir Flüchtling immer noch vor der Seele, rufst oft mich zurück aus dem Gedränge lärmender Welt; verfolgst liebreich mich bis an die prachtvollen Mahle, bis in die Prunkzimmer der Großen, wirst freundlich mein Tröster in öden, selbst peinigenden Stunden, wo das Herz lech wird, alle Freude, alle Liebe zum Leben versiegt. Da träufelst du Balsam der Wunde, gießest neue Wonne, neues Leben in mein zerschlagnes Gebein, gewährest meinem Herzen neue Freuden. Wenn seh' ich dich wieder, Teure? Teure! Nicht flüchtig wie das gejagte Reh über die Blumenauen, nein, tagelang dich zu genießen, dich wieder zu schauen, zu hangen an dir! O liebe, o süße Erinnerung! Gefühl genossener Freuden! Du trägst oft die Jugend, auf Flügeln der Engel trägst du sie mir wieder herab. Mir geh'n von neuem an die Tage der Kindheit, des Lebens güldene Tore öffnen sich wieder, die Sonne steigt neu empor. Da gaukeln sie herauf noch einmal im Schimmer des Morgens, die jugendlichen Stunden, mit ihnen alle die Zauberphantasieen, alle, alle Melodieen, alle süßen, seligen Träume, fassen an mein Herz, hinüberzückend in jene schönen, grünen Fluren, durch die spielende Bäche sich schlängeln, hinüber, wo die Felsen stehen an den Wassern, auf deren rauhen Schultern Weinreben grünen, wo der bemooste Kauzenberg grauköpfig in die Nah herab liegt, im Wellenspiegel sich altern sieht. Ja, du bist's, bist's, schöne, vortreffliche Gegend, du Kummer verjagen, Freude dem Herzen bringen kannst. Doch sanfter das Leben fließet in dir, doch milder der Himmel sich wölbet über dir, freundlicher schweben die Jahre, die Wolken, sie leuchten und fahren sanfter, wenn sie spielend der Wind hinträgt an deinen Gebirgen. Ihr Pappeln! Erlen! Weiden der grünbewachs'nen Ufer des lieblichsten Stromes, in deren Schatten ich zuerst in Jugendinbrunst hing, sich zuerst mein Herz aufschloß dem Dranggefühl allmächtiger Natur; Spielplätze, ihr blumenreichen Anger, wo Jugend so oft sich gepaart, wo wir zuerst der Knaben männliche Spiele begannen, dort mit Ringen und Laufen, mit dem Bogen und der Schleuder, wo wir uns selbst zum Menschen entwickelt in ausgelassener, freier Liebe, unzertreten, noch unangefressen vom Krebs üppiger Vorurteile, [216] sklavischer Zurückhaltung, im eignen schönen, gottgefälligen Flore blühten, unverstellt uns fanden in Liebe und Haß, einander Freundschaft schwuren, Teilnehmung an Kummer und Freuden, ja mit verwegner Verachtung aller Gefahr, ja mit Wunden des Helden oft gleich bestätigten, was so treue Lippen gelobt, öfters aber in lauterer Unschuld, in freier, unbefangener Selbstüberlassung hier so selige, selige Stunden durchlebet, die kein König mit aller Macht und Reichtum sich noch einmal erwerben kann.

Ja, vorzüglich vom Himmel geliebet du bist, schöne Vaterstadt, gesegnet vor tausend anderen Städten! Freude und Überfluß wohnen bei dir; du bist auf Liebe gegründet. Der Bauherr, der den ersten Eckstein zu deinem Tore gelegt, war ein Günstling des Himmels. Ihn jagte nicht Vaterfluch, ihn drückte nicht Witwenunrecht, und Waisentränen verfolgten ihn nicht. Denn geöffnet von Gott ihm war das Auge, zu schauen der Lieblichkeit Heimat, zu ruhen am Herzen der Schönheit.

Vorzüglich geliebt vom Himmel du bist, schöne Vaterstadt! Verrat nicht befleckt deine Mauern, Treue und Redlichkeit sitzen dir zur Seite; du lehnst dich lächelnd über sie hin und aus deinen ernährenden Brüsten springen weiße Ströme auf deine Kinder herab. Fremde dich ehren, deine Söhne tragen dich in Gedanken, wo du sie auch hinsendest über Land und Meer. Ach warum diese Sonderung von dir? Könnt' ich nicht sitzen, trinken das süße Licht der Sonne da, wo es zum erstenmale meine Blicke begrüßt? Hören den sanften Gang deines dich teilenden Stromes, dessen süß Geschwätz zum erstenmale mein kindlich Ohr erquickt? Ach die Bestimmung des Lebens, die alles verändert, hinzieht den Abendländer zum Morgen, Väter von ihren Kindern treibet und Kinder aus den Armen ihrer Mütter losreißt, hält auch mich, deinen Sohn, noch in schwerer Pilgrimschaft weg. Liebe zwar ist mein Geleitsmann, wie der Stern vor dem Schiffer dahin geht; ihm nach schaut er über die Wellen, nach seinem Schimmer sichere Bahn suchend. Er kehrt in Gedanken oft heim zu seiner Wohnung, sitzt beim Weibe im Schimmer seiner nächtlichen Lampe, hört sich von seinen Kindern rufen und freut sich über sie und zeigt den erworbenen Reichtum. Das erquickt ihn, gibt im Sturme jetzt Mut; weniger er achtet der Winde Pfeifen, sichrer er läuft die gefahrvolle Bahn. So in Gedanken kehr' ich oft heim, bringe den Reichtum des Schiffers mit mir. Wenn wird's werden! Wie einen sanfte Winde anwehen, wie ein klarer Abendhimmel nach stürmendem Tage, wie die Sonne sich durch Gewitterwolken hervordrängt, wonniglich dem schauernden Wandrer, schwebt die Zukunft vor mir. Ich sehe mich selbst heimwandern, dir entgegen ziehen, teure Vaterstadt, sehe auf mich zueilen meine Geliebten, meine Teure!

Ach meine Mutter, die mich so zärtlich liebet, ihr meine getreuen Geschwister, die ihr so sehnlich nach mir fraget: wo ist er, teure [217] Mutter, wo ist er, der Bruder, den wir lieben, wir haben doch lange keine Kundschaft! O er vergißt uns wohl gar! Sie singen ein Morgenlied. Indessen sitzest du, Teuerste, nachdenkend (stille Tränen rinnen von mütterlichen Wangen herab) ähnlich dem Vogel, der im ersten Ausfluge seine Jungen verloren. Lange sitzt er in der Dämmerung auf dem äußersten Ästchen (alle Vögel schlummern bereits) und gurgelt mit schmachtendem Gesange seine Lieben zurücke: so hör' ich oft durch die alles bedeckende Nacht deine Stimme zu mir her: warum mit so viel Schmerzen, mit so viel Liebe Kinder erziehen, daß sie so alles auf einmal wieder vergessen! Nein, Teuere, Teuerste! Nein! ich habe dich nie vergessen, mit ew'gen Zügen steht alle deine Liebe, alle deine Sorgfalt unauslöschlich in meinem Herzen. O des stürmischen Lebens, der jugendlichen Hitze, der Torheit eines zu feurigen Blutes, das alles mit fortreißt so wider Willen, oft wider besseres Gefühl! Hab' ich doch oft dein gedacht, Mutter, wenn der Mond aufging über die stille Erde, ich melancholisch allein saß in meinem Zimmer, ähnlich dem Klausner; oder wenn ich draußen herumschweifte, schmerzbedrängt und tränensatt nicht Bleibens mehr fand, nicht Ruhe, ähnlich dem Fremdling am Tore, der da stehet und spähet, unter welcher Traufe er übernachten will – dein Bild mich wieder entbrannt', die mächtige Flamme der Tugend anblies, die in meinem Herzen oft zum kalten Fünklein erlosch! Süße Herzensmutter, dein vergessen nicht kann! Wo ich auch geh' und stehe, bist du bei mir. Mir immer gegenwärtig. Müßt' doch ein ander Herz in meinem Busen schlagen, nicht entsprungen aus deinem Blute, dich zu vergessen, du Allgetreue, die du mich inniger, höher liebst, als Mütter sonst Söhne lieben.

Wer blickt dort zum Osten her? Ihre Augen schmelzen in Sehnsucht. Sie ist's, ist's! Ihre Haare zerstreut der Wind, sie fahren um die Schultern und winken herüber zu mir, Liebe trägt sie entgegen auf ihren Händen, auf ihren Busen brennt ein sanftes Mutterherz.

Fünf Schwestern stehen, sie strecken schon in der Ferne die Arme zum sehnlichen Umfangen aus, ihre Blicke rufen: komm' bald, ach komm'! Ja ich komme, komme, meine Teure! Schon bin ich auf der Fahrt, bringe mit mir den Edeln, den Helvetiens rauhe Gebirge erzogen. Felsensinn! Die Ader seines Herzens schlägt heiß, ein starker Geist leitet ihn. Aber verschwunden das liebliche Gesicht! Sehnsucht hat es gebildet, verschwunden, ähnlich dem Gesange im Maien. Wohltätige Geister steigen, Wachstum erregend, jetzt aus dem Herzen der Erde hervor, sie bekränzen wieder die Anger und Wiesen, bekrönen die Gipfel der Haine mit lieblicherm Grün, schweben über schmucke Fluren, silbergießende Quellen in liebvoller Arbeit einher. Ihre Freude der Frühlingswind auffängt, trägt sie die Haide herauf; lieblich in die Ohren klingend vernimmt's der Schäfer am Gießbach und wähnet der Blumenfreundin [218] Stimme zu hören. In süßer Ahnung treibt er die Heerde vor den Hügel hinunter, bis hinter Bäumen her ein gedämpftes Lachen, ähnlich dem Geschnatter der Enten am Teiche, ihn weckt und verrät, daß er betrogen sei. Und wir ritten schneller, mein Bruder, der teure Spürer! und ich. Nachtnebel lag auf unsern Pferden. Jetzt hielten wir vor der Türe. Macht auf drinnen, laßt uns hinein! Spät in der Nacht, wer ruft draußen? Wir schlummern alle, vorgeschoben der Riegel, abgedrückt das Schloß der Türe. Nun stiegen wir ab. Ich schlug meinen Mantel auseinander. Dein Engel nannte dir meinen Namen; da erkanntest du mich vom Fenster herab, da ging dein mütterliches Herz über in Freuden, da riegeltest du mir auf, schloßest mich in deine zärtlichen Arme. Woher so spät, mein Sohn, mein Teurer, den ich lange, lange nicht an meinem klopfenden Herzen hielt? Wie hast gelebt seither? Wie bist doch stark worden! Mehr konntest du nicht sagen. Viele Tränen brachen aus deinen lieben Augen hervor. Jetzt branntest du Licht an, wecktest geschäftig meine Schwestern. Auf, Kinder, Kinder auf, euer Bruder ist da, ihn zu empfangen! Da treten sie alle hervor, Jede Bruderkusses wert, Jede mein Stolz, im Gehorsam ihrer Mutter, in der Tugend ihres Herzens. Was liegt mir an schielenden Gesichtern, die meine Liebe schelten, meine Reinheit mit Witz besudeln wollen? Weh' dem, der nicht Freude hat, vor aller Welt zu rufen, dies sind die Meinen! Her, ihr Getreuen, ihr Geliebten, in meine Arme! Weh' dem, der nicht stolz auf die Seinigen sein darf! Führet ein in eure Wohnung den Edeln, der mich in dieser Liebesfahrt geleitet, führet ihn in die schönste Kammer. Und meiner Jüngsten reicht er die deutsche Biederhand, sie ließ schamhaft die ihrige hineinfallen: noch niemals hat schöner Tugend die Unschuld begrüßt.

Ach Mutter, wie selig fliehen die Stunden vor deinen Augen! Siehst du, Teuerste, dort, ja dort wird mir das Glück hold sein. Zwar wunderbar dreht es das Rad, den gaukelnden Jüngling zu äffen, baut es oft Wunderschlösser, den wandelnden Wolken ähnlich. Jetzt schwebt er nahe den Inseln der Freuden, der Sich're, sieht schon niederhängen selige Gärten, die ihn zu empfangen sich öffnen, wagt schon den gierigen Sprung zum Ufer hin, als schnell ein ungesehner Sturm ihn wegschleudert, ungeheuer ferne den Wonnegefilden, an unwirtbare Klippen, unter brüllendem Himmel, dort gebadet im Sand mit morschen Gebeinen Hingeopferter, denen auch im Tode des Meeres Welle nicht die Ruhe läßt. O! – Doch sollte das Glück mir einmal lächeln, komm' ich einst zu dir zurück am Mittage meines Lebens, will ich an jenem Hügel dort eine Hütte dir erbauen. Da hinein will ich flüchten zu dir, Mutter, wenn Donner sich auftürmen über meinem Haupte, Seligkeit genießen vor deinen Augen in sicherer Liebe. Hier wollt' ich nachstammeln der Natur, mit meinem Griffel aufs Tuch hintragen, soviel Gott Auffassungskraft meinen Nerven vertraut. Am Abend [219] gingen wir über die Felder, der Bäume zu pflegen, meinem Claudius ähnlich, der die Ziege weidet, die seine Kinder ernährt. Schon seh' ich das Gewimmel meiner Geschwister, wie sie sich um dich her bemühen, dir ein Lächeln abzugewinnen mit diesem oder jenem. Du aber, ein schwanenweißes Mütterchen, machtest mir die Nächte herrlich bei vertraulicher Ampel mit Abschilderung meines stattlichen, mir zu früh entrissenen Vaters. Wollen wir denn leben unter uns, lieben die Wenigen, die's wert sind, daß man das Herz an sie teilt, ihretwegen erduldet schweren Drang der Liebe, nur immer dir würdiger zu werden, Teure, würdiger zu werden meiner Vaterstadt. O eine Wonne, würde man sagen können auf meinem Grabe: Seine Vaterstadt geliebt hat der, wie wenige liebten, geliebt seine Mutter, wie Wenige Mütter lieben.

Kreuznach! Geburtsort! Wie selig du bist! Dir nach sich hebt im Fluge meine Seele, ich seh dich, vor mir du stehest jetzt in deiner Feste! Deine bewachsenen Türme, verfallne Mauern steigen neu vor mir empor. Ich hör' das Rauschen deines dich teilenden Stroms, das Wehen deiner Winde vom Berge herüber. O süße Luft! Ah! Wolkenstürmer: Kühner Rheingrafenstein! Ihr Wellen der Nah! Gesänge des Hartwaldes!

Kreuznach! Kreuznach! Deinen edelsten Sohn will ich besingen. Schließ' dich auf, Grotte der Vorzeit, Heldengesang hervor! geharnischt im Stahle, daß männlich ertöne meine Seele im Lobe des Starken. Kreuznach! Kreuznach! Höre mein Lied! Schweigt, Söhne niedrer Vergessenheit, die Stimme des Helden ertönt!

»Mainz! Mainz! Wo nun dein Recht? Heran ziehst du mit Roß und Mann, denkst, Knaben wir wären, leicht im Spiel zu überlisten. Unschuldig Blut über dein Haupt, Bischof! Was reißest du Sponheims Erbe an dich? Schloß Böckelheim gehört meinem Herrn. Zurück, Werner, steck's Schwert ein, reit' heim in Frieden.« So Michel Mort, Sponheims treuster Waffenknecht; das beteuerten hoch Leiningen und Vehingen, zwei edel verbundene Grafen. Das rote Schwert hielten sie empor, schwuren auf Gott und Ehre: »Wir lassen nicht ab von Sponheims Recht!« Antwort ihnen ward herüber aus dem Schlachtgetümmel: »Verwegene! Unschuldig Blut über euch! Hab' mein Recht erkauft, zugewogen Sponheims Bruder so viel Silber; Schloß Böckelheim ist mein.« Jetzt von neuem Schlacht auf Genzingens Grund, gekämpft für Sponheims Recht. »Brüder, wenn's Fleisch am Griff hängen bleibt, die Finger brechen, die Faust erstarrt an der Lanze: Gekämpft, Brüder, für Sponheims Recht!« Und nun Reiter auf Reiter gewaltig zusammen! Männer zu Fuß in braunem Staubwirbel auf einander los! Speer und Schwertgeklirr hoch! Säbelhiebe pfeifen durch die gespaltne Luft, herabrasselnd auf Panzer und Tartsche! Geknirsch Getroffener, Niedergehauener, dem Tode sich Entgegenwälzender, von Pferden Zertretener! Der Nahstrom erscholl im [220] dumpfen Gebrüll des Todes: »Ihr Mainzer! Ihr Mainzer! Denkt Ihr, wir seind gekommen zu streiten mit Glas und Römer? Ihr Mainzer! Wunden und Tod ist unser Gelag, mit Speer und Schwert tun wir Männern Bescheid.« Sa! Sa! Einbrechend jetzt Hans Sponheim mit seinen Reitern. Er voran im Blitz, wie Hunde, gehetzt vom Jagdruf, den Bären durch's Dickicht verfolgen; sie fallen am Hangwald hinunter; hau! hau! erhallet der hohe Forst! Wie Stiere eifersüchtig auf einander rennen und Horn an Horn zerschlagen, wie Sturm den Wald beugt und Wipfel an Wipfel zersplittert; wie Wogen in Wogen zerscheitern, im Donner sich Blitze durchkreuzen; schnaubt gewaltig jetzt Pferd an Pferd, hängt Mann an Mann, Arm an Arm jetzt, Schwert an Schwert, geflochten an einander im Verderben wie ein großer Knoten.

Blut strömt über die durstige Erde. Barmherziger Gott! Laßt ab, Mainzer! Pfälzer, laßt ab! Gerechtigkeit allein siege! Erbittert, todlechzend, hört ihr nicht, wütet fort. Mordsucht schüttelt grimmig lächelnd über Leichen die blasse Fahne und spritzt warmes Blut der Erschlagenen hinauf. Kein Schonen! Kein Erbarmen mehr! O Sponheim! Sponheim! Zieh dich zurück! Hörst du den Trompetenstoß, des nahen Verderbens Zeugen? Hervorbricht's durchs Gebüsch aus dem Hinterhalt; schwarze Scharen zertreten die Saatfelder von Sprendlingen her. Sie umringen dich jetzt! Stehen zu zwanzigen gegen einen! Verloren du bist, fliehe, fliehe! – Umsonst warnender Zuruf. Sie sehen die Fluten heranschwellen, hören der Wogen finster Gebraus, freuen sich wachsender Gefahr. Tiefer sie jetzo herandringen, ins Herz der Schlacht hinein; ihre Seelen sind kampfdürstend und stark wie Eisen.

Michel Mort, wo find' ich dich jetzt im Getümmel, du Kreuznachs Zögling? Im dichtesten Gemenge voran, wo Schwerter triefen, will ich dich suchen – fester Mut! Unerschütterte Treue! Heldenstolz! Dein Busen, wie pocht er so hoch voll edlem Zorn, wie brennen deine Blicke, wie spannet alle deine Nerven Heldenbewegung. Dein Schwert wie verzehrend! Siehst du das Zucken des Todes jetzt, das Brechen der Augen, Sanftmütiger! Leichtversöhner! Ganz Flamme Gottes, nur im Verzehren wachsend! Ha wie anders hier als damals, wie du mit Kreuznachs trefflichsten Jünglingen hinaufrittest, die schöne Braut heimzuholen, die im Reiterspiel dein edler Herr gewann. Daheim sitzt die edle Gräfin, schaut lange am Erker nach Siegesboten; heimliche Angst verzehret ihr Herz. Dir empfahl sie ihren Trauten beim Abzug, band dein Leben an sein Leben! Michel, habt acht auf meinen Herrn! Du versprachst, Michel, bei deinem Leben versprachst du, wirst's nun halten? Horch, was Bischof Werner schwört: »Nehmen wir Graf Hans gefangen, verschmachten der soll im dunkelsten Turme, erblinden und hungern! Kein Lösegeld mach' ihn mehr frei.« Oho! Kein Lösegeld! Gilt Lösegeld mit dem Schwert allein! Michel Mort, erinnre dich deines Schwurs!

[221] Einbricht er jetzt von neuem, seinen Grafen zu entsetzen; ein Wolf dringt in unbehüteten Pferch so. Der Hirt ist geflohen weit, zerrissen der Hund, er bölßt die Herde auseinander, würgt und würgt über die Haide mit heißer Wut, am Felsquell hinab sieht man seine blutige Spur. Jetzt steht er, keucht von sich die Wolle, säubert nur von Haaren die Zähne. Sein Ruhen ist gefährlicheres Beginnen, das Herströmen seiner Blicke reizet den Tod: Also hält Michel an seinem Schwert, aufschnaufend aus blutiger Arbeit, zu seinem Herrn, treibt er die dichten Scharen auseinander, über Leichen und Verwundete hin. Die Starken weichen vor ihm zurücke, die Getreuen sammeln sich wieder und fassen hinter ihm Mut.

Singst ihm gern, dem Wackern, singst ihm gern, Lied! sprichst Hohn dem, der nur Hoheit singen will. Graf und Fürst und König und Kaiser möcht' ich nicht singen, wären sie tugendlos – könnte sie nicht lieben, wollte lieber des braven Waffenknechts Sänger sein, nicht um des Beutels Gewicht dem Gecken züngeln und meine Seele zum Prunkkleid an Narren vertrödeln. Den Braven lieb' ich und sing' ihm auch gern.

Hoch in den Mittag dauert schon die Schlacht. Durch zerrissene Wolken schießt jetzt die Sonne ihre Strahlen. Viel brave, mutige Männer liegen schon zur Erde und Ritter mit ihren Waffen und Pferden im Staube über Genzingens Blachfeld hingestreut. Jetzt dringen die Mainzer übermächtig heran (ihre Zahl wie des Stromes Wellen, wenn über ihn beim trüben Mondlicht ein kühler Südwind donnerverkündigend hinläuft), zwingen Leiningen und Vehingen völlig zum Weichen. Jetzt aneinander im Strauß und Gebrüll, blanker Stahl rot blinkend wie Feuer in der Sonne. Wie Flammen die Städte von Grund aus verzehren, sich im Verderben mehren und knatternd sich rundum verteilen, dringen die Mainzer von allen Ecken heran. Werner in seiner Stärke vor ihnen her, schnaubend, einem Keuler ähnlich, der aus dem Walde sich von seinen Borgen verlaufen. Ihn sieht der friedliche Säemann, die Erde zerwühlend, kommen, beweint voraus seiner Arbeit sauren Schweiß, wie des Frühlings Hoffnung darniederliegt; er sieht's trostlos und wagt den Stärkeren nicht zu treiben, vielmehr springt er auf die Seite, wenn wild der Zerstörer vorüberschießt und zittert hinter verbergenden Bäumen um sein eignes Leben. Jetzt hilft nicht Bruder dem Bruder mehr, Freund dem Freund nicht; alle fliehen, jeder auf eigne Rettung besorgt. Voran, voran, ihr Mainzer! Wir treiben sie zu Paaren. He! Wie sie fliehen, die Feigen! Gefangen, Gefangen! Wir haben Hans Sponheim im Garn! He! Liebchen, dein Tisch gedeckt! Bereite dein Lager! Einen Spiegel, eine Kette, eine Laute, einen Dolch! Voran bei allen Heiligen, es gilt! Jetzt ganz eingeschlossen! Dreimal hieb sich Hans Sponheim durch – nun zum viertenmal umringt! Zerbrochenen Speer läßt er jetzt fallen, losreißend die Streitaxt vom [222] Gürtel, heruntergehauen vom Pferd fünfmal fünf Helme, fünf Schädel gespalten! Jetzt Werners Schwert mit einem Hieb in Stücken, am Panzerkragen ihn fortreißend, mit ihm durch die Feinde setzend, davon, weit davon! Atemlos Werner, kann nicht Dolch, nicht Schwert mehr erhaschen, nicht schreien, schlägt wütend mit wehrlosen Fäusten umher. Keuler, gelt, ein rüstiger Dogg' hängt jetzt an dir, schüttelt dich mannhaft am Ohr? Warum verließest du deinen Forst, machtest weinen den friedlichen Sämann! Umsonst du dein Feuer verschießest, zwei scharfe Zähne fletschst, Gras und Stauden zerschlägst; der Kühne hält fest, bis Jäger mit Netz und Eisen kommen, dich zu fangen. Sponheim hält seinen Mann gewiß. Schon ist er ferne mit ihm, seines Rosses Zügel in der Faust – vollbracht nun das Heldenstück, im Angesicht der Feinde vollbracht! O Donner! Da rannt' ein Fähnrich auf der Flucht dem Edlen sein Fähnlein durch die Lenden; ein Flitschpfeil fuhr seinem Roß durch's Aug' – er prasselt gewaltig zusammen, wie ein Turm im Fallen alles niederschlägt, zieht er den Bischof unter sich zur Erde: Sterben du sollst mit mir! Nicht sitzen in deinem Turm! Nicht erblinden, nicht verhungern, Heiliger! Alle Teufel mit dir! – Ihn fest an der Kehle fassend – ein Adler hält so seinen Raub – erdrosselt er den Bischof im Sand. Zwanzig Ritter stürzen zugleich über den Grafen her, reißen ihn weg, binden Arm' und Füße. Jubelgeschrei ertönt, die Berge erhallen: Gefangen der Graf, gewonnen die Schlacht! Ha! Mort! Was zögerst du? Mißt du Ringaus Mut an deinem Schwert ab, indessen der Edle fällt! Laß Hochheims gute Weinpflanzer leben, schau' um dich, Graf Hans gefangen in der Schlacht! Zu Boden! Feinde über ihn! wie Geier auf einen gestürzten Hirsch gehen. Er fiel im Sprung tief die Klippen herunter, hängt mit den Hörnern im Geniste hoch über der Erde, das Blut träufelt aus Mund und Nase herab in des Wasserfalls weißen Schaum. Mort! Mort! sie schleifen, zerreißen des Grafen Rüstung, ziehen seine teuren Hände an Riemen nach der Erde, des Bischofs Leibroß verwickelt den stolzen Huf in sein schönes krauses Haar! Jetzt hilf oder niemals! Oder er muß fort, am Pferdeschweif gebunden, erblinden, verhungern im dunkelsten Turme! Michel Mort schaut jetzt umher im Schlachtgetümmel. Graf Hans zur Erde? Alles geflohen? Umringt wir hier? Hilf Gott! Brüder, mir nach! Ein Schrei, ein Sprung, ein Schlag! Alle fünf rüstigen Männer aus Kreuznach hinter ihm – kein Widerstand, keine Gegenwehr. Umsonst! Dem Kühnen, dem Starken, widerstehet nichts. Hier, dort im Hui Hieb und Stoß zugleich! Da fallen um ihn her, von Todes-Sichel Getroffene, da überrennen die Verwundeten im Schrecken einander. Bischoff Werner erblaßt, läßt die Beine des blutenden Grafen fahren. Mort setzt nach, Entsetzen überfällt die Starken bei der gewaltigen Übermacht des einen. Brüder! Brüder! Jetzt voran! Haltet eure Schwerter vor! Haben wir erst den ermatteten Grafen gerettet, dann laßt [223] uns zurückziehen. Ihn losschneiden, auf meinen Schultern davon tragen will ich. Jetzt schneidet er die Riemen entzwei, ziehet dem Grafen das Fähnlein aus der Seite. Mit starken Armen umfaßt er ihn, legt den Schwergerüsteten so auf seine vermögende Schulter und eilet rüstig voran. Die getreuen Gefährten werden, ihn beschützend, niedergestochen mit Speeren. Sie starben alle den Tod, die Helden, aus Liebe zu ihrem Herrn.

Erreich' ich nur die Ufer der Nah, vielleicht find' ich einen Kahn da, wo ich hinein springe mit meinem Herrn, hinübersetze jenseits an Bretzenheim vorbei, oder begegneten mir nur einige der unsrigen auf dem Felde, daß sie ihn auf ihre schnellen Pferde legten und mit ihm davon flöhen – gerne wollt' ich hier aushalten und den Tod mir erstreiten. Nur er! Er! Wenn doch er nur gerettet wäre! Also Michel Mort heimlich auf seiner Flucht. Hinter sich vernehmend das Rasseln der Nachsetzenden – Pfeile und Lanzen fielen neben ihn in den Sand – des Bischofs grimmige Stimme, seines Rosses Hufschlag in die Erde, das Zischen der Schwerter am Nacken: läuft er ängstlich besorgt, mit Blut seines getreuen Herrn bedeckt. Ein frommes Pferd trägt seinen Herrn durch hohe Fluten also; stark durchschneidet's die Wogen. Liebe zu seinem Herrn verdoppelt seine Kraft; weit ist's bereit's durch, aber das steile Ufer jenseits schreckt es zurück, vor Angst und Zagen taucht sich's in die Fluten und wiehert zum Himmel: so Michel Mort. Ihn umringen die Feinde zu allen Seiten, keine Ausflucht, keine Rettung für sein großes Herz! Wälder stehen ihm von allen Seiten entgegen. Jetzt hebt er seine Augen zum Himmel. Ach heiliger Gott! Ihr Wolken! Ziehet meinen besten Herrn davon! Brüder! Brüder! Hat denn alles uns verlassen? Ist alles geflohen? Jetzt rinnt ihm Angstschweiß von allen Gliedern; er läuft, seelenbange läuft er unter der Last, zitternd die Kniee, die Lippen blutend, einer Hündin ähnlich, die ihr Junges in den Zähnen trägt: überall begegnen ihr gefräßige Tiere, die beutelechzende Rachen aufsperren und die Angstvolle verfolgen. Nicht zu retten, zu schützen weiß sie jetzt. Schreiend sitzt sie am Stein, hält hinter sich ihr liebes Junges verborgen und läuft jetzt selbst dem Würger in die Zähne. So klopft schwer und bang, wie die Schmerzen des Todes, Morts eiserner Busen. Dicke Angsttropfen fallen ihm aus den starrenden Augen. Entsetzlich schreit er abermals nach Hilfe: Verlaßt doch euern Herrn nicht in Not und Tod! Leiningen! Vehingen! Hört, daß Gott im Himmel euch höre! Sie hören's nicht, ferne ihr Ohr. An Bosenheims Seite sammelt Leiningen zum erstenmal die flüchtigen Reiter auf: Harret Freunde, laßt sehen, wo Sponheim, wo Vehingen bleibt. Sie traten zurücke, halten an einem Baum im Felde, von da sie die ganze Gegend beschauen. Zu ihnen stoßen Flüchtige zu Roß und zu Fuß.

Aber Mort läßt jetzt seinen Herrn von der Schulter herunter. Nicht weit steht ein Sandhügel, oben darauf ruhen zu Zeiten die [224] Schäfer mit ihren Frühlingslämmern, unten aber holen sich reinliche Wirtinnen in weißen Zubern den Sand nach Hause. Da liegen große Steine hin und wieder zerstreut, und Hecken von mancherlei Art wachsen von oben herunter. Dort lehnt er jetzt den Grafen mit dem Rücken an die weiße Wand, also geschützt von hinten, er aber steht vor ihm mit seinem blanken Schwert. Eine schwüle Wolke steht hoch in dem Mittag; schwarz liegen unter ihr die Berge, sprachlos das Tal. Sie ragt hoch hinauf und trübt den weiten Tag; tief in ihrem Schoß sieht man verhaltene Blitze spielen, Donner wandelt langsam von ihr an den Bergen herüber. Schauernd beugt sich im schweren Gemurmel der Frühlingshain.

Großer! Herrlicher! Ihn baut' die Natur zum Muster, ein Muster baute sie, nach ihm das Heldenvolk zu bilden. Ihn hab' ich zuerst besungen, kein anderer sing' ihn nach mir – wer trägt Bruderliebe im Busen, wie ich? Wagt's ein kühner Fremdling? Fallen soll er vor meinem Liede wie Feinde darnieder vor Morts Schwert! Verhalten die Tränen ich kann, vollfließen sollen sie erst auf seine Leiche. Noch steht er, mein Liebling, voll Heldenkraft steht er zum Sterben bereit; aber nicht gefährtenlos soll er sinken, viele müssen ihn jetzt begleiten hinab ins finstre Todestal. Schon liegen fünf vor ihm, verdrehen die brechenden Augen, die Verwundeten schreien angstvoll davon. Jetzt der sechste, Hans von Breitenbach, Christoph Mor jetzt! Gänzel springt davon; die eine Hand verhauen, läßt er fallen das breite Schlachtschwert in den Sand. Ihm ist das Leben teuer, er rennet weiter hinter die Speere zurück. Hast recht, Gänzel, unter Rebschatten mit krummer Sichel ruhn, Winzerinnen zum Tanz winken auf's weiche Moos und mit der einen Faust noch den Kelch schwenken, das ist besser, als so im Staube das gute Leben verhauchen. Weiß einer, ob jemals süßeres Naß deine Lippen erfrischet, als Hochheims edler Most? Mort hascht jetzt das breite Schlachtschwert schnell von der Erde auf – ein Hieb und zwei stürzen wieder zusammen. Wie Liebende scheiden, scheiden auf lange Zeit, fielen diese nun einander kreuzweis in die Arme und umfingen den kalten Tod. Jetzt jubelt des Helden Seele empor, er denket: Halt' ich nur aus, bis die Gefährten irgendwo sich wieder sammeln! Sie fallen dann auf's neue ein; ihren wackern Herrn verlassen sie nicht in dieser tiefen Not. Jetzt stürzt der elfte; hinweg, wer Todeswunden scheut! Wär't ihr weggeblieben, du Braun und Berthold, du fetter Oswald, ihr läget im Tode grimmig über euern Wehren jetzt nicht. Leichte Lanzen springen ab wie Glas am schweren, erzgegossenen Panzer des Starken.

Ihr Windspiele! Alle zusammen gegen den Einen, er allein hat euch den Grafen abgejagt, Feigherzige! Wilder zog Werner die Augbrauen, feurige Blicke funkeln durch. Wagt's! Wagt's, herzudringen, mir gleich den Grafen zu erbeuten! O Schmach! Erblasset alle! Ein Mann beugt meine ganze Macht! Mort! Ein[225] einziger Mann! Wie man eine Ziege, wie man einen jungen Bock zur Erde beugt. Wo Ehre? Ich habe keine Männer um mich! Er schrie's und stieß mit dem Schwertgriff an die eiserne Brust, fährt wild sich in den Bart. Errötend stürzen drei Jünglinge hervor, erzeugt von einem Vater, dem Ritter vom weißen Rosse, des Bischofs Lieblinge, alle drei die Lust seines prachtvollen Hofes. Holdere Sitten und reizendere Gebärden sah man an den Jünglingen selten. Die Schwerter ans Schild lehnend, ergriffen sie oft abwechselnd zierlich gerundete Lauten und spannten die silbernen Saiten, begeisternder Liebe Entzücken, die Freude beim Mahle der Helden, zum Liede der Vorzeit auf. Dann gaukelten Scherze der Männer und Liebe der Mädchen zu ihnen. Geliebet von beiden Geschlechtern war selig ihr menschliches Los. Die trunkenen Lippen zu küssen, brach oft ein zärtliches Auge, stieg oft ein süßer Seufzer aus sanft errötendem Busen. Doch fern den Tänzen des Hofs an Bingens schönstem Gestade, dort wohnen auf einsamer Warte drei Schwestern, wunderschön. Nur diesen hold ergeben durchschnitten sie grünliche Wellen; sie kommen bei Mondlicht heran – das Schiff die Liebe treibt. Ach Schifflein, warum denn so früh? Du trägst die holdeste Ritter, fern in die Schlacht sie ziehen. Wenn kommst du, Schifflein, zurück? Vergebens durchwacht ihr die Nacht, sie schlummern müssen am Schwerte. Zu sterben in euren Armen, war sonst ihr zärtlichster Schwur. Sie führet ein feindlicher Stern ans Schwert des mächtigen Helden. Verloschen die süße Hoffnung, verblühet der Zukunft Glück! So reißet das Schicksal ein, nicht schauend auf menschliche Pläne, zertritt des Sterblichen Wünschen im großen eignen Gange.

Mort holt jetzt weit aus – gefaßt von edlem Zorne, hätt' er jetzt nicht Freund, nicht Bruder, nicht Kind mehr verschont, so ganz gespannt seine Seele, alle Nerven strebend zur Rettung des ohnmächtigen Grafen. Der Bischof sieht des Schwertes verderblichen Blitz, fährt angstvoll zusammen; noch eh' der Schrei seinen Lippen entfährt, ist einer getroffen. Uldo, dein schmuckreiches Haupt floh von den Schultern! So fliegt ein Hahn vom hohen Neste herab; weit sprang's über die Schulter und rollte zu Werners Füßen. Das Schwert saust weiter durch, die Spitze zerschneidet im Fluge noch Wilhelms zierlichen Hals. Zu helfen sprang Franz, der jüngste, herüber, faßt ihn an den Armen, will ihn hinter die Speere ziehn – umsonst, Morts Schwert öffnet im Stoße dem Tod die weiße Brust; über die geliebte Last sinkt er jetzt, plätschernd sein frisches Blut am Panzer herunter, wie ein schwarzer Bergquell über die Klippen schießt. Er wälzt sich hin und her im Blute und stirbt laut stöhnend an der Erde.

Hilf, ewiger Gott! Wir sind verloren, rennt ihn nieder mit euren Rossen, den Würger! Gräßlich schreit Werner über der Treuen Fall, warme Tropfen an seiner Wange. Bögner, herbei! [226] Schützen, von den Pferden herunter! Zielet von allen Seiten mit Bogen und Pfeilen auf ihn! In die Arme, in die Beine, in die mörderischen Augen! Der Grausame! Der Blutgierige! Wird jetzt nicht nachlassen, bis auch ich, bis wir alle tief zur Erde liegen. Dreißig Bögner jetzt auf beiden Seiten – sie schnellen auf Mort, den verlassenen Helden, leeren die schweren Köcher über ihn, wie Hagel im Sturme, wie Schneegestöber sausen. Fünf Pfeile sitzen tief ihm in den Beinen, zerschneiden Adern und Nerven. Er blutet, vermag länger zu stehen nicht. Da sinket der Starke – die Mainzer schreien, doch freuen sich alle nicht, es trotzen seine Augen noch, wie Tod spendend. Sein Schwert in beiden Fäusten gehoben, sinkt der Held jetzt, Schmerz und Feinde zugleich bekämpfend, herunter in die Kniee.

Ist bald untergegangen die liebliche Sonne? Bald ist sie hinunter, schlummert ihr holdes Auge im Meer; die letzten goldenen Blicke verweilen noch über der Welt. Sie wird hinschlummern und wieder erwachend heraufsteigen aus ihrem Felsenbette, aber der heutige Tag kommt nimmer mit ihr zurück! Nimmer erstehet der Edle, der jetzt im Tode fällt. Erhebe dein Haupt, Kreuznach! Wo die Mutter, die einen Sohn erzogen, wie du?

Knieend Mort, hinhorchend im Getümmel, deucht ihm, er vernehme jetzt des braven Leiningers Stimme. Seine Kraft läßt gewaltig nach; Leben strömt mit dem Blute aus vielen offenen Wunden dahin, doch kämpft er immer noch die Feinde mutig zurück. Keiner wagt's, den Leib des Grafen zu berühren. Im Sturme stürzen heulend sie zurücke, vier übereinander; die Bäuche zerhauen, gespalten die Busen, schleifen sie in Todesschmerzen rauchendes Eingeweide über den Sand. Jetzt drängen die Freunde näher. Leiningen laut: Mort, halt' aus! Halt' aus, wir kommen zu retten! Nur bald, nur bald, Freunde, eh' meine Kraft dahin ist, meine Augen dunkel; kämpf' mit ihnen, du droben, gib den Unsern Sieg! Jetzt eilen Leiningen und Vehingen näher herbei, aber die Feinde halten umzingelt noch immer den Grafen, schreien: Tötet ihn, Mort ist dahin! Die Freunde rufen: Halt' aus, Mort! Errette deinen Herrn! Mort jubelt zum letztenmal auf. Eine verlöschende Flamme, hoch schlägt sie noch einmal empor. Dem Fähnrich, der voran dringt, stößt er das breite Schlachtschwert in die Hüften, läßt's stecken drinnen. Aber jetzt dringt alles auf ihn, Speer und Schwerter wölben sich dunkel über seinem Haupt – alle gezückt, den Grafen zu durchbohren. Schützen länger kann der Verblutende nicht mehr, nicht mehr mit dem Schwert die Menge abhalten, da wirft er sich über seinen Herrn, ihn schützend mit seinem Leibe. Meinen Geist in deine Hände, Herr Jesu! Brüder, verlaßt euern Herrn nicht! Mehr konnte er nicht sagen, ein Speerwald drang ihm durch den Rücken. Losbrechen die Freunde, jagen die Mainzer jetzt, wie Wölfe die scheuen Rehe. Mit Mühe kommt Bischof Werner noch auf sein Roß, jetzt, [227] da gerettet der Graf, ist zweifelhaft der Sieg durch die herrliche Tat des Einen.

O Treue, ewige Treue, droben im Himmel lebe! Dich zu fassen ist unsere Erde zu niedrig. Mort! Mort! Dich kann ich nicht singen, nur heiße Tränen weinen, nur jubeln in deine Tat. Glorreich, Held, deine Wunden! Groß stieg deine Seele im Blitz auf, sitzend im Himmel unter den Streitern, die kühn fürs Vaterland geschlagen, geblutet, errungen den edelsten Sieg.


Hab' dir ein Lied gesungen, Vaterstadt, heiß wie meine Liebe zu dir, hoch wie Morts Mut, der höher denn Adler fleucht – gesungen am Stuhle deines erhabenen, menschenliebenden, sanft dich beherrschenden Fürsten. Gedenke mein in der Ferne, liebe mich wie ich dich liebe. Sei Mutter wie ich Kind!