Achtunddreißigste Erzählung.

Von der beachtenswerthen Milde und Güte einer Bürgersfrau von Tours gegen ihren auf Abwege gerathenen Mann.


In Tours lebte eine schöne und ehrbare Bürgersfrau, welche wegen ihrer Tugenden von ihrem Mann nicht nur geliebt, sondern auch geschätzt und gefürchtet wurde. Da es die Unbeständigkeit der menschlichen Natur aber mit sich bringt, daß es den Menschen auch langweilig wird, wenn sie es zu gut haben, verliebte er sich [278] in die Frau eines seiner Hofbesitzer und reiste oft von Tours fort, um seinen Meierhof zu besuchen, wo er dann zwei bis drei Tage blieb. Wenn er dann nach Haus kam, war er so abgemattet, daß seine Frau alle Mühe hatte, ihm wieder aufzuhelfen. Kaum war er aber wieder gesund, so ging er wieder aufs Land, und das zu erwartende Vergnügen ließ ihn die ausgestandenen Schmerzen vergessen. Seiner Frau lag vor allen Dingen sein Leben und seine Gesundheit am Herzen, und da sie ihn immer in schlechtem Zustande zurückkommen sah, ging, sie nach der Meierei, wo sie die von ihrem Manne geliebte junge Frau antraf. Sie sagte ihr, ohne Zorn, ja, sogar mit ganz liebenswürdigem Gesicht, daß sie wohl wisse, daß ihr Mann oft zu ihr komme, daß sie ihn aber schlecht verpflegen müsse, da er immer ganz kränklich nach Haus zurückkomme. Die Frau läugnete aus Scheu vor ihrer Herrin und der Wahrheit zu Liebe nicht und erhielt Verzeihung. Die Dame wollte nun das Bett und das Zimmer sehen, in dem ihr Mann die Nacht zubrachte und fand letzteres so kalt, unsauber und schlecht möblirt, daß das Mitleid sie erfaßte. Sie ließ deshalb schleunigst ein gutes Bett mit Laken, Kissen und Zudecke, so wie ihr Mann es liebte, herausschaffen; dann ließ sie das Zimmer austapezieren und schickte Geschirr zum Essen und Trinken hinaus, auch Wein, Zuckerwerk und Eingemachtes und bat die Frau, ihr ihren Mann nicht so mitgenommen nach Haus zu schicken. Der Mann kam seiner Gewohnheit gemäß sehr bald wieder zu Besuch zu seiner Meierin, war sehr erstaunt, die armselige Wohnung so hergerichtet zu finden, noch mehr aber, als sie ihm in silbernem Becher zu trinken reichte, und er fragte, wo alle diese Schätze herkämen. Die Arme sagte unter Thränen, seine Frau habe es gethan, ihre schlechte Behandlung habe ihr leid gethan, und deshalb habe sie das Zimmer so hergerichtet und ihr seine Gesundheit ans Herz gelegt. Als er nun die große Güte seiner Frau inne wurde und sah, daß für das Schlimme, das er ihr angethan hatte, sie ihm nur Gutes erwies, hielt er seine Sünde für ebenso unehrenhaft, als seine Frau gütig mit ihm verfahren war. Er gab deshalb der Meierin eine Summe Geldes, ermahnte sie, fernerhin als anständige Frau zu leben, und kehrte dann zu seiner eigenen zurück. Er beichtete ihr seine Untreue und sagte ihr, [279] daß er ohne diese große Milde und Güte jedenfalls von dem schlechten Lebenswandel, den er zu führen begonnen, nicht abgelassen hätte Seitdem lebten sie in Frieden und dachten nicht mehr an das Vergangene.

»Glaubt mir nun, meine Damen«, fuhr Longarine fort, »daß es nur wenige Männer giebt, welche Liebe und Geduld der Frau nicht einnimmt, sie müßten denn härter wie Stein sein, welchen mit der Zeit selbst das weiche Wasser durchhöhlt.« Parlamente sagte: »Diese Frau hatte kein Herz und kein frisches Blut in den Adern und verstand nicht zu hassen.« »Was wollt Ihr?« sagte Longarine, »sie befolgte nur Gottes Gebot, denen, die uns Böses anthun, Gutes zu erwidern.« Hircan sagte: »Vielleicht war sie in irgend einen Franziskaner verliebt, der ihr zur Sühne aufgegeben hatte, ihren Mann auf dem Lande recht gut aufnehmen zu lassen, um in der Zwischenzeit die Möglichkeit zu haben, ihn selbst ungestört in der Stadt zu empfangen.« Oisille sagte: »Ihr zeigt mit dieser Bemerkung nur die Schlechtigkeit Eures Herzens, welches in guten Werken nur Schlimmes sieht. Ich glaube vielmehr, die Liebe zu Gott hatte so tiefe Wurzeln in ihr geschlagen, daß ihr das Seelenheil ihres Mannes vor Allem am Herzen lag.« Simontault sagte: »Mir scheint nur, daß er größere Veranlassung hatte, zu seiner Frau zurückzukehren, als er draußen in der Meierei fror, als später, wo es ihm dort gut ging.« Saffredant sagte: »Ich sehe hieraus, daß Ihr nicht der Meinung eines reichen Pariser Bürgers seid, der sofort krank geworden wäre, wäre er, wenn er bei seiner Frau die Nacht zubrachte, nicht von dem gewohnten Luxus umgeben gewesen, der aber niemals krank wurde, wenn er auch mitten im Winter ohne Mütze und ohne Schuhe in den Keller zur Kammerzofe ging. Und dabei war seine Frau sehr schön und die Zofe häßlich.« »Habt Ihr nicht schon sagen hören«, wandte sich Guebron an ihn, »daß Gott immer den Thörichten, den Verliebten und den Trinkern hilft? Vielleicht war dieser alles dieses zusammen.« »Wollt ihr damit schlußfolgern«, fragte Parlamente, »daß Gott den Keuschen, Verständigen und Nüchternen schadet?« Guebron antwortete: »Diejenigen, welche sich allein helfen können, brauchen keine Hilfe; denn der, der gesagt hat, er komme für die Kranken, nicht für die [280] Gesunden, ist, von Barmherzigkeit getrieben, gekommen, um uns in unserer Schwachheit beizustehen und die Verdammung einer strengen Gerechtigkeit von uns abzuwenden. So ist thöricht vor Gott, wer sich hier für weise hält. Um aber diese Diskussion zu beschließen, wem wird Longarine das Wort geben?« »Ich gebe es Saffredant«, sprach diese. Dieser sagte: »Ich will Euch an einem Beispiel zeigen, daß Gott den Verliebten nicht günstig ist. Und wenn auch, meine Damen, eben noch gesagt worden ist, daß das Laster ebenso bei den Männern wie bei den Frauen zu finden sei, so ist doch richtig, daß im Ausfindigmachen von Kniffen die Frauen schlauer und gewandter als die Männer sind, wie die folgende Geschichte zeigt.«

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