Gustav Sack
Die drei Reiter

Gedichte

(1913–14)

»Und doch zerbracht ihr Toren mein Geschick«

WidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

[9] Widmung

Nicht daß du mich liebst und mich verstehst –
daß du wie Kamoëns Negerknabe
abends für mich betteln gehst,
sei zum dauernden Gedächtnis
ihnen hinters Ohr gerieben
und als erster Reim hierher geschrieben.
Das HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Das Hopsassa

Was du nur willst! Dieweil du reimen kannst
und in beliebtem Hopsassa
erzählst was dir zu Leids geschah,
schmähst du auf jeden braven Wanst,
der reimlos seine Wege geht
und von der Narrheit nichts versteht,
die dich, indes er ißt und trinkt,
in schmerzliche Ekstase bringt
und dich ekstatisch hungern läßt.
Er soll dir deine Narrenqualen
etwa mit seinem Gelde zahlen?
Dir ist dein Narrsein ja ein Fest!
So zahle deine Feste selber
und neide nicht voll Prahlerei
und widriger Phantasterei
ihm seine wohlgeratnen Kälber,
du elendiger Hopsassa
und Tschingterassa Bum!
FrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

[9] Frühling

Nun blühen wieder goldig schwer die Weiden
in meinem märzensonndurchglühten Moor,
als ob ich in das windzerschlißne Rohr
geworfen einen Knäuel gelber Seiden.
Als ob ich meines Winters süße Leiden
und seiner Wünsche hadernd lauten Chor
gepreßt in diesen feinen Seidenflor,
um so von ihnen freundlich mich zu scheiden.
Nun liege ich mit leidbefreiter Seele
und schaue ihnen nach aus Rohr und Ried
versenkt in sinnende Melancholie,
da rauscht's im Schilf, und eh' ich fort mich stehle,
da tanzt sie zu mir, die mich Winters mied,
und – hebt kokett ihr Röckchen bis zum Knie.
Im Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Im Englischen Garten

Als ich aus meiner Stammtaberne
mich gestern fortgemacht,
hing in die spöttisch stille Gartennacht
der Mond herab gleich einer leuchtenden Papierlaterne.
Mit einem Sichelschwert, krumm wie die Hülse der Luzerne,
hat ungehört die Nacht
unter dem Rasen einen Schnitt gemacht
und läßt die Erde stürzen in die sammetschwarze Ferne;
und singend hält sie in den weichen Händen
dies Rund von wulstigen Schattenwänden,
in dem ich wie von einer tönereichen Schale
getragen viele tausend tausend Male
an Leonor gedacht,
in dieser braunen spöttisch stillen Gartennacht.
Der TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

[10] Der Traum

Er kam von Nirgendwo, er nahm mir leise
der Dinge Metermaß und Stundenglas
und gab mir, was ich lange schon vergaß,
zurück in wundersam verzerrter Weise:
Was einst ich stammelnd schrieb zu deinem Preise,
wird nun ein Jauchzen ohne Ziel und Maß –
oh deine Nacktheit, die ich nie besaß,
tanzt um mich weiße fieberwilde Kreise!
Sie tanzt –! du rast, du bist ganz tolle Glut,
umwogt von deines Haars wildgoldnen Strähnen
umkreist mich deine liebesgierige Wut
gleich einem Roß mit sturmzerzausten Mähnen – –
oh schönen Traumes heiße Bilderflut,
aus der ich aufwach unter bitteren Tränen!
Das MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Das Moor

Oh du Geliebte, wenn ich je gedächte,
dich einem Erdendinge zu vergleichen,
so wählte ich den Berg unzähliger Leichen,
so wählte ich das Moor und seine Nächte.
Du schmutziger Knäuel bodenloser Schächte
verborgen unter sammetseidenweichen
und tief türkisenblaun Nymphäenteichen –
daß dich dein eigener Gestank umbrächte!
Denn arg hast du mein Tölpelherz verführt
mit deiner glatten Haut Melancholie
und deinem gramdurchtränkten Liebesschwure
und mitternachts mir einen Trank gerührt
aus Kot, Gestank und Teufelspoesie –
vergib mir! – oh vergib mir, große Hure!
Der SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

[11] Der Schuß

Drei wilde Nächte hab ich durchgebracht,
Nun häng ich zitternd in der hohlen Stadt,
die alle Lichter schon verloren hat
vor Regengraus und Sturm – weh! welche Nacht!
All meine Jahre sind hell aufgewacht
und haben mir heißhungrig, nimmersatt
mein wüstes Trinkerleben Blatt für Blatt
auf einem grellen Filmband vorgelacht.
Sie winken mir und grinsen: war's nicht so?
umfluten mich und fragen: weißt du noch?
und streicheln mich und flüstern: bist du's nicht?
Da hallt ein Schuß, laut, scharf, von irgendwo –
der reißt in meinen Film ein schwarzes Loch,
daß er entsetzt aufkreischt und – stumm zerbricht.
Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Der Tote

Da, hinten, in der Heide, wo der Westwind stößt,
hat seine Stunde geschlagen;
da hat sich der Narre die Adern gelöst
und sich zu Grabe getragen.
Bald kreisten die Raben rabenschwarz und dicht
über dem armen Kadaver,
auf seine hungernden Därme erpicht
hielten sie laut ihr krächzend Palaver.
Dann nagte der Fuchs in windiger Nacht
seine steifgefrorenen Glieder,
und als der p.p. Lenz erwacht,
tanzten die Schmeißen nieder.
Im Herbste aber glänzten blank
seine Knochen wie Kreide und Seide,
und klagend stieß seinen Regengesang
der Westwind über die Heide.
Vorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

[12] Vorbei!

Sie hielt mich fest an ihren gelben Haaren
ein ganzes schmachvoll süßes Sklavenjahr,
bis sie des schönen Spielzeugs müde war
und schnöd mich hieß zum alten Eisen fahren.
Und traurig träumend, was sie einst besessen,
lag meine Seele irgendwo versteckt
unter dem alten Eisen ausgestreckt
und ließ vom Rost sich wollüstig zerfressen.
Da sah sie deine jungenhafte Schlankheit
und flog aus ihrem Winkel unversehrt
und, leuchtend wie ein blank geschliffen Schwert,
klirrend lacht sie ihrer Kinderkrankheit.
ParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Paralyse

Hallo!
die liebe Seele stirbt –
da liegt sie zuckend in meiner Hand –
ein Druck, und wir sind frei!
Sie schreit,
und wallt und zuckt und schwillt,
da fällt sie quäkend von meiner Hand –
ein Tritt, und wir sind frei!
Sie kriecht,
kriecht wie ein fetter Wurm –
und glänzt und springt und sie tanzt und lacht –
sie lacht – und ich bin frei!
AbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Abend

Und wieder ein Abend; ein Tag in das Nichts,
das grenzenlose Nichts gerollt –
in den bleiernen Wolken ein Sterben des Lichts
[13]
und über den Wäldern der Mond, gelb wie altfränkisches Gold.
Nun dunkelt es schnell; ein Wind macht sich auf
und rasselt im Schiefergedäche am Turm –
kopfüber purzelt der Tage Lauf
vor der Ewigkeit drohendem Sturm.
Der faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Der faule Mucker

Der Regen schlägt, als geißelten
des grenzenlosen Himmels wilde Winde
den alten Mucker jagend hoch
und meißelten
aus Schnee und Schmutz und Stubendunst
des Sommers nackte Glut heraus.
Das gießt und bläst und faucht und raucht,
bis über Nacht
des Frühlings Hülle fällt
und – breit und ungeschlacht
fiebert der Sommer durch die Welt!
PueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Puerilia

Da war einmal ein Maientag
mit Primelduft und Lerchenliederleiter,
mit blauem Himmel und so weiter –
doch meine liebeswunde Seele lag
an einem Strom und unter gelben Weiden
trank schluchzend sie ihr erstes Leiden.
Und diese Stunde muß ich wiederfinden
mit ihrer jungen, jungendummen Trauer
und ihrem stolzen Überwinden.
VorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Vorfrühling

Die Sonne, die den schwülen Frühlingstag
tückisch in ihren Wolken lag,
[14]
zog blitzend ihren Degen
und stieß in jäher Wut
ihn in des Himmels Purpurblut –
und ohne Ende strömt der Regen!
Der – spült mich fort; und meine Seele fließt
und fließt und schwimmt, ein träges Boot,
das überladen gleich zur Tiefe schießt,
in Nacht und Tod.
All meine Jahre lastete ich ein
und alles, was ich von mir selber litt,
mein Hoffen, mein Verachten gab ich mit
und meinen Hohn noch obendrein.
Sink! sink, mein Kahn!
Denn Tag ist Tag und Nacht ist Nacht
und was dir Tag und Nacht gebracht –:
Sink! sink, mein Kahn!
JulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Julitag

Heut aber lief der Tag sich wild!
Was hat er nur gejagt, daß ihm
gleich einem Hunde, dem die Zunge rot schlottern?
und lechzend aus dem Halse hängt,
die Blätter welk und dürstend an den Bäumen
Nun wirft er sich aufs Land
und blickt mit seinen wilden Augen
fiebernd in die stählern blaue Welt,
in die das schöne Beutestück entfloh.
Er schläft – doch morgen,
morgen wird er wieder weiter jagen
ruhlos vorbei, ruhlos zurück,
denn nur in seinem Fieber, seinem Flankenschlagen,
in seinem Lechzen liegt sein Glück.
Der FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

[15] Der Föhn

Der Atem stockt; denn schwer und trunken schmiegt
sich heut der Tag der Erde an
und eines dummen Vogels Lied fliegt,
fliegt, ein Ding das noch nicht fliegen kann
und immer wieder gleich zur Erde fällt,
ängstlich durch die wüstenwarme Welt
und regt mich auf! Wie sich der Tag
mit unerträglich weicher Schwere
drängt in dieses jungen Vogels Lied!
Und himmelan mit Hast und Flügelschlag
flattert in die kühle braune Leere!
Und ihn ewige Ermattung mit
tausend Armen immer wieder niederzieht!
Doch auf den Bergen lauert schon der Föhn
und wird noch über Nacht aus seinen Höhn
und Wolkenhallen
brausend in die Ebne fallen!
Der HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Der Herbst

So komm, du wilder West,
und sing geheimnisvoll und runenkundig
in meinen Kiefern und Wacholderbüschen
das uralt düstere Jahreslied des Todes!
Und reiß aus meinem Herz des Sommers Freuden,
reiß sie gleich müd gewordenen Blättern ab,
auf daß mein Fuß sie raschelnd von sich stoße.
So wie von jenem Ahorn taumelnd dort
die schwarzgefleckten Blätter landwärts wirbeln,
laß all des Sommers gaukelnde Gestalten
zu krausen Scharen windgewiegt
ins graue Land Vergessenheit hinflattern!
Und dann, oh West, oh wilder West,
saug aus des Weltmeers weitgeebbten Brüsten
[16]
dir Sturmeskräfte hoch und schleudere mich
hohnlachend jenen Spukgestalten nach
und brause, laut aus vollen Lungen tobend,
über das Sommerglück, das du zerstört!
EkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Ekstase

Oh dieser griesgrämig graue Himmel!
Könnt ich mit diesen beiden Händen
zusammenballen die nebele Feuchte,
und einen Sonnenstrahl drein fesselnd
zu einer Perle pressen dies Gemisch,
zu einer durchsichtigen goldblauen Perle!
Oh dieser mürrisch pfeifende nörgelnde Wind!
Könnt ich mit diesen beiden Armen
zusammenschlingen den ruhlosen Nörgler,
ein blankes Bekenntnis ihm einhauchend
ihn dann loslassen, eine fegende Erklärung,
wolkenzerreißend, länderdurchtönend!
An der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

An der Reuß

Wie gelbe Stiere schäumt ihr und tobt
und brüllt ohne Ende zu Tal,
doch die Felsen, die ihr durchrannt und durchklobt,
all eure wütende Qual
wird in drei Stunden vergessen sein –
Hoppla! du Narr und trolle dich,
für dich ist kein Ruhbett gemacht,
hebe die Füße und trolle dich
kalt und vergrämt durch die ewige Nacht.
An einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

An einen Wacholderbaum

Denn wenn der Westwind in dich fiel,
schien mir dein nadelscharfes Rauschen
als dieser gottverfluchten Heide
auserlesen Saitenspiel.
Die MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

[17] [26]Die Maske

Des Daseins Proteusmaske scheint und klingt
und mag dem Kind als Wirklichkeit genügen,
es wird zu Lust und Tränen blind sich fügen,
je wie der Popanz ihm entgegen springt.
Du möchtest ihn enthüllen – ach! es dringt
kein Blick durch diese schillernd bunten Lügen
zu dem, der mit geheimnisvollen Pflügen
das Chaos in die Kosmosmaske zwingt.
Nenn ihn das Furchtbare und deine Welt
sein Maskenkleid und bleibe dir bewußt,
daß jede Maske käuflich ist für Geld –
und diesen Glauben, hörst du Glauben, mußt
als Sprungbrett du betrachten, das dich schnellt
zu aller Deutung grenzenloser Lust.
Der SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Der Stein

So bist du mir das Symbolum der Welt,
ein Zwitter frostiger Erhabenheit
und zynisch schweigender Gleichgültigkeit;
gefährlich nahe schon dem Nichts gesellt
hast du dich auf den höchsten Stolz gestellt
und hebst dich herrisch aus dem Strom der Zeit
und über des Geschehns Formlosigkeit
bleibst du der Einzige, der Form behält.
Oh kalten Gleichmuts lautberedter Hohn,
des Unbegreifbarn greifbare Erscheinung
hast du gepreßt in einen Klumpen Ton
und – nur ein Ding, ein Nichts in unsrer Meinung
stehst du auf deiner Weisheit kahlem Thron
als dieser Welt sarkastischste Verneinung.
[26]
Die ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Die Zeit

Noch kommt mit der Unsterblichkeit gepaart
die Zukunft ewig strömend zu dir her
und schafft auf ihrem unbewegten Meer
in dir den Wellenschaum der Gegenwart;
sie prallt in unergründlich schneller Fahrt
aufgischtend an an deiner Seele Wehr
und bricht durch dich in einem Sturze, der
schon als Vergangenheit sich offenbart.
Bis eines Tages sich der Schaum zerstreut
und deiner Seele Balkenwerk zerfällt –
und Strom ist nicht mehr Strom, still steht die Zeit:
fort strömt die Zeit und trägt die tote Welt
auf ungeteilter Flut zur Ewigkeit,
wo sie mit ihrer Last als Wort zerschellt.
Die SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Die Seifenblase

Wie sie mit ihren Dünsten sich umgeben!
Wie sie, den Finger an der Himmelsnase,
weislich erforschen ihre eignen Gase,
wie diese Klötze an der Erde kleben!
Doch immer hohler, weiter wird mein Leben,
es wird noch, glänzend wie die Seifenblase,
in schwereloser, wiegender Ekstase
mit allen Winden in die Weite schweben;
und wenn auf ihren dünnen Kugelschalen
sich eure schweren Nebelgründe bunt
verzerrt zu einem schönen Spuk abmalen,
wird sie in ihrer höchsten Pracht der Schlund
des Frostes und der Einsamkeit verzehren,
nichts wird in eure Tiefen wiederkehren.
[27]
Die SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Die Sprache

Sprachlos willst du die nackte Welt genießen
und tief einfühlend dich in ihr verlieren,
ohne in Worten sie zu porträtieren
und sie in hohle Klänge umzugießen?
Doch aus der Sprache deine Wunder sprießen,
in deiner Sprache nur kristallisieren
die jähen Bilder, die gleich wilden Tieren
chaotisch wütend durcheinander schießen,
zu deiner schimmernd festgefügten Welt.
Und daß dich diese Worte selbst nur malen,
klag sie nicht an, denn ohne sie zerfällt
des Daseins Klang und siebenfarbig Strahlen
in ewig wüste Nacht, schaurig erhellt
von aller Nöte flammenden Fanalen.
Das LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Das Leben

1.
Ich rief dich nicht, du zerrtest mich hervor
aus meines Nichtseins tiefer Seligkeit
in diese qualgedehnte Spanne Zeit
und hämmertest mir stündlich dann ins Ohr:
»Das Sein, in das ich dich heraufbeschwor,
sieh, es ist nichts; ein Knäul von Widerstreit
endend im Tod; und Unerkennbarkeit
ist deiner Weisheit Schluß: zeuch fort, du Tor!« –
Ich rief dich nicht, doch gabst du mir die Kraft
zum Fluch, so fluch ich dir: vermaledeit
in Grund sei jener lustverbrämte Saft
und süße Höllenschaum, der, todgefeit,
des Lebens Ringe ewig weiter trägt
und blutige Ketten um die Erde schlägt,
[28] 2.
verflucht – – doch fluch ihm nicht: es flucht durch dich;
und lieb es nicht: das sich in dir nur wieder
liebt wie in jeder Rose, jedem Flieder,
ob auch ein Wurm sich in die Blüte schlich.
Denn was du tust, das tut das Leben sich,
es singt in dir eins seiner bunten Lieder,
wenn es durch tausend Skalen auf und nieder
streicht seinen ungeheuren Geigenstrich.
Drum fluch ihm nicht und laß es nur geschehn,
daß jeder neue Morgen dich erneut,
und laß dich treiben, wie die Wolken wehn,
in wolkenhoher Unbekümmertheit.
Flieg! Flieg! der Gipfel ist schon festgestellt,
der deinen Flug zerbricht und dich zerschellt.
GottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Gott

Aus Furcht geboren und vom Wunsch verschönt,
ein Bild unsrer Vollkommenheit zu malen,
wurdest du Jude und zum Kannibalen,
der eifervoll dem Bruderfraße frönt;
dann nährtest du dich, opferblutgewöhnt,
von unsrer Selbstzerfleischung Folterqualen,
bis deine Wut verdämmerte zum fahlen
Gespenst, das hohl und wimmernd uns umstöhnt:
Oh Ding an sich! Oh Wahrheit! Letzter Grund!
Nun stirbst du – – dennoch fachte dieses Wort
all unsrer Sehnsucht Narrenschmerzen und
Gelüste an und unsre Welt verdorrt
noch in den Dünsten, die dein toter Mund
aushaucht, zu einem runden Narrenort.
[29]
Die WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Die Welt

Aus eins ward zwei, dann strichen wir die zwei
und schrieben: wahrlich! es ist eine Welt,
die in sich Stoff und Geist zusammen hält,
und auch kein Pfaffe bricht sie mehr entzwei.
Dann aber: es ist alles Bilderei,
was sich so bunt vor unsre Sinne stellt,
ein X, von dem niemals der Schleier fällt,
ja unsre Sinne selbst sind Malerei,
die Welt, das Ding, die Folge, Zeit und Raum
alles ein schwerer, rätselwirrer Traum.
Und heute schreit man laut auf allen Gassen:
nein, sie ist da, ist harte Wirklichkeit – –
fortrollt die Welt im wilden Strom der Zeit,
wir rollen mit und können sie nicht fassen.
Die SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Die Sterne

Wenn sich die Nacht zaghaft mit euch besteckt,
wie eine dunkle Tänzerin den seide-
weichen Leib mit spärlichem Geschmeide,
wenn ihr gleich brennendem Staub den Himmel deckt
und leuchtend in das Nichts hinüberleckt,
fliegt wohl von dieser dürren Lämmerheide
und abgegrasten Trübsalsrinderweide
die Seele lechzend zu euch hoch und reckt
der Sehnsucht Fackel hoch in euch empor,
bis sie vom Weine der Unendlichkeiten
trunken taumelt und ein wirrer Flor
sich um die Sinne legt –: aus euren Weiten,
die ewig grenzenlos ich hochbeschwor,
fall ich zurück in Staub und Sterblichkeiten.
[30]
Der TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Der Tod

Wenn alles mißgerät und ganz zersplittert
sogar des Stolzes harte Ruhewiegen
in armen Brocken mir zu Füßen liegen,
wenn mich der Ekel grau und grün umwittert,
mich die Verzweiflung mauernhoch umgittert,
weiß ich mich noch an einen Trost zu schmiegen,
auf purpurrot belegten Marmorstiegen
vom Dufte des Vergessens schon umzittert
selbstherrlich in dein Königreich zu schreiten,
in dem der Sturm Begehren endlich schweigt,
in dem erstickt von tiefsten Sicherheiten
der zungenlaute Zweifel von mir weicht
und mir nicht mehr zu kurzen Trunkenheiten
die Hoffnung ihren Lügenbecher reicht.
MystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Mystika

Tausend, viel mal tausend Jahre
rollten ab gleich einem Blitz,
eh' ich aus verliebtem Paare
sprang hervor, ein dummer Witz
eines ewig Namenlosen.
Armer kleiner Narrensang,
der in wilder Jahre Tosen
schwindet, eh' er kaum erklang!
Aber dennoch berge ich
in mir aller Welten Qualen
und was sein wird, das muß sich
vorher erst in mir abmalen.
[31]
Ja, der Vater, der mich rief,
kann in mir erst Dasein werden,
ohne mich sogar verlief,
sich der wilde Tanz der Erden. –
Wie die Narrenkappe schellt!
Aber ohne solches Klingen
wirst du und die ganze Welt
blitzschnell in ein Nichts zerspringen!
OkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Okkulta

Durch ihren Leib die Sterne scheinen,
durch ihren Körper bläst der Wind,
für diese ewig Überreinen
sind unsere Sinne taub und blind.
Sie lieben nicht wie Menschenkinder
und grübeln nicht dem Dasein nach
töricht und blind und immer blinder
für Wirklichkeit und Licht und Tag.
Sie hungern nicht, sie dursten nicht,
sie schweben wie der Staub im Strahl
in einem erdenfernen Licht
und spotten ewig unserer Qual.
Der TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Der Tag

Und wiederum entquoll ein Tag
dem alten qualzerrißnen Schoß der Nacht –
und hat sich gleich daran gemacht
mit Hottehü! und Peitschenschlag
durch alle Straßen zu rumoren,
bis sich das Uhrwerk wieder dreht
und alles seine Wege geht;
dann räkelt er sich traumverloren
[32]
und wälzt sich ohne Ziel und Sinn
und faul und grau, ganz überflüssig
und seiner selber überdrüssig
über die feuchten Dächer hin;
und sehnt sich nach der Nacht zurück,
in der er weich und brunnentief
sein Nichtsein selig weiterschlief,
und sehnt sich nach der Nacht zurück
den ganzen Tag, den langen Tag
sehnt er sich nach der Nacht zurück,
nach ihrem daunenweichen Glück
und unhörbaren Stundenschlag.
Die DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Die Drossel

Wie sich das Pack zusammenballt!
Indes die Trambahn schrillt und gellt,
die Musik lärmt, die Peitsche knallt,
und wie ein Hund das Auto bellt,
hört keiner sie, die unentwegt
von einem Dach ihr Flötenlied
volltönend in die Lüfte trägt. –
Wie sich das schwitzend, brüllend müht,
wie sich das stier und stumpf vermischt,
das strömt wie ein verschmutzter Bach,
Abwasserhub und Gassengischt,
indes von jenem Giebeldach
hoch über Kehricht, Staub und Wust
des kleinen Glücks Melancholie
harmlos und selig unbewußt
ausströmt aus diesem kleinen Vieh,
[33]
das heiß und frech und elegant
sein schwarzes Konterfei poussiert –
wie ich dich hasse, feiner Fant,
der nichts verlor, der nichts verliert,
der nur ein Ding ist, das man spielt,
das nur der Frühling musiziert,
das sich nicht kennt, das sich nicht fühlt,
das nichts verlor und nichts verliert.
Die NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Die Nacht

Des Mondes silberweiße Serpentine
sticht wie ein Riesenspeer
weit in den See hinaus,
um den mit finsterer Heroenmiene
der Berge weißköpfiges Heer
sich aufgetürmt – das ist ihr Haus,
in dem sie immer wieder Ruhe hält,
wenn flüchtig sie durch alle Welt
Wohn und Schlummer streute;
nun ruht sie zwischen den Bergen und über dem See,
bis über der Gipfel vereiste Höh
des Morgens bellende Strahlenmeute
wie eine feurige Kugel Gold
klingend in die Täler rollt
und die Verschlafene wolkig zerfetzt
tief in die Berge und Klüfte hetzt.
Die UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Die Uhren

In weichen Riesenknäueln, darin Traum
und tiefer Schlummer brünstig sich umschlangen,
durchfloß die Nacht den hochgewölbten Raum;
so unaufhaltsam drangen
ihre Sammetwogen und so schwer und breit
aus einer unerschöpfbaren Unendlichkeit,
[34]
daß sie die Stadt, die Tages hier gestanden,
fortschwemmten in die fernste Ewigkeit
und meine Sinne sie nicht wiederfanden,
daß mich das Bodenlose ganz umfing
und zitternd ich in seinem Brunnen hing – – –
da ging ein Schlagen durch die Nacht,
von allen Türmen auf und nieder
schwatzten die Uhren ihre Stunde wieder,
wirr, hastig, auf und ab und ohne Ende
zerbrachen sie mir meines Brunnens Wände
und riefen: es ist vier! ist vier! ist viere! –
Da hab ich meines Schlummers laut gelacht
und ihrer, dieser braven Uhrentiere.
Der MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Der Mondbrunnen

Doch als sie wieder sich in Träumen wiegte
und schwer an meiner müden Schulter lag,
gedachte ich, da leuchtend wie der Tag
der Mond sich an die hohen Dächer schmiegte,
der Lust, wie sie seit Jahren mich bekriegte
und meinen Stolz mit weichem Wellenschlag
und tausend Armen immer tiefer brach –
oh daß sie doch gleich einem Quell versiegte,
auf den man einen Block aus schwerem Golde
wälzt! Da, ohne Ende unaufhaltsam rollte
ein Strom von Reinheit von den Dächern nieder,
der türmte sich zwischen den steilen Mauern
zu einem lichten Brunnen hoch und unter Schauern
kam meine reine Seele aus ihm wieder.
Die reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Die reine Seele

Die reine Seele, dieses tote Gold,
das blinkend in der weiten Wüste liegt
und das sein Herr verehrungsvoll umkriecht,
indes sein leerer Magen knurrt und grollt,
[35]
daß er den Klumpen nicht zu Markte bringt
und feilschend ihn zu Wein und Datteln macht
und ihn in einer roten Haremsnacht
verpraßt – nun liegt sie da und gleißt und blinkt
voll Arroganz und heiliger Begier,
die reine Seele – in den Dreck mit ihr!
EinsamDie reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Einsam

Ich habe niemals Du zu euch gesagt –
wohin ich kam und wen ich immer sprach
und wenn er auch in meinen Armen lag,
ich habe niemals Du zu ihm gesagt.
Und doch hab ich mich nie darob beklagt
und wenn die Sehnsucht auch mit wildem Schlag
mein selbstgewähltes Klausnertum durchbrach,
hab ich doch niemals Du zu euch gesagt
und hatte immerdar an mir genug,
berg ich doch ewig in mir Gott und Tier
und Licht und Kot und heiligste Begier,
und hielt mein stilles Zwiegespräch mit mir,
bis über mir gleich einem Totentuch
der Schrei der Einsamkeit zusammenschlug.
Der TempelEinsamDie reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Der Tempel

Da sprang er fluchend aus dem Grab,
in das er grübelnd sich verloren,
und suchte Markt und Straßen ab,
um seine Unzucht auszuschmoren.
Hei! wie die wackre Dirne brennt!
Doch in dem roten Lotterbette
steigt schon der Ekel hoch und rennt
mit seinen Freuden um die Wette.
[36]
Und doch – ein Mensch; und still umspannt
des Zweiseins wundersame Ruhe
wie eine hohe Tempelwand
die dampfumhüllte Unzuchtstruhe.
Der ProletDer TempelEinsamDie reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Der Prolet

Was treibt dich, dieses Leben fortzufahren,
Prolet in deinem schmierigen Gewand,
nachdem der Wollust jugendlicher Brand
erlosch nach allzu schnell verrauschten Jahren?
Hohläugig, hager, mit ergrauten Haaren,
so stehst du vor dir selber angespannt
und schleppst dich in ein sonnenloses Land,
um dich zuletzt dem Ekel zu verpaaren
und in der nächsten Pfütze zu verenden.
O könntest du den Blick noch einmal heben,
o könnt ich dir mit meinen weißen Händen
der Rache Fackelbrände übergeben,
daß sie in einem seligen Berschwenden
verzehrten uns und dein zertretnes Leben!
Der MorgenDer ProletDer TempelEinsamDie reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Der Morgen

Es kräht der Hahn!
Da nimmt die Maid sich noch einmal
den Liebsten kräftig zwischen ihre Beine,
da schreibt die allerletzte Zahl
der Geizhals müde unter seine Scheine
und einer ganzen Nacht gehäufte Qual
fällt mich zum letzten Male würgend an –
Gottlob! da kräht der Hahn!
Die KlageDer MorgenDer ProletDer TempelEinsamDie reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Die Klage

Durch diese unerträglich flachen Tage,
die ihren endlos grauen Frühlingsregen
[37]
wie einen Sarg um meine Seele legen,
zog eines Traumes wundersame Frage
ein feines Band; schlägst du dies Band, so prägen
sie zitternd einen Klang von tiefer Klage. –
Nun küß mich wieder! sprach der Traum, da trat
ich in den Streifen, dessen fahler Glanz
und strähniges Gewinde meinen Pfad
schon lang verwirrt und nun im Taumeltanz
der Abendnebel, deren weiße Saat
von allen Wiesen kräuselnd stieg, mich ganz
verzaubert weiter führte; und ich ging
ihm nach und lief und stolperte und sprang
ihm nach durch Tau und Ried, bis wie ein Ring
und gläsern dünner Unkenglockenklang
er schwebend über meinem Haupte hing
und diese Klage zu mir nieder sang:
»Als meine Liebe trunken überquoll,
als ich besessen war und meine Brüste
nichts andres schienen als zwei wollusttoll
lechzende Kissen deiner wilden Lüste,
und als mein Leib von deiner Liebe schwoll
und ich schon wußte, daß ich sterben müßte,
bat ich dich wohl: sag mir ein armes Mal,
daß du mich liebst. – Du sagtest es mir nicht;
ich starb und noch in meiner letzten Qual
bat ich dich – doch du sagtest es mir nicht;
ich war dir lieb, mehr als der Sonne Strahl
dir lieb – doch warum sagtest du es nicht?
Nun trägst du deine einsam kalten Tage
durch eine Welt, die nichts von dir versteht,
und die – – –« und wie ein Blitz, mit einem Schlage
verschwand mir Bild und Traum; doch mich umfleht
noch immerfort der Stimme süße Klage
wie eines Toten heimliches Gebet,
das lockend aus dem Nichts herüberweht.
Das ZauberliedDie KlageDer MorgenDer ProletDer TempelEinsamDie reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

[38] Das Zauberlied

Wohin du gehst, du wirst mir nie entgehen,
denn meiner Sehnsucht feine Witterung
wird schneller, als du glaubst, den kühlen Sprung
in das verführerische Land verstehen,
in dessen ewig glatten Schattenseen
du dich vor mir geborgen wähntest – jung
und mittagheiß wird die Erinnerung
an deine Liebe brausend dich umwehen
und wenn du aufwachst, siehst du mich, der dich
mit blanken Armen an das Ufer zieht
und dir mit einem Kuß, dem wehen Stich
der glühen Lanze gleich, das Zauberlied
einhaucht: uns schwanden längst schon Raum und Zeit
was flüchtest du dich in die Ewigkeit?
UmsonstDas ZauberliedDie KlageDer MorgenDer ProletDer TempelEinsamDie reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Umsonst

Es hilft dir nichts, du bist dir ewig gleich,
und wenn du auch in jede Pfütze rennst
und dich mit jedem Lumpen Bruder nennst,
es hilft dir nichts, du bist doch rein und reich
und bleibst in deiner Pöbel-Trunkenheit,
in deinem schmerzlichen Dich selbst Verachten
und deinem aberwitzigen Narrentrachten
ein goldnes Rad im Spiele der Notwendigkeit.
Der FindlingsblockUmsonstDas ZauberliedDie KlageDer MorgenDer ProletDer TempelEinsamDie reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Der Findlingsblock

In weiter Heide auf den Hügelwellen
vom Meer der Vorzeit dünend aufgeschlagen,
liegt einer der granitenen Gesellen,
die einst der Gletscher Strom ins Land getragen.
[39]
Und ob der Himmel ihn mit Schloßen schlägt,
die Sonne brennt, ein Schneewall ihn ummauert,
oder ein Waldbrand heulend ihn umfegt,
er liegt und ruht, schweigsam und stolz, und dauert.
Doch als ich gestern nächtlich vor ihm stand,
schien er mir in der Sterne fahlem Licht
verwandelt, dieser tote Klumpen Sand
in Gottes gramdurchrißnes Angesicht.
Genug!Der FindlingsblockUmsonstDas ZauberliedDie KlageDer MorgenDer ProletDer TempelEinsamDie reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Genug!

Genug! jetzt halte ich den Kreisel stille,
der ohne Rast sich um sich selber dreht
und den ein wütend blinder Weltenwille
mit Peitschen treiben muß, daß er nur steht
und nicht im nächsten Augenblicke matt
und ewig regungslos zu Boden fällt.
Genug! ich bin der Peitsche übersatt,
satt bin ich dieser qualgepeitschten Welt
und gebe den Gehorsam endlich auf,
ein Ding zu sein, das alle Nöte hetzen,
bis es nach richtig abgerastem Lauf
umsinkt ein Haufen Staub und Trümmerfetzen.
Mein sei der Augenblick, in dem ich falle,
ich will in meiner Nöte größter Not
und voller Hohn und bitterschwarzer Galle
eingehn in einen freiherrlichen Tod!
Am StrandGenug!Der FindlingsblockUmsonstDas ZauberliedDie KlageDer MorgenDer ProletDer TempelEinsamDie reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Am Strand

Da hilft denn also nichts, du bist allein –
so beiße deine Zähne fest zusammen,
halt deinen Nacken grad und schaue drein,
als wolltest du dich in die Erde rammen
[40]
ein stolzer Damm gegen das Leid der Welt,
das dich in brausender Begier umbrandet
und ohnmächtig an dir zu Schaum zerschellt,
bis es im Wintersturm der Zeit versandet
und fernabbrausend von dir weicht. Dann – sieh
dich um und sieh den Stein, wie ihn, umklebt
von Krusten grenzenloser Apathie,
der Wüstenwind der Ewigkeit begräbt.
Blauer HimmelAm StrandGenug!Der FindlingsblockUmsonstDas ZauberliedDie KlageDer MorgenDer ProletDer TempelEinsamDie reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Blauer Himmel

So liebe ich dich nicht;
doch wenn der Sturm durch deine Weiten brüllt
und wenn die Wolken wiederum
wie Winterwölfe durch dich fahren
heißhungrig und vor Hunger stumm,
wird meine Unruh offenbaren,
wie ich nach deiner Freiheit lechze.
So liebe ich dich nicht,
so nicht in deinem wolkenlosen Prahlen,
denn diese prahlerische Reinheit
drückt mich tot, wie man ein Blatt zerdrückt.
LiebeBlauer HimmelAm StrandGenug!Der FindlingsblockUmsonstDas ZauberliedDie KlageDer MorgenDer ProletDer TempelEinsamDie reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Liebe

Dann wacht ich auf und sah den Ziegelschlot
vor meinem Fenster leuchten frühlichtrot
und über ihm und über Dach und Wand
den Morgen kalt und stählern ausgespannt.
Und während sie sich noch in Träumen wiegte
und fester sich in meine Schulter schmiegte,
überfiel mich Schauer über Schauer
der Einsamkeiten namenlose Trauer,
und wie sie dann aufstöhnte lustverloren,
wünschte ich, ich wäre nie geboren.
SerenadeLiebeBlauer HimmelAm StrandGenug!Der FindlingsblockUmsonstDas ZauberliedDie KlageDer MorgenDer ProletDer TempelEinsamDie reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

[41] Serenade

Mir kann nun von den schönen Dingen allen
am wenigsten das Abendrot gefallen,
zumal der grünlich gelbe Schein darüber
macht meine Seele banger nur und trüber,
und jener Gegendämmrung Violett,
aus dem des Mondes silbernes Stilett
blaßrote Streifen Blutes zapft, zerklafft
mir meiner Saiten allerletzte Kraft
und drückt mich müde in die müden Knie,
mich »Renommisten der Melancholie«.
FrühlingsmorgenSerenadeLiebeBlauer HimmelAm StrandGenug!Der FindlingsblockUmsonstDas ZauberliedDie KlageDer MorgenDer ProletDer TempelEinsamDie reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Frühlingsmorgen

Von diesen frühlingskitschigen Vergnügen
mag mir der reine Himmel nur genügen –
wie liegt er keusch und ewig unbewegt,
der mich aus dieser geilen Zeugungskraft
hoch in die quellenfrische Kühle rafft
und meine Sehnsucht in die Berge trägt!
Der SchreiFrühlingsmorgenSerenadeLiebeBlauer HimmelAm StrandGenug!Der FindlingsblockUmsonstDas ZauberliedDie KlageDer MorgenDer ProletDer TempelEinsamDie reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Der Schrei

Aus dieser steingewordenen Not,
aus dieser Wut nach Brunst und Brot,
aus dieser lauten Totenstadt,
die sich mir aufgelagert hat
härter als Erz, schwerer als Blei,
steigt meine Sehnsucht wie ein Schrei
quellend empor nach Meeren und Weiten
und ungeheuren Einsamkeiten,
aus all dem Staub und Schmutz und Gewimmel
nach einem grenzenlosen Himmel.
Wache NächteDer SchreiFrühlingsmorgenSerenadeLiebeBlauer HimmelAm StrandGenug!Der FindlingsblockUmsonstDas ZauberliedDie KlageDer MorgenDer ProletDer TempelEinsamDie reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

[42] Wache Nächte

Tief schläft die Stadt und wieder schlägt es drei;
doch eine Ewigkeit muß noch verfließen,
bis aus den feucht verhangenen Verließen
der alte lichtdurchtönte Tag sich frei
gemacht und ihn mit ihrem Morgenschrei
die schwarzen Amseln von den Dächern grüßen.
Drei Nächte – drei endlose Nächte stießen
sich hohl und qualenwach an mir vorbei –
doch während sie die längst verharschten Wunden
blutig aufbrachen und im bangen Schoß
der gähnend grenzenlos gedehnten Stunden
des Tages Bitternisse riesengroß
aufbauschten, sah ich, obwohl ganz zerschunden,
hellseherisch mein vorbestimmtes Los.
Auf einen GiftbecherWache NächteDer SchreiFrühlingsmorgenSerenadeLiebeBlauer HimmelAm StrandGenug!Der FindlingsblockUmsonstDas ZauberliedDie KlageDer MorgenDer ProletDer TempelEinsamDie reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Auf einen Giftbecher

»Dir war noch nie so froh und leicht
wie heute, wo der Hoffnung letzter Schein
freundlich verdämmernd von dir weicht,
und dir aus meinem kühlen Wein
aufquillt des Todes Sicherheit
von nun an bis in Ewigkeit.«
Der SpeerAuf einen GiftbecherWache NächteDer SchreiFrühlingsmorgenSerenadeLiebeBlauer HimmelAm StrandGenug!Der FindlingsblockUmsonstDas ZauberliedDie KlageDer MorgenDer ProletDer TempelEinsamDie reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Der Speer

Was ich auch seh und höre, glaub ich nicht,
und was ich glaube, glaub ich nimmermehr,
doch diese Weisheit, die sich selbst zerbricht,
wirft mich wie einen blanken Eschenspeer,
der tönend an der Scheibe Erz zerspellt,
mitten hinein ins tiefe Herz der Welt.
Amor fatiDer SpeerAuf einen GiftbecherWache NächteDer SchreiFrühlingsmorgenSerenadeLiebeBlauer HimmelAm StrandGenug!Der FindlingsblockUmsonstDas ZauberliedDie KlageDer MorgenDer ProletDer TempelEinsamDie reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

[43] Amor fati

Als ich ins Licht der Sonne sprang,
stand meines Lebens Zickzackgang
schon unzerstörbar vorgeschrieben;
nun springe ich die Wege lang
und fange diesen Zickzackgang
wahrhaftig leise an zu lieben –
doch dieser letzte Zickzackgang
und lendenlahme Liebessang
ist eben auch schon vorgeschrieben.
Der RubinAmor fatiDer SpeerAuf einen GiftbecherWache NächteDer SchreiFrühlingsmorgenSerenadeLiebeBlauer HimmelAm StrandGenug!Der FindlingsblockUmsonstDas ZauberliedDie KlageDer MorgenDer ProletDer TempelEinsamDie reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Der Rubin

(1915)


Wie Heidehonig aus den Waben
herbstsüß in schweren Tropfen fließt,
erwuchs euch Buch um Buch – ihr ließt
sie Bücher sein; und tief vergraben
vom bunten Berg der Konfitüren
verschliefen sie zu dritt die Zeit
und wurden alt samt ihrem Leid
und ihren faustischen Allüren.
Im Traum nur dehnten sie die Glieder,
im tiefen Traum nur schlangen sie
um ihrer Welt Melancholie
den Zauber ihrer stolzen Lieder.
Jetzt werf ich dich, du grell Gebinde,
du narrenroter, geiler Zwerg,
hohnlachend in den bunten Berg –
schlag deine Bresche und verschwinde!
Das OpferDer RubinAmor fatiDer SpeerAuf einen GiftbecherWache NächteDer SchreiFrühlingsmorgenSerenadeLiebeBlauer HimmelAm StrandGenug!Der FindlingsblockUmsonstDas ZauberliedDie KlageDer MorgenDer ProletDer TempelEinsamDie reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Das Opfer

Diesmal sollst du noch entrinnen,
heil aus meinen Händen schlüpfen,
[44]
morgen werd ich dich einspinnen,
dich an meine Feder knüpfen,
nackt auf meine Feder spießen
werde ich dein kleines Herz,
Licht soll von ihm niederfließen
strömend ewig tiefenwärts,
schüren wirst du ihre Glut,
daß du meine Fackel wirst,
bis in unsrer Feuerflut
Feder sowie Herz zerbirst.
Der FederkielDas OpferDer RubinAmor fatiDer SpeerAuf einen GiftbecherWache NächteDer SchreiFrühlingsmorgenSerenadeLiebeBlauer HimmelAm StrandGenug!Der FindlingsblockUmsonstDas ZauberliedDie KlageDer MorgenDer ProletDer TempelEinsamDie reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Der Federkiel

Gleich einem umgestülpten Glas,
das von der Lerchen Liederschlag
in endlosem Bibrieren tönt,
hängt nun der Himmel jeden Tag
über dem strotzend fetten Gras.
Doch mir ward diese blaue Welt
feindlich zu einem Satyrspiel,
das meiner Nöte lächelnd höhnt
und mich gleich einem Federkiel
in seinen losen Händen hält.
Die FlammeDer FederkielDas OpferDer RubinAmor fatiDer SpeerAuf einen GiftbecherWache NächteDer SchreiFrühlingsmorgenSerenadeLiebeBlauer HimmelAm StrandGenug!Der FindlingsblockUmsonstDas ZauberliedDie KlageDer MorgenDer ProletDer TempelEinsamDie reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Die Flamme

Auch ich weiß, woher ich stamme;
schwälend trüb gleich einer Flamme,
die das Moor zum Schwälen brachte –
dieses Moor, das ich verachte,
Not und Plage heißt dies Moor –
glimm ich in die Nacht empor;
[45]
diese Nacht, die sturmdurchwütet,
in der Graun und Ekel brütet,
die mich giftig schweigend tötet,
eh der Tag sich mir gerötet.
Pro domoDie FlammeDer FederkielDas OpferDer RubinAmor fatiDer SpeerAuf einen GiftbecherWache NächteDer SchreiFrühlingsmorgenSerenadeLiebeBlauer HimmelAm StrandGenug!Der FindlingsblockUmsonstDas ZauberliedDie KlageDer MorgenDer ProletDer TempelEinsamDie reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Pro domo

Ihr wollt mich nicht? Ihr werdet mich schon wollen
und euch nach meiner Zauberpfeife tollen
so leicht, als ob ihr ihren Klang verstündet,
ihr werdet schrein, ihr hättet sie ergründet,
bis ihr sie nächstens selbst zu blasen prahlt;
ihr affenelendes Geschlecht, es malt
auf eure niedre Stirne tintendick
und gänzlich unverkennbar die Natur
der unheilbaren Dummheit Signatur –
und doch zerbracht ihr Toren mein Geschick.
Der FlötenbläserPro domoDie FlammeDer FederkielDas OpferDer RubinAmor fatiDer SpeerAuf einen GiftbecherWache NächteDer SchreiFrühlingsmorgenSerenadeLiebeBlauer HimmelAm StrandGenug!Der FindlingsblockUmsonstDas ZauberliedDie KlageDer MorgenDer ProletDer TempelEinsamDie reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Der Flötenbläser

Drum sollt ihr tanzen, bis ihr Hilfe! schreit,
ihr sollt in unersättlicher Begier
euch überfressen noch an mir
und meiner Flöte wilden Traurigkeit,
die euch in aller Dinge Rätselstreit
taumelnd mitreißt und eure Eselsohren schier
verrückt und völlig trunken macht, bis ihr
mich und mein Flötenlied ausspeit
und dasteht wie der Pöbel, dem der Rausch
und Wein der Nacht verflog –
ich nehm den Ruhm der Ewigkeit in Tausch,
wenn ich nur einmal eure Stumpfheit hoch
gejagt und ihr euch zitternd eingesteht:
er hat uns wie ein Sturmwind fortgeweht!
Nach dem RegenDer FlötenbläserPro domoDie FlammeDer FederkielDas OpferDer RubinAmor fatiDer SpeerAuf einen GiftbecherWache NächteDer SchreiFrühlingsmorgenSerenadeLiebeBlauer HimmelAm StrandGenug!Der FindlingsblockUmsonstDas ZauberliedDie KlageDer MorgenDer ProletDer TempelEinsamDie reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

[46] Nach dem Regen

Zwischen des Gartens stierköpfigen Schatten,
aus denen des Tages letzte Lichter
wie blutrot müde Augen funkeln,
wandeln wir um und sprechen leise
von unsren geknickten Plänen; von den
Bäumen fallen die Tropfen und zuweilen
stürzen, dort wo die Wege sich biegen,
des Gartens Schatten wie wollige Stiere
jählings auf unser Herz –
dann klettert mit seinen hageren Armen
der Mond an den sparrigen Zweigen hoch
und will mit seinen zitternden Händen,
seiner messingnen Greisenglatze
und süffisanten Magisterfratze
unser Leid in ein ironisches Lächeln umwenden;
aber ein Wind schüttelt die Wipfel
und durchnäßt und schweigend gehen wir heim.
Auf den WegNach dem RegenDer FlötenbläserPro domoDie FlammeDer FederkielDas OpferDer RubinAmor fatiDer SpeerAuf einen GiftbecherWache NächteDer SchreiFrühlingsmorgenSerenadeLiebeBlauer HimmelAm StrandGenug!Der FindlingsblockUmsonstDas ZauberliedDie KlageDer MorgenDer ProletDer TempelEinsamDie reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

Auf den Weg

Ihr zuckt die Achseln, weicht mir aus,
drückt euch in meines Nachbarn Haus?
Drückt euch – ich werd euch dennoch packen
und euch auf Schnee und Bergeszacken
umbraust von aller Rätsel Plagen,
ein Hagelsturm, zu Boden schlagen.
PrometheusAuf den WegNach dem RegenDer FlötenbläserPro domoDie FlammeDer FederkielDas OpferDer RubinAmor fatiDer SpeerAuf einen GiftbecherWache NächteDer SchreiFrühlingsmorgenSerenadeLiebeBlauer HimmelAm StrandGenug!Der FindlingsblockUmsonstDas ZauberliedDie KlageDer MorgenDer ProletDer TempelEinsamDie reine SeeleDer MondbrunnenDie UhrenDie NachtDie DrosselDer TagOkkultaMystikaDer TodDie SterneDie WeltGottDas LebenDie SpracheDie SeifenblaseDie ZeitDer SteinDie MaskeAn einen WacholderbaumAn der ReußEkstaseDer HerbstDer FöhnJulitagVorfrühlingPueriliaDer faule MuckerAbendParalyseVorbei!Der ToteDer SchußDas MoorDer TraumIm Englischen GartenFrühlingDas HopsassaWidmungGedichteSack, GustavDie drei Reiter

[47] [49]Prometheus

(1913)
Abgeleitet aus dem 1906 entstandenen unveröffentlichten Jugendwerk »Erwins Tod«
[49] [51]1.
Mit wuchtigen Schlägen war der Sturm gefahren,
nun fällt im aufgewühlten Meer zu Tod
die Sonne und in schiefergrauen Scharen
wehn Regenweiber durch des Abends Rot
und schaun der Sonne nach, wie sie verloht.
Die Welt ist still und still verblaßt das Bild.
Da weckt ein Flügelrauschen mich, da droht
ein Schwarm von Adlern über mir, da schrillt
ihr Ruf und reißt mich zu des Himmels blankem Schild.
2.
Von zweier Klaun ergriffen hob mich linde
der braunen Riesenschwingen sanfter Schlag
durch Hagelwolken hoch und Wirbelwinde.
Und während unter mir der müde Tag
in siechen Nebelschwaden welkend lag,
von neuem brach die Sonne glühend hoch
und krönte mich mit ihrem Gold: so wag
es Adlerpaar, und flieg durch Wolkgewog
und Dünste hoch zum Äther wie noch Keines flog.
3.
Schon sind die Wolken und der Erde Lande
zum rollenden Globen fest in eins geballt,
schon breitet sich die Welt wie Silbersande,
schon hat den öden Raum sie eingekrallt
als schimmernd bleiche Riesenringgestalt,
die still in ihren kreisenden Spiralen
vom Ende sich zum Anfang wälzt, – da prallt
mein brausend Adlerpaar zurück, da strahlen
ob unsern Häupten gleich hell flammenden Fanalen
[51] 4.
ankündend die Geburtsstund einer Welt
des Lichtes Wogen, wie vom Sturm zerzaust
und gischtend wie vom Brandungsfels zerspellt:
hindurch, o Adlerflug! Und wo es braust
von andren Sonnen, andrer Sonnen Faust
der rollenden Planeten Republik
an unsichtbaren Zügeln lenkt, umsaust
vom Äthersturme stürm, mein Adlerglück,
durchbrich den Ring der Welt, mein fliegend Sturmgeschick!
5.
Durchbrich den Hades und die narrenden Schatten,
o meine höhenbrausende Natur,
durchbraus der Sterne und der Nebelmatten
gehäufte Ringe und Spiralen nur! –
Die Welt versinkt und sonder Pfad und Spur
ergreift das Dunkel uns, und unter mir
seh ich der Welten rollende Struktur
im Riesenkreis sich winden voller Gier
und Qualen her und hin wie ein zerplagtes Tier.
6.
Der ungeheuren Höhe wüst Gewand
mit schwarzen Seidenfransen mich umflattert –
und in dies ewig unbetretene Land
von einem Eisorkane rings umgattert
und gelben Hagelwettern wirr umknattert
ich meiner Adler Riesenschwingen zwang!
Die Feder stäubt, der wilde Hagel rattert –
im Stürmeknäul den Ring ich stolz durchdrang,
da unter mir das letzte Licht der Welt versank.
[52] 7.
Nun hüllt mich ein das flatternd schwarze Kleid,
nun schwimme ich in grandiosen Nächten,
nun presse ich hervor, was ich an Leid
zu schürfen weiß aus meiner Seele Schächten,
um es zu Geißeln kreuzweis zu verflechten,
und peitsche meine Flügelrosse wund
und zwinge meine Räuber mir zu Knechten:
ihr rißt mich von der Erde stillem Grund,
nun tragt mich zu des Ruhmes goldnem Sonnenrund!
8.
Ich geb euch alles, wenn ihr hoch mich bringt,
mein Blut soll tränken eure braunen Schwingen,
mein Herzblut, wenn ihr jene Sonne zwingt!
O fliegt! zu meinem Schöpfer will ich dringen
und ihn mit meiner Kinderfrage niederringen:
warum? warum? O du! warum? – Mir blieb
auf Erden nichts, nun biet ich mich den Klingen
des Frostes dar, und was mir selber lieb
an mir noch ist, ist dieser Ruhm- und Rachetrieb. – –
9.
In seiner unermeßlich öden Leere
geformt wie eines Nebels feinen Zug,
der los sich löst vom grauen Nebelmeere
in einem abendkühlen Erlenbruch,
der Raum ein Dunstgeschiebe schwebend trug.
Das leuchtete, wie wohl ein Weidenstumpf
in Frühlingsnächten leuchtet, wenn der Flug
der liebestollen Eulen und ihr dumpf
Geheule schaurig geistert über See und Sumpf –:
[53] 10.
hoch stehe ich auf meiner Adler Rücken,
die blutgetränkte Geißel schwingt die Hand
und weist zu jener gasigen Nebelbrücken,
die eine Öde an die andre bannt;
nun türmt sich's hoch, nun drängt sich Phosphorbrand
und Dunst um uns in bleichen Wolkenballen –
die Spur verflogen und den Weg verrannt,
hintaumeln wir in giftigen Nebelhallen,
der Atem keucht, die Schwinge bricht, wir fallen, fallen –.
11.
Da reiß ich Fetzen Fleisch aus meiner Brust,
zerbeiße mit den Zähnen meine Adern
und stille ihre gierdevolle Lust –
zurück zu jenen giftgen Dunstgeschwadern!
Mit meinem Schöpfer laßt mich grimmig hadern,
in tiefste Heiligtümer will ich dringen,
in seines eignen Demantbaues Quadern
mit meinem Gotte Aug in Auge ringen
und ihn mit meiner Kinderfrage niederzwingen!
12.
– – – – – – noch immer tiefe Nacht!
Da wühlt und nagt in mir der Zweifel Streit
und draußen lullt der Frieden leis und sacht
sich selber ein! Ein heißer Zwiespalt schreit
durch meine Welt! Mit einem Herzen weit
geöffnet aller Sinnen bunten Formen
vereinigt sich ein Drang nach Wesenheit,
nach grauen Formeln und nach ewigen Normen:
ich seh in Nymphen stets Sibyllen nur und Nornen.
[54] 13.
Das ist des Glaubens unheilvoll Vermächtnis,
des süßen Kinderglaubens schwerer Fluch,
der Ammenworte untilgbar Gedächtnis!
Der Vatergott, den ich in mir erschlug,
der kleidet sich in Spuk und Schementrug
und geistert nun als »Ding« und als »Substanz«,
als »Wahres Sein« und »Letzter Grund« –, genug,
solange dieser bleiche Schementanz
noch spukt, ist zwiefach meines Lebens schöner Sinnenkranz. –
14.
Da atmete die Nacht und ein Arom
von blühendem Roggenkorn dem Hauch entsank
und Flut auf Flut flog durch den blauen Dom
der liebeswilden Nachtigall Gesang –
Was singt sie nur? Welch letzter Grund nur zwang
in solche kleine Brust solch wildes Sehnen?
Und grade diesen Ton? Und diesen Klang?
Ach! in des Lebens tiefsten Wollustszenen,
umwogt von Liebesdüften süß wie der Verbenen,
15.
drückt mich im Taumel deiner weißen Glieder
von höchsten Lüsten schmerzlich süß zerrissen
der alte Zweifel ewig quälend nieder:
mich peinigt auf der Liebe Seidenkissen,
mich martert unter wollustwütigen Bissen
die ewig qualenvolle letzte Frage:
warum dies nur? Und in den Finsternissen
der Gottheit suchend tief versenkt, zernage
ich meiner Jugend taumelbunte Wundertage. – –
[55] 16.
Aus krauser Formeln Hieroglyphenstil,
aus blauer Nacht und weißen Mädchenhüften
aus aller Sinne purpurnem Gefühl –
durchwirkt mit schwarzen Lettern heiliger Schriften,
durchtränkt mit Vogelsang und Roggendüften
sinkt wie ein sammetweiches Tuch der Schlaf
auf mich und führt zu tiefsten Felsengrüften
mich unter eines linden Traumes Architrav –
mich Götterfeind und widerwilligen Hierograph!
17.
Nun wandre ich in Beni Hassans Grabe,
im tiefen Felsenschoß der Pyramiden
und wanke, wanke hin am goldnen Stabe
des Schlafs und trinke süßen Seelenfrieden. –
Der wilde Vater der Ozeaniden
lehnt seinen Dreizack an des Berges Wand,
da glättet sich der Wogen wallend Sieden
und ihres Wütens schäumender Unverstand
und es verperlt der Kämme kochend weißer Rand.
18.
Doch steigt die Nacht herauf mit tausend Sternen,
auf seinem harten Lager stöhnt das Meer,
und ruhlos wälzt sich in den grauen Fernen
das blaue Ungeheuer hin und her.
Es schläft, und seiner Wellen rauschend Heer
begleitet seiner Träume leere Leiden –:
der Ekel vor der Tage Wiederkehr
und was da stöhnt in wüsten Wasserweiten
ist nur die Qual der grenzenlosen Einsamkeiten!
[56] 19.
Die Amsel ruft! Mit goldstaubschweren Händen
umfaßt der Morgen meine Seele wieder
und führt sie aus des Schlafes Felsenwänden
zurück in ihre weichgelösten Glieder.
Dann streicht er kosend über Brau'n und Lider
mit seiner Morgenröte ersten Strahlen,
und kniet vor meinem Lager leise nieder
und träuft auf meine Lippen abermalen
der Hoffnung Tau aus heckenrosenroten Schalen.
20.
Ein neuer Tag! Gottlob ein neuer Tag!
Und neue Hoffnung, heut das Wort zu finden,
in dessen Klang die Welt ich lieben mag,
mit dessen Lettern – wie mit Heckenwinden,
die Schilf und Baum zu einem Grün verbinden –
ich meine Welt an andre knüpfen kann.
Ein neuer Tag! Es rollt aus Abgrundsgründen
das Ungeheure purpurgolden an –
im Ungeheurn das Ungeheuerste gerann. –
21.
Schon trank mit ihren durstigen Strahlenzungen
die Sonnenglut der Täler Nebelseen
und warf sich leuchtend dann und honigtrunken
von dieser Blume, die – wer weiß für wen? –
im Äther blüht, in kobaltblaue Höhn.
Nun liegt die Welt wie aus dem Nichts entsprungen
und wie ein Meisterkunstwerk anzusehn,
das meinem Sinnen mühelos gelungen,
in krausen Wäldern und in grünen Niederungen.
[57] 22.
Du meine trunkne Sonne, Wald und Tal,
ihr blauen Höhn und silberhellen Weiher,
ihr Bäume, Blumen, Gräser ohne Zahl –
o meine lichtdurchströmte Morgenfeier!
Ich schwebe über euch, ein Riesengeyer,
und schwöre mir den souveränen Schwur:
ich schuf euch! o bei meiner goldnen Leyer!
ich schuf die Welt, ich weckte die Natur,
und außer mir ist nichts! – Und doch – was will ich nur?