B.

Eine Frau hatte zwei Töchter, eine Stieftochter und eine rechte Tochter. Die rechte Tochter hatte ein schönes Gesicht und war auch schön gewachsen, die andere war aber häßlicher. Die Stieftochter muste die gröbste Arbeit thun; sie muste Holz holen, Gras für die Kuh schneiden, überhaupt die niedrigste Mägdearbeit verrichten. Ihre Schwester aber blieb immer zu Hause und konnte thun, was sie wollte; sie konnte lesen, oder stricken, oder häckeln, so oft sie Lust hatte, aber andere Arbeit that sie nie. Eines Tages muste die arme Stieftochter auch wieder über alle Maßen arbeiten, und sollte am Nachmittage noch eine große Menge Zeug waschen, womit sie vor dem Einbruch der Nacht kaum fertig werden konnte. Da bat sie ihre Schwester, sie möchte ihr doch helfen; doch diese antwortete ihr stolz, sie solle sich schämen so faul zu sein, daß sie eine so kleine Arbeit nicht einmal selbst thun wolle. Als sie spät am Abend das Zeug noch auf die Bleiche brachte, fror sie gewaltig, aber dennoch wagte sie es nicht eher wegzugehn, als bis sie ganz fertig wäre. Als sie nun aus dem Brunnen Wasser zum Besprengen (lecken) schöpfen wollte, sah sie da wunderschönes feines Zeug ausgebreitet, das war ganz »übermenschlich fein.« Sie wollte ein Stück davon mitnehmen, da kamen aber die Nymphen aus dem Brunnen und baten, sie möchte doch das Zeug liegen lassen. Sogleich legte sie es wieder hin. Da warf ihr eine der Nymphen einen Stein ins [277] Gesicht und bespritzte sie mit Wasser aus dem Brunnen. Wie sie nach Hause kam, sah sie, daß sie recht schön geworden war, viel schöner als ihre Schwester. Der Stein aber war ein großer Edelstein. Als das die Schwester sah, ward sie sehr neidisch und wollte durchaus eben so reich werden. Sie ging also zu dem Brunnen und nahm gleich mehrere Stücke von der Wäsche weg. Die Nymphen baten wieder, sie möchte doch die Wäsche liegen lassen; das wollte sie aber nicht anders, als wenn sie auch einen solchen Edelstein erhielte, wie ihre Schwester. Nachdem sie nun das Zeug wieder hingelegt hatte, warf ihr eine der Nymphen ebenfalls einen Stein ins Gesicht und bespritzte sie mit Wasser. Vergnügt lief sie nach Hause. Hier aber fand sie, daß sie lange Eselsohren bekommen hatte und ganz mit Haaren im Gesichte bewachsen war; statt eines Edelsteines aber hatte sie einen dicken Kieselstein. Die schön gewordene Stieftochter heirathete bald darauf einen reichen, reichen Mann und wurde recht glücklich. Ihre Schwester aber wurde immer ärmer; denn sie hatte keinen mehr, der für sie arbeitete, und selbst arbeiten konnte und mochte sie nicht. Zuletzt ließ sie sich mit ihren Eselsohren von ihrer Mutter für Geld zeigen, damit sie nur zu leben hätten. So kam das Mädchen mit seiner Mutter eines Tags auch zu der Schwester, welche sie sogleich erkannte. Sie nahm sie aber freundlich auf und machte ihre Schwester auch wieder hübsch; dazu gab sie ihr noch so viel Geld, daß sie mit ihrer Mutter bequem davon leben konnte, indem sie dachte, der Hochmuth ihrer Schwester sei genug bestraft.

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