Personen.
- Der grosse Napoléon, ein Kaiser.
- Der grosse Zibólko, ein Künstler.
- Susanne, ein Modell.
Personen.
Mein lieber Zibólko, Sie scheinen sehr kurzsichtig zu sein. Sehen Sie denn nicht, dass ich hier oben das zwanzigste Jahrhundert regiere?
Was? Da oben auf meiner Trittleiter regieren Sie – das ganze zwanzigste Jahrhundert? Wie sind Sie blos da hingekommen?
Wundern Sie sich blos nicht so viel. Das ist ja lästig. Sie wissen doch, dass ich mich in meinem ganzen Leben niemals gewundert habe.
Ich möcht' aber ausserdem sehr gerne wissen, wie Sie's fertig bringen, da oben so ohne Weiteres zu regieren – gleich ein veritables Jahrhundert zu regieren. Brauchen Sie dazu nicht ein kleines Szepter?
Nein, mein lieber Zibólko. Ich stehe hier ganz einfach da und suggeriere den Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts meine Gedanken auf. So regier ich!
Militärische – selbstverständlich! Fragen Sie nicht so dumm! Vergessen Sie nicht, wen Sie vor sich haben!
Ach! Jetzt bin ich aber erst recht neugierig. Gibt's denn auch »militärische« Gedanken? Das ist ja zu komisch! Herr, wie sehen die aus?
[149]Frag Er doch nicht immer so wie ein alter Kammerdiener! Was für Gedanken soll ich denn haben? Ich kann doch nur militärische Gedanken haben. Ich denke an Flinten und Kanonen, an Säbel und Bajonnettes, an blanke Stulp-Stiebel und klirrende Sporen, an blanke Knöpfe und blanke Helme, an Epaulettes und Orden, an Granaten und Raketen, an Trommeln, Pfeifen, Pauken und Trompeten, an Pulver und Blei, Dynamit und Panzerschiffe, Hurrahgebrüll und Torpedos – na? – was noch? – zum Teufel! Ich denk ans Militär!
Das nenne ich allerdings »Gedanken«. Jeder vernünftige Mensch nennt das »Gedanken«. Und Sie werden mir jedenfalls zugeben, dass die Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts diese Gedanken ebenso gut kapiert haben – wie die des neunzehnten Jahrhunderts. Mir ist es eben gelungen, diesen Menschen diese Gedanken aufzusuggerieren – einzutrichtern – Sie verstehen wohl. Ich regiere eben das zwanzigste Jahrhundert auch. Wollen Sie das vielleicht bezweifeln?
Nein – das kann ich nicht bezweifeln. Sie haben ja so Recht! Ich bewundere Sie! Wahrhaftig! Hand aufs Herz! Doch, Herr Napoléon, wissen Sie, was ich möchte?
Herr – wenn Sie so anfangen – dann will ich Ihnen bald zeigen – wem die Trittleiter gehört. Die Trittleiter ist mein Eigentum.
Und Sie sind ein Wallross! Dringt mit dem Pinsel auf Napoléon ein – die Palette als Schild benutzend. Der Kaiser zieht kaltblütig seinen Degen, und Zibólko zieht sich erschrocken zurück.
Wir wollten hier doch rein machen – die Wände abfegen – und Du – Du willst jetzt wieder das zwanzigste Jahrhundert regieren?
Zibólko! Mit Liebe geht's! Ich sage Dir: mit Liebe geht Alles! Ich schmacht ihn an! Rührend. Polli! Süsser Polli!
Oh, mein Napolium, ich bin eine indianische Prinzessin! Mein Herzblut schäumt wie der Niagarafall. Fall nicht um, Napolium! Ich liebe Dich! – denn Du bist gross. Und ich liebe alle [151] grossen Männer. Das ist ja mein Beruf. Komm runter an mein Herz! Steck aber zuvor Deinen Degen ein!
Die Susanne hat offenbar den Napolium besiegt! ohne Frage! Susanne ist tatsächlich ein Genie! Die hat die Taktik und Diplomatik mit Löffeln gefressen. Während sie mich liebt, liebt sie den Napolium! Und ich kann ruhig regieren – kann ruhig das ganze zwanzigste Jahrhundert regieren. Spass! Ich regiere mit Pinsel und Palette! Jetzt will ich der Welt was aufsuggerieren! Fächelt sich mit der Palette frische Luft [152] zu, hält den Pinsel nach unten wie einen Säbel. Die Geschichte wird einfach grossartig! Tiefsinnig – fast murmelnd. Die Uniform verfiel in Grössenwahn und schuf sich einen Apostel, den die Welt Napolium nannte. Jetzt soll die Kunst in Grössenwahn verfallen und – und – Unheimlich langsam aufstehend. Zibólko soll der Kunst-Apostel sein! Während er sich fest auf zwei Mittelstufen der Trittleiter stellt. Huh! Man staune! Zucken da drüben nicht bunte, glitzernde Glanzlichter auf! Das ist ja wirklich das zwanzigste Jahrhundert! Na natürlich! Ein glänzendes Zeitalter: Strahlende Riesenpaläste öffnen sich! Hei! Das ist ein Künstlerreich! Mit verklärten glänzenden Augen. Die Welt wird nicht mehr hypnotisiert durch die Farbenpracht der Uniform – nein – fürderhin hypnotisiert nur noch die Farbenpracht der allein selig machenden Kunst. Tiefsinnig – sehr geistreich. Die blanken Kunstknöpfe sind tausend Mal heller und feuriger als die blanken Soldatenknöpfe, die alle Tage blind werden. Donnerwetter! Wer das nicht einsieht, kann sich begraben lassen. Sich lachend hinter den Ohren krauend. Der Glanz der Kunst wirkt wie sieben Mal hundert siebzig tausend Milliarden ganz heisser Riesensonnen mit dicksten Milchstrassen – ach was! – noch viel stärker – viel – viel stärker!
Napolium, ich sage Dir: ich bin Susanna, eine sagenumwobene indianische Prinzessin, die sich Nichts weiss machen lässt! Du musst mir gehorchen.
Susanne, was schreist Du da so? Sei endlich still! Hörst Du denn nicht, dass ich jetzt schon das zwanzigste Jahrhundert regiere? Bist Du taub geworden?
Sie – Sie – Sie gänzlich veralteter Napolium – machen Sie sich nicht länger mausig! Das rat ich Ihnen in allem Ernst. Helfen tuts Ihnen doch nichts. Ich regiere [153] hier! Sehen Sie das nicht? Sind Sie auch kurzsichtig geworden?
Napoliums Ende und Zibólkos Anfang! Jetzt setzt es Künstlergedanken! Neue Geister kommen Flügel schlagend hell lachend heran. Wir können Alle lachen! Gewaltige Weltbilder mit neuen Sternen und neuen Sonnen steigen schon im Hintergrunde drollig leuchtend in die Höh'. Neue »lustige« Raketen mit ganz bunten Diamanten funkeln und zischen rechts und links! Jetzt haben wir endlich – Farben – Paläste – echten Weltrausch – Welten – Welten! Wunder entzündende magische Lichter flackern überall! Und alle Menschen denken und empfinden jetzt wie ich! Das ist eine Lust. Weihrauch! Weihrauch! Jubelt mir zu! Ich bin ja der »Künstler an sich«! Habt Ihr das nicht gleich mir angemerkt? Kinder, lasst Euch küssen! Weihrauch! Weihrauch! Ich suggeriere! Ich regiere! Schluchzt und agiert furchtbar mit den Armen.
Zibólko! Napolium brach das Genick. Er fiel all' die vielen Treppen runter. Die langen Sporen tragen an Allem die Schuld!
Schmeiss dem Napolium auch den Degen nach! Spute Dich! Die barbarische Waffe beleidigt mein Künstlerauge!