2. Als er von der Lisilis muste wegziehen

1.
Ihr Mädgen von der Pleisse,
Die ihr mit höchstem Fleisse
Die Höflichkeit studiert,
Und aller Männer Hertzen
Durch euer süsses Schertzen
Als wie gefangen führt.
2.
Ich muß es zwar gestehen,
Ihr könnet sachte gehen
Und etwas höhnisch seyn,
[75]
Doch wenn wir eure Wangen
Mit voller Lust umbfangen
Geht alles lieblich ein.
3.
Ihr angenehmsten Kinder,
Die Zeit kömt mir geschwinder
Als Wind und Wasser für,
Seit ich bey euch gesessen
Und meiner selbst vergessen
An der beliebten Zier.
4.
Ich kan nicht länger bleiben
Und meine Zeit vertreiben
Wie ich bißher gethan,
Nur nehmet mein Verlangen
Und was ich sonst begangen
Im besten auff und an.
5.
Und wolt ihr mir gefallen,
So last mich unter allen
Zu erst vergessen seyn,
Ich will mich auch bemühen
Mein Hertze zu entziehen
Von aller Liebes-Pein.
6.
Mein Liebgen außgeschlossen,
Die wird mir diesen Possen
In Ewigkeit nicht thun,
Ich weis daß ihr Gemüthe
Wird voller Huld und Güte
Bey meiner Seelen ruhn.
7.
Es hat nichts zu bedeuten
Ob sie sich vor den Leuten
Gleich anders stellen muß,
So wird sie in Gedancken
Mir dennoch ohne wancken
Vergönnen Kuß um Kuß.
8.
Es ist wohl eh geschehen
Daß ich sie nicht gesehen
Und doch hab ich geliebt:
Die Liebe sucht ein Hertze,
Das sich im Leid und Schertze
Nicht auß dem Vortheil gibt.
[76] 9.
War nicht das Fenster offen
So senckte sich mein hoffen
In ihre Freundlichkeit;
Sah ich ihr Angesichte,
So ward ich von dem Liechte
Der Gegenwart erfreut.
10.
Ach wenns das Mädgen wüste
Daß ich verreisen müste,
Und sie zugleich mit mir!
Wiewol sie muß es wissen
Weil unsre Seelen müssen
Verknüpfft seyn für und für.
11.
Ich küsse mit Verlangen
Die allerschönsten Wangen
Noch einmahl durch die Lufft,
Und warte biß das Glücke
Mich wiederum zurücke
Zu ihrer Schönheit rufft.
12.
Da werd ich mich erfreuen,
Und diese Gunst verneuen
Die mich vergnügen soll,
Itzt muß ich mich entschlagen,
Und kan nichts anders sagen,
Als Liebgen lebe wohl.

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