Wiedersehen

Der Abend dämmerte bereits, als Luise vor dem Posthause zu K. abstieg, wo der Pfarrer von Hochbronn bereits ihrer harrte – das erste Wiedersehen seit jener Trennung. Lehner war es gar beklommen zumute, aber Luise bot ihm freundlich die Hand und sagte treuherzig: »Da bin ich denn, und es soll mich freuen, wenn ich euch von Nutzen sein kann.« Nachdem sie für Abladung des Koffers gesorgt und ihre große Tasche an den Arm gehängt hatte, machte sie sich mit dem Pfarrer auf den Weg und bemühte sich, seine Befangenheit zu zerstreuen: »Sie sind nicht mehr in Tannhausen?« – »Ach, nein, nach dem Tode meiner Frau Schwiegermutter hätte es Adele zu sehr angegriffen, noch in der Nähe der Residenz zu sein; auch hielt man die Luft nicht für gut, und – meine Ausgaben nötigten mich, auf einen einträglicheren Dienst zu sehen.« – »Was fehlt denn eigentlich Ihrer Frau?« Mit dieser Frage Luisens war ein Gesprächsthema angeschlagen, das reichlich vorhielt bis zum Pfarrhause. Er erzählte, wie Adele immer nervenschwach gewesen, wie es ihr von den Nerven aufs Herz und vom Herzen wieder in die Glieder und von da auf die Brust gezogen sei; wie die Badereisen in den letzten Jahren ihren Zustand nur immer verschlimmert hätten, und wie sie jetzt so über alle Begriffe angegriffen sei, daß die kleinste Aufregung die heftigsten Krämpfe bringen könne, und dazu die [134] Haushaltung, den Garten, die Kinder mit ihrer Unruhe und unbrauchbare oder eigenwillige Mägde! »Oh, es ist oft ein Elend, von dem Sie keinen Begriff haben.«

»Nun, das wird mit Gottes Hilfe auch wieder besser; wir müssen nur der armen Frau nicht mit häuslichen Sorgen das Herz schwer machen und selbst guten Mut behalten.« – »Ach, wenn ich mich zusammennehme und heiter scheine, so sagt sie, ich sei gleichgültig, und klage ich, so weint sie und wünscht sich den Tod! Aber sie ist bei alledem die beste Frau der Welt, nur der angegriffene Zustand ...«

Sie hatten das Haus erreicht. Es war ein schönes, stattliches Haus, das Pfarrhaus zu Hochbronn, im Mondschein, der die vernachlässigte Umgebung nicht so erkennen ließ wie das Sonnenlicht, und als der Pfarrer die Klingel zog, um die als Fremde einzuführen in sein Haus, die einst so vertrauensvoll ihre Hand in die seine gelegt hatte zum Gang durchs Leben, da durchzuckte wohl beide ein seltsames Gefühl. Zum erstenmal wagte er Luise anzusehen, das helle Mondlicht fiel auf ihre Züge; sie aber blickte ihn an mit einem so klaren, ruhigen Blick, so voll von Frieden und Vergebung, daß dieser Blick ihm die Tiefen eines Herzens zeigte, das über den Stürmen steht und die Welt überwunden hat.

Die Magd kam herab, öffnete das Haus und stellte dem Pfarrer, ehe er die Treppe betrat, Stiefelknecht und Pantoffeln hin. »Meine Frau greift es so an, das Knarren der Stiefel auf der Treppe zu hören,« sagte er entschuldigend zu Luise. – »Aber die Bauern?« fragte diese unwillkürlich. – »Wer vom Dorf ein Anliegen an mich hat, den empfange ich im Schulhaus,« sagte er etwas verlegen.

Die Frau durfte heute nimmer beunruhigt werden mit der Kunde von Luisens Ankunft; Luise genoß den Rest angebrannter Suppe, den die Magd noch warm gehalten hatte, und ließ sich ihr Schlafgemach zeigen. Das Gastzimmer schien längst als Rumpelkammer zu dienen; das Gastbett war ordentlich aufgemacht, nur befand sich unter der Matratze eine Ablage für schmutzige Wäsche; Luise hatte bis tief in die Nacht[135] zu tun, bis sie nur das Zimmer einigermaßen wohnlich geordnet, und poetische Gemüter mögen ihr verzeihen, daß in dieser ersten Nacht unter dem Dach des Hauses, das ihre Heimat hätte werden sollen, die Prosa der Gegenwart mächtiger wurde in ihr als die Poesie der Vergangenheit und daß ihre Gedanken beim Einschlafen sich mehr um künftige Veränderungen im Hauswesen drehten als um begrabene Träume.

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