[264] Die erlöste Schlange.

Ein Bauer ging eines Morgens in aller Frühe ins Feld zur Arbeit. Die Sonne stieg auf und es wurde immer heißer, da legte er sein Wamms ab und neben sich auf die Erde. Als die Glocke Elf schlug, wollte er es wieder anziehen um nach Hause zu gehn, da sah er zu seinem Schrecken, daß eine Schlange darauf lag. Er schüttelte das Wamms, doch sie war nicht wegzubringen, sie war wie angezaubert. Schon wollte der Bauer einen derben Fluch ausstoßen, da sprach die Schlange: ›Ich weiche nicht von deinem Wamms und von dir, bis du mir versprochen hast, mich zu heirathen.‹ Das schien dem Bauer doch bedenklich und er sprach: ›Das Heirathen ist eine wichtige Sache, welche man nicht also ohne Weiteres abmacht. Ich muß mich darüber besinnen und will dir Antwort sagen.‹

Er ging ins Dorf und zum Pfarrer, frug ihn, was er in der Sache zu thun habe? Der Pfarrer besann sich lange, las in einem großen Buche und sprach: ›Gehe zurück und versprich der Schlange sie zu heirathen. Sie wird alsdann heute Nacht zu dir kommen und hast du Muth, so ist dein Glück gemacht. Du mußt sie mit dem Schlage Zwölf mit beiden Händen fassen und über deinen Kopf in die Höhe halten, darfst sie aber nicht los [265] lassen, komme, was da wolle.‹ Rasch kehrte der Bauer in das Feld zurück und sprach zur Schlange: ›Ich will dich heirathen.‹ Da war sie ganz außer sich vor Freude und zappelte lustig, dann machte sie einen schönen Ring und war verschwunden.

Kaum hatte sich der Bauer Abends zu Bette gelegt, da kam die Schlange in die Kammer und legte sich zu ihm. Er lag ganz ruhig bis zwölf Uhr, da packte er sie fest und hielt sie hoch über seinen Kopf. Sogleich flog die Thür auf und sechs große dicke Schlangen schnellten herein und auf das Bett zu. Da wurde es dem Bauern warm und kalt, aber er faßte sich ein Herz und hielt aus, auch als die Schlangen sich an dem Bett heraufringelten und ihn mit ihren doppelten Zungen umzischten, als wollten sie all ihr Gift auf ihn speien. Das dauerte bis es Eins schlug, da waren sie plötzlich verschwunden. Die Schlange aber sprach: ›Ich danke dir, mein Erlöser, daß du mich so treulich beschützt hast. Halte nur noch zwei Nächte also aus, dann bist du glücklich und ich noch mehr.‹ Damit verschwand sie und war keine Spur mehr von ihr zu sehen.

Als der Bauer am folgenden Abend zu Bette ging, war die Schlange wieder bei ihm. Um zwölf Uhr faßte er sie abermals und hielt sie hoch empor. Da flog die Thür auf und zwölf dicke schwarze Schlangen wanden sich herein und an seinem Bett herauf und ringelten sich um ihn, bissen nach ihm und seiner Schlange. Obwohl er dießmal mehr Muth hatte, wurde ihm doch fast schlecht, als er das kalte Gewürm an sich fühlte, aber er nahm sich doch zusammen, so gut er konnte und hielt aus bis die Glocke Eins [266] schlug, da waren die Schlangen wie weggeblasen. Seine Schlange aber sprach: ›Ich danke dir, mein Erlöser, daß du so treulich ausgehalten hast, jetzt ist nur noch eine Nacht übrig, dann bin ich erlöst und du bist glücklich auf Lebenszeit.‹ Als sie das gesagt hatte, war sie verschwunden.

Abends lag sie wieder bei ihm und sah ihn so recht flehentlich an mit ihren klugen Augen. Da schwoll ihm der Muth und er sprach zu sich selbst: ›Ehe ich sie dem garstigen Gezücht preis gebe, lasse ich mich lieber selbst von ihm fressen.‹ Als es zwölf Uhr schlug faßte er sie und hielt sie hoch empor. Da sprang die Thür auf und in einem Augenblick war die ganze Kammer voll von den häßlichsten Schlangen, die zappelten und zischten und ringelten sich unter einander, daß es nicht zum Ansehen war. Der Bauer drückte die Augen zu und that als höre und sehe er nicht. Sie wanden sich ihm um Leib und Arme und Hals, zischten ihm ins Gesicht und bissen nach seiner Schlange, aber er ließ sich das Alles nicht anfechten. So dauerte es bis ein Uhr, da that es einen schweren Schlag in dem nahen Walde und die Ungeheuer waren verschwunden. Auch die Schlange war ihm aus der Hand entschlüpft, dafür aber lag eine wunderschöne Königstochter neben ihm in seinem harten Bett, die sprach mit freundlichen Blicken: ›Ich danke dir tausendmal, mein lieber und getreuer Erlöser, daß du mich gerettet hast. Nun wähle dir, willst du mein Gemahl werden, oder hundert Wagen Gold haben.‹ Der Bauer rieb sich die Augen, denn er glaubte nicht anders, als das müsse ein Traum sein. Endlich sprach er: ›Wenn ihr mich zum Gemahl [267] haben wollt, allerschönste Prinzessin, dann möchte ich das lieber, als alles Gold auf der ganzen Welt.‹ Da bot sie ihm die Hand und er umarmte und küßte sie. Am folgenden Morgen, als er die Fensterläden öffnete, da stand sein Häuschen in einem prächtigen Garten mit den schönsten Blumen und Bäumen und nicht weit davon lag ein Königsschloß und eine große Stadt. Er wußte nicht, wo er stand und ob er wiederum seinen Augen trauen könne. Da sprach die Prinzessin: ›Was du da siehest, ist alles dein, dein Schloß und dein Garten und dein Königreich.‹ Und sie führte ihn in das Schloß und Beide wohnten darin und waren glücklich auf Lebenszeit.

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