[145] [147]Das vierde Buch.

Die (1) Einteilung.


Nunmehr war der Tag / der des verfluchten Weibes letzter sein solte / schon angebrochen. Die Stunde der Volziehung des Urteils nahete herbei. Das Volk eilete mit Hauffen herzu. Die Heuser lieffen leer / die Gassen vol. Einieder verlangte das Haus der Mistähtigen im Feuer zu sehen. Man besetzte die Zugänge / den Drang der Menschen zu verhühten / mit Wachen. Man reumete rund herüm alles weg / was den Brand fassen konte / dem Fortlauffe desselben zu wehren. Die Streucher und Beume selbst warden abgehauen /und das Holtz darvon / den Schmauch üm so viel grösser und beissender zu machen / mit dürren Scheitern und Reisern / üm dasselbe her geleget.

(2) Nachdem nun alles färtig war / da kahmen die Fünffürsten auch an. Diese begaben sich sümtlich in ein Haus / das gerade gegen demselben der Verbrächer über stund. Von hieraus konten sie alles am füglichsten beschauen. Von hieraus konte die Anstalt am besten gemacht / und ihr Befehl am ersten vernommen werden. Von hieraus war es dan / daß der Obervorsitzer einen Wink gab das Feuer anzuzünden.

(3) Kaum war dieser Wink geschehen / da flakkerte / da rauchete / da schmauchete schon alles ringst üm das Haus her. Unterdessen hatten sich die drei Mistähtige / vielleicht aus Hofnung noch eine Zeit lang für dem Feuer versichert zu sein / oben auf das Dach begeben. Aber sie warden garzubald gewahr / daß sie diese Hofnung betrogen. Es war schier kein Augenblik verlauffen / als die Flamme schon hinauf geklettert kahm die Armsäligen zu ergreiffen. Ja die Lähne brante schon / da die Gottlose Frau / aus Verzweifelung / von oben herab sprang.

(4) Nun war nichts Schünes mehr an ihr. Sie schien die Häsligkeit / die Abscheuligkeit selbsten zu sein. Ja sie sahe [147] [149]nicht anders aus / als ein Höllengespänst /oder vielmehr als eine lebendige Teufelin; die sich etwan aus dem Abgrunde des ewigen Zornfeuers herauf begeben / die Menschen zu erschrökken. Indem sie / der einen Flamme zu entfliehen / sich in die andere gestürtzt / bläkete / ja brüllete sie eben so greulich / als hette sie im Agrigentischen glühendem Ochsen gelegen; den nachmahls Peril aus Ertze / zu seinem eigenen Verderben / erfunden.

(5) Fast eben also muste die unglükliche Kreuse / die der Medee den Jason abspänstig gemacht / in ihrem eigenen Schlosse / verbrennen. Fast eben also ward Alzibiades / in seiner Schlafkammer / mit Feuer hingerichtet. Den Pitagoras selbst / weil er einem Jünglinge seine Schuhle verweigert / überfiel eben ein solcher Glüksfal. Gleichwohl stehet es schweerlich zu gleuben / daß diese drei / mit so euserster Verzweifelung / ihre Seelen ausgespiehen / als jene drei: denen das inwendige Feuer ihrer Gewissen viel unleidlicher war / als dasselbe von aussen.

(6) Man hette sagen sollen / daß der aufsteigende dikke Dampf / welchen das schmauchende grühne Holtz machte / sie zur Stunde solte erstikt haben. Aber es schien / daß die Göttliche Rache sie üm so viel länger / als schweerlicher sie sich am Simson vergriffen / zu peinigen vorhatte: weil sie alle drei schier nicht eher zu leben aufhöreten / als die Flamme zu wühten nachlies. Ja das Gottlose Weib / das am allerlängsten lebete / muste die grösten und meisten Schmertzen ausstehen / als eines / das sich am allermeisten verbrochen. Doch dieses war nur ein kleiner Vorschmak des ewigen peinlichen Zornfeuers / das in der Hölle schon auf sie wartete.

(7) In drei oder vier stunden lag alles nieder. Alles war eingeäschert. Vom gantzen Hause sahe man nun nichts mehr / als einen Schut von Steinen / Kohlen /und Asche / mit welcher sich die Asche seiner Einwohner vermischete. Ein solches Grab bekahmen dieselben / die sich / durch Frevel / am Simson vergriffen. In einem so wüsten Bette muste nun dieselbe /die / durch Verrühterei und Treubrüchigkeit / ihr Ehbette besudelt / zur Strafe liegen.

[149] (8) Man hatte zwar im Anfange beschlossen diesen wüsten Schut zum ewigen Gedächtnisse liegen zu laßen. Weil er aber mitten in der Stadt lag / und sie nicht wenig verunzierte; so lies man ihn dannoch /nachdem er gantz ausgeschmauchet / wegreumen /und den Mistühtern zu mehrer Schande / selbst auf den Schündakker werfen. Auch ward ein immerwährender Schlus gemacht / daß auf den ledigen Platz / da dieses Haus gestanden / zu ewigen Zeiten kein anderes solte gebauet werden. Und damit solches der Nachwelt kund würde / lies man alda eine Gedächtnisseule von weissen Steinen aufrichten / und auf dieselbe das Urteil der verbranten Mistähtigen / mit schwartzer Schrift / schreiben.

(9) Nach Volziehung dieses Urteils fand man am Stahtshofe ein Lied angeschlagen; welches ein Ebräischer Dichter auf das hingerichtete Weib / das man billich die Gotlose / wie desselben Schwester die Tugendhafte Schöne Timnatterin / nennen mochte / verfärtiget. Und dieses lautete ohngefähr also.


1.
Leg' an / Filister / zünd' an / blas' an das Feuer!
Von Dans Gebürge komt dir der Wind zur steuer.
Laß sängen / brennen / laß brahten / daß es fühlt
die mit der Ehe / gleichals mit Bällen / spielt!
2.
Rott' aus den Schandflek / den Vorwurf aller Frauen /
dergleichen keine zu finden wir uns trauen!
Das Ungeziefer / die schnöde Schlangenbruht /
die Frau / vol Arglist / die nichts / als Böses / tuht!
3.
Laß Gluht und Flammen ihr einen Sarg bereiten /
und in den Abgrund den schnöden Geist begleiten:
da er wird fühlen die allerschweerste Pein;
da seine Schmertzen unendlich werden sein.

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4.
Laß Eulen heulen / und sie zu Grabe singen /
da / wo die Stimmen der Schünderredden klingen;
da / wo der Rabe sein Kraskras lesset gehn.
Da sol ihr Grabmahl / im Schundgefilde stehn.
5.
Mich deucht / ich höre den Schünderkarn schon knarren /
der zu den Aesern selbst ihren Sarg sol karren.
Mich deucht / ihr Grabmahl sieht schon mein Auge stehn /
wo sonst die Hunde den Wanst zu weiden gehn.
6.
So schnöder Glüksfal mus auf die Schnöde fallen;
die unsren Danssohn getränket hat mit Gallen;
die ihn verrahten / beschimpft / verhöhnt / verschmäht /
dafür sie nunmehr den rechten Lohn empfäht.

(10) Unterdessen war die Schöne Timnatterin / samt ihrer Mutter / am Hofe des Obervorsitzers angelanget. Die Fürstin / welche von ihrer Ankunft / durch einen vorangeschikten Diener / schon Kundschaft erhalten / empfing sie überaus freundlich. Einer ieden ward alsobald ein sonderliches Zimmer eingereumet. Die Mutter bekahm das ihrige im Alten /und die Tochter im Neuen Schlosse; da die Fürstin sich selbsten aufhielt. Gleichwohl waren die Gemächer einander noch so nahe / daß Mutter und Tochter /durch einen Gang / leichtlich konten zusammen kommen.

(11) In diesem / welches an dasselbe der Fürstin sties / hatte das verstorbene Fürstliche Freulein ehmahls seine Wohnung gehabt. Jenes aber / darinnen die alte Hofmeisterin zu wohnen pflegte / befand sich neben dem Frauenzimmer. Die Fürstin / welche die Trauer über den Tod ihrer Fürstlichen Tochter erst vor kurtzer Zeit abgeleget / war froh / daß ihr das Glük / an jener stat / eine andere zugefüget. Und diese Freude lies sie öffendlich märken; indem sie dieSchöne Timnatterin zur [153] stunde so gar hoch begnadigte / daß sie dieselbe stähts üm sich zu haben begehrte. Ja sie befand in ihrer Geselschaft so viel Vergnügung / daß sie ohne sie fast keine Stunde tauren konte.

(12) Die Leutsäligkeit / damit diese löbliche Fürstin beiden begegnete / war nicht auszusprächen. Und hierdurch suchte sie ihr Hertzleid / wo sie es ihnen nicht gantz aus dem Sinne bringen könte / doch zum wenigsten zu lindern. Selbst gegen die Mutter war sie / üm der Tochter willen / so gühtig / daß sie / so oft sie allein war / zu ihr ging sie zu trösten. Auch vermochte dieser Trost so viel / daß die trübsälige Frau sich endlich in etwas zu frieden gab / und ihres unglüklichen Hauses immer mehr und mehr zu vergessen begunte. Und hierzu war sie üm so viel eher zu bewegen / wan sie sich erinnerte / daß ihr Ehgatte so wohl / als ihre ältere Tochter / die nunmehr beide hingerichtet waren / durch ihr widerspänstiges und eigensinniges wunderliches Wesen / sich selbst in solches Unglük gestürtzet.

(13) Die jüngere Tochter selbst schien über den Unfal ihies Vaters und ihrer Schwester / so oft ihr einfiel / wie übel sie beiderseits ihrer frommen Mutter zu ieder Zeit mitgefahren / nicht sonderlich betrübet zu sein. Und solches rührete daher / weil sie der Frömmigkeit ihrer Mutter / wie jene der Unahrt und Frefelhaftigkeit ihres Vaters / gantz nachahrtete. Auch war sie ihr gewislich von Angesicht und Leibesgestalt / ja selbst von Gebährden / wie jene dem Vater / so gar ähnlich / als wan sie etwan ein Bildschnitzer / mit großem Fleisse / nach dem Mütterlichen Wesen gebildet.

(14) Die Mutter / ob sie schon zimlich betaget /und in ihrem Ehstande viel Widerwärtigkeiten ausgestanden / war gleichwohl noch so jugendlich anzusehen / als hette sie kaum das dreissigste Jahr erreichet /und nichts / aus lauter guhte Tage / gehabt. Auch war sie so überaus weis / und so überaus wohl gebildet /daß ihr das Lob einer ausbündigen Schönheit noch itzund mochte gegeben werden. Eben so weis / eben so wohlgebildet / und eben so schön / ja noch viel schöner / weil sie ungleich jünger und zährter war /befand sich auch diese ihre Tochter: der zugleich alle die Tugenden / welche die Mutter besaß / von [154] ihr als angebohren zu sein schienen. Ja sie waren alle beide so guhtahrtig / so sanftmühtig / so leut- und redesälig / daß sie hierinnen einander gantz glichen.

(15) Hingegen war der Vater ein harter / eigenwilliger / arglistiger / wankelmühtiger Wunderkopf / und darbei sohl von Haut / und roht von Haaren. Eben so wunderlich von Gemühte / ja schier wunderlicher befand sich auch die ältere Tochter; die darzu überaus betrüglich / frech / und unbändig war: wiewohl sie eine mehr schwartzbraune / dan sohle Haut / io und ein dunkelrohtes Haar / auch nietliches Angesicht /mit helfunklenden Augen / hatte; daher sie nicht häslich / noch unlieblich zu sein / schien.

(16) Mit diesen Augen / in dem sie den Schalk durch freundliche / doch falsche betrügliche Blikke /gantz meisterlich zu verbärgen wuste / betrog sie auch den guhten Simson so weit / daß er sich einbildete / alles sei Zukker / was an Farbe dem Zukker sich gliche; ob es schon anders nichts / als herber beissender Kalk / war. Ja sie stahl ihm / indem sie / durch ein anmuhtiges für eine Zeit angenommenes Scheinwesen /ihn verliebt machte / das Hertz dermaßen / daß sie nach ihrem Gefallen darmit spielete / und den gantzen Simson schier drehete / wohin sie wolte.

(17) So betrüglich / ja so mächtig zugleich ist der euserliche Schein der Schönheit und Freundligkeit /wan man dem euserlichen Auge / sich daran zu vergaffen / den Zügel allein verhänget. Betrachtet man aber darbei auch das innerliche Gemühtswesen / und lesset sein Gemühtsauge desselben euserliche Kenzeichen / wie sie die Angebohrenheit giebet / recht eigendlich beschauen; so wird man zur Stunde derselben Verstellung märken / und der Gefahr betrogen zu werden entgehen können. Hette Simson auf diese Kenzeichen / damit seine gottlose Frau kenlich genug bezeichnet war / ein schärferes Auge geworfen; so würde sie ihm ihr falsches und betrügliches Hertz so nakkend haben sehen laßen / daß der betrügliche Schein ihrer euserlichen Schönheit und gestelleten Freundligkeit die Macht nimmermehr haben können ihn so gar zu verblenden / [155] und in einen so gefährlichen Irgarten der Liebe zu führen.

(18) Aber hierdurch betrog sie vielmehr sich selbst / als den guhten Simson: indem sie deswegen mit dem zeitlichen und ewigen Feuer gestrafet ward. Ja ihr böses Gewissen peinigte sie selbst nach ihrem Tode dermaßen / daß ihr Gottloser Geist / in eben derselben erschröklichen Gestalt / wie man sie im Feuer gesehen / auf der Feuerstätte ihres Hauses alle Nächte herümschwärmete. Und das war ein gewisses Zeichen ihrer eusersten Unruhe / wo nicht auch zugleich ihrer ewigen Verdamnis.

(19) Dieses Spüken und Irregehen auf der Feuerstätte währete so lange / bis der Schut des eingeäscherten Hauses vor die Stadt / in die Schünderkuhle / geführet war. Alda lies sich dan das Spükenis von neuem sehen. Alda überwarf es sich mit den tohten Aesern. Alda rasselte und klapperte es mit den abgefleischten Gerüppen dermaßen / daß der Schünder in seiner Wohnung nicht bleiben durfte: zumahl weil es alles dieses Unzeug selbst vor seine Tühre geschleppet brachte / gleichals wan es dasselbe bei seinem Grabmahle zu liegen nicht gestatten wolte. Ja die Schünderhunde / die Anfangs abscheulicher Weise geheulet / lieffen zuletzt alle darvon / und gaben die Schünderei dem Gespänste zum besten.

(20) Sobald der Obervorsitzer wieder an seinem Hof gelanget / erzehlte er diese Begäbnis den beiden Trübsäligen; welche darüber nicht wenig bestürtzt warden. Sonderlich zog es ihr die Mutter so heftig zu Sinne / daß sie drei Tage lang zu Bette lag. Sie war betrübet / daß sie eine so ungerahtene verfluchte Tochter gebohren. Ja sie grähmete sich deswegen so sehr / daß sie von Tage zu Tage mehr und mehr ab nahm / und schier nichts / als Haut und Gebein / an ihrem Leibe behielt.

(21) Aber durch guhte Wartung / und heilsame Mittel / welche die Aertzte verordneten / kahm sie gleichwohl bald wieder zu rechte. Hierzu half auch nicht wenig die überschwänglich große Gnade / damit ihr / und ihrer Tochter der Fünffürst so wohl / als seine Gemahlin / anderwärts täglich begegnete: indem sie von beiden / in ihrer Betrübnis / alle bedenkliche[156] Trostmittel empfingen / und die Mutter nunmehr nicht allein sich zur Hofemeisterin über das Fürstliche Frauenzimmer bestellet / sondern auch ihre Tochter selbst in den Fürstenstand erhoben / ja gar zur Fürstlichen Tochter und Erbin volkömlich bestähtiget sahe.

(22) Bei solcher Veränderung von aussen / veränderte sich auch von innen der gantze Zustand ihres Gemühtes. Beide / Mutter und Tochter / vergaßen nunmehr alles ihres Unglüks. Alle Traurigkeit verschwand aus ihrem Hertzen. Sie gedachten nun nicht einmahl an Timnat / vielweniger an ihr unglükliches Haus. Ja sie wolten nicht eins darvon hören. Und eben darüm geboht der Fünffürst seinem gantzen Hofgesinde von allem / was sich zu Timnat begeben /nicht das geringste zu gedenken. Also ward diese Trauergeschicht vom gantzen Hofe verbannet: damit in den Gemühtern derselben / welche sie so nahe betraf / die alte Traurigkeit / durch unvorsichtiges erzehlen eines so verdrüßlichen Handels / nicht etwan erneuert würde.

(23) Unterdessen suchte zugleich der Fünffürst auf allerlei Weise sie bei solcher Undacht zu erhalten. Und zu dem Ende trachtete man ihnen täglich eine neue Freude zu machen. Bald ergetzte man sie mit lustigen Schauspielen. Bald warden ergetzliche Reientäntze gehalten. Bald musten die Meistersänger und Seitenspieler sich hören lassen. Bald begab man sich / wan der Himmel klahr / und das Wetter heiter war / auf das Feld. Bald erlustigte man sich in den Weinbergen. Bald ging man lustwandeln in den Obst-und Bluhmen-Gärten. Ja wan die eine Lust vorbei war / dachte man straks wieder auf eine andere.

(24) Unter allen diesen Ergetzungen ward auch ein Ring- und Fecht-spiel der Riesen angestellet. Fünf paar Riesen rangen zusammen. Ie zween und zween gingen auf einander loß. Und dieses geschahe mit solcher Gewalt und Behändigkeit / daß der eine den andern oftmahls in einem Augenblikke zu Bodem warf. Das eine Paar hielt gleichwohl / indem sie einander /eben wie Bitus und Bachius / nichts zuvor gaben / schier eine Stunde stand / ehe der eine den andern übermochte. Wan jener den hiesigen bei der Hüfte zu fassen bekahm / wüste sich [157] dieser aus dessen Armen straks wieder loßzuschwänken / und zwar mit solcher Behändigkeit / daß er ihn selbst bei dem Mittel ergrif / doch eben so bald wieder loßzulaßen gezwungen ward. Dieses Ringen währete so lange /bis der eine den andern so müde gemacht / und so feste hielt / ja so gewaltig schwänkte / daß er sich keines Weges loßzumachen vermochte.

(25) Hierauf gingen sie auch mit großen Höbebeumen zusammen. Und iedes Paar fochte wieder absonderlich. War das vorige Faustgefechte heftig gewesen / so war dieses noch viel heftiger: indem der eine seinen zwischen des andern Beine gebrachten Höbebaum mit aller Gewalt und Geschwindigkeit schwönken muste / wan er ihn wolte zu Bodem werfen: da inmittelst dieser mit dem seinigen nicht weniger feierte. Wernun niedergeworfen lag / oder sich seinen Höbebaum aus der Faust winden lies / der muste dem andern gewonnen geben.

(26) Dieses Riesengeschlächt war vom alten so genentea Arba entsprossen: welcher solchen seinen Nahmen nicht daher / daß er nur vier Ellen oderEllenbogen lang / wie etliche / doch vergeblich /meinen / solte gewesen sein / bekommen; sondern von den berufenen vier Riesen / davon er den einen selbst / nähmlich den Enak oder Anak / und dieser sein Sohn die andern drei / den Achiman /Sesai / und Telmai / gezeuget: wiewohl man ihm alle vier / als seine Kinder / zugeschrieben.

(27) Von gemeldtem Arba oder vielmehr Abi- Arba / wie sein völliger Nahme gewesen zu sein scheinet / führete die Stadt Hebron / die sonst auch Mamre hies / weil er / mit diesen vier Riesen / seinen Sitz alda gehabt / und wo er sie nicht selbst gestiftet / doch zum wenigsten zur Festung und Kriegesstadt / darinnen der Riesen Zeug- und Rüst-haus stund / gemacht / den Zunahmen Kirjat-Arba /das ist des Arba Stadt: gleichwie die StadtDebir / die ebenmäßig den Enaks Kindern oder Föniziern zukahm / da auch ihre Hohe Schuhle war / sonsten Kirjat- Arche / das ist der Uhikunden Stadt / nach des Kaldäers Tahlmetschung / und Kirjat-Sefer / die Bücherstadt / als auch / Kirjat-Sanna / dieStadt der Satzungen und Lehre zubenahmet ward.

[158] [160](28) Aber obschon dieser Arba der Urhöber und Ertz- oder Stam-Vater des Kanaanischen Riesengeschlächts war / so führeten doch diese Riesenvölker ihren Nahmen nicht von ihm / sondern von seinem Sohne dem Enak oder Anak / der von seiner Halskette / die er zur Pracht trug / wo es nicht vielmehr ein Halsring oder Kragen gewesen / also benahmet ward; und nenneten sichBene-Anak / das ist Enakskinder oderEnaker: aus welchem Geschlächtsnahmen nachmahls der Föniker oder Fönizier / oder auch Pöner / und Puniker Nahme / darunter man nicht allein die Riesen von Kanaan / sondern auch alle die andern Kanaaner / die mit ihnen eine Völkerschaft machten / verstund / in andern Sprachen gebildet worden.

(29) Achiman / der älteste Sohn des Enaks / war ein überaus großer und starker Riese: daher er sich auch Achiman / das ist Wer ist mein Bruder? als wolt er sagen / Wer ist mir gleich? oder Wer ist so stark und mächtig / als ich? nennete. Diesen Nahmen scheinet der erste Persische König / den die GriechenAchemenes nennen / von gemeldtem Enakssohne entlehnet zu haben. Auch ist er in Wahrheit ein solcher / welcher der Königlichen Pracht / und dem Persischen Hochmuhte wunderwohl anstehet.

(30) Sesai / der zweite Sohn des Enaks /scheinet / diesem Nahmen nach / der so viel / als ein Sechser / oder Sechsling / heisset / sechs Ellen oder Ellenbogen lang / wie Goliat / gewesen zu sein. Der Dritte / Telmai oder Talmai / welches Wort eine Furche bedeutet / giebet uns /durch diesen Nahmen / seine so ungeheure Länge /daß sie einer Furche / die man in die Länge gezogen / nicht ungleich / ebener gestalt zu verstehen.

(31) Von itzterwähnten vier Riesen oder Riesenkindern hat das Kanaanische Riesengeschlächt sich mit der Zeit solcher gestalt ausgebreitet / daß es eine gantze zimlich große Landschaft in Kanaan schier allein beschlug. Und von diesem Geschlächte waren eben dieselben Riesen / vor derer ungeheuren Grösse die ausgeschikten Kundschaffer des gelobten Landes dermaßen erschraken / daß ihnen / bei ihrer Wiederkehr zu [160] den Israelern / der Mund darvon so vol war / daß sie der andern Kanaaner kaum einmahl gedachten. »Des Landes Einwohner« / sagten sie /»seind überaus große und starke Leute / und die Städte sehr feste. Auch sahen wir alda Enakskinder. Sie seind uns zu stark.« Ja sie konten nährlich aufhören solches zu wiederholen. »Alles Volk« / rieffen sie fast immerzu / »seind Leute von großer Länge. Wir sahen auch Riesen daselbst / Enakskinder von den Riesen: und wir waren gegen sie als die Heuschrökken.«

(32) Daher entstund im Läger der Kinder Israels ein solches Schrökken und Murren widerMosen / daß sie immerzu rieffen: »Wer kan stehen für den Enakskindern?« Gleichwohl überwand sieJosua / und trieb alle dieselben / die er nicht vertilgete / aus ihrem Lande / zu den Filistern: da die übrigen zu Gat / als auch zu Azot / und Gaza /in welchen drei Städten der Filister sie auch nur allein gewohnet / bis auf die Zeit Davids geblieben zu sein scheinen. Dan daß der Riese Goliat / den David selbst mit einem Schleidersteine zu tode warf / wie auch desselben Bruder Lahemi oderLachmi / dessen Spiesstange wie ein Weberbaum war / den Elhanan fällete / Sibai oder Sippai / den Sibeachi erschlug / Isbi zu Nob oder vielmehr Isbibenob / den Abisai töhtete / und dan derselbe / der an ieder Faust sechs Finger / und an iedem Fuße sechs Zeen hatte / den Jonatan / Davids Bruders Sohn / erlegte / sämtlich Enakskinder gewesen / schlüßen die Ebräische Schriftgelehrten daher; weil sie alle von Gat bürtig waren.

(33) Ob aber der so genente Egiptische Riese von fünf Ellen / an welchen sich Benaja /der auch einer von den Helden Davids war / und drei Leuen erlegte / nur mit einem Stokke wagen dürfen / und ihn mit seinem abgerungenen eigenem Spiesse / dessen Schaft wie ein Weberbaum anzusehen / gleichwohl erwürget / mit unter hiesige desEnaks Nachkommen / weil er sich in der Gegend ihres Vaterlandes / oder nicht weit darvon / dazumahl aufgehalten zu haben scheinet / zu rechnen sei; darvon mögen andere urteilen.

(34) Ausser diesen vom Enak / oder Arba entsprossenen Riesen / [161] hat man auch / in etlichen ihnen benachbahrten Ländern / vor der Zeit noch andere gefunden; welche die Enakskinder in Kanaan nicht angingen / auch allesamt absonderliche Zunahmen führeten: wiewohl sie / der Grösse / Länge / und Stärke nach / ihnen gleich waren. Derer Länder gedenket die heilige Schrift fürnähmlich viere. Das erste war Basan / welches auch alda ausdrüklich dasRiesenland genennet wird: dessen König Og /den die Kinder Israels vertilgeten / von den alten Riesen desselben nur allein noch übrig geblieben. Von dieses Königes ungeheurer Grösse kan aus seinem eisernen Spanbette / das / nach eines Mannes Ellenbogen / neun Ellen lang / und viere breit war / und zu Rabbat der Kinder Ammons in Verwahrung stund / leichtlich geurteilet werden.

(35) Die andere zwei Riesenländer waren dieselben / welche den Kindern Ammons / undMoabs / weil sie beiderseits aus des frommenLots Nachkommen entsprossen / zu besitzen gegeben worden. In dem einen dieser beiden Länder wohneten vor Zeiten diejenigen Riesen / welche / von ihrer erschröklichen Leibesgestalt und Grösse / die Emer / oder eigendlich / nach der Grundsprache dis Wort auszusprächen / die Emim / das ist Erschrökliche / genennet / und von den Moabskindern verjagt warden: im andern aber die so genenten Sammesumer oder Sammesumim /das ist Boßhaftige; denen die Ammonskinder selbst / welche sie ausrotteten / weil sie so überaus hochmühtig / trotzig / und wühte risch waren / daß sie als solche / die sich auf ihre mächtige Stärke verliessen / nur lauter Boßheit verübeten / diesen Beinahmen gegeben.

(36) Das vierde gemeldter Riesenländer befand sich auf und neben dem Gebürge Seir: da vor diesem die Horische / das ist Herrische / Riesen / oder die Horer / oder wie das Wort in seiner eigenen Sprache lautet / die Horim / das ist dieHerlichen / Fürtreflichen / wohneten; welche die Kinder Esaus oder Edoms / auf GOttes Verhängnis / weil sie von dem frommen ErtzvaterIsaak herstammeten / vertrieben / und sich alda an ihre stat gesetzet. Aus diesem so prächtigen und hochmühtigem Nahmen / der wohl allen Riesen und [162] Helden algemeiner Nahme sein möchte / scheinet es / daß diese Seirische Riesen den Kanaanischen oder Enakischen an Pracht und Herligkeit nichts zuvor geben wollen. Auch stehet hieraus zu vermuhten / daß sie eben ein solches prächtiges Riesen- oder Helden-Zeichen / das man vermeinet gemeiniglich von Golde gewesen zu sein / wie die Enaks Kinder / am Halse getragen.

(37) Dergleichen Riesen- oder Helden-Zeichen trug auch jener Frantzösische Riese / der auf einer Brükke des Anienflusses / zum Streite die Röhmer eben so trotzig / als Goliat die HeldenIsraels / ausforderte; doch durch die tapfere Faust des Titus Manlius erleget ward: welcher auch nachmahls / weil er diesem Riesen seines Riesenzeichens beraubet / Torkwatus / das ist der Riesenzeichenträger / oder Halsschmukträger / genennet ward.

(38) Weil nun dieser Hals- und Helden-schmuk /welcher ein Zeichen sein solte der Gewalt und Obermacht / damit sich die Riesen / wo nicht alle / doch die stärkesten und mächtigsten / über andere Menschen erhuben / und gleichsam über sie herscheten /oder zu herschen trachteten / von den Riesen / zuvoraus vom Enak / welcher der allererste Halsschmukträger / wie sein Nahme lautbarlich anzeiget / gewesen zu sein scheinet / seinen Uhrsprung gewonnen; so darf man wohl sagen / daß er zugleich das erste Zeichen des Adels / ja die Riesen selbst dieselben gewesen / von denen der Adel- und Ritter-stand in der Welt zum allerersten geführet worden.

(39) Auch ist es erweislich / daß der Adelstand von den Riesen / und die Riesen selbst schon vor der Sündfluht / ja diese zugleich / üm ihrer Boßheit willen / entstanden: daher dan der Adelstand eben so alt ist / als die Ahrt der Riesen. Dan als die Kuhrkinder GOttes / nähmlich des Gottsfürchtigen Sets und Enochs Nachkommen / die Schönheit der Töchter der Menschen / die vom Gotlosen Kain herstammeten / sich dermaßen betöhren ließen / daß sie lüstern warden sich mit ihnen / auf eine bloßfleischliche / ja gantz geule viehische Weise / zu vermischen; da zeugeten sie / aus solchem so unkeuschen / unzüchtigen / und ungeziemten Beischlafe / gantz ungeheure / [163] gantz erschrökliche / ja gantz boßahrtige Kindet / nähmlich die allererste Riesenahrt: daraus die Gewaltigen / die Wühteriche / die berufenen Leute der Welt entstunden; welche die Erde so lange mit Boßheit und Frefel / indem sie sich auf ihre Macht und Stärke verliessen / und alles zu überherschen trachteten / erfüllet / bis sie GOtt / durch die Sündfluht / vertilgete.

(40) Eben eine solche Riesengebuhrt wird auch dem Nimrod / der aus dem unsäligen Stamme des verfluchten Hams entsprossen / und in der heiligen Schrift / ein gewalliger Jäger vor dem HErrn genennet wird / zugeschrieben. Dan wie er /nach der Sündfluht / der erste Riese / der die kurtz zuvor vertilgete Riesenahrt wieder angefangen / gewesen zu sein scheinet; so war er auch / nach eben derselben Sündfluht / der erste / der ein gewaltiger Herr auf Erden zu sein begunte; indem von ihm der Adel- und Herren-stand einen neuen Uhrsprung gewonnen / und bis auf diese Zeit / wiewohl nach und nach mit besserem Fuge / fortgepflantzet worden.

(41) In währender dieser Fortpflantzung / ist auch der Adel mit der Zeit gewislich immer edeler und edeler worden / das ist dem rechten Adlichen Tugendglantze näher und näher gelanget. Und dieses geschahe fürnähmlich üm die Zeit / da die Riesische Wühterei / zusamt ihrem Hochmuhte / durch anderer rechtschaffener redlicher Menschen Tapferkeit / gedämpfet / und die ungeheure Riesenahrt selbst / die dem Menschlichen Geschlächte zur Plage / seiner überheuften Sünden wegen / entsprossen zu sein schien / vom Erdboden vertilget zu werden begunte.

(42) Daher ist es dan kommen / daß sich zwischen dem damahligen ersten unredlichem und gantz unrechtmäßigem Riesen-Adel / und dem nachmahligen anderem unter andern Tapferen redlichen Menschen entsprossenem rechtmäßigem Adel freilich ein großer Unterscheid befunden.

(43) Jener ward mit bloßem Gewaltzwange / durch keine sonderliche Weisheit / viel weniger durch Frömmigkeit / und Tugendhaftes Leben / behauptet. Dan wer dazumahl andern Menschen an Macht /Tumkühnheit / und Stärke solcher Gestalt [164] überlägen war / daß er sie / mit unredlicher wühterischer Gewalt bezwingen / berauben / ja gar ermorden konte / der wolte vor allen der Ansehnlichste / Fürnähmste / und Edleste gerühmet sein: ob er schon / in allen seinen Tahten / weder Tapferkeit / noch einigen andern Tugendadel / ja nicht einmahl die geringste Scheintugend erwiesen.

(44) Dieser aber / der nachmahlige rechtmäßige Adel / weil er / wo nicht allezeit von Gottsgleubigen /doch gleichwohl sonst Frommen / Tugendhaften / und Tapferen redlichen Menschen / die man Helden genennet / oder zum wenigsten von denen / welche /dem euserlichen Ansehen nach / solche zu sein schienen / gehandhabet worden / war jenem schnuhrstraks zuwider: indem er vom Riesischen Gewaltzwange so weit abgewichen / daß er allein die Tugend / es sei würklich / oder nur scheinbarlich / zum Ziele bekahm.

(45) Und also erscheinet hieraus / daß der erste oder Riesische Adel / weil ihm die Menschliche Tugend gemangelt / bei nahe nichts anders gewesen / als ein Tierischer / ja viehischer Adel; der sonst einem Elefanten / Nasenhörninge / Stiere / Leuen / Tieger /und anderem starken Tiere / das sich auch oftmahls viel Redlicher und Edeler / als solche Unmenschen /erweiset / kan zugeschrieben werden. Daß aber von solchem tierischen Riesenadel der nachmahlige Menschliche seinen Uhrsprung gewonnen / erscheinet unter andern auch hieraus: weil schier die meisten /sonderlich die uhralten Adlichen Geschlächter / in ihren Wapen und Schilden / nichts anders / als greuliche / wühtende / und reissende Tiere / ja Raub- und andere grimmige beissende Vögel / welche sie vielleicht von den Schilden der Riesen entlehnet / noch itzund zu führen pflegen.

(46) Ich wil mehr sagen: selbst den NahmenEnak oder Anak haben die alten so wohl Geschicht- als Gedicht-schreiber / und andere so heilig und hochgehalten / daß sie ihn von den Riesen inKanaan entlehnet / und gemeiniglich den Königen / und Helden / die anderen an Macht und Herligkeit vorgingen / als einen herlichen / prächtigen und fürträflichen Nahmen / zugeeignet. So seind Tritopatreus / Eubuleus / [165] Dionisus / und die Ziprischen Könige / samt ihren Söhnen und Brüdern /wie auch die Zwillingssöhne der Lede / Kastor / und Pollux / weil sie / wo nicht allezeit an Leibeslänge / doch an Gestalt / und Herligkeit des Nahmens / andere Menschen übertrafen / Anaker oderAnakskinder / ja selbst der zween letzten ihr Heiligtuhm zu Atehn das Anakische genennet worden.

(47) Hierher gehöret auch / was vom Vater des berühmten Heldens Asterius / dessen Leichnam man auf einer Insel / die von ihm den Nahmen bekommen /zehen Ellebogen lang gefunden / gemeldet wird: nähmlich daß er Anak oder Anax geheissen. Eben denselben Ehrennahmen führete gleichesfals der Riese Abkamazi / dessen Ribbe / neun Spannen lang /und zwo breit / im Damaskischen Schlosse zur Schaue war aufgehänget; weil er über die gantze Welt / vielleicht in seinen übermühtigen Gedanken / solte geherschet haben.

(48) Was sonsten die Griechischen / und / denen zur Folge / die Lateinischen Dichtmeister / ja etliche Geschichtschreiber selbst vom Fünitzischen RiesenAntäus / daß er sechszig / oder / wie etliche wollen / vier und sechszig Ellebogen lang gewesen / und von anderer dergleichen ungleublicher Grösse so wohl /als Stärke gemeldet / dasselbe haben schon vorlängst / als eitele Mährlein und Dichteleien / unterschiedliche Gelehrte Leute verworfen: wiewohl es nicht zu leugnen / daß solche Mährlein und Dichtwerke /durch ihre Meister / aus wahrhaftigen Geschichten gekünstelt worden.

(49) So scheinet es / daß sie dem Leibe des Antäus daher eine Länge von sechszig oder vier und sechszig Ellebogen zugeschrieben; weil vielleicht sein Raubschif / damit er die See unsicher machte / so viel Ellebogen lang / oder aber seine Schifsfluht mit so viel Raubschiffen versehen gewesen. Auch waren die güldnen Aepfel / in den Hesperischen Gärten / die ein Drache bewahrete / nichts anders / als der Schatz von vielem Golde; den Antäus / durch seine Raubschiffe / die gleich den Drachen oder Schlangen / in der Libischen See / herümschwammen / und andere reichbeladene Schiffe gleichsam verschlangen / [166] nicht allein beschirmet / sondern auch selbst zu wege gebracht.

(50) Von diesen Raubschiffen / mit welchen die Enakskinder oder Fönizier / nachdem sieJosua / und nach ihm David vollend / aus ihrem Vaterlande vertrieben / auf der See herümschwärmeten / und andere Seefahrende beraubeten / haben die alten Heidnischen Dichter / wie es scheinet / zugleich Anlaß genommen / die Riesen selbsten ohne Unterscheid / ob sie schon vom Enak nicht herstammeten /Nattern- oder Schlangen-füßer / als wan sie / an stat der Füße / Schlangen- oder Drachen-schwäntze gehabt / ja selbst Schlangen- oderDrachen-gebuhrten / und Natterngezüchte / das ist Schlangenkinder / zu nennen: wiewohl sie etliche aus der Erde / die aus desHimmels Schaam oder Gebuhrtsgliede / nachdem es sein Sohn Saturn abgeschnitten / das Bluht empfangen / andere / ohne dasselbe / nur allein aus der Erde / gebohren zu sein dichten.

(51) Dieselben / welche sie aus der Erde /nachdem sie das Himlische Bluht empfangen /entsprossen zu sein dichteten / hatten ohne Zweifel aus der Heiligen Schrift / durch hörensagen / vernommen: daß die ersten Riesen vor der Sündfluht vonden Kindern Gottes / da sie sich mit den Töchtern der Menschen vermischet / wie droben schon gemeldet / gezeuget; wie auch / daßNoah / der Uhrhöber des Menschlichen Geschlächtes nach der Sündfluht / und dem zur Folge zugleich der Riesen / von seinem Sohne dem Harn / aus dem sie ihren wühterischen Saturn / wie aus jenem ihren gühtigen Himmelsgötzen / gemacht / als er des schlafenden Vaters entblößete Schaam gesehen / verspottet worden. Hieraus haben sie dan ihr Dichtwerk / wie sie pflegen / geschmiedet /und beide wahrhaftige Begäbnisse / wiewohl die erste sich vor / die andere nach der Sündfluht zugetragen /in eine einige bloß ja kaum wahrscheinliche zusammengeflikket.

(52) Die andern / welche die Riesen nur allein /und nicht durch Hülfe des Saturns / aus der Erde gebohren zu sein fürgeben / scheinen ihr Absehen vom Riesischen Seereuber Antäus / und seinem Anhange genommen zu haben. [167] Dieser / wan er etwan auf der See vom Herkules geschlagen worden /pflegte sich auf dem Libischen Lande / da er gebohren war / wieder zu stärken. Daher hat man dan gedichtet / daß Antäus / so oft er / im Ringen mit demHerkules / seine Mutter / die Erde / berühret /allezeit neue / und so starke Kräfte bekommen / daß ihm sein Widerfechter nichts abhaben können; bis er ihn in die Luft gezogen / das ist auf der Höhe des Meeres / ihm den Weg zum Libischen Lande gantz abgeschnitten.

(53) Aber weil die Götliche Schrift fürnähmlich von zweierlei Riesen redet / nähmlich von den ersten vor / und von den andern nach der Sündfluht; so ist vermuhtlich / daß die Heidnischen Dichter die ersten /welche GOtt durch die Sündfluht vertilgete / Titaner / die andern aber Wiganten / das ist Riesen oder Heunen / beide Riesenahrten voneinander zu unterscheiden / mit sonderlichen Nahmen nennen / ja jene vor Kinder des Himmels und der Erde / diese aber allein vor Erdenkinder eigendlich ausgeben wollen. Und solches erscheinet daraus / wan sie dichten / daß die Erde den Göltern zur Rache / von denen sie sich beleidigt befunden / weil sie die Titaner / welche sich wider sie aufgelehnet / vom Eidboden vertilget / die Wiganten gebohren.

(54) Durch dieses Auflehnen und Entpöhren der Titaner wider den so genennten Jupiter / dessen Herschaft sie nicht vertragen wollen / wie auch wider die andern Götter / die ihm beistunden / kan nichts anders verstanden werden / als die euserste Boßheit der ersten Riesen vor der Sündfluht: welche dem Gebohte des allerhöchsten GOttes / und den Ermahnungen seiner drei getreuesten Nachfolger zu der Zeit solcher Gestalt widerstrebeten / daß sie dieselben selbsten gleich als mit Kriege verfolgeten. Diese drei waren Set / der erste Bußprediger in der Welt /Enoch / der auch so ein Götliches Leben führete / daß ihn GOtt den boßhaftigen Weltkindern entzog / und gar zu sich nahm / und dan Noah / der nicht weniger from und ohne Wandel / ja eben so Götlich lebete.

(55) Wan gemeldte Dichteler weiter dichten / daßJupiter mit den andern Göttern einen Bund gemacht / und sie über [168] einer aufgerichteten Reucherhöhe / die nachmahls zum ewigen Gedächtnisse solches Bundes unter das Gestirne gesetzt worden / schwöhren laßen / daß sie ihm / im Kriege wider die Titaner getreulich beistehen wolten; dasselbe haben sie aus der Geschicht des Noah entlehnet: welcher dem HErrn / zur Dankbarkeit für die Errettung aus der Sündfluht eine Höhe bauete / und auf derselben seinen Gottesdienst / durch eine Brandgabe von allerlei reinem Vieh / und Gevögel / verrichtete: da dan der HErr den lieblichen Geruch gerochen / und einen ewigen Bund mit Noah gemacht / daß Er hinfort keine. Sündfluht mehr / welche die Erde / samt den Menschen / verderbete / wolte kommen laßen; ja zum ewigen Zeichen solches Bundes den Regenbogen in die Wolken gesetzet / damit Er ihn ansehen / und seines ewigen Bundes / den Er zwischen Ihm / und allem Fleische gemacht / gedenken möchte.

(56) Hier wird unserer Meinung nichts benommen /obschon diese Mährleinkünstler die Zeit der Begäbnis / samt ihren Umständen / verkehret: indem sie / nach ihrer alten Leier / dasselbe / was nach dem Kriegeder Titaner / und ihrer Vertilgung / darbei wir die Sündfluht verstehen / wahrhaftig sich zugetragen /vor solcher Vertilgung geschehen zu sein dichten. Auch hindert es nichts / daß sie / an stat des Regenbogens / die Reucherhöhe hinauf in die Wolken / oder unter die Sterne gesetzt / und den wahren Gebrauch derselben in einen gantz andern verdrehet und ümgekehret.

(57) Nicht weniger gehöret es mit unter die Begäbnisse der Sündfluht / wan sie gedichtet / daß aus dem Bluhte der Titaner / welches bei währender Schlacht / die Jupiter mit ihnen gehalten / aus ihren empfangenen Wunden auf die Erde geflossen /allerlei Ahrten des Ungeziefers / als Schlangen / Drachen / Nattern / Blindschleichen / und dergleichen giftige Würme gezeuget worden. Dan freilich stehet es zu vermuhten / daß nach abgelauffenem Wasser der Sündfluht / da die ersoffenen Leiber der Riesen im Schlamme vermodert und halb verfaulet gelegen / zumahl als dieser Schlam durch die Wärme der Sonne sich erhitzet / aus ihrem verfauletem nicht allein Bluhte / sondern auch Fleische zugleich ein solches giftiges Ungeziefer [169] gewachsen. Und dieses ist der Wahrheit nicht unähnlich; weil uns die Naturkündiger / aus der Erfahrung / selbst berichten wollen / daß auch aus dem Gehirne der Tohtenköpfe zuweilen Schlangen entsprössen.

(58) Was nun eben dieselben von den Wigan ten oder Riesen nach der Sündfluht in der Folge dichten / nähmlich daß sie / den Himmel zu stürmen /und die Götter herunter zu stürtzen / auf den BergPelion den Olimp und Ossa / die alle Tessalische Berge waren / zu tragen sich unterwunden; wie auch große brennende Beume / und ungeheure Steinfelsen / aus denen dieselben / die auf die See gefallen /zu Inseln / die aber auf die Erde zu liegen kommen /zu Bergen geworden sein sollen / nach dem Himmel zu geschleidert: das haben sie aus der Geschieht der Nachkömlinge des Noah genommen; welche nach der Sündfluht die Stadt Babel / mit einem ungeheuren Turne / dessen Spitze bis an den Himmel reichen solte / von Steinen zu bauen sich unterstanden. Und hierzu wird Nimrod / der auch / wie er der erste König in der Welt / nähmlich zu Babel selbsten /war / also vor den ersten und ältesten Riesen nach der Sündfluht gehalten wird / freilich der Anstifter und Uhrhöber gewesen sein.

(59) Auch ist es aus eben derselben Geschieht entsprossen / wan man gedichtet / daß etliche ungeheure Riesen unterschiedliche große Berge selbst / als Enzeladus den Pindus / Tiföus den Ossa / Porfier den Pangäischen / undAdamaster den Rodope / nach den Wolken zu geschleidert / als sie den Himmel zu stürmen und einzunehmen sich unterstanden. Hierbei stehet es zu verwundern / daß man den Asträus mit unter diese Himmelsstürmer und Götterfeinde gezehlet / da er doch aus der Aurora / neben den Winden / welche / wie es scheinet / zugleich mit haben stürmen sollen /die Asträe / der man / ihres rechtfärtigen Wandels wegen / den Nahmen der Gerechtigkeit zugeeignet / ja sie selbst unter das Gestirne gesetzet / sol gezeuget haben.

(60) Es scheinet zwar lächerlich / und gantz ungereimt / wan sie von diesen Wiganten ferner vorgeben dürfen / als hetten sie die Götter / durch ihre ungeheure Grösse / dermassen erschrökket / [170] daß sie die Flucht nehmen / ja gleichsam in eine andere Haut kriechen / und also / unter mancherlei Tiere Gestalt /sich in Egipten verbärgen müssen; wie auch / daß sie endlich dieselben gar vom Erdboden vertrieben. Gleichwohl hat dieses lächerliche Mährlein seinen Grund in der Geschicht der frommen Ertzväter des Volks GOttes / Abrahams und Jakobs: von denen man lieset / daß sich beide / zuvoraus Jakob oder Israel mit allen seinen Kindern und Kindeskindern / eine Zeit lang in Egipten aufgehalten. Zudem bezeugen auch die Geschichte / daß die Egipter ihre Götter unter mancherlei Tiere Gestalt geehret. Ja es scheinet aus vielen Umständen / daß sie den Josef / des Jakobs Sohn / selbsten / unter der Gestalt eines Ochsen / nach seinem Tode vergtlichet. Daher haben dan diese Gedichtkünstler zugleich Anlaß genommen / ihr Mährlein üm so viel wunderlicher zu künsteln.

(61) Im übrigen haben eben dieselbe Riesen die Götter freilich vom Erdboden vertrieben / oder vielmehr zu vertreiben sich unterwunden: indem sie den wahren Gottesdienst / der ihrem Unwesen schnuhrstraks zu wider / und desselben Ergebene zum eusersten verfolget / ja gar auszurotten getrachtet; damit sie Luft bekommen möchten ihren boßhaftigen Frefel und Ubermuht / der dadurch mörklich gehindert ward / üm so viel freier fortzusetzen.

(62) Daß man aber gemeldte Riesen / auf Einrahten der Pallas / aus der Gegend / da sie gebohren worden / verjaget zu sein dichtet; weil sie / so lange sie darinnen bleiben würden / unüberwindlich und unsterblich sein solten: dasselbe gehöret zur Geschieht der Kinder Israels / welche sie / als solche /die in ihrem Vaterlande sich so stark befestiget / freilich eher nicht zu überwältigen vermochten / als bis sie / nach dem Rahte / oder vielmehr Befehle der höchsten Weisheit GOttes / die alhier unter dem Nahmen Pallas verstanden wird / dieselben aller ihrer Festungen / mit gewaltiger Hand entsetzet: da sie dan nirgend keinen festen Fuß mehr hatten sich vor ihrem endlichen Untergange zu befreien.

(63) Hier möchte man nicht unbillich fragen /woher des nimmer nüchternen Silenus Esel / der durch sein abscheuliches [171] ungeheures Geschrei / wiePan mit seinem Schnekkenhorne / die Riesen dermaßen sol erschrökket haben / daß sie / als solche / die ein ungeheures Wundertier wider sich angekommen zu sein gewähnet / sämtlich die Flucht genommen /der auch daher / zum ewigen Andenken / unter das Gestirn erhoben zu sein gedichtet wird / mit in hießges Mährlein vom Riesenkriege / ja selbst unter die Kriegsbereitschaft des Bachus gerahten sei? Dem Silenus wird zwar / seines versoffenen Verstandes und taumlenden lassen Ganges wegen / dis tumme und träge Tier / der Esel / allezeit angedichtet, gleichwohl scheinen es die Heidnischen Dichter aus der wunderbahren Geschieht von Bileams redendem Esel genommen / und in diese vom Riesenkriege gemischet zu haben / ihr Mährlein üm so viel märkwürdiger zu machen.

(64) Daß endlich mehrerwähnte Riesen / nachdem die Götter sie überwunden / und mit Donnerkeulen erschlagen / in den höllischen Abgrund / zur ewigen Peinigung / solten hinunter gestürtzet sein / das ist das allerwahrscheinlichste / das die Heiden von ihnen gedichtet. Dan freilich werden sie / nach ihrer Vermässenheit Verdienste / nicht allein die zeitliche /sondern auch die ewige Strafe haben ausstehen müssen. Was sie aber vom ungeheuren Riesen Enzela dus dichten / daß er unter dem Berge Etna längsthin ausgestrekket / mit dem ewigen Straffeuer gepeiniget würde; wie auch vom Tiföus / dessen Leib so erschröklich groß sol gewesen sein / daß das gantzeSizilien / ihn zu bedekken / seinen weiten Begrif darreichen müssen: dasselbe haben sie bloß allein aus ihrem mit Mährlein geschwüngertem Gehirne genommen.

(65) Eben daher scheinet auch entsprossen zu sein /daß etliche Riesen wohl hundert Hände sollen gehabt / und in einem Wurfe gleich so viel Felsensteine aufJupitern zu geworfen haben. Unter denen wirdEgäon genennet / den der Heidnische SeegötzeNeptuhn / zur Strafe solches Frefels / an die Klippen des Egäischen Meeres fest gebunden: wekhes ausser Zweifel dahin zu deuten / daß sein Schif auf einer Klippe daselbst zu sitzen kommen. Gleich also urteilen wir von dem ungeheuren Riesenschienbeine / das man in einer Tessalischen [172] Schwefelhöhle gefunden /und sechszig Ochsen / seiner Schweere wegen / auf einen Wagen geladen / kaum fortziehen können.

(66) Nicht weniger ungereimt scheinet es im ersten Anblikke / wan man dem Mohrischen Riesen und Könige / dem Atlas / der auch daher unter allen Riesen der grösseste sol gewesen sein / eine solche so gar übermäßige Länge und Stärke / daß er den Himmel selbst mit seinen Schultern unterstützet / zuschreibet; ja ihn wohl gar in den ungeheuern sehr hohen Mohrenberg / der auch von ihm den Nahmen Atlas bekommen / verwandelt zu sein dichtet.

(67) Wan man aber betrachtet / daß dieser Berg einem aufgerichtetem Manne nicht unähnlich / und so überaushoch ist / daß desselben höchster Güpfel / der Wolken wegen / die ihn fort und fort ümgeben / niemahls gesehen wird; daher ihn dan die ümherwohnende Mohren auch für des Himmels Stütze zu halten pflegen: ja wan man betrachtet / daß der Mohrenkönig Atlas die Sternschaukunst / wie man meinet /erfunden / und sich vielleicht den Lauf und Stand der Sterne recht eigendlich zu beschauen / oftmahls auf einen sonderlichen Hügel dieses Berges begeben; da er dan freilich mit seinen Gedanken sowohl / als mit dem Gesichte / bis an das Gestirne gereichet: so wird man leichtlich sehen / woher dieses gantze Mährlein entsprossen.

(68) Hiermit wollen wir die Riesen / welchen man eine gantz ungleubliche Stärke so wohl / als Länge zugedichtet / fahren laßen / und uns wieder zu denen wenden / derer wahre Beschaffenheit in den Geschichten beschrieben wird. Hierunter finden sich / nachDavids Zeiten / bei den Geschichtschreibern / fürnähmlich dreie; welche / durch ihre wahrhaftige Riesenlünge / die andern ihres gleichen ingesamt / wie die meisten meinen / übertroffen. Der erste und allerlängeste heisset Gemagog / der zwölf Ellebogen lang gewesen: der andere Ganges / ein König der Mohren / von dem der Flus Ganges diesen Nahmen bekommen / dessen Länge sich auf zehen Ellebogen belief: und dan der dritte Hartbeen / aus[173] Heisingen / der alten Gohten Lande / bürtig /der über die maße frefelhaftig / und neun Ellebogen lang war.

(69) Nach diesen drei Riesen seind berühmt Arantas ein Bebrizier aus Asien / von acht Ellebogen; Orestes / König Agamemnons Sohn /der Griechen Heerführer vor Trojen / von sieben Ellebogen; Ein Sirer / zu des Keisers Teodosius Zeiten / von fünf Ellebogen / und einer Handbreite;Eleazar / ein Jüde / zu des Keisers Tiberius Zeiten / von fünf Ellebogen; ein Märkischer Bauer von Zak / einem Dorfe bei Witstok / Markgraf Jochims des Kuhrfürstens von Brandenburg Trabante / den man den kleinen Michel genennet / auch von fünf Ellenbogen; Artachäes / ein Perser / der zu des Königs Xerxes Zeiten gelebet / von eben so viel Ellebogen / weniger vier kwehrfinger; der Indische König Porus / den der Grosse Alexander überwand / von vier Ellebogen / und einer Handbreite.

(70) Hierbei seind auch zu rechnen Pusio undSekundille / die zu des Keisers Augusts Zeiten gelebet / und über zehen Schuhe lang waren; daher man auch ihre Gebeine zum Wunder im Salustischen Lustgarten und Begräbnisse / verwahre: wie auch Gabbaras / den etliche Karbaras nennen / ein Araber / welcher zu des Plinius Zeiten nach Rohm gebracht worden / und neun Schuhe / mit eben so viel Zollen lang war: und dan Agato / ein Jüngling von Atehn / der zu Keiser Adrians Zeiten gelebet / von acht Schuhen.

(71) Nicht weniger gehöret mit unter diese Riesenzahl der Keiser Julius Maximinus / der ältere / welcher bei neundehalben Schuch lang / und so stark vom Leibe gewesen / daß ihm seiner Gemahlin Armband / an stat eines Daumenringes / gerecht war; auch ein solcher Fresser / und Seuffer / daß er sechszig Pfund Fleisches auf einmal verschlingen / und darbei vier und zwanzig Kannen Weines aussauffen konte. Seiner schier ungleublichen Stärke wegen / ward er /aus einem Schäferknechte / zuerst des Keisers Aurelius Alexanders Severus Trabante /darnach unter den Keisern Karakalla / und Heliogabalus / einer der fürnähmsten Kriegshelden / da man ihn bald Herkules / bald Achilles / baldAjax zu [174] nennen pflegte / bis er endlich / durch seine Wühterei / sich gar zum Keiser aufwarf / und die sechste Verfolgung der Kristen anstiftete.

(72) Diesem Keiser war der so genente Firmius / der üm das 275 Heiljahr sich / in Egipten wider den Keiser Aurelian empöhrete / an Leibesstärke nicht ungleich; auch darbei ein solcher Seuffer / daß er zween Eimer vol Weines in einem Zuge hin aussauffen mochte. Seine Riesenstärke kan man unter andern hieraus abnehmen; weil er einen Amboß / indem er sich bloß mit den Armen und Beinen gegen die Erde gestbelt / auf die Brust setzen durfte / und andere darauf schmieden und schlagen lies / wie hart sie wolten.

(73) Daß nun alle Riesen ins gemein der Boßheit und Wühterei zum höchsten ergeben gewesen / ist kein Wunder; indem sie alle so grobe / ungeschliffene / füllige / doch derbe / und starke Leiber gehabt / daß weder Verstand / noch guhter Raht / noch Mäßigkeit /noch einige andere Tugend darinnen haften oder hausen können. Dan es ist gewis / und die Erfahrung bezeugt es genugsam / daß dieselben / die aus einem so groben / und dikkem Zeuge bestehen / ie gröber und dichter der Zeug ist / üm so viel unverständiger / unredlicher / unbescheidener / verwägener / tolkühner /übermühtiger / boßhaftiger / zorniger / grausamer /rachgieriger / halsstarriger / geuler / unmässiger / und geneugter zu bösen Lüsten / ja ungeschikter zu guhten Künsten und Wissenschaften zu sein pflegen.

(74) Hingegen befindet sich bei den kleineren / mageren / dürren / zahrten / und trukkenen Leibern / als dem eigenen Sitze des Rahtes und der Weisheit / gemeiniglich das Widerspiel. Dan diese / wie sie behänder von Gliedern seind / seind auch behänder von Sinnen; wie sie mäßiger an Grösse / so seind sie auch mäßiger in Volbringung der Lüste. Ja sie seind ungleich verständiger / klüger / scharfsinniger / bedachtsamer / redlicher / bescheidener / guhtahrtiger / gemäßigter / handelbare / und geschikter zu allem Guhten /als jene.

(75) Darüm ist es in Wahrheit kein Wunder / daß dieselben kleine Menschen / die gemeiniglichZwärglein / sonst auch Ellenbogener undDreispänlinge / oder Ellenbogige [175] [177]undDreispännige Mänlein / weil sie selten über drei Spannen oder einen Ellebogen lang wachsen sollen / genennet werden / einen überaus scharfsinnigen Verstand / wie die Geschichte bezeugen / zu haben pflegen. Ein solches Mänlein / welches Sisifus hies / und noch nicht zween Schuhe lang / doch eines fürtreflichen Verstandes war / hatte Markus Antohn / der berühmte Röhmische Feldherr / bei sich. Ein anderes befand sich / zu des Keisers Teodosius Zeiten / in Egipten: welches zwanzig Jahr alt / doch kaum so groß / als ein Räphuhn / geworden. Gleichwohl war es überaus klugsinnig / und eines recht ehrbaren tapferen Gemühtes; darzu auch mit einer sehr anmuhtigen Stimme zu singen / und einer schönen Aussprache begabt.

(76) Ob aber diese zwei Mänlein unter die rechte Zwärgahrt / die man vor Zeiten in Trazien / und an der Egiptischen See / durch welche der Niel ströhmet / wie auch üm ein Indisches Gebürge sol gefunden haben / zu rechnen sei / kan ich für gewis nicht sagen: weil von den Alten gemeldet wird / daß diese ihr Haar hinten / und den Bahrt vornen / ihren gantzen Leib / an Kleiderstat / damit zu bedekken /bis gar auf die Füße wachsen laßen / auch mit den Kranchen / derer Jungen und Eier sie verderbet / zu streiten / und auf Widern und Ziegen / mit Bogen und Pfeilen gewafnet / zu reiten pflegen.

(77) Eben so wenig weis ich zu urteilen von denen Riesengerippen / die man so übermäßig / ja zuweilen wohl gar ungleublich groß und lang zu unserer Väter Zeiten in Sizilien / Frankreich / und anderwärts gefunden zu haben bekräftiget. Ja ich bekenne frei heraus /daß mir die Wahrheit derselben Geschichtschreiber /die den aufgegrabenen Riesengerippen eine so ungleubliche Länge zuschreiben / nicht wenig verdächtig vorkommet; und zwar darüm / weil sie keines /oder ja kaum eines lebendigen Riesens / welcher dergleichen ungeheure Länge gehabt / gedenken. Von der erdichteten / damit die Heidnischen Dichtmeister sich belustiget / wil ich nicht sagen. Ich meine die wahrhaftige / wie sie von bewährten Geschichtverfassern uns etwan abgebildet wird.

(78) Das Gerippe des Orestes von sieben Ellebogen / [177] welches ein Schmid zu Tegea / in seinem Hofe / da er einen Brun graben wollen / entdekket; und dasselbe von zwei und zwanzig Schuhen / das man in Frankreich bei der Rohne gefunden; wie auch des Pallas / den Turnus erleget / welches im 1054 Jahre zu Rohm aufgegraben worden /und so lang gewesen / daß es über die Stadtmauer / da man es zur Schaue wundershalben aufgerichtet / hinreichete; und dergleichen andere mehr von zehen / bis zwölf Ellebogen / auch wohl etwas drüber / lesset man billich in ihren Würden.

(79) Was man aber von Kandien oder Krete /wie auch von Tinge meldet / daß dort ein Riesengerippe von drei und dreissig Ellebogen / durch das Wasser / und noch ein andere in seinem Grabe stehendes von sechs und vierzig Ellebogen / durch das Erdbeben entblüßet / hier aber / im Mohrenlande / des droben erwöhnten Riesen Antäus von sechszig Ellebogen aufgegraben worden; darvon kan ich anders nicht sagen / wo man ihnen eine solche Länge nicht etwan angedichtet / als daß es Riesische Wundergebuhrten gewesen. Und hierunter gehören noch andere Riesengerippe von funfzehen / zwe und zwanzig / und dreissig Ellebogen / derer gleichesfals die Geschichtschreiber erwähnen. Das von funfzehen Ellebogen ward / im 1456 Jahre / bei Valentz / im Safojer Gebürgt. / entdekket. Ein Zahn darvon / der einen Schuch lang / und vier Finger breit war / wug acht Pfund.

(80) Noch vielmehr könte man denselben Sizilischen Riesen / dessen Leichnam / in einer großen Berghöhle vor der Stadt Drepan / sitzend gefunden worden / unter die Riesischen Wundergebuhrten rechnen: weil einer von seinen Zähnen sechs Pfund und ein Vierteil gewogen / und das vörderteil seiner Hirnschahle so weit gewesen / daß man etliche Scheffel Kornes hinein schütten können / auch aus der ungeheuren Grösse seines Schienbeines geschlossen worden / daß seine Länge sich bei zweihundert Ellebogen ausgestrekket. Nicht weniger konte von seiner gehabten Riesenstärke aus dem ungeheuren Stabe /den er in der linken Faust hatte / geurteilet werden. Dan dieser war so stark und dikke / als der stärkeste Mast oder Segelbaum; und das Blei / welches unten hinein gegossen / und ihm bis [178] unter die Achsel reichete / wug tausend und fünfhundert Pfund.

(81) Dem sei nun / wie ihm wolle / so wil ich doch dieses von den Riesengerippen lieber annehmen / als gleuben / daß dasselbe Meusegerippe / welches man /in einem Frantzösischen Kloster / gar heilig eingewikkelt gefunden / von einem derselben Meuslein gewesen / welche der heiligen Gertrauten / König Pipiens Tochter / indem sie an einem heiligen Abende gesponnen / den Wokken hinaufgeklettert /sie von solcher Arbeit abzumahnen: daher man sie auch nachmahls / als eine Heilige / welche die Meuse zu vertreiben gegleubet worden / sol angerufen haben.

(82) Und also wird dasselbe / was wir / aus der Riesengeschicht / alhier mit eingeführet / zugleich genug sein diejenigen zu überzeugen / welche / daß iemahls Riesen / oder Menschen von so ungeheurer Grösse gewesen / gantz nicht gestehen / sondern alles / was von ihnen / durch so viel vortrefliche Geister /geuhrkundet worden / nur für Mährlein halten wollen: indem sie / zum Beweise solches Wahnes / vorschützen / daß man etliche hundert Jahre nacheinander keine dergleichen Riesen von so starker und ungeheurer Länge / wie man dieselben der ersten Welt beschriebe / nirgend mehr gesehen.

(83) Doch wir setzen / auf diesen ihren Einwurf /das Maß ihnen recht vol zu mässen / zum Gegenwurfe noch dieses: wan aus itztberührtem ihrem Beweise folgen solte / daß die gantze Rieseageschicht nur ein eiteles Dichtwerk sei; so müste dan auch folgen /indem man in den nächsten / so manchen hundert- ja wohl tausend-jährigen Zeiten nacheinander keine Menschen gefunden / derer Alter sich auf etliche hundert Jahre / ja schier bis an das tausende hinan erstrekket / daß darüm die Menschen üm die Zeit der er sten Riesen so viel Jahre nicht erreichet: zumahl weil es zur Zeit des Königs Davids schon geheissen /unser Leben währet siebenzig Jahre /und waneshoch komt / so seind es achtzig.

(84) Diese Widerfechter bedenken nicht / daß alle geschaffene Dinge die Kraft ihrer blühenden Jugend schon vorlängst so [179] gar verlohren / daß sie nunmehr von Zeit zu Zeit gleichsam veralten / und immer schwächer und schwächer werden. Die gantze Welt hat albereit vor etlichen tausend Jahren ihre Jugendschuhe verträhten. Darüm ist es kein Wunder / daß sie bisher von Jahren zu Jahren an Kräften allenthalben mehr und mehr abgenommen. Ja sie nimmet noch täglich ab. Itzund gehu sie schon auf Steltzen. Itzund neuget sie sich zum Ende. Nunmehr ist es mit ihr gantz auf die Neuge gekommen.

(85) Was nun dem Ende sich nähert / das mus nohtwendig schwächer und unkräftiger / nohtwendig geringer und untüchtiger werden. Und eben darüm ist es kein Wunder / daß die bisher so gekränkte / und mit den Jahren so schwach und Machtloß gewordene /ja nunmehr fast gar in den letzten Zügen liegende Zeugemutter aller Dinge die Lust / samt der Kraft /welche sie ehmals / in ihrer Jugend Jahren / zu haben pflegte / neben den Menschen gemeiner und mittelmäßiger Lünge / zugleich Große und Kleine / ja gar ungeheure vierschröhtige Riesen- und gar kleinliche Spannenkurtze behände Zwärg-ahrten zu zielen / so weit verlohren / daß sie weder Zwärglein / noch Riesen / noch auch andere sonderbarlich große Menschen mehr / welche die gemeinen / der Länge nach / überträffen / zu zeugen vermag.

(86) Hieraus sehen wir dan klahr genug / woher es rühret / daß schon vor etlichen hundert / ja wohl tausend Jahren / unter den Menschen / die ungeheure Riesenahrt an Länge so wohl / als Stärke / dermaßen abzunehmen begonnen / daß sich ihre wundergroße Riesengestalt nach und nach / ja so lange vermindert /bis sie endlich vom Erdboden gleich als gar verschwunden. Eben daher ist es auch kommen / daß sich die ansähnliche Leibeslänge / dadurch ehmals etliche gemeine Menschen / ja wohl gantze Völkerschaften /unter denen fürnähmlich die Gohten Keiser Justinian deswegen zu preisen pflegte / vor andern berufen waren / almählich etwas kleiner und schmächtiger zu werden / ja mit der Zeit dergestalt gemindert befunden / daß man itzund durch das gantze Europe kein Land mehr findet / dessen Eingebohrne /so sonderbahrer Grösse nach / andern Völkern überlägen.

[180] (87) Ich wil mehr sagen: was für ein Wunder ist es dan / daß itzterwähnte Ziel- und Zeuge-mutter nunmehr / in ihrem abgelebten schwächlich-gebrächlich em Alter / weder so vermögeade / noch auch so lüstern sein kan solche so treflieh starke / so treflieh gesunde Menschen zu zeugen / derer Lebenslänge sich schier bis an die tausend Jahre hinan aussträkket; wie sie wohl ehmals / in ihrem blühenden und grühnendem Alter / getahn?

(88) Mit einem Worte: alles / was die große weite Welt / ja die Himlische so wohl / als die Irdische / an Geschaffenen Dingen begreiffet / die Engel allein ausgenommen / ist der nichtigen Eitelkeit und Vergängligkeit so gar unterworfen / daß nichts beständiges /noch tauerhaftiges weder an Kraft / noch an Stärke /weder an Grösse / noch an Gesundheit / noch anderen dergleichen Fürtrefligkeiten darinnen zu finden. Ja die Welt selbsten bekennet und bezeuget es mit so vielen ihren Geschaffenen Dingen / die albereit zerstoben und vergangen / daß sie mit der Zeit gleich also vergehen und zerstüben müsse.

(89) Wer hette sagen sollen / daß dergleichen wunderstarke / ja wundergroße ungeheure Menschen / als diese waren / welche der schönen Timnatterin dazumahl / mit Ringen und Fechten / die Zeit verkürtzen / und den Unmuht vertreiben musten / in der Folgezeit auf dem gantzen Erdbodem nicht mehr würden gefunden werden? Ja wer hette gedacht / daß diese Riesenahrt / die kurtz zuvor gantze Länder erfüllete / aus dem menschlichen Geschlächte nach und nach sich so gar verlieren solte / daß schon vor etlichen hundert Jahren nichts mehr darvon irgendwo zu sehen gewesen / als etwan ein Bildnis / oder aber /doch sehr selten / ein abgefleischtes Gerippe?

(90) Neben der Kraft und Vermögenheit dieselben zu erzielen / scheinet die algemeine Zielmutter zugleich die Lust solches zu tuhn nach und nach verlohren zu haben: weil sie für solchen Ungeheuern und Bösewichtern / die ihren andern Kindern nur überlästig fielen / und ihr selbst / an stat der Kurtzweile /welche sie ehmahls an ihnen hatte / nichts als lauter Verdrus zuzogen / endlich einen Ekel und Abscheu bekommen. [181] Ja GOtt selbsten / der Schöpfer aller Dinge / hat sie / ihrer übermäßigen und übermühtigen Boßheit wegen / ohne Zweifel in die Länge nicht mehr vertragen / noch dulden wollen / und sie daher als ein schädliches Unkraut unter den Menschen / ausgerottet / ja vom gantzen Erdboden vertilget.

(91) Und ob schon GOTT / die Grösse seiner Almacht uns auch hierinnen sehen zu laßen / noch heutiges Tages zuweilen irgend einen Menschen was grösser / länger / und stärker / als andere / wachsen lesset; und die Zeugemutter selbst gleichsam einen Versuch tuht / ob ihr noch Kräfte genug übrig geblieben dergleichen große Leiber zu zeugen: so seind doch solche nichts anders / als ungemeine Menschengebuhrten /und verdienen den Nahmen der alten Riesen / derer ungeheure Länge / noch Stärke sie bei weitem nicht erreichen / keines Weges.

(92) Aber wir wollen die schöne Timnatterin bei ihrer Ergetzung laßen / welche sie hatte den Riesen zuzuschauen / und uns wieder nach Timnat begeben; da unterdessen der noch immer fortgrollende Simson angelanget. Alhier war es / da ihm dieFilister die Wahrzeichen ihrer Rache / welche sie / ihm zu gefallen / und ihn zu besänftigen / so gar scharf ausgeübet / sehen liessen. Alhier war es / da sie ihm den ausgebranten verödeten Ort zeigeten / da kurtz zuvor seines ungetreuen Weibes Behausung gestanden. Alhier war es / da sie ihn auf den Schündanger führeten / die Asche seiner verbranten Beleidiger / die man alda unter dem Brandschutte begraben / zu besichtigen.

(93) Hierdurch vermeinten sie das Zornfeuer / welches in Simsons Busem / sie zu vertilgen / flammete / zu dämpfen. Hierdurch gedachten sie den Grim / den er wider sie gefasset / zu überwinden. Ja hierdurch trachteten sie die Verheerungen / die er ihnen gedreuet / abzuwenden. Dieses war ein Stahtsstrich vol Verstellungen / dadurch sie dem Willen desselben / in dessen Hand sie ihr Wohl und Weh zu stehen spühreten / gehorchet zu haben scheinen wolten. Dieses war ein listgrif vol Scheinbarheiten / dadurch sieSimsons Gemühtsneugung zu überlistigen / und nach ihrem Wunsche zu neugen trachteten. Ja ein Rank war es ihn zu überreden / daß er alles / was sie[182] getahn / für Zeichen ihrer gehohrsamen Wohlneugung gegen ihn aufnehmen möchte.

(94) Darbei waren auch alle ihre Reden mit Honige bestrichen / alle ihre Worte mit Zukker bestreuet. Alles / was sie sprachen / war glat und geschmieret. Gleichwohl konten sie ihn nicht berükken. Simson blieb gleichwohl / wer er war. Sein Sin blieb unverändert. Seine Gedanken gingen ihren Gang. Er gedachte dem Rahtschlusse des Himmels mehr / als ihren Eingebungen / ihren Scheinliebelungen / zu folgen. Mehr war er bedacht seinen Muht noch weiter zu kühlen /als ihren Schmeucheleien Gehöhr zu geben. Mehr war er gesonnen sie zu vertilgen / als von diesem Sinne sich ablenken zu laßen. Und dieser Vorsatz saß seinem Hertzen so fest eingewurtzelt / daß alles ihn zu verrükken ümsonst war.

(95) »Mein Zorn« / sprach er / »ist noch nicht gesättiget. Mein Grim ist noch nicht gestillet. Meine Grausamkeit hat sich noch nicht geleget. Ob ihr schon mein verrähterisches / mein treuloses Weib / samt ihrem heillosen Anhange verbrant habet; so bin ich doch hierdurch noch nicht vergnüget. Ob ihr schon meine Schmaach an ihnen gerochen / so ist es doch mich zu befriedigen viel zu wenig. Ob ihr schon dieses alles getahn habet / so mus ich mich doch an euch selbst rächen. Ja ich selbst an euch selbst mus mich rächen. Zweier oder dreier Leiber vergossenes Bluht war nicht genug den Durst meiner so billigen Rachbegierde zu leschen. Eine gantze Bluhtsee kan es allein tuhn. Und darüm wil ich nicht eher aufhören das Bluht aus euren Leibern zu zapfen / als bis es über eure Felder ströhmlings hinschüßet / und das Wasser eurer Flüsse zu färben beginnet.«

(96) Großmühtige Seelen seind langsam zum Zorne. Sie werden langsam ergrimmet / doch auch langsam versühnet. Mit langsamen Tritte schreitet auch ihre Rachbegierde fort: doch diese Langsamheit ersetzet sie endlich mit einem gewaltigen Nachdrukke. Eine kleine Beleidigung achten sie wenig. Es mus was großes sein / das sie entrüstet. Eine zugefügte Schmaach können sie nicht leiden. Diese bewegt sie dermaßen / daß sie nicht bald wieder zu stillen. Die Stiche / welche sie [183] ihnen giebet / seind unheilbar / ja so scharf / und schmertzen so lange / daß ihre Rachgierigkeit nicht eher einschlummert / als bis sie sich auf das heftigste gerochen.

(97) Simson hatte bisher gleich als durch die Finger gelauschet. Er hatte den Ubermuht der Filister lange genug übersehen. Lange genug hatte er ihren Frefel vertragen. Du Anfang seiner Rache war zwar gemacht: indem er ihre Kornfelder und Weinberge verwüstet / und Kost und Trank ihnen aus dem Munde gerükket. Aber diese Rache war zu wenig. Sie ging nur auf die Lebensmittel. Sie musten was härtet und näher angegriffen sein. Es solte nunmehr das Leben selbst gelten. Er wolte sie selbst antasten. Selbst ihre Leiber solten herhalten. Er wolte sie so hart schlagen / daß sie es alle fühleten. Er wolte sie schlagen / beides an Schultern / und Lenden Ober-und Unter-man / Adel und Unadel / Bürger und Bauer / wie sie ihm vorkähmen / solten das Gelahk bezahlen.

(98) Er hatte seine Rache schritlings und algemach angefangen. Nun solte der Sprung und der Plotz selbst folgen. Nun solte der Sprung / den er bis hierher verschoben / mit ihnen getahn werden. Und hierzu war ein innerlicher Antrieb schon vor handen. Der Geist des HErren / der itzund der Filister Hochmuht zu stürtzen beschlossen / trieb ihn selbst. Er wafnete ihn mit Muht und Stärke. Ja er zündete ein solches Rachfeuer in seinem Busen an / daß ihm die Flamme darvon aus den Augen / und der Dampf aus dem Munde schlug. Selbst das Angesicht feuerte. Ein ieder Blik war ein Blitz / ein iedes Wort ein Donner. Und also bekahm Simson ein solches erschrökliches Ansehen / daß er dadurch / eh er den Arm zur Schlacht aufhub / die Filister schon erstarret und erstoraen vor ihm stehen sahe.

(99) Diese Drangsäligen schienen erschlagen / ehe sie den Schlag fühleten. Sie schienen toht zu sein /ehe sie getöhtet warden. Sie schienen entseelete Leichen zu sein / ehe die Stele sich aus dem Leibe verlohren. Ja sie waren gantz Macht- Muht- und Sin-loß. Kein Glied an ihnen bewägete sich. Alle Bewägligkeit / alle Empfindligkeit war aus ihnen gewichen. Nur das Hertz pukte und pufte von innen: welches das einige Zeichen [184] war / daß sie noch lebeten. In ein solches Schrökken jagte sie bloß allein der Anblik dieses mächtigen Feindes. Eine solche Furcht überfiel sie /sobald Simson nur allein seinen gewaltigen Arm zu schwänken begunte.

(100) In dieser eusersten Bestürtzung hatten sie alle Sinligke it so gar verlohren / daß sie kein Mittel ersinnen konten seiner übermenschlichen Stürke zu widerstehen. Zum wenigsten waren ihre Sinne so verwürret / daß sie weder zu den geringsten heilsamen Gedanken / noch zu irgend einer Entschlüßung / ihr so nahes Verderben zu hintertreiben / gelangen mochten. Ja sie waren so entsetzt und aus sich selbsten /daß sie nicht einmahl getrauten sich zu versamlen /einem so wühtenden Ansprunge die Spitze zu bieten /und sich selbsten aus dem grimmigen Rachen des Todes zu retten.

(101) Wie ein Schaf / das in den Hürden eingesperret erstummet / und sich zur Schlachtbank geführet zu werden willig fangen lesset / seinem Schlächter die Gurgel gleich als von sich selbst darbietet und übergiebet: also übergaben sich auch die Filister selbsten dem Simson sie zu schlachten. Sie stelleten sich seinem Zorne zur Versühngabe selbsten dar / als solche / die den Ekel und Widerwillen zu sterben / der sonst allen Menschen gemein ist / verlohren. Nicht einmahl gedachten / viel weniger versuchten sie seiner tapferen Faust / die das Filisterland mit Leichen zu besäen / und mit Bluhte zu befeuchten / schon ausgesträkket war / zu entfliehen; welches sie doch freilich tuhn sollen; weil sie das Hertz / noch den Muht / seine Todesstreiche mit fechtender Hand auszuschlagen / nicht hatten.

(102) Bei so beschaffenen Sachen / stund dandem Simson nichts im Wege die Städte der Filister leer / und ihre Gräber vol an Einwohnern zu machen. Sich mit Tohtschlägen zu sättigen war ihm überflüßig vergönnet. Nichts verhinderte ihn seinen Bluhtdurst zu leschen / und dem Tode selbst eine reiche Leichenärnte zu verschaffen. Auch war er in der Taht geschäftig diese unempfindliche Bildseulen über einen Hauffen zu werfen. Er brach ihnen die Hälse. Er zerknikte ihnen das Genikke. Er [185] zerschlug ihnen die Aerme. Er lähmete ihnen die Beine. Ja er handelte mit ihnen / nach eigenem Belieben / und sahe niemand an / wer oder was er war.

(103) Wiewohl sein Zorn zuweilen / wan er / von so heftiger Bewägung abgemattet / gleich als Ahtem schöpfete / ganz von Kräften gekommen zu sein schien; so erhohlte er sich doch bald wieder. Bald ging die Wuht wieder an. Die Zeit / da er nachlies /war den Armsäligen nur eine kleine Galgenfrist. Plötzlich fiel er wieder auf sie zu. Unverhuhts schlug er wieder auf sie loß / und noch viel heftiger / als zuvor iemahls. Er ward des Reissens / des Schmeissens / des Bluhtvergiessens des Tohtschlagens endlich so gewohnet / daß er kaum wieder aufhören konte. Wo die Filister am dikkesten stunden / da sprang er / eben als ein wühtender Wolf / mitten unter den Hauffen. Ie grösser und stärker die Mänge war / üm so viel mehr Niederlagen erfolgeten.

(104) Ward Totila der Gohten König /weil er schier das gantze Wälschland verheerete /GOttes Peitsche genennet; verdienete diesen Nahmen der Ungrische König Attila welcher Hochdeutschland verwüstete / da er unter andern / bei Eroberung der Stadt Köln / eilftausend Jungfrauen erwürgete: vielmehr kahm dan alhier ein solcher Nahme dem Simson zu dessen Arm die Almacht GOttes selbst stärkete die Filister zu geisseln / und seine Gerechtigkeit nunmehr / durch ihn / solche Geisselung schon begonnen.

(105) Wan GOtt seine Feinde zu geisseln beschlossen / müssen sie selbst der Geissel entgegen lauffen. Sie müssen den Rükken von sich selbst darbieten. Sie müssen sich selbst auf die Geisseibank legen / oder an den Geisselstok stellen / die Schmitze zu empfangen. Und darüm war es kein Wunder / daß die Filister alhier / straks im ersten Anblikke dieser gewaltigen Geissel / ein solcher algemeiner Schrik überfiel /daß sie weder zu fliehen / noch sich zu wehren keines weges vermochten.

(106) Also schlug sie dan dieser tapfere Held dermaßen / sie bei tausenden fielen. Ja er erfüllete den Ort / da die Schlags [186] geschahe / mit so viel Tohten /daß die übrigen Filister / welche der Glüksfal daselbsten gespahret / nicht mächtig genug waren eine so große Mänge zu begraben. Hatte Samgar etliche Jahre zuvor nur mit einer Ochsenkeule sechshundertFilister erleget; so lagen sie itzund / durch Simsons Faust / bei tausenden gefället.

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