362. Verwünschte Dame bei Zierstorf.

Am Abend vor Johannistag hütete einmal ein Schäferknecht die Schafe in der Nähe des alten Schloßberges, der im Zierstorfer Holz liegt und auf welchem eine Ritterburg gestanden hat. Da ist ihm eine Dame erschienen und hat ihn gebeten, daß er sie erlöse. Wenn er dazu bereit sei, so solle er auf den Glockenschlag am Johannisabend wiederkommen. Sie werde ihm dann in anderer Gestalt erscheinen, doch müsse er sie küssen. Nur ein jugendlicher, noch unschuldiger Mensch könne sie erlösen. Der Schäferknecht sagt auch zu und kommt am nächsten Abend zur bestimmten Stunde wieder. Da kommt die Dame in Gestalt einer ›Kullüx‹ (Kröte) auf [274] ihn zu; erschreckt durch die gräßliche Erscheinung, verschmäht er den Kuß und macht, daß er wegkommt. Sie ruft ihm bittend und flehend nach, daß er sie doch mit dem Kuß erlösen möge; wenn es jetzt nicht geschehe, so müsse sie noch hundert Jahre dort zubringen. Er hat aber nicht auf das Flehen gehört und sich nicht auf das Küssen eingelassen. Die Hœker sollen sie Abends haben schreien hören; was sie aber gerufen, haben sie nicht verstanden; auch die Schäfer, wenn sie da am Schloßberg mit den Schafen in Hürden gelegen, haben gesagt, daß da was vorgehe, die Schafe seien des Nachts oft so unruhig. – Auch wird von einer silbernen oder goldenen Wiege im Schloßberg gesprochen.


Pogge-Pölitz; andere Aufzeichnung nach Erzählung von Fritz Drogmöller durch Gymnasiast O. Wien aus Hohenfelde.

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