164. An Johanna Keßler
164. An Johanna Keßler
Wiedensahl d. 10. Jan. 73.
Liebe Tante!
Die letzte Festwoche war ich mit Bruder Hermann in Berlin. Die Stadt hat einen günstig-bedeutsamen Eindruck auf mich gemacht. Aus dem Museum, welches ich natürlich nur flüchtig sehen konnte, blieben mir fest im Gedächtniß Frans Hals und – wie sollt er nicht! – Chodowiecki. Von letzterm die Gesellschaftsspiele im Freien wollen
Watteau's
sein, aber der hängt in der Nähe und bringt sie um. Der Abschied des
Calas
in Öl, etwa in der Größe Ihres Stiches, führte meine Gedanken zu einer lieben wohlbekannten Ecke. (Alles dahin!) – Bei
Ravenné's
standen noch die Christbäume im Bildersaal. Es hängen da alte Bekannte von Knaus, kräftige
Troyon's,
ein Bild von
Couture,
ein schöner
Gallait
und ein »reizender« Messonnier. Das Portrait des alten
Ravenné
von Knaus hätte ich auch gern gesehn, hatte aber nicht Zeit und Lust, der Madam meine Aufwartung zu machen. – Im Wallnertheater machte uns Helmerding viel Vergnügen. – Die Nachtwachen haben mir einigen Katzenjammer hinterlaßen.
Wann werde ich Sie wiedersehen, liebste Tante? – fern, fern, immer ferner!
Und Alles verschwindet!
An Nanda und Letty viel tausend herzliche Grüße von
Willem B.