Schreckliche Folgen eines Bleistifts Ballade 1. O Madrid, ich muß dich hassen, Denn du hast ihn schnöd verkannt, Den Murillo seinen besten Schüler stets mit Stolz genannt. Keiner wiegte auf dem Haupte Solchen hohen, spitzen Hut, Und das edle Bleistiftspitzen Konnt' er aus dem Grunde gut. Keiner hatte wie Pedrillo Dieses lange Lockenspiel, Keiner trug Hispaniens Mantel Mit so vielem Kunstgefühl; Meistens nahm er Nro. 7 Und mit kunstgeübter Hand Spitzt' er ihn an beiden Enden, Weil er dieses praktisch fand. Einstmals merkte dies Murillo Und er sprach mit ernstem Ton: »Was ich eben da bemerke, Das gefällt mir nicht, mein Sohn; Denn ich glaube, daß du hierin Sehr auf falschem Wege bist, Weil es erstens sehr gefährlich, Zweitens auch nicht nötig ist.« Doch Pedrillo (wie gewöhnlich Diese jungen Leute sind) Schlug Murillos weise Lehre Lirum, larum! in den Wind. 2. Übrigens (das muß man sagen) Was die edle Kunst betraf, Überhaupt in seinem Fache, War Pedrillo wirklich brav. Als Pedrillo nun gemalet Dieses Mädchen als Porträt, War der große Don Murillo Auch nicht ungern in der Näh'. So z.B. die Madonna; Ja, wer hätte das gedacht? Selbst der große Don Murillo Hätte Bessres nicht gemacht. Früh vom Morgen bis zum Abend Unterweist der Meister ihn, Und Pedrillo folgte willig Stets mit eifrigem Bemühn. Aber so was kostet Mühe Und es kostet auch noch Geld, Denn Pedrillo hatte häufig Sich dazu Modell bestellt. Aber abends, wo ein jeder Gerne seine Ruhe hat, Führt' Pedrillo jenes Mädchen Oft spazieren vor die Stadt. Sie war eine Schneiderstochter Aus der Vorstadt von Madrid, Schwarze Augen, blonde Flechten Brachte dieses Mädchen mit. Einstmal merkte dies Murillo Und er sprach mit ernstem Ton: »Was ich eben da bemerke, Das gefällt mir nicht, mein Sohn; Denn ich glaube, daß du hierin Sehr auf falschem Wege bist, Weil es erstens sehr gefährlich, Zweitens auch nicht nötig ist.« Doch Pedrillo (wie gewöhnlich Diese jungen Leute sind) Schlug Murillos weise Lehre Lirum, larum! in den Wind. 3. Schon am nächsten Donnerstage, Als ein schöner Abend war, Sah man draußen vor dem Tore Dieses pflichtvergess'ne Paar. Zu dem dort'gen Myrtenhaine Gingen sie im Mondeslicht, Aber keiner sah sie wieder, Wenigstens lebendig nicht. Denn es sprach zu ihr Pedrillo: »Sprich, Geliebte, liebst du mich?« Und sie preßt ihn an den Busen, Sprechend: »Ja, ich liebe dich!« Und als er die beiden Leichen In der Nähe sich besah, Fand er alles sehr natürlich, Denn, ach Gott! was fand er da? »Au!« schrie plötzlich da Pedrillo, Und das Mädchen schrie es auch; Tödlich fielen beide nieder Unter einem Myrtenstrauch. Ach! ein Bleistift Nro. 7, Den Pedrillo zugespitzt, Zugespitzt an beiden Enden, Hatte dieses Blut verspritzt. Keiner wußte, was geschehen, Bis des Morgens in der Früh, Denn da kam ein alter Klausner Durch den Wald und merkte sie. Als Murillo dies vernommen, Sprach er sanft und weinte sehr: »Ach! o Jüngling, spitze niemals Einen harten Bleistift mehr; Führe Mädchen nie spazieren, Denn dies Beispiel zeigt es klar, Daß es erstens sehr gefährlich, Zweitens auch nicht nötig war.«