Am Vorabend von Rosens Geburtstag Lauschend am Fenster sitzt der Poet. – Draußen die Blumen und Pflänzchen Halten ihr Abendkränzchen Auf dem Gartenbeet. Der Mond in Silberlivree, Leise geschäftig, Kredenzt den Tau, den Blütentee, Anregend und kräftig. Und von Kelch zu Kelche Geht ein Geflüster: Also morgen ist er! Ja, morgen feiert sie Ihren werten Entsprießungstag – Hä, was? Hä, welche? – – Drüben im Garten die schöne Frau Rose – – Ah! mit den zwei Knospen die! – – die tadel- und dornenlose – – Wer's glauben mag! – Von Duft und Glanz umwoben. Man weiß, man weiß! Die gute Frau Ehrenpreis Muß immer loben. Und doch hat unser Röschen, das feine, Allerlei kleine Grillen und Räupchen Unter dem zierlichen Häubchen. Oh, wie reizend! Bald steht sie da so mildiglich Und senkt die Blätter, Bald rüttelt, schüttelt und spreizt sie sich, Je nach dem Wetter. Oh, wie reizend! Ja, reizend, das wollt ich meinen! Drum sieht man auch häufig den Löwenzahn, Den Rittersporn und den Baldrian Dort wachsen und erscheinen. Oh, wie reizend! Ja, reizend, ganz recht! Und dann dieser Musenknecht, Dieser Dichter – Der Versetrichter – – mit den langen Locken – – mit dem Loch im Socken. Oh, wie reizend! Alltäglich kläglich mit Gefühl In ihrer Nähe Entlockt er seinem Saitenspiel Lieblich Getön Und singt so schön – – wie 'ne Mantelkrähe. Zum Beispiel, noch gestern – – Geliebte Schwestern! – Ihr Muster der Milde! Ihr Tugendgebilde! Wen sollte der festliche Tag nicht rühren! Ich denke doch – – Ja, ja, wir alle gratulieren!! Ein Schöngeist blüht in unsrer Mitte, Ein hochgeschickter – Fräulein Federnelke – Oh, bitte! Blaustrumpf, verrückter! – – Federnelke, die wundersame, So lautet ihr holder botanischer Name. Vielleicht läßt sie sich freundlich erweichen Und schreibt und dichtet ein Billett, Duftend, geistvoll und nett. Das möge dann die dienende Biene, Unsere süße, geflügelte Schleckerkathrine, Hinschwebend im frühesten Morgenwind, Dem hohen Geburtstagskind Ehrfurchtsvoll sumsend überreichen. Oh, wie reizend! »Veredelte Rose und Nachbarin! Nehmet dies Brieflein gnädig hin, Sintemalen dasselbe geschrieben Von allerlei Pflanzen, welche Euch lieben. Verleihe der Himmel Euer Gnaden Beständig ein sanftes Sonnenlicht Und frischen Tau und meinetwegen Auch hie und da ein wenig Regen, Nur Sturmwind nicht, Denn dieser tut der Schönheit schaden. Ergebenst mit Herz und Honigmund Das Blumenkränzchen: Tugendbund.« Oh, wie reizend! Ich denke, es macht sich so! Bravo bravissimo! Noch'n Täßchen Tee gefällig? Ich trank schon drei. Ich fünf. Ich acht. Mein Mieder kracht! Gute Nacht, gute Nacht! (Die Blumen nicken. Der Mond geht unter. Der Poet, nachdem er noch einen Blick in die Nacht hinausgebohrt, schließt leise das Fenster.)