[Ich hab in einem alten Buch gelesen] Ich hab in einem alten Buch gelesen Von einem Jüngling, welcher schlimm gewesen. Er streut sein Hab und Gut in alle Winde. Von Lust zu Lüsten und von Sünd zu Sünde, In tollem Drang, in schrankenlosem Streben Spornt er sein Roß hinein ins wilde Leben, Bis ihn ein jäher Sturz vom Felsenrand Dahingestreckt in Sand und Sonnenbrand, Daß Ströme Bluts aus seinem Munde dringen Und jede Hoffnung fast erloschen ist. Ich aber hoffe – sagt hier der Chronist – Die Gnade leiht dem Jüngling ihre Schwingen. Im selben Buche hab ich auch gelesen Von einem Manne, der honett gewesen. Es war ein Mann, den die Gemeinde ehrte, Der so von sechs bis acht sein Schöppchen leerte, Der aus Prinzip nie einem etwas borgte, Der emsig nur für Frau und Kinder sorgte; Dazu ein proprer Mann, der nie geflucht, Der seine Kirche musterhaft besucht. Kurzum, er hielt sein Rößlein stramm im Zügel, Und war, wie man so sagt, ein guter Christ. Ich fürchte nur – bemerkt hier der Chronist – Dem Biedermanne wachsen keine Flügel.