Johann Wolfgang Goethe Torquato Tasso Ein Schauspiel Personen Personen. Alfons der Zweite, Herzog von Ferrata Leonore von Este, Schwester des Herzogs Leonore Sanvitale, Gräfin von Scandiano Torquato Tasso Antonio Montecatino, Staatssekretär 1. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt Gartenplatz, mit Hermen der epischen Dichter geziert. Vorn an der Szene zur Rechten Virgil, zur Linken Ariost. Prinzessin. Leonore. Du siehst mich lächelnd an, Eleonore, Und siehst dich selber an und lächelst wieder. Was hast du? Laß es eine Freundin wissen! Du scheinst bedenklich, doch du scheinst vergnügt. Ja, meine Fürstin, mit Vergnügen seh ich Uns beide hier so ländlich ausgeschmückt. Wir scheinen recht beglückte Schäferinnen Und sind auch wie die Glücklichen beschäftigt. Wir winden Kränze. Dieser, bunt von Blumen, Schwillt immer mehr und mehr in meiner Hand, Du hast mit höherm Sinn und größrem Herzen Den zarten schlanken Lorbeer dir gewählt. Die Zweige, die ich in Gedanken flocht, Sie haben gleich ein würdig Haupt gefunden, Ich setze sie Virgilen dankbar auf. Sie kränzt die Herme Virgils. So drück ich meinen vollen frohen Kranz Dem Meister Ludwig auf die hohe Stirne – Sie kränzt Ariostens Herme. Er, dessen Scherze nie verblühen, habe Gleich von dem neuen Frühling seinen Teil. Mein Bruder ist gefällig, daß er uns In diesen Tagen schon aufs Land gebracht, Wir können unser sein und stundenlang Uns in die goldne Zeit der Dichter träumen. Ich liebe Belriguardo, denn ich habe Hier manchen Tag der Jugend froh durchlebt, Und dieses neue Grün und diese Sonne Bringt das Gefühl mir jener Zeit zurück. Ja es umgibt uns eine neue Welt! Der Schatten dieser immergrünen Bäume Wird schon erfreulich. Schon erquickt uns wieder Das Rauschen dieser Brunnen, schwankend wiegen Im Morgenwinde sich die jungen Zweige. Die Blumen von den Beeten schauen uns Mit ihren Kinderaugen freundlich an. Der Gärtner deckt getrost das Winterhaus Schon der Zitronen und Orangen ab, Der blaue Himmel ruhet über uns Und an dem Horizonte löst der Schnee Der fernen Berge sich in leisen Duft. Es wäre mir der Frühling sehr willkommen Wenn er nicht meine Freundin mir entführte. Erinnre mich in diesen holden Stunden, O Fürstin, nicht wie bald ich scheiden soll. Was du verlassen magst, das findest du In jener großen Stadt gedoppelt wieder. Es ruft die Pflicht, es ruft die Liebe mich Zu dem Gemahl der mich so lang entbehrt. Ich bring ihm seinen Sohn, der dieses Jahr So schnell gewachsen, schnell sich ausgebildet, Und teile seine väterliche Freude. Groß ist Florenz und herrlich, doch der Wert Von allen seinen aufgehäuften Schätzen Reicht an Ferraras Edelsteine nicht. Das Volk hat jene Stadt zur Stadt gemacht, Ferrara ward durch seine Fürsten groß. Mehr durch die guten Menschen, die sich hier Durch Zufall trafen und zum Glück verbanden. Sehr leicht zerstreut der Zufall was er sammelt Ein edler Mensch zieht edle Menschen an Und weiß sie fest zu halten, wie ihr tut. Um deinen Bruder und um dich verbinden Gemüter sich, die eurer würdig sind, Und ihr seid eurer großen Väter wert. Hier zündete sich froh das schöne Licht Der Wissenschaft, des freien Denkens an, Als noch die Barbarei mit schwerer Dämmrung Die Welt umher verbarg. Mir klang als Kind Der Name Herkules von Este schon, Schon Hyppolit von Este voll ins Ohr. Ferrara ward mit Rom und mit Florenz Von meinem Vater viel gepriesen! Oft Hab ich mich hingesehnt; nun bin ich da. Hier ward Petrarch bewirtet, hier gepflegt, Und Ariost fand seine Muster hier. Italien nennt keinen großen Namen, Den dieses Haus nicht seinen Gast genannt. Und es ist vorteilhaft den Genius Bewirten: gibst du ihm ein Gastgeschenk, So läßt er dir ein schöneres zurück. Die Stätte, die ein guter Mensch betrat, Ist eingeweiht; nach hundert Jahren klingt Sein Wort und seine Tat dem Enkel wieder. Dem Enkel, wenn er lebhaft fühlt wie du. Gar oft beneid ich dich um dieses Glück. Das du, wie wenig andre, still und rein Genießest. Drängt mich doch das volle Herz Sogleich zu sagen was ich lebhaft fühle, Du fühlst es besser, fühlst es tief und – schweigst. Dich blendet nicht der Schein des Augenblicks, Der Witz besticht dich nicht, die Schmeichelei Schmiegt sich vergebens künstlich an dein Ohr: Fest bleibt dein Sinn und richtig dein Geschmack, Dein Urteil grad, stets ist dein Anteil groß Am Großen, das du wie dich selbst erkennst. Du solltest dieser höchsten Schmeichelei Nicht das Gewand vertrauter Freundschaft leihen. Die Freundschaft ist gerecht, sie kann allein Den ganzen Umfang deines Werts erkennen. Und laß mich der Gelegenheit, dem Glück Auch seinen Teil an deiner Bildung geben, Du hast sie doch, und bist's am Ende doch, Und dich mit deiner Schwester ehrt die Welt Vor allen großen Frauen eurer Zeit. Mich kann das, Leonore, wenig rühren, Wenn ich bedenke wie man wenig ist, Und was man ist, das blieb man andern schuldig. Die Kenntnis alter Sprachen und des Besten, Was uns die Vorwelt ließ, dank ich der Mutter; Doch war an Wissenschaft, an rechtem Sinn Ihr keine beider Töchter jemals gleich; Und soll sich eine ja mit ihr vergleichen, So hat Lucretia gewiß das Recht. Auch kann ich dir versichern hab ich nie Als Rang und als Besitz betrachtet, was Mir die Natur, was mir das Glück verlieh. Ich freue mich, wenn kluge Männer sprechen, Daß ich verstehen kann wie sie es meinen. Es sei ein Urteil über einen Mann Der alten Zeit und seiner Taten Wert; Es sei von einer Wissenschaft die Rede, Die, durch Erfahrung weiter ausgebreitet, Dem Menschen nutzt indem sie ihn erhebt; Wohin sich das Gespräch der Edlen lenkt, Ich folge gern, denn mir wird leicht zu folgen. Ich höre gern dem Streit der Klugen zu, Wenn um die Kräfte, die des Menschen Brust So freundlich und so fürchterlich bewegen, Mit Grazie die Rednerlippe spielt; Gern, wenn die fürstliche Begier des Ruhms, Des ausgebreiteten Besitzes Stoff Dem Denker wird, und wenn die feine Klugheit, Von einem klugen Manne zart entwickelt, Statt uns zu hintergehen uns belehrt. Und dann nach dieser ernsten Unterhaltung Ruht unser Ohr und unser innrer Sinn Gar freundlich auf des Dichters Reimen aus, Der uns die letzten lieblichsten Gefühle Mit holden Tönen in die Seele flößt. Dein hoher Geist umfaßt ein weites Reich, Ich halte mich am liebsten auf der Insel Der Poesie in Lorbeerhainen auf. In diesem schönen Lande, hat man mir Versichern wollen, wächst vor andern Bäumen Die Myrte gern. Und wenn der Musen gleich Gar viele sind, so sucht man unter ihnen Sich seltner eine Freundin und Gespielin, Als man dem Dichter gern begegnen mag, Der uns zu meiden, ja zu fliehen scheint, Etwas zu suchen scheint das wir nicht kennen, Und er vielleicht am Ende selbst nicht kennt. Da wär es denn ganz artig, wenn er uns Zur guten Stunde träfe, schnell entzückt Uns für den Schatz erkennte, den er lang Vergebens in der weiten Welt gesucht. Ich muß mir deinen Scherz gefallen lassen, Er trifft mich zwar, doch trifft er mich nicht tief. Ich ehre jeden Mann und sein Verdienst Und ich bin gegen Tasso nur gerecht. Sein Auge weilt auf dieser Erde kaum; Sein Ohr vernimmt den Einklang der Natur; Was die Geschichte reicht, das Leben gibt, Sein Busen nimmt es gleich und willig auf: Das weit Zerstreute sammelt sein Gemüt, Und sein Gefühl belebt das Unbelebte. Oft adelt er was uns gemein erschien, Und das Geschätzte wird vor ihm zu nichts. In diesem eignen Zauberkreise wandelt Der wunderbare Mann und zieht uns an Mit ihm zu wandeln, teil an ihm zu nehmen: Er scheint sich uns zu nahn, und bleibt uns fern; Er scheint uns anzusehn, und Geister mögen An unsrer Stelle seltsam ihm erscheinen. Du hast den Dichter fein und zart geschildert Der in den Reichen süßer Träume schwebt. Allein mir scheint auch ihn das Wirkliche Gewaltsam anzuziehn und fest zu halten. Die schönen Lieder, die an unsern Bäumen Wir hin und wieder angeheftet finden, Die, goldnen Äpfeln gleich, ein neu Hesperien Uns duftend bilden, erkennst du sie nicht alle Für holde Früchte einer wahren Liebe? Ich freue mich der schönen Blätter auch. Mit mannigfaltgem Geist verherrlicht er Ein einzig Bild in allen seinen Reimen. Bald hebt er es in lichter Glorie Zum Sternenhimmel auf, beugt sich verehrend Wie Engel über Wolken vor dem Bilde; Dann schleicht er ihm durch stille Fluren nach Und jede Blume windet er zum Kranz. Entfernt sich die Verehrte, heiligt er Den Pfad, den leis ihr schöner Fuß betrat. Versteckt im Busche gleich der Nachtigall Füllt er aus einem liebekranken Busen Mit seiner Klagen Wohllaut Hain und Luft: Sein reizend Leid, die selge Schwermut lockt Ein jedes Ohr und jedes Herz muß nach – Und wenn er seinen Gegenstand benennt So gibt er ihm den Namen Leonore. Es ist dein Name wie es meiner ist. Ich nähm es übel wenn's ein andrer wäre. Mich freut es daß er sein Gefühl für dich In diesem Doppelsinn verbergen kann. Ich bin zufrieden daß er meiner auch Bei dieses Namens holdem Klang gedenkt. Hier ist die Frage nicht von einer Liebe, Die sich des Gegenstands bemeistern will, Ausschließend ihn besitzen, eifersüchtig Den Anblick jedem andern wehren möchte. Wenn er in seliger Betrachtung sich Mit deinem Wert beschäftigt, mag er auch An meinem leichtern Wesen sich erfreun. Uns liebt er nicht, – verzeih daß ich es sage! – Aus allen Sphären trägt er was er liebt Auf einen Namen nieder den wir führen, Und sein Gefühl teilt er uns mit; wir scheinen Den Mann zu lieben, und wir lieben nur Mit ihm das Höchste was wir lieben können. Du hast dich sehr in diese Wissenschaft Vertieft, Eleonore, sagst mir Dinge, Die mir beinahe nur das Ohr berühren Und in die Seele kaum noch übergehn. Du? Schülerin des Plato! nicht begreifen? Was dir ein Neuling vorzuschwatzen wagt. Es müßte sein daß ich zu sehr mich irrte, Doch irr ich auch nicht ganz, ich weiß es wohl. Die Liebe zeigt in dieser holden Schule Sich nicht, wie sonst, als ein verwöhntes Kind: Es ist der Jüngling der mit Psychen sich Vermählte, der im Rat der Götter Sitz Und Stimme hat. Er tobt nicht frevelhaft Von einer Brust zur andern hin und her; Er heftet sich an Schönheit und Gestalt Nicht gleich mit süßem Irrtum fest, und büßet Nicht schnellen Rausch mit Ekel und Verdruß. Da kommt mein Bruder, laß uns nicht verraten Wohin sich wieder das Gespräch gelenkt. Wir würden seinen Scherz zu tragen haben, Wie unsre Kleidung seinen Spott erfuhr. 2. Auftritt Zweiter Auftritt Die Vorigen. Alfons. Ich suche Tasso, den ich nirgends finde, Und treff ihn – hier sogar bei euch nicht an. Könnt ihr von ihm mir keine Nachricht geben? Ich sah ihn gestern wenig, heute nicht. Es ist ein alter Fehler, daß er mehr Die Einsamkeit als die Gesellschaft sucht. Verzeih ich ihm, wenn er den bunten Schwarm Der Menschen flieht, und lieber frei im Stillen Mit seinem Geist sich unterhalten mag, So kann ich doch nicht loben daß er selbst Den Kreis vermeidet den die Freunde schließen. Irr ich mich nicht, so wirst du bald, o Fürst Den Tadel in ein frohes Lob verwandeln. Ich sah ihn heut von fern; er hielt ein Buch Und eine Tafel, schrieb und ging und schrieb. Ein flüchtig Wort das er mir gestern sagte Schien mir sein Werk vollendet anzukünden. Er sorgt nur kleine Züge zu verbessern, Um deiner Huld, die ihm so viel gewährt, Ein würdig Opfer endlich darzubringen. Er soll willkommen sein wenn er es bringt Und losgesprochen sein auf lange Zeit. So sehr ich teil an seiner Arbeit nehme, So sehr in manchem Sinn das große Werk Mich freut und freuen muß, so sehr vermehrt Sich auch zuletzt die Ungeduld in mir. Er kann nicht enden, kann nicht fertig werden, Er ändert stets, ruckt langsam weiter vor, Steht wieder still, er hintergeht die Hoffnung; Unwillig sieht man den Genuß entfernt In späte Zeit, den man so nah geglaubt. Ich lobe die Bescheidenheit, die Sorge, Womit er Schritt vor Schritt zum Ziele geht. Nur durch die Gunst der Musen schließen sich So viele Reime fest in eins zusammen; Und seine Seele hegt nur diesen Trieb, Es soll sich sein Gedicht zum Ganzen ründen. Er will nicht Märchen über Märchen häufen, Die reizend unterhalten und zuletzt Wie lose Worte nur verklingend täuschen. Laß ihn, mein Bruder! denn es ist die Zeit Von einem guten Werke nicht das Maß; Und wenn die Nachwelt mit genießen soll, So muß des Künstlers Mitwelt sich vergessen. Laß uns zusammen, liebe Schwester, wirken, Wie wir zu beider Vorteil oft getan! Wenn ich zu eifrig bin, so lindre du: Und bist du zu gelind, so will ich treiben. Wir sehen dann auf einmal ihn vielleicht Am Ziel, wo wir ihn lang gewünscht zu sehn. Dann soll das Vaterland, es soll die Welt Erstaunen, welch ein Werk vollendet worden. Ich nehme meinen Teil des Ruhms davon, Und er wird in das Leben eingeführt. Ein edler Mensch kann einem engen Kreise Nicht seine Bildung danken. Vaterland Und Welt muß auf ihn wirken. Ruhm und Tadel Muß er ertragen lernen. Sich und andre Wird er gezwungen recht zu kennen. Ihn Wiegt nicht die Einsamkeit mehr schmeichelnd ein. Es will der Feind – es darf der Freund nicht schonen: Dann übt der Jüngling streitend seine Kräfte, Fühlt was er ist und fühlt sich bald ein Mann. So wirst du, Herr, für ihn noch alles tun, Wie du bisher für ihn schon viel getan. Es bildet ein Talent sich in der Stille, Sich ein Charakter in dem Strom der Welt. O daß er sein Gemüt wie seine Kunst. An deinen Lehren bilde! daß er nicht Die Menschen länger meide, daß sein Argwohn Sich nicht zuletzt in Furcht und Haß verwandle! Die Menschen fürchtet nur wer sie nicht kennt, Und wer sie meidet wird sie bald verkennen. Das ist sein Fall, und so wird nach und nach Ein frei Gemüt verworren und gefesselt. So ist er oft um meine Gunst besorgt Weit mehr als es ihm ziemte; gegen viele Hegt er ein Mißtraun, die, ich weiß es sicher, Nicht seine Feinde sind. Begegnet ja Daß sich ein Brief verirrt, daß ein Bedienter Aus seinem Dienst in einen andern geht, Daß ein Papier aus seinen Händen kommt, Gleich sieht er Absicht, sieht Verräterei Und Tücke die sein Schicksal untergräbt. Laß uns, geliebter Bruder, nicht vergessen Daß von sich selbst der Mensch nicht scheiden kann Und wenn ein Freund, der mit uns wandeln sollte, Sich einen Fuß beschädigte, wir würden Doch lieber langsam gehn und unsre Hand Ihm gern und willig leihen? Besser wär's, Wenn wir ihn heilen könnten, lieber gleich Auf treuen Rat des Arztes eine Kur Versuchten, dann mit dem Geheilten froh Den neuen Weg des frischen Lebens gingen. Doch hoff ich, meine Lieben, daß ich nie Die Schuld des rauhen Arztes auf mich lade. Ich tue was ich kann um Sicherheit Und Zutraun seinem Busen einzuprägen. Ich geb ihm oft in Gegenwart von vielen Entschiedne Zeichen meiner Gunst. Beklagt Er sich bei mir, so laß ich's untersuchen; Wie ich es tat, als er sein Zimmer neulich Erbrochen glaubte. Läßt sich nichts entdecken, So zeig ich ihm gelassen wie ich's sehe; Und da man alles üben muß, so üb ich, Weil er's verdient, an Tasso die Geduld; Und ihr, ich weiß es, steht mir willig bei. Ich hab euch nun aufs Land gebracht und gehe Heut abend nach der Stadt zurück. Ihr werdet Auf einen Augenblick Antonio sehen, Er kommt von Rom und holt mich ab. Wir haben Viel auszureden, abzutun. Entschlüsse Sind nun zu fassen, Briefe viel zu schreiben, Das alles nötigt mich zur Stadt zurück. Erlaubst du uns daß wir dich hinbegleiten Bleibt nur in Belriguardo, geht zusammen Hinüber nach Consandoli! Genießt Der schönen Tage ganz nach freier Lust. Du kannst nicht bei uns bleiben? die Geschäfte Nicht hier so gut als in der Stadt verrichten? Du führst uns gleich Antonio hinweg, Der uns von Rom so viel erzählen sollte? Es geht nicht an, ihr Kinder; doch ich komme Mit ihm so bald als möglich ist, zurück: Dann soll er euch erzählen und ihr sollt Mir ihn belohnen helfen, der so viel In meinem Dienst aufs neue sich bemüht. Und haben wir uns wieder ausgesprochen, So mag der Schwarm dann kommen, daß es lustig In unsern Gärten werde, daß auch mir, Wie billig, eine Schönheit in dem Kühlen Wenn ich sie suche gern begegnen mag. Wir wollen freundlich durch die Finger sehen. Dagegen wißt ihr daß ich schonen kann. nach der Szene gekehrt. Schon lange seh ich Tasso kommen. Langsam Bewegt er seine Schritte, steht bisweilen Auf einmal still, wie unentschlossen, geht Dann wieder schneller auf uns los, und weilt Schon wieder. Stört ihn, wenn er denkt und dichtet, In seinen Träumen nicht, und laßt ihn wandeln. Nein, er hat uns gesehn, er kommt hierher. 3. Auftritt Dritter Auftritt Die Vorigen. Tasso. mit einem Buche in Pergament geheftet. Ich komme langsam dir ein Werk zu bringen, Und zaudre noch es dir zu überreichen. Ich weiß zu wohl, noch bleibt es unvollendet, Wenn es auch gleich geendigt scheinen möchte. Allein, war ich besorgt es unvollkommen Dir hinzugeben, so bezwingt mich nun Die neue Sorge: Möcht ich doch nicht gern Zu ängstlich, möcht ich nicht undankbar scheinen. Und wie der Mensch nur sagen kann: Hie bin ich! Daß Freunde seiner schonend sich erfreuen: So kann ich auch nur sagen: Nimm es hin! Er übergibt den Band. Du überraschest mich mit deiner Gabe Und machst mir diesen schönen Tag zum Fest. So halt ich's endlich denn in meinen Händen, Und nenn es in gewissem Sinne mein! Lang wünscht ich schon, du möchtest dich entschließen Und endlich sagen: Hier! es ist genug. Wenn ihr zufrieden seid, so ist's vollkommen; Denn euch gehört es zu in jedem Sinn. Betrachtet ich den Fleiß den ich verwendet, Sah ich die Züge meiner Feder an, So konnt ich sagen: dieses Werk ist mein. Doch seh ich näher an, was dieser Dichtung Den innren Wert und ihre Würde gibt, Erkenn ich wohl, ich hab es nur von euch. Wenn die Natur der Dichtung holde Gabe Aus reicher Willkür freundlich mir geschenkt, So hatte mich das eigensinnge Glück Mit grimmiger Gewalt von sich gestoßen; Und zog die schöne Welt den Blick des Knaben Mit ihrer ganzen Fülle herrlich an, So trübte bald den jugendlichen Sinn Der teuren Eltern unverdiente Not. Eröffnete die Lippe sich zu singen, So floß ein traurig Lied von ihr herab, Und ich begleitete mit leisen Tönen Des Vaters Schmerzen und der Mutter Qual. Du warst allein der aus dem engen Leben Zu einer schönen Freiheit mich erhob; Der jede Sorge mir vom Haupte nahm, Mir Freiheit gab, daß meine Seele sich Zu mutigem Gesang entfalten konnte; Und welchen Preis nun auch mein Werk erhält, Euch dank ich ihn, denn euch gehört es zu. Zum zweitenmal verdienst du jedes Lob Und ehrst bescheiden dich und uns zugleich. O könnt ich sagen wie ich lebhaft fühle Daß ich von euch nur habe was ich bringe! Der tatenlose Jüngling – nahm er wohl Die Dichtung aus sich selbst? Die kluge Leitung Des raschen Krieges – hat er die ersonnen? Die Kunst der Waffen, die ein jeder Held An dem beschiednen Tage kräftig zeigt, Des Feldherrn Klugheit und der Ritter Mut Und wie sich List und Wachsamkeit bekämpft, Hast du mir nicht, o kluger tapfrer Fürst, Das alles eingeflößt als wärest du Mein Genius, der eine Freude fände Sein hohes, unerreichbar hohes Wesen Durch einen Sterblichen zu offenbaren? Genieße nun des Werks das uns erfreut! Erfreue dich des Beifalls jedes Guten. Des allgemeinen Ruhms erfreue dich. Mir ist an diesem Augenblick genug. An euch nur dacht ich wenn ich sann und schrieb, Euch zu gefallen war mein höchster Wunsch, Euch zu ergötzen war mein letzter Zweck. Wer nicht die Welt in seinen Freunden sieht Verdient nicht daß die Welt von ihm erfahre. Hier ist mein Vaterland, hier ist der Kreis In dem sich meine Seele gern verweilt. Hier horch ich auf, hier acht ich jeden Wink. Hier spricht Erfahrung, Wissenschaft, Geschmack, Ja, Welt und Nachwelt seh ich vor mir stehn. Die Menge macht den Künstler irr und scheu: Nur wer euch ähnlich ist, versteht und fühlt, Nur der allein soll richten und belohnen! Und stellen wir denn Welt und Nachwelt vor, So ziemt es nicht nur müßig zu empfangen. Das schöne Zeichen, das den Dichter ehrt, Das selbst der Held, der seiner stets bedarf, Ihm ohne Neid ums Haupt gewunden sieht, Erblick ich hier auf deines Ahnherrn Stirne. Auf die Herme Virgils deutend. Hat es der Zufall, hat's ein Genius Geflochten und gebracht? Es zeigt sich hier Uns nicht umsonst. Virgilen hör ich sagen: Was ehret ihr die Toten? Hatten die Doch ihren Lohn und Freude da sie lebten; Und wenn ihr uns bewundert und verehrt, So gebt auch den Lebendigen ihr Teil. Mein Marmorbild ist schon bekränzt genug, Der grüne Zweig gehört dem Leben an. Alfons winkt seiner Schwester, sie nimmt den Kranz von der Büste Virgils und nähert sich Tasso. Er tritt zurück. Du weigerst dich? Sieh welche Hand den Kranz, Den schönen unverwelklichen, dir bietet! O laßt mich zögern, seh ich doch nicht ein Wie ich nach dieser Stunde leben soll. In dem Genuß des herrlichen Besitzes, Der dich im ersten Augenblick erschreckt. indem sie den Kranz in die Höhe hält. Du gönnest mir die seltne Freude, Tasso, Dir ohne Wort zu sagen wie ich denke. Die schöne Last aus deinen teuren Händen Empfang ich knieend auf mein schwaches Haupt. Er kniet nieder, die Prinzessin setzt ihm den Kranz auf. applaudierend. Es lebe der zum erstenmal Bekränzte! Wie zieret den bescheidnen Mann der Kranz! Tasso steht auf. Es ist ein Vorbild nur von jener Krone, Die auf dem Kapitol dich zieren soll. Dort werden lautere Stimmen dich begrüßen, Mit leiser Lippe lohnt die Freundschaft hier. O nehmt ihn weg von meinem Haupte wieder, Nehmt ihn hinweg! Er sengt mir meine Locken! Und wie ein Strahl der Sonne, der zu heiß Das Haupt mir träfe, brennt er mir die Kraft Des Denkens aus der Stirne. Fieberhitze Bewegt mein Blut. Verzeiht! Es ist zu viel! Es schützet dieser Zweig vielmehr das Haupt Des Manns, der in den heißen Regionen Des Ruhms zu wandeln hat, und kühlt die Stirne. Ich bin nicht wert die Kühlung zu empfinden, Die nur um Heldenstirnen wehen soll. O hebt ihn auf, ihr Götter, und verklärt Ihn zwischen Wolken, daß er hoch und höher Und unerreichbar schwebe! daß mein Leben Nach diesem Ziel ein ewig Wandeln sei! Wer früh erwirbt, lernt früh den hohen Wert Der holden Güter dieses Lebens schätzen; Wer früh genießt, entbehrt in seinem Leben Mit Willen nicht was er einmal besaß; Und wer besitzt, der, muß gerüstet sein. Und wer sich rüsten will, muß eine Kraft Im Busen fühlen die ihm nie versagt. Ach! sie versagt mir eben jetzt! Im Glück Verläßt sie mich, die angeborne Kraft, Die standhaft mich dem Unglück, stolz dem Unrecht Begegnen lehrte. Hat die Freude mir, Hat das Entzücken dieses Augenblicks Das Mark in meinen Gliedern aufgelöst? Es sinken meine Knie! Noch einmal Siehst du, o Fürstin, mich gebeugt vor dir! Erhöre meine Bitte; nimm ihn weg! Daß wie aus einem schönen Traum erwacht Ich ein erquicktes neues Leben fühle. Wenn du bescheiden ruhig das Talent, Das dir die Götter gaben, tragen kannst, So lern auch diese Zweige tragen, die Das Schönste sind was wir dir geben können. Wem einmal, würdig, sie das Haupt berührt, Dem schweben sie auf ewig um die Stirne. So laßt mich denn beschämt von hinnen gehn! Laßt mich mein Glück im tiefen Hain verbergen, Wie ich sonst meine Schmerzen dort verbarg. Dort will ich einsam wandeln, dort erinnert Kein Auge mich ans unverdiente Glück. Und zeigt mir ungefähr ein klarer Brunnen In seinem reinen Spiegel einen Mann, Der wunderbar bekränzt im Widerschein Des Himmels zwischen Bäumen, zwischen Felsen Nachdenkend ruht: so scheint es mir, ich sehe Elysium auf dieser Zauberfläche Gebildet. Still bedenk ich mich und frage, Wer mag der Abgeschiedne sein? Der Jüngling Aus der vergangnen Zeit? So schön bekränzt? Wer sagt mir seinen Namen? Sein Verdienst? Ich warte lang und denke: käme doch Ein andrer und noch einer, sich zu ihm In freundlichem Gespräche zu gesellen! O säh ich die Heroen, die Poeten Der alten Zeit um diesen Quell versammelt! O säh ich hier sie immer unzertrennlich, Wie sie im Leben fest verbunden waren! So bindet der Magnet durch seine Kraft Das Eisen mit dem Eisen fest zusammen, Wie gleiches Streben Held und Dichter bindet. Homer vergaß sich selbst, sein ganzes Leben War der Betrachtung zweier Männer heilig, Und Alexander in Elysium Eilt den Achill und den Homer zu suchen. O daß ich gegenwärtig wäre, sie Die größten Seelen nun vereint zu sehen! Erwach! Erwache! Laß uns nicht empfinden Daß du das Gegenwärtge ganz verkennst. Es ist die Gegenwart die mich erhöht, Abwesend schein ich nur, ich bin entzückt. Ich freue mich, wenn du mit Geistern redest, Daß du so menschlich sprichst und hör es gern. Ein Page tritt zu dem Fürsten und richtet leise etwas aus. Er ist gekommen! recht zur guten Stunde. Antonio! – Bring ihn her – Da kommt er schon! 4. Auftritt Vierter Auftritt Die Vorigen. Antonio. Willkommen! der du uns zugleich dich selbst Und gute Botschaft bringst. Sei uns gegrüßt! Kaum wag ich es zu sagen welch Vergnügen In eurer Gegenwart mich neu belebt. Vor euren Augen find ich alles wieder Was ich so lang entbehrt. Ihr scheint zufrieden Mit dem was ich getan, was ich vollbracht, Und so bin ich belohnt für jede Sorge, Für manchen bald mit Ungeduld durchharrten, Bald absichtsvoll verlornen Tag. Wir haben Nun was wir wünschen, und kein Streit ist mehr. Auch ich begrüße dich, wenn ich schon zürne. Du kommst nur eben da ich reisen muß. Damit mein Glück nicht ganz vollkommen werde Nimmst du mir gleich den schönen Teil hinweg. Auch meinen Gruß! Ich hoffe mich der Nähe Des vielerfahrnen Mannes auch zu freun. Du wirst mich wahrhaft finden, wenn du je Aus deiner Welt in meine schauen magst. Wenn du mir gleich in Briefen schon gemeldet Was du getan und wie es dir ergangen; So hab ich doch noch manches auszufragen Durch welche Mittel das Geschäft gelang? Auf jenem wunderbaren Boden will der Schritt Wohl abgemessen sein, wenn er zuletzt An deinen eignen Zweck dich führen soll. Wer seines Herren Vorteil rein bedenkt, Der hat in Rom gar einen schweren Stand: Denn Rom will alles nehmen, geben nichts ; Und kommt man hin um etwas zu erhalten, Erhält man nichts, man bringe denn was hin, Und glücklich, wenn man da noch was erhält. Es ist nicht mein Betragen, meine Kunst, Durch die ich deinen Willen, Herr, vollbracht. Denn welcher Kluge fänd im Vatikan Nicht seinen Meister? Vieles traf zusammen Das ich zu unserm Vorteil nutzen konnte. Dich ehrt Gregor und grüßt und segnet dich. Der Greis, der würdigste dem eine Krone Das Haupt belastet, denkt der Zeit mit Freuden, Da er in seinen Arm dich schloß. Der Mann Der Männer unterscheidet, kennt und rühmt Dich hoch! Um deinetwillen tat er viel. Ich freue seiner guten Meinung mich, Sofern sie redlich ist. Doch weißt du wohl, Vom Vatikan herab sieht man die Reiche Schon klein genug zu seinen Füßen liegen, Geschweige denn die Fürsten und die Menschen. Gestehe nur was dir am meisten half! Gut! wenn du willst: der hohe Sinn des Papsts. Er sieht das Kleine klein, das Große groß. Damit er einer Welt gebiete, gibt Er seinen Nachbarn gern und freundlich nach. Das Streifchen Land, das er dir überläßt, Weiß er, wie deine Freundschaft, wohl zu schätzen. Italien soll ruhig sein, er will In seiner Nähe Freunde sehen, Friede Bei seinen Grenzen halten, daß die Macht Der Christenheit, die er gewaltig lenkt, Die Türken da, die Ketzer dort vertilge. Weiß man die Männer, die er mehr als andre Begünstigt, die sich ihm vertraulich nahn? Nur der erfahrne Mann besitzt sein Ohr, Der tätige sein Zutraun, seine Gunst. Er, der von Jugend auf dem Staat gedient, Beherrscht ihn jetzt und wirkt auf jene Höfe, Die er vor Jahren als Gesandter schon Gesehen und gekannt und oft gelenkt. Es liegt die Welt so klar vor seinem Blick Als wie der Vorteil seines eignen Staats. Wenn man ihn handeln sieht, so lobt man ihn Und freut sich, wenn die Zeit entdeckt was er Im stillen lang bereitet und vollbracht. Es ist kein schönrer Anblick in der Welt Als einen Fürsten sehn der klug regiert; Das Reich zu sehn, wo jeder stolz gehorcht, Wo jeder sich nur selbst zu dienen glaubt Weil ihm das Rechte nur befohlen wird. Wie sehnlich wünscht ich jene Welt einmal Recht nah zu sehn! Doch wohl um mit zu wirken? Denn bloß beschaun wird Leonore nie. Es wäre doch recht artig, meine Freundin, Wenn in das große Spiel wir auch zuweilen Die zarten Hände mischen könnten – Nicht? zu Alfons. Du willst mich reizen, es gelingt dir nicht Ich bin dir viel von andern Tagen schuldig. Nun gut, so bleib ich heut in deiner Schuld! Verzeih und störe meine Fragen nicht. Zu Antonio. Hat er für die Nipoten viel getan? Nicht weniger noch mehr als billig ist. Ein Mächtiger, der für die Seinen nicht Zu sorgen weiß, wird von dem Volke selbst Getadelt. Still und mäßig weiß Gregor Den Seinigen zu nutzen, die dem Staat Als wackre Männer dienen, und erfüllt Mit einer Sorge zwei verwandte Pflichten. Erfreut die Wissenschaft, erfreut die Kunst Sich seines Schutzes auch? und eifert er Den großen Fürsten alter Zeiten nach? Er ehrt die Wissenschaft, sofern sie nutzt, Den Staat regieren, Völker kennen lehrt; Er schätzt die Kunst, sofern sie ziert, sein Rom Verherrlicht, und Palast und Tempel Zu Wunderwerken dieser Erde macht. In seiner Nähe darf nichts müßig sein; Was gelten soll, muß wirken und muß dienen. Und glaubst du, daß wir das Geschäfte bald Vollenden können? daß sie nicht zuletzt Noch hie und da uns Hindernisse streuen? Ich müßte sehr mich irren, wenn nicht gleich Durch deinen Namenszug, durch wenig Briefe Auf immer dieser Zwist gehoben wäre. So lob ich diese Tage meines Lebens Als eine Zeit des Glückes und Gewinns. Erweitert seh ich meine Grenze, weiß Sie für die Zukunft sicher. Ohne Schwertschlag Hast du's geleistet, eine Bürgerkrone Dir wohl verdient. Es sollen unsre Frauen Vom ersten Eichenlaub am schönsten Morgen Geflochten dir sie um die Stirne legen. Indessen hat mich Tasso auch bereichert: Er hat Jerusalem für uns erobert, Und so die neue Christenheit beschämt; Ein weit entferntes, hoch gestecktes Ziel Mit frohem Mut und strengem Fleiß erreicht. Für seine Mühe siehst du ihn gekrönt. Du lösest mir ein Rätsel. Zwei Bekränzte Erblickt ich mit Verwundrung da ich kam. Wenn du mein Glück vor deinen Augen siehst, So wünscht ich, daß du mein beschämt Gemüt Mit eben diesem Blicke schauen könntest. Mir war es lang bekannt, daß im Belohnen Alfons unmäßig ist, und du erfährst Was jeder von den Seinen schon erfuhr. Wenn du erst siehst was er geleistet hat, So wirst du uns gerecht und mäßig finden. Wir sind nur hier die ersten stillen Zeugen Des Beifalls, den die Welt ihm nicht versagt, Und den ihm zehnfach künftge Jahre gönnen. Er ist durch euch schon seines Ruhms gewiß. Wer dürfte zweifeln, wo ihr preisen könnt? Doch sage mir, wer druckte diesen Kranz Auf Ariostens Stirne? Diese Hand. Und sie hat wohl getan! Er ziert ihn schön Als ihn der Lorbeer selbst nicht zieren würde. Wie die Natur die innig reiche Brust Mit einem grünen, bunten Kleide deckt, So hüllt er alles was den Menschen nur Ehrwürdig, liebenswürdig machen kann, Ins blühende Gewand der Fabel ein. Zufriedenheit, Erfahrung und Verstand Und Geisteskraft, Geschmack und reiner Sinn Fürs wahre Gute, geistig scheinen sie In seinen Liedern und persönlich doch Wie unter Blütenbäumen auszuruhn, Bedeckt vom Schnee der leicht getragnen Blüten, Umkränzt von Rosen, wunderlich umgaukelt Vom losen Zauberspiel der Amoretten. Der Quell des Überflusses rauscht darneben, Und läßt uns bunte Wunderfische sehn. Von seltenem Geflügel ist die Luft, Von fremden Herden Wies und Busch erfüllt. Die Schalkheit lauscht im Grünen halb versteckt, Die Weisheit läßt von einer goldnen Wolke Von Zeit zu Zeit erhabne Sprüche tönen, Indes auf wohlgestimmter Laute wild Der Wahnsinn hin und her zu wühlen scheint Und doch im schönsten Takt sich mäßig hält. Wer neben diesem Mann sich wagen darf, Verdient für seine Kühnheit schon den Kranz. Vergebt, wenn ich mich selbst begeistert fühle, Wie ein Verzückter weder Zeit noch Ort, Noch was ich sage wohl bedenken kann; Denn alle diese Dichter, diese Kränze, Das seltne festliche Gewand der Schönen Versetzt mich aus mir selbst in fremdes Land. Wer ein Verdienst so wohl zu schätzen weiß, Der wird das andre nicht verkennen. Du Sollst uns dereinst in Tassos Liedern zeigen Was wir gefühlt und was nur du erkennst. Komm mit, Antonio! manches hab ich noch, Worauf ich sehr begierig bin, zu fragen. Dann sollst du bis zum Untergang der Sonne Den Frauen angehören. Komm! Lebt wohl. Dem Fürsten folgt Antonio, den Damen Tasso. 2. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt Saal. Prinzessin. Tasso. Unsicher folgen meine Schritte dir, O Fürstin, und Gedanken ohne Maß Und Ordnung regen sich in meiner Seele. Mir scheint die Einsamkeit zu winken, mich Gefällig anzulispeln: komm, ich löse Die neu erregten Zweifel deiner Brust. Doch werf ich einen Blick auf dich, vernimmt Mein horchend Ohr ein Wort von deiner Lippe, So wird ein neuer Tag um mich herum Und alle Bande fallen von mir los. Ich will dir gern gestehn, es hat der Mann, Der unerwartet zu uns trat, nicht sanft Aus einem schönen Traum mich aufgeweckt; Sein Wesen, seine Worte haben mich So wunderbar getroffen, daß ich mehr Als je mich doppelt fühle, mit mir selbst Aufs neu in streitender Verwirrung bin. Es ist unmöglich, daß ein alter Freund, Der lang entfernt ein fremdes Leben führte, Im Augenblick da er uns wiedersieht Sich wieder gleich wie ehmals finden soll. Er ist in seinem Innern nicht verändert; Laß uns mit ihm nur wenig Tage leben, So stimmen sich die Saiten hin und wider, Bis glücklich eine schöne Harmonie Aufs neue sie verbindet. Wird er dann Auch näher kennen was du diese Zeit Geleistet hast: so stellt er dich gewiß Dem Dichter an die Seite, den er jetzt Als einen Riesen dir entgegen stellt. Ach meine Fürstin, Ariostens Lob Aus seinem Munde hat mich mehr ergötzt Als daß es mich beleidigt hätte. Tröstlich Ist es für uns den Mann gerühmt zu wissen, Der als ein großes Muster vor uns steht. Wir können uns im stillen Herzen sagen: Erreichst du einen Teil von seinem Wert, Bleibt dir ein Teil auch seines Ruhms gewiß. Nein, was das Herz im tiefsten mir bewegte, Was mir noch jetzt die ganze Seele füllt, Es waren die Gestalten jener Welt, Die sich lebendig, rastlos, ungeheuer Um einen großen, einzig klugen Mann Gemessen dreht und ihren Lauf vollendet, Den ihr der Halbgott vorzuschreiben wagt. Begierig horcht ich auf, vernahm mit Lust Die sichern Worte des erfahrnen Mannes; Doch ach! je mehr ich horchte, mehr und mehr Versank ich vor mir selbst, ich fürchtete Wie Echo an den Felsen zu verschwinden, Ein Widerhall, ein Nichts mich zu verlieren. Und schienst noch kurz vorher so rein zu fühlen Wie Held und Dichter für einander leben, Wie Held und Dichter sich einander suchen, Und keiner je den andern neiden soll? Zwar herrlich ist die liedeswerte Tat, Doch schön ist's auch, der Taten stärkste Fülle Durch würdge Lieder auf die Nachwelt bringen. Begnüge dich aus einem kleinen Staate, Der dich beschützt, dem wilden Lauf der Welt, Wie von dem Ufer, ruhig zuzusehn. Und sah ich hier mit Staunen nicht zuerst, Wie herrlich man den tapfern Mann belohnt? Als unerfahrner Knabe kam ich her, In einem Augenblick, da Fest auf Fest Ferrara zu dem Mittelpunkt der Ehre Zu machen schien. O! welcher Anblick war's! Den weiten Platz, auf dem in ihrem Glanze Gewandte Tapferkeit sich zeigen sollte, Umschloß ein Kreis, wie ihn die Sonne nicht So bald zum zweitenmal bescheinen wird. Es saßen hier gedrängt die schönsten Frauen, Gedrängt die ersten Männer unsrer Zeit. Erstaunt durchlief der Blick die edle Menge; Man rief: sie alle hat das Vaterland, Das eine , schmale, meerumgebne Land, Hierher geschickt. Zusammen bilden sie Das herrlichste Gericht, das über Ehre, Verdienst und Tugend je entschieden hat. Gehst du sie einzeln durch, du findest keinen, Der seines Nachbarn sich zu schämen brauche! – Und dann eröffneten die Schranken sich. Da stampften Pferde, glänzten Helm und Schilde, Da drängten sich die Knappen, da erklang Trompetenschall, und Lanzen krachten splitternd, Getroffen tönten Helm und Schilde, Staub, Auf einen Augenblick, umhüllte wirbelnd Des Siegers Ehre, des Besiegten Schmach. O laß mich einen Vorhang vor das ganze, Mir allzu helle Schauspiel ziehen, daß In diesem schönen Augenblicke mir Mein Unwert nicht zu heftig fühlbar werde. Wenn jener edle Kreis, wenn jene Taten Zu Müh und Streben damals dich entflammten, So konnt ich, junger Freund, zu gleicher Zeit Der Duldung stille Lehre dir bewähren. Die Feste, die du rühmst, die hundert Zungen Mir damals priesen und mir manches Jahr Nachher gepriesen haben, sah ich nicht. Am stillen Ort, wohin kaum unterbrochen Der letzte Widerhall der Freude sich Verlieren konnte, mußt ich manche Schmerzen Und manchen traurigen Gedanken leiden. Mit breiten Flügeln schwebte mir das Bild Des Todes vor den Augen, deckte mir Die Aussicht in die immer neue Welt. Nur nach und nach entfernt' es sich und ließ Mich, wie durch einen Flor, die bunten Farben Des Lebens, blaß doch angenehm, erblicken. Ich sah lebendge Formen wieder sanft sich regen. Zum erstenmal trat ich, noch unterstützt Von meinen Frauen, aus dem Krankenzimmer, Da kam Lucretia voll frohen Lebens Herbei und führte dich an ihrer Hand. Du warst der erste, der im neuen Leben Mir neu und unbekannt entgegen trat. Da hofft ich viel für dich und mich, auch hat Uns bis hierher die Hoffnung nicht betrogen. Und ich, der ich betäubt von dem Gewimmel Des drängenden Gewühls, von so viel Glanz Geblendet, und von mancher Leidenschaft Bewegt, durch stille Gänge des Palasts An deiner Schwester Seite schweigend ging, Dann in das Zimmer trat, wo du uns bald Auf deine Fraun gelehnt erschienest – Mir Welch ein Moment war dieser! O! Vergib! Wie den Bezauberten von Rausch und Wahn Der Gottheit Nähe leicht und willig heilt; So war auch ich von aller Phantasie, Von jeder Sucht, von jedem falschen Triebe Mit einem Blick in deinen Blick geheilt. Wenn unerfahren die Begierde sich Nach tausend Gegenständen sonst verlor, Trat ich beschämt zuerst in mich zurück, Und lernte nun das Wünschenswerte kennen. So sucht man in dem weiten Sand des Meers Vergebens eine Perle, die verborgen In stillen Schalen eingeschlossen ruht. Es fingen schöne Zeiten damals an, Und hätt uns nicht der Herzog von Urbino Die Schwester weggeführt, uns wären Jahre Im schönen ungetrübten Glück verschwunden. Doch leider jetzt vermissen wir zu sehr Den frohen Geist, die Brust voll Mut und Leben, Den reichen Witz der liebenswürdgen Frau. Ich weiß es nur zu wohl, seit jenem Tage Da sie von hinnen schied, vermochte dir Die reine Freude niemand zu ersetzen. Wie oft zerriß es meine Brust! Wie oft Klagt ich dem stillen Hain mein Leid um dich! Ach! rief ich aus, hat denn die Schwester nur Das Glück, das Recht, der Teuren viel zu sein? Ist denn kein Herz mehr wert, daß sie sich ihm Vertrauen dürfte, kein Gemüt dem ihren Mehr gleich gestimmt? Ist Geist und Witz verloschen? Und war die eine Frau, so trefflich sie Auch war, denn alles? Fürstin! o verzeih! Da dacht ich manchmal an mich selbst und wünschte Dir etwas sein zu können. Wenig nur Doch etwas, nicht mit Worten, mit der Tat Wünscht ich's zu sein, im Leben dir zu zeigen, Wie sich mein Herz im stillen dir geweiht. Doch es gelang mir nicht, und nur zu oft Tat ich im Irrtum was dich schmerzen mußte, Beleidigte den Mann den du beschütztest, Verwirrte unklug was du lösen wolltest, Und fühlte so mich stets im Augenblick, Wenn ich mich nahen wollte, fern und ferner. Ich habe, Tasso, deinen Willen nie Verkannt, und weiß wie du dir selbst zu schaden Geschäftig bist. Anstatt daß meine Schwester Mit jedem, wie er sei, zu leben weiß, So kannst du selbst nach vielen Jahren kaum In einen Freund dich finden. Tadle mich! Doch sage mir hernach, wo ist der Mann? Die Frau? mit der ich wie mit dir Aus freiem Busen wagen darf zu reden. Du solltest meinem Bruder dich vertraun. Er ist mein Fürst! – Doch glaube nicht, daß mir Der Freiheit wilder Trieb den Busen blähe. Der Mensch ist nicht geboren frei zu sein, Und für den Edeln ist kein schöner Glück, Als einem Fürsten, den er ehrt, zu dienen. Und so ist er mein Herr, und ich empfinde Den ganzen Umfang dieses großen Worts. Nun muß ich schweigen lernen wenn er spricht, Und tun wenn er gebietet, mögen auch Verstand und Herz ihm lebhaft widersprechen. Das ist der Fall bei meinem Bruder nie. Und nun, da wir Antonio wieder haben, Ist dir ein neuer kluger Freund gewiß. Ich hofft es ehmals, jetzt verzweifl ich fast. Wie lehrreich wäre mir sein Umgang, nützlich Sein Rat in tausend Fällen! Er besitzt, Ich mag wohl sagen, alles was mir fehlt. Doch – haben alle Götter sich versammelt Geschenke seiner Wiege darzubringen? Die Grazien sind leider ausgeblieben, Und wem die Gaben dieser Holden fehlen, Der kann zwar viel besitzen, vieles geben, Doch läßt sich nie an seinem Busen ruhn. Doch läßt sich ihm vertraun, und das ist viel. Du mußt von einem Mann nicht alles fordern, Und dieser leistet was er dir verspricht. Hat er sich erst für deinen Freund erklärt, So sorgt er selbst für dich wo du dir fehlst. Ihr müßt verbunden sein! Ich schmeichle mir Dies schöne Werk in kurzem zu vollbringen. Nur widerstehe nicht wie du es pflegst! So haben wir Lenoren lang besessen, Die fein und zierlich ist, mit der es leicht Sich leben läßt; auch dieser hast du nie, Wie sie es wünschte, näher treten wollen. Ich habe dir gehorcht, sonst hätt ich mich Von ihr entfernt anstatt mich ihr zu nahen. So liebenswürdig sie erscheinen kann, Ich weiß nicht wie es ist, konnt ich nur selten Mit ihr ganz offen sein, und wenn sie auch Die Absicht hat, den Freunden wohlzutun, So fühlt man Absicht und man ist verstimmt. Auf diesem Wege werden wir wohl nie Gesellschaft finden, Tasso! Dieser Pfad Verleitet uns durch einsames Gebüsch, Durch stille Täler fortzuwandern; mehr Und mehr verwöhnt sich das Gemüt, und strebt Die goldne Zeit, die ihm von außen mangelt, In seinem Innern wieder herzustellen, So wenig der Versuch gelingen will. O welches Wort spricht meine Fürstin aus! Die goldne Zeit wohin ist sie geflohn? Nach der sich jedes Herz vergebens sehnt! Da auf der freien Erde Menschen sich Wie frohe Herden im Genuß verbreiteten; Da ein uralter Baum auf bunter Wiese Dem Hirten und der Hirtin Schatten gab, Und jüngeres Gebüsch die zarten Zweige Um sehnsuchtsvolle Liebe traulich schlang; Wo klar und still auf immer reinem Sande Der weiche Fluß die Nymphe sanft umfing; Wo in dem Grase die gescheuchte Schlange Unschädlich sich verlor, der kühne Faun Vom tapfern Jüngling bald bestraft entfloh; Wo jeder Vogel in der freien Luft Und jedes Tier, durch Berg und Täler schweifend Zum Menschen sprach: Erlaubt ist was gefällt. Mein Freund, die goldne Zeit ist wohl vorbei: Allein die Guten bringen sie zurück; Und soll ich dir gestehen wie ich denke, Die goldne Zeit, womit der Dichter uns Zu schmeicheln pflegt, die schöne Zeit, sie war, So scheint es mir, so wenig als sie ist, Und war sie je, so war sie nur gewiß, Wie sie uns immer wieder werden kann. Noch treffen sich verwandte Herzen an Und teilen den Genuß der schönen Welt; Nur in dem Wahlspruch ändert sich, mein Freund, Ein einzig Wort: Erlaubt ist was sich ziemt. O wenn aus guten edlen Menschen nur Ein allgemein Gericht bestellt entschiede, Was sich denn ziemt! Anstatt daß jeder glaubt, Es sei auch schicklich was ihm nützlich ist. Wir sehn ja, dem Gewaltigen, dem Klugen Steht alles wohl, und er erlaubt sich alles. Willst du genau erfahren was sich ziemt So frage nur bei edlen Frauen an. Denn ihnen ist am meisten dran gelegen, Daß alles wohl sich zieme was geschieht. Die Schicklichkeit umgibt mit einer Mauer Das zarte leicht verletzliche Geschlecht. Wo Sittlichkeit regiert, regieren sie, Und wo die Frechheit herrscht, da sind sie nichts. Und wirst du die Geschlechter beide fragen: Nach Freiheit strebt der Mann, das Weib nach Sitte. Du nennest uns unbändig, roh, gefühllos? Nicht das! Allein ihr strebt nach fernen Gütern, Und euer Streben muß gewaltsam sein. Ihr wagt es, für die Ewigkeit zu handeln, Wenn wir ein einzig nah beschränktes Gut Auf dieser Erde nur besitzen möchten, Und wünschen, daß es uns beständig bliebe. Wir sind von keinem Männerherzen sicher, Das noch so warm sich einmal uns ergab. Die Schönheit ist vergänglich, die ihr doch Allein zu ehren scheint. Was übrig bleibt, Das reizt nicht mehr, und was nicht reizt, ist tot. Wenn's Männer gäbe, die ein weiblich Herz Zu schätzen wüßten, die erkennen möchten, Welch einen holden Schatz von Treu und Liebe Der Busen einer Frau bewahren kann, Wenn das Gedächtnis einzig schöner Stunden In euren Seelen lebhaft bleiben wollte, Wenn euer Blick, der sonst durchdringend ist, Auch durch den Schleier dringen könnte, den Uns Alter oder Krankheit überwirft, Wenn der Besitz, der ruhig machen soll, Nach fremden Gütern euch nicht lüstern machte: Dann wär uns wohl ein schöner Tag erschienen, Wir feierten dann unsre goldne Zeit. Du sagst mir Worte, die in meiner Brust Halb schon entschlafne Sorgen mächtig regen. Was meinst du, Tasso? rede frei mit mir. Oft hört ich schon, und diese Tage wieder Hab ich's gehört, ja hätt ich's nicht vernommen, So müßt ich's denken; edle Fürsten streben Nach deiner Hand! Was wir erwarten müssen, Das fürchten wir und möchten schier verzweifeln, Verlassen wirst du uns, es ist natürlich; Doch wie wir's tragen wollen, weiß ich nicht. Für diesen Augenblick seid unbesorgt! Fast möcht ich sagen: unbesorgt für immer. Hier bin ich gern und gerne mag ich bleiben; Noch weiß ich kein Verhältnis das mich lockte; Und wenn ihr mich denn ja behalten wollt, So laßt es mir durch Eintracht sehn, und schafft Euch selbst ein glücklich Leben, mir durch euch. O lehre mich das Mögliche zu tun! Gewidmet sind dir alle meine Tage. Wenn dich zu preisen, dir zu danken sich Mein Herz entfaltet, dann empfind ich erst Das reinste Glück, das Menschen fühlen können. Das göttlichste erfuhr ich nur in dir. So unterscheiden sich die Erdengötter Vor andern Menschen, wie das hohe Schicksal Vom Rat und Willen selbst der klügsten Männer Sich unterscheidet. Vieles lassen sie, Wenn wir gewaltsam Wog auf Woge sehn, Wie leichte Wellen unbemerkt vorüber Vor ihren Füßen rauschen, hören nicht Den Sturm, der uns umsaust und niederwirft, Vernehmen unser Flehen kaum, und lassen, Wie wir beschränkten armen Kindern tun, Mit Seufzern und Geschrei die Luft uns füllen. Du hast mich oft, o Göttliche, geduldet, Und wie die Sonne trocknete dein Blick Den Tau von meinen Augenlidern ab. Es ist sehr billig, daß die Frauen dir Aufs freundlichste begegnen, es verherrlicht Dein Lied auf manche Weise das Geschlecht. Zart oder tapfer, hast du stets gewußt Sie liebenswert und edel vorzustellen: Und wenn Armide hassenswert erscheint, Versöhnt ihr Reiz und ihre Liebe bald. Was auch in meinem Liede widerklingt, Ich bin nur einer, einer alles schuldig! Es schwebt kein geistig unbestimmtes Bild Vor meiner Stirne, das der Seele bald Sich überglänzend nahte, bald entzöge. Mit meinen Augen hab ich es gesehn, Das Urbild jeder Tugend, jeder Schöne; Was ich nach ihm gebildet, das wird bleiben: Tancredens Heldenliebe zu Chlorinden, Erminiens stille nicht bemerkte Treue, Sophroniens Großheit und Olindens Not. Es sind nicht Schatten, die der Wahn erzeugte, Ich weiß es, sie sind ewig, denn sie sind. Und was hat mehr das Recht, Jahrhunderte Zu bleiben und im stillen fort zu wirken, Als das Geheimnis einer edlen Liebe, Dem holden Lied bescheiden anvertraut? Und soll ich dir noch einen Vorzug sagen, Den unvermerkt sich dieses Lied erschleicht? Es lockt uns nach und nach, wir hören zu, Wir hören und wir glauben zu verstehn, Was wir verstehn, das können wir nicht tadeln, Und so gewinnt uns dieses Lied zuletzt. Welch einen Himmel öffnest du vor mir, O Fürstin! Macht mich dieser Glanz nicht blind, So seh ich unverhofft ein ewig Glück Auf goldnen Strahlen herrlich niedersteigen. Nicht weiter, Tasso! Viele Dinge sind's, Die wir mit Heftigkeit ergreifen sollen: Doch andre können nur durch Mäßigung Und durch Entbehren unser eigen werden. So, sagt man, sei die Tugend, sei die Liebe, Die ihr verwandt ist. Das bedenke wohl! 2. Auftritt Zweiter Auftritt Ist dir's erlaubt die Augen aufzuschlagen? Wagst du's umherzusehn? Du bist allein! Vernahmen diese Säulen was sie sprach? Und hast du Zeugen, diese stummen Zeugen Des höchsten Glücks zu fürchten? Es erhebt Die Sonne sich des neuen Lebenstages, Der mit den vorigen sich nicht vergleicht. Herniedersteigend hebt die Göttin schnell Den Sterblichen hinauf. Welch neuer Kreis Entdeckt sich meinem Auge, welches Reich! Wie köstlich wird der heiße Wunsch belohnt! Ich träumte mich dem höchsten Glücke nah, Und dieses Glück ist über alle Träume. Der Blindgeborne denke sich das Licht, Die Farben wie er will, erscheinet ihm Der neue Tag, ist's ihm ein neuer Sinn. Voll Mut und Ahndung, freudetrunken, schwankend Betret ich diese Bahn. Du gibst mir viel, Du gibst, wie Erd und Himmel uns Geschenke Mit vollen Händen übermäßig reichen, Und forderst wieder, was von mir zu fordern Nur eine solche Gabe dich berechtigt. Ich soll entbehren, soll mich mäßig zeigen, Und so verdienen, daß du mir vertraust. Was tat ich je, daß sie mich wählen konnte? Was soll ich tun, um ihrer wert zu sein? Sie konnte dir vertraun und dadurch bist du's. Ja, Fürstin, deinen Worten, deinen Blicken Sei ewig meine Seele ganz geweiht! Ja, fordre was du willst, denn ich bin dein! Sie sende mich. Müh und Gefahr und Ruhm In fernen Landen aufzusuchen, reiche Im stillen Hain die goldne Leier mir, Sie weihe mich der Ruh und ihrem Preis: Ihr bin ich, bildend soll sie mich besitzen; Mein Herz bewahrte jeden Schatz für sie . O hätt ein tausendfaches Werkzeug mir Ein Gott gegönnt, kaum drückt ich dann genug Die unaussprechliche Verehrung aus. Des Malers Pinsel und des Dichters Lippe, Die süßeste, die je von frühem Honig Genährt war, wünscht ich mir. Nein, künftig soll Nicht Tasso zwischen Bäumen, zwischen Menschen Sich einsam, schwach und trübgesinnt verlieren! Er ist nicht mehr allein, er ist mit dir . O daß die edelste der Taten sich Hier sichtbar vor mich stellte, rings umgeben Von gräßlicher Gefahr! Ich dränge zu Und wagte gern das Leben, das ich nun Von ihren Händen habe – forderte Die besten Menschen mir zu Freunden auf, Unmögliches mit einer edeln Schar Nach ihrem Wink und Willen zu vollbringen. Voreiliger, warum verbarg dein Mund Nicht das was du empfandst, bis du dich wert Und werter ihr zu Füßen legen konntest? Das war dein Vorsatz, war dein kluger Wunsch. Doch sei es auch! Viel schöner ist es, rein Und unverdient ein solch Geschenk empfangen, Als halb und halb zu wähnen, daß man wohl Es habe fordern dürfen. Blicke freudig, Es ist so groß, so weit, was vor dir liegt! Und hoffnungsvolle Jugend lockt dich wieder In unbekannte, lichte Zukunft hin. – Schwelle Brust! – O Witterung des Glücks Begünstge diese Pflanze doch einmal! Sie strebt gen Himmel, tausend Zweige dringen Aus ihr hervor, entfalten sich zu Blüten. O daß sie Frucht, o daß sie Freuden bringe! Daß eine liebe Hand den goldnen Schmuck Aus ihren frischen reichen Ästen breche! 3. Auftritt Dritter Auftritt Tasso. Antonio. Sei mir willkommen, den ich gleichsam jetzt Zum erstenmal erblicke! Schöner ward Kein Mann mir angekündigt. Sei willkommen! Dich kenn ich nun und deinen ganzen Wert, Dir biet ich ohne Zögern Herz und Hand Und hoffe, daß auch du mich nicht verschmähst. Freigebig bietest du mir schöne Gaben, Und ihren Wert erkenn ich wie ich soll, Drum laß mich zögern eh ich sie ergreife. Weiß ich doch nicht, ob ich dir auch dagegen Ein Gleiches geben kann. Ich möchte gern Nicht übereilt und nicht undankbar scheinen: Laß mich für beide klug und sorgsam sein. Wer wird die Klugheit tadeln? Jeder Schritt Des Lebens zeigt wie sehr sie nötig sei; Doch schöner ist's, wenn uns die Seele sagt Wo wir der feinen Vorsicht nicht bedürfen. Darüber frage jeder sein Gemüt, Weil er den Fehler selbst zu büßen hat. So sei's! Ich habe meine Pflicht getan, Der Fürstin Wort, die uns zu Freunden wünscht, Hab ich verehrt und mich dir vorgestellt. Rückhalten durft ich nicht, Antonio; doch gewiß Zudringen will ich nicht. Es mag denn sein. Zeit und Bekanntschaft heißen dich vielleicht Die Gabe wärmer fordern, die du jetzt So kalt bei Seite lehnst und fast verschmähst. Der Mäßige wird öfters kalt genannt Von Menschen, die sich warm vor andern glauben, Weil sie die Hitze fliegend überfällt. Du tadelst was ich tadle, was ich meide. Auch ich verstehe wohl, so jung ich bin, Der Heftigkeit die Dauer vorzuziehn. Sehr weislich! Bleibe stets auf diesem Sinne Du bist berechtigt mir zu raten, mich Zu warnen, denn es steht Erfahrung dir Als lang erprobte Freundin an der Seite. Doch glaube nur, es horcht ein stilles Herz Auf jedes Tages, jeder Stunde Warnung, Und übt sich ingeheim an jedem Guten, Das deine Strenge neu zu lehren glaubt. Es ist wohl angenehm, sich mit sich selbst Beschäftgen, wenn es nur so nützlich wäre. Inwendig lernt kein Mensch sein Innerstes Erkennen. Denn er mißt nach eignem Maß Sich bald zu klein und leider oft zu groß. Der Mensch erkennt sich nur im Menschen, nur Das Leben lehret jedem was er sei. Mit Beifall und Verehrung hör ich dich. Und dennoch denkst du wohl bei diesen Worten Ganz etwas anders, als ich sagen will. Auf diese Weise rücken wir nicht näher. Es ist nicht klug, es ist nicht wohl getan, Vorsätzlich einen Menschen zu verkennen, Er sei auch wer er sei. Der Fürstin Wort Bedurft es kaum, leicht hab ich dich erkannt: Ich weiß, daß du das Gute willst und schaffst. Dein eigen Schicksal läßt dich unbesorgt, An andre denkst du, andern stehst du bei, Und auf des Lebens leicht bewegter Woge Bleibt dir ein stetes Herz. So seh ich dich. Und was wär ich, ging ich dir nicht entgegen? Sucht ich begierig nicht auch einen Teil An dem verschloßnen Schatz, den du bewahrst? Ich weiß, es reut dich nicht, wenn du dich öffnest; Ich weiß, du bist mein Freund, wenn du mich kennst: Und eines solchen Freunds bedurft ich lange. Ich schäme mich der Unerfahrenheit Und meiner Jugend nicht. Still ruhet noch Der Zukunft goldne Wolke mir ums Haupt. O nimm mich, edler Mann, an deine Brust Und weihe mich, den Raschen, Unerfahrnen, Zum mäßigen Gebrauch des Lebens ein. In einem Augenblicke forderst du, Was wohlbedächtig nur die Zeit gewährt. In einem Augenblick gewährt die Liebe, Was Mühe kaum in langer Zeit erreicht. Ich bitt es nicht von dir, ich darf es fordern. Dich ruf ich in der Tugend Namen auf, Die gute Menschen zu verbinden eifert. Und soll ich dir noch einen Namen nennen? Die Fürstin hofft's, sie will's – Eleonore, Sie will mich zu dir führen, dich zu mir. O laß uns ihrem Wunsch entgegen gehn! Laß uns verbunden vor die Göttin treten, Ihr unsern Dienst, die ganze Seele bieten, Vereint für sie das Würdigste zu tun. Noch einmal! – Hier ist meine Hand! Schlag ein! Tritt nicht zurück und weigre dich nicht länger, O edler Mann, und gönne mir die Wollust, Die schönste guter Menschen, sich dem Bessern Vertrauend ohne Rückhalt hinzugeben! Du gehst mit vollen Segeln! Scheint es doch Du bist gewohnt zu siegen, überall Die Wege breit, die Pforten weit zu finden. Ich gönne jeden Wert und jedes Glück Dir gern, allein ich sehe nur zu sehr, Wir stehn zu weit noch von einander ab. Es sei an Jahren, an geprüftem Wert: An frohem Mut und Willen weich ich keinem. Der Wille lockt die Taten nicht herbei; Der Mut stellt sich die Wege kürzer vor. Wer angelangt am Ziel ist, wird gekrönt, Und oft entbehrt ein Würdger eine Krone. Doch gibt es leichte Kränze, Kränze gibt es Von sehr verschiedner Art, sie lassen sich Oft im Spazierengehn bequem erreichen. Was eine Gottheit diesem frei gewährt Und jenem streng versagt, ein solches Gut Erreicht nicht jeder wie er will und mag. Schreib es dem Glück vor andern Göttern zu, So hör ich's gern, denn seine Wahl ist blind. Auch die Gerechtigkeit trägt eine Binde Und schließt die Augen jedem Blendwerk zu. Das Glück erhebe billig der Beglückte! Er dicht ihm hundert Augen fürs Verdienst Und kluge Wahl und strenge Sorgfalt an, Nenn es Minerva, nenn es wie er will, Er halte gnädiges Geschenk für Lohn, Zufälligen Putz für wohlverdienten Schmuck. Du brauchst nicht deutlicher zu sein. Es ist genug! Ich blicke tief dir in das Herz und kenne Fürs ganze Leben dich. O kennte so Dich meine Fürstin auch! Verschwende nicht Die Pfeile deiner Augen, deiner Zunge! Du richtest sie vergebens nach dem Kranze, Dem unverwelklichen, auf meinem Haupt. Sei erst so groß, mir ihn nicht zu beneiden! Dann darfst du mir vielleicht ihn streitig machen. Ich acht ihn heilig und das höchste Gut: Doch zeige mir den Mann, der das erreicht, Wornach ich strebe, zeige mir den Helden, Von dem mir die Geschichten nur erzählten; Den Dichter stell mir vor, der sich Homeren, Virgilen sich vergleichen darf, ja, was Noch mehr gesagt ist, zeige mir den Mann, Der dreifach diesen Lohn verdiente, den Die schöne Krone dreifach mehr als mich Beschämte: dann sollst du mich kniend sehn Vor jener Gottheit, die mich so begabte; Nicht eher stünd ich auf, bis sie die Zierde Von meinem Haupt auf seins hinüber drückte. Bis dahin bleibst du freilich ihrer wert. Man wäge mich, das will ich nicht vermeiden, Allein Verachtung hab ich nicht verdient. Die Krone, der mein Fürst mich würdig achtete, Die meiner Fürstin Hand für mich gewunden, Soll keiner mir bezweifeln noch begrinsen! Es ziemt der hohe Ton, die rasche Glut Nicht dir zu mir, noch dir an diesem Orte. Was du dir hier erlaubst, das ziemt auch mir. Und ist die Wahrheit wohl von hier verbannt? Ist im Palast der freie Geist gekerkert? Hat hier ein edler Mensch nur Druck zu dulden? Mich dünkt hier ist die Hoheit erst an ihrem Platz. Der Seele Hoheit! Darf sie sich der Nähe Der Großen dieser Erde nicht erfreun? Sie darf's und soll's. Wir nahen uns dem Fürsten Durch Adel nur, der uns von Vätern kam; Warum nicht durchs Gemüt, das die Natur Nicht jedem groß verlieh, wie sie nicht jedem Die Reihe großer Ahnherrn geben konnte. Nur Kleinheit sollte hier sich ängstlich fühlen, Der Neid, der sich zu seiner Schande zeigt: Wie keiner Spinne schmutziges Gewebe An diesen Marmorwänden haften soll. Du zeigst mir selbst mein Recht dich zu verschmähn! Der übereilte Knabe will des Manns Vertraun und Freundschaft mit Gewalt ertrotzen? Unsittlich wie du bist hältst du dich gut? Viel lieber was ihr euch unsittlich nennt, Als was ich mir unedel nennen müßte. Du bist noch jung genug, daß gute Zucht Dich eines bessern Wegs belehren kann. Nicht jung genug, vor Götzen mich zu neigen, Und Trotz mit Trotz zu bändgen, alt genug. Wo Lippenspiel und Saitenspiel entscheiden, Ziehst du als Held und Sieger wohl davon. Verwegen wär es meine Faust zu rühmen, Denn sie hat nichts getan, doch ich vertrau ihr. Du traust auf Schonung, die dich nur zu sehr Im frechen Laufe deines Glücks verzog. Daß ich erwachsen bin, das fühl ich nun! Mit dir am wenigsten hätt ich gewünscht Das Wagespiel der Waffen zu versuchen: Allein du schürest Glut auf Glut, es kocht Das innre Mark, die schmerzliche Begier Der Rache siedet schäumend in der Brust. Bist du der Mann der du dich rühmst, so steh mir. Du weißt so wenig wer, als wo du bist. Kein Heiligtum heißt uns den Schimpf ertragen Du lästerst, du entweihest diesen Ort, Nicht ich, der ich Vertraun, Verehrung, Liebe, Das schönste Opfer, dir entgegen trug. Dein Geist verunreint dieses Paradies Und deine Worte diesen reinen Saal, Nicht meines Herzens schwellendes Gefühl, Das braust, den kleinsten Flecken nicht zu leiden. Welch hoher Geist in einer engen Brust! Hier ist noch Raum dem Busen Luft zu machen. Es macht das Volk sich auch mit Worten Luft. Bist du ein Edelmann wie ich, so zeig es. Ich bin es wohl, doch weiß ich wo ich bin. Komm mit herab, wo unsre Waffen gelten. Wie du nicht fordern solltest, folg ich nicht. Der Feigheit ist solch Hindernis willkommen. Der Feige droht nur, wo er sicher ist. Mit Freuden kann ich diesem Schutz entsagen. Vergib dir nur, dem Ort vergibst du nichts. Verzeihe mir der Ort daß ich es litt. Er zieht den Degen. Zieh oder folge! Wenn ich nicht auf ewig, Wie ich dich hasse, dich verachten soll. 4. Auftritt Vierter Auftritt Alfons. Die Vorigen. In welchem Streit treff ich euch unerwartet? Du findest mich, o Fürst, gelassen stehn Vor einem, den die Wut ergriffen hat. Ich bete dich als eine Gottheit an, Daß du mit einem Blick mich warnend bändigst. Erzähl, Antonio, Tasso, sag mir an, Wie hat der Zwist sich in mein Haus gedrungen? Wie hat er euch ergriffen, von der Bahn Der Sitten, der Gesetze kluge Männer Im Taumel weggerissen? Ich erstaune. Du kennst uns beide nicht, ich glaub es wohl. Hier dieser Mann, berühmt als klug und sittlich, Hat roh und hämisch wie ein unerzogner, Unedler Mensch sich gegen mich betragen. Zutraulich naht ich ihm, er stieß mich weg; Beharrlich liebend drang ich mich zu ihm, Und bitter immer bittrer ruht' er nicht, Bis er den reinsten Tropfen Bluts in mir Zu Galle wandelte. Verzeih! Du hast mich hier Als einen Wütenden getroffen. Dieser Hat alle Schuld, wenn ich mich schuldig machte. Er hat die Glut gewaltsam angefacht, Die mich ergriff und mich und ihn verletzte. Ihn riß der hohe Dichterschwung hinweg! Du hast, o Fürst, zuerst mich angeredet, Hast mich gefragt: es sei mir nun erlaubt, Nach diesem raschen Redner auch zu sprechen. O ja, erzähl, erzähl von Wort zu Wort, Und kannst du jede Silbe, jede Miene Vor diesen Richter stellen, wag es nur! Beleidige dich selbst zum zweiten Male Und zeuge wider dich! dagegen will Ich keinen Hauch und keinen Pulsschlag leugnen. Wenn du noch mehr zu reden hast, so sprich: Wo nicht, so schweig und unterbrich mich nicht. Ob ich, mein Fürst, ob dieser heiße Kopf Den Streit zuerst begonnen? wer es sei, Der unrecht hat? ist eine weite Frage, Die wohl zuvörderst noch auf sich beruht. Wie das? Mich dünkt, das ist die erste Frage, Wer von uns beiden recht und unrecht hat. Nicht ganz, wie sich's der unbegrenzte Sinn Gedenken mag. Antonio! Gnädigster, Ich ehre deinen Wink, doch laß ihn schweigen; Hab ich gesprochen, mag er weiter reden: Du wirst entscheiden. Also sag ich nur: Ich kann mit ihm nicht rechten, kann ihn weder Verklagen, noch mich selbst verteidgen, noch Ihm jetzt genug zu tun mich anerbieten. Denn wie er steht, ist er kein freier Mann. Es waltet über ihm ein schwer Gesetz, Das deine Gnade höchstens lindern wird. Er hat mir hier gedroht, hat mich gefordert; Vor dir verbarg er kaum das nackte Schwert. Und tratst du, Herr, nicht zwischen uns herein, So stünde jetzt auch ich als pflichtvergessen, Mitschuldig und beschämt vor deinem Blick. zu Tasso. Du hast nicht wohl getan. Mich spricht, o Herr Mein eigen Herz, gewiß auch deines frei. Ja, es ist wahr, ich drohte, forderte, Ich zog. Allein, wie tückisch seine Zunge Mit wohlgewählten Worten mich verletzt, Wie scharf und schnell sein Zahn das feine Gift Mir in das Blut geflößt, wie er das Fieber Nur mehr und mehr erhitzt – du denkst es nicht! Gelassen, kalt, hat er mich ausgehalten, Aufs höchste mich getrieben. O! du kennst, Du kennst ihn nicht und wirst ihn niemals kennen! Ich trug ihm warm die schönste Freundschaft an; Er warf mir meine Gaben vor die Füße, Und hätte meine Seele nicht geglüht, So war sie deiner Gnade, deines Dienstes Auf ewig unwert. Hab ich des Gesetzes Und dieses Orts vergessen, so verzeih. Auf keinem Boden darf ich niedrig sein, Erniedrigung auf keinem Boden dulden. Wenn dieses Herz, es sei auch wo es will, Dir fehlt und sich, dann strafe, dann verstoße Und laß mich nie dein Auge wieder sehn. Wie leicht der Jüngling schwere Lasten trägt Und Fehler wie den Staub vom Kleide schüttelt! Es wäre zu verwundern, wenn die Zauberkraft Der Dichtung nicht bekannter wäre, die Mit dem Ohnmöglichen so gern ihr Spiel Zu treiben liebt. Ob du auch so, mein Fürst, Ob alle deine Diener diese Tat So unbedeutend halten, zweifl ich fast. Die Majestät verbreitet ihren Schutz Auf jeden, der sich ihr wie einer Gottheit Und ihrer unverletzten Wohnung naht. Wie an dem Fuße des Altars, bezähmt Sich auf der Schwelle jede Leidenschaft. Da blinkt kein Schwert, da fällt kein drohend Wort, Da fordert selbst Beleidgung keine Rache. Es bleibt das weite Feld ein offner Raum Für Grimm und Unversöhnlichkeit genug. Dort wird kein Feiger drohn, kein Mann wird fliehn. Hier diese Mauern haben deine Väter Auf Sicherheit gegründet, ihrer Würde Ein Heiligtum befestigt, diese Ruhe Mit schweren Strafen ernst und klug erhalten; Verbannung, Kerker, Tod ergriff den Schuldigen. Da war kein Ansehn der Person, es hielt Die Milde nicht den Arm des Rechts zurück; Und selbst der Frevler fühlte sich geschreckt. Nun sehen wir nach langem schönem Frieden In das Gebiet der Sitten rohe Wut Im Taumel wiederkehren. Herr, entscheide, Bestrafe! denn wer kann in seiner Pflicht Beschränkten Grenzen wandeln, schützet ihn Nicht das Gesetz und seines Fürsten Kraft? Mehr als ihr beide sagt und sagen könnt, Läßt unparteiisch das Gemüt mich hören. Ihr hättet schöner eure Pflicht getan, Wenn ich dies Urteil nicht zu sprechen hätte. Denn hier sind Recht und Unrecht nah verwandt. Wenn dich Antonio beleidigt hat, So hat er dir auf irgend eine Weise Genugzutun, wie du es fordern wirst. Mir wär es lieb, ihr wähltet mich zum Austrag. Indessen, dein Vergehen macht, o Tasso, Dich zum Gefangnen. Wie ich dir vergebe: So lindr ich das Gesetz um deinetwillen. Verlaß uns, Tasso! bleib auf deinem Zimmer, Von dir und mit dir selbst allein bewacht. Ist dies, o Fürst, dein richterlicher Spruch? Erkennest du des Vaters Milde nicht? zu Antonio. Mit dir hab ich vorerst nichts mehr zu reden. Zu Alfons. O Fürst, es übergibt dein ernstes Wort Mich Freien der Gefangenschaft. Es sei! Du hältst es Recht. Dein heilig Wort verehrend, Heiß ich mein innres Herz im tiefsten schweigen. Es ist mir neu, so neu, daß ich fast dich Und mich und diesen schönen Ort nicht kenne. Doch diesen kenn ich wohl – Gehorchen will ich, Ob ich gleich hier noch manches sagen könnte, Und sagen sollte. Mir verstummt die Lippe. War's ein Verbrechen? Wenigstens es scheint, Ich bin als ein Verbrecher angesehn. Und, was mein Herz auch sagt, ich bin gefangen. Du nimmst es höher, Tasso, als ich selbst. Mir bleibt es unbegreiflich wie es ist; Zwar unbegreiflich nicht, ich bin kein Kind; Ich meine fast, ich müßt es denken können. Auf einmal winkt mich eine Klarheit an, Doch augenblicklich schließt sich's wieder zu, Ich höre nur mein Urteil, beuge mich. Das sind zu viel vergebne Worte schon! Gewöhne dich von nun an zu gehorchen, Ohnmächtger! du vergaßest wo du standst; Der Götter Saal schien dir auf gleicher Erde, Nun überwältigt dich der jähe Fall. Gehorche gern, denn es geziemt dem Manne Auch willig das Beschwerliche zu tun. Hier nimm den Degen erst, den du mir gabst, Als ich dem Kardinal nach Frankreich folgte, Ich führt ihn nicht mit Ruhm, doch nicht mit Schande, Auch heute nicht. Der hoffnungsvollen Gabe Entäußr ich mich mit tiefgerührtem Herzen. Wie ich zu dir gesinnt bin fühlst du nicht. Gehorchen ist mein Los und nicht zu denken! Und leider eines herrlichern Geschenks Verleugnung fordert das Geschick von mir. Die Krone kleidet den Gefangnen nicht: Ich nehme selbst von meinem Haupt die Zierde, Die für die Ewigkeit gegönnt mir schien. Zu früh war mir das schönste Glück verliehen, Und wird, als hätt ich sein mich überhoben, Mir nur zu bald geraubt. Du nimmst dir selbst, was keiner nehmen konnte Und was kein Gott zum zweiten Male gibt. Wir Menschen werden wunderbar geprüft; Wir könnten's nicht ertragen, hätt uns nicht Den holden Leichtsinn die Natur verliehn. Mit unschätzbaren Gütern lehret uns Verschwenderisch die Not gelassen spielen: Wir öffnen willig unsre Hände, daß Unwiederbringlich uns ein Gut entschlüpfe. Mit diesem Kuß vereint sich eine Träne Und weiht dich der Vergänglichkeit! es ist Erlaubt das holde Zeichen unsrer Schwäche. Wer weinte nicht, wenn das Unsterbliche Vor der Zerstörung selbst nicht sicher ist? Geselle dich zu diesem Degen, der Dich leider nicht erwarb, um ihn geschlungen Ruhe, wie auf dem Sarg der Tapfern, auf Dem Grabe meines Glücks und meiner Hoffnung! Hier leg ich beide willig dir zu Füßen; Denn wer ist wohl gewaffnet, wenn du zürnst? Und wer geschmückt, o Herr, den du verkennst? Gefangen geh ich, warte des Gerichts. Auf des Fürsten Wink hebt ein Page den Degen mit dem Kranze auf und trägt ihn weg. 5. Auftritt Fünfter Auftritt Alfons. Antonio. Wo schwärmt der Knabe hin? Mit welchen Farben Malt er sich seinen Wert und sein Geschick? Beschränkt und unerfahren hält die Jugend Sich für ein einzig auserwähltes Wesen Und alles über alle sich erlaubt. Er fühle sich gestraft, und strafen heißt Dem Jüngling wohltun, daß der Mann uns danke. Er ist gestraft, ich fürchte nur zu viel. Wenn du gelind mit ihm verfahren magst, So gib, o Fürst, ihm seine Freiheit wieder, Und unsern Zwist entscheide dann das Schwert. Wenn es die Meinung fordert, mag es sein. Doch sprich, wie hast du seinen Zorn gereizt? Ich wüßte kaum zu sagen, wie's geschah. Als Menschen hab ich ihn vielleicht gekränkt, Als Edelmann hab ich ihn nicht beleidigt. Und seinen Lippen ist im größten Zorne Kein sittenloses Wort entflohn. So schien Mir euer Streit, und was ich gleich gedacht, Bekräftigt deine Rede mir noch mehr. Wenn Männer sich entzweien, hält man billig Den Klügsten für den Schuldigen. Du solltest Mit ihm nicht zürnen; ihn zu leiten stünde Dir besser an. Noch immer ist es Zeit: Hier ist kein Fall, der euch zu streiten zwänge. So lang mir Friede bleibt, so lange wünsch ich In meinem Haus ihn zu genießen. Stelle Die Ruhe wieder her, du kannst es leicht. Lenore Sanvitale mag ihn erst Mit zarter Lippe zu besänftgen suchen: Dann tritt zu ihm, gib ihm in meinem Namen Die volle Freiheit wieder, und gewinne Mit edeln, wahren Worten sein Vertraun. Verrichte das, so bald du immer kannst; Du wirst als Freund und Vater mit ihm sprechen. Noch eh wir scheiden, will ich Friede wissen, Und dir ist nichts unmöglich, wenn du willst. Wir bleiben lieber eine Stunde länger, Und lassen dann die Frauen sanft vollenden, Was du begannst; und kehren wir zurück, So haben sie von diesem raschen Eindruck Die letzte Spur vertilgt. Es scheint, Antonio, Du willst nicht aus der Übung kommen! Du Hast ein Geschäft kaum erst vollendet, nun Kehrst du zurück und schaffst dir gleich ein neues. Ich hoffe, daß auch dieses dir gelingt. Ich bin beschämt! Und seh in deinen Worten Wie in dem klarsten Spiegel meine Schuld. Gar leicht gehorcht man einem edlen Herrn, Der überzeugt, indem er uns gebietet. 3. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt Wo bleibt Eleonore? Schmerzlicher Bewegt mir jeden Augenblick die Sorge Das tiefste Herz. Kaum weiß ich was geschah, Kaum weiß ich wer von beiden schuldig ist. O daß sie käme! möcht ich doch nicht gern Den Bruder nicht, Antonio nicht sprechen, Eh ich gefaßter bin, eh ich vernommen, Wie alles steht und was es werden kann. 2. Auftritt Zweiter Auftritt Prinzessin. Leonore. Was bringst du, Leonore? sag mir an: Wie steht's um unsre Freunde? Was geschah? Mehr als wir wissen hab ich nicht erfahren Sie trafen hart zusammen, Tasso zog, Dein Bruder trennte sie: allein es scheint, Als habe Tasso diesen Streit begonnen. Antonio geht frei umher und spricht Mit seinem Fürsten, Tasso bleibt dagegen Verbannt in seinem Zimmer und allein. Gewiß hat ihn Antonio gereizt, Den Hochgestimmten kalt und fremd beleidigt. Ich glaub es selbst. Denn eine Wolke stand, Schon als er zu uns trat, um seine Stirn. Ach daß wir doch dem reinen stillen Wink Des Herzens nachzugehn so sehr verlernen! Ganz leise spricht ein Gott in unsrer Brust, Ganz leise, ganz vernehmlich, zeigt uns an, Was zu ergreifen ist und was zu fliehn. Antonio erschien mir heute früh Viel schroffer noch als je, in sich gezogner. Es warnte mich mein Geist, als neben ihn Sich Tasso stellte. Sieh das Äußre nur Von beiden an, das Angesicht, den Ton, Den Blick, den Tritt! es widerstrebt sich alles, Sie können ewig keine Liebe wechseln. Doch überredete die Hoffnung mich, Die Gleisnerin, sie sind vernünftig beide, Sind edel, unterrichtet, deine Freunde; Und welch ein Band ist sichrer als der Guten? Ich trieb den Jüngling an; er gab sich ganz; Wie schön, wie warm ergab er ganz sich mir! O hätt ich gleich Antonio gesprochen! Ich zauderte; es war nur kurze Zeit; Ich scheute mich, gleich mit den ersten Worten Und dringend ihm den Jüngling zu empfehlen, Verließ auf Sitte mich und Höflichkeit, Auf den Gebrauch der Welt, der sich so glatt Selbst zwischen Feinde legt; befürchtete Von dem geprüften Manne diese Jähe Der raschen Jugend nicht. Es ist geschehn. Das Übel stand mir fern, nun ist es da. O gib mir einen Rat! was ist zu tun? Wie schwer zu raten sei, das fühlst du selbst Nach dem was du gesagt. Es ist nicht hier Ein Mißverständnis zwischen Gleichgestimmten; Das stellen Worte, ja im Notfall stellen Es Waffen leicht und glücklich wieder her. Zwei Männer sind's, ich hab es lang gefühlt, Die darum Feinde sind, weil die Natur Nicht einen Mann aus ihnen beiden formte. Und wären sie zu ihrem Vorteil klug, So würden sie als Freunde sich verbinden. Dann stünden sie für einen Mann, und gingen Mit Macht und Glück und Lust durchs Leben hin. So hofft ich selbst, nun seh ich wohl umsonst. Der Zwist von heute, sei er wie er sei, Ist beizulegen; doch das sichert uns Nicht für die Zukunft, für den Morgen nicht. Es wär am besten, dächt ich, Tasso reiste Auf eine Zeit von hier; er könnte ja Nach Rom, auch nach Florenz sich wenden; dort Träf ich in wenig Wochen ihn, und könnte Auf sein Gemüt als eine Freundin wirken. Du würdest hier indessen den Antonio, Der uns so fremd geworden, dir aufs neue Und deinen Freunden näher bringen; so Gewährte das, was jetzt unmöglich scheint, Die gute Zeit vielleicht, die vieles gibt. Du willst dich in Genuß, o Freundin, setzen, Ich soll entbehren; heißt das billig sein? Entbehren wirst du nichts, als was du doch In diesem Falle nicht genießen könntest. So ruhig soll ich einen Freund verbannen? Erhalten, den du nur zum Schein verbannst Mein Bruder wird ihn nicht mit Willen lassen. Wenn er es sieht wie wir, so gibt er nach. Es ist so schwer, im Freunde sich verdammen. Und dennoch rettest du den Freund in dir. Ich gebe nicht mein Ja, daß es geschehe. So warte noch ein größres Übel ab. Du peinigst mich und weißt nicht ob du nützest. Wir werden bald entdecken, wer sich irrt. Und soll es sein, so frage mich nicht länger. Wer sich entschließen kann, besiegt den Schmerz. Entschlossen bin ich nicht, allein es sei, Wenn er sich nicht auf lange Zeit entfernt – Und laß uns für ihn sorgen, Leonore, Daß er nicht etwa künftig Mangel leide, Daß ihm der Herzog seinen Unterhalt Auch in der Ferne willig reichen lasse. Sprich mit Antonio, denn er vermag Bei meinem Bruder viel, und wird den Streit Nicht unserm Freund und uns gedenken wollen. Ein Wort von dir, Prinzessin, gölte mehr. Ich kann, du weißt es, meine Freundin, nicht Wie's meine Schwester von Urbino kann, Für mich und für die Meinen was erbitten. Ich lebe gern so stille vor mich hin Und nehme von dem Bruder dankbar an, Was er mir immer geben kann und will. Ich habe sonst darüber manchen Vorwurf Mir selbst gemacht, nun hab ich überwunden. Es schalt mich eine Freundin oft darum: Du bist uneigennützig, sagte sie, Das ist recht schön, allein du bist's so sehr, Daß du auch das Bedürfnis deiner Freunde Nicht recht empfinden kannst. Ich laß es gehn Und muß denn eben diesen Vorwurf tragen. Um desto mehr erfreut es mich, daß ich Nun in der Tat dem Freunde nützen kann; Es fällt mir meiner Mutter Erbschaft zu, Und gerne will ich für ihn sorgen helfen. Und ich, o Fürstin, finde mich im Falle, Daß ich als Freundin auch mich zeigen kann. Er ist kein guter Wirt; wo es ihm fehlt, Werd ich ihm schon geschickt zu helfen wissen. So nimm ihn weg, und, soll ich ihn entbehren, Vor allen andern sei er dir gegönnt! Ich seh es wohl, so wird es besser sein! Muß ich denn wieder diesen Schmerz als gut Und heilsam preisen? Das war mein Geschick Von Jugend auf, ich bin nun dran gewöhnt. Nur halb ist der Verlust des schönsten Glücks, Wenn wir auf den Besitz nicht sicher zählten. Ich hoffe, dich so schön du es verdienst Glücklich zu sehn! Eleonore! Glücklich? Wer ist denn glücklich? – Meinen Bruder zwar Möcht ich so nennen, denn sein großes Herz Trägt sein Geschick mit immer gleichem Mut; Allein was er verdient, das ward ihm nie. Ist meine Schwester von Urbino glücklich? Das schöne Weib, das edle große Herz! Sie bringt dem jüngern Manne keine Kinder; Er achtet sie und läßt sie's nicht entgelten, Doch keine Freude wohnt in ihrem Haus. Was half denn unsrer Mutter ihre Klugheit? Die Kenntnis jeder Art, ihr großer Sinn? Konnt er sie vor dem fremden Irrtum schützen? Man nahm uns von ihr weg; nun ist sie tot, Sie ließ uns Kindern nicht den Trost, daß sie Mit ihrem Gott versöhnt gestorben sei. O blicke nicht nach dem, was jedem fehlt, Betrachte, was noch einem jeden bleibt! Was bleibt nicht dir , Prinzessin? Was mir bleibt? Geduld, Eleonore! üben konnt ich die Von Jugend auf. Wenn Freunde, wenn Geschwister Bei Fest und Spiel gesellig sich erfreuten, Hielt Krankheit mich auf meinem Zimmer fest, Und in Gesellschaft mancher Leiden mußt Ich früh entbehren lernen. Eines war, Was in der Einsamkeit mich schön ergötzte, Die Freude des Gesangs; ich unterhielt Mich mit mir selbst, ich wiegte Schmerz und Sehnsucht Und jeden Wunsch mit leisen Tönen ein. Da wurde Leiden oft Genuß und selbst Das traurige Gefühl zur Harmonie. Nicht lang war mir dies Glück gegönnt, auch dieses Nahm mir der Arzt hinweg; sein streng Gebot Hieß mich verstummen; leben sollt ich, leiden, Den einzgen kleinen Trost sollt ich entbehren! So viele Freunde fanden sich zu dir, Und nun bist du gesund, bist lebensfroh. Ich bin gesund, das heißt, ich bin nicht krank; Und manche Freunde hab ich, deren Treue Mich glücklich macht. Auch hatt ich einen Freund – Du hast ihn noch. Und werd ihn bald verlieren. Der Augenblick, da ich zuerst ihn sah, War viel bedeutend. Kaum erholt ich mich Von manchen Leiden; Schmerz und Krankheit waren Kaum erst gewichen. Still bescheiden blickt ich Ins Leben wieder, freute mich des Tags Und der Geschwister wieder, sog beherzt Der süßen Hoffnung reinsten Balsam ein. Ich wagt es vorwärts in das Leben weiter Hinein zu sehn, und freundliche Gestalten Begegneten mir aus der Ferne. Da, Eleonore, stellte mir den Jüngling Die Schwester vor; er kam an ihrer Hand, Und daß ich dir's gestehe, da ergriff Ihn mein Gemüt und wird ihn ewig halten. O meine Fürstin, laß dich's nicht gereuen! Das Edle zu erkennen, ist Gewinst, Der nimmer uns entrissen werden kann. Zu fürchten ist das Schöne, das Fürtreffliche, Wie eine Flamme, die so herrlich nützt, So lange sie auf deinem Herde brennt, So lang sie dir von einer Fackel leuchtet, Wie hold! wer mag, wer kann sie da entbehren? Und frißt sie ungehütet um sich her, Wie elend kann sie machen! Laß mich nun. Ich bin geschwätzig und verbärge besser Auch selbst vor dir, wie schwach ich bin und krank. Die Krankheit des Gemütes löset sich In Klagen und Vertraun am leichtsten auf. Wenn das Vertrauen heilt, so heil ich bald; Ich hab es rein und hab es ganz zu dir. Ach, meine Freundin! Zwar ich bin entschlossen, Er scheide nur; allein ich fühle schon Den langen ausgedehnten Schmerz der Tage, wenn Ich nun entbehren soll was mich erfreute. Die Sonne hebt von meinen Augenlidern Nicht mehr sein schön verklärtes Traumbild auf; Die Hoffnung ihn zu sehen füllt nicht mehr Den kaum erwachten Geist mit froher Sehnsucht; Mein erster Blick hinab in unsre Gärten Sucht ihn vergebens in dem Tau der Schatten. Wie schön befriedigt fühlte sich der Wunsch Mit ihm zu sein an jedem heitern Abend! Wie mehrte sich im Umgang das Verlangen Sich mehr zu kennen, mehr sich zu verstehn, Und täglich stimmte das Gemüt sich schöner Zu immer reinern Harmonien auf. Welch eine Dämmrung fällt nun vor mir ein! Der Sonne Pracht, das fröhliche Gefühl Des hohen Tags, der tausendfachen Welt Glanzreiche Gegenwart, ist öd und tief Im Nebel eingehüllt, der mich umgibt. Sonst war mir jeder Tag ein ganzes Leben; Die Sorge schwieg, die Ahndung selbst verstummte, Und glücklich eingeschifft trug uns der Strom Auf leichten Wellen ohne Ruder hin: Nun überfällt in trüber Gegenwart Der Zukunft Schrecken heimlich meine Brust. Die Zukunft gibt dir deine Freunde wieder, Und bringt dir neue Freude, neues Glück. Was ich besitze, mag ich gern bewahren: Der Wechsel unterhält, doch nutzt er kaum. Mit jugendlicher Sehnsucht griff ich nie Begierig in den Lostopf fremder Welt, Für mein bedürfend unerfahren Herz Zufällig einen Gegenstand zu haschen. Ihn mußt ich ehren, darum liebt ich ihn; Ich mußt ihn lieben, weil mit ihm mein Leben Zum Leben ward, wie ich es nie gekannt. Erst sagt ich mir, entferne dich von ihm! Ich wich und wich und kam nur immer näher. So lieblich angelockt, so hart bestraft! Ein reines wahres Gut verschwindet mir, Und meiner Sehnsucht schiebt ein böser Geist Statt Freud und Glück verwandte Schmerzen unter. Wenn einer Freundin Wort nicht trösten kann, So wird die stille Kraft der schönen Welt, Der guten Zeit dich unvermerkt erquicken. Wohl ist sie schön die Welt! in ihrer Weite Bewegt sich so viel Gutes hin und her. Ach daß es immer nur um einen Schritt Von uns sich zu entfernen scheint, Und unsre bange Sehnsucht durch das Leben Auch Schritt vor Schritt bis nach dem Grabe lockt! So selten ist es, daß die Menschen finden, Was ihnen doch bestimmt gewesen schien, So selten, daß sie das erhalten, was Auch einmal die beglückte Hand ergriff! Es reißt sich los, was erst sich uns ergab, Wir lassen los, was wir begierig faßten. Es gibt ein Glück, allein wir kennen's nicht: Wir kennen's wohl, und wissen's nicht zu schätzen. 3. Auftritt Dritter Auftritt Wie jammert mich das edle schöne Herz! Welch traurig Los das ihrer Hoheit fällt! Ach sie verliert – und denkst du zu gewinnen? Ist's denn so nötig, daß er sich entfernt? Machst du es nötig, um allein für dich Das Herz und die Talente zu besitzen, Die du bisher mit einer andern teilst Und ungleich teilst? Ist's redlich so zu handeln? Bist du nicht reich genug? Was fehlt dir noch? Gemahl und Sohn und Güter, Rang und Schönheit, Das hast du alles, und du willst noch ihn Zu diesem allen haben? Liebst du ihn? Was ist es sonst, warum du ihn nicht mehr Entbehren magst? Du darfst es dir gestehn. Wie reizend ist's, in seinem schönen Geiste Sich selber zu bespiegeln! Wird ein Glück Nicht doppelt groß und herrlich, wenn sein Lied Uns wie auf Himmelswolken trägt und hebt? Dann bist du erst beneidenswert! Du bist, Du hast das nicht allein, was viele wünschen, Es weiß, es kennt auch jeder, was du hast! Dich nennt dein Vaterland und sieht auf dich, Das ist der höchste Gipfel jedes Glücks. Ist Laura denn allein der Name, der Von allen zarten Lippen klingen soll? Und hatte nur Petrarch allein das Recht, Die unbekannte Schöne zu vergöttern? Wo ist ein Mann, der meinem Freunde sich Vergleichen darf? Wie ihn die Welt verehrt, So wird die Nachwelt ihn verehrend nennen. Wie herrlich ist's, im Glanze dieses Lebens Ihn an der Seite haben! so mit ihm Der Zukunft sich mit leichtem Schritte nahn! Alsdann vermag die Zeit, das Alter nichts Auf dich, und nichts der freche Ruf, Der hin und her des Beifalls Woge treibt: Das was vergänglich ist, bewahrt sein Lied. Du bist noch schön noch glücklich, wenn schon lange Der Kreis der Dinge dich mit fortgerissen. Du mußt ihn haben, und ihr nimmst du nichts: Denn ihre Neigung zu dem werten Manne Ist ihren andern Leidenschaften gleich. Sie leuchten, wie der stille Schein des Monds Dem Wandrer spärlich auf dem Pfad zu Nacht; Sie wärmen nicht und gießen keine Lust Noch Lebensfreud umher. Sie wird sich freuen, Wenn sie ihn fern, wenn sie ihn glücklich weiß, Wie sie genoß, wenn sie ihn täglich sah. Und dann, ich will mit meinem Freunde nicht Von ihr und diesem Hofe mich verbannen; Ich komme wieder, und ich bring ihn wieder. So soll es sein! – Hier kommt der rauhe Freund, Wir wollen sehn, ob wir ihn zähmen können. 4. Auftritt Vierter Auftritt Leonore. Antonio. Du bringst uns Krieg statt Frieden; scheint es doch, Du kommst aus einem Lager, einer Schlacht, Wo die Gewalt regiert, die Faust entscheidet, Und nicht von Rom, wo feierliche Klugheit Die Hände segnend hebt, und eine Welt Zu ihren Füßen sieht, die gern gehorcht. Ich muß den Tadel, schöne Freundin, dulden, Doch die Entschuldgung liegt nicht weit davon. Es ist gefährlich, wenn man allzu lang Sich klug und mäßig zeigen muß. Es lauert Der böse Genius dir an der Seite Und will gewaltsam auch von Zeit zu Zeit Ein Opfer haben. Leider hab ich's diesmal Auf meiner Freunde Kosten ihm gebracht. Du hast um fremde Menschen dich so lang Bemüht und dich nach ihrem Sinn gerichtet: Nun, da du deine Freunde wieder siehst, Verkennst du sie und rechtest wie mit Fremden. Da liegt, geliebte Freundin, die Gefahr! Mit fremden Menschen nimmt man sich zusammen, Da merkt man auf, da sucht man seinen Zweck In ihrer Gunst, damit sie nutzen sollen. Allein bei Freunden läßt man frei sich gehn, Man ruht in ihrer Liebe, man erlaubt Sich eine Laune, ungezähmter wirkt Die Leidenschaft, und so verletzen wir Am ersten die, die wir am zartsten lieben. In dieser ruhigen Betrachtung find ich dich Schon ganz, mein teurer Freund, mit Freuden wieder. Ja, mich verdrießt – und ich bekenn es gern – Daß ich mich heut so ohne Maß verlor. Allein gestehe, wenn ein wackrer Mann Mit heißer Stirn von saurer Arbeit kommt Und spät am Abend in ersehntem Schatten Zu neuer Mühe auszuruhen denkt, Und findet dann von einem Müßiggänger Den Schatten breit besessen, soll er nicht Auch etwas Menschlichs in dem Busen fühlen? Wenn er recht menschlich ist, so wird er auch Den Schatten gern mit einem Manne teilen, Der ihm die Ruhe süß, die Arbeit leicht Durch ein Gespräch, durch holde Töne macht. Der Baum ist breit, mein Freund, der Schatten gibt, Und keiner braucht den andern zu verdrängen. Wir wollen uns, Eleonore, nicht Mit einem Gleichnis hin und wider spielen. Gar viele Dinge sind in dieser Welt, Die man dem andern gönnt und gerne teilt; Jedoch es ist ein Schatz, den man allein Dem Hochverdienten gerne gönnen mag, Ein andrer, den man mit dem Höchstverdienten Mit gutem Willen niemals teilen wird – Und fragst du mich nach diesen beiden Schätzen; Der Lorbeer ist es und die Gunst der Frauen. Hat jener Kranz um unsers Jünglings Haupt Den ernsten Mann beleidigt? Hättest du Für seine Mühe, seine schöne Dichtung Bescheidnern Lohn doch selbst nicht finden können. Denn ein Verdienst, das außerirdisch ist, Das in den Lüften schwebt, in Tönen nur, In leichten Bildern unsern Geist umgaukelt, Es wird denn auch mit einem schönen Bilde, Mit einem holden Zeichen nur belohnt; Und wenn er selbst die Erde kaum berührt, Berührt der höchste Lohn ihm kaum das Haupt. Ein unfruchtbarer Zweig ist das Geschenk, Das der Verehrer unfruchtbare Neigung Ihm gerne bringt, damit sie einer Schuld Aufs leichtste sich entlade. Du mißgönnst Dem Bild des Märtyrers den goldnen Schein Ums kahle Haupt wohl schwerlich; und gewiß, Der Lorbeerkranz ist, wo er dir erscheint, Ein Zeichen mehr des Leidens als des Glücks. Will etwa mich dein liebenswürdger Mund Die Eitelkeit der Welt verachten lehren? Ein jedes Gut nach seinem Wert zu schätzen Brauch ich dich nicht zu lehren. Aber doch, Es scheint, von Zeit zu Zeit bedarf der Weise, So sehr wie andre, daß man ihm die Güter, Die er besitzt, im rechten Lichte zeige. Du, edler Mann, du wirst an ein Phantom Von Gunst und Ehre keinen Anspruch machen. Der Dienst, mit dem du deinem Fürsten dich, Mit dem du deine Freunde dir verbindest, Ist wirkend, ist lebendig, und so muß Der Lohn auch wirklich und lebendig sein. Dein Lorbeer ist das fürstliche Vertraun, Das auf den Schultern dir, als liebe Last Gehäuft und leicht getragen ruht; es ist Dein Ruhm das allgemeine Zutraun. Und von der Gunst der Frauen sagst du nichts, Die willst du mir doch nicht entbehrlich schildern? Wie man es nimmt. Denn du entbehrst sie nicht Und leichter wäre sie dir zu entbehren, Als sie es jenem guten Mann nicht ist. Denn sag, geläng es einer Frau, wenn sie Nach ihrer Art für dich zu sorgen dächte, Mit dir sich zu beschäftgen unternähme? Bei dir ist alles Ordnung, Sicherheit; Du sorgst für dich, wie du für andre sorgst, Du hast was man dir geben möchte. Jener Beschäftigt uns in unserm eignen Fache. Ihm fehlt's an tausend Kleinigkeiten, die Zu schaffen eine Frau sich gern bemüht. Das schönste Leinenzeug, ein seiden Kleid Mit etwas Stickerei, das trägt er gern. Er sieht sich gern geputzt, vielmehr, er kann Unedlen Stoff, der nur den Knecht bezeichnet, An seinem Leib nicht dulden, alles soll Ihm fein und gut und schön und edel stehn. Und dennoch hat er kein Geschick, das alles Sich anzuschaffen, wenn er es besitzt, Sich zu erhalten; immer fehlt es ihm An Geld, an Sorgsamkeit, bald läßt er da Ein Stück, bald eines dort. Er kehret nie Von einer Reise wieder, daß ihm nicht Ein Dritteil seiner Sachen fehle. Bald Bestiehlt ihn der Bediente. So, Antonio, Hat man für ihn das ganze Jahr zu sorgen. Und diese Sorge macht ihn lieb und lieber. Glückselger Jüngling, dem man seine Mängel Zur Tugend rechnet, dem so schön vergönnt ist, Den Knaben noch als Mann zu spielen, der Sich seiner holden Schwäche rühmen darf! Du müßtest mir verzeihen, schöne Freundin, Wenn ich auch hier ein wenig bitter würde. Du sagst nicht alles, sagst nicht was er wagt, Und daß er klüger ist, als wie man denkt. Er rühmt sich zweier Flammen! knüpft und löst Die Knoten hin und wider, und gewinnt Mit solchen Künsten solche Herzen! Ist's Zu glauben? Gut! Selbst das beweist ja schon, Daß es nur Freundschaft ist, was uns belebt. Und wenn wir denn auch Lieb um Liebe tauschten, Belohnten wir das schöne Herz nicht billig, Das ganz sich selbst vergißt und hingegeben Im holden Traum für seine Freunde lebt? Verwöhnt ihn nur und immer mehr und mehr, Laßt seine Selbstigkeit für Liebe gelten, Beleidigt alle Freunde, die sich euch Mit treuer Seele widmen! Gebt dem Stolzen Freiwilligen Tribut, zerstöret ganz Den schönen Kreis geselligen Vertrauns! Wir sind nicht so parteiisch wie du glaubst, Ermahnen unsern Freund in manchen Fällen; Wir wünschen ihn zu bilden, daß er mehr Sich selbst genieße, mehr sich zu genießen Den andern geben könne. Was an ihm Zu tadeln ist, das bleibt uns nicht verborgen. Doch lobt ihr vieles was zu tadeln wäre. Ich kenn ihn lang, er ist so leicht zu kennen, Und ist zu stolz sich zu verbergen. Bald Versinkt er in sich selbst, als wäre ganz Die Welt in seinem Busen, er sich ganz In seiner Welt genug, und alles rings Umher verschwindet ihm. Er läßt es gehn, Läßt's fallen, stößt's hinweg und ruht in sich – Auf einmal, wie ein unbemerkter Funke Die Mine zündet, sei es Freude, Leid, Zorn oder Grille, heftig bricht er aus: Dann will er alles fassen, alles halten, Dann soll geschehn was er sich denken mag; In einem Augenblicke soll entstehn, Was Jahre lang bereitet werden sollte, In einem Augenblick gehoben sein, Was Mühe kaum in Jahren lösen könnte. Er fordert das Unmögliche von sich, Damit er es von andern fordern dürfe, Die letzten Enden aller Dinge will Sein Geist zusammen fassen; das gelingt Kaum einem unter Millionen Menschen, Und er ist nicht der Mann: er fällt zuletzt, Um nichts gebessert, in sich selbst zurück. Er schadet andern nicht, er schadet sich. Und doch verletzt er andre nur zu sehr. Kannst du es leugnen, daß im Augenblick Der Leidenschaft, die ihn behend ergreift, Er auf den Fürsten, auf die Fürstin selbst, Auf wen es sei, zu schmähn, zu lästern wagt? Zwar augenblicklich nur, allein genug, Der Augenblick kommt wieder: er beherrscht So wenig seinen Mund als seine Brust. Ich sollte denken, wenn er sich von hier Auf eine kurze Zeit entfernte, sollt Es wohl für ihn und andre nützlich sein. Vielleicht, vielleicht auch nicht. Doch eben jetzt Ist nicht daran zu denken. Denn ich will Den Fehler nicht auf meine Schultern laden, Es könnte scheinen, daß ich ihn vertreibe, Und ich vertreib ihn nicht. Um meinetwillen Kann er an unserm Hofe ruhig bleiben; Und wenn er sich mit mir versöhnen will, Und wenn er meinen Rat befolgen kann, So werden wir ganz leidlich leben können. Nun hoffst du selbst auf ein Gemüt zu wirken, Das dir vor kurzem noch verloren schien. Wir hoffen immer, und in allen Dingen Ist besser hoffen als verzweifeln. Denn Wer kann das Mögliche berechnen? Er Ist unserm Fürsten wert. Er muß uns bleiben. Und bilden wir dann auch umsonst an ihm, So ist er nicht der einzge den wir dulden. So ohne Leidenschaft, so unparteiisch Glaubt ich dich nicht. Du hast dich schnell bekehrt. Das Alter muß doch einen Vorzug haben, Daß wenn es auch dem Irrtum nicht entgeht, Es doch sich auf der Stelle fassen kann. Du warst, mich deinem Freunde zu versöhnen, Zuerst bemüht. Nun bitt ich es von dir. Tu was du kannst, daß dieser Mann sich finde, Und alles wieder bald im gleichen sei. Ich gehe selbst zu ihm, sobald ich nur Von dir erfahre, daß er ruhig ist, Sobald du glaubst, daß meine Gegenwart Das Übel nicht vermehrt. Doch was du tust, Das tu in dieser Stunde; denn es geht Alfons heut abend noch zurück, und ich Werd ihn begleiten. Leb indessen wohl. 5. Auftritt Fünfter Auftritt Für diesmal, lieber Freund, sind wir nicht eins, Mein Vorteil und der deine gehen heut Nicht Hand in Hand. Ich nütze diese Zeit Und suche Tasso zu gewinnen. Schnell! 4. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt Zimmer. allein. Bist du aus einem Traum erwacht und hat Der schöne Trug auf einmal dich verlassen? Hat dich nach einem Tag der höchsten Lust Ein Schlaf gebändigt, hält und ängstet nun Mit schweren Fesseln deine Seele? Ja, Du wachst und träumst. Wo sind die Stunden hin, Die um dein Haupt mit Blumenkränzen spielten? Die Tage, wo dein Geist mit freier Sehnsucht Des Himmels ausgespanntes Blau durchdrang? Und dennoch lebst du noch und fühlst dich an, Du fühlst dich an und weißt nicht ob du lebst. Ist's meine Schuld, ist's eines andern Schuld, Daß ich mich nun als schuldig hier befinde? Hab ich verbrochen, daß ich leiden soll? Ist nicht mein ganzer Fehler ein Verdienst? Ich sah ihn an und ward vom guten Willen, Vom Hoffnungswahn des Herzens übereilt: Der sei ein Mensch, der menschlich Ansehn trägt. Ich ging mit offnen Armen auf ihn los, Und fühlte Schloß und Riegel, keine Brust. O hatt ich doch so klug mir ausgedacht, Wie ich den Mann empfangen wollte, der Von alten Zeiten mir verdächtig war! Allein was immer dir begegnet sei, So halte dich an der Gewißheit fest: Ich habe sie gesehn! Sie stand vor mir! Sie sprach zu mir, ich habe sie vernommen! Der Blick, der Ton, der Worte holder Sinn, Sie sind auf ewig mein, es raubt sie nicht Die Zeit, das Schicksal, noch das wilde Glück. Und hob mein Geist sich da zu schnell empor, Und ließ ich allzurasch in meinem Busen Der Flamme Luft, die mich nun ganz verzehrt, So kann mich's nicht gereun, und wäre selbst Auf ewig das Geschick des Lebens hin. Ich widmete mich ihr und folgte froh Dem Winke, der mich ins Verderben rief. Es sei! So hab ich mich doch wert gezeigt Des köstlichen Vertrauns, das mich erquickt, In dieser Stunde selbst erquickt, die mir Die schwarze Pforte langer Trauerzeit Gewaltsam öffnet. – Ja, nun ist's getan! Es geht die Sonne mir der schönsten Gunst Auf einmal unter; seinen holden Blick Entziehet mir der Fürst, und läßt mich hier Auf düstrem, schmalen Pfad verloren stehn. Das häßliche zweideutige Geflügel, Das leidige Gefolg der alten Nacht, Es schwärmt hervor und schwirrt mir um das Haupt. Wohin, wohin beweg ich meinen Schritt? Dem Ekel zu entfliehn, der mich umsaust, Dem Abgrund zu entgehn, der vor mir liegt? 2. Auftritt Zweiter Auftritt Leonore. Tasso. Was ist begegnet? Lieber Tasso, hat Dein Eifer dich, dein Argwohn so getrieben? Wie ist's geschehn? Wir alle stehn bestürzt. Und deine Sanftmut, dein gefällig Wesen, Dein schneller Blick, dein richtiger Verstand, Mit dem du jedem gibst was ihm gehört, Dein Gleichmut, der erträgt was zu ertragen Der Edle bald, der Eitle selten lernt, Die kluge Herrschaft über Zung und Lippe? – Mein teurer Freund, fast ganz verkenn ich dich. Und wenn das alles nun verloren wäre? Wenn einen Freund, den du einst reich geglaubt, Auf einmal du als einen Bettler fändest? Wohl hast du recht, ich bin nicht mehr ich selbst Und bin's doch noch so gut als wie ich's war. Es scheint ein Rätsel, und doch ist es keins. Der stille Mond, der dich bei Nacht erfreut, Dein Auge, dein Gemüt mit seinem Schein Unwiderstehlich lockt, er schwebt am Tage Ein unbedeutend blasses Wölkchen hin. Ich bin vom Glanz des Tages überschienen, Ihr kennet mich, ich kenne mich nicht mehr. Was du mir sagst, mein Freund, versteh ich nicht Wie du es sagst. Erkläre dich mit mir. Hat die Beleidigung des schroffen Manns Dich so gekränkt, daß du dich selbst und uns So ganz verkennen magst? Vertraue mir. Ich bin nicht der Beleidigte, du siehst Mich ja bestraft, weil ich beleidigt habe. Die Knoten vieler Worte löst das Schwert Gar leicht und schnell, allein ich bin gefangen. Du weißt wohl kaum – erschrick nicht, zarte Freundin – Du triffst den Freund in einem Kerker an. Mich züchtiget der Fürst wie einen Schüler. Ich will mit ihm nicht rechten, kann es nicht. Du scheinest mehr, als billig ist, bewegt. Hältst du mich für so schwach, für so ein Kind, Daß solch ein Fall mich gleich zerrütten könne? Das was geschehn ist, kränkt mich nicht so tief, Allein das kränkt mich, was es mir bedeutet. Laß meine Neider, meine Feinde nur Gewähren! Frei und offen ist das Feld. Du hast gar manchen fälschlich im Verdacht, Ich habe selbst mich überzeugen können. Und auch Antonio feindet dich nicht an, Wie du es wähnst. Der heutige Verdruß – Den laß ich ganz bei Seite, nehme nur Antonio wie er war und wie er bleibt. Verdrießlich fiel mir stets die steife Klugheit, Und daß er immer nur den Meister spielt. Anstatt zu forschen, ob des Hörers Geist Nicht schon für sich auf guten Spuren wandle, Belehrt er dich von manchem, das du besser Und tiefer fühltest, und vernimmt kein Wort, Das du ihm sagst, und wird dich stets verkennen. Verkannt zu sein, verkannt von einem Stolzen, Der lächelnd dich zu übersehen glaubt! Ich bin so alt noch nicht und nicht so klug, Daß ich nur duldend gegenlächeln sollte. Früh oder spat, es konnte sich nicht halten, Wir mußten brechen; später war es nur Um desto schlimmer worden. Einen Herrn Erkenn ich nur, den Herrn der mich ernährt, Dem folg ich gern, sonst will ich keinen Meister. Frei will ich sein im Denken und im Dichten, Im Handeln schränkt die Welt genug uns ein. Er spricht mit Achtung oft genug von dir. Mit Schonung, willst du sagen, fein und klug. Und das verdrießt mich eben; denn er weiß So glatt und so bedingt zu sprechen, daß Sein Lob erst recht zum Tadel wird und daß Nichts mehr, nichts tiefer dich verletzt als Lob Aus seinem Munde. Möchtest du, mein Freund, Vernommen haben, wie er sonst von dir Und dem Talente sprach, das dir vor vielen Die gütige Natur verlieh. Er fühlt gewiß Das was du bist und hast, und schätzt es auch. O glaube mir, ein selbstisches Gemüt Kann nicht der Qual des engen Neids entfliehen. Ein solcher Mann verzeiht dem andern wohl Vermögen, Stand und Ehre, denn er denkt, Das hast du selbst, das hast du wenn du willst, Wenn du beharrst, wenn dich das Glück begünstigt. Doch das was die Natur allein verleiht, Was jeglicher Bemühung, jedem Streben Stets unerreichbar bleibt, was weder Gold Noch Schwert, noch Klugheit, noch Beharrlichkeit Erzwingen kann, das wird er nie verzeihn. Er gönnt es mir? Er, der mit steifem Sinn Die Gunst der Musen zu ertrotzen glaubt? Der, wenn er die Gedanken mancher Dichter Zusammenreiht, sich selbst ein Dichter scheint? Weit eher gönnt er mir des Fürsten Gunst, Die er doch gern auf sich beschränken möchte, Als das Talent, das jene Himmlischen Dem armen, dem verwaisten Jüngling gaben. O sähest du so klar, wie ich es sehe! Du irrst dich über ihn, so ist er nicht. Und irr ich mich an ihm, so irr ich gern! Ich denk ihn mir als meinen ärgsten Feind, Und wär untröstlich, wenn ich mir ihn nun Gelinder denken müßte. Töricht ist's In allen Stücken billig sein; es heißt Sein eigen Selbst zerstören. Sind die Menschen Denn gegen uns so billig? Nein, o nein! Der Mensch bedarf in seinem engen Wesen Der doppelten Empfindung, Lieb und Haß. Bedarf er nicht der Nacht als wie des Tags? Des Schlafens wie des Wachens? Nein, ich muß Von nun an diesen Mann als Gegenstand Von meinem tiefsten Haß behalten; nichts Kann mir die Lust entreißen schlimm und schlimmer Von ihm zu denken. Willst du, teurer Freund, Von deinem Sinn nicht lassen, seh ich kaum, Wie du am Hofe länger bleiben willst. Du weißt, wie viel er gilt und gelten muß. Wie sehr ich lang, o schöne Freundin, hier Schon überflüssig bin, das weiß ich wohl. Das bist du nicht, das kannst du nimmer werden! Du weißt vielmehr, wie gern der Fürst mit dir, Wie gern die Fürstin mit dir lebt; und kommt Die Schwester von Urbino, kommt sie fast So sehr um deint- als der Geschwister willen. Sie denken alle gut und gleich von dir, Und jegliches vertraut dir unbedingt. O Leonore, welch Vertraun ist das? Hat er von seinem Staate je ein Wort, Ein ernstes Wort mit mir gesprochen? Kam Ein eigner Fall, worüber er sogar In meiner Gegenwart mit seiner Schwester, Mit andern sich beriet, mich fragt' er nie. Da hieß es immer nur, Antonio kommt! Man muß Antonio schreiben! fragt Antonio! Du klagst anstatt zu danken. Wenn er dich In unbedingter Freiheit lassen mag, So ehrt er dich, wie er dich ehren kann. Er läßt mich ruhn, weil er mich unnütz glaubt. Du bist nicht unnütz, eben weil du ruhst. So lange hegst du schon Verdruß und Sorge, Wie ein geliebtes Kind, an deiner Brust. Ich hab es oft bedacht und mag's bedenken Wie ich es will, auf diesem schönen Boden, Wohin das Glück dich zu verpflanzen schien, Gedeihst du nicht. O Tasso! – rat ich dir's? Sprech ich es aus? – Du solltest dich entfernen! Verschone nicht den Kranken, lieber Arzt! Reich ihm das Mittel, denke nicht daran, Ob's bitter sei. – Ob er genesen könne, Das überlege wohl, o kluge, gute Freundin! Ich seh es alles selbst, es ist vorbei! Ich kann ihm wohl verzeihen, er nicht mir; Und sein bedarf man, leider! meiner nicht. Und er ist klug, und leider! bin ich's nicht. Er wirkt zu meinem Schaden, und ich kann, Ich mag nicht gegenwirken. Meine Freunde Sie lassen's gehn, sie sehen's anders an, Sie widerstreben kaum und sollten kämpfen. Du glaubst, ich soll hinweg, ich glaub es selbst – So lebt denn wohl! ich werd auch das ertragen. Ihr seid von mir geschieden – werd auch mir Von euch zu scheiden, Kraft und Mut verliehn! Ach in der Ferne zeigt sich alles reiner, Was in der Gegenwart uns nur verwirrt. Vielleicht wirst du erkennen, welche Liebe Dich überall umgab und welchen Wert Die Treue wahrer Freunde hat, und wie Die weite Welt die Nächsten nicht ersetzt. Das werden wir erfahren! Kenn ich doch Die Welt von Jugend auf, wie sie so leicht Uns hülflos, einsam läßt, und ihren Weg Wie Sonn und Mond und andre Götter geht. Vernimmst du mich, mein Freund, so sollst du nie Die traurige Erfahrung wiederholen. Soll ich dir raten, so begibst du dich Erst nach Florenz, und eine Freundin wird Gar freundlich für dich sorgen. Sei getrost, Ich bin es selbst. Ich reise, den Gemahl Die nächsten Tage dort zu finden, kann Nichts freudiger für ihn und mich bereiten, Als wenn ich dich in unsre Mitte bringe. Ich sage dir kein Wort, du weißt es selbst, Welch einem Fürsten du dich nahen wirst, Und welche Männer diese schöne Stadt In ihrem Busen hegt und welche Frauen. Du schweigst? Bedenk es wohl! Entschließe dich. Gar reizend ist was du mir sagst, so ganz Dem Wunsch gemäß, den ich im stillen nähre; Allein es ist zu neu: ich bitte dich, Laß mich bedenken, ich beschließe bald. Ich gehe mit der schönsten Hoffnung weg Für dich und uns und auch für dieses Haus. Bedenke nur, und wenn du recht bedenkst, So wirst du schwerlich etwas Bessers denken. Noch eins, geliebte Freundin! sage mir Wie ist die Fürstin gegen mich gesinnt? War sie erzürnt auf mich? Was sagte sie? – Sie hat mich sehr getadelt? Rede frei. Da sie dich kennt, hat sie dich leicht entschuldigt. Hab ich bei ihr verloren? schmeichle nicht. Der Frauen Gunst wird nicht so leicht verscherzt. Wird sie mich gern entlassen, wenn ich gehe? Wenn es zu deinem Wohl gereicht, gewiß. Werd ich des Fürsten Gnade nicht verlieren? In seiner Großmut kannst du sicher ruhn. Und lassen wir die Fürstin ganz allein? Du gehst hinweg; und wenn ich wenig bin, So weiß ich doch, daß ich ihr etwas war. Gar freundliche Gesellschaft leistet uns Ein ferner Freund, wenn wir ihn glücklich wissen. Und es gelingt, ich sehe dich beglückt, Du wirst von hier nicht unzufrieden gehn. Der Fürst befahl's, Antonio sucht dich auf. Er tadelt selbst an sich die Bitterkeit, Womit er dich verletzt. Ich bitte dich, Nimm ihn gelassen auf, so wie er kommt. Ich darf in jedem Sinne vor ihm stehn. Und schenke mir der Himmel, lieber Freund, Noch eh du scheidest, dir das Aug zu öffnen: Daß niemand dich im ganzen Vaterlande Verfolgt und haßt und heimlich druckt und neckt. Du irrst gewiß, und wie du sonst zur Freude Von andern dichtest, leider dichtest du In diesem Fall ein seltenes Gewebe, Dich selbst zu kränken. Alles will ich tun, Um es entzwei zu reißen, daß du frei Den schönen Weg des Lebens wandeln mögest. Leb wohl! Ich hoffe bald ein glücklich Wort. 3. Auftritt Dritter Auftritt allein. Ich soll erkennen, daß mich niemand haßt, Daß niemand mich verfolgt, daß alle List Und alles heimliche Gewebe sich Allein in meinem Kopfe spinnt und webt! Bekennen soll ich daß ich unrecht habe, Und manchem unrecht tue der es nicht Um mich verdient! Und das in einer Stunde, Da vor dem Angesicht der Sonne klar Mein volles Recht, wie ihre Tücke, liegt. Ich soll es tief empfinden, wie der Fürst Mit offner Brust mir seine Gunst gewährt, Mit reichem Maß die Gaben mir erteilt, Im Augenblicke, da er schwach genug Von meinen Feinden sich das Auge trüben Und seine Hand gewiß auch fesseln läßt. Daß er betrogen ist, kann er nicht sehen, Daß sie Betrüger sind, kann ich nicht zeigen, Und nur damit er ruhig sich betrüge, Daß sie gemächlich ihn betrügen können, Soll ich mich stille halten, weichen gar. Und wer gibt mir den Rat? wer dringt so klug Mit treuer lieber Meinung auf mich ein? Lenore selbst, Lenore Sanvitale Die zarte Freundin! Ha, dich kenn ich nun! O warum traut ich ihrer Lippe je! Sie war nicht redlich, wenn sie noch so sehr Mir ihre Gunst, mir ihre Zärtlichkeit Mit süßen Worten zeigte! Nein, sie war Und bleibt ein listig Herz, sie wendet sich Mit leisen klugen Tritten nach der Gunst. Wie oft hab ich mich willig selbst betrogen, Auch über sie, und doch im Grunde hat Mich nur – die Eitelkeit betrogen. Wohl! Ich kannte sie, und schmeichelte mir selbst. So ist sie gegen andre, sagt ich mir, Doch gegen dich ist's offne treue Meinung. Nun seh ich's wohl und seh es nur zu spät: Ich war begünstigt, und sie schmiegte sich So zart – an den Beglückten. Nun ich falle, Sie wendet mir den Rücken wie das Glück. Nun kommt sie als ein Werkzeug meines Feindes, Sie schleicht heran und zischt mit glatter Zunge, Die kleine Schlange, zauberische Töne. Wie lieblich schien sie! Lieblicher als je! Wie wohl tat von der Lippe jedes Wort! Doch konnte mir die Schmeichelei nicht lang Den falschen Sinn verbergen; an der Stirne Schien ihr das Gegenteil zu klar geschrieben Von allem was sie sprach. Ich fühl es leicht, Wenn man den Weg zu meinem Herzen sucht Und es nicht herzlich meint. Ich soll hinweg? Soll nach Florenz, sobald ich immer kann? Und warum nach Florenz? Ich seh es wohl. Dort herrscht der Mediceer neues Haus, Zwar nicht in offner Feindschaft mit Ferrara, Doch hält der stille Neid mit kalter Hand Die edelsten Gemüter auseinander. Empfang ich dort von jenen edlen Fürsten Erhabne Zeichen ihrer Gunst, wie ich Gewiß erwarten dürfte, würde bald Der Höfling meine Treu und Dankbarkeit Verdächtig machen. Leicht geläng es ihm. Ja, ich will weg, allein nicht wie ihr wollt; Ich will hinweg, und weiter als ihr denkt. Was soll ich hier? Wer hält mich hier zurück? O ich verstund ein jedes Wort zu gut, Das ich Lenoren von den Lippen lockte! Von Silb zu Silbe nur erhascht ich's kaum, Und weiß nun ganz wie die Prinzessin denkt – Ja, ja, auch das ist wahr, verzweifle nicht! »Sie wird mich gern entlassen wenn ich gehe, Da es zu meinem Wohl gereicht.« O! fühlte Sie eine Leidenschaft im Herzen, die mein Wohl Und mich zu Grunde richtete! Willkommner Ergriffe mich der Tod als diese Hand, Die kalt und starr mich von sich läßt. – Ich gehe! – Nur hüte dich und laß dich keinen Schein Von Freundschaft oder Güte täuschen! Niemand Betrügt dich nun, wenn du dich nicht betrügst. 4. Auftritt Vierter Auftritt Antonio. Tasso. Hier bin ich, Tasso, dir ein Wort zu sagen, Wenn du mich ruhig hören magst und kannst. Das Handeln, weißt du, bleibt mir untersagt, Es ziemt mir wohl zu warten und zu hören. Ich treffe dich gelassen, wie ich wünschte, Und spreche gern zu dir aus freier Brust. Zuvörderst lös ich in des Fürsten Namen Das schwache Band, das dich zu fesseln schien. Die Willkür macht mich frei, wie sie mich band; Ich nehm es an und fordre kein Gericht. Dann sag ich dir von mir: Ich habe dich Mit Worten, scheint es, tief und mehr gekränkt, Als ich, von mancher Leidenschaft bewegt, Es selbst empfand. Allein kein schimpflich Wort Ist meinen Lippen unbedacht entflohen; Zu rächen hast du nichts als Edelmann, Und wirst als Mensch Vergebung nicht versagen. Was härter treffe, Kränkung oder Schimpf, Will ich nicht untersuchen; jene dringt Ins tiefe Mark, und dieser ritzt die Haut. Der Pfeil des Schimpfs kehrt auf den Mann zurück, Der zu verwunden glaubt, die Meinung andrer Befriedigt leicht das wohlgeführte Schwert – Doch ein gekränktes Herz erholt sich schwer. Jetzt ist's an mir, daß ich dir dringend sage: Tritt nicht zurück, erfülle meinen Wunsch, Den Wunsch des Fürsten, der mich zu dir sendet. Ich kenne meine Pflicht und gebe nach. Es sei verziehn, sofern es möglich ist! Die Dichter sagen uns von einem Speer, Der eine Wunde, die er selbst geschlagen, Durch freundliche Berührung heilen konnte. Es hat des Menschen Zunge diese Kraft, Ich will ihr nicht gehässig widerstehn. Ich danke dir, und wünsche, daß du mich Und meinen Willen dir zu dienen gleich Vertraulich prüfen mögest. Sage mir, Kann ich dir nützlich sein? ich zeig es gern. Du bietest an was ich nur wünschen konnte. Du brachtest mir die Freiheit wieder, nun Verschaffe mir, ich bitte, den Gebrauch. Was kannst du meinen? Sag es deutlich an. Du weißt, geendet hab ich mein Gedicht, Es fehlt noch viel, daß es vollendet wäre. Heut überreicht ich es dem Fürsten, hoffte Zugleich ihm eine Bitte vorzutragen. Gar viele meiner Freunde find ich jetzt In Rom versammelt, einzeln haben sie Mir über manche Stellen ihre Meinung In Briefen schon eröffnet. Vieles hab ich Benutzen können, manches scheint mir noch Zu überlegen; und verschiedne Stellen Möcht ich nicht gern verändern, wenn man mich Nicht mehr, als es geschehn ist, überzeugt. Das alles wird durch Briefe nicht getan; Die Gegenwart löst diese Knoten bald. So dacht ich heut den Fürsten selbst zu bitten: Ich fand nicht Raum; nun darf ich es nicht wagen, Und hoffe diesen Urlaub nun durch dich. Mir scheint nicht rätlich, daß du dich entfernst In dem Moment, da dein vollendet Werk Dem Fürsten und der Fürstin dich empfiehlt. Ein Tag der Gunst ist wie ein Tag der Ernte, Man muß geschäftig sein sobald sie reift. Entfernst du dich, so wirst du nichts gewinnen, Vielleicht verlieren was du schon gewannst. Die Gegenwart ist eine mächtge Göttin; Lern ihren Einfluß kennen, bleibe hier! Zu fürchten hab ich nichts; Alfons ist edel, Stets hat er gegen mich sich groß gezeigt: Und was ich hoffe, will ich seinem Herzen Allein verdanken, keine Gnade mir Erschleichen; nichts will ich von ihm empfangen Was ihn gereuen könnte daß er's gab. So fordre nicht von ihm, daß er dich jetzt Entlassen soll; er wird es ungern tun, Und ich befürchte fast, er tut es nicht. Er wird es gern, wenn recht gebeten wird, Und du vermagst es wohl sobald du willst. Doch welche Gründe, sag mir, leg ich vor? Laß mein Gedicht aus jeder Stanze sprechen! Was ich gewollt ist löblich, wenn das Ziel Auch meinen Kräften unerreichbar blieb. An Fleiß und Mühe hat es nicht gefehlt. Der heitre Wandel mancher schönen Tage, Der stille Raum so mancher tiefen Nächte War einzig diesem frommen Lied geweiht. Bescheiden hofft ich, jenen großen Meistern Der Vorwelt mich zu nahen; kühn gesinnt Zu edlen Taten unsern Zeitgenossen Aus einem langen Schlaf zu rufen, dann Vielleicht mit einem edlen Christenheere Gefahr und Ruhm des heilgen Kriegs zu teilen. Und soll mein Lied die besten Männer wecken, So muß es auch der besten würdig sein. Alfonsen bin ich schuldig was ich tat, Nun möcht ich ihm auch die Vollendung danken. Und eben dieser Fürst ist hier, mit andern Die dich so gut als Römer leiten können. Vollende hier dein Werk, hier ist der Platz, Und um zu wirken eile dann nach Rom. Alfons hat mich zuerst begeistert, wird Gewiß der letzte sein der mich belehrt. Und deinen Rat, den Rat der klugen Männer, Die unser Hof versammelt, schätz ich hoch. Ihr sollt entscheiden, wenn mich ja zu Rom Die Freunde nicht vollkommen überzeugen. Doch diese muß ich sehn. Gonzaga hat Mir ein Gericht versammelt, dem ich erst Mich stellen muß. Ich kann es kaum erwarten. Flaminio de' Nobili, Angelio Da Barga, Antoniano und Speron Speroni! Du wirst sie kennen – Welche Namen sind's! Vertraun und Sorge flößen sie zugleich In meinen Geist, der gern sich unterwirft. Du denkst nur dich und denkst den Fürsten nicht. Ich sage dir, er wird dich nicht entlassen; Und wenn er's tut, entläßt er dich nicht gern. Du willst ja nicht verlangen was er dir Nicht gern gewähren mag. Und soll ich hier Vermitteln was ich selbst nicht loben kann? Versagst du mir den ersten Dienst, wenn ich Die angebotne Freundschaft prüfen will? Die wahre Freundschaft zeigt sich im Versagen Zur rechten Zeit, und es gewährt die Liebe Gar oft ein schädlich Gut, wenn sie den Willen Des Fordernden mehr als sein Glück bedenkt. Du scheinest mir in diesem Augenblick Für gut zu halten was du eifrig wünschest, Und willst im Augenblick was du begehrst. Durch Heftigkeit ersetzt der Irrende Was ihm an Wahrheit und an Kräften fehlt. Es fordert meine Pflicht, so viel ich kann Die Hast zu mäßgen, die dich übel treibt. Schon lange kenn ich diese Tyrannei Der Freundschaft, die von allen Tyranneien Die unerträglichste mir scheint. Du denkst Nur anders, und du glaubst deswegen Schon recht zu denken. Gern erkenn ich an, Du willst mein Wohl, allein verlange nicht, Daß ich auf deinem Weg es finden soll. Und soll ich dir sogleich mit kaltem Blut, Mit voller klarer Überzeugung schaden? Von dieser Sorge will ich dich befrein! Du hältst mich nicht mit diesen Worten ab. Du hast mich frei erklärt, und diese Türe Steht mir nun offen, die zum Fürsten führt. Ich lasse dir die Wahl. Du oder ich! Der Fürst geht fort. Hier ist kein Augenblick Zu harren. Wähle schnell! Wenn du nicht gehst, So geh ich selbst, und werd es wie es will. Laß mich nur wenig Zeit von dir erlangen, Und warte nur des Fürsten Rückkehr ab! Nur heute nicht! Nein, diese Stunde noch, Wenn's möglich ist! Es brennen mir die Sohlen Auf diesem Marmorboden, eher kann Mein Geist nicht Ruhe finden, bis der Staub Des freien Wegs mich Eilenden umgibt. Ich bitte dich! Du siehst, wie ungeschickt In diesem Augenblick ich sei mit meinem Herrn Zu reden; siehst – wie kann ich das verbergen – Daß ich mir selbst in diesem Augenblick, Mir keine Macht der Welt gebieten kann. Nur Fesseln sind es, die mich halten können! Alfons ist kein Tyrann, er sprach mich frei. Wie gern gehorcht ich seinen Worten sonst! Heut kann ich nicht gehorchen. Heute nur Laßt mich in Freiheit, daß mein Geist sich finde! Ich kehre bald zu meiner Pflicht zurück. Du machst mich zweifelhaft. Was soll ich tun? Ich merke wohl, es steckt der Irrtum an. Soll ich dir glauben, denkst du gut für mich, So wirke was ich wünsche, was du kannst. Der Fürst entläßt mich dann und ich verliere Nicht seine Gnade, seine Hülfe nicht. Das dank ich dir und will dir's gern verdanken; Doch hegst du einen alten Groll im Busen, Willst du von diesem Hofe mich verbannen, Willst du auf ewig mein Geschick verkehren, Mich hülflos in die weite Welt vertreiben, So bleib auf deinem Sinn und widersteh! Weil ich dir doch, o Tasso, schaden soll, So wähl ich denn den Weg den du erwählst. Der Ausgang mag entscheiden wer sich irrt! Du willst hinweg! Ich sag es dir zuvor, Du wendest diesem Hause kaum den Rücken, So wird dein Herz zurück verlangen, wird Dein Eigensinn dich vorwärts treiben: Schmerz, Verwirrung, Trübsinn harrt in Rom auf dich, Und du verfehlest hier und dort den Zweck. Doch sag ich dies nicht mehr, um dir zu raten, Ich sage nur voraus was bald geschieht, Und lade dich auch schon im voraus ein, Mir in dem schlimmsten Falle zu vertraun. Ich spreche nun den Fürsten wie du's forderst. 5. Auftritt Fünfter Auftritt allein. Ja gehe nur und gehe sicher weg, Daß du mich überredest was du willst. Ich lerne mich verstellen, denn du bist Ein großer Meister und ich fasse leicht. So zwingt das Leben uns zu scheinen, ja Zu sein wie jene die wir kühn und stolz Verachten konnten. Deutlich seh ich nun Die ganze Kunst des höfischen Gewebes! Mich will Antonio von hinnen treiben, Und will nicht scheinen daß er mich vertreibt. Er spielt den Schonenden, den Klugen, daß Man nur recht krank und ungeschickt mich finde, Bestellet sich zum Vormund, daß er mich Zum Kind erniedrige, den er zum Knecht Nicht zwingen konnte. So umnebelt er Die Stirn des Fürsten und der Fürstin Blick. Man soll mich halten, meint er, habe doch Ein schön Verdienst mir die Natur geschenkt, Doch leider habe sie mit manchen Schwächen Die hohe Gabe wieder schlimm begleitet, Mit ungebundnem Stolz, mit übertriebner Empfindlichkeit und eignem düstern Sinn. Es sei nicht anders, einmal habe nun Den einen Mann das Schicksal so gebildet, Nun müsse man ihn nehmen wie er sei, Ihn dulden, tragen und vielleicht an ihm Was Freude bringen kann am guten Tage Als unerwarteten Gewinst genießen, Im übrigen, wie er geboren sei, So müsse man ihn leben, sterben lassen. Erkenn ich noch Alfonsens festen Sinn? Der Feinden trotzt und Freunde treulich schützt, Erkenn ich ihn, wie er nun mir begegnet? Ja wohl erkenn ich ganz mein Unglück nun! Das ist mein Schicksal, daß nur gegen mich Sich jeglicher verändert, der für andre fest Und treu und sicher bleibt, sich leicht verändert Durch einen Hauch, in einem Augenblick. Hat nicht die Ankunft dieses Manns allein Mein ganz Geschick zerstört, in einer Stunde? Nicht dieser das Gebäude meines Glücks Von seinem tiefsten Grund aus umgestürzt? O muß ich das erfahren? Muß ich's heut? Ja, wie sich alles zu mir drängte, läßt Mich alles nun; wie jeder mich an sich Zu reißen strebte, jeder mich zu fassen, So stößt mich alles weg und meidet mich. Und das warum? Und wiegt denn er allein Die Schale meines Werts und aller Liebe, Die ich so reichlich sonst besessen, auf? Ja alles flieht mich nun. Auch du! Auch du! Geliebte Fürstin, du entziehst dich mir. In diesen trüben Stunden hat sie mir Kein einzig Zeichen ihrer Gunst gesandt. Hab ich's um sie verdient? – Du armes Herz Dem so natürlich war sie zu verehren! – Vernahm ich ihre Stimme, wie durchdrang Ein unaussprechliches Gefühl die Brust! Erblickt ich sie, da ward das helle Licht Des Tags mir trüb; unwiderstehlich zog Ihr Auge mich, ihr Mund mich an, mein Knie Erhielt sich kaum, und aller Kraft Des Geists bedurft ich, aufrecht mich zu halten, Vor ihre Füße nicht zu fallen, kaum Vermocht ich diesen Taumel zu zerstreun. Hier halte fest mein Herz! Du klarer Sinn Laß hier dich nicht umnebeln! Ja, auch sie! Darf ich es sagen und ich glaub es kaum, Ich glaub es wohl und möcht es mir verschweigen. Auch sie! auch sie! Entschuldige sie ganz, Allein verbirg dir's nicht: auch sie! auch sie! O dieses Wort, an dem ich zweifeln sollte So lang ein Hauch von Glauben in mir lebt, Ja dieses Wort, es gräbt sich wie ein Schluß Des Schicksals noch zuletzt am ehrnen Rande Der vollgeschriebnen Qualentafel ein. Nun sind erst meine Feinde stark, nun bin ich Auf ewig einer jeden Kraft beraubt. Wie soll ich streiten, wenn sie gegenüber Im Heere steht? Wie soll ich duldend harren, Wenn sie die Hand mir nicht von ferne reicht, Wenn nicht ihr Blick dem Flehenden begegnet? Du hast's gewagt zu denken, hast's gesprochen, Und es ist wahr eh du es fürchten konntest! Und eh nun die Verzweiflung deine Sinnen Mit ehrnen Klauen auseinander reißt, Ja klage nur das bittre Schicksal an, Und wiederhole nur, auch sie! auch sie! 5. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt Garten. Alfons. Antonio. Auf deinen Wink ging ich das zweitemal Zu Tasso hin, ich komme von ihm her. Ich hab ihm zugeredet, ja gedrungen, Allein er geht von seinem Sinn nicht ab, Und bittet sehnlich daß du ihn nach Rom Auf eine kurze Zeit entlassen mögest. Ich bin verdrießlich, daß ich dir's gestehe, Und lieber sag ich dir, daß ich es bin, Als daß ich den Verdruß verberg und mehre. Er will verreisen; gut, ich halt ihn nicht, Er will hinweg, er will nach Rom, es sei! Nur daß mir Scipio Gonzaga nicht, Der kluge Medicis ihn nicht entwende! Das hat Italien so groß gemacht, Daß jeder Nachbar mit dem andern streitet, Die Bessern zu besitzen, zu benutzen. Ein Feldherr ohne Heer scheint mir ein Fürst, Der die Talente nicht um sich versammelt. Und wer der Dichtkunst Stimme nicht vernimmt, Ist ein Barbar, er sei auch wer er sei. Gefunden hab ich diesen und gewählt, Ich bin auf ihn als meinen Diener stolz, Und da ich schon für ihn so viel getan, So möcht ich ihn nicht ohne Not verlieren. Ich bin verlegen, denn ich trage doch Vor dir die Schuld von dem was heut geschah; Auch will ich meinen Fehler gern gestehn, Er bleibet deiner Gnade zu verzeihn; Doch wenn du glauben könntest, daß ich nicht Das Mögliche getan ihn zu versöhnen, So würd ich ganz untröstlich sein. O! sprich Mit holdem Blick mich an, damit ich wieder Mich fassen kann, mir selbst vertrauen mag. Antonio nein, da sei nur immer ruhig, Ich schreib es dir auf keine Weise zu; Ich kenne nur zu gut den Sinn des Mannes, Und weiß nur allzuwohl was ich getan, Wie sehr ich ihn geschont, wie sehr ich ganz Vergessen, daß ich eigentlich an ihn Zu fordern hätte. Über vieles kann Der Mensch zum Herrn sich machen, seinen Sinn Bezwinget kaum die Not und lange Zeit. Wenn andre vieles um den einen tun, So ist's auch billig, daß der eine wieder Sich fleißig frage was den andern nützt. Wer seinen Geist so viel gebildet hat, Wer jede Wissenschaft zusammen geizt Und jede Kenntnis die uns zu ergreifen Erlaubt ist, sollte der, sich zu beherrschen, Nicht doppelt schuldig sein? Und denkt er dran? Wir sollen eben nicht in Ruhe bleiben! Gleich wird uns, wenn wir zu genießen denken, Zur Übung unsrer Tapferkeit ein Feind, Zur Übung der Geduld ein Freund gegeben. Die erste Pflicht des Menschen, Speis und Trank Zu wählen, da ihn die Natur so eng Nicht wie das Tier beschränkt, erfüllt er die? Und läßt er nicht vielmehr sich wie ein Kind Von allem reizen was dem Gaumen schmeichelt? Wann mischt er Wasser unter seinen Wein? Gewürze, süße Sachen, stark Getränke, Eins um das andre schlingt er hastig ein, Und dann beklagt er seinen trüben Sinn, Sein feurig Blut, sein allzuheftig Wesen, Er schilt auf die Natur und das Geschick. Wie bitter und wie töricht hab ich ihn Nicht oft mit seinem Arzte rechten sehn; Zum Lachen fast, wär irgend lächerlich Was einen Menschen quält und andre plagt. »Ich fühle dieses Übel«, sagt er bänglich Und voll Verdruß! »Was rühmt Ihr Eure Kunst? Schafft mir Genesung!« – Gut, versetzt der Arzt, So meidet das und das – »Das kann ich nicht« – So nehmet diesen Trank – »O nein! der schmeckt Abscheulich, er empört mir die Natur« So trinkt denn Wasser – »Wasser? nimmermehr! Ich bin so wasserscheu als ein Gebißner« – So ist Euch nicht zu helfen – »Und warum?« – Das Übel wird sich stets mit Übeln häufen, Und, wenn es Euch nicht töten kann, nur mehr Und mehr mit jedem Tag Euch quälen – »Schön! Wofür seid Ihr ein Arzt? Ihr kennt mein Übel, Ihr solltet auch die Mittel kennen, sie Auch schmackhaft machen, daß ich nicht noch erst, Der Leiden los zu sein, recht leiden müsse.« Du lächelst selbst und doch ist es gewiß, Du hast es wohl aus seinem Mund gehört? Ich hab es oft gehört und oft entschuldigt. Es ist gewiß, ein ungemäßigt Leben, Wie es uns schwere wilde Träume gibt, Macht uns zuletzt am hellen Tage träumen. Was ist sein Argwohn anders als ein Traum? Wohin er tritt, glaubt er von Feinden sich Umgeben. Sein Talent kann niemand sehn Der ihn nicht neidet, niemand ihn beneiden Der ihn nicht haßt und bitter ihn verfolgt. So hat er oft mit Klagen dich belästigt: Erbrochne Schlösser, aufgefangne Briefe, Und Gift und Dolch! Was alles vor ihm schwebt! Du hast es untersuchen lassen, untersucht, Und hast du was gefunden? Kaum den Schein. Der Schutz von keinem Fürsten macht ihn sicher, Der Busen keines Freundes kann ihn laben. Und willst du einem solchen Ruh und Glück, Willst du von ihm wohl Freude dir versprechen? Du hättest recht, Antonio, wenn in ihm Ich meinen nächsten Vorteil suchen wollte! Zwar ist es schon mein Vorteil, daß ich nicht Den Nutzen grad und unbedingt erwarte. Nicht alles dienet uns auf gleiche Weise; Wer vieles brauchen will, gebrauche jedes In seiner Art, so ist er wohl bedient. Das haben uns die Medicis gelehrt, Das haben uns die Päpste selbst gewiesen. Mit welcher Nachsicht, welcher fürstlichen Geduld und Langmut trugen diese Männer Manch groß Talent, das ihrer reichen Gnade Nicht zu bedürfen schien und doch bedurfte! Wer weiß es nicht, mein Fürst, des Lebens Mühe Lehrt uns allein des Lebens Güter schätzen. So jung hat er zu vieles schon erreicht Als daß genügsam er genießen könnte. O sollt er erst erwerben was ihm nun Mit offnen Händen angeboten wird, Er strengte seine Kräfte männlich an Und fühlte sich von Schritt zu Schritt begnügt. Ein armer Edelmann hat schon das Ziel Von seinem besten Wunsch erreicht, wenn ihn Ein edler Fürst zu seinem Hofgenossen Erwählen will und ihn der Dürftigkeit Mit milder Hand entzieht. Schenkt er ihm noch Vertraun und Gunst, und will an seine Seite Vor andern ihn erheben, sei's im Krieg, Sei's in Geschäften oder im Gespräch: So dächt ich, könnte der bescheidne Mann Sein Glück mit stiller Dankbarkeit verehren. Und Tasso hat zu allem diesem noch Das schönste Glück des Jünglings: daß ihn schon Sein Vaterland erkennt und auf ihn hofft. O glaube mir, sein launisch Mißbehagen Ruht auf dem breiten Polster seines Glücks. Er kommt, entlaß ihn gnädig, gib ihm Zeit In Rom und in Neapel, wo er will, Das aufzusuchen was er hier vermißt Und was er hier nur wiederfinden kann. Will er zurück erst nach Ferrara gehn? Er wünscht in Belriguardo zu verweilen. Das Nötigste was er zur Reise braucht, Will er durch einen Freund sich senden lassen. Ich bin's zufrieden. Meine Schwester geht Mit ihrer Freundin gleich zurück, und reitend Werd ich vor ihnen noch zu Hause sein. Du folgst uns bald, wenn du für ihn gesorgt. Dem Kastellan befiehl das Nötige, Daß er hier auf dem Schlosse bleiben kann So lang er will, so lang bis seine Freunde Ihm das Gepäck gesendet, bis wir ihm Die Briefe schicken die ich ihm nach Rom Zu geben willens bin. Er kommt! Leb wohl! 2. Auftritt Zweiter Auftritt Alfons. Tasso. mit Zurückhaltung. Die Gnade, die du mir so oft bewiesen, Erscheinet heute mir in vollem Licht. Du hast verziehen, was in deiner Nähe Ich unbedacht und frevelhaft beging, Du hast den Widersacher mir versöhnt, Du willst erlauben daß ich eine Zeit Von deiner Seite mich entferne, willst Mir deine Gunst großmütig vorbehalten. Ich scheide nun mit völligem Vertraun Und hoffe still, mich soll die kleine Frist Von allem heilen was mich jetzt beklemmt. Es soll mein Geist aufs neue sich erheben, Und auf dem Wege, den ich froh und kühn, Durch deinen Blick ermuntert, erst betrat, Sich deiner Gunst aufs neue würdig machen. Ich wünsche dir zu deiner Reise Glück Und hoffe, daß du froh und ganz geheilt Uns wieder kommen wirst. Du bringst uns dann Den doppelten Gewinst für jede Stunde Die du uns nun entziehst, vergnügt zurück. Ich gebe Briefe dir an meine Leute, An Freunde dir nach Rom, und wünsche sehr Daß du dich zu den Meinen überall Zutraulich halten mögest, wie ich dich Als mein , obgleich entfernt, gewiß betrachte. Du überhäufst, o Fürst, mit Gnade den Der sich unwürdig fühlt, und selbst zu danken In diesem Augenblicke nicht vermag. Anstatt des Danks eröffn ich eine Bitte! Am meisten liegt mir mein Gedicht am Herzen. Ich habe viel getan und keine Mühe Und keinen Fleiß gespart, allein es bleibt Zu viel mir noch zurück. Ich möchte dort Wo noch der Geist der großen Männer schwebt Und wirksam schwebt, dort möcht ich in die Schule Aufs neue mich begeben; würdiger Erfreute deines Beifalls sich mein Lied, O gib die Blätter mir zurück, die ich Jetzt nur beschämt in deinen Händen weiß. Du wirst mir nicht an diesem Tage nehmen Was du mir kaum an diesem Tag gebracht. Laß zwischen dich und zwischen dein Gedicht Mich als Vermittler treten; hüte dich Durch strengen Fleiß die liebliche Natur Zu kränken, die in deinen Reimen lebt, Und höre nicht auf Rat von allen Seiten! Die tausendfältigen Gedanken vieler Verschiedner Menschen, die im Leben sich Und in der Meinung widersprechen, faßt Der Dichter klug in eins, und scheut sich nicht Gar manchem zu mißfallen, daß er manchem Um desto mehr gefallen möge. Doch Ich sage nicht, daß du nicht hie und da Bescheiden deine Feile brauchen solltest; Verspreche dir zugleich, in kurzer Zeit Erhältst du abgeschrieben dein Gedicht. Es bleibt von deiner Hand in meinen Händen, Damit ich seiner erst mit meinen Schwestern Mich recht erfreuen möge. Bringst du es Vollkommner dann zurück, wir werden uns Des höheren Genusses freun, und dich Bei mancher Stelle nur als Freunde warnen. Ich wiederhole nur beschämt die Bitte: Laß mich die Abschrift eilig haben, ganz Ruht mein Gemüt auf diesem Werke nun. Nun muß es werden was es werden kann. Ich billige den Trieb der dich beseelt! Doch, guter Tasso, wenn es möglich wäre, So solltest du erst eine kurze Zeit Der freien Welt genießen, dich zerstreuen, Dein Blut durch eine Kur verbessern. Dir Gewährte dann die schöne Harmonie Der hergestellten Sinne was du nun Im trüben Eifer nur vergebens suchst. Mein Fürst, so scheint es; doch, ich bin gesund Wenn ich mich meinem Fleiß ergeben kann, Und so macht wieder mich der Fleiß gesund. Du hast mich lang gesehn, mir ist nicht wohl In freier Üppigkeit. Mir läßt die Ruh Am mindsten Ruhe. Dies Gemüt ist nicht Von der Natur bestimmt, ich fühl es leider, Auf weichem Element der Tage froh Ins weite Meer der Zeiten hinzuschwimmen. Dich führet alles was du sinnst und treibst Tief in dich selbst. Es liegt um uns herum Gar mancher Abgrund den das Schicksal grub; Doch hier in unserm Herzen ist der tiefste, Und reizend ist es sich hinabzustürzen. Ich bitte dich, entreiße dich dir selbst! Der Mensch gewinnt was der Poet verliert. Ich halte diesen Drang vergebens auf Der Tag und Nacht in meinem Busen wechselt. Wenn ich nicht sinnen oder dichten soll, So ist das Leben mir kein Leben mehr. Verbiete du dem Seidenwurm zu spinnen, Wenn er sich schon dem Tode näher spinnt. Das köstliche Geweb entwickelt er Aus seinem Innersten und läßt nicht ab Bis er in seinen Sarg sich eingeschlossen. O geb ein guter Gott uns auch dereinst Das Schicksal des beneidenswerten Wurms, Im neuen Sonnental die Flügel rasch Und freudig zu entfalten. Höre mich! Du gibst so vielen doppelten Genuß Des Lebens, lern, ich bitte dich, Den Wert des Lebens kennen, das du noch Und zehnfach reich besitzest. Lebe wohl! Je eher du zu uns zurücke kehrst, Je schöner wirst du uns willkommen sein. 3. Auftritt Dritter Auftritt So halte fest, mein Herz, so war es recht! Es wird dir schwer, es ist das erstemal Daß du dich so verstellen magst und kannst. Du hörtest wohl, das war nicht sein Gemüt, Das waren seine Worte nicht, mir schien Als klänge nur Antonios Stimme wieder, O gib nur acht! du wirst sie nun so fort Von allen Seiten hören. Fest, nur fest! Um einen Augenblick ist's noch zu tun. Wer spät im Leben sich verstellen lernt, Der hat den Schein der Ehrlichkeit voraus. Es wird schon gehn, nur übe dich mit ihnen. Nach einer Pause. Du triumphierst zu früh, dort kommt sie her! Die holde Fürstin kommt! O welch Gefühl! Sie tritt herein, es löst in meinem Busen Verdruß und Argwohn sich in Schmerzen auf. 4. Auftritt Vierter Auftritt Prinzessin. Tasso. Gegen das Ende des Auftritts die übrigen. Du denkst uns zu verlassen, oder bleibst Vielmehr in Belriguardo noch zurück, Und willst dich dann von uns entfernen, Tasso, Ich hoffe, nur auf eine kurze Zeit. Du gehst nach Rom? Ich richte meinen Weg Zuerst dahin, und nehmen meine Freunde Mich gütig auf, wie ich es hoffen darf, So leg ich da mit Sorgfalt und Geduld Vielleicht die letzte Hand an mein Gedicht. Ich finde viele Männer dort versammelt, Die Meister aller Art sich nennen dürfen. Und spricht in jener ersten Stadt der Welt Nicht jeder Platz, nicht jeder Stein zu uns? Wie viele tausend stumme Lehrer winken In ernster Majestät uns freundlich an! Vollend ich da nicht mein Gedicht, so kann Ich's nie vollenden. Leider, ach, schon fühl ich, Mir wird zu keinem Unternehmen Glück! Verändern werd ich es, vollenden nie. Ich fühl, ich fühl es wohl, die große Kunst Die jeden nährt, die den gesunden Geist Stärkt und erquickt, wird mich zu Grunde richten, Vertreiben wird sie mich. Ich eile fort! Nach Napel will ich bald! Darfst du es wagen? Noch ist der strenge Bann nicht aufgehoben, Der dich zugleich mit deinem Vater traf. Du warnest recht, ich hab es schon bedacht. Verkleidet geh ich hin, den armen Rock Des Pilgers oder Schäfers zieh ich an. Ich schleiche durch die Stadt wo die Bewegung Der Tausende den einen leicht verbirgt. Ich eile nach dem Ufer, finde dort Gleich einen Kahn mit willig guten Leuten, Mit Bauern die zum Markte kamen, nun Nach Hause kehren, Leute von Sorrent; Denn ich muß nach Sorrent hinüber eilen. Dort wohnet meine Schwester, die mit mir Die Schmerzensfreude meiner Eltern war. Im Schiffe bin ich still, und trete dann Auch schweigend an das Land, ich gehe sacht Den Pfad hinauf und an dem Tore frag ich: Wo wohnt Cornelia? Zeigt mir es an! Cornelia Sersale? Freundlich deutet Mir eine Spinnerin die Straße, sie Bezeichnet mir das Haus. So steig ich weiter. Die Kinder laufen nebenher und schauen Das wilde Haar, den düstern Fremdling an. So komm ich an die Schwelle. Offen steht Die Türe schon, so tret ich in das Haus – Blick auf, o Tasso, wenn es möglich ist, Erkenne die Gefahr in der du schwebst! Ich schone dich, denn sonst würd ich dir sagen: Ist's edel so zu reden, wie du sprichst? Ist's edel nur allein an sich zu denken, Als kränktest du der Freunde Herzen nicht? Ist's dir verborgen wie mein Bruder denkt? Wie beide Schwestern dich zu schätzen wissen? Hast du es nicht empfunden und erkannt? Ist alles denn in wenig Augenblicken Verändert? Tasso! Wenn du scheiden willst, So laß uns Schmerz und Sorge nicht zurück. wendet sich weg. Wie tröstlich ist es einem Freunde, der Auf eine kurze Zeit verreisen will, Ein klein Geschenk zu geben, sei es nur Ein neuer Mantel, oder eine Waffe. Dir kann man nichts mehr geben, denn du wirfst Unwillig alles weg was du besitzest. Die Pilgermuschel und den schwarzen Kittel, Den langen Stab erwählst du dir, und gehst Freiwillig arm dahin, und nimmst uns weg Was du mit uns allein genießen konntest. So willst du mich nicht ganz und gar verstoßen! O süßes Wort, o schöner teurer Trost, Vertritt mich! Nimm in deinen Schutz mich auf! – Laß mich in Belriguardo hier, versetze Mich nach Consandoli, wohin du willst! Es hat der Fürst so manches schöne Schloß, So manchen Garten, der das ganze Jahr Gewartet wird, und ihr betretet kaum Ihn einen Tag, vielleicht nur eine Stunde. Ja wählet den entferntsten aus, den ihr In ganzen Jahren nicht besuchen geht, Und der vielleicht jetzt ohne Sorge liegt, Dort schickt mich hin! Dort laßt mich euer sein! Wie will ich deine Bäume pflegen! die Zitronen Im Herbst mit Brettern und mit Ziegeln decken Und mit verbundnem Rohre wohl verwahren! Es sollen schöne Blumen in den Beeten Die breiten Wurzeln schlagen, rein und zierlich Soll jeder Gang und jedes Fleckchen sein. Und laßt mir auch die Sorge des Palastes! Ich will zur rechten Zeit die Fenster öffnen, Daß Feuchtigkeit nicht den Gemälden schade; Die schön mit Stukkatur verzierten Wände Will ich mit einem leichten Wedel säubern, Es soll das Estrich blank und reinlich glänzen, Es soll kein Stein, kein Ziegel sich verrücken, Es soll kein Gras aus einer Ritze keimen! Ich finde keinen Rat in meinem Busen Und finde keinen Trost für dich und – uns. Mein Auge blickt umher ob nicht ein Gott Uns Hülfe reichen möchte? Möchte mir Ein heilsam Kraut entdecken, einen Trank Der deinem Sinne Frieden brächte, Frieden uns. Das treuste Wort, das von der Lippe fließt, Das schönste Heilungsmittel wirkt nicht mehr. Ich muß dich lassen, und verlassen kann Mein Herz dich nicht. Ihr Götter, ist sie's doch Die mit dir spricht und deiner sich erbarmt! Und konntest du das edle Herz verkennen? War's möglich daß in ihrer Gegenwart Der Kleinmut dich ergriff und dich bezwang? Nein nein, du bist's, und nun ich bin es auch. O fahre fort und laß mich jeden Trost Aus deinem Munde hören! deinen Rat Entzieh mir nicht, o sprich: was soll ich tun? Damit dein Bruder mir vergeben könne, Damit du selbst mir gern vergeben mögest, Damit ihr wieder zu den Euren mich Mit Freuden zählen möget. Sag mir an. Gar wenig ist's was wir von dir verlangen, Und dennoch scheint es allzuviel zu sein. Du sollst dich selbst uns freundlich überlassen. Wir wollen nichts von dir was du nicht bist, Wenn du nur erst dir mit dir selbst gefällst. Du machst uns Freude wenn du Freude hast, Und du betrübst uns nur wenn du sie fliehst; Und wenn du uns auch ungeduldig machst, So ist es nur, daß wir dir helfen möchten Und, leider! sehn daß nicht zu helfen ist; Wenn du nicht selbst des Freundes Hand ergreifst, Die, sehnlich ausgereckt, dich nicht erreicht. Du bist es selbst, wie du zum erstenmal Ein heilger Engel mir entgegen kamst! Verzeih dem trüben Blick des Sterblichen Wenn er auf Augenblicke dich verkannt. Er kennt dich wieder! Ganz eröffnet sich Die Seele, nur dich ewig zu verehren. Es füllt sich ganz das Herz von Zärtlichkeit – Sie ist's, sie steht vor mir. Welch ein Gefühl! Ist es Verirrung was mich nach dir zieht? Ist's Raserei? ist's ein erhöhter Sinn, Der erst die höchste reinste Wahrheit faßt? Ja, es ist das Gefühl, das mich allein Auf dieser Erde glücklich machen kann; Das mich allein so elend werden ließ, Wenn ich ihm widerstand und aus dem Herzen Es bannen wollte. Diese Leidenschaft Gedacht ich zu bekämpfen; stritt und stritt Mit meinem tiefsten Sein, zerstörte frech Mein eignes Selbst, dem du so ganz gehörst. Wenn ich dich, Tasso, länger hören soll, So mäßige die Glut die mich erschreckt. Beschränkt der Rand des Bechers einen Wein Der schäumend wallt und brausend überschwillt? Mit jedem Wort erhöhest du mein Glück, Mit jedem Worte glänzt dein Auge heller. Ich fühle mich im Innersten verändert, Ich fühle mich von aller Not entladen, Frei wie ein Gott, und alles dank ich dir! Unsägliche Gewalt die mich beherrscht, Entfließet deinen Lippen; ja, du machst Mich ganz dir eigen. Nichts gehöret mir Von meinem ganzen Ich mir künftig an. Es trübt mein Auge sich in Glück und Licht, Es schwankt mein Sinn. Mich hält der Fuß nicht mehr. Unwiderstehlich ziehst du mich zu dir Und unaufhaltsam dringt mein Herz dir zu. Du hast mich ganz auf ewig dir gewonnen, So nimm denn auch mein ganzes Wesen hin. Er fällt ihr in die Arme und drückt sie fest an sich. ihn von sich stoßend und hinwegeilend. Hinweg! die sich schon eine Weile im Grunde sehen lassen, herbeieilend. Was ist geschehen? Tasso! Tasso! Sie geht der Prinzessin nach. im Begriff ihnen zu folgen. O Gott! der sich schon eine Zeitlang mit Antonio genähert. Er kommt von Sinnen, halt ihn fest. Ab. 5. Auftritt Fünfter Auftritt Tasso. Antonio. O stünde jetzt, so wie du immer glaubst Daß du von Feinden rings umgeben bist, Ein Feind bei dir, wie würd er triumphieren? Unglücklicher, noch kaum erhol ich mich! Wenn ganz was Unerwartetes begegnet, Wenn unser Blick was Ungeheures sieht, Steht unser Geist auf eine Weile still, Wir haben nichts womit wir das vergleichen. nach einer langen Pause. Vollende nur dein Amt, ich seh du bist's! Ja du verdienst das fürstliche Vertraun, Vollende nur dein Amt, und martre mich, Da mir der Stab gebrochen ist, noch langsam Zu Tode! Ziehe! Zieh am Pfeile nur, Daß ich den Widerhaken grimmig fühle Der mich zerfleischt! Du bist ein teures Werkzeug des Tyrannen, Sei Kerkermeister, sei der Marterknecht, Wie wohl! wie eigen steht dir beides an! Gegen die Szene. Ja, gehe nur Tyrann! Du konntest dich Nicht bis zuletzt verstellen, triumphiere! Du hast den Sklaven wohl gekettet, hast Ihn wohl gespart zu ausgedachten Qualen: Geh nur, ich hasse dich, ich fühle ganz Den Abscheu, den die Übermacht erregt, Die frevelhaft und ungerecht ergreift. Nach einer Pause. So seh ich mich am Ende denn verbannt, Verstoßen und verbannt als Bettler hier? So hat man mich bekränzt, um mich geschmückt Als Opfertier vor den Altar zu führen. So lockte man mir noch am letzten Tage Mein einzig Eigentum, mir mein Gedicht Mit glatten Worten ab und hielt es fest! Mein einzig Gut ist nun in euren Händen, Das mich an jedem Ort empfohlen hätte, Das mir noch blieb vom Hunger mich zu retten! Jetzt seh ich wohl warum ich feiern soll. Es ist Verschwörung, und du bist das Haupt. Damit mein Lied nur nicht vollkommner werde, Daß nur mein Name sich nicht mehr verbreite, Daß meine Neider tausend Schwächen finden, Daß man am Ende meiner gar vergesse; Drum soll ich mich zum Müßiggang gewöhnen, Drum soll ich mich und meine Sinne schonen. O werte Freundschaft, teure Sorglichkeit! Abscheulich dacht ich die Verschwörung mir, Die unsichtbar und rastlos mich umspann, Allein abscheulicher ist es geworden. Und du, Sirene! die du mich so zart, So himmlisch angelockt, ich sehe nun Dich auf einmal! O Gott warum so spät! Allein wir selbst betrügen uns so gern, Und ehren die Verworfnen die uns ehren. Die Menschen kennen sich einander nicht; Nur die Galeerensklaven kennen sich, Die eng an eine Bank geschmiedet keuchen; Wo keiner was zu fordern hat und keiner Was zu verlieren hat, die kennen sich! Wo jeder sich für einen Schelmen gibt, Und seinesgleichen auch für Schelmen nimmt. Doch wir verkennen nur die andern höflich, Damit sie wieder uns verkennen sollen. Wie lang verdeckte mir dein heilig Bild Die Buhlerin, die kleine Künste treibt. Die Maske fällt, Armiden seh ich nun Entblößt von allen Reizen – ja, du bist's! Von dir hat ahndungsvoll mein Lied gesungen! Und die verschmitzte kleine Mittlerin! Wie tief erniedrigt seh ich sie vor mir! Ich höre nun die leisen Tritte rauschen, Ich kenne nun den Kreis um den sie schlich. Euch alle kenn ich! Sei mir das genug! Und wenn das Elend alles mir geraubt, So preis ich's doch, die Wahrheit lehrt es mich. Ich höre, Tasso, dich mit Staunen an, So sehr ich weiß wie leicht dein rascher Geist Von einer Grenze zu der andern schwankt. Besinne dich! Gebiete dieser Wut! Du lästerst, du erlaubst dir Wort auf Wort, Das deinen Schmerzen zu verzeihen ist, Doch das du selbst dir nie verzeihen kannst. O sprich mir nicht mit sanfter Lippe zu, Laß mich kein kluges Wort von dir vernehmen! Laß mir das dumpfe Glück, damit ich nicht Mich erst besinne, dann von Sinnen komme. Ich fühle mir das innerste Gebein Zerschmettert, und ich leb um es zu fühlen. Verzweiflung faßt mit aller Wut mich an, Und in der Höllenqual die mich vernichtet Wird Lästrung nur ein leiser Schmerzenslaut. Ich will hinweg! Und wenn du redlich bist, So zeig es mir, und laß mich gleich von hinnen. Ich werde dich in dieser Not nicht lassen; Und wenn es dir an Fassung ganz gebricht, So soll mir's an Geduld gewiß nicht fehlen. So muß ich mich dir denn gefangen geben? Ich gebe mich und so ist es getan; Ich widerstehe nicht, so ist mir wohl – Und laß es dann mich schmerzlich wiederholen, Wie schön es war was ich mir selbst verscherzte. Sie gehn hinweg – O Gott! dort seh ich schon Den Staub der von den Wagen sich erhebt – Die Reuter sind voraus – dort fahren sie, Dort gehn sie hin! Kam ich nicht auch daher? Sie sind hinweg, sie sind erzürnt auf mich. O küßt ich nur noch einmal seine Hand! O daß ich nur noch Abschied nehmen könnte! Nur einmal noch zu sagen: o verzeiht! Nur noch zu hören: Geh, dir ist verziehn! Allein ich hör es nicht, ich hör es nie – Ich will ja gehn! Laßt mich nur Abschied nehmen, Nur Abschied nehmen! Gebt, o gebt mir nur Auf einen Augenblick die Gegenwart Zurück! Vielleicht genes ich wieder. Nein, Ich bin verstoßen, bin verbannt, ich habe Mich selbst verbannt, ich werde diese Stimme Nicht mehr vernehmen, diesem Blicke nicht, Nicht mehr begegnen – Laß eines Mannes Stimme dich erinnern, Der neben dir nicht ohne Rührung steht! Du bist so elend nicht als wie du glaubst. Ermanne dich! Du gibst zu viel dir nach. Und bin ich denn so elend wie ich scheine? Bin ich so schwach wie ich vor dir mich zeige? Ist alles denn verloren? Hat der Schmerz, Als schütterte der Boden, das Gebäude In einen grausen Haufen Schutt verwandelt? Ist kein Talent mehr übrig, tausendfältig Mich zu zerstreun, zu unterstützen? Ist alle Kraft verloschen, die sich sonst In meinem Busen regte? bin ich nichts , Ganz nichts geworden? Nein, es ist alles da und ich bin nichts; Ich bin mir selbst entwandt, sie ist es mir! Und wenn du ganz dich zu verlieren scheinst, Vergleiche dich! Erkenne was du bist! Ja, du erinnerst mich zur rechten Zeit! – Hilft denn kein Beispiel der Geschichte mehr? Stellt sich kein edler Mann mir vor die Augen, Der mehr gelitten als ich jemals litt, Damit ich mich mit ihm vergleichend fasse? Nein, alles ist dahin! – Nur eines bleibt: Die Träne hat uns die Natur verliehen, Den Schrei des Schmerzens, wenn der Mann zuletzt Es nicht mehr trägt – Und mir noch über alles – Sie ließ im Schmerz mir Melodie und Rede, Die tiefste Fülle meiner Not zu klagen: Und wenn der Mensch in seiner Qual verstummt, Gab mir ein Gott zu sagen, wie ich leide. Antonio tritt zu ihm und nimmt ihn bei der Hand. O edler Mann! Du stehest fest und still, Ich scheine nur die sturmbewegte Welle. Allein bedenk, und überhebe nicht Dich deiner Kraft! Die mächtige Natur, Die diesen Felsen gründete, hat auch Der Welle die Beweglichkeit gegeben. Sie sendet ihren Sturm, die Welle flieht Und schwankt und schwillt und beugt sich schäumend über In dieser Woge spiegelte so schön Die Sonne sich, es ruhten die Gestirne An dieser Brust, die zärtlich sich bewegte. Verschwunden ist der Glanz, entflohn die Ruhe. Ich kenne mich in der Gefahr nicht mehr, Und schäme mich nicht mehr es zu bekennen. Zerbrochen ist das Steuer und es kracht Das Schiff an allen Seiten. Berstend reißt Der Boden unter meinen Füßen auf! Ich fasse dich mit beiden Armen an! So klammert sich der Schiffer endlich noch Am Felsen fest, an dem er scheitern sollte.