Der Wandrer Gott segne dich, junge Frau, Und den säugenden Knaben An deiner Brust! Laß mich an der Felsenwand hier In des Ulmbaums Schatten Meine Bürde werfen, Neben dir ausruhn. Welch Gewerbe treibt dich Durch des Tages Hitze Den staubigen Pfad her? Bringst du Waren aus der Stadt Im Land herum? Lächelst, Fremdling, Über meine Frage? Keine Waren bring ich aus der Stadt. Kühl wird nun der Abend. Zeige mir den Brunnen, Draus du trinkest, Liebes junges Weib! Hier den Felsenpfad hinauf. Geh voran! Durchs Gebüsche Geht der Pfad nach der Hütte, Drin ich wohne, Zu dem Brunnen, Den ich trinke. Spuren ordnender Menschenhand Zwischen dem Gesträuch! Diese Steine hast du nicht gefügt, Reichhinstreuende Natur! Weiter hinauf! Von dem Moos gedeckt ein Architrav! Ich erkenne dich, bildender Geist! Hast dein Siegel in den Stein geprägt. Weiter, Fremdling! Eine Inschrift, über die ich trete! Nicht zu lesen! Weggewandelt seid ihr, Tiefgegrabne Worte, Die ihr eures Meisters Andacht Tausend Enkeln zeigen solltet. Staunest, Fremdling, Diese Stein' an? Droben sind der Steine viel Um meine Hütte. Droben? Gleich zur Linken Durchs Gebüsch hinan; Hier. Ihr Musen und Grazien! Das ist meine Hütte. Eines Tempels Trümmer! Hier zur Seit hinab Quillt der Brunnen, Den ich trinke. Glühend webst du Über deinem Grabe, Genius! Über dir Ist zusammengestürzt Dein Meisterstück, O du Unsterblicher! Wart, ich hole das Gefäß Dir zum Trinken. Efeu hat deine schlanke Götterbildung umkleidet. Wie du emporstrebst Aus dem Schutte, Säulenpaar! Und du, einsame Schwester dort! Wie ihr, Düstres Moos auf dem heiligen Haupt, Majestätisch trauernd herabschaut Auf die zertrümmerten Zu euern Füßen, Eure Geschwister! In des Brombeergesträuches Schatten Deckt sie Schutt und Erde, Und hohes Gras wankt drüber hin. Schätzest du so, Natur, Deines Meisterstücks Meisterstück? Unempfindlich zertrümmerst du Dein Heiligtum? Säest Disteln drein? Wie der Knabe schläft! Willst du in der Hütte ruhn, Fremdling? Willst du hier Lieber in dem Freien bleiben? Es ist kühl! Nimm den Knaben, Daß ich Wasser schöpfen gehe. Schlafe, Lieber! schlaf! Süß ist deine Ruh! Wie's, in himmlischer Gesundheit Schwimmend, ruhig atmet! Du, geboren über Resten Heiliger Vergangenheit, Ruh ihr Geist auf dir! Welchen der umschwebt, Wird in Götterselbstgefühl Jedes Tags genießen. Voller Keim, blüh auf, Des glänzenden Frühlings Herrlicher Schmuck, Und leuchte vor deinen Gesellen! Und welkt die Blütenhülle weg, Dann steig aus deinem Busen Die volle Frucht Und reife der Sonn entgegen! Gesegne's Gott! – Und schläft er noch? Ich habe nichts zum frischen Trunk Als ein Stück Brot, das ich dir bieten kann. Ich danke dir. Wie herrlich alles blüht umher Und grünt! Mein Mann wird bald Nach Hause sein Vom Feld. O bleibe, bleibe, Mann! Und iß mit uns das Abendbrot. Ihr wohnet hier? Da, zwischen dem Gemäuer her. Die Hütte baute noch mein Vater Aus Ziegeln und des Schuttes Steinen. Hier wohnen wir. Er gab mich einem Ackersmann Und starb in unsern Armen. – Hast du geschlafen, liebes Herz? Wie er munter ist und spielen will! Du Schelm! Natur! du ewig keimende, Schaffst jeden zum Genuß des Lebens, Hast deine Kinder alle mütterlich Mit Erbteil ausgestattet, einer Hütte. Hoch baut die Schwalb an das Gesims, Unfühlend, welchen Zierat Sie verklebt; Die Raup umspinnt den goldnen Zweig Zum Winterhaus für ihre Brut; Und du flickst zwischen der Vergangenheit Erhabne Trümmer Für deine Bedürfniss' Eine Hütte, o Mensch, Genießest über Gräbern! – Leb wohl, du glücklich Weib! Du willst nicht bleiben? Gott erhalt euch, Segn' euern Knaben! Glück auf den Weg! Wohin führt mich der Pfad Dort übern Berg? Nach Cuma. Wie weit ist's hin? Drei Meilen gut. Leb wohl! O leite meinen Gang, Natur! Den Fremdlings-Reisetritt, Den über Gräber Heiliger Vergangenheit Ich wandle. Leit ihn zum Schutzort, Vorm Nord gedeckt, Und wo dem Mittagsstrahl Ein Pappelwäldchen wehrt. Und kehr ich dann Am Abend heim Zur Hütte, Vergoldet vom letzten Sonnenstrahl, Laß mich empfangen solch ein Weib, Den Knaben auf dem Arm!