8/2646. An Philipp Seidel [15. März.] Beyliegender Brief den mir der alte Collina gegeben hat und den ich eben leße ist so zu erklären: daß eben der gute Alte kein Gedächtniß mehr hat und sich keiner Sache mehr erinnert. Denn er hätte sonst wissen können, daß er durch mich an seinen Sohn Briefe schicken kann, ferner daß sein Sohn ihm von der Reise und bey der Ankunft in Weimar geschrieben hat, denn er hat mir ja alle die Briefe selbst gezeigt. Sage das also Collina damit er nicht irre wird und glaube sein Vater habe die Briefe nicht empfangen. Deinen Brief vom 25. Febr. erhalte ich heut. Ich werde, sobald möglich von Rom aufbrechen. Wegen Fritzen vertrau ich dir ganz, es soll mich freuen, selbst Zeuge deiner Bemühungen zu seyn und mitzuwürcken. Was Claudinen betrifft; so fehlen dir einige Data das Stück ganz richtig zu beurtheilen. Habe ich eine fette Oper gemacht; so ist mein Zweck erreicht. Du bist eben ein prosaischer Deutscher und meynst ein Kunstwerck müße sich verschlingen laßen wie eine Auster. Weil du die Verse nicht zu lesen verstehst, denckst du es solle niemand in Versen schreiben. Wäre diese Claudine komponirt und vorgestellt wie sie geschrieben ist; so solltest du anders reden. Was Musikus, Ackteur, Dekorateur dazu thun müssen und was es überhaupt heißt: ein solches Ganze von seiner Seite anzulegen daß die übrigen mitarbeiten und mitwürcken können, kann der Leser nicht hinzuthun und glaubt doch immer er müße es können weil es geschrieben oder gedruckt ist. Davon mehr, wenn wir uns wiedersehen, Wie auch über deine salinische Beobachtungen. Du wirst dich ereifern, wenn ich dir sage, daß ich noch gar nicht überzeugt bin, daß ich dich vielmehr gewiß zu überzeugen hoffe. Es versteht sich, daß ich alle deine Beobachtungen als wahr annehme, nur andre Folgerungen daraus ziehe. Lebe wohl. NB. Der alte Collin fängt seinen Brief an: Caro Padre. Auch daraus ist zu ersehen wie schwach der gute Alte ist. G.