47/125. An Siegmund August Wolfgang Herder Nachdem ich von Herrn Hofrath Soret alles Freundliche und Gute von Freyberg vernommen, will ich, theuerster Herr und Freund, nicht länger säumen, bestens für die angenehme, mir vor einiger Zeit durch Ihre Geneigtheit gewordene Gabe verpflichtet zu danken. Fürwahr, Sie haben sich auf das genaueste der Gegenstände erinnert, welche mir von jeher das größte Interesse abgewonnen. Krystallisationen aller Art suchte ich zu sammeln, welche man theils ursprünglich und natürlich, theils abgeleitet und künstlich hervorgebracht sieht, und welche zusammen für natürlich angesprochen werden müssen; nur daß in der großen Natur sich gewisse Bedingungen nicht ergeben, unter welchen gerade der Mensch alles, was ihm unter die Hände kommt, zu bearbeiten und zu modificiren weiß. Gegenwärtig aber war gar mannichfaltiges zu beachten: die Einwirkung eines geringen Theils Arsenik auf die Krystallisation des Bleyes, sowohl Gestalt als Oberfläche modificirend und in die sonst gestrickt genannten arsenikalischen Silbererze erinnernd. Ferner Hornsteinkrystalle von so eigner Art, daß man ihren eigenthümlichen Ursprung nicht denken konnte, sondern sie als abgeleitet, ja als abgebrochen sich vorstellen durfte. Nun der Schwefel irgend in seiner Elementar-Gestalt wieder hergerichtet, nachdem man ihm chemisch mancherlei zugemuthet hatte. Dieß alles sind Beispiele, die zu vielerlei Betrachtung Anlaß geben. Ja, ich darf wohl gestehen, daß ich Einiges zu Papier brachte in der Absicht, solches zu übersenden. Näher angesehen, war es jedoch nicht von der Reise, um sich vor Meister und Gesellen sehen zu lassen; bisher aber fehlt es mir an Ruhe und Sammlung, um den kleinen Aufsatz zu vollenden. Daher will ich mich auch nicht, wie bis jetzt geschehen und welches Sie verzeihen werden, aufhalten lassen und nur mit wenigem noch versichern, daß jede Gabe von dorther mir im wissenschaftlichen Sinne wie als freundschaftliches Andenken höchst erwünscht seyn wird, besonders wenn es nicht gar in zu langen Zwischenpausen, sondern in meinem Alter angemessenen Intervallen ohne Beschwerde geschehen kann. Vermindert bey mir sich nun immer mehr die Hoffnung, das gehaltreiche Freyberg zu besuchen, so kann mir freylich nichts erwünschter seyn, als die Absicht, mich eines vieljährigen Freundes in Gesellschaft mancher andern werthen Personen hier am Orte baldigst zu erfreuen. Empfehlen Sie allen Ihren thätigen Geschäfts- und Lehrgenossen einen treuen dankbaren Jubilar der freyberger Schule, der sich durch das wildgräßliche Gepolter neuester Gebirgsaufwiegelungen, besonders des Herrn Elie de Beaumont, nicht im mindesten in Erschütterung bringen ließ. Treu angehörig Weimar den 21. Juli 1830. J. W. v. Goethe.