26/7184. An den Großherzog Carl August Ew. Königlichen Hoheit bin zum danckbarsten verpflichtet daß Höchstdieselben mich aus meinem Heidelberger Kunsttraum wecken und nach Carlsruhe hin dirigiren wollen. Geh. Hofr. Gmelin demonstrirte, den Linné in der Hand, wiederholt das Conchylien Kabinet, wobey sich mir der alte Spruch bewahrheitete: Um einsichtig zu werden müsse man das fürtreffliche betrachten. Und gewiß, ich fühle mich eingeführt in ein Feld, in welchem ich immer fremd geblieben. Die für Ew. Hoheit bestimmten Mineralien werden sorgfältig zusammen gelegt. Ew. lehnte ab als ich von Auslagen sprach. Die Fossilien sind bewundernswürdig. Jene Chalcedon Druse im Basalt höchst merckwürdig. Der Botanische Garten unterhielt uns einen ganzen Morgen, manches Neue ward gelernt, manches Alte aufgefrischt. Weinbrenner führte mich in seinen Wercken umher. Ich sah in dem Hochberger Palais die beyden Grafen, auch die junge Gräfinn. Das Theater, bey einer Vrorstellung, auch bey Tage gesehen hat mir sehr wohl gefallen. Der protestantischen Kirche haben Ew. Hoheit zu einer verzierteren Schlußwand geholfen, indessen wird der geistliche Herr immer, zwischen dem gekreuzigten und auferstehenden Heiland, mehr als Mauerschwalbe denn als Taube schweben. Prinz Louis wollte aufwarten fand ihn aber nicht zu Hause, hinterlies jedoch Grüße von Ew. Hoheit. Freundliche Aufnahme habe überall gefunden, sogar die Museums-Gesellschaft brachte ein artiges Ständchen und so bin ich denn unterrichtet und erfreut wieder nach Heidelberg zurück. Nun aber muß hoffen und bitten daß Ew. Hoheit mir nicht zürnen möge, wenn ich anzeige: daß es mich beym Schopfe faßt und über Würzburg nach Hause führt. Eigentlich ist es derselbige Dämon, der aus Herrn v. Steins Munde mich zu einem Aufsatz über Alterthum, Kunst, ja Wissenschaft in den Rhein-und Mayngegenden verführte. Dieser, wenn er wircken soll, muß diesen Augenblick hervortreten, wo so vieles in Bewegung ist und sich nach allen Richtungen durchkreuzt. Setzer und Drucker in Jena harren, dieses Wercklein zu bearbeiten, schon einige Wochen, so daß ich hoffen kann Ew. Hoheit bey Ihro Zurückkunft solches zu Füßen zu legen. Herr v. Stein, dem ich sogleich ein Exemplar sende, bitte mich bestens zu empfehlen, ich hoffe er wird abermals meine Bestimmbarkeit billigen. Die Franckfurter Kunstmerckwürdigkeiten notire auf dem nächsten Blat, sie sind alle zugänglich auf Anmeldung. Mögen Ew. Hoheit der herrlichen Tage, am prächtigen Rhein, frölich genießen, heiter und glücklich zu den Ihrigen, wohlwollend zurückkehren! unterthänigst Heidelb. d. 8. Octbr. 1815. J. W. Goethe. In Franckfurt Kunstgegenstände. 1. Städelisches Haus. Gemählde verschiedener Schulen. Zeichnungen in großer Zahl und fürtrefflich. Der Besitzer hat Haus, Kunstschätze und ein ansehnliches Capital zu einer öffentlichen Anstalt gestiftet. 2. Dr. Grambs besitzt treffliche Niederländische Gemälde. Handzeichnungen von großer Schönheit, ingl. ausgewählte Kupfer. 3. Franz Brentano. Ein neuangelegter köstlicher Bildersaal. Kupfersammlung sehr vollkommen. Die Marc Antons Abdrücke ohne gleichen. Diese Schätze stammen vom Schwiegervater, dem Edlen v. Birckenstock. 4. Das Museum. Viele Bilder, wenig bedeutende, nur eine kostbare Tafel von Martin Schön steht daselbst. Mahler Schütz (mit den Zunahmen der Vetter, eigentlich Neffe ) ein braver Landschafts Zeichner, wird mit Vergnügen einführen. Auch sind seine Obhut übergeben die alten aus den Klöstern genommenen Bilder. Sehr interessant, weil man hier die fränckisch-oberrheiniche Schule, wie ich sie nennen möchte, genauer kennen lernt. Hier schließt sich die von Brönner dem Museum vermachte große Kupferstich-Sammlung an. Dies sind bedeutende Massen. Einzelne schöne Wercke sind zerstreut, welche auszusuchen Zeit und Geduld nötig sind. Heidelb. d. 6. Octbr. 1815. G.