9/2813. An den Herzog Carl August Am 31. März bin ich in Venedig glücklich angelangt, nach einer vergnüglichen Reise. Das Wetter war meist schön, besonders durch Tyrol. Diesseits der Alpen von Verona biß hierher habe ich immer Nordost gehabt, hellen Himmel aber kalt. Heute den zweyten Aprill hat es hier geschneyt. Auf dem Lande sind die Bäume noch sehr zurück, bey Botzen blühten Mandeln und Pfirschen, um Verona war es auch sehr schön, an den Hügeln hin, das flache Land sieht aber noch nicht Italiänisch aus. Nun bin ich unter Amphibien und werde mich bald daran gewöhnen. Von Ihrer Frau Mutter habe ich noch keine Spur und Einsiedelei hat mir einen Gasthof angezeigt, der gar nicht in Venedig existirt. Durch einen Zufall bin ich in eine Gute Wohnung gekommen und habe den wahrhaften Musäus dieser seltsamen Stadt und gehe das merckwürdigste darin durch. Diese Reise hat mich recht zusammengeschüttelt und wird mir an Leib und Seele wohlthun. Übrigens muß ich im Vertrauen gestehen, daß meiner Liebe für Italien durch diese Reise ein tödtlicher Stos versetzt wird. Nicht daß mirs in irgend einem Sinne übel gegangen wäre, wie wollt es auch? aber die erste Blüte der Neigung und Neugierde ist abgefallen und ich bin doch auf oder ab ein wenig Schmelfungischer geworden. Dazu kommt meine Neigung zu dem zurückgelaßnen Erotio und zu dem kleinen Geschöpf in den Windeln, die ich Ihnen beyde, wie alles das meinige, bestens empfehle. Ich fürchte meine Elegien haben ihre höchste Summe erreicht und das Büchlein möchte geschloßen seyn. Dagegen bring ich einen Libellum Epigrammatum mit zurück, der sich Ihres Beyfalls, hoff ich, erfreuen soll. In manchen Augenblicken wünsch ich Sie mit mir zu sehen, nur damit Sie ich in Deutschland besser freuten. Das ist nun hier mitten im Wasser und wir sind mitten im Land! das ist das beste Element wo man sich seiner und der seinigen freuen kann. Leben Sie recht wohl. Venedig d. 3. Apr. 90. G.