6/2028. An Carl Ludwig von Knebel Ich habe schon längst verlangt von dir zu hören, und dancke dir daß du mir Nachricht giebst. Ich dencke offt an dich, und wünschte zu Zeiten deine Abgeschiedenheit theilen zu können, ob ich gleich ausser Geschäfften fast eben so einsam lebe. Die Stein und Herder sind mir vom grösten Werth und sind beynahe meine einzigen hiesigen Capitale von denen ich Zinsen ziehe. Es freut mich sehr daß Waiz sich gut hält. Grüse Lodern und danck ihm für die Sorgfalt an der lateinischen Übersetzung. Frage ihn was ich etwa Übersetzer und Abschreiber zu geben habe. Es ist nunmehr davon ein prächtig Exemplar abgeschrieben, wird gebunden und soll vor Weynachten seine Reise antreten. Seidler wünsche ich Geschick und Glück zum Anfange, es kommt viel auf den Eintritt an. Wie der Herzog unterweegs vom Geiste der Naturlehre überfallen worden wundert mich es schienen seine Organen am wenigsten vorbereitet dieses Wehen zu vernehmen. Du hast recht gegen das Encyklopädische Gastmal zu eifern was Herr Schlettwein auftischt. Indessen bleiben die meisten dieser Materien, man spreche öffentlich davon so viel man will scientia occulta. Wenigstens gewiß in der Anwendung und das haben sie mit mehreren gemein. Du wirst vielleicht Frau v. Reck gesehn haben. Ich bin neugierig wie sie dir einsamen erschienen ist. Herder ist fleisig, es ist unglaublich was er arbeiten kann. Mich hat der Dezember diesmal weniger als sonst geplagt Doch hab ich nichts als Geschäffte bey Seite gebracht. Eine Operette in Zwischenstunden das ist alles. Lebe wohl. Ich lade dich nicht zum Besuch. Dein Zimmer steht bereit. Wenn Oeser auf die Feyertage nicht kommt besuch ich dich vielleicht. d. 15. Dez. 1784. G.