1825, 13. Juni. Mit Friedrich von Müller Nachmittags macht er [Goethe] mit mir eine Spazierfahrt nach Belvedere. Es war seine erste seit sieben bis acht Monaten, und der Wunsch meinen neuen Wagen zu erproben, gab die Veranlassung. Das herrliche, milde Wetter, nicht allzuheiß, that ihm sehr wohl. Wir stiegen aus, wandelten in den Alleen umher und setzten uns dann geraume Zeit in das schattige Rondell hinter dem Schlosse. Die serbischen Lieder, Fräulein v. Jacob, mein Türkheimischer Brief gaben Stoff zur Unterhaltung. »Ungemein viel,« sagte er, »kommt bei solcher Übersetzung fremder Volkslieder auf Beibehaltung der Wortstellung des Originals an. Ich kann eben so wenig serbisch als persisch, aber ich habe mir doch durch Ansicht der Originale die Wortstellung abstrahirt.« Er frug mich nach Sicherheits-Cautelen bei Verlagsverträgen für den Fall, daß der Buchhändler Concurs mache. Vom Wahnsinn gab er die einfache Definition, daß er darin bestehe, wenn man von der wahren Beschaffenheit der Gegenstände und Verhältnisse, mit denen man es zu thun habe, weder Kenntniß habe, noch nehmen wolle, diese Beschaffenheit hartnäckig ignorire. Ich reizte ihn sehr lebhaft an, doch noch eine Schilderung des Tiefurter Lebens zur Zeit der Herzogin-Mutter zu entwerfen. »Es wäre nicht allzuschwer,« erwiederte er, »man dürfte nur die Zustände ganz treu so schildern, wie sie sich dem poetischen Auge in der Erinnerung darstellen, Dichtung und Wahrheit, ohne daß Erdichtung dabei wäre.« Reiselust und Reisepläne erwachten in ihm. Heimgekehrt, mußte ich noch ein halb Stündchen bei ihm weilen. Ich erzählte ihm die Motive aus den ›Beiden Freunden‹ von Friedrich v. Fouqué.