1828, 6. Juni. Mit Friedrich Soret Der König von Bayern sandte vor einiger Zeit seinen Hofmaler Stieler nach Weimar, um das Portrait Goethes zu machen. Als eine Art Empfehlungsbrief und als Zeugniß seiner Geschicklichkeit brachte Stieler das vollendete lebensgroße Bildniß eines sehr schönen jungen Frauenzimmers mit, nämlich das der Münchener Schauspielerin Fräulein von Hagn. Goethe gewährte darauf Herrn Stieler alle gewünschten Sitzungen, und sein Bild ward nun vor einigen Tagen fertig. Diesen Mittag war ich bei ihm zu Tische und zwar allein. Beim Dessert stand er auf und führte mich in das den Speisesaal angrenzende Cabinet und zeigte mir die jüngst vollendete Arbeit Stielers. Darauf, sehr geheimnißvoll, führte er mich weiter in das sogenannte Majolikazimmer, wo sich das Bild der schönen Schauspielerin befand. »Nicht wahr,« sagte er, nachdem wir es eine Weile betrachtet, »das ist der Mühe werth! Stieler war gar nicht dumm! Er brauchte diesen schönen Bissen bei mir als Lockspeise, und indem er mich durch solche Künste zum Sitzen brachte, schmeichelte er meiner Hoffnung, daß auch jetzt unter seinem Pinsel ein Engel entstehen würde, indem er den Kopf eines Alten malte.«