1823, 3. October. Mit Friedrich von Müller, Carl Friedrich und Carl von Reinhard Mit Reinhard jun. war ich bei Goethe von 5 Uhr an. Er schien anfangs einsilbiger, abgespannter, doch gelang es mir ihn belebter zu machen. Wilbrand von Gießen, der die schöne Höhenkarte herausgegeben, war bei ihm gewesen, Hennings aus Berlin war annoncirt. Der alte Reinhard kam von Belvedere. Goethe war anfangs auch gegen ihn still und unmittheilend, und schien mir sehr Dank zu wissen, als ich politische Gespräche herbeiführte, die Reinhard zu vertraulichsten Mittheilungen über seine Stellung zu Châteaubriand und dem französischen Gouvernement überhaupt veranlaßten. Er sprach mit liebenswürdiger Wärme und Geradheit, berührte seine drei Gefangenschaften und sein trübseliges Verhältniß zu Talleyrand im Jahre 1814 und 1815 als Kanzleichef. La Besnardière sei damals sehr eifersüchtig auf ihn gewesen. Er erzählte von der Malice Talleyrand's, als er ihm einen Journalartikel gegen Châteaubriand auftrug, der aber hoffentlich zu viel Seelengröße habe, um es nachzutragen. »In Frankfurt,« fuhr er fort, »bin ich eigentlich gleich Null, darum habe ich mir bisher die Freiheit des Wortes und des Urtheils erhalten. – In jetziger Zeit muß man feststehen auf seiner Basis und auf geprüften Maximen, nicht transigiren, nicht combiniren, sonst zieht man sich bald jede Erniedrigung und Ohrfeigen zu, und geht nur um so sicherer und schimpflicher unter.« So sprach der vielgeprüfte, würdevolle Mann, im Bewußtsein innerer Selbständigkeit und ging eben so heiter auf einen Tadel von Byrons Erde und Himmel über.