Die Geisterinsel. Wüste Insel. Ein Kreis schwarzer Tannen. Seesturm. Nacht . Das Ungewitter verzieht sich. Blaue Flammen steigen aus dem Boden und verschwinden. – Schauerliche Pause, in- dem der Mond langsam und dunkel aufgeht, und der Wind die Zweige erhebt. Unke ächzt. Rabe krächzt. Krahrah! (gegenüber) Geyer hackt am Todtenbein, Kautz und Felseneule schreyn. Uhui! (von einer Seite) Leichenvogel singt, Todtenglocke klingt. Ting! Ting! Todtenchöre singen wir. Todteswinde wehen hier! Schau den Hof um Mondenschimmer ! Horch des Leichhuhns Klaggewimmer! Wer den schwarzen Strand berührt, Wird zum Opfer hergeführt. Herbey! Geisterchor ! Jach empor! (Es donnert. Die Erde bebt.) In dieser Nacht Wird Blut gebracht. Hihi! Blut’ger Regen fiel aufs Kraut – Felsen ist mit Blut bethaut – Blutig, blutig, Kranz und Braut . Horch! Sie naht –  (Die Gegend wird von einem sanften Schim- mer erhellt. Der Himmel entwölkt sich.) (tritt auf.) Wo bin ich? Wie? ich lebe, Ich athme noch? Wo bin ich? – Oed’ scheint die Gegend, Schauerfeste durchbeben mich – Dumpf klatscht die Wooge Ans schroffe Ufer, Und Todtenstille Umgiebt mich – – Kaum wag’ ichs zu athmen – Ich zittre – mein Busen Hebt ängstlich sich! Es hallen Schritte – Es flüstern die Blätter – Kaum wag’ ichs zu wandeln – Es zittert die Luft! Wo bin ich? Welche Welle Trug mich hierher? Mich? – wehe mir! Und er ? Vielleicht – Ach, diese Welle Riss ihn vielleicht hinab? O, Schicksal ! Grausames Schicksal ! Warum mit ihm nicht mich? Was soll ich hier? Was soll allein Ich leben? Ich ohne ihn? – Doch nein! Nicht leben soll ich, Nicht trotzdem ihn beweinen! In dieser öden Wüste Wird doch ein wilder Löwe. Ein blutgier’ger Tiger. Ein Meeresungeheuer Dieß Quaalenleben enden! – Erbarmen! O! erbarmt euch über mich. Hihi! Horch! Was ist das? Eine Stimme . Wie hohnisches Gelächter? Was ist das? Es bebt durch alle Nerven! – Sprich noch einmal, o Stimme ! Bist du ein Mensch, Der Leidende verspottet? Bist du ein Strandbewohner, Gewohnt, Die Landenden zu plündern, Zu rauben und zu tödten? Bist ein Wesen, Das über Thränen jauchzt, Das neidisch Menschenglück zerrüttet? Hier bin ich! Nimm diess Leben! Ich danke dirs! (leise.) Hihi! Stille! St! Jetzt wieder? Hier - und drüben? So wunderbar, So leis und schrecklich? – Die Angst Dringt kalt zum Herzen mir! Mein Haar Hebt starrend sich empor? Wo bin ich? Niemand seh’ ich Und höre Stimmen , Wie nimmer ich sie hörte. Ists Flüstern Der Bäume die sich regen? Sinds Töne Verborgner, mächt’ger Wesen? Sind diese Ufer Des Schattenreichs Gefilde? Ists nur ein Traum , Dass ich noch lebe? Oder bin ich jetzt Vom Schlaf erwacht? Und träumte erst? Sey gegrüsset, Königin! Bist der Geister Herrscherinn. Geister neigen sich vor dir! Königin! wir dienen dir. Ach gewiß – Es ist ein Traum . Ich zittre, Und meine Kniee wanken. Zittre nicht, o Königin! Ruf uns hier und her und hin! Bist vom Schicksal auserlesen Zur Monarchin mächt’ger Wesen, Unter goldnem Stern gebohren – Uns zur Königin erkohren! (Flammen steigen aus der Erde. Die Bäume rauschen.) Auf! gebeut uns, Königin! Ruf uns hin und her und hin! Nein! So deutlich Ist nicht das lustige Gewebe Eines Traumes ! Sprich, sollen wir Stürme erregen? (Ein schreckliches Gebraus in der Luft.) Sprich, sollen die Wellen sich legen? (Es wird ruhig. Der Wind weht sanft und angenehm.) Sprich, sollen wir Felsen zerschmettern Und toben in brausenden Wettern? (Heftiger Blitz und Donner.) Sprich, sollen die Wolken zerspellen Und Blitze die Schlünde erhellen? (Noch heftigere Blitze. Unterirrdisches Ge- heul und Krachen.) Soll lieblich die Luft Mit Blumenduft Um Busen und Wange dir spielen? In süssen Liebesgefühlen Die Nachtigallen dir singen? Soll Sphärengelispel erklingen? Und soll’n wir in goldnen Schalen In rothen Rubinenpokalen Dir Nektar und Götterkost bringen? (Liebliche Musik in der Ferne. Eine Laube mit Kränzen und rosenfarbnen Lampen geschmückt steigt aus der Erde. Man sieht auf prächtigen Teppichen goldne Frucht- körbe, Trinkschaalen u. s. w.) Auf! gebeut uns, Königin! Ruf uns hin und her und hin. (Die Laube verschwindet.) Ihr mächt’gen Wesen! Erbarmt euch mein. – Wollt ihr mir dienen, Ihr Unsichtbaren! Wollt nicht des Unglücks, Der Thränen spotten. So treibt den Jüngling Mit leiser Welle Ans Ufer her: Ihn, den ich liebe – Ihn, der mich liebt So fest, so zärtlich – Der ach! vielleicht Im Woogengrabe Schon lange schläft – –  Treibt seinen Leichnam Mit sanften Lüften Ans Ufer an, Dass ich ihn küsse, Mit Thränen bade Und über ihn Mein Leben ende. (leise.) Hihi! (Pause.) (feyerlich langsam.) Schicksal ! unerforschlich Wesen Lass im ew’gen Buch uns lesen. (Pause. Eine tiefe Höle öfnet sich im Hintergrunde.) (dumpf und langsam.) Der Strand will Blut ! (Es donnert.) Seel’ um Seel’, und Blut um Blut ! Wehe mir! So bist du todt ! – Wo schläfst du? Wo warf die schwarze Wooge Dich an den harten Felsen? – Erbarmt euch! mächt’ge Geister ! – Ach, er ist todt ! Mein Edward! Todt ist er nicht, Er lebet nicht. Noch schwebet er Auf offnem Meer. Willst retten ihn, O Königin! Gieb Blut um Blut . Gieb Blut um Blut ! Für ihn? Wohl mir! Ich soll, ich kann Für ihn, den Liebling sterben. Ich eile – ich fliege Den Liebling zu retten. Ihr brausenden Woogen! Nehmt mich zum Opfer – Zum Opfer an! Halt ein! Halt ein! Sollst sterben, Geister königin! Sollst sterben nimmer nicht für ihn! Ritz’ dich in deine Lilienhand Und wirf zum Opfer für den Strand Den blut’gen Schleyer hin! Ich folge euch, Ihr Unerforschlichen! (Sie zieht die Nadel aus ihrem Schleyer , ritzt sich blutig , trocknet das Blut mit dem Schleyer und wirft ihn an den Strand.) Es ist gescheh’n Er ist gerettet, Königin! O, Dank! Ihr güt’gen Wesen! Heissen Dank! – Aber wo – Wo find‘ ich ihn? Schon schwebt er auf silbernen Woogen, Ans blumige Ufer daher, Von kleinen Delphinen umzogen, Geküsset von Nymphen und Meer. Geh linker Hand! Am Felsenstrand Erblickst du ihn, O Königin! (Elfride ab.) Hihi! Todtenchöre singen wir, Todtenwinde wehen hier! Rabe krächzt. Unke ächzt. Leichenvogel singt. Todtenglocke klingt. Ting! Ting! Blut’ger Regen fiel aufs Kraut! Felsen ist mit Blut bethaut – Leichenvogel hat gesungen, Unser Werk ist uns gelungen! Ehe noch der Morgen graut, Ist sie todt , die schöne Braut . Eh’ der schwarze Hahn erwacht Ist das Opfer dargebracht! Horch! leise! Horch! (tritt auf.) Elfride! O, Elfride! Wo bist du? – Nur einen Laut! – Elfride! Verschönerst du Noch diese Erde? Halt dich Einen Meeresgeist In seinen Armen fest? Hält dich gefangen Im Pallast Von Perlen und Korallen? Oder irrt dein Geist Um diese schwarzen Ufer? Liegt unbegraben Dein Leib auf einer Klippe – Ein Raub der Vögel? Oder schläfst Du tief im Grund der See? Elfride! Nur einen Laut! Erscheine mir im Todtenkleid , Dass ich dir folge Ins Schattenreich. Hihi! Was? – Noch einmal! – Stimmet Todtenchöre an! Zieht die Todtenglocken an! Todtenchöre singen wir, Todtenglocken läuten wir. Ting! Ting! Tong! Tong! Was hör’ ich? Welcher Ton Dringt an mein Ohr? – Wer seyd ihr, Die ihr so dumpf Und schauerlich Mein Unglück mir verkündet? – O, saget mir – Ihr wisset es! – Wo ist Elfride? Sagt, lebt sie noch? Sagt, ist sie todt ? Geyer gierig fuhr herab, Würgte Turteltäubchen ab. Mägdlein ist so blutigroth, Gab für dich sich in den Tod ! Für mich! O Himmel! Todt ? Elfride todt ? Opfer heischt der schwarze Strand, Bist in böser Geister Land. Liebchen hat um Mitternacht . Sich zum Opfer dargebracht. Gierig schlang das Ungeheuer – Blutig ist der weisse Schleyer . Purpurn floss die helle Flut – Seel’ um Seel’ und Blut um Blut ! (Es donnert.) Blut um Blut ! Ha! dieser Schleyer , Elfridens Schleyer – Mit Blut benetzt – Ha! meine Braut ! Für mich starbst du? O wehe mir! – – Herab, ihr Blitze! Auf mich herab! – Umsaust mich, ihr Stürme ! Umbrüllt mich, ihr Donner! Umzischt mich, ihr Nattern Des flammenden Abgrunds! Und trinkt mein Blut – (ersticht sich.) Hihi! Seel’ um Seel’ und Blut um Blut ! (sterbend.) Umgebt mich, ihr Schatten! – Dunkel – o dunkel – – Vergieb mir, Elfride! – Mein Tod versöhne – Elfride! (stirbt.) Unsre List ist uns gelungen – Leichenvogel hat gesungen – Einer ist von uns bethöret. Rufet laut, dass sie es höret. Elfride! Elfride! Herbey! Herbey! herbey! Wer ruft? – Hier bin ich – Schadenfrohe Geister ! Wo find’ ich ihn? Mädchen , weiss und rosenroth! Schlanker Bräutigam ist todt , Dunkel ist des Auges Glut – Seel’ um Seel’ und Blut um Blut ! (Donner.) (stürzt sich über seinen Leichnam.) Edward! Ha! mein Edward ! Du kalt und starr – Und blutig deine Locken? – Ha! – dieser Dolch – (Sie küsst den Dolch) Mein Edward ! Diesen Kuss – Und diesen – Deine Braut – Sie folget dir! (ersticht sich.) Geister , heult durch Sturm und Nacht ! Opfer ist nun dargebracht. Geister ! trinkt das heisse Blut – Seel’ um Seel’ und Blut um Blut !